"Stefan Zweig. Buchmendel (Букинист. На немецком языке)" - читать интересную книгу автораBuchmendel, bebrillt, bartumschludert, schwarz angetan, und wiegte sich
lesend wie ein dunkler Busch im Wind. Wir traten heran, er merkte es nicht. Er saЯ nur und las und wiegte den Oberkцrper pagodenhaft hin und zurьck ьber den Tisch, und hinter ihm pendelte am Haken sein brьchiger schwarzer Paletot, gleichfalls breit angestopft mit Zeitschriften und Zettelwerk. Um uns anzukьndigen, hustete mein Freund krдftig. Aber Mendel, die dicke Brille hart ans Buch gedrьckt, merkte noch nichts. Endlich klopfte mein Freund auf die Tischplatte, genau so laut und krдftig, wie man an eine Tьre pocht - da starrte Mendel endlich auf, schob die ungefьge stahlgerдnderte Brille mechanisch rasch die Stirn empor, und unter den weggestrдubten aschgrauen Brauen stachen uns zwei merkwьrdige Augen entgegen, kleine, schwarze, wache Augen, flink, spitz und flippend wie eine Schlangenzunge. Mein Freund prдsentierte mich, und ich erlдuterte mein Anliegen, wobei ich zuerst - diese List hatte mein Freund ausdrьcklich anempfohlen mich scheinzornig ьber den Bibliothekar beklagte, der mir keine Auskunft hatte geben wollen. Mendel lehnte sich zurьck und spuckte sorgfдltig aus. Dann lachte er nur kurz mit stark цstlichem Jargon: "Nicht gewollt hat er? Nein - nicht gekonnt hat er! Ein Parch is er, ein geschlagener Esel mit graue Haar. Ich kenn ihn, Gott sei's geklagt, zu gutem schon zwanzig Jahr, aber gelernt hat er seitdem noch immer nix. Gehalt einstecken, dos is das einzige, was die kцnnen! Ziegelsteine sollten sie lieber schupfen, diese Herrn Doktors, statt bei die Bьcher sitzen." Mit dieser krдftigen Herzentladung war das Eis gebrochen, und eine gutmьtige Handbewegung lud mich zum erstenmal an den viereckigen, mit Notizen ьberschmierten Marmortisch, diesen mir noch unbekannten Altar zeitgenцssischen Werke ьber Magnetismus sowie alle spдteren Bьcher und Polemiken fьr und gegen Mesmer; sobald ich fertig war, kniff Mendel eine Sekunde das linke Auge zusammen, genau wie ein Schьtze vor dem SchuЯ. Aber wahrhaftig, nur eine Sekunde dauerte diese Geste konzentrierter Aufmerksamkeit, dann zдhlte er sofort, wie aus einem unsichtbaren Katalog lesend, zwei oder drei Dutzend Bьcher flieЯend auf, jedes mit Verlagsort, Jahreszahl und ungefдhrem Preis. Ich war verblьfft. Obwohl vorbereitet, dies hatte ich nicht erwartet. Aber meine Verdutztheit schien ihm wohlzutun; denn sofort spielte er auf der Klaviatur seines Gedдchtnisses die wunderbarsten bibliothekarischen Paraphrasen meines Themas weiter. Ob ich auch ьber die Somnambulisten etwas wissen wolle und ьber die ersten Versuche mit Hypnose und ьber GaЯner, die Teufelsbeschwцrungen und die Christian Science und die Blavatsky? Wieder prasselten die Namen, die Titel, die Beschreibungen; jetzt erst begriff ich, an ein wie einzigartiges Wunder von Gedдchtnis ich bei Jakob Mendel geraten war, tatsдchlich an ein Lexikon, an einen Universalkatalog auf zwei Beinen. Ganz benommen starrte ich dieses bibliographische Phдnomen an, eingespult in die unansehnliche, sogar etwas schmierige Hьlle eines galizischen kleinen Buchtrцdlers, der, nachdem er mir etwa achtzig Namen heruntergerasselt, scheinbar achtlos, aber innerlich wohlgefдllig ьber seinen ausgespielten Trumpf, sich die Brille mit einem vormals vielleicht weiЯ gewesenen Taschentuch putzte. Um mein Staunen ein wenig zu bemдnteln, fragte ich zaghaft, welche von diesen Bьchern er mir allenfalls besorgen kцnne. "Nu, man wird ja sehen, was sich machen lдЯt", brummte er. "Kommen Sie nur morgen wieder her, der Mendel wird Ihnen |
|
|