"Franz Kafka. Die Verwandlung " - читать интересную книгу автора

Familienmitglieder darauf aufmerksam geworden, daB Gregor wider Erwarten
noch zu Hause war, und schon klopfte an der einen Seitentar der Vater,
schwach, aber mit der Faust. "Gregor, Gregor", rief er, "was ist denn?" Und
nach einer kleinen Weile mahnte er nochmals mit tieferer Stimme: "Gregor!
Gregor!" An der anderen Seitentar aber klagte leise die Schwester: "Gregor?
Ist dir nicht wohl? Brauchst du etwas?" Nach beiden Seiten hin antwortete
Gregor: "Bin schon fertig", bemahte sich, durch die sorgfaltigste Aussprache
und durch Einschaltung von langen Pausen zwischen den einzelnen Worten
seiner Stimme alles Auffallende zu nehmen. Der Vater kehrte auch zu seinem
Frahstack zurack, die Schwester aber flasterte: "Gregor, mach auf, ich
beschware dich." Gregor aber dachte gar nicht daran aufzumachen, sondern
lobte die vom Reisen her abernommene Vorsicht, auch zu Hause alle Taren
wahrend der Nacht zu versperren.
Zunachst wollte er ruhig und ungestart aufstehen, sich anziehen und vor
allem frahstacken, und dann erst das Weitere aberlegen, denn, das merkte er
wohl, im Bett warde er mit dem Nachdenken zu keinem vernanftigen Ende
kommen. Er erinnerte sich, schon afters im Bett irgendeinen vielleicht durch
ungeschicktes Liegen erzeugten, leichten Schmerz empfunden zu haben, der
sich dann beim Aufstehen als reine Einbildung herausstellte, und er war
gespannt, wie sich seine heutigen Vorstellungen allmahlich auflasen warden.
DaB die Veranderung der Stimme nichts anderes war als der Vorbote Einer
tachtigen Verkahlung, einer Berufskrankheit der Reisenden, daran zweifelte
er nicht im geringsten.
Die Decke abzuwerfen war ganz einfach; er brauchte sich nur ein wenig
aufzublasen und sie fiel von selbst. Aber weiterhin wurde es schwierig,
besonders weil er so ungemein breit war. Er hatte Arme und Hande gebraucht,
um sich aufzurichten, statt dessen aber hatte er nur die vielen Beinchen,
die ununterbrochen in der verschiedensten Bewegung waren und die er aberdies
nicht beherrschen konnte. Wollte er eines einmal einknicken, so war es das
erste, daB er sich streckte; und gelang es ihm endlich, mit diesem Bein das
auszufahren, was er wollte, so arbeiteten inzwischen alle anderen, wie
freigelassen, in hachster, schmerzlicher Aufregung. "Nur sich nicht im Bett
unnatz aufhalten", sagte sich Gregor.
Zuerst wollte er mit dem unteren Teil seines Karpers aus dem Bett
hinauskommen, aber dieser untere Teil, den er abrigens noch nicht gesehen
hatte und von dem er sich auch keine rechte Vorstellung machen konnte,
erwies sich als zu schwer beweglich; es ging so langsam; und als er
schlieBlich, fast wild geworden, mit gesammelter Kraft, ohne Racksicht sich
vorwartsstieB, hatte er die Richtung falsch gewahlt, schlug an den unteren
Bettpfosten heftig an, und der brennende Schmerz, den er empfand, belehrte
ihn, daB gerade der untere Teil seines Karpers augenblicklich vielleicht der
empfindlichste war.
Er versuchte es daher, zuerst den Oberkarper aus dem Bett zu bekommen,
und drehte vorsichtig den Kopf dem Bettrand zu. Dies gelang auch leicht, und
trotz ihrer Breite und Schwere folgte schlieBlich die Karpermasse langsam
der Wendung des Kopfes. Aber als er den Kopf endlich auBerhalb des Bettes in
der freien Luft hielt, bekam er Angst, weiter auf diese Weise vorzuracken,
denn wenn er sich schlieBlich so fallen lieB, muBte geradezu ein Wunder
geschehen, wenn der Kopf nicht verletzt werden sollte. Und die Besinnung
durfte er gerade jetzt um keinen Preis verlieren; lieber wollte er im Bett