"Harry Potter und der Orden des Phönix" - читать интересную книгу автора (Rowling Joanne K.)
Joanne K. Rowling Harry Potter und der Orden des Phönix
Kapitel 1 – Dudleys Wahnsinn
Der bisher heißeste Tag des Sommers ging zu Ende und eine einschläfernde Stille lag über den großen, viereckigen Häusern des Liguster Weges. Autos, die üblicherweise glänzten, standen staubig in ihren Auffahrten und Rasen, die einst Smaragdgrün waren, dörrten aus und färbten sich gelb, da die Verwendung von Rasensprengern aufgrund der Dürre verboten worden war. Dem Verfolgen ihres üblichen Auto waschens und Rasenmähens vorenthalten, hatten sich die Einwohner des Liguster Weges in den Schatten ihrer kühlen Häuser zurückgezogen, die Fenster weit aufgeworfen in der Hoffnung auf eine nicht existente Brise. Die einzige Person, die sich im Freien aufhielt, war ein Junge im Teenageralter, der flach auf seinem Rücken in einem Blumenbeet außerhalb von Nummer Vier lag.
Er war ein magerer, schwarzhaariger, bebrillter Junge, der den gedrückten, ein bißchen ungesunden Anblick von jemandem hatte, der in einer viel zu kurzen Zeitspanne gewachsen war. Seine Jeans waren schmutzig und eingerissen, sein T-Shirt ausgebeult und verblichen, und die Sohlen seiner Sportschuhe lösten sich vom Oberstoff ab. Harry Potters Erscheinung machte ihn bei den Nachbarn nicht beliebt, die die Art von Leuten waren, die dachten, diese Art von Nachlässigkeit sollte per Gesetz strafbar sein, aber nachdem er sich an diesem Abend hinter einem großen Hortensien-Busch versteckt hatte, war er für vorbeikommende Passanten quasi unsichtbar. In der Tat war er nur zu entdecken, falls Onkel Vernon oder Tante Petunia ihre Köpfe aus dem Wohnzimmerfenster stecken und geradewegs nach unten in das Blumenbeet sehen würden.
Im Großen und Ganzen, dachte sich Harry, konnte er sich nur zu der Idee gratulieren, sich hier zu verstecken. Es war vielleicht nicht sehr bequem auf der heißen, harten Erde zu liegen, aber andererseits starrte niemand ihn an, der seine Zähne so laut mahlte, daß er die Nachrichten nicht hören könnte, oder ihn mit unangenehmen Fragen bombardierte, wie es jedesmal passierte, als er versuchte hatte, sich im Wohnzimmer hinzusetzten und mit seinem Onkel und seiner Tante fernsehen wollte.
Als ob sein Gedanke durch das offene Fenster geflattert wäre, begann Vernon Dursley, Harrys Onkel, plötzlich zu sprechen.
»Ich bin froh zu sehen, das der Junge aufgehört hat, sich einzumischen. Nebenbei bemerkt, wo ist er gerade?«
»Ich weiß nicht,«sagte Tante Petunia unbekümmert.»Nicht im Haus.«
Onkel Vernon grunzte.
»Die Nachrichten sehen…«sagte er bissig.»Ich möchte wissen, was er wirklich will. Als ob ein normaler Junge sich darum kümmert, was in den Nachrichten los ist – Dudley hat keine Ahnung worum es geht; bezweifle, das er überhaupt weiß, wer der Premierminister ist! Jedenfalls ist es nicht so, als ob es etwas über seine Art in unseren Nachrichten kommen würde -«
»Vernon, shh!«sagte Tante Petunia.»Das Fenster ist offen!«
»Oh – ja – entschuldige, Teuerste.
Die Dursleys wurden still. Harry hörte sich einen Werbespot über Frucht amp; Kleie-Frühstücksflocken an, während er Frau Figg, eine verrückte, Katzen liebende, alte Dame vom nahegelegenem Wisteria Walk zusah, wie sie langsam vorbei schlenderte. Sie blickte mißfallend und murrte zu sich selbst. Harry war sehr zufrieden, daß er hinter dem Busch verborgen war, da Frau Figg kürzlich dazu übergegangen war, ihn wann auch immer sie ihn sah, zum Tee einzuladen.
Sie bog um die Ecke und war ausser Sicht, bevor Onkel Vernons Stimme sich erneut aus dem Fenster ergoß.
»Dudders ist raus zu einem Tee?«
»Bei den Polkisses,«sagte Tante Petunia liebevoll.»Er hat so viele kleine Freunde gemacht, er ist so beliebt!«
Harry unterdrückte ein Schnauben nur mit Schwierigkeit. Die Dursleys waren wirklich erstaunlich dumm, wenn es um ihren Sohn Dudley ging. Sie hatten ihm alle seine schwachen Lügen über das Teetrinken, bei den verschiedenen Mitgliedern seiner Bande an jedem Abend der Sommerferien, abgenommen. Harry wußte nur zu genau, das Dudley noch nie auch nur irgendwo zum Tee gewesen war, er und seine Bande verbrachten jeden Abend damit, den Spielplatz zu beschädigen, an Straßenecken zu rauchen und Steine auf vorüberfahrende Autos und Kinder zu werfen. Harry hatte sie dabei während seiner Abendspaziergänge durch Little Whinging gesehen; er hatte die meiste Zeit seines Urlaubs mit dem durchwandern von Straßen verbracht, unterwegs die Zeitungen der Mülleimer ausschlachtend.
Die Eröffnungsmusik, die die sieben Uhr Nachrichten ankündigte, erreichte Harrys Ohren und sein Magen wurde flau.
Vielleicht heute nacht – nach einem Monat des Wartens – wäre die Nacht.
»Zahlreiche gestrandete Urlauber füllten die Flughäfen, während der Streik der spanischen Gepäckführer in die zweite Woche geht -«.
»Ich würde Sie Leben lang Mittagsschlaf machen lassen,«knurrte Onkel Vernon über das Ende des Satzes des Nachrichtensprechers, aber egal: im Blumenbeet außerhalb, schien Harrys Magen sich zu entspannen. Wenn irgendetwas geschehen wäre, wäre es sicherlich das Erste in den Nachrichten gewesen; Tod und Zerstörung waren wichtiger als gestrandete Urlauber.
Er ließ einen langen, langsamen Atemzug heraus und starrte hinauf in den brillanten blauen Himmel. Jeden Tag dieses Sommer war gleich: die Spannung, die Erwartung, die vorübergehende Erleichterung, und dann stieg wieder die Spannung… und immer nachdrücklicher während all der Zeit wurde die Frage, warum noch nichts geschehen war.
Er hielt inne, um zu hören, ob es irgendeinen klitzekleinen Anhaltspunkt gab, – ein unerklärliches Verschwinden möglicherweise oder irgendeinen merkwürdigen Unfall… aber der Streik der Gepäckarbeiter wurden von den Nachrichten über die Dürre im Südosten abgelöst.
»Ich hoffe, das hört er nebenan!,«brüllte Onkel Vernon.»Der mit seinen nachts um drei Uhr laufenden Rasensprengern!,«dann ein Hubschrauber, der fast auf Gebiet nahe Surrey abgestürzt wäre, dann die Scheidung einer berühmten Schauspielerin von ihrem berühmten Ehemann (»Als, wenn wir an ihren schäbigen Angelegenheiten interessiert wären,«seufzte Tante Petunia, die den Fall exzessiv in jeder Zeitschrift, die Sie in ihre knöchernen Hände bekam, verfolgte).
Harry schloß seine Augen gegen den jetzt rotflammenden Abendhimmel, während der Nachrichtensprecher sagte,»- und schließlich, hat Bungy der Wellensittich eine neue Methode zum Abkühlen in diesem Sommer gefunden. Bungy, der in den»Fünf Federn«in Barnsley lebt, hat gelernt, Wasserski zu fahren! Mary Dorkins hat mehr darüber herausgefunden.«
Harry öffnete seine Augen. Wenn sie schon wasserskifahrende Wellensittiche bringen, würde es nichts geben, für das sich das Zuhören noch lohnen würde. Er rollte vorsichtig zur Seite, erhob sich auf seine Knie und Ellenbogen und bereitete sich darauf vor, unter dem Fenster hervor zu kriechen.
Er hatte sich ungefähr 5 cm erhoben, als einige Dinge in sehr schneller Reihenfolge geschahen.
Ein lauter, widerhallender Knall durchbrach die schlafende Stille wie ein Pistolenschuß; eine Katze schoß unter einem geparkten Auto hervor und floh aus seinem Blickfeld; ein Schrei, ein gebrüllter Fluch und der Ton des Berstens von Porzellan kamen aus dem Wohnzimmer der Dursleys, und als ob dies das Signal wäre, auf das Harry gewartet hatte, sprang er auf die Füße und zog gleichzeitig vom Gürtel seiner Jeans einen dünnen hölzernen Zauberstab, als ob er ein Schwert ziehen wollte – aber, bevor er sich bis zur vollen Höhe aufrichten konnte, stieß die Oberseite seines Kopfes mit dem von den Dursleys geöffneten Fenster zusammen. Der dadurch entstehende Rumms ließ Tante Petunia aufschreien.
Harry glaubte, sein Kopf wäre in zwei Teile gespalten worden. Er versuchte seinen Blick auf die Straße zu fokussieren, die Quelle der Geräusche ausmachend, aber er hatte sich kaum wieder aufgerichtet, als zwei große purpurrote Hände durch das geöffnete Fenster schossen und sich fest um seine Kehle schlossen.
»Steck – das – weg!,«keuchte Onkel Vernon in Harrys Ohr.» Jetzt! Bevor«s – jemand – sieht!,«
»Las – mich – los!,«keuchte Harry.
Sie kämpften einige Sekunden lang, Harry zog mit seiner linken Hand an den wurstähnlichen Fingern seines Onkels, hielt mit seiner rechten Hand den Zauberstab fest im Griff; dann, als der Schmerz am Oberende von Harrys Kopf besonders ekelhaft pochte, jaulte Onkel Vernon auf und lies Harry frei, als hätte er einen elektrischen Schlag bekommen. Eine unsichtbare Kraft schien durch seinen Neffen gelaufen zu sein, die es ihm unmöglich machte ihn festzuhalten.
Nach Luft schnappend, fiel Harry über den Hortensien-Busch, richtete sich auf und schaute sich um. Es gab kein Zeichen davon auszumachen, was die lauten knackenden Geräusche verursacht hatte, aber dafür sahen einige Gesichter durch verschiedene nahe gelegene Fenster. Harry stopfte seinen Zauberstab hastig in seine Jeans zurück und versuchte unschuldig auszuschauen.
»Reizender Abend!,«rief Onkel Vernon, winkte zu der Dame aus Nummer Sieben, die von wütend hinter ihren Vorhängen herüberstarrte.»Haben Sie auch die Fehlzündung des Autos gehört. Ließ Petunia und mich auch zusammenfahren!«
Er grinste weiter auf eine scheußliche, manische Art und Weise, bis all die neugierigen Nachbarn von ihren verschiedenen Fenstern verschwunden waren, dann wurde das Grinsen zu einer Grimasse des Zorns, als er Harry zu sich winkte.
Harry kam ein paar Schritte näher, sorgsam darauf bedacht, sich dem Punkt fernzuhalten, an dem Onkel Vernons Hände ausgestreckte Hände ihn weiter hätten würgen können.
»Was zum Teufel sollte das bedeuten, Junge?,«fragte Onkel Vernon mit einer krächzenden Stimme, die vor Wut zitterte…»Was hat was zu bedeuten«sagte Harry kalt. Er sah weitere die Straße links und rechts herauf, immer noch hoffend die Person zu erblicken, die dieses krachende Geräusch gemacht hatte.
»Einen Lärm zu veranstalten wie eine startende Gewehrkugel, direkt vor unserem -«
»Ich habe dieses Geräusch nicht gemacht«sagte Harry standhaft.
Tante Petunia«s dünnes Pferdegesicht erschien jetzt neben Onkel Vernons breitem purpurfarbenem. Sie sah fuchsteufelswild aus.
»Warum hast Du unter unserem Fenster gelauert?«
»Ja – ja, guter Punkt, Petunia! Was hast Du unter unter unserem Fenster gemacht, Junge?«
»Die Nachrichten gehört,«sagte Harry mit resignierter Stimme.
Seine Tante und Onkel tauschten empörte Blicke aus.
»Nachrichten gehört! Schon wieder?«
»Nun, sie ändern sich halt jeden Tag, wißt ihr?«sagte Harry.
»Versuch nicht, mich für dumm zu verkaufen, Junge! Ich will wissen, was Du wirklich Wahrheit wolltest – und erzähl mir nicht von diesem die Nachrichten hören Mist! Du weißt sehr wohl, daß eurer Haufen -«
»Vorsichtig, Vernon!«flüsterte Tante Petunia und Onkel Vernon senkte seine Stimme, so daß Harry ihn kaum verstehen konnte,»- daß euer Haufen nicht in unseren Nachrichten kommt!«
»Das meinst Du,«sagte Harry.
Die Dursleys starrten ihn für ein paar Sekunden an, dann sagte Tante Petunia»Du bist ein kleiner frecher Lügner. Was sollen alle diese -» dann senkte sie ebenfalls ihre Stimme» – Eulen denn sonst tun, außer Dir Nachrichten zu bringen.«
»Aha«whisperte Onkel Vernon triumphierend»Versuch Dich da mal rauszureden. Als ob wir nicht wüssten, daß Du alle Deine Nachrichten von diesen verdammten Vögeln bekommst!«
Harry zögerte einen Moment. Es kostete ihn einige Überwindung, um dieses Mal die Wahrheit zu sagen, obwohl seine Tante und sein Onkel unmöglich wissen konnten, wie schlecht er sich fühlte, als er es zugab.
»Die Eulen…bringen mir keine Nachrichten,«sagte er tonlos.
»Ich glaube es nicht,«sagte Tante Petunia sofort.
»Genau wie ich,«sagte Onkel Vernon eindringlich.
»Wir wissen, daß du dir einen Spaß erlaubst,«sagte Tante Petunia.
»Wir sind ja nicht dumm,«sagte Onkel Vernon.
»Wirklich, das mir neu,«sagte Harry, sein Zorn steigend und bevor ihn die Dursleys zurück rufen konnten, hatte er sich umgedreht, den Vorgarten überquert, war über die niedrige Gartenmauer gestiegen und lief die Straße hinauf.
Er war jetzt in Schwierigkeiten und er wußte das. Er würde sich später seiner Tante und seinem Onkel stellen und den Preis für seinen Ungehorsam zahlen müssen, aber das interessierte ihn in diesem Moment nicht; er dachte über wichtigere Dinge nach.
Harry war sicher, daß der knallende Lärm von jemandem gemacht worden war, der apparierte oder disapparierte. Es war genau das Geräusch, das Dobby der Hauself machte, wenn er sich in Luft auflöste. War es möglich, daß Dobby hier im Ligusterweg war? Konnte Dobby ihm in genau diesem Moment folgen? Als ihm dieser Gedanke durch den Kopf ging, drehte er sich um und starrte den Ligusterweg hinunter, aber er schien völlig allein zu sein und Harry war sicher, daß Dobby nicht wußte, wie er sich unsichtbar machen könnte.
Er ging weiter, genau wissend welchen Weg er nahm, da er diese Straßen in letzter Zeit so oft entlang gegangen war, daß ihn seine Füße automatisch zu seinen Lieblingsorten trugen. Alle paar Schritte sah er zurück über seine Schulter.
Etwas Magisches war in seiner Nähe gewesen, als er unter den sterbenden Begonien Tante Petunias lag, dessen war er sich sicher. Warum hatten sie nicht mit ihm gesprochen, warum hatten sie keinen Kontakt zugelassen, warum versteckten sie sich jetzt?
Und dann, als sein Gefühl der Frustration den Höchststand erreichte, verschwand seine Gewissheit…Vielleicht war es doch kein magisches Geräusch gewesen. Vielleicht wartete er so dringend auf das kleinste Zeichen von Kontakt aus der Welt, zu der er gehörte, daß er schon bei gewöhnlichen Geräuschen übertrieben reagierte. Konnte er sicher sein, daß es nicht der Klang von etwas gewesen war, das im Haus eines Nachbars zerbrach?
Harry fühlte eine langweilige, sinkende Empfindung in seinem Magen und bevor er es erkannte, das Gefühl der Hoffnungslosigkeit, das ihn den ganzen Sommer geplagt hatte, überrollte es ihn noch einmal.
Morgen früh würde ihn der Wecker um fünf Uhr aufwecken, so daß er die Eule bezahlen konnte, die den Tagespropheten lieferte – aber gab es irgendeinen Grund, ihn weiterhin zu nehmen? Harry sah lediglich kurz die Titelseite an, bevor er ihn beiseite warf; als diese Idioten, die die Zeitung herausbrachten, schließlich merkten, daß Voldemort zurück war, würde es die Schlagzeile sein und das war das einzige, für das Harry sich interessierte.
Wenn er Glück hatte, kämen auch Eulen mit Briefen von seinen besten Freunden Ron und Hermine, obwohl alle Erwartungen, ihre Briefe würden ihm lang ersehnte Nachrichten bringen schon längst verflogen waren. Wir können nicht viel über Du-Weißt-Was sagen, leider… Uns wurde verboten Wichtiges zu erzählen, falls unsere Briefe verloren gehen… Wir sind ziemlich beschäftigt, aber können dir hier nichts genaueres verraten… Es ist eine Menge los, wir sagen dir alles, wenn wir dich sehen…
Aber wann würden sie ihn sehen? Niemand schien ein genaues Datum nennen zu können. Hermine hatte noch in seine Geburtstagskarte gekritzelt:«Ich glaube, daß wir uns schon bald wiedersehen werden,«aber wie bald war bald? Soweit Harry es von den vagen Hinweisen in ihren Briefen sagen konnte, waren Hermine und Ron an demselben Ort, vermutlich im Haus von Rons Eltern. Er konnte es kaum ertragen, an die beiden zu denken, wie sie zusammen Spaß im Fuchsbau hatten, während er im Ligusterweg festsaß. In der Tat war er so wütend auf sie, daß er die zwei Schachteln Honeydukes Schokolade ungeöffnet weggeworfen hatte, die sie ihm zu seinem Geburtstag geschickt hatten. Er hatte es später bedauert, nachdem er den verwelkten Salat Tante Petunias gesehen hatte, den sie an selbigem Tag als Abendessen zubereitete.
Und womit waren Ron und Hermine beschäftigt? Warum hatte er, Harry, nichts zu tun? Hatte er nicht oft genug bewiesen, daß er selbst dazu in der Lage war, viel mehr zu bewältigen, als die beiden? Hatten sie alle vergessen, was er getan hatte? War nicht er es gewesen, der diesen Friedhof betreten und beobachtet hatte, daß Cedric ermordet wurde und er an diesen Grabstein gebunden worden war und beinahe getötet wurde?
Denk nicht darüber nach, sagte Harry streng zu sich, wie er es schon hundert mal diesen Sommer getan hatte. Es war schlimm genug, daß er den Friedhof in seinen Alpträumen wieder und wieder besuchte, ohne dort zu verweilen, da mußte er sich nicht auch noch tagsüber damit belasten.
Er bog um eine Ecke in den Magnolia Crescent; auf halber Strecke passierte er einen engen Durchgang neben einer Garage, wo er seinen Paten zum ersten mal gesehen hatte. Sirius schien wenigstens zu verstehen, wie Harry sich fühlte.
Zugegeben, seine Briefe waren was Neuigkeiten anging so leer wie die von Ron und Hermine, aber wenigstens enthielten sie warnende und tröstende Worte, statt mit ihn mit Hinweise neugierig zu machen:
Ich weiß, daß dies für dich frustrierend sein muß… Halte deine Nase aus anderen Angelegenheiten raus und dir kann nichts passieren… Pass auf diech auf und tu nichts unvernünftiges…
Nun, dachte Harry, als er den Magnolia Crescent überquerte, in die Magnolia Road wechselte und in Richtung des dunkel werdenden Spielparks ging, wie es Sirius (lang und breit) geraten hatte. Er hatte wenigstens der Versuchung widerstanden, seinen Koffer an seinen Besen zu binden und sich auf eigene Faust auf den Weg zum Fuchsbau zu machen. In der Tat glaubte Harry ein durchaus akzeptables Benehmen an den Tag zu legen, wenn man bedachte, wie frustriert und wütend er sich fühlte, weil er so lange im Ligusterweg bleiben mußte, darauf beschränkt, sich in Blumenbeeten zu verstecken, um etwas zu hören, das auf Lord Voldemort zeigen könnte. Dennoch, war es ziemlich ärgerlich von jemanden aufgefordert zu werden nicht voreilig zu sein, der zwölf Jahre im Zauberer Gefängnis Askaban gesessen hatte, ausgebrochen war, in erster Linie versuchte die Morde zu rächen, für die er verantwortlich gemacht wurde und mit einem gestohlenen Hippogreif floh.
Harry sprang über das verriegelte Parktor und landete auf dem ausgetrockneten Gras. Der Park war genauso leer wie die umliegenden Straßen. Als er die Schaukeln erreichte, sank er auf die einzige, die Dudley und seine Freunde noch nicht zerbrechen konnten, wickelte einen Arm um die Kette und starrte mürrisch den Boden an. Er könnte sich nicht noch einmal im Blumenbeet der Dursleys verstecken. Morgen würde er sich irgenetwas neues einfallen lassen müssen, um die Nachrichten zu verfolgen. Inzwischen hatte er nichts worauf er sich freuen konnte, außer auf eine weitere schlaflose Nacht. Selbst wenn er den Alpträumen über Cedric entkam, verfolgten ihn Träume über lange dunkle Korridore, die alle in Sackgassen und verriegelten Türen endeten, von denen er annahm, daß sie etwas mit Gefühl zu tun hatten, das ihn plagte, wenn er wach war. Oft prickelte die alte Narbe auf seiner Stirn unangenehm, aber er glaubte.nicht, daß es Ron, Hermine oder Sirius weiterhin interessant finden würden. In der Vergangenheit hatte ihn seine schmerzende Narbe gewarnt, daß Voldemort wieder stärker wurde, aber nun, da Voldemort zurück war, würden sie ihn wahrscheinlich daran erinnern, daß die regelmäßigen Schmerzen zu erwarten waren…nichts beunruhigendes…alte Nachrichten…
Die Ungerechtigkeit, die er darin sah, ließ alles in ihm hochkommen, so daß er vor Wut schreien wollte. Wenn es ihm nicht passiert wäre, hätte niemand gewusst, daß Voldemort zurück war! Und seine Belohnung war, daß er ganze vier Wochen in KleinWhinging bleiben mußte, völlig von der magischen Welt abgeschnitten, darauf beschränkt, unter sterbenden Begonien zu hocken, so daß er von Wasserskilaufwellensittichen hören konnte! Wie konnte Dumbledore ihn so einfach vergessen? Warum hatten sich Ron und Hermine getroffen, ohne ihn auch einzuladen? Wie viel länger müsste er noch dulden, daß Sirius ihn aufforderte, ruhig zu bleiben und ein guter Junge zu sein; oder der Versuchung wiederstehen zu müssen, an den dummen Daily Prophet zu schreiben und darauf hin zu weisen, daß Voldemort längst zurückgekehrt war? Diese wütenden Gedanken wirbelten in Harrys Kopf umher und sein Innerstes wand sich vor Ärger, als sich die schwüle, samtige Nacht um ihn legte. Die Luft roch nach dem warmen, trockenen Gras und das einzige was man hören konnte, war das Murren des Verkehrs auf der Straße, das über die Parkzäune klang.
Er wußte nicht wie lange er auf der Schaukel gesessen hatte, als der Klang von Stimmen sein Grübeln unterbrach und er aufsah. Die Straßenlaternen der umliegenden Straßen spendeten ein nebliges Glühen, gerade stark genug, um die Silhouette einer Gruppe von Menschen zu erkennen, die sich durch den Park bewegten. Einer von ihnen sang laut und schief ein Lied. Die anderen lachten. Ein leises Tickgeräusch kam von einigen teuren Rennrädern, die sie neben sich her rollten.
Harry wußte wer diese Leute waren. Die Figur an der Spitze war unverkennbar sein Vetter Dudley Dursley, der sich auf seinen Heimweg machte, begleitet von seiner getreuen Bande.
Dudley war so gewaltig wie immer, aber ein Jahr strenge Diät und die Entdeckung eines neuen Talents hatten seinen Körperbau ziemlich verändert. Wie Onkel Vernon jedem der zuhörte erfreut mitteilte, war Dudley Junioren Meister im Schulübergreifenden Schwergewicht Boxens des Südostens geworden. Der stattliche Sport, wie ihn Onkel Vernon nannte, hatte Dudley noch furchteinflößender gemacht, als er Harry in ihren Grundschultagen schien, in denen er Dudley als erster Punchball gedient hatte. Harry fürchtete sich nicht mehr im Entferntesten vor seinem Vetter, aber er glaubte immer noch nicht, daß Dudley härtere und genauere Schläge lernte, um gefeiert zu werden. Alle Nachbarschaftskinder erschraken vor ihm – sogar noch mehr, als vor»diesem Potter-Jungen,«vor dem sie gewarnt worden waren, er sei ein Rowdy und besuche das St.-Brutus-Sicherheits-Zentrum für unheilbar kriminelle Jungen.
Harry beobachtete die dunklen Gestalten das Gras überqueren und fragte sich, wen sie heute Abend zusammengeschlagen hatten. Dreh euch um, dachte Harry, während er sie beobachtete. Kommt schon… ich sitze hierganz allein…kommt doch wenn ihr euch traut…
Wenn Dudleys Freunde ihn hier sitzen sahen, würden sie sicher schnurgerade auf ihn losgehen, und was würde Dudley dann tun? Er würde sein Gesicht nicht vor der Bande verlieren wollen, aber er würde Angst haben, Harry zu provozieren… es wäre wirklich lustig zu beobachten, Dudley in seinem Dilemma zu verspotten und ihn zu beobachten, nicht in der Lage zu antworten… und wenn einige von den anderen versuchten Harry zu schlagen, war er bereit. – er hatte seinen Zauberstab. Sie sollten es nur versuchen… er würde gerne etwas von seiner Wut an den Jungen ablassen, die einst sein Leben zur Hölle machten.
Aber sie drehten sich nicht um, sie sahen ihn nicht, sie waren fast an den Zäunen. Harry widerstand dem Drang nach ihnen zu rufen… einen Kampf zu suchen war kein netter Zug… er darf keine Zauberei verwenden… er würde wieder riskieren ausgeschlossen zu werden.
Die Stimmen von Dudleys Bande legten sich; sie waren aus Sicht, geradewegs entlang der Magnolia Road.
Da siehst du«s, Sirius, dachte Harry leise. Nichts voreiliges. Hab meine Nase aus allem rausgehalten. Genau das Gegenteil von dem, was du getan hättest.
Er stand auf und streckte sich. Tante Petunia und Onkel Vernon waren der Meinung, daß jedes Mal wenn Dudley nach Hause kam auch die richtige Zeit für Harry war zu Hause zu sein und jede Minute danach war viel zu spät. Onkel Vernon hatte gedroht, Harry unter der Treppe einzusperren, wenn er noch einmal nach Dudley zu Hause wäre. Ein Gähnen unterdrückend und immer noch ein mürrisches Gesicht machend, ging Harry in Richtung des Parktors…Die Magnolia Road war – wie auch der Ligusterweg – voll von großen, viereckigen Häusern mit perfekt gemähten Vorgärten, alle im Besitz von großen, viereckigen Eigentümern, die sehr saubere Autos – ähnlich wie Onkel Vernon -
fuhren. Harry bevorzugte Klein Whinging bei Nacht, wenn die zugezogenen Fenster juwelenartig in der Dunkelheit schimmerten und er sich kein Gemurmel über seine»rückständige«Erscheinung anhören mußte, wenn er die Wohnungsinhaber passierte. Er ging schnell, so daß er Dudleys Bande auf halber Strecke der Magnolia Road wieder sehen konnte. Am Eingang zum Magnolia Crescent verabschiedeten sie sich. Harry trat in den Schatten eines großen fliederfarbenen Baumes und wartete.
»…jammerte wie ein Schwein, nicht wahr?«sagte Malcolm, begleitet vom schallenden Lachen der anderen.
»Netter rechter Haken, Big D,«sagte Piers.
»Gleiche Zeit morgen?«sagte Dudley.
»Bei mir, meine Eltern sind nicht da,«sagte Gordon.
»Bis dann,«sagte Dudley.
»Bye, Dud!«
»See ya, Big D!«
Harry wartete bis der Rest der Bande verschwunden war, bevor er weiterging. Als ihre Stimmen wieder erloschen waren, bog er um die Ecke in den Magnolia Crescent und mit schnellen Schritten, hatte er Dudley bald eingeholt, der versuchte locker zu gehen und unmelodisch murmelte.
»Hey, Big D!«
Dudley drehte sich um.
»Oh,«grunzte er.»Du bist es.«
»Wie lange bist du denn schon»Big D«?«sagte Harry.
»Halt den Mund,,«knurrte Dudley, sich weg drehend.
»Cooler Name,«sagte Harry, grinste und ging neben seinem Vetter her.»Aber für mich wirst du immer»Ickle Diddykins«sein«
»Ich sagte halt deinen Mund!«sagte Dudley, dessen Schinkenähnliche Hande sich zu Fäusten zusammenrollten.
»Wissen die Jungen nicht, wie deine Mama dich nennt?«
»Halt«s Maul.«
»Du sagst ihr auch nicht, daß sie ihr Maul halten soll. Was ist mit»Popkin«und»niedlichem Diddydums,«kann ich dich dann so nennen?«
Dudley sagte nichts. Die Bemühung, sich davon abzuhalten, Harry zu schlagen, schien all seine Konzentration zu fordern.
»Und wen hast du heute Abend zusammengeschlagen?«fragte Harry, sein Grinsen verblassend.»Noch einen Zehnjährigen? Ich weiß, daß du Mark Evans vor zwei Nächten besiegt hast -«
»Er hat danach gebettelt,«knurrte Dudley.
»Oh wirklich?«
»Er war frech zu mir«
»Wirklich? Sagte er, daß du wie ein Schwein aussiehst, dem beigebracht worden ist, auf seinen Hinterbeinen zu laufen?
Das wäre nicht frech gewesen, Dud, das ist die Wahrheit.«
Ein Muskel zuckte in Dudleys Kiefer. Es gefiel Harry ungemein zu wissen, wie wütend er Dudley machte; er fühlte sich, als ob er seine eigene Wut an seinem Vetter abreagieren könnte, dem einzigen Auslass, den er hatte…Sie gingen rechts hinunter zum engen Durchgang, wo Harry Sirius das erste Mal gesehen hatte und der eine Abkürzung zwischen dem Magnolia Crescent und der Glyzinien Allee war. Er war leerer und viel dunkler als die Straßen, die er verband, weil es keine Straßenlaterner gab. Ihre Schritte hallten zwischen Garagenwänden auf einer Seite und einem hohen Zaun auf der anderen wider.
»Hältst dich wohl für einen besonders starken Mann mit diesem Ding, das du trägst, oder?«sagte Dudley nach einigen Sekunden.
»Welches Ding?«
»Dieses – dieses Ding, das du versteckst.«
Harry grinste wieder.
»Bist nicht so dumm, wie du ausschaust. Hab ich Recht Dud? Aber ich glaube wenn dem so wäre, wärest du auch nicht in der Lage, gleichzeitig zu gehen und zu reden.«
Harry zog seinen Zauberstab heraus. Er sah, wie Dudley es von der Seite aus beobachtete.
»Es wurde dir verboten,«sagte Dudley sofort.»Ich weiß, daß du es nicht darfst. Sie würden dich von dieser verrückten Schule verweisen, auf die du gehst.«
»Wie kannst du dir sicher sein, daß sie die Regeln nicht geändert haben?«
»Haben sie nicht,«sagte Dudley, obwohl er nicht völlig überzeugt klang.
Harry lachte leise.
»Du hast doch gar nicht genug Mumm in den Knochen, um dich ohne dieses Ding mit mir anzulegen, ist es nicht so?«
knurrte Dudley.
»Während du nur vier Kameraden brauchst, die hinter dir stehen, um einen Zehnjährigen zusammenschlagen. Du kennst doch diesen Boxer Titel mit dem du überall prahlst? Wie alt war dein Gegner? Sieben? Acht?«
»Er war sechzehn, zu deiner Information,«erwiderte Dudley,»und er war für zwanzig Minuten kalt gestellt, nachdem ich mit ihm fertig war und er war zweimal so schwer wie du. Warte nur, bis ich Dad sage, daß du dieses Ding draußen hattest -«
»Jetzt läufst du zu deinem Papa, nicht wahr? Hat sich Ickle Box-Meister etwa vor bösem Harrys Zauberstab erschrocken?«
»Nachts bist du nicht so tapfer wie jetzt.«spottete Dudley.
»Wir haben jetzt Nacht, Diddykins. So nennen wir es jedenfalls, wenn alles dunkel wird wie jetzt gerade.«
»Ich meine, wenn du im Bett bist!«knurrte Dudley.
Er hatte aufgehört weiterzugehen. Harry hielt ebenfalls und starrte seinen Vetter an.
Von dem wenigen, das er von Dudleys großem Gesicht sehen konnte, trug er einen sonderbar triumphalen Blick.
»Was damit, ich sei nicht tapfer, wenn ich im Bett bin?«sagte Harry völlig verblüfft.»Wovor sollte ich mich erschrecken, vor Kissen oder wovor sonst?«
»Ich hab dich letzte Nacht gehört,«sagte Dudley atemlos.»Du hast im Schlaf geredet. Gestöhnt.«
»Was meinst du?«sagte Harry nochmals, aber mit einem kalten, unguten Gefühl im Magen. In seinen Träumen hatte er den Friedhof letzte Nacht wieder besucht.
Dudley gab ein starkes, bellendes Lachen von sich, dann imitierte er eine hohe winselnde Stimme.
»Er darf Cedric nicht töten! Er darf Cedric nicht töten!«Wer ist Cedric – dein Freund?«
»Ich – du lügst,«sagte Harry automatisch. Aber sein Mund war trocken geworden. Er wußte, daß Dudley nicht gelogen hatte – wie sonst würde er von Cedric wissen?.»Dad! Hilf mir, Dad! Er will mich töten, Dad! Boo hoo!«»
»Halts Maul,«sagte Harry ruhig.»Halts Maul Dudley, ich warne dich!«
»Komm und hilf mir, Dad! Mum, komm und hilf mir! Er hat Cedric getötet! Dad, hilf mir! Er hat vor -«zeig nicht mit diesem Ding auf mich!«
Dudley wich zurück an die Gassenwand. Harry zeigte mit dem Zauberstab direkt auf Dudleys Herz. Harry konnte fühlen, wie vierzehn Jahre des Hasses auf Dudley durch seine Venen pochten – was würde er jetzt dafür geben, Dudley so gründlich zu verhexen, daß er wie ein Insekt nach Hause kriechen müsste, besonders dumm, sprießende Fühler…
»Wag es niemal wieder darüber zu reden,«knurrte Harry.»Hast du mich verstanden?«