"Die Feuertaufe: Richard Bolitho - Fähnrich zur See" - читать интересную книгу автора (Кент Александер)VI Auge in Auge«Ruhe! Achtet auf euren Schlag!«zischte Hope, der Fünfte der Bolitho, der neben ihm hockte, drehte sich um und spähte achteraus. Nur hier und da verriet ein auffliegender Fetzen weißer Gischt oder ein phosphoreszierendes Leuchten an den Riemen die Position des zweiten Kutters. Es war sehr finster und nach der Hitze des wolkenlosen Tages erstaunlich kalt. Das war auch ganz gut, dachte er, denn sie hatten einen langen Weg hinter sich. Die Boote waren noch vor Sonnenuntergang ausgesetzt und bemannt worden. Dann segelte die Es war so plötzlich dunkel geworden, als ob ein Vorhang fiele, und Bolitho machte sich Gedanken darüber, was wohl im Kopf des Leutnants vorgehen mochte. Seit er damals die Tür des Eden, den Kopf bis fast zum Dollbord hinuntergeneigt, lehnte sich an ihn. «Noch eine ziemliche Strecke, bis wir da sind, Tom«, sagte Bolitho beruhigend. Es war ein unheimliches Gefühl. Unruhig jumpte der Kutter in der auflandigen Strömung; die Riemen hoben und senkten sich an beiden Borden wie bleiche Knochen, lautlos, denn sie waren an den Duchten mit dick gefetteten Lappen umwickelt. Voraus markierte ein dunkelblauer Streifen die Grenze zwischen Meer und Himmel. Bolitho spürte die Nähe des Landes so stark, daß er beinahe die Erde zu riechen meinte. Im Bug hockte, über den Steven und eine bösartig aussehende Drehkarronade gebeugt, ein Mann mit der Lotleine, dessen Aufgabe es war, den Weg der Boote über Sandbänke und verborgene Riffe zu ertasten. Turnbull, der Segelmeister, hatte den beiden Leutnants erklärt, es sei am besten, sich möglichst dicht unter der Küste einzuschleichen, so daß sie nach Umrundung der Landspitze irgendwo zwischen den Strand des Festlandes und den ankernden Schiffen sein würden. Das hatte sich alles so einfach angehört. Aber jetzt, als ein Mann sein Entermesser klirrend auf die Bootsplanken fallen ließ und Hope wütend zischte:»Bei Gott, Kerl, ich laß dich peitschen, bis du ohnmächtig wirst, wenn ich noch mal was von dir höre!«, kam es Bolitho nicht mehr so einfach vor. Er warf einen Blick auf Hopes Profil — ein Schatten vor dem weißen Schaum, den die Riemen außenbords aufwarfen. Ein Leutnant. Ein Mann, der wußte, daß Tergorren dicht hinter ihm war, und sich darauf verließ, daß er, Hope, den Weg zu finden imstande war. Dreißig Mann. Reichlich für ein Preßkommando oder zur Bedienung einiger schwerer Geschütze. Aber katastrophal wenig, um ein Schiff unter ungünstigen Umständen und ohne Überraschungsmoment zu überfallen! Ein kräftiger Strudel drückte den Bootskörper zur Seite, und der Mann an der Ruderpinne mußte mit voller Kraft gegenhalten, um das Fahrzeug wieder auf Kurs zu bringen. Wieder fühlte sich die Luft anders an, und die See sah lebhafter aus. «Wir sind um die Landspitze, Sir«, meinte Bolitho. Hope drehte sich hastig nach ihm um, sagte dann aber:»Ja. Sie wissen natürlich Bescheid. Sie sind ja in Cornwall aufgewachsen, und da gibt es eine Menge solcher Felsen. «Es kam Bolitho vor, als mustere ihn der Leutnant aufmerksam durch die Dunkelheit.»Aber bis zur Küste ist es noch ein langer Pull.» Bolitho zögerte. Er wollte den flüchtigen persönlichen Kontakt mit dem Offizier nicht gefährden.»Werden die Seesoldaten die Batterie attackieren, Sir?» «Ja. Ein verrückter Plan. «Hope wischte sich die aufsprühende Gischt vom Gesicht.»Der Kapitän wird so nahe wie möglich an die Seeseite der Insel herankreuzen und ein Landekommando absetzen. Mit möglichst viel Krach. Das ist was für Major Dewar — wenn der was sagt, dröhnt die ganze Offiziersmesse!» Flüsternd gaben die Ruderer eine Meldung vom Bug her weiter:»Fahrzeug vor Anker Steuerbord voraus, Sir!» Hope nickte.»Fall ab ein Strich Backbord. «Er drehte sich um, weil er wissen wollte, ob das zweite Boot die Kursänderung mitmachte.»Das muß das erste sein. Die Brigg liegt ein paar Faden weiter.» Ein Mann seufzte wahrscheinlich mehr wegen der Aussicht, noch vierhundert Meter weiter das schwere Ruder pullen zu müssen, und nicht so sehr, weil vielleicht der Tod schon auf ihn wartete. «Wahrschau!«Der Mann im Bug warf die Leine weg und ergriff einen Bootshaken. Die Riemen gerieten ein paar Sekunden aus dem Takt, denn etwas Großes und Schwarzes, wie ein schlafender Wal, erhob sich drohend vor dem Kutter, stieß an die Riemenblätter und verursachte einen furchtbaren Krach — wenigstens kam es ihnen so vor. Zitternd murmelte Eden:»Dick, d-das ist ein Stück von der B-Barkentine!» «Ja.» Bolitho roch die verkohlten Planken, er konnte sogar ein Stück von der Heckreling der Das unerwartete Auftauchen des Wrackteils beeindruckte die Matrosen mächtig. Ein leises Grollen war zu vernehmen, und trotz ihrer Müdigkeit legten sie sich kräftiger in die Riemen. Leise sagte Hope:»Das sind hartgesottene Männer, Bolitho. Die sind schon lange auf der Bolitho starrte auf das dunkle Schiff. Längsseits der Hope dachte laut:»Kleine Fregatte höchstwahrscheinlich. Keine englische. Dazu stehen die Masten zu schräg. «Er schien vollkommen in seine Gedanken versunken zu sein.»Dieser Satan hat sich anscheinend eine ganze Flotte zusammen-geräubert.» Hope stand auf und stütze sich auf Bolitho. Der fühlte, wie sich die Finger in seine Schulter gruben, und konnte sich vorstellen, wie dem Leutnant jetzt zumute war.»Wenn ich bloß auf meine Uhr sehen könnte!«stieß er leise hervor. Der Bootsmannsmaat grinste.»Da könnten Sie den Hunden da oben auch gleich Alarm geben, Sir.» «Aye«, seufzte Hope.»Wir müssen eben beten, daß Major Dewar und seine Bullen pünktlich sind.» Er spähte über das Schandeck und prüfte den Wirbel der Strömung und den Wind in seinem Gesicht. Das Resultat schien ihn zu befriedigen.»Riemen hoch!» Tropfend hoben sich die Riemen aus dem Wasser und verharrten bewegungslos. Mit der Strömung trieb der Kutter jetzt lautlos voran. Nun sah Bolitho die vor Anker liegende Brigg. Sie schwojte langsam, mit dem Heck seewärts, und die vergoldeten Fenster der Kapitänskajüte hoben sich etwas heller von dem schwarzen Schiffsrumpf ab. Mit Mühe und Not konnte er ihre beiden Masten ausmachen, und die beschlagenen Segel, die dunkleren Schräglinien der Wanten; und dann versank alles wieder in der Nacht. Bolitho versuchte, sich in die Situation derer an Bord zu versetzen. Sie hatten die Barkentine geentert und genommen, hatten ihre Ladung geplündert und die Mannschaft niedergemacht. Als ein großes Kriegsschiff in Sicht kam, hatten sie abgedreht und waren hierher zurückgekommen, um sich ihre Prise näher anzusehen. Das Auftauchen der Ein silbriger Lichtstrahl lief plötzlich die Fockmastwanten der Brigg hinauf, und Hope zischte:»Das ist die Bugankerwache — kontrolliert das Ankertau. «Ebenso unvermittelt verlöschte die Laterne wieder. Der Strom trieb den Kutter schräg auf das Heck der Brigg zu. Hope mußte sich darüber klar sein, daß ihm keine Zeit mehr blieb. Ruhig befahl er:»Riemen ein! Achtung, der Bugmann!«Mit dumpfem Rumpeln wurden die Riemen in die Duchten gezogen; aber Bolitho wußte aus Erfahrung, daß dieses Geräusch, das hier unten in der kühlen Brise ohrenbetäubend schien, auf dem Vorderkastell der Brigg kaum zu hören sein würde. Eden flüsterte:»Was wird Mr. T-tergorren machen?» Unter der Spannung lief ein eiskalter Schauer über Bolithos Rücken. Er hörte, wie Hope möglichst leise seinen Degen aus der Scheide zog; gebückt spähte er zur Kampanje der Brigg hinauf, die langsam und stetig aus der Nacht über dem Boot aufstieg. Er antwortete Eden:»Sobald wir geentert haben, wird er vom Bug her angreifen, die Ankertrosse kappen und. . » «Fertig, Jungs!«rief Hope. Von See her, weit draußen, kam das Krachen einer Explosion. Ein dunkelroter Schein breitete sich glitzernd auf dem Wasser aus, so daß jede einzelne Welle der Dünung wie Seide schimmerte. Dann noch eine Explosion, und noch eine. «Dewars Soldaten haben schon angefangen«, rief Hope. Er strauchelte und fiel beinahe, als der Kutter achtern gegen die Brigg stieß und der Bugmann seinen Draggen über die Reling des Fremdlings schleuderte. «Los, Jungs!«Hopes Ruf kam nach der gespannten Stille wie ein Donnerschlag.»Drauf!» Unter wildem Geschrei enterten die Männer über den Schiffsrumpf und die offenen Stückpforten auf und strömten in hellen Haufen an Deck. Ein paar stießen auf ein locker aufgelaschtes Enternetz, aber es wurde durchschnitten, ehe noch Alarmrufe aus dem Schiffsinnern ertönten, und, von Hope und dem Bootsmannsmaat angeführt, überschwemmten die Männer das fremde Deck. Es war eine Szene wie aus der Hölle. Die britischen Matrosen rasten über das Deck; wild erglühten ihre Gesichter im roten Schein der Explosion. Zwei Gestalten rannten ihnen von der Back entgegen, und ein Pistolenschuß krachte. Ein Matrose stürzte mit einem Schrei auf die Planken; ein anderer stach den einen Verteidiger mit seinem Entersäbel über den Haufen und versetzte dem Fallenden noch obendrein einen Hieb in den Nacken. Noch mehr Schüsse: die Kugeln schlugen dröhnend in die Planken oder zischten ins Meer. Die Mannschaft der Brigg drängte sich durch die beiden Luken, und eine Anzahl von Hopes Männern fiel unter einer unregelmäßigen Salve von Pistolen und Musketen. «Bringt die Drehbasse vom Kutter!«brüllte Hope. Er bekam einen Mann zu fassen, der von einer Musketenkugel getroffen war, und ließ ihn aufs Deck niedergleiten; dabei keuchte er:»Wo bleibt denn dieser verfluchte Tergorren?» Das Vorschiff der Brigg wimmelte jetzt von bleichen Männern, die auf dem Deck, wo sie sich auskannten, Deckung nahmen und auf das weichende Enterkommando feuerten. Verzweifelt sagte Hope:»Wenn wir nicht zum Nahkampf kommen, sind wir erledigt!» Die Pistole in der Linken, den krummen Säbel in der Rechten, brüllte er:»Nahkampf, Jungs!«, rannte über das Deck und warf sich auf die nächste Schützengruppe. Einem Gegner jagte er eine Pistolenkugel in die Brust und hieb einem anderen den Säbel ins Gesicht. Angstvolle Schreie zeugten von seinem Erfolg. Unter Flüchen und Hurras folgten die Enterer seinem Beispiel und hieben wie wild auf alles ein, was sich bewegte. Bolitho feuerte Marracks beide Pistolen in den dichtge-drängten Haufen ab und steckte sie sich wieder ins Koppel. Er riß seinen Entersäbel heraus und parierte damit ein Rundholz, mit dem ein Gegner wie mit einer Lanze nach ihm stieß. Mitten in Schrecken und Gefahr kam ihm die Erinnerung an seinen ersten Enterangriff. Da hatte ihm ein Leutnant seinen Fähnrichsdolch weggenommen und verächtlich gesagt:»Das ist bloß Spielzeug. Für solche Arbeit braucht man eine Männerwaffe. «Und dann mußte er an Grenfell denken. Der hatte seinen Dolch auch nicht mitgenommen, sondern ihn an der Bordwand der Er sah das Gesicht seines Gegners über sich; der Kerl brüllte wie der Leibhaftige, aber Bolitho konnte nicht ausmachen, in welcher Sprache. Er spürte einen heftigen Schlag seitlich am Kopf und sah, wie der Arm des Mannes in die Höhe ging; bleich glänzte der Säbel gegen den schwarzen Himmel. Bolitho drehte sich weg und stieß seinen Entersäbel nach oben. Ein schmerzhafter Hieb traf seinen Arm, aber er merkte, wie der Mann stürzte, seinen Säbel fallen ließ und vom Strudel der keuchenden, kämpfenden Gestalten verschluckt wurde. Bolitho hörte einen schrillen Schrei und sah Eden halb liegend auf dem dunklen Deck herumtasten, und über ihm stand ein Kerl, der seine Muskete wie eine Keule schwang. Im Blitz eines Pistolenschusses glühten die stieren Augen des Mannes auf, aber sein wütendes Gesicht verzerrte sich zu einer Maske tödlichen Schreckens, als ihn die Kugel zu Boden schmetterte. Bolitho riß Eden hoch und hieb nach einer rennenden Gestalt, aber seine Klinge fuhr nur durch leere Luft. «Da ist das Drehgeschütz!«rief Hope — eben wurde die Schienenlafette mit der kleinen Karronade übers Deck gezogen.»Schnell! Zurück!» Sie brauchten keine weitere Aufforderung. Parierend und um sich hauend, kämpften sich die Überlebenden zur Kampanje durch und zerrten die Verwundeten mit sich, so gut es ging. «Hinlegen, Jungs!«kommandierte Hope. Er hieb einen Angreifer mit seinem Entersäbel nieder, eben als der Bootsmannsmaat eine Lunte an die Drehbasse hielt, die inzwischen in Stellung gebracht war. Der Mann, den Hope eben niedergestochen hatte, mußte eine geladene Pistole bei sich gehabt haben, denn als die Drehbasse eine Ladung gehacktes Blei in die Schattenmasse der Angreifer jagte, fiel die Pistole an Deck und ging los, obschon ihr Besitzer bereits tot war. Die Kugel traf den Leutnant in die Schulter, und er sank lautlos neben dem qualmenden Geschütz nieder. Als ihre Ohren sich von dem bösartigen Krachen der Karronade erholt hatten, hörte Bolitho die Schreie der Feinde, die in die tödliche Salve hineingelaufen waren. Kein Wunder, daß die Seeleute dieses Geschütz» die Sense «nannten. Dann vernahm Bolitho von Steuerbord die bekannte grobe Stimme des Leutnants Tergorren, das Trappeln und Stampfen von Füßen und das Hurra der Mannschaft des zweiten Bootes. Das war für die Besatzung der Brigg mehr als genug. Haifische oder nicht — sie sprangen über Bord, ohne auf die Schreie und Flüche ihrer Kameraden zu achten, die so schwer verwundet waren, daß sie nicht ebenfalls fliehen konnten. Tergorren schritt nach achtern und blieb nur einmal kurz stehen, um einem Mann, der ins Rigg klettern wollte, einen Belegnagel über den Schädel zu hauen. «Kümmert euch um Mr. Hope!«rief er den Männern beim Geschütz zu. Der Belegnagel in seiner Hand, mit dem er den Befehl unterstrich, sah aus wie eine mißgestaltete Faust. «Zwei Mann ans Ruder! Mr. Dancer, geben Sie weiter: Ankertau kappen!«Er neigte sich etwas rückwärts, um in die Takelung zu spähen,»'n paar Mann rauf, Marssegel setzen! Los, Beeilung! Sonst laufen wir auf, Kinder!» Bolitho kniete neben dem verwundeten Leutnant und merkte, daß diesen vor Schmerzen die Kräfte verließen.»Das war tapfer von Ihnen, Sir!«sagte er. Mit zusammengebissenen Lippen entgegnete Hope:»Ging ja nicht anders. «Er versuchte, Bolithos Arm zu klopfen.»Eines Tages werden Sie begreifen, was ich meine.» Tergorren stand drohend über ihnen.»Mr. Eden! Kümmern Sie sich um den Leutnant!«Dann sah er Bolitho.»Ach, Sie sind auch noch da?«Er zuckte die Schultern.»Na schön, gehen Sie mit nach oben und treiben Sie die faulen Hunde an!» Die Brigg krängte bereits in der ablandigen Brise; ihre eilig gelösten Marssegel flatterten krachend wie Musketenfeuer, als sie von dem gekappten Ankertau freikam. «Ruder gegen!» Ein paar Kugeln pfiffen über das Schiff — niemand wußte, wer sie abgefeuert hatte. «Vorsegel los!«Tergorren schien überall zu sein.»Auf Steuerbordkiel!» Bolitho hielt sich an den Wanten fest und starrte voraus, wo immer noch das Feuer brannte, das die Seesoldaten bei ihrem Ablenkungsmanöver entfacht hatten. Winzige Laternenlichter glitten hin und her, und Bolitho begriff, daß diese zu dem anderen Schiff gehörten, das bereits beträchtlich achteraus lag. So lange der Bootstörn um die Landspitze herum mit all seiner Spannung und seiner Angst gedauert hatte die eigentliche Aktion hatte knapp zwanzig Minuten in Anspruch genommen. Unglaublich — und als er daran dachte, wie nahe er dem Tod gewesen war, lief ihm noch nachträglich eiskalter Schweiß die Wirbelsäule hinab. Er rutschte an einer Pardune hinunter. An Deck brüllte Tergorren schon wieder seine Befehle. Dancer kam ihm entgegengerannt:»Mein Gott, ich habe mir Sorgen um euch gemacht. Ich dachte schon, wir würden überhaupt nicht eingreifen!» Er wandte sich um, denn ein Mann schrie:»Sir! Da unten ist ein ganzer Haufen britischer Seeleute eingesperrt!» «Kümmert euch drum!«befahl Tergorren.»Die sind sicher von der alten Besatzung. «Er faßte den Mann beim Arm.»Aber alle Gefangenen, gesund oder von mir aus auch tot — die will ich an Deck sehen!» Er beugte sich zur Bussole hinunter.»Recht so, der Rudergänger! So hoch an den Wind, wie ihr könnt. Ich will aus dem Schußfeld der Batterie bleiben.» «Aye, aye, Sir. «Die Männer am Ruder ließen das Rad leicht und geschickt spielen.»Voll und bei, Sir! West zu Süd.» Aus der Großluke stolperten einige Gestalten ins Freie. Selbst in der Dunkelheit spürte Bolitho, daß sie auch dann noch kaum an ihre Befreiung glauben konnten, als die Matrosen ihnen an Deck halfen. Einer kam unsicheren Schrittes zum Achterdeck und legte grüßend die Hand an die Stirn.»Steuermannsmaat Starkie von der «Der Dienstälteste?» «Aye, Sir. Kapitän Wade und die anderen Offiziere sind gefallen. «Er schlug die Augen nieder.»Es war die reine Hölle, Sir.» «Möglich.» Tergorren trat zum Großmast und starrte auf das schlagende Marssegel.»Nehmt ein paar von diesen Männern zur Hilfe und setzt das Bramsegel, dann die Fock. Ich brauche mehr Seeraum.» Er wandte sich wieder dem Steuermannsmaat zu.»Mr. Starkie«, befahl er,»übernehmen Sie achtern das Kommando. Sie sind ja dafür qualifiziert. «Langsam mustere er ihn von oben bis unten, als könnten seine Augen die Finsternis durchdringen.»Allerdings anscheinend nicht so sehr dafür, ein Schiff Seiner Majestät zu verteidigen, he?» Ohne eine Antwort abzuwarten, rief er nach Dancer und brach dann wie ein Pflug durch die verwirrt herumstehenden, befreiten Gefangenen. Der Bootsmannsmaat kontrollierte den Kompaß und sagte böse:»Der braucht nicht so zu reden! Wir hatten überhaupt keine Chance.» Mit einem anerkennenden Blick auf Bolitho fuhr er fort:»Ihr habt gut gekämpft. Diese Hunde hier machten schon ihre Spaße darüber, wie sie euer Schiff in die Falle locken würden.» «Aber was sind denn das überhaupt für Kerle?» Starkie stieß einen tiefen Seufzer aus.»Piraten, Korsaren — nennen Sie sie, wie Sie wollen; aber ich sage Ihnen, schlimmere habe ich nie gesehen, und ich fahre mein Leben lang zur See.» Eben wurde Leutnant Hope von zwei Mann zur Kajütsluke gebracht; und Bolitho betete im stillen, er möge kräftig genug sein, um durchzukommen. Eine Anzahl Männer waren gefallen; ein Wunder, daß es nicht noch mehr waren. «Sie haben uns als Bedienung für die Eden trat herzu.»W-waren auch M-midshipmen dabei?» «Zwei. Nur zwei. Mr. Murray ist beim Angriff gefallen. Mr. Flowers, der war ungefähr so alt wie Sie tja, den haben sie später umgebracht. «Er wandte sich ab.»Aber lassen wir das jetzt. Ich mag nicht mehr daran denken.» Tergorren kam wieder nach achtern. Er war beinahe leutselig.»Sie steuert sich gut, Mr. Starkie. Erstklassiges Schiffchen. Und vierzehn Geschütze, wie ich sehe.» Eden mischte sich ein.»Mr. Starkie s-sagt, Sir, diese Piraten sind das Schlimmste, w-was er je gesehen hat.» Tergorren musterte immer noch mit schräggeneigtem Kopf die Brigg, deren Segeln flappten und knallend gegen die Masten schlugen, bis das Schiff wieder auf Kurs lag. «Ach, tatsächlich? Das andere Piratenschiff hat Anker gelichtet. «Er sah Starkie an.»Wohin mag es wollen, was denken Sie?» Starkie hob die Schultern.»Die wollen sich irgendwo nördlich von hier mit einem anderen Schiff treffen. Nach dem hat Kapitän Wade gesucht, als wir angegriffen wurden.» «Aha. «Tergorren ging nach achtern an die Heckreling.»In einer Stunde oder so fängt es an, hell zu werden. Dann können wir der «Nicht so laut, Sir«, sagte Bolitho,»die Leute hören zu.» «Und Sie hol' der Teufel für Ihre Unverschämtheit!«Tergorrens Stimmungen wechselten offenbar wie Gewitterböen.»Ich verbitte mir das!» Aber Bolitho blieb fest.»Mr. Eden ist beim Entern niedergeschlagen worden, Sir. «Er fühlte, daß ihn seine Vorsicht verließ und er im Begriff war, seine ganze Zukunft zu ruinieren. Aber er hielt Tergorrens brutalen Hohn gegen jemanden, der sich nicht wehren konnte, einfach nicht mehr aus.»Wie Sie sich erinnern werden, Sir, waren wir stark in der Minderzahl. Wir hatten auf Ihre Unterstützung gerechnet.» Tergorren starrte ihn an, als träfe ihn der Schlag.»Wollen Sie — «, er zupfte nervös an seiner Halsbinde — ,»wollen Sie etwa andeuten, ich hätte zu spät geentert?«Er beugte sich vor, bis sein Gesicht nur ein paar Zoll von Bolithos Gesicht entfernt war.»Ja? Wollen Sie das?» «Ich habe nur sagen wollen, daß Mr. Edens Verhalten einwandfrei war, Sir. Er hatte seine Waffe verloren, und schließlich ist er erst zwölf Jahre alt, Sir.» Sie starrten einander an, blind und taub für alles, was um sie herum geschah. Dann nickte Tergorren ganz langsam.»Na schön, Mr. Bolitho. Sie werden mit in den Ausguck gehen, bis ich Gegenbefehl gebe. Bei der Rückkehr zum Schiff werde ich Sie wegen grober Insubordination in Arrest legen lassen. «Er nickte nochmals.»Wollen mal sehen, wie Ihrer feinen Familie das gefällt — he?» Bolitho fühlte sein Herz wie einen Hammer gegen seine Rippen schlagen. Er mußte es sich wieder und wieder vorsagen: Er will, daß ich ihn schlage. Er will, daß ich ihn schlage. Dann hätte Tergorren seine Absicht voll erreicht; und für Bolitho wäre es das Ende gewesen. «Sonst noch was, Sir?«Seine eigene Stimme klang ihm so fremd, daß er sie kaum erkannte. «Nein. Einstweilen nicht. «Der Leutnant fuhr herum, und die Männer, die starr und stumm, wie hypnotisiert, zugehört hatten, stoben bei der plötzlichen Bewegung auseinander wie erschreckte Kaninchen. Dancer blieb an Bolithos Seite, bis dieser an den Marswanten haltmachte.»Eine Gemeinheit war das«, sagte er wütend.»Am liebsten hätte ich ihn zu Boden geschlagen, Dick.» «Ich auch. «Bolitho schwang sich an einer Webeleine hoch und starrte zur Großrahe empor.»Und das wußte er auch ganz genau.» Unsicher entgegnete Dancer:»Mach dir nichts daraus. Immerhin haben wir die Brigg genommen. Das muß uns Kapitän Conway doch schließlich zugutehalten.» «Hoffentlich«, erwiderte Bolitho.»Mehr haben wir auch nicht zu bieten. «Er kletterte hoch.»Geh, Martyn, sonst stellt er auch mit euch noch was an.» Da hörten sie auch schon Tergorrens Stimme, die ihn im Dunkel suchte.»Wenn Sie fertig sind, Mr. Dancer, dann suchen Sie gefälligst einen Koch. Er soll in der Kombüse Feuer machen. Diese Kerls sehen aus wie Vogelscheuchen, und Dreck kann ich nicht leiden!» «Sofort, Sir«, rief Dancer zurück. Er blickte an den schwarzen Wanten hoch, aber Bolitho war schon verschwunden. |
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