"Harry Potter und die Kammer des Schreckens" - читать интересную книгу автора (Rowling Joanne K.)Bei Flourish amp; Blotts Das Leben im Fuchsbau war himmelweit entfernt von dem im Ligusterweg. Die Dursleys mochten alles Vertraute und Geordnete; das Haus der Weasleys steckte voller Absonderlichkeiten und Überraschungen. Als Harry zum ersten Mal in den Spiegel über dem Küchenkamin sah, zuckte er erschrocken zusammen, als eine Stimme ertönte:»Stopf dein Hemd rein, Schlamper!«Der Ghul in der Dachkammer fing an zu heulen und ließ Rohre auf den Boden fallen, wenn ihm das Haus zu ruhig vorkam, und die kleinen Explosionen im Schlafzimmer von Fred und George kümmerten niemanden. Was Harry am Leben in Rons Haus jedoch am ungewöhnlichsten vorkam, war nicht der sprechende Spiegel oder der lärmende Ghul: es war schlicht und einfach, daß ihn offenbar alle mochten. Mrs Weasley kümmerte sich um seine Socken und wollte ihm bei jeder Mahlzeit unbedingt dreimal nachlegen. Mr Weasley mochte Harry beim Abendessen gern neben sich haben und bombardierte ihn dann mit Fragen über das Leben bei den Muggeln, zum Beispiel, wie Pflüge funktionierten und wie es mit der Post klappte. »Faszinierend!«, sagte er dann immer, wenn Harry ihm erzählte, wie man ein Telefon benutzte,»wirklich genial, wie viele Schliche die Muggel gefunden haben, um ohne Zauberei durchzukommen.« Eines sonnigen Morgens, gut eine Woche nach Harrys Ankunft im Fuchsbau, erhielt er einen Brief aus Hogwarts. Er war mit Ron zum Frühstück nach unten gegangen, wo Mr und Mrs Weasley und Ginny schon am Küchentisch saßen. In dem Augenblick, als sie Harry sah, stieß sie ihre Haferbreischale vom Tisch, und laut klirrend landete diese auf dem Boden. Sie tauchte unter den Tisch, um die Schale aufzuheben, und als sie wieder hochkam, glühte ihr Gesicht wie die untergehende Sonne. Harry tat, als habe er nichts bemerkt, setzte sich und nahm das Stück Toast, das ihm Mrs Weasley anbot. »Briefe aus der Schule«, sagte Mr Weasley und reichte Harry und Ron gleiche Umschläge aus gelblichem Pergament, die mit grüner Tinte adressiert waren.»Dumbledore weiß bereits, daß du hier bist, Harry, dem Mann entgeht nichts. Ihr beide habt auch Briefe bekommen«, sagte er zu Fred und George, die eben, noch in ihren Schlafanzügen, hereingestolpert kamen. Sie lasen ihre Briefe und ein paar Minuten herrschte Stille. In Harrys Brief hieß es, er solle wie üblich am ersten September den Hogwarts-Express vom Bahnhof King's Cross nehmen. Auch eine Liste der neuen Bücher für das folgende Schuljahr war enthalten: Schüler der zweiten Klasse benötigen: Miranda Habicht: Lehrbuch der Zaubersprüche, Band 2 Gilderoy Lockhart: Tanz mit einer Todesfee Gilderoy Lockhart: Gammeln mit Gulen Gilderoy Lockhart: Ferien mit Vetteln Gilderoy Lockhart: Trips mit Trollen Gilderoy Lockhart: Abstecher mit Vampiren Gilderoy Lockhart: Wanderungen mit Werwölfen Gilderoy Lockhart: Ein Jahr bei einem Yeti Fred hatte seine Liste durchgesehen und spähte hinüber auf Harrys Blatt. »Du mußt ja auch alle Bücher von Lockhart besorgen«, sagte er.»Der neue Lehrer in Verteidigung gegen die dunklen Künste muß ein richtiger Fan von ihm sein, wette, es ist eine Hexe.« Fred fing im selben Moment den Blick seiner Mutter auf und wandte sich daraufhin schleunig der Marmelade zu. »Das wird nicht billig«, sagte George und warf den Eltern einen raschen Blick zu.»Die Bücher von Lockhart sind ziemlich teuer…« »Schon gut, das schaffen wir«, sagte Mrs Weasley, sah jedoch besorgt aus.»Ich denke, wir können viel von Ginnys Schulsachen aus zweiter Hand kaufen.« »Ach, du kommst dieses Jahr nach Hogwarts?«, fragte Harry Ginny. Sie nickte, errötete bis unter die Wurzeln des flammend roten Haares und setzte ihren Ellbogen in die Butterschale. Glücklicherweise sah das niemand außer Harry, denn in diesem Augenblick kam Rons älterer Bruder Percy herein. Er war bereits angezogen und hatte das Vertrauensschüler-Abzeichen von Hogwarts an seinen Rollkragenpullover geheftet. »Morgen, allerseits«, sagte Percy gut gelaunt,»wunderschöner Tag heute.« Er setzte sich auf den einzigen freien Stuhl, sprang jedoch gleich wieder hoch und hob einen zerzausten grauen Federwisch hoch – zumindest sah es für Harry so aus, bis er sah, daß der Federwisch atmete. »Errol«, sagte Ron, nahm die lahme Eule aus Percys Händen und zog einen Brief unter ihrem Flügel hervor.»Endlich, er hat Hermines Antwort, ich hab ihr geschrieben, daß wir versuchen wollen, dich vor den Dursleys zu retten.« Er trug Errol zu einer Vogelstange neben der Hintertür und versuchte ihn darauf abzusetzen, doch Errol konnte sich nicht halten, so daß ihn Ron auf das Abtropfbrett legte.»Traurig«, murmelte er. Dann riss er Hermines Brief auf und las ihn laut vor: Lieber Ron, und Harry, falls du da bist, ich hoffe, alles ist gut gelaufen und Harry ist okay und ihr habt nichts Ungesetzliches getan, um ihn rauszuholen, Ron, denn dann käme auch Harry in Schwierigkeiten. Ich mach mir wirklich Sorgen, und falls es Harry gut geht, lass es mich sofort wissen, aber vielleicht wäre es besser, eine andere Eule zu nehmen, denn ich glaube, noch ein Botenflug würde ihr den Garaus machen. Natürlich bin ich viel mit den Schularbeiten beschäftigt - »Wieso das denn?«, sagte Ron entsetzt,»wir haben doch Ferien« – und nächsten Mittwoch gehen wir nach London, um die neuen Bücher zu kaufen, wollen wir uns nicht in der Winkelgasse treffen? Sag mir, sobald du kannst, Bescheid, was los ist. Alles Liebe, Hermine »Nun, das passt ganz gut, wir können dann auch eure Sachen besorgen«, sagte Mrs Weasley und begann den Tisch abzuräumen.»Und was habt ihr heute vor?« Harry, Ron, George und Fred wollten zu einer kleinen Pferdekoppel der Weasleys auf dem Hügel hinter dem Haus. Sie war von Bäumen umgeben, die die Sicht vom Dorf unten versperrten, und solange sie nicht zu hoch flogen, konnten sie dort Quidditch üben. Echte Quidditch-Bälle konnten sie allerdings nicht benutzen, denn es würde schwer sein, die Sache zu erklären, wenn die Bälle abhauen und über das Dorf fliegen würden. Stattdessen warfen sie einander Äpfel zu, die sie auffangen mussten. Sie flogen abwechselnd Harrys Nimbus Zweitausend, der mit Abstand der beste Besen war; Rons alter Shooting Star wurde nicht selten von vorbeifliegenden Schmetterlingen überholt. Fünf Minuten später zogen sie mit geschulterten Besen den Hügel hoch. Sie hatten Percy gefragt, ob er mitkommen wolle, doch er meinte, er hätte zu tun. Harry hatte Percy bisher nur bei den Mahlzeiten gesehen; den Rest der Zeit blieb er auf seinem Zimmer. »Möchte wissen, was er eigentlich treibt«, sagte Fred stirnrunzelnd.»Er ist nicht mehr der Alte. Seine Prüfungsergebnisse kamen an dem Tag vor deiner Ankunft. Zwölfter ZAG, und er hat kaum damit angegeben.« »Zaubergrad«, erklärte George.»Auch Bill hatte damals den zwölften. Wenn wir nicht aufpassen, haben wir bald noch einen Schulsprecher in der Familie. ich glaube, diese Schande könnte ich nicht ertragen.« Bill war der älteste Bruder der Weasleys. Er und der zweitälteste, Charlie, hatten Hogwarts bereits verlassen. Harry hatte noch keinen von beiden getroffen, wußte aber, daß Charlie in Rumänien war, um Drachen zu erforschen, und Bill in Ägypten, wo er für die Zaubererbank Gringotts arbeitete. »Weiß nicht, wie Mum und Dad dieses Jahr unsere Schulsachen bezahlen wollen«, sagte George nach einer Weile.»Fünfmal sämtliche Lockhart-Werke! Und Ginny braucht Umhänge und einen Zauberstab und noch so einiges…« Harry sagte nichts. Das Thema war ihm ein bisschen peinlich. Tief unten in einem Verlies der Londoner Gringotts-Bank lag ein kleines Vermögen, das ihm seine Eltern hinterlassen hatten. Natürlich konnte er das Geld nur in der Zaubererwelt ausgeben; mit Galleonen, Sickeln und Knuts konnte er in Muggelläden nichts kaufen. Sein Bankguthaben hatte er bei den Dursleys nie erwähnt; er glaubte nämlich, daß ihr Entsetzen bei allem, was mit Zauberei zu tun hatte, sich nicht auf einen großen Haufen Gold erstrecken würde. Am folgenden Mittwoch weckte Mrs Weasley sie alle sehr früh. Nachdem jeder rasch ein halbes Dutzend Schinkenbrote verschlungen hatte, zogen sie ihre Umhänge an und Mrs Weasley nahm den Blumentopf vom Kaminsims in der Küche und spähte hinein. »Nicht mehr viel da, Arthur«, seufzte sie.»Wir kaufen heute welches nach… Na gut, Gäste zuerst! Nach dir, Harry, mein Lieber« Und sie bot ihm den Blumentopf an. Aller Augen richteten sich auf Harry und der starrte zurück. »W-was soll ich tun?«, stammelte er. »Er ist noch nie mit Flohpulver gereist«, fiel Ron plötzlich ein,»tut mir Leid, Harry, hab gar nicht dran gedacht.« »Noch nie?«, sagte Mrs Weasley.»Aber wie bist du letztes Jahr in die Winkelgasse gekommen, um deine Sachen zu kaufen?« »Mt der U-Bahn -« »Tatsächlich?«, sagte Mr Weasley neugierig.»Gab es Trolltreppen? Wie genau -« »Nicht jetzt, Arthur«, sagte Mrs Weasley.»Flohpulver ist viel schneller, mein Lieber, aber meine Güte, wenn du es noch nie ausprobiert hast -« »Er wird es schon schaffen, Mum«, sagte Fred.»Harry, schau erst mal uns zu.« Er nahm eine Prise des Pulvers aus dem Blumentopf, trat zum Feuer und warf es in die Flammen. Das Feuer wurde smaragdgrün und schoß laut grollend über Freds Kopf hinweg. Ohne Zögern trat er mitten ins Feuer, rief»Winkelgasse«und verschwand. »Du mußt klar und deutlich sprechen, mein Lieber«, sagte Mrs Weasley zu Harry gewandt, während George jetzt die Hand in den Blumentopf steckte.»Und sieh zu, daß du auf dem richtigen Kaminrost aussteigst…« »Dem richtigen was?«, sagte Harry nervös, als das Feuer hochloderte und auch George mit sich riß. »Nun, es gibt furchtbar viele Zaubererfeuer, aus denen du wählen kannst, aber wenn du deutlich gesprochen hast -« »Er wird schon heil ankommen, Molly, mach's nicht kompliziert«, sagte Mr Weasley und nahm ebenfalls von dem Flohpulver. »Aber Liebling, wenn er verloren geht, wie würden wir das je seiner Tante und seinem Onkel erklären können?« »Denen wäre das schnurz«, versicherte ihr Harry,»Dudley würde es für einen irren Witz halten, wenn ich irgendwo in einem Kamin verloren ginge, machen Sie sich darüber keine Gedanken -« »Nun denn… bist du bereit?… Du gehst nach Arthur«, sagte Mrs Weasley.»Also, wenn du ins Feuer gehst, sag, wohin du willst -« »Und zieh die Ellbogen ein«, riet ihm Ron. »Und halt die Augen geschlossen«, sagte Mrs Weasley,»der Ruß -« »Zappel nicht rum«, sagte Ron,»sonst fällst du noch aus dein falschen Kamin -« »Aber gerat nicht in Panik und steig nicht zu früh aus. Wart ab, bis du Fred und George siehst.« Harry strengte sich an, alles im Kopf zu behalten, und nahm eine Prise Flohpulver aus dem Topf, Dann stellte er sich an den Rand des Feuers. Er holte tief Luft, streute das Pulver ins Feuer und tat einen Schritt hinein; das fühlte sich an wie eine warme Brise; er öffnete den Mund und schluckte sofort einen Haufen Asche. »W-wink-kel-gasse«, hustete er heraus. Es war, als ob ein riesiges Abflußrohr ihn einsaugen würde. Offenbar drehte er sich rasend schnell um sich selbst -um ihn her ein ohrenbetäubendes Tosen – er versuchte die Augen offen zu halten, doch der grüne Flammenwirbel legte sich ihm auf den Magen – etwas Hartes schlug gegen seinen Ellbogen, und er drückte ihn fest an die Seite, sich immer noch weiterdrehend – nun schienen kalte Hände gegen sein Gesicht zu klatschen – durch die Brille blinzelnd sah er verschwommen einen Strom von Kaminen und kurz auch die Räume dahinter – in seinem Bauch rumorten die Schinkenbrote – er schloß die Augen und wünschte, es würde endlich aufhören, und dann - Mit dem Gesicht nach unten fiel er auf kalten Stein. Die Brillengläser zerbrachen. Schwindlig und zerkratzt, über und über mit Ruß bedeckt, rappelte er sich auf und hielt sich, noch schwankend, die zerbrochene Brille vor die Augen. Er war ganz allein und hatte keine Ahnung, wo er war. Alles, was er erkennen konnte, war, daß er im steinernen Kamin eines großen, schwach beleuchteten Zaubererladens stand – doch nichts hier drin würde je auf einer Liste für Hogwarts stehen. Eine gläserne Vitrine nicht weit von ihm enthielt eine verwitterte Hand auf einem Kissen, einen blutbespritzten Packen Spielkarten und ein starrendes Glasauge. Böse Masken glotzten von den Wänden herab, eine Sammlung menschlicher Knochen lag auf dem Ladentisch und rostige, spitze Gerätschaften hingen von der Decke. Zu allem Unglück war die dunkle, enge Straße, die Harry durch das staubige Schaufenster sehen konnte, ganz gewiß nicht die Winkelgasse. Je schneller er hier rauskam, desto besser. Seine Nase, mit der er auf den Kaminrost aufgeschlagen war, tat noch weh, und Harry huschte leise hinüber zur Tür, doch er hatte den Weg noch nicht halb geschafft, da erschienen zwei Gestalten auf der anderen Seite des Türglases – und eine davon war der Letzte, den Harry treffen wollte, wenn er sich verirrt hatte, mit Ruß bedeckt war und eine zerbrochene Brille trug: Draco Malfoy. Rasch sah sich Harry um und entdeckte zu seiner Linken einen großen schwarzen Schrank; er schlüpfte hinein und zog die Türen hinter sich zu, bis auf einen kleinen Spalt, durch den er hindurchspähen konnte. Sekunden später klirrte eine Glocke und Malfoy betrat den Laden. Der Mann, der ihm folgte, konnte nur sein Vater sein. Er hatte das gleiche fahle, spitze Gesicht und die gleichen kalten grauen Augen. Mr Malfoy durchquerte den Laden, ließ den Blick über die ausgestellten Waren gleiten und läutete eine Glocke auf dem Ladentisch, bevor er sich seinem Sohn zuwandte: »Rühr nichts an, Draco.« Malfoy, der die Hand nach dem Glasauge ausgestreckt hatte, erwiderte: »Ich dachte, du wolltest mir was schenken.« »Ich sagte, ich würde dir einen Rennbesen kaufen«, antwortete der Vater und trommelte ungeduldig mit den Fingern auf den Ladentisch. »Was nützt das, wenn ich nicht in der Hausmannschaft bin?«, sagte Malfoy schmollend und sichtlich schlecht gelaunt.»Harry Potter hat letztes Jahr einen Nimbus Zweitausend bekommen. Sondergenehmigung von Dumbledore, damit er für Gryffindor spielen kann. So gut ist er ja gar nicht, es ist nur, weil er berühmt ist… berühmt wegen der blöden Narbe auf seiner Stirn…« Malfoy kniete sich nieder, um ein Regal voller Totenköpfe zu betrachten. »… alle denken, er sei so begabt, der wunderbare Potter mit seiner Narbe und seinem Besen -« »Das hast du mir mindestens schon ein Dutzend Mal erzählt«, sagte Mr Malfoy mit mahnendem Blick auf seinen Sohn,»und ich muß dich nicht zum ersten Mal daran erinnern, daß es – unklug ist, nicht allzu angetan von Harry Potter zu sein, wo die meisten von uns ihn doch als Helden betrachten, der den Schwarzen Lord verjagt hat – ah, Mr Borgin.« Ein buckliger Mann war hinter dem Ladentisch erschienen und wischte sich fettige Haarsträhnen aus dem Gesicht. »Mr Malfoy, welche Freude, Sie wieder zu sehen«, sagte Mr Borgin mit einer Stimme, die so ölig war wie sein Haar.»Eine Ehre – und den jungen Mr Malfoy hat er auch mitgebracht – wie reizend. Was kann ich für Sie tun? Ich muß Ihnen unbedingt etwas zeigen, gerade heute hereingekommen und sehr günstig im Preis -« »Ich kaufe heute nicht, Mr Borgin, ich verkaufe«, sagte Mr Malfoy. »Verkaufen?«Das Lächeln auf Mr Borgins Gesicht verblaßte. »Ihnen ist natürlich zu Ohren gekommen, daß das Ministerium verstärkt Hausdurchsuchungen durchfährt«, sagte Mr Malfoy, zog eine Pergamentrolle aus der Tasche und wickelte sie für Mr Borgin auf»Ich habe ein paar – ähm – Gegenstände zu Hause, die mich in eine peinliche Lage bringen könnten, wenn die Leute vom Ministerium kämen…« Mr Borgin klemmte sich einen Zwicker auf die Nase und beugte sich über die Liste. »Das Ministerium würde sich doch nicht anmaßen, Sie zu stören, Sir?« Mr Malfoy schürzte die Lippen. »Man hat mich noch nicht besucht. Der Name Malfoy gebietet immer noch einen gewissen Respekt, doch im Ministerium wird man immer unverschämter. Es gibt Gerüchte über ein neues Muggelschutzgesetz – kein Zweifel, daß dieser flohgebissene Muggelfreund Arthur Weasley dahinter steckt -« Harry spürte, wie Zorn in ihm hochkochte. »- und wie Sie sehen, könnten einige dieser Gifte den Eindruck erwecken -« Verstehe vollkommen, Sir, natürlich«, sagte Mr Borgin.»Schauen wir mal…« »Kann ich die haben?«, unterbrach Draco und deutete auf die verwitterte Hand auf dem Kissen. »Ah, die Hand des Ruhmes!«, sagte Mr Borgin, ließ Mr Malfoys Liste liegen und schlurfte hinüber zu Draco.»Man steckt eine Kerze hinein, und sie leuchtet nur für den Halter! Der beste Freund der Diebe und Plünderer! Ihr Sohn hat Geschmack, Sir.« »Ich hoffe, aus meinem Sohn wird mehr als ein Dieb oder Plünderer, Borgin«, sagte Malfoy kühl, und Mr Borgin setzte rasch nach: »Das sollte keine Beleidigung sein, Sir, keinesfalls -« »Sollten allerdings seine Schulnoten nicht besser werden«, sagte Mr Malfoy noch kühler,»könnte es durchaus sein, daß er so endet -« »Das ist nicht meine Schuld«, erwiderte Draco.»Die Lehrer haben alle ihre Lieblinge, diese Hermine Granger zum Beispiel -« »Ich hätte gedacht, du würdest dich schämen, daß ein Mädchen, das nicht mal aus einer Zaubererfamilie kommt, dich in jeder Prüfung geschlagen hat«, sagte Mr Malfoy mit schneidender Stimme. »Ha!«, entfuhr es Harry leise, der sich freute, Draco beschämt und wütend zugleich zu sehen. »Wo man hinkommt, ist es dasselbe«, sagte Mr Borgin mit seiner öligen Stimme,»Zaubererblut gilt immer weniger -« »Nicht bei mir«, sagte Mr Malfoy, und seine langen Nasenflügel blähten sich. »Nein, Sir, bei mir auch nicht«, sagte Mr Borgin mit einer tiefen Verbeugung. »Wenn das so ist, können wir vielleicht auf die Liste zurückkommen«, sagte Mr Malfoy barsch.»Ich bin etwas in Eile, Borgin, muß heute noch wichtige Geschäfte erledigen -« Sie begannen zu feilschen. Harry beobachtete nervös, wie Draco mit neugierigem Blick auf die ausgestellten Waren seinem Versteck immer näher rückte. Er hielt inne, um einen langen Henkersstrick zu begutachten, und las mit feixender Miene das Kärtchen, das an ein herrliches Opalhalsband geheftet war: Vorsicht: Nicht berühren. Verflucht! Hat bis heute 19 Muggelbesitzer das Leben gekostet. Draco wandte sich ab und hatte nun den Schrank im Visier. Er trat näher, streckte die Hand nach dem Türgriff aus - »Das wär erledigt«, sagte Mr Malfoy am Ladentisch.»Komm, Draco -« Draco wandte sich ab und Harry wischte sich mit den Ärmeln den Schweiß von der Stirn. »Einen schönen Tag noch, Mr Borgin, ich erwarte Sie morgen auf meinem Landsitz, wo Sie die Sachen abholen können.« Kaum war die Tür ins Schloß gefallen, fiel auch das schmierige Gehabe von Mr Borgin ab. »Ihnen auch einen schönen Tag, Mr Malfoy, und wenn es stimmt, was man sich erzählt, haben Sie mir nicht einmal die Hälfte von dem verkauft, was auf ihrem Landsitz versteckt ist…« Dumpf murmelnd verschwand Mr Borgin im Hinterzimmer. Harry wartete noch eine Minute, ob er vielleicht zurückkam, und schlüpfte dann so leise er konnte aus dem Schrank, an den Glaskästen vorbei und aus der Ladentür. Die zerbrochene Brille auf die Nase gepreßt schaute er sich um. Er war in einer schmutzigen Gasse, in der es offenbar nur Läden für die dunklen Künste gab. Borgin und Burkes, den er gerade verlassen hatte, schien der größte zu sein, dafür steckte das Schaufenster gegenüber voll abstoßender Schrumpfköpfe und zwei Läden weiter wimmelte es in einem Käfig von gigantischen Spinnen. Aus dem Schatten eines Hauseingangs heraus verfolgten ihn die Blicke zweier schäbig aussehender Zauberer, die sich hin und wieder Worte zumurmelten. Harry fühlte sich nicht wohl in seiner Haut. Mühsam hielt er die Brille gerade und machte sich in der verzweifelten Hoffnung, hier herauszufinden, auf den Weg. Ein altes hölzernes Straßenschild über einem Laden für giftige Kerzen sagte ihm, daß er in der Nokturngasse war. Doch das half nichts, denn von einer solchen hatte Harry noch nie gehört. Im Feuer bei den Weasleys, mit dem Mund voller Asche, hatte er wohl nicht deutlich genug gesprochen. Er versuchte ruhig Blut zu bewahren und überlegte, was er tun sollte. »Hast dich nicht etwa verirrt, Schätzchen?«, sagte eine Stimme dicht an seinem Ohr und Harry sprang vor Schreck in die Höhe. Eine alte Hexe stand vor ihm und hielt ihm eine Schale entgegen. Was darauf lag, sah menschlichen Fingernägeln, und zwar ganzen, fürchterlich ähnlich. Sie schielte ihn an und zeigte ihre moosgrünen Zähne. Harry wich zurück. »Geht mir gut, danke«, sagte er,»ich wollte gerade -« »HARRY! Was zum Teufel machst du hier?« Harrys Herz machte einen Hüpfer. Das Gleiche tat die Hexe; ein Häufchen Fingernägel fiel ihr auf die Füße. Fluchend sah sie die massige Gestalt Hagrids, des Wildhüters von Hogwarts, mit großen Schritten näher kommen, die rabenschwarzen Augen blitzten unter seinen üppigen Augenbrauen. »Hagrid!«, krächzte Harry erleichtert.»Ich hab mich verirrt – Flohpulver -« Hagrid schlug der Hexe die Schale aus den Händen, packte Harry am Kragen und zog ihn fort. Die Schreie der Alten verfolgten sie auf dem ganzen Weg durch die gewundene Gasse bis hinaus ins helle Sonnenlicht. In der Ferne sah Harry einen schneeweißen Marmorbau, der ihm vertraut vorkam – es war die Gringotts-Bank. Hagrid hatte ihn geradewegs in die Winkelgasse geführt. »Wie siehst du denn aus«, sagte Hagrid grimmig und klopfte den Ruß mit so kräftigen Schlägen von Harrys Kleidern, daß er beinahe in ein Faß mit Drachendung geflogen wäre, das vor einer Apotheke stand.»Treibst dich in der Nokturngasse rum, was soll ich denn davon halten – zwielichtige Gegend, Harry – möchte nicht, daß dich jemand dort sieht -« »Das ist mir auch klar«, sagte Harry und duckte sich, als Hagrid ihn erneut abklopfen wollte.»Ich hab dir doch gesagt, daß ich mich verirrt habe – und außerdem, was hattest du eigentlich dort zu suchen?« »Ich hab einen Fleisch fressenden Schneckenschutz gesucht«, brummte Hagrid.»Die ruinieren mir noch den ganzen Kohl im Schulgarten. Du bist doch nicht etwa allein?« »Ich wohne bei den Weasleys, aber wir haben uns verloren«, erklärte Harry.»Ich muß los und sie suchen…« Gemeinsam machten sie sich auf den Weg. »Warum hast du mir eigentlich nie zurückgeschrieben«, fragte Hagrid den neben ihm hertrabenden Harry (der drei Schritte machen musste für jeden Schritt, den Hagrid mit seinen gewaltigen Stiefeln tat). Harry erzählte alles von Dobby und den Dursleys. »Diese blöden Muggels«, grummelte Hagrid,»wenn ich das gewußt hätte -« »Harry! Harry! Hier bin ich!« Harry hob den Kopf und sah Hermine Granger oben auf der weißen Treppe von Gringotts stehen. Sie rannte ihnen entgegen, ihr buschiges braunes Haar flog im Wind. »Was ist mit deiner Brille passiert? Hallo, Hagrid – ach, es ist toll, euch beide wieder zu sehen – kommst du mit zu Gringotts, Harry?« »Sobald ich die Weasleys gefunden habe«, sagte Harry. »Das wird nicht lange dauern«, meinte Hagrid grinsend. Harry und Hermine drehten sich um; durch die belebte Straße rannten Fred, George, Percy, Ron und Mr Weasley auf sie zu. »Harry«, keuchte Mr Weasley,»wir haben gehofft, daß du nur einen Kamin zu weit geflogen bist…«Er rieb seine kahle glänzende Stelle am Kopf,»Molly ist ganz außer sich – sie kommt gleich -« »Wo bist du rausgekommen?«, fragte Ron. »Nokturngasse«, brummte Hagrid. »Phantastisch!«, sagten Fred und George wie aus einem Mund. »Da dürfen wir nie hin«, sagte Ron neidisch. »Das möchte ich verdammt noch mal auch meinen«, knurrte Hagrid. Nun kam Mrs Weasley angehüpft, an der einen Hand die wild umherschlackernde Handtasche, an der anderen Ginny. »O Harry – o mein Lieber – du hättest werweißwo gelandet sein können -«Nach Atem ringend zog sie eine große Kleiderbürste aus der Handtasche und begann den Ruß abzubürsten, den Hagrid übrig gelassen hatte. Mr Weasley nahm Harrys Brille, tippte sie leicht mit seinem Zauberstab an und reichte sie ihm so gut wie neu zurück. »Schön, aber ich muß jetzt gehen«, sagte Hagrid und winkte mit der Hand, die Mrs Weasley umklammert hielt (»Nokturngasse! Wenn Sie ihn nicht gefunden hätten, Hagrid!«).»Bis dann in Hogwarts!«Und er schritt von dannen, Kopf und Schultern ragten über alle andern in der dicht bevölkerten Straße heraus. »Ratet mal, wen ich bei Borgin und Burkes gesehen hab«, fragte Harry Ron und Hermine, während sie die Treppen zu Gringotts emporstiegen.»Malfoy und seinen Vater.« »Hat Lucius Malfoy etwas gekauft?«, kam es sofort von Mr Weasley hinter ihnen. »Nein, er hat verkauft -« »Also macht er sich Sorgen«, sagte Mr Weasley mit grimmiger Befriedigung.»Aah, wie gern würde ich Lucius Malfoy wegen irgendwas drankriegen…« »Sei bloß vorsichtig, Arthur«, sagte Mrs Weasley mit schneidender Stimme, während die Empfangskobolde sie mit einer Verbeugung hineinwiesen,»diese Familie bedeutet Ärger, beiß nicht mehr ab, als du kauen kannst -« »Du glaubst wohl, ich könnte es mit Lucius Malfoy nicht aufnehmen?«, sagte Mr Weasley entrüstet, doch gleich darauf lenkte ihn der Anblick von Hermines Eltern ab, die vor dem Schalter standen, der die große marmorne Halle durchmaß, und darauf warteten, daß Hermine sie vorstellte. »Aber Sie sind ja Muggel!«, sagte Mr Weasley entzückt.»Wir müssen unbedingt etwas trinken gehen! Und was haben Sie da? Oh, Sie tauschen Muggelgeld? Molly, sieh mal!«Erregt deutete er auf die Zehnpfundscheine in Mr Grangers Hand. »Wir treffen uns hier wieder«, sagte Ron zu Hermine, als ein Gringott-Kobold hinzutrat, um die Weasleys und Harry zu ihren unterirdischen Verliesen zu führen. Dort hinunter fuhren sie auf kleinen, von Kobolden gefahrenen Karren, die auf schmalen Schienensträngen durch die unterirdischen Gänge der Bank sausten. Harry genoß die halsbrecherische Spritztour zum Verlies der Weasleys, doch als das Schloß geöffnet wurde, wurde ihm plötzlich ganz komisch, noch beklommener als in der Nokturngasse. Ein winziger Haufen silberner Sickel lag im Innern und nur eine einzige goldene Galleone. Mrs Weasley tastete alle Ecken ab, bevor sie das ganze Geld in ihre Tasche schob. Noch miserabler fühlte Harry sich, als sie sein Verlies erreichten. Er bemühte sich, den andern die Sicht zu verdecken, während er hastig ganze Hände voller Münzen in einen Lederbeutel stopfte. Wieder draußen auf den Marmorstufen angelangt, trennten sie sich. Percy murmelte undeutlich, er brauche einen neuen Federkiel. Fred und George hatten Lee Jordan, ihren Freund aus Hogwarts, getroffen und sich mit ihm verabredet. Mrs Weasley und Ginny gingen zu einem Laden für gebrauchte Umhänge. Mr Weasley bestand darauf, die Grangers auf einen Schluck in den Tropfenden Kessel mitzunehmen. »Wir treffen uns alle in einer Stunde bei Flourish amp; Blotts, um eure Schulbücher zu kaufen!«, sagte Mrs Weasley und ging mit Ginny davon.»Und nicht einen Schritt in die Nokturngasse«, rief sie den Zwillingen noch nach. Harry, Ron und Hermine schlenderten durch die gepflasterte Gasse mit ihren vielen Windungen. Die Gold-, Silber- und Bronzemünzen, die in Harrys Tasche fröhlich klimperten, warteten nur darauf, ausgegeben zu werden, und so kaufte er drei große Tüten mit Erdbeer- und Erdnussbuttereiskugeln, die sie glücklich schleckten, während sie die Gasse entlangbummelten und die faszinierenden Auslagen betrachteten. Ron starrte sehnsüchtig auf eine vollständige Umhanggarnitur von Potz und Blitz im Schaufenster von Qualität für Quidditch, bis Hermine sie weiterschleifte, weil sie nebenan noch Tinte und Pergament kaufen wollte. Bei Freud und Leid – Laden für Zauberscherze trafen sie Fred, George und Lee Jordan, die sich mit»Dr. Filibusters Fabelhaftem Nass zündendem Hitzefreiem Feuerwerk«eindeckten, und in einem winzigen Kramladen voll zerbrochener Zauberstäbe, schiefer Messingwaagen und alter Umhänge mit Zaubertrankflecken stießen sie auf Percy, tief versunken in ein kleines und elend langweiliges Buch namens Vertrauensschüler und ihr Weg zur Macht. »Eine Studie über Vertrauensschüler in Hogwarts und ihre Karrieren«, las Ron laut vom Umschlagrücken ab.»Das klingt ja prickelnd…« »Haut ab«, fauchte ihn Percy an. »Natürlich, er ist sehr ehrgeizig, unser Percy, er hat schon alles geplant… er will Zaubereiminister werden…«, sagte Ron in viel sagendem Ton zu Harry und Hermine, als sie Percy mit dem Buch allein ließen. Eine Stunde später machten sie sich auf den Weg zu Flourish amp; Blotts. Sie waren keineswegs die Einzigen, die in den Buchladen wollten. Als sie um die Ecke bogen, sahen sie überrascht, daß vor der Tür eine Menge Leute standen, die alle versuchten hineinzukommen. Den Grund dafür verkündete ein großes Banner, das über die Fenster im ersten Stock gespannt war: |
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