"Torquato Tasso" - читать интересную книгу автора (Гете Иоганн Вольфганг)Zweiter AuftrittPrinzessinn. Leonore. Prinzessinn. Was bringst du, Leonore? sag mir an: Wie steht's um unsre Freunde? Was geschah? Leonore. Mehr als wir wissen hab' ich nicht erfahren. Sie trafen hart zusammen, Tasso zog, Dein Bruder trennte sie: allein es scheint, Als habe Tasso diesen Streit begonnen. Antonio geht frey umher und spricht Mit seinem Fürsten, Tasso bleibt dagegen Verbannt in seinem Zimmer und allein. Prinzessinn. Gewiß hat ihn Antonio gereitzt, Den Hochgestimmten kalt und fremd beleidigt. Leonore. Ich glaub' es selbst. Denn eine Wolke stand, Schon als er zu uns trat, um seine Stirn. Prinzessinn. Ach daß wir doch dem reinen stillen Wink Des Herzens nachzugehn so sehr verlernen! Ganz leise spricht ein Gott in unsrer Brust, Ganz leise, ganz vernehmlich, zeigt uns an, Was zu ergreifen ist und was zu fliehn. Antonio erschien mir heute früh Viel schroffer noch als je, in sich gezogner. Es warnte mich mein Geist, als neben ihn Sich Tasso stellte. Sieh das Äußre nur Von beyden an, das Angesicht, den Ton, Den Blick, den Tritt! es widerstrebt sich alles, Sie können ewig keine Liebe wechseln. Doch überredete die Hoffnung mich, Die Gleisnerinn, sie sind vernünftig beyde, Sind edel, unterrichtet, deine Freunde; Und welch ein Band ist sichrer als der Guten? Ich trieb den Jüngling an; er gab sich ganz; Wie schön, wie warm ergab er ganz sich mir! O hätt' ich gleich Antonio gesprochen! Ich zauderte; es war nur kurze Zeit; Ich scheute mich, gleich mit den ersten Worten Und dringend ihm den Jüngling zu empfehlen, Verließ auf Sitte mich und Höflichkeit, Auf den Gebrauch der Welt, der sich so glatt Selbst zwischen Feinde legt; befürchtete Von dem geprüften Manne diese Jähe Der raschen Jugend nicht. Es ist geschehn. Das Übel stand mir fern, nun ist es da. O gib mir einen Rath! was ist zu thun? Leonore. Wie schwer zu rathen sey, das fühlst du selbst Nach dem was du gesagt. Es ist nicht hier Ein Mißverständniß zwischen Gleichgestimmten; Das stellen Worte, ja im Nothfall stellen Es Waffen leicht und glücklich wieder her. Zwey Männer sind's, ich hab' es lang gefühlt, Die darum Feinde sind, weil die Natur Nicht Einen Mann aus ihnen beyden formte. Und wären sie zu ihrem Vortheil klug, So würden sie als Freunde sich verbinden; Dann stünden sie für Einen Mann, und gingen Mit Macht und Glück und Lust durch's Leben hin. So hofft' ich selbst, nun seh' ich wohl umsonst. Der Zwist von heute, sey er wie er sey, Ist beyzulegen; doch das sichert uns Nicht für die Zukunft, für den Morgen nicht. Es wär' am besten, dächt' ich, Tasso reis'te Auf eine Zeit von hier; er könnte ja Nach Rom, auch nach Florenz sich wenden; dort Träf' ich in wenig Wochen ihn, und könnte Auf sein Gemüth als eine Freundinn wirken. Du würdest hier indessen den Antonio, Der uns so fremd geworden, dir auf's neue Und deinen Freunden näher bringen; so Gewährte das, was itzt unmöglich scheint, Die gute Zeit vielleicht, die vieles gibt. Prinzessinn. Du willst dich in Genuß, o Freundinn, setzen, Ich soll entbehren; heißt das billig seyn? Leonore. Entbehren wirst du nichts, als was du doch In diesem Falle nicht genießen könntest. Prinzessinn. So ruhig soll ich einen Freund verbannen? Leonore. Erhalten, den du nur zum Schein verbannst. Prinzessinn. Mein Bruder wird ihn nicht mit Willen lassen. Leonore. Wenn er es sieht wie wir, so gibt er nach. Prinzessinn. Es ist so schwer, im Freunde sich verdammen. Leonore. Und dennoch rettest du den Freund in dir. Prinzessinn. Ich gebe nicht mein Ja, daß es geschehe. Leonore. So warte noch ein größres Übel ab. Prinzessinn. Du peinigst mich, und weißt nicht ob du nützest. Leonore. Wir werden bald entdecken, wer sich irrt. Prinzessinn. Und soll es seyn, so frage mich nicht länger. Leonore. Wer sich entschließen kann, besiegt den Schmerz. Prinzessinn. Entschlossen bin ich nicht, allein es sey, Wenn er sich nicht auf lange Zeit entfernt - Und laß uns für ihn sorgen, Leonore, Daß er nicht etwa künftig Mangel leide, Daß ihm der Herzog seinen Unterhalt Auch in der Ferne willig reichen lasse. Sprich mit Antonio, denn er vermag Bey meinem Bruder viel, und wird den Streit Nicht unserm Freund und uns gedenken wollen. Leonore. Ein Wort von dir, Prinzessinn, gälte mehr. Prinzessinn. Ich kann, du weißt es, meine Freundinn, nicht Wie's meine Schwester von Urbino kann, Für mich und für die Meinen was erbitten. Ich lebe gern so stille vor mich hin, Und nehme von dem Bruder dankbar an, Was er mir immer geben kann und will. Ich habe sonst darüber manchen Vorwurf Mir selbst gemacht, nun hab' ich überwunden. Es schalt mich eine Freundinn oft darum: Du bist uneigennützig, sagte sie, Das ist recht schön; allein du bist's so sehr, Daß du auch das Bedürfniß deiner Freunde Nicht recht empfinden kannst. Ich laß es gehn, Und muß denn eben diesen Vorwurf tragen. Um desto mehr erfreut es mich, daß ich Nun in der That dem Freunde nützen kann; Es fällt mir meiner Mutter Erbschaft zu, Und gerne will ich für ihn sorgen helfen. Leonore. Und ich, o Fürstinn, finde mich im Falle, Daß ich als Freundinn auch mich zeigen kann. Er ist kein guter Wirth; wo es ihm fehlt, Werd' ich ihm schon geschickt zu helfen wissen. Prinzessinn. So nimm ihn weg, und, soll ich ihn entbehren, Vor allen andern sey er dir gegönnt! Ich seh' es wohl, so wird es besser seyn. Muß ich denn wieder diesen Schmerz als gut Und heilsam preisen? Das war mein Geschick Von Jugend auf, ich bin nun dran gewöhnt. Nur halb ist der Verlust des schönsten Glücks, Wenn wir auf den Besitz nicht sicher zählten. Leonore. Ich hoffe, dich so schön du es verdienst Glücklich zu sehn! Prinzessinn. Eleonore! Glücklich? Wer ist denn glücklich? — Meinen Bruder zwar Möcht' ich so nennen, denn sein großes Herz Trägt sein Geschick mit immer gleichem Muth; Allein was er verdient, das ward ihm nie. Ist meine Schwester von Urbino glücklich? Das schöne Weib, das edle große Herz! Sie bringt dem jüngern Manne keine Kinder; Er achtet sie, und läßt sie's nicht entgelten, Doch keine Freude wohnt in ihrem Haus. Was half denn unsrer Mutter ihre Klugheit? Die Kenntniß jeder Art, ihr großer Sinn? Konnt' er sie vor dem fremden Irrthum schützen? Man nahm uns von ihr weg; nun ist sie todt, Sie ließ uns Kindern nicht den Trost, daß sie Mit ihrem Gott versöhnt gestorben sey. Leonore. O blicke nicht nach dem, was jedem fehlt, Betrachte, was noch einem jeden bleibt! Was bleibt nicht Dir, Prinzessinn? Prinzessinn. Was mir bleibt? Geduld, Eleonore! Üben konnt' ich die Von Jugend auf. Wenn Freunde, wenn Geschwister Bey Fest und Spiel gesellig sich erfreuten, Hielt Krankheit mich auf meinem Zimmer fest, Und in Gesellschaft mancher Leiden mußt' Ich früh entbehren lernen. Eines war, Was in der Einsamkeit mich schön ergetzte, Die Freude des Gesangs; ich unterhielt Mich mit mir selbst, ich wiegte Schmerz und Sehnsucht Und jeden Wunsch mit leisen Tönen ein. Da wurde Leiden oft Genuß, und selbst Das traurige Gefühl zur Harmonie. Nicht lang' war mir dieß Glück gegönnt, auch dieses Nahm mir der Arzt hinweg; sein streng Geboth Hieß mich verstummen; leben sollt' ich, leiden, Den einz'gen kleinen Trost sollt' ich entbehren. Leonore. So viele Freunde fanden sich zu dir, Und nun bist du gesund, bist lebensfroh. Prinzessinn. Ich bin gesund, das heißt, ich bin nicht krank; Und manche Freunde hab' ich, deren Treue Mich glücklich macht. Auch hatt' ich einen Freund — Leonore. Du hast ihn noch. Prinzessinn. Und werd' ihn bald verlieren. Der Augenblick, da ich zuerst ihn sah, War viel bedeutend. Kaum erholt' ich mich Von manchen Leiden; Schmerz und Krankheit waren Kaum erst gewichen: still bescheiden blickt' ich In's Leben wieder, freute mich des Tags Und der Geschwister wieder, sog beherzt Der süßen Hoffnung reinsten Balsam ein. Ich wagt' es vorwärts in das Leben weiter Hinein zu sehn, und freundliche Gestalten Begegneten mir aus der Ferne. Da, Eleonore, stellte mir den Jüngling Die Schwester vor; er kam an ihrer Hand, Und, daß ich dir's gestehe, da ergriff Ihn mein Gemüth und wird ihn ewig halten. Leonore. O meine Fürstinn, laß dich's nicht gereuen! Das Edle zu erkennen, ist Gewinst, Der nimmer uns entrissen werden kann. Prinzessinn. Zu fürchten ist das Schöne das Fürtreffliche, Wie eine Flamme, die so herrlich nützt, So lange sie auf deinem Herde brennt, So lang' sie dir von einer Fackel leuchtet, Wie hold! wer mag, wer kann sie da entbehren? Und frißt sie ungehütet um sich her, Wie elend kann sie machen! Laß mich nun. Ich bin geschwätzig, und verbärge besser Auch selbst vor dir, wie schwach ich bin und krank. Leonore. Die Krankheit des Gemüthes löset sich In Klagen und Vertraun am leicht'sten auf Prinzessinn. Wenn das Vertrauen heilt, so heil' ich bald; Ich hab' es rein und hab' es ganz zu dir. Ach, meine Freundinn! Zwar ich bin entschlossen, Er scheide nur! allein ich fühle schon Den langen ausgedehnten Schmerz der Tage, wenn Ich nun entbehren soll, was mich erfreute. Die Sonne hebt von meinen Augenliedern Nicht mehr sein schön verklärtes Traumbild auf, Die Hoffnung ihn zu sehen füllt nicht mehr Den kaum erwachten Geist mit froher Sehnsucht; Mein erster Blick hinab in unsre Gärten Sucht ihn vergebens in dem Thau der Schatten. Wie schön befriedigt fühlte sich der Wunsch Mit ihm zu seyn an jedem heitern Abend! Wie mehrte sich im Umgang das Verlangen Sich mehr zu kennen, mehr sich zu verstehn, Und täglich stimmte das Gemüth sich schöner Zu immer reinern Harmonien auf. Welch eine Dämmrung fällt nun vor mir ein! Der Sonne Pracht, das fröhliche Gefühl Des hohen Tags, der tausendfachen Welt Glanzreiche Gegenwart, ist öd' und tief Im Nebel eingehüllt, der mich umgibt. Sonst war mir jeder Tag ein ganzes Leben; Die Sorge schwieg, die Ahndung selbst verstummte, Und glücklich eingeschifft trug uns der Strom Auf leichten Wellen ohne Ruder hin: Nun überfällt in trüber Gegenwart Der Zukunft Schrecken heimlich meine Brust. Leonore. Die Zukunft gibt dir deine Freunde wieder, Und bringt dir neue Freude, neues Glück. Prinzessinn. Was ich besitze, mag ich gern bewahren: Der Wechsel unterhält, doch nutzt er kaum. Mit jugendlicher Sehnsucht griff ich nie Begierig in den Loostopf fremder Welt, Für mein bedürfend unerfahren Herz Zufällig einen Gegenstand zu haschen. Ihn mußt' ich ehren, darum liebt' ich ihn; Ich mußt' ihn lieben, weil mit ihm mein Leben Zum Leben ward, wie ich es nie gekannt; Erst sagt' ich mir, entferne dich von ihm! Ich wich und wich und kam nur immer näher, So lieblich angelockt, so hart bestraft! Ein reines, wahres Gut verschwindet mir, Und meiner Sehnsucht schiebt ein böser Geist Statt Freud' und Glück verwandte Schmerzen unter. Leonore. Wenn einer Freundinn Wort nicht trösten kann; So wird die stille Kraft der schönen Welt, Der guten Zeit dich unvermerkt erquicken. Prinzessinn. Wohl ist sie schön die Welt! in ihrer Weite Bewegt sich so viel Gutes hin und her. Ach daß es immer nur um Einen Schritt Von uns sich zu entfernen scheint, Und unsre bange Sehnsucht durch das Leben Auch Schritt vor Schritt bis nach dem Grabe lockt! So selten ist es, daß die Menschen finden, Was ihnen doch bestimmt gewesen schien, So selten, daß sie das erhalten, was Auch einmal die beglückte Hand ergriff! Es reißt sich los, was erst sich uns ergab, Wir lassen los, was wir begierig faßten. Es gibt ein Glück, allein wir kennen's nicht: Wir kennen's wohl, und wissen's nicht zu schätzen. |
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