"Die Feuertaufe: Richard Bolitho - Fähnrich zur See" - читать интересную книгу автора (Кент Александер)IX EhrlosKapitän Beves Conway stand am offenen Heckfenster und schützte seine Augen mit der Hand gegen die blitzenden, wild flimmernden Sonnenreflexe. Vor dem Fenster der Kapitänskajüte dümpelte die rückeroberte Brigg in der Dünung, ihre bräunlichen Segel bewegten sich kaum; träge stand sie über ihrem Spiegelbild im Wasser. In den paar Stunden nach dem abenteuerlichen Durchbruch der Drüben am Horizont war die Küste gerade noch sichtbar. Wie ein fahlgelber Pinselstrich lag sie da und schien in der glühendheißen, wabernden Luft ständig ihre Form zu verändern. Einzelheiten waren nicht mehr zu unterscheiden. Conway wandte sich langsam um und betrachtete eingehend die Männer, die am Schott beieinanderstanden. Tergorren, massig, mit blutunterlaufenen Augen, schwankte im langsamen Rollen der Dünung; immer noch war sein Gesicht aschfarben. Die drei Midshipmen und der Steuermannsmaat Mr. Starkie standen etwas abseits. Verling, der Erste Leutnant, war ebenfalls dabei; seine Nase drückte Mißbilligung aus, als der Kapitänssteward diesen Männern in ihren schmutzigen, zerrissenen Uniformen Madeira kredenzte. Der Kapitän nahm ein wunderbar geschliffenes Glas von einem Tablett und hielt es in das einströmende Sonnenlicht. «Ihre Gesundheit, meine Herren. «Er blickte einem nach dem anderen ins Gesicht.»Ich brauche nicht zu betonen, wie außerordentlich zufrieden ich bin, daß die Tergorren starrte auf einen Punkt, der irgendwo über der linken Schulter des Kapitäns liegen mußte. «Besten Dank, Sir.» Die Augen des Kapitäns glitten zu den Midshipmen hinüber.»Dadurch, daß Sie das alles durchgestanden haben, sind Sie der Möglichkeit, Ihre Erfahrungen in der Praxis zu verwerten, ein gutes Stück nähergekommen ein Vorteil nicht nur für Ihre Karriere, sondern für die Marine überhaupt.» Bolitho warf einen raschen Blick auf Tergorren. Immer noch starrte der Leutnant an die Kajütendecke, und dabei sah er aus, als sei in Kürze wieder ein heftiger Anfall von Erbrechen fällig. Im gleichen sachlichen Ton fuhr der Kapitän fort:»Bei Sonnenaufgang, als Sie in den Riffgürtel einfuhren, kreuzten wir etwas weiter südlich. Ganz zufällig stießen wir auf eine schwere Dhau,[7] die bis ans Schandeck mit schwarzem Elfenbein beladen war.» «Sklaven, Sir?«rief Starkie erregt aus. Der Kapitän warf ihm einen kalten Blick zu. «Wir haben viel Zeit versäumt und viele gute Männer verloren. Man brauchte eine Armee, um die Insel zu belagern, und selbst dann wäre es zweifelhaft, ob ein Sturmangriff Erfolg hätte.» Der Posten der Marine-Infanterie auf dem Gang meldete durch die geschlossene Tür:»Schiffsarzt, Sir!«Der Steward eilte zur Tür und ließ Doktor Laidlaw ein, der sich noch im Gehen die Hände sorgfältig an einem Tuch abwischte. «Ja?«fragte der Kapitän ungehalten. «Sie wünschten Bericht, Sir. Mr. Hope schläft. Ich habe die Kugel entfernt; und wenn er auch zeitlebens Beschwerden haben wird, braucht der Arm doch nicht abgenommen zu werden.» Bolitho lächelte Dancer und Eden befreit zu. Jetzt erst war der ganze Alptraum vorbei, und selbst wenn Tergorren verschwieg, daß er an der Vernichtung der Piraten nicht beteiligt gewesen war, konnte das die Befriedigung nicht verderben, die Bolitho empfand. Aber Starkie, das sah er deutlich, starrte Tergorren haßerfüllt an. Der Kapitän schloß seine Ansprache mit den Worten:»Bei Sonnenaufgang werden wir — vorausgesetzt, daß der Wind wieder auffrischt, was, wie mir Mr. Turnbull versichert, der Fall sein wird, Kontakt mit unserer neuen Prise aufnehmen. Ich beabsichtige, die Bolitho trank seinen Madeira, ohne darauf zu achten, daß der Kapitänssteward mehrmals nachgeschenkt hatte. Auf seinen leeren Magen wirkte der Wein rasch er fühlte sich ganz leicht im Kopf und wie angesäuselt. Eines war ganz klar: der Kapitän hatte nicht die Absicht, die Piraten auf der von ihnen besetzten Insel ungeschoren zu lassen. Mit der zurückeroberten «Verstanden?«bellte Verling. Bolitho rief:»Sie werden denken, wir jagen eine Ladung Sklaven, und werden nur auf die Der Kapitän warf ihm einen nachdenklichen Blick zu und wandte sich dann an Tergorren:»Und was denken Sie, Mr. Tergorren?» Der Leutnant schien aus einem Traum zu erwachen.»Jawohl, Sir. Das heißt. .» «Sehr richtig«, nickte der Kapitän. Er trat ein paar Schritte zurück und sah sich die Brigg eine ganze Weile sehr eingehend an. Dann sprach er weiter:»Mr. Starkie wird sich auf sein Schiff begeben und sich bereithalten, den Offizier, welchem ich zwecks Beförderung der Depesche das Kommando der Ein flüchtiges Nicken, dann:»Machen Sie weiter, meine Herren!«Sie waren entlassen. Etwas benommen gingen sie. Der Kapitän war bereits in ein Gespräch mit Verling und dem Schiffsarzt vertieft. Bolitho schüttelte Starkies rauhe Hand und rief:»Ich freue mich für Sie! Ohne Ihre Geschicklichkeit, und wenn Sie nicht auf eine Idee eingegangen wären, die jeder andere für total verrückt gehalten hätte, ständen wir nicht hier!» Starkie blickte ihm lange und forschend ins Gesicht, als suche er dort die Erklärung für etwas, das er nicht verstand. «Und wenn «Es ist n-nicht recht, Dick«, stotterte Eden.»Er s-steckt alle Anerkennung ein. «Ihm kamen fast die Tränen vor Empörung.»Steht einfach d-da und l-läßt sich l-loben!» Dancer lächelte.»Ich glaube, der Kapitän weiß mehr, als er sagen will. Ich habe ihn genau beobachtet. Er denkt, so ist der Sieg mehr wert, als wenn er mit Neid und Schande befleckt wird. «Er grinste Eden verschmitzt an.»Und mit übereifrigen Midshipmen, die ihre Vorgesetzten vergiften.» Bolitho nickte.»Ganz meine Meinung. Aber jetzt wollen wir essen gehen. Mir ist alles recht — sogar eine Schiffsratte.» Sie wandten sich zum Niedergang und standen starr. Eine Gestalt in schlechtsitzender Leutnantsuniform versperrte ihnen den Weg. «Nichts zu tun, was?«fragte der Mann.»Midshipmen sind auch nicht mehr das, was sie zu meiner Zeit waren.» Sie drängten sich um ihn, und Bolitho rief:»John Grenfell! Wir dachten, du bist tot!» Grenfell ergriff seine Hand, aber sein Gesicht war grimmig ernst.»Als die «Immerhin lebst du und bist in Sicherheit«, sagte Bolitho leise. Starkie gähnte.»Ich könnte ein Jahr lang schlafen. «Und mit einem lächelnden Blick auf Grenfell fügte er noch hinzu:»Sir.» Grenfell kam bis zum Niedergang mit.»Am besten schlaft ihr alle eine Weile. Ich habe das Gefühl, morgen wird es ziemlich heiß werden in mehr als einer Hinsicht.» Mr. Turnbulls Wetterkenntnis hatte ihn nicht verlassen. Schon nach der Hundewache[8] kam ein Wind auf, der die Segel füllte, und beide Schiffe hatten wieder Fahrt. Eine Stunde später wehte ein frischer Nord, und als die Männer aus dem brutheißen, nach Schweiß stinkendem Schiffsraum kamen und auf dem Achterdeck antraten, fanden sie die Luft so erfrischend wie ein Tonikum. Die Leutnants und die Offiziere der Marine-Infanterie standen an der Treppe zur Kampanje und blickten gespannt auf den Kapitän, der sich mit Verling und dem Segelmeister beriet. Deckoffiziere liefen die Reihen der angetretenen Mannschaften entlang, hakten ihre Musterrollen ab und riefen Namen auf. Vom unteren Batteriedeck her vernahm Bolitho das Kreischen des Schleifsteins, an dem die Geschützführer die Entermesser und — beile schärften. Wie jedesmal erschauerte Bolitho bei dem bloßen Geräusch. Ein Ruf vom Ausguck:»Deck ahoi! Fahrzeug vor Anker Backbord voraus!» Dancer hatte zu den Segeln der Dallas, der Zweite, hatte die Brigg für den Angriff übernommen.Ein Mann, von dem Bolitho so gut wie nichts wußte. Während seiner ganzen bisherigen Zeit an Bord hatte er allenfalls ein paar Kommandos von ihm vernommen. Aber sicher hatte der Kapitän Vertrauen zu Leutnant Dallas; sonst hätte er ihn nicht ausgesucht. Außerdem zeigte es, daß er mit Tergorrens Mitwirkung an der Als Bolitho sich von Starkie verabschiedete, der zur Brigg hinübergerudert wurde, hatte der Steuermannsmaat mit verständnisinnigem Grinsen nach achtern geblickt, wo der Kapitän gemessenen Schrittes auf und ab ging. «So wird man Fregattenkapitän,[9] junger Freund — man muß eben seine Leute kennen!» Sie rannten den Decksgang hinunter. Verling wartete schon bei den Leenetzen und klopfte ungeduldig mit einem Fuß auf die Decksplanken. «Drei Midshipmen werden für die Aktion benötigt. «Er runzelte die Stirn, als Marrack zum Sprechen ansetzte.»Nein — Sie nicht. Sie werden für die Signalgruppe gebraucht. «Seine kalten Augen blieben auf Bolitho haften.»Und Sie — Sie sind eben erst von einer Aktion zurück an Bord; Sie kann ich nicht einteilen. «Er wandte sich dem immer so mürrisch blickenden Midshipman vom unteren Batteriedeck zu.»Mr. Pearce und. .» Bolitho warf Dancer einen raschen Blick zu — der nickte ganz kurz.»Mr. Dancer und ich möchten uns freiwillig melden, Sir«, rief er dazwischen.»Wir waren sehr dicht an der Insel. Das könnte von Nutzen sein.» Verling lächelte frostig.»Jetzt, da Mr. Grenfell seinen Fuß auf die unterste Stufe der Promotionsleiter gesetzt hat, sind Sie drei, abgesehen von Mr. Marrack, die Dienstältesten. Da werde ich Ihnen wohl gestatten müssen, mitzumachen.» Kühn trat Eden aus der Reihe der Midshipmen.»S-sir! Ich melde mich ebenfalls f-freiwillig!» Verling musterte ihn von oben bis unten.»Stottern Sie mich gefälligst nicht an, Sie Würstchen! Treten Sie zurück ins Glied, und halten Sie den Mund!» Geschlagen, bevor er überhaupt angetreten war, schlich sich Eden in die Reihe zurück. Verling, anscheinend befriedigt, nickte.»Sowie wir beigedreht haben, werden die Boote ausgesetzt. Alle Seesoldaten und sechzig Matrosen gehen an Bord dieser schwimmenden Hölle da drüben.» Dancer flüsterte:»Der Kapitän setzt jeden Mann ein, den er entbehren kann.» «Mr. Dancer!«knurrte Verling.»Fünf Tage Extradienst nach Rückkehr — wenn Sie's erleben. Halten Sie gefälligst den Mund!» Der Kapitän kam herbeigeschlendert, lässig wie bei einem Spaziergang an Land.»Alles klar, Mr. Verling?» «Aye, Sir.» Der Kapitän blickte flüchtig auf die drei Midshipmen, die noch vorgetreten dastanden.»Nehmen Sie sich zusammen«, sagte er. Dann, mit einem Blick auf den Ersten:»Mr. Verling hat den Oberbefehl; er erwartet das Äußerste von Ihnen — und ich auch. «Er beugte sich etwas vor und hielt nach dem kleinen Eden Ausschau.»Sie, äh, Mr. äh, werden vielleicht von Nutzen sein, wenn Sie dem Schiffsarzt mit Ihren neuentdeckten und, äh, überraschenden Kenntnissen assistieren.» Weder bei ihm noch bei Verling war auch nur die Andeutung eines Lächelns zu sehen. Als die Übernahme von Männern und Waffen beendet war, brach schon die Nacht an. Bereits in einiger Entfernung von der großen Dhau roch Bolitho den Gestank der Sklaverei. Aber als die Matrosen und Seesoldaten an Bord waren und in den Schiffsraum hinabkletterten, sich vor den grob behauenen Decksbalken bückten und zwischen allerlei Unrat und zerschlagenen Handfesseln herumstolperten, warf er sie fast um. Major Dewar hatte seine Unteroffiziere in gleichmäßigen Abständen längsseits postiert, um die Mannschaften durch Zurufe und Stöße an ihre richtigen Plätze zu dirigieren, wo sie bis zum eigentlichen Angriff zu bleiben hatten. Ganz gut, dachte Bolitho, daß Eden nicht mitgekommen war. Bei diesem Gestank und dieser Enge hätte er sich bestimmt während der ganzen Fahrt übergeben. Mehrere Drehgeschütze wurden aus dem Kutter an Bord gehievt und am Schanzkleid unter dem hohen Heckaufbau festgemacht. Ein wenig roch es auch nach Rum. Vermutlich hatte es der Kapitän für zweckmäßig gehalten, den Männern vor dem Angriff eine Erfrischung zu bewilligen. Bolitho und die beiden anderen Midshipmen meldeten auf dem Achterdeck, daß sich alle Matrosen und Seesoldaten unter Deck befanden, zusammengepreßt wie Schweinefleisch im Faß. Die Marine-Infanteristen in ihren dunkelroten Röcken waren im Schiffsraum kaum zu erkennen; nur die Koppel und die gekreuzten Schulterriemen leuchteten weiß im Halbdunkel. Hoggett, der Bootsmann der Verling kommandierte:»Anker auf und Fahrt aufnehmen, Mr. Hoggett! Vielleicht treibt der Wind den Gestank aus dem Schiff.» Eine schattenhafte Gestalt erschien auf dem Achterdeck. Verling wandte sich um:»Alles klar, Mr. Tergorren?» «Der kommt also auch mit, hol ihn der Teufel!«brummte Dancer. «Anker ist auf, Sir!» Die Dhau hatte weder Ruderpinne noch Rad; zwei Mann steuerten sie vom Heck aus mit einem langen Handruder. Knarrend und quietschend stiegen die seltsam geformten Lateiner-Segel am Mast empor, und die Männer fluchten, weil sie mit der ungewohnten und für ihre Begriffe primitiven Takelage nicht klarkamen. Verling hatte einen kleinen Bootskompaß mit, den er jetzt dem Bootsmann übergab. «Wir werden uns Zeit lassen«, sagte er.»Bleiben Sie klar von der Küste. Ich möchte lieber vermeiden, daß unsere Aktion so endet, wie die Fregatte geendet hat — eh, Mr. Tergorren? Das muß ja ein ziemlich unangenehmer Moment gewesen sein.» Und Tergorren antwortete mit einer Stimme, als habe er einen Kloß im Mund:»Jawohl, Sir, das war es.» Verling ließ die Sache auf sich beruhen.»Mr. Pearce«, befahl er,»geben Sie der Kurz öffnete Pearce den Schieber der Signallaterne, und Bolitho sah das Licht blinken. Jetzt wußte der Kapitän Conway, daß sie unterwegs waren. Vor dem Reflex des Laternenlichts auf dem Kompaß hob sich Verlings Adlerprofil ab — plötzlich war Bolitho froh, daß der Erste das Kommando hatte. Was würde wohl Tergorren zu ihm sagen, wenn sie wieder miteinander sprachen? Ob er wohl weiter so tat, als sei die Vernichtung der Verlings Stimme zerriß seine Gedanken.»Wenn Sie nichts zu tun haben, Mr. Bolitho, dann schlage ich vor, Sie schlafen bis auf weiteren Befehl. Andernfalls finde ich schon reichlich Beschäftigung für Sie, selbst auf dieser Badewanne von einem Schiff!» Im Schutz der Dunkelheit grinste Bolitho bis an die Ohren. «Aye, aye, Sir! Danke, Sir!» Er lehnte sich an eine altertümliche Bronzekanone und stützte das Kinn auf die Knie. Dancer hockte sich neben ihn, und miteinander starrten sie zu den winzigen bleichen Sternen empor, vor denen die mächtigen Segel der Dhau wie Vogelschwingen standen. «Also auf ein Neues, Martyn.» Dancer seufzte.»Hauptsache, wir sind zusammen.» |
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