"Harry Potter und der Feuerkelch" - читать интересную книгу автора (Rowling Joanne K.)

Weasleys Zauberhafte Zauberscherze

Harry, die Arme fest an sich gepreßt, rotierte so rasend schnell um sich selbst, daß er nur ab und zu verschwommen einen Kamin vorbeifliegen sah. Allmählich wurde ihm übel und er schloß die Augen. Endlich spürte er den Wirbel nachlassen, er streckte die Hände aus und konnte sich gerade noch festhalten, sonst wäre er vor dem Küchenkamin der Weasleys auf die Nase geklatscht.

»Hat er angebissen?«, fragte Fred gespannt und reichte Harry die Hand, um ihm auf die Beine zu helfen.

»Jaah«, sagte Harry und richtete sich auf.»Was war das denn?«

»Würgzungen-Toffee«, strahlte Fred.»Haben George und ich selber erfunden, und den ganzen Sommer schon suchen wir jemanden, an dem wir es ausprobieren könnten…«

In der kleinen Küche brach schallendes Gelächter aus; Harry schaute sich um und sah Ron und George an dem polierten Holztisch sitzen, zusammen mit zwei anderen Rothaarigen, die Harry noch nie gesehen hatte. Doch wußte er sofort, wer sie waren: Bill und Charlie, die beiden ältesten Weasley-Brüder.

»Wie geht's, Harry?«, sagte der eine, der ihm am nächsten saß, und streckte seine große Hand aus. Als Harry sie schüttelte, spürte er Schwielen und Blasen an den Fingern. Das mußte Charlie sein, der in Rumänien lebte und mit Drachen arbeitete. Charlie war ähnlich gebaut wie die Zwillinge, kleiner und stämmiger als Percy und Ron, die beide groß und schlaksig waren. Sein gutmütiges Gesicht war breit und wettergegerbt und die vielen Sommersprossen ließen es noch gebräunter wirken. Auf einem seiner muskulösen Arme war ein großes, schimmerndes Brandmal zu sehen.

Auch Bill erhob sich jetzt mit einem Lächeln und schüttelte Harry die Hand. Harry, der wußte, daß er für die Zaubererbank Gringotts arbeitete und Schulsprecher in Hogwarts gewesen war, hatte sich Bill immer als einen älteren Doppelgänger von Percy vorgestellt: peinlich genau darauf bedacht, die Vorschriften einzuhalten, und mit Genuß dabei, die anderen herumzukommandieren. Tatsächlich jedoch war Bill – und es gab kein besseres Wort dafür – einfach cool. Er war hoch gewachsen und hatte sein langes Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Er trug einen Ohrring, an dem etwas baumelte, das aussah wie der Giftzahn einer Schlange. Seine Kleidung hätte gut in ein Rockkonzert gepaßt, nur daß seine Schuhe, wie Harry auffiel, nicht aus Leder, sondern aus Drachenhaut waren.

Bevor jemand ein weiteres Wort sagen konnte, ertönte ein Plopp und Mr Weasley erschien wie aus dem Nichts an Georges Seite. Harry hatte ihn noch nie so zornig erlebt.

»Das war überhaupt nicht komisch, Fred!«, brüllte er.»Was zum Teufel hast du dem Muggeljungen gegeben?«

»Ich hab ihm gar nichts gegeben«, sagte Fred mit gemeinem Grinsen.»Ich hab nur was fallen lassen… ist doch sein Problem, wenn er es aufhebt und ißt, ich hab ihm jedenfalls nichts angeboten.«

»Du hast es absichtlich fallen lassen!«, polterte Mr Weasley.»Du wußtest, daß er es aufessen würde, du wußtest, daß er auf Diät war -«

»Und? Wie lang ist seine Zunge denn geworden?«, fragte George begierig.

»Sie war über einen Meter lang, als die Eltern mir endlich erlaubt haben, sie schrumpfen zu lassen!«

Harry und die Weasleys brachen erneut in Gelächter aus.

»Das ist nicht lustig!«, rief Mr Weasley.»Solches Verhalten beschädigt die Zauberer-Muggel-Beziehungen aufs Schwerste! Mein halbes Leben hab ich gegen die Mißhandlung von Muggeln gekämpft und da kommen meine eigenen Söhne -«

»Wir haben es ihm nicht deshalb gegeben, weil er ein Muggel ist!«, sagte Fred entrüstet.

»Nein, wir haben es ihm verpaßt, weil er ein tyrannisches Riesenschwein ist«, sagte George.»Stimmt doch, Harry?«

»Ja, das stimmt, Mr Weasley«, sagte Harry ernst.

»Darum geht es hier nicht!«, tobte Mr Weasley.»Wartet nur, bis ich es eurer Mutter erzähle -«

»Bis du mir was erzählst?«, fragte eine Stimme hinter ihnen.

Mrs Weasley stand in der Küche. Sie war eine kleine, rundliche Frau mit einem sehr freundlichen Gesicht, doch jetzt lag ihre Stirn in mißtrauischen Falten.

»Ach, hallo, Harry, mein Lieber«, sagte sie lächelnd, als sie ihn entdeckt hatte, dann wandte sie sich sofort mit blitzenden Augen ihrem Mann zu.»Arthur, erklär mir, was hier los ist.«

Mr Weasley zögerte. Harry spürte, daß er zwar ziemlich wütend auf Fred und George war, doch Mrs Weasley hatte er eigentlich nichts von der ganzen Geschichte erzählen wollen. In der eintretenden Stille musterte Mr Weasley nervös seine Frau. Dann erschienen hinter Mrs Weasley zwei Mädchen in der Küchentür. Die eine, mit sehr buschigem braunem Haar und recht großen Vorderzähnen, war Harrys und Rons beste Freundin, Hermine Granger. Die andere, klein und rothaarig, war Rons jüngere Schwester Ginny.

Beide lächelten Harry zu, Harry grinste zurück und Ginny lief scharlachrot an – sie hatte einen Narren an ihm gefressen, seit er zum ersten Mal den Fuchsbau besucht hatte.

»Sag mir, was los ist, Arthur«, wiederholte Mrs Weasley mit bedrohlichem Unterton in der Stimme.

»Ach nichts, Molly«, murmelte Mr Weasley.»Fred und George haben nur – aber ich hab schon mit ihnen geschimpft -«

»Was haben sie diesmal wieder ausgefressen?«, fragte Mrs Weasley.»Wenn es irgendwas mit Weasleys Zauberhaften Zauberscherzen zu tun hat -«

»Warum zeigst du Harry nicht, wo er schlafen kann, Ron?«, sagte Hermine von der Tür her.

»Er weiß, wo er schläft«, sagte Ron.»In meinem Zimmer, da hat er auch letztes Mal -«

»Wir können zusammen hochgehen«, sagte Hermine überdeutlich.

»Oh«, sagte Ron, bei dem der Groschen endlich gefallen war,»gute Idee.«

»Ja, wir kommen auch mit«, sagte George -

»Ihr bleibt, wo ihr seid!«, fauchte Mrs Weasley.

Harry und Ron verdrückten sich aus der Küche und machten sich gemeinsam mit Hermine und Ginny auf den Weg durch den engen Flur und die klapprige Treppe empor, die im Zickzack durch das ganze Haus bis hoch zu den Dachkammern führte.

»Was bedeutet Weasleys Zauberhafte Zauberscherze?«, fragte Harry, während sie die Stufen erklommen.

Ron und Ginny lachten, Hermine jedoch blieb stumm.

»Mum hat beim Putzen in Freds und Georges Zimmer einen Stapel Bestellformulare gefunden«, sagte Ron gedämpft.»Ellenlange Preislisten für das Zeug, das sie erfunden haben. Scherzartikel, du kennst das ja. Falsche Zauberstäbe und Süßigkeiten mit eingebauter Überraschung, 'ne ganze Menge davon. Einfach genial, ich hätte nie gedacht, daß sie so erfinderisch sind…«

»Schon seit langem hören wir es aus ihrem Zimmer ständig knallen«, sagte Ginny,»aber wir wären nie darauf gekommen, daß sie dieses Zeug wie am Fließband herstellen. Wir dachten, sie stehen einfach auf Krach.«

»Nur, das meiste davon – na ja, eigentlich alles – war ein wenig gefährlich«, sagte Ron,»und dann, mußt du wissen, wollten sie es auch noch in Hogwarts verkaufen. Da ist Mum an die Decke gegangen. Sie hat ihnen verboten, an den Sachen weiter zu basteln, und hat alle Bestellformulare verbrannt… Sie ist ohnehin sauer auf die beiden. Sie haben nicht so viele ZAGs gekriegt, wie sie erwartet hat.«

ZAGs waren Zauberergrade, die die fünfzehnjährigen Schüler bei den Prüfungen erwarben.

»Und dann hat es diesen Riesenkrach gegeben«, sagte Ginny,»weil Mum will, daß die beiden sich im Zaubereiministerium bewerben, wo Dad arbeitet, aber sie meinten, sie wollten eigentlich nur einen Scherzartikelladen aufmachen.«

In diesem Moment öffnete sich eine Tür auf dem zweiten Treppenabsatz und ein sehr genervt aussehendes Gesicht mit Hornbrille lugte hervor.

»Hallo, Percy«, sagte Harry.

»Ach, hallo, Harry«, sagte Percy.»Ich wollte nur wissen, wer so viel Lärm macht. Ich versuche hier drin zu arbeiten, mußt du wissen – ich muß fürs Büro noch einen Bericht schreiben – und es ist ziemlich schwer sich zu konzentrieren, wenn ständig Leute die Treppe rauf- und runterpoltern.«

»Wir poltern nicht«, sagte Ron verärgert.»Wir gehen. Verzeihung, wenn wir die streng geheime Arbeit des Zaubereiministeriums gestört haben.«

»Woran arbeitest du denn?«, sagte Harry.

»An einem Bericht für die Abteilung Internationale Magische Zusammenarbeit«, sagte Percy und reckte das Kinn.»Wir versuchen die Kesseldicken endlich zu vereinheitlichen. Manche von diesen ausländischen Importkesseln sind doch eine Spur zu dünn – die Tropfrate steigt jährlich um drei Prozent -«

»Dieser Bericht wird die Welt verändern«, sagte Ron.»Kommt sicher auf die Titelseite des Tagespropheten, dieses Kesseltropfen.«

Percys Gesicht nahm einen Hauch Rosa an.

»Mach du nur deine Witze, Ron«, sagte er entrüstet,»aber wenn wir nicht eine internationale Regelung durchsetzen, wird der Markt eines Tages womöglich von dünn-bödigen Billigprodukten überschwemmt, die eine ernste Gefahr für -«

»Ja, ja, ist schon gut«, sagte Ron und betrat die nächste Treppe. Percy knallte seine Zimmertür hinter sich zu. Während Harry, Hermine und Ginny drei weitere Treppen hinter Ron herstiegen, hallten Rufe aus der Küche zu ihnen hoch. Sie klangen, als hätte Mr Weasley seiner Frau von den Toffeebohnen erzählt.

Das Zimmer unter dem Dach des Hauses, wo Ron schlief, sah nicht viel anders aus als bei Harrys letztem Besuch, dieselben Spieler auf den Postern von Rons Lieblingsteam, den Chudley Cannons, wirbelten und winkten von den Wänden der schrägen Decke, und das Aquarium auf der Fensterbank, in dem damals noch Froschlaich gewesen war, beherbergte nun einen riesigen Frosch. Rons alte Ratte, Krätze, war nicht mehr da, stattdessen die winzige graue Eule, die Rons Brief zu Harry in den Ligusterweg geflogen hatte. Sie hüpfte in einem kleinen Käfig auf und ab und zwitscherte wie verrückt.

»Schnauze, Pig«, sagte Ron und drängte sich zwischen zwei der vier Betten hindurch, die in das Zimmer gequetscht worden waren.»Fred und George schlafen auch hier, weil Bill und Charlie ihr Zimmer bekommen haben«, erklärte er Harry.»Percy behält sein Zimmer für sich alleine, weil er ja arbeiten muß.«

»Ähm – warum nennst du diese Eule Pig?«, fragte Harry.

»Weil Ron doof ist«, warf Ginny ein.»Sein richtiger Name ist nämlich Pigwidgeon.«

»Ja, und das ist überhaupt kein doofer Name«, sagte Ron trocken.»Ginny hat ihm den Namen gegeben«, erklärte er Harry.»Sie findet ihn süß. Und ich wollte ihn noch ändern, aber es war zu spät, er hörte auf überhaupt nichts anderes mehr. Also heißt er jetzt eben Pig. Ich muß ihn hier oben behalten, weil er Errol und Hermes ständig ärgert. Mich übrigens auch, kann ich dir sagen.«

Pigwidgeon flatterte glücklich in seinem Käfig umher und schrie schrill. Harry kannte Ron gut genug, um ihn nicht ernst zu nehmen. Über seine alte Ratte Krätze hatte er sich ständig beklagt, doch als Hermines Kater, Krummbein, ihn vermeintlich gefressen hatte, war er untröstlich gewesen.

»Wo ist Krummbein?«, fragte Harry nun Hermine.

»Draußen im Garten, glaub ich«, sagte sie.»Er hat noch nie einen Gnomen gesehen und jagt sie wie die Mäuse.«

»Percy gefällt die Arbeit, nicht wahr?«, sagte Harry, setzte sich auf eins der Betten und sah den Chudley Cannons zu, wie sie auf den Postern an der Decke erschienen und wieder davonsausten.

»Gefallen?«, sagte Ron mit verdüsterter Miene.»Ich glaube, er würde gar nicht mehr nach Hause kommen, wenn Dad es nicht verlangen würde. Er ist wie besessen. Frag ihn ja nicht nach seinem Chef. ›Mr Crouch sagt dieses, Mr Crouch sagt jenes… wie ich immer zu Mr Crouch sage… Mr Crouch ist der Meinung… Mr Crouch hat mich beauftragt… ‹ Bald geben sie noch ihre Verlobung bekannt.«

»Hast du einen schönen Sommer verbracht, Harry?«, fragte Hermine.»Und sind die Freßpakete auch angekommen?«

»Ja, vielen Dank«, sagte Harry.»Diese Kuchen haben mir das Leben gerettet.«

»Und hast du was von -?«, setzte Ron an, doch Hermines Blick ließ ihn verstummen. Harry wußte, daß er nach Sirius fragen wollte. Ron und Hermine hatten bei Sirius' Flucht tatkräftig mitgeholfen und waren jetzt beinahe ebenso um seinen Paten besorgt wie er. Allerdings war es nicht gut, wenn Ginny alles hörte. Keiner außer ihnen und Professor Dumbledore wußte, wie Sirius entkommen war, und keiner glaubte an seine Unschuld.

»Sie haben aufgehört zu streiten«, sagte Hermine, um den peinlichen Moment zu überbrücken, denn Ginnys Blick wanderte neugierig von Ron zu Harry.»Sollen wir runtergehen und deiner Mum mit dem Abendessen helfen?«

»Ja, von mir aus«, sagte Ron. Alle vier verließen Rons Zimmer und stiegen nach unten in die Küche, wo sie Mrs Weasley allein und äußerst schlecht gelaunt vorfanden.

»Wir essen draußen im Garten«, sagte sie, als die vier eintraten.»Hier drin haben wir einfach keinen Platz für elf Leute. Könntet ihr die Teller raustragen, Mädchen? Bill und Charlie decken die Tische. Ihr beide nehmt bitte Messer und Gabeln«, sagte sie zu Ron und Harry und richtete ihren Zauberstab unversehens ein wenig zu energisch auf einen Haufen Kartoffeln im Waschbecken, die daraufhin so schnell aus ihren Pellen flutschten, daß sie gegen Wände und Decke klatschten.

»Ach, um Himmels willen«, seufzte sie und richtete ihren Zauberstab jetzt auf eine Kehrschaufel, die von der Wand hüpfte, über den Boden tänzelte und die Kartoffeln aufschaufelte.»Diese beiden!«, stieß sie zornig hervor, während sie Töpfe und Pfannen aus dem Schrank holte, und Harry war klar, daß sie Fred und George meinte.»Ich weiß nicht, was aus denen mal werden soll, ehrlich gesagt. Keinen Ehrgeiz, wollen anderen nur möglichst viel Ärger bereiten…«

Sie ließ einen großen Kupfertopf auf den Küchentisch knallen und begann mit dem Zauberstab darin herumzurühren, bis sich eine cremige Sauce aus der Spitze in den Topf ergoß.

»Es ist ja nicht so, daß sie keinen Grips hätten«, fuhr sie gereizt fort, trug den Topf hinüber zum Herd und entzündete diesen mit einem Stupser ihres Zauberstabs.»Sie verschwenden ihn einfach, und wenn sie sich nicht bald zusammenreißen, kriegen sie wirklich Probleme. Hogwarts hat mir mehr Eulen ihretwegen geschickt als wegen aller anderen zusammen. Wenn sie so weitermachen, landen sie noch vor dem Ausschuß gegen den Mißbrauch der Magie.«

Mrs Weasley tippte mit dem Zauberstab gegen die Besteckschublade, die prompt aufsprang. Ein paar Messer flogen heraus, so daß Harry und Ron sich rasch ducken mußten, surrten quer durch die Küche und begannen die Kartoffeln in Scheiben zu schneiden, die die Kehrschaufel soeben wieder ins Waschbecken befördert hatte.

»Ich weiß nicht, was wir bei den beiden falsch gemacht haben«, sagte Mrs Weasley, legte ihren Zauberstab beiseite und begann noch mehr Töpfe hervorzukramen.»Das geht nun schon seit Jahren so, immer wieder was Neues, und sie wollen einfach nicht zuhören – o nein, nicht schon wieder!«

Sie hatte ihren Zauberstab vom Tisch genommen und er hatte sich unter lautem Quieken in eine riesige Gummimaus verwandelt.

»Schon wieder einer von ihren falschen Zauberstäben!«, rief sie.»Wie oft hab ich den beiden schon gesagt, sie sollen sie nicht herumliegen lassen!«

Sie griff nach ihrem richtigen Zauberstab, drehte sich um und mußte feststellen, daß die Sauce auf dem Herd zu köcheln begonnen hatte.

»Komm mit«, sagte Ron hastig zu Harry und kramte eine Hand voll Besteck aus der Schublade,»wir gehen nach draußen und helfen Bill und Charlie.«

Sie ließen Mrs Weasley allein und gingen durch die Hintertür hinaus auf den Hof.

Sie waren nur ein paar Schritte gegangen, als Hermines säbelbeiniger rötlicher Kater Krummbein aus dem Garten gesaust kam, den Schwanz wie eine Flaschenbürste schnurgerade in die Luft gestreckt, auf der Jagd nach etwas, das aussah wie eine erdige Kartoffel auf Beinen. Das kaum armlange Wesen ließ seine verhornten kleinen Füße eifrig tapsen, hoppelte quer über den Hof und stürzte sich kopfüber in einen der Gummistiefel, die an der Tür lagen. Harry konnte den Gnomen wie irre giggeln hören, während Krummbein eine Pfote in den Stiefel steckte und nach ihm aushieb. Unterdessen begann es von der anderen Seite des Hauses her laut zu lärmen. Was den Krach verursachte, erkannten sie erst, als sie in den Garten kamen und sahen, daß Bill und Charlie mit gezückten Zauberstäben zwei arg ramponierte alte Tische hoch über dem Rasen fliegen und gegeneinander knallen ließen, um den des Gegners zum Absturz zu bringen. Fred und George feuerten sie an; Ginny lachte und Hermine stand an der Ecke und trat von einem Bein aufs andere, offenbar hin- und hergerissen zwischen Vergnügen und schlechtem Gewissen.

Bills Tisch knallte laut gegen den Charlies und schlug ihm ein Bein weg.

Oben am Haus klapperte etwas und sie sahen, wie Percy aus einem Fenster im zweiten Stock lugte.

»Hört auf damit!«, bellte er.

»Verzeihung, Perce«, sagte Bill grinsend.»Wie steht's mit den Kesselböden?«

»Ganz übel«, sagte Percy verdrießlich und schlug das Fenster zu. Bill und Charlie ließen die Tische im sicheren Gleitflug auf dem Gras landen, dann fügte Bill mit einem Schnippen des Zauberstabs das fehlende Bein wieder an und deckte die Tische von Zauberhand.

Um sieben Uhr ächzten die Tische unter der Last von Töpfen und Tellern, die gefüllt waren mit Mrs Weasleys herrlichen Gerichten, und die neun Weasleys, Harry und Hermine setzten sich und begannen unter dem klaren, tiefblauen Himmel zu essen. Für jemanden, der sich den ganzen Sommer von zunehmend muffiger werdendem Kuchen ernährt hatte, war dies das Paradies, und Harry hörte anfangs lieber zu als zu reden, da er sich an Hühnchen-und-Schinken-Pastete, Salzkartoffeln und Salat gütlich tat.

Am anderen Ende des Tisches erzählte Percy seinem Vater alles über seinen Kesselboden-Bericht.

»Ich hab Mr Crouch gesagt, am Dienstag bin ich fertig«, erklärte Percy mit Nachdruck.»Das ist ein wenig früher, als er erwartet hat, aber ich bin eben immer eine Nasenlänge voraus. Ich glaube, er wird mir dankbar sein, daß ich es in so kurzer Zeit geschafft habe. Immerhin ist bei uns in der Abteilung gerade die Hölle los, bei den ganzen Vorbereitungen für die Weltmeisterschaft. Wir bekommen einfach nicht die notwendige Unterstützung von der Abteilung für Magische Spiele und Sportarten. Ludo Bagman -«

»Ich mag Ludo«, sagte Mr Weasley sachte.»Er hat uns nämlich die guten Plätze für das Endspiel besorgt. Hab ihm einen kleinen Gefallen getan: sein Bruder, Otto, hatte sich ein kleines Problem eingehandelt – einen Rasenmäher mit übernatürlichen Kräften – und ich hab die Sache gerade gebogen.«

»Oh, Bagman, ganz nett, natürlich«, sagte Percy geringschätzig,»aber wie er jemals Abteilungsleiter werden konnte… wenn ich ihn mit Mr Crouch vergleiche! Ich kann mir bei Mr Crouch einfach nicht vorstellen, daß er einen Mitarbeiter seiner Abteilung verliert und nicht versucht herauszufinden, was mit ihm passiert ist. Ist dir klar, daß Bertha Jorkins jetzt schon seit über einem Monat vermißt wird? Die Frau, die nach Albanien in den Urlaub fuhr und nicht zurückkam?«

»Ja, ich hab Ludo nach ihr gefragt«, sagte Mr. Weasley stirnrunzelnd.»Er meint, Bertha sei schon öfter vermißt worden – obwohl ich zugeben muß, wenn es jemand aus meiner Abteilung wäre, würde ich mir Sorgen machen…«

»Bertha ist ein hoffnungsloser Fall, gewiß«, sagte Percy.»Wie ich höre, wurde sie seit Jahren von Abteilung zu Abteilung geschoben und richtete mehr Schaden als Nutzen an… und trotzdem, Bagman sollte versuchen sie zu finden. Mr Crouch interessiert sich persönlich dafür – sie hat früher bei uns gearbeitet, weißt du, und ich glaube, Mr Crouch war ganz angetan von ihr – aber Bagman lacht immer nur und sagt, sie hätte wahrscheinlich die Landkarte falsch gelesen und sei in Australien statt in Albanien gelandet. Allerdings«, Percy ließ einen gewichtigen Seufzer hören und nahm einen ausgiebigen Schluck vom Holunderblütenwein,»wir haben in der Abteilung für Internationale Magische Zusammenarbeit genug am Hals und können nicht auch noch Leute aus anderen Abteilungen suchen. Du weißt ja, nach der Weltmeisterschaft müssen wir ein weiteres Großereignis organisieren.«

Er räusperte sich viel sagend und blickte hinüber zum anderen Ende des Tisches, wo Harry, Ron und Hermine saßen.»Du weißt schon, wovon ich rede, Vater.«Er hob leicht die Stimme.»Diese Topsecret-Geschichte.«

Ron rollte mit den Augen und murmelte zu Harry und Hermine gewandt:»Seit er angefangen hat zu arbeiten, will er uns dazu bringen zu fragen, was das für ein Ereignis ist. Wahrscheinlich eine Ausstellung für dickwandige Kessel.«

In der Mitte der Tafel stritt Mrs Weasley mit Bill über seinen Ohrring, den er offenbar erst seit kurzem trug.

»… mit einem fürchterlichen Riesenzahn dran, wirklich, Bill, was sagen sie in der Bank?«

»Mum, keiner in der Bank schert sich einen Pfifferling darum, wie ich mich anziehe, solange ich genug Schätze reinbringe«, sagte Bill geduldig.

»Und dein Haar sieht allmählich aus, mein Lieber«, sagte Mrs Weasley und befingerte liebevoll ihren Zauberstab.»Ich wünschte, du würdest mich mal kurz da ranlassen…«

»Mir gefällt es so«, sagte Ginny, die neben Bill saß.»Du bist so altmodisch, Mum. Außerdem ist es nicht halb so lang wie das von Professor Dumbledore…«

Neben Mrs Weasley unterhielten sich Fred, George und Charlie angeregt über die Weltmeisterschaft.

»Ich tippe auf Irland«, mampfte Charlie mit einem Mund voll Kartoffeln.»Die haben Peru im Halbfinale platt gemacht.«

»Aber Bulgarien hat Viktor Krum«, sagte Fred.

»Krum ist gerade mal ein brauchbarer Spieler, Irland hat sieben«, sagte Charlie schroff.»Wär schön gewesen, wenn England es geschafft hätte. Aber das war peinlich, wirklich sehr peinlich.«

»Was war denn?«, fragte Harry wißbegierig und ärgerte sich mehr denn je, daß er nichts von der Zaubererwelt erfuhr, solange er im Ligusterweg steckte. Harry war ein leidenschaftlicher Quidditch-Spieler. Seit seinem ersten Jahr in Hogwarts machte er den Sucher für das Team seines Hauses, Gryffindor, und er besaß einen der besten Rennbesen der Welt, einen Feuerblitz.

»Sind gegen Transsilvanien untergegangen, dreihundert-neunzig zu zehn«, sagte Charlie trübselig.»War grausam mit anzusehen. Und Wales hat gegen Uganda verloren, und Luxemburg hat Schottland abgeschlachtet.«

Mr Weasley beschwor Kerzen herauf, denn im Garten wurde es allmählich dunkel. Es gab Nachtisch (selbst gemachtes Erdbeereis), und als sie aufgegessen hatten, flatterten Motten tief über den Tisch und der Duft von Gräsern und Geißblatt erfüllte die warme Luft. Harry sah ein paar Gnomen nach, die mit irrem Lachen durch die Rosenbüsche rasten, dicht gefolgt von Krummbein, und fühlte sich so richtig satt und zufrieden mit der Welt.

Ron ließ den Blick über den Tisch schweifen, um sicherzugehen, daß die anderen sich alle eifrig unterhielten, dann sagte er sehr leise zu Harry:»Wie steht's – hast du in letzter Zeit was von Sirius gehört?«

Hermine wandte den Kopf und hörte gespannt zu.

»Jaah«, sagte Harry gedämpft,»zweimal. Er hört sich gut an. Ich hab ihm vorgestern geschrieben. Vielleicht antwortet er noch, während ich hier bin.«

Plötzlich fiel ihm wieder ein, aus welchem Grund er an Sirius geschrieben hatte, und einen Moment lang wollte er Ron und Hermine erzählen, daß seine Narbe wieder schmerzte, und von dem Traum berichten, der ihn aufgeweckt hatte… doch im Grunde wollte er sie jetzt nicht beunruhigen, nicht wenn er selbst sich so glücklich und zufrieden fühlte.

»Schon so spät!«, sagte Mrs Weasley plötzlich mit einem Blick auf ihre Armbanduhr.»Ihr solltet schon längst im Bettsein, die ganze Bande, ihr müßt morgen in aller Frühe aufstehen, damit ihr zum Endspiel kommt. Harry, wenn du mir die Liste mit deinen Schulsachen rauslegst, besorge ich sie dir morgen in der Winkelgasse, ich muß sowieso hin. Nach der Weltmeisterschaft ist vielleicht keine Zeit mehr, das letzte Mal hat das Endspiel fünf Tage gedauert.«

»Uff – diesmal hoffentlich auch!«, sagte Harry ganz begeistert.

»Nun, ich persönlich kann darauf verzichten«, sagte Percy scheinheilig.»Mich schaudert, wenn ich daran denke, wie mein Eingangskorb aussähe, wenn ich fünf Tage nicht ins Büro ginge.«

»Ja, vielleicht würde wieder jemand Drachenmist reinwerfen, Perce?«, sagte Fred.

»Das war eine Düngerprobe aus Norwegen!«, sagte Percy und lief puterrot an.»Nichts Persönliches!«

»War es doch«, flüsterte Fred Harry zu, als sie sich erhoben.»Wir haben sie geschickt.«