"Iphigenie auf Tauris" - читать интересную книгу автора (Гете Иоганн Вольфганг)Dritter AuftrittIphigenie: Du forderst mich! Was bringt dich zu uns her? Thoas: Du schiebst das Opfer auf; sag an, warum? Iphigenie: Ich hab an Arkas alles klar erzählt. Thoas: Von dir möcht ich es weiter noch vernehmen. Iphigenie: Die Göttin gibt dir Frist zur Überlegung. Thoas: Sie scheint dir selbst gelegen, diese Frist. Iphigenie: Wenn dir das Herz zum grausamen Entschluß Verhärtet ist, so solltest du nicht kommen! Ein König, der Unmenschliches verlangt, Findt Diener gnug, die gegen Gnad und Lohn Den halben Fluch der Tat begierig fassen; Doch seine Gegenwart bleibt unbefleckt. Er sinnt den Tod in einer schweren Wolke, Und seine Boten bringen flammendes Verderben auf des Armen Haupt hinab; Er aber schwebt durch seine Höhen ruhig, Ein unerreichter Gott, im Sturme fort. Thoas: Die heil'ge Lippe tönt ein wildes Lied. Iphigenie: Nicht Priesterin! nur Agamemnons Tochter. Der Unbekannten Wort verehrtest du, Der Fürstin willst du rasch gebieten? Nein! Von Jugend auf hab ich gelernt gehorchen, Erst meinen Eltern und dann einer Gottheit, Und folgsam fühlt ich immer meine Seele Am schönsten frei; allein dem harten Worte, Dem rauhen Ausspruch eines Mannes mich Zu fügen, lernt ich weder dort noch hier. Thoas: Ein alt Gesetz, nicht ich, gebietet dir. Iphigenie: Wir fassen ein Gesetz begierig an, Das unsrer Leidenschaft zur Waffe dient. Ein andres spricht zu mir, ein älteres, Mich dir zu widersetzen: das Gebot, Dem jeder Fremde heilig ist. Thoas: Es scheinen die Gefangnen dir sehr nah Am Herzen, denn vor Anteil und Bewegung Vergissest du der Klugheit erstes Wort, Daß man den Mächtigen nicht reizen soll. Iphigenie: Red oder schweig ich, immer kannst du wissen, Was mir im Herzen ist und immer bleibt. Löst die Erinnerung des gleichen Schicksals Nicht ein verschloßnes Herz zum Mitleid auf? Wie mehr denn meins! In ihnen seh ich mich. Ich habe vorm Altare selbst gezittert, Und feierlich umgab der frühe Tod Die Knieende; das Messer zuckte schon, Den lebenvollen Busen zu durchbohren; Mein Innerstes entsetzte wirbelnd sich, Mein Auge brach, und — ich fand mich gerettet. Sind wir, was Götter gnädig uns gewährt, Unglücklichen nicht zu erstatten schuldig? Du weißt es, kennst mich, und du willst mich zwingen! Thoas: Gehorche deinem Dienste, nicht dem Herrn! Iphigenie: Laß ab! Beschönige nicht die Gewalt, Die sich der Schwachheit eines Weibes freut. Ich bin so frei geboren als ein Mann. Stünd Agamemnons Sohn dir gegenüber Und du verlangtest, was sich nicht gebührt, So hat auch er ein Schwert und einen Arm, Die Rechte seines Busens zu verteid'gen. Ich habe nichts als Worte, und es ziemt Dem edlen Mann, der Frauen Wort zu achten. Thoas: Ich acht es mehr als eines Bruders Schwert. Iphigenie: Das Los der Waffen wechselt hin und her: Kein kluger Streiter hält den Feind gering. Auch ohne Hülfe gegen Trutz und Härte Hat die Natur den Schwachen nicht gelassen. Sie gab zur List ihm Freude, lehrt' ihn Künste: Bald weicht er aus, verspätet und umgeht. Ja, der Gewaltige verdient, daß man sie übt. Thoas: Die Vorsicht stellt der List sich klug entgegen. Iphigenie: Und eine reine Seele braucht sie nicht. Thoas: Sprich unbehutsam nicht dein eigen Urteil! Iphigenie: O sähest du, wie meine Seele kämpft, Ein bös Geschick, das sie ergreifen will, Im ersten Anfall mutig abzutreiben! So steh ich denn hier wehrlos gegen dich? Die schöne Bitte, den anmut'gen Zweig, In einer Frauen Hand gewaltiger Als Schwert und Waffe, stößest du zurück: Was bleibt mir nun, mein Innres zu verteid'gen? Ruf ich die Göttin um ein Wunder an? Ist keine Kraft in meiner Seele Tiefen? Thoas: Es scheint, der beiden Fremden Schicksal macht Unmäßig dich besorgt. Wer sind sie, sprich, Für die dein Geist gewaltig sich erhebt? Iphigenie: Sie sind — sie scheinen — für Griechen halt ich sie. Thoas: Landsleute sind es? und sie haben wohl Der Rückkehr schönes Bild in dir erneut? Iphigenie Hat denn zur unerhörten Tat der Mann Allein das Recht? Drückt denn Unmögliches Nur er an die gewalt'ge Heldenbrust? Was nennt man groß? Was hebt die Seele schaudernd Dem immer wiederholenden Erzähler, Als was mit unwahrscheinlichem Erfolg Der Mutigste begann? Der in der Nacht Allein das Heer des Feindes überschleicht, Wie unversehen eine Flamme wütend Die Schlafenden, Erwachenden ergreift, Zuletzt, gedrängt von den Ermunterten, Auf Feindes Pferden doch mit Beute kehrt, Wird der allein gepriesen? der allein, Der, einen sichern Weg verachtend, kühn Gebirg und Wälder durchzustreifen geht, Daß er von Räubern eine Gegend säubre? Ist uns nichts übrig? Muß ein zartes Weib Sich ihres angebornen Rechts entäußern, Wild gegen Wilde sein, wie Amazonen Das Recht des Schwerts euch rauben und mit Blute Die Unterdrückung rächen? Auf und ab Steigt in der Brust ein kühnes Unternehmen: Ich werde großem Vorwurf nicht entgehn Noch schwerem Übel, wenn es mir mißlingt; Allein euch leg ich's auf die Kniee! Wenn Ihr wahrhaft seid, wie ihr gepriesen werdet, So zeigt's durch euern Beistand und verherrlicht Durch mich die Wahrheit! — Ja, vernimm, o König, Es wird ein heimlicher Betrug geschmiedet: Vergebens fragst du den Gefangnen nach; Sie sind hinweg und suchen ihre Freunde, Die mit dem Schiff am Ufer warten, auf. Der ältste, den das Übel hier ergriffen Und nun verlassen hat — es ist Orest, Mein Bruder, und der andre sein Vertrauter, Sein Jugendfreund, mit Namen Pylades. Apoll schickt sie von Delphi diesem Ufer Mit göttlichen Befehlen zu, das Bild Dianens wegzurauben und zu ihm Die Schwester hinzubringen, und dafür Verspricht er dem von Furien Verfolgten, Des Mutterblutes Schuldigen, Befreiung. Uns beide hab ich nun, die Überbliebnen Von Tantals Haus, in deine Hand gelegt: Verdirb uns — wenn du darfst. Thoas: Du glaubst, es höre Der rohe Skythe, der Barbar, die Stimme Der Wahrheit und der Menschlichkeit, die Atreus, Der Grieche, nicht vernahm? Iphigenie: Es hört sie jeder, Geboren unter jedem Himmel, dem Des Lebens Quelle durch den Busen rein Und ungehindert fließt. — Was sinnst du mir, O König, schweigend in der tiefen Seele? Ist es Verderben? so töte mich zuerst! Denn nun empfind ich, da uns keine Rettung Mehr übrigbleibt, die gräßliche Gefahr, Worein ich die Geliebten übereilt Vorsätzlich stürzte. Weh! Ich werde sie Gebunden vor mir sehn! Mit welchen Blicken Kann ich von meinem Bruder Abschied nehmen, Den ich ermorde? Nimmer kann ich ihm Mehr in die vielgeliebten Augen schaun! Thoas: So haben die Betrüger künstlich dichtend Der lang Verschloßnen, ihre Wünsche leicht Und willig Glaubenden ein solch Gespinst Ums Haupt geworfen! Iphigenie: Nein! o König, nein! Ich könnte hintergangen werden; diese Sind treu und wahr. Wirst du sie anders finden, So laß sie fallen und verstoße mich, Verbanne mich zur Strafe meiner Torheit An einer Klippeninsel traurig Ufer. Ist aber dieser Mann der lang erflehte Geliebte Bruder, so entlaß uns, sei Auch den Geschwistern wie der Schwester freundlich! Mein Vater fiel durch seiner Frauen Schuld Und sie durch ihren Sohn. Die letzte Hoffnung Von Atreus' Stamme ruht auf ihm allein. Laß mich mit reinem Herzen, reiner Hand Hinübergehn und unser Haus entsühnen. Du hältst mir Wort! — Wenn zu den Meinen je Mir Rückkehr zubereitet wäre, schwurst Du, mich zu lassen; und sie ist es nun. Ein König sagt nicht, wie gemeine Menschen, Verlegen zu, daß er den Bittenden Auf einen Augenblick entferne; noch Verspricht er auf den Fall, den er nicht hofft: Dann fühlt er erst die Höhe seiner Würde, Wenn er den Harrenden beglücken kann. Thoas: Unwillig, wie sich Feuer gegen Wasser Im Kampfe wehrt und gischend seinen Feind Zu tilgen sucht, so wehret sich der Zorn In meinem Busen gegen deine Worte. Iphigenie: O laß die Gnade wie das heil'ge Licht Der stillen Opferflamme mir, umkränzt Von Lobgesang und Dank und Freude, lodern. Thoas: Wie oft besänftigte mich diese Stimme! Iphigenie: O reiche mir die Hand zum Friedenszeichen! Thoas: Du forderst viel in einer kurzen Zeit. Iphigenie: Um Guts zu tun, braucht's keiner Überlegung. Thoas: Sehr viel! denn auch dem Guten folgt das Übel. Iphigenie: Der Zweifel ist's, der Gutes böse macht. Bedenke nicht; gewähre, wie du's fühlst. |
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