"Der schlaue Urfin und seine Holzsoldaten" - читать интересную книгу автора (Wolkow Alexander)Tief im Innern des gewaltigen nordamerikanischen Kontinents lag, von einer gro#223;en W#252;ste und unbezwingbaren Bergen umgeben, ein Wunderland, in dem gute und b#246;se Feen lebten und die Tiere wie Menschen sprachen. Dort war es immer Sommer, und unter der ewig hei#223;en Sonne wuchsen auf den B#228;umen ungew#246;hnliche Fr#252;chte. Im S#252;dwesten dieses Landes - man nannte es das Blaue Land - lebte das Volk der K#228;uer: sanfte, liebe Menschlein, die nicht gr#246;#223;er waren als achtj#228;hrige Knaben in anderen L#228;ndern, in denen es keine Wunder gibt. Herrscherin im Blauen Land der K#228;uer war die b#246;se Zauberin Gingema. Sie lebte in einer tiefen finsteren H#246;hle, der sich kein Mensch zu n#228;hern wagte. Nur einer, ein Mann namens Urfin, baute sich zur Verwunderung aller ein Haus unweit der H#246;hle der Zauberin. Dieser Urfin hatte sich von klein auf durch Zanksucht von seinen Landsleuten unterschieden. Nur selten spielte er mit anderen Kindern, und wenn er es tat, forderte er von ihnen blinden Gehorsam. Meistens endeten die Spiele, an denen er teilnahm, mit einer Rauferei. Urfins Eltern waren fr#252;h gestorben, und ein Tischler, der in dem D#246;rfchen Kogida lebte, hatte den Jungen zu sich in die Lehre genommen. W#228;hrend er heranwuchs, wurde er immer z#228;nkischer. Als er das Handwerk erlernt hatte, ging er ohne Bedauern und ohne ein Wort des Dankes von seinem Lehrmeister fort. Der brave Mann aber war ihm nicht b#246;se. Er schenkte ihm sogar Werkzeug und was ein Handwerker sonst noch f#252;r den Anfang braucht. Aus dem Knaben war ein geschickter Tischler geworden. Er machte Tische und B#228;nke, landwirtschaftliche Ger#228;te und vieles andere. Seltsamerweise #252;bertrugen sich aber seine Boshaftigkeit und Zanksucht auf die Dinge, die er herstellte. Seine Heugabeln stie#223;en die Leute in die Rippen, die Schaufeln schlugen sie auf die K#246;pfe, und die Rechen schienen es darauf angelegt zu haben, ihren Herren zwischen die Beine zu fahren, damit sie umfielen. Urfin verlor seine K#228;ufer. Er begann Spielsachen zu schnitzen. Seine Hasen, B#228;ren und Hirsche hatten aber solch grauenhafte K#246;pfe, da#223; die Kinder bei ihrem Anblick erschraken und dann die ganze Nacht weinten. Die Spielsachen verstaubten in Urfins Kammer, denn niemand wollte sie kaufen. Urfn wurde bitterb#246;se. Er gab seinen Beruf auf und lie#223; sich im Dorf nicht mehr sehen. Von da an lebte er nur noch von den Fr#252;chten seines Gartens. Der menschenscheue Tischler ha#223;te seine Landsleute so sehr, da#223; er ihnen in nichts gleichen wollte. Die K#228;uer wohnten in blauen runden H#228;uschen mit spitzen D#228;chern, auf denen oben Kristallkugeln glitzerten. Urfin aber baute sich ein viereckiges Haus, das er braun anstrich und auf dessen Dach er einen ausgestopften Adler setzte. Die K#228;uer trugen blaue R#246;cke und blaue Stulpenstiefel, Urfins Rock und Stiefel aber waren gr#252;n. Die K#228;uer trugen Spitzh#252;te mit breiten Krempen, an denen Silberschellen baumelten, Urfin aber mochte keine Schellen und trug einen Hut ohne Krempe. Die weichherzigen K#228;uer weinten bei jedem Anla#223;, in Urfins b#246;sen Augen aber hatte noch niemand eine Tr#228;ne gesehen. So vergingen mehrere Jahre. Eines Tages begab sich Urfin zu Gingema und bat sie, ihn in ihre Dienste zu nehmen. Die Hexe freute sich sehr dar#252;ber. Seit Jahrhunderten hatte sich noch kein K#228;uer gefunden, der ihr aus freien St#252;cken zu dienen bereit gewesen w#228;re. Alle ihre Befehle waren nur unter Androhung von Strafe ausgef#252;hrt worden. Jetzt hatte sie endlich einen Helfer bekommen, der ihr gern gehorchte. Und je schlimmer ihre Befehle f#252;r die K#228;uer waren, desto beflissener #252;berbrachte sie Urfin den Leuten. Dem m#252;rrischen Tischler war es ein besonderes Vergn#252;gen, durch die kleinen D#246;rfer des Blauen Landes zu ziehen und den Einwohnern Steuern aufzuerlegen: so und so viele Schlangen, M#228;use, Fr#246;sche, Blutegel und Spinnen. Die K#228;uer aber hatten schreckliche Angst vor Schlangen, Spinnen und Blutegeln. Wenn ihnen befohlen wurde, solches Gekreuch einzusammeln, begannen die Menschlein j#228;mmerlich zu schluchzen. Dabei nahmen sie die H#252;te ab und legten sie auf die Erde, damit das L#228;uten der Schellen sie beim Weinen nicht st#246;re. Urfin aber lachte nur h#246;hnisch. Zur festgesetzten Stunde kam er mit gro#223;en K#246;rben anger#252;ckt, sammelte alles ein und trug es in die H#246;hle Gingemas, die die Schlangen, Spinnen und Blutegel verzehrte oder f#252;r ihre b#246;sen Zaubereien verwendete. Gingema ha#223;te das ganze Menschengeschlecht und beschlo#223;, es zu vernichten. Zu diesem Zweck beschwor sie einen schrecklichen Sturm herauf, den sie #252;ber Berge und W#252;sten hinweg in die St#228;dte und D#246;rfer lenkte, damit er sie zerst#246;re und die Menschen unter ihren Tr#252;mmern begrabe. Das t#252;ckische Vorhaben wurde jedoch durch die gute Zauberin Willina vereitelt, die im Nordwesten des Wunderlandes lebte. Der Sturm erfa#223;te nur ein kleines H#228;uschen in der Steppe von Kansas: einen Packwagen, dem man die R#228;der abgenommen hatte. Auf Willinas Befehl trug der Sturm das H#228;uschen in das Land der K#228;uer und lie#223; es auf Gingema niedergehen, die dabei umkam. Wie staunte aber Willina, als sie im H#228;uschen ein M#228;delchen erblickte! Es war die kleine Elli, die mit ihrem geliebten H#252;ndchen Totoschka vor dem Gewitter in das H#228;uschen gefl#252;chtet war. Willina wu#223;te nicht, wie sie Elli helfen sollte, in ihre Heimat zur#252;ckzukehren. Sie riet ihr, in die Smaragdenstadt, die Hauptstadt des Wunderlandes, zu ziehen, wo man ihr bestimmt helfen werde. #220;ber den Herrscher der -Smaragdenstadt, Goodwin den Gro#223;en und Schrecklichen, gingen verschiedene Ger#252;chte um. Es, mache ihm nichts aus, hie#223; es, die Felder mit Feuerregen zu verbrennen oder die H#228;user der Menschen mit Ratten und Fr#246;schen zu #252;berschwemmen. Deshalb sprachen die Leute nur fl#252;sternd von ihm, denn sie hatten Angst, ihn durch ein unvorsichtiges Wort zu reizen. Elli folgte dem Rat der guten Fee und machte sich auf den Weg, in der Hoffnung, Goodwin werde sich nicht als so schrecklich erweisen, wie die Leute sagten, und er werde ihr helfen, nach Kansas zur#252;ckzukehren. Den menschenscheuen Urfin hatte das M#228;dchen niemals gesehen. An dem Tag, als das H#228;uschen Gingema get#246;tet hatte, war der Tischler nicht dagewesen. Er hatte sich damals im Auftrag der Zauberin nach einem entlegenen Teil des Blauen Landes aufgemacht. Die Nachricht vom Tod seiner Herrin #228;rgerte und freute ihn zugleich. Er bedauerte es, eine so m#228;chtige Besch#252;tzerin verloren zu haben, hoffte aber, in den Besitz ihres Reichtums und ihrer Macht zu gelangen. In der Umgebung der H#246;hle gab es keine Menschen, und Elli und Totoschka befanden sich gerade auf dem Weg in die Smaragdenstadt. Urfin kam der Gedanke, sich in der H#246;hle niederzulassen und sich zum Nachfolger Gingemas und Herrscher des Blauen Landes auszurufen. Die #228;ngstlichen K#228;uer w#252;rden es hinnehmen und nicht zu murren wagen. Die verr#228;ucherte H#246;hle mit B#252;ndeln getrockneter M#228;use an den W#228;nden, einem ausgestopften Krokodil unter der Decke und anderem Hexenkram war aber so na#223; und dunkel, da#223; Urfin erschauerte. „Brr! In diesem Loch soll ich leben? Niemals!" Er begann nach den silbernen Schuhen zu suchen, die, wie er wu#223;te, der Hexe besonders teuer gewesen waren. Vergeblich durchst#246;berte er aber die H#246;hle - die Schuhe waren nicht zu finden. „Uf-uf-uf !" h#246;rte er pl#246;tzlich eine h#246;hnische Stimme #252;ber sich, die ihn erzittern lie#223;. Von einer hohen Stange blickten zwei gelbe Augen auf ihn herab, die im Dunkel leuchteten. ,,Bist du es, Guam, die Eule?" „Nicht Guam, sondern Guamokolatokint", entgegnete barsch der Vogel. „Und wo sind die anderen Eulen?" „Fortgeflogen!" „Warum bist du biergeblieben?" „Was soll ich denn im Walde tun? Vielleicht V#246;gel fangen wie die gew#246;hnlichen Eulen und Uhus ...? F#252;r diese anstrengende Besch#228;ftigung bin ich zu alt und zu klug!" Urfin kam eine Idee. „H#246;r mal, Guam ..." Die Eule schwieg. „Guamoko ... Guamokolatokint!" „Sprich!" „Willst du bei mir bleiben? Ich werde dich mit M#228;usen und zarten K#252;cken f#252;ttern." „Wohl nicht umsonst?" entgegnete der kluge Vogel. „Wenn die Leute sehen, da#223; du mir dienst, werden sie glauben, ich sei ein Zauberer." „Keine schlechte Idee", stellte die Eule fest. „Nun gut, ich bin einverstanden. Als erstes will ich dir sagen, da#223; du die silbernen Schuhe vergeblich suchst. Die hat ein kleines Tier namens Totoschka fortgetragen, dessen Art mir unbekannt ist." Die Eule blickte Urfin scharf an und fragte dann: „Und wann beginnst du Fr#246;sche und Blutegel zu essen?" „Was?" fragte Urfin erstaunt. „Blutegel essen? Wozu das?" „Weil es sich f #252;r b#246;se Zauberer so geh#246;rt! Erinnerst du dich denn nicht, wie gewissenhaft Gingema M#228;use a#223; und danach Blutegel verschlang?" Urfin bekam eine G#228;nsehaut. Das Essen der alten Hexe hatte bei ihm stets Ekel hervorgerufen. Er erinnerte sich, wie er w#228;hrend ihrer Mahlzeiten stets unter irgendeinem Vorwand die H#246;hle zu verlassen pflegte. „H#246;re, Guamoko ... Guamokolatokint", sagte er schmeichelnd, „mu#223; es denn sein?" „Ich hab's dir gesagt, das Weitere ist deine Sache", erwiderte der Vogel. Seufzend packte Urfin einige Habseligkeiten der Zauberin ein, setzte die Eule auf seine Schulter und ging nach Hause. Die K#228;uer, die ihm unterwegs begegneten, sprangen beim Anblick seines verdrossenen Gesichtes erschrocken zur Seite. Urfin teilte von jetzt an sein Haus mit der Eule. Er kam mit keinem Menschen zusammen, liebte niemanden und wurde von niemandem geliebt. Erster Teil Das ZauberpulverEines Abends tobte ein schreckliches Gewitter, und die K#228;uer meinten, der b#246;se Urfin habe es heraufbeschworen. Ihre Z#228;hne klapperten, es schien ihnen, als ob ihre H#228;uschen einst#252;rzen w#252;rden. Als Urfin am n#228;chsten Morgen aufstand und durch den Garten ging, bemerkte er auf einem Salatbeet einige grellgr#252;ne Keime von ungew#246;hnlichem Aussehen. Die Samen waren wohl vom Gewitter hierher verweht worden. Niemand h#228;tte sagen k#246;nnen, aus welchem Teil des Landes sie kamen. „Ich hab doch erst neulich gej#228;tet, und schon wuchert wieder das Unkraut", knurrte Urfin. „Na warte, ich werd mit dir schon fertig werden!" Er ging in den Wald, wo er Fallen aufgestellt hatte, und blieb dort den ganzen Tag. Guamoko wu#223;te nicht, da#223; sein Herr eine Pfanne und Butter mitgenommen hatte. im Walde briet sich der Tischler ein fettes Kaninchen, das er mit gro#223;em Appetit verzehrte. Als er wieder nach Hause kam und das Salatbeet sah, machte er vor Staunen ganz gro#223;e Augen. Das Beet war #252;berwuchert von hohen grellgr#252;nen Pflanzen mit l#228;nglichen fleischigen Bl#228;ttern. „Unerh#246;rt!" rief Urfin aus. „Dieses Unkraut war nicht m#252;#223;ig!" Er fa#223;te einen Stengel an und wollte ihn mit der Wurzel ausrei#223;en. Vergeblich! Die Pflanze gab nicht nach, und in Urfins H#228;nde bohrten sich die Stacheln, die die Stengel und Bl#228;tter bedeckten. Wutschnaubend entfernte Urfin die Stacheln aus seinen H#228;nden, zog ein Paar Lederf#228;ustlinge an und begann wieder an den Pflanzen zu zerren. Als es nichts nutzte, nahm er ein Beil und haute damit auf die Pflanzen ein. Zischend durchschnitt das Beil die saftigen Stengel, und sie fielen zur Erde. „Euch will ich's zeigen!" frohlockte Urfin, der mit dem Unkraut wie mit einem lebendigen Feind verfuhr. Am Abend lagen die Pflanzen auf der Erde verstreut, und der ersch#246;pfte Urfin ging schlafen. Als er am n#228;chsten Morgen wieder in den Garten trat, str#228;ubten sich ihm die Haare auf dem Kopf. Auf dem Salatbeet, in dem die Wurzeln der Pflanze verblieben waren, und auf dem ausgetretenen Weg, auf den er die abgehauenen Stengel geworfen hatte, stand wie eine Mauer das hohe Unkraut mit den grellgr#252;nen fleischigen Bl#228;ttern. „Verdammt!" br#252;llte Urfin und st#252;rzte sich erneut in den Kampf. Wieder haute er die Stengel ab, rodete die Wurzeln und zerhackte alles auf einem Hackklotz in kleine St#252;cke. Am Rande des Gartens, hinter den B#228;umen, lag ein #246;der Platz. Dorthin trug Urfin den Pflanzenbrei, den er nach allen Seiten verstreute. So arbeitete er den ganzen Tag. Schlie#223;lich war der Garten vom Unkraut ges#228;ubert, und der m#252;de Tischler ging zu Bett. Er schlief schlecht. Im Traum sah er sich vom Unkraut umgeben, dessen Stacheln ihm ins Fleisch drangen. Bei Tagesanbruch ging Urfin auf den #214;dplatz, um nachzuschauen, was dort #252;ber Nacht geschehen war. Was er sah, ersch#252;tterte ihn derart, da#223; er nur einen Seufzer ausstie#223; und kraftlos zu Boden sank. Die Lebenskraft der unbekannten Pflanze #252;bertraf alles Dagewesene: Der unfruchtbare Boden war #252;ber und #252;ber mit Keimen bedeckt. Als Urfin am Vorabend den H#228;cksel #252;ber den Platz verstreute, fielen Safttropfen auch auf die Pf#228;hle des Zauns und die Baumst#228;mme, und jetzt zeigten sich #252;berall junge Triebe. Ein schrecklicher Gedanke durchzuckte den Tischler. Er zog seine Stiefel aus, kehrte die Sohlen nach oben und sah, da#223; auch sie von winzigen Keimen bedeckt waren. Junge Triebe lugten aus den N#228;hten seiner Kleider und sprossen auf dem Hackklotz. In der Vorratskammer gewahrte er, da#223; auch der Stiel seines Beils von jungen Sprossen bedeckt war. Da setzte er sich auf die Treppe vor seiner Haust#252;r und begann nachzudenken. Was sollte er nun anfangen? Sein Heim verlassen und fortziehen? Es tat ihm aber leid, sich von seinem gro#223;en Haus und dem Garten zu trennen. Urfin ging zur Eule, die auf ihrer Stange sa#223; und die gelben Augen wie immer am Tage zugekniffen hielt, und schilderte ihr sein Leid. Der Vogel wiegte sich lange auf der Stange und dachte angestrengt nach. „Versuch doch, den H#228;cksel in der Sonne zu r#246;sten", riet Guamoko ihrem Herrn. Urfin zerkleinerte ein paar Triebe, streute sie auf ein Blech mit umgebogenen R#228;ndern und legte dieses unter die hei#223;en Strahlen der Sonne. „Wollen mal sehen, wie es euch hier ergehen wird!" brummte er. „Wenn ihr so weiter wachst, ziehe ich fort. Die Pflanzen keimten nicht. Ihre Wurzeln hatten nicht die Kraft, das Blech zu durchsto#223;en. In wenigen Stunden verwandelte die hei#223;e Sonne des Wunderlandes den gr#252;nen H#228;cksel in braunes Pulver. „Nicht umsonst bekommt Guam ihr Futter", sagte Urfin zufrieden, „ein kluger Vogel ..." Urfin nahm einen Handkarren und begab sich nach Kogida, wo er sich von den Hausfrauen Bleche geben lie#223;, auf denen sie ihre Kuchen buken. Als er mit einem Karren voller Bleche zur#252;ckkehrte, hob er drohend die F#228;uste und zischte seine Feinde an: „Jetzt werd ich euch's heimzahlen!" Er arbeitete verbissen von fr#252;h bis sp#228;t, nur am Nachmittag machte er eine kleine Pause. Urfin ging methodisch zu Werke. Er merkte sich jedes Mal eine kleine Fl#228;che vor, die er sorgf#228;ltig von den Pflanzen s#228;uberte, da#223; keine einzige #252;brigblieb. Das mit der Wurzel ausgegrabene Unkraut zerkleinerte er in einer Blechsch#252;ssel und breitete es dann zum Trocknen auf die Bleche aus, die in langen Reihen in der Sonne lagen. Dann tat er das braune Pulver in Blechk#252;bel, die er zudeckte. So arbeitete er z#228;h und unverdrossen vom Morgen bis zum Abend. Die mit dem Unkraut bewachsene Fl#228;che schrumpfte zusehends. Schlie#223;lich kam der Tag, an dem die letzte Pflanze sich in braunes Pulver verwandelt hatte. In einer einzigen Woche hatte sich Urfin so abgerackert, dass er kaum noch auf den Beinen stehen konnte. Als er #252;ber die Schwelle seines Hauses trat, strauchelte er, wobei der Eimer in seiner Hand umkippte und ein Teil des braunen Pulvers auf das B#228;renfell fiel, das dem Hausherrn als Fu#223;matte diente. Urfin stellte den letzten K#252;bel beiseite, deckte ihn wie die anderen zu, wankte zum Bett und schlief sofort ein. Im Schlaf f#252;hlte er sich von jemandem an der Hand gezerrt und erwachte dar#252;ber. Als er die Augen #246;ffnete, erstarrte das Blut in seinen Adern: Am Bett stand ein B#228;r, der den #196;rmel von Urfins Rock in den Z#228;hnen hielt. „Ich bin verloren", durchzuckte es Urfin ... Jetzt wird er mich fressen .. . Wie ist dieses Ungeheuer aber in mein Haus gekommen? Die T#252;r war doch verschlossen ..." Minuten vergingen, der B#228;r aber schien nichts B#246;ses im Sinne zu haben. Er zerrte lediglich an Urfins #196;rmel, tat dann den Rachen auf und sprach mit tiefer, heiserer Stimme: „Herr! Es ist Zeit aufzustehen, du schl#228;fst zu lange!" Urfin war so verbl#252;fft, da#223; er aus dem Bett fiel: Das B#228;renfell, das fr#252;her an der Schwelle gelegen hatte, stand jetzt auf vier Tatzen vor seinem Bett und sch#252;ttelte den Kopf. „Das Fell meines toten B#228;ren ist lebendig geworden, es geht umher, es spricht ... Wie ist das m#246;glich? Hat vielleicht das versch#252;ttete Pulver ...?" Um sich Klarheit zu verschaffen, wandte sich Urfin an die Eule. „Guam . . . Guamoko !" Die Eule schwieg. „H#246;r mal, du frecher Vogel!" br#252;llte der Tischler. „Ich hab mir die Zunge schon genug verrenkt mit deinem verfluchten Namen! Willst du nicht antworten, so jag ich dich fort! Kannst dir dann selber das Futter im Walde suchen!" Da sagte die Eule vers#246;hnend: „Na sch#246;n, reg dich nicht auf. Meinetwegen nenn mich Guamoko, aber keine Silbe weniger. Was wolltest du mich fragen?" „Ist die Lebenskraft der unbekannten Pflanze wirklich so gro#223;, da#223; sogar ihr Pulver ein Fell lebendig machen kann?" „ Ja, du hast's erraten. Von dieser Pflanze hat mir schon meine Urgro#223;mutter erz#228;hlt, . Karitofilaxi, die Weiseste aller Eulen . . ." „Schweig!" br#252;llte Urfin, „schlie#223; die Klappe! Und du, B#228;renfell, marsch auf deinen Platz! Ich will jetzt mal nachdenken!" Das Fell trottete zur Schwelle und legte sich auf seinem alten Platz nieder. „Wer h#228;tte das f#252;r m#246;glich gehalten?" brummte Urfin. Er setzte sich an den Tisch und st#252;tzte den Kopf mit dem wirren Haar in die H#228;nde. „Ob mir das Pulver nutzen kann?" Nach langem Gr#252;beln entschied der ehrgeizige Tischler, da#223; es ihm nutzen k#246;nne. Vorerst wollte er aber pr#252;fen, wie gro#223; die Kraft des lebenspendenden Pulvers sei. Auf dem Tisch stand ein ausgestopfter Papagei mit blauen, roten und gr#252;nen Federn. Urfin nahm etwas braunes Pulver und streute es #252;ber Kopf und R#252;cken des Vogels. Da ereignete sich etwas ganz Unbegreifliches. Das Pulver begann zu zischen und zu rauchen, die winzigen braunen K#246;rnchen drangen durch die Federn in die Haut des Papageis und verschwanden. Der Vogel regte sich, reckte den Kopf, blickte um sich, hob die Schwingen und flog kreischend durch das offene Fenster ins Freie. „Es wirkt!" frohlockte Urfin. „Es wirkt! . . . Wie kann ich es noch anders ausprobieren?" An der Wand hing ein riesiges Hirschgeweih. Urfin bestreute es reichlich mit dem Pulver. „So, wollen doch mal sehen." Er brauchte nicht lange zu warten. Wieder stieg Rauch auf, wieder schmolzen die K#246;rnchen, dann knarrte es pl#246;tzlich, und die N#228;gel, mit denen das Geweih an die Wand geschlagen war, flogen hinaus. Das Geweih fiel zu Boden, #252;berschlug sich und sauste durch die Luft auf den verdutzten Urfin zu. „Auweh!" schrie er und floh. Das Geweih verfolgte ihn mit ungeahnter Behendigkeit - auf das Bett, auf den Tisch und unter ihn . . . Das B#228;renfell dr#252;ckte sich #228;ngstlich an die T#252;r. „Herr!" rief es. „#214;ffne!" Den St#246;#223;en ausweichend, schob Urfin den Riegel zur#252;ck und sprang hinaus. Br#252;llend folgte ihm der B#228;r, und hinter den beiden in wilden S#228;tzen das Geweih. Bald war nur noch ein wirres Kn#228;uel zu sehen, das die Stufen hinunterpolterte. Aus dem Hause drang das h#246;hnische Gekicher der Eule. Das Geweih prallte gegen die Gartenpforte, die aus den Angeln flog, und raste dem Walde zu. Urfin erhob sich keuchend. „Verdammt!" st#246;hnte er, seine Rippen betastend. „Das war aber toll!" Der B#228;r jedoch sagte vorwurfsvoll: „Wei#223;t du denn nicht, Herr, da#223; die Hirsche gerade in dieser Jahreszeit besonders rauflustig sind? Du bist noch gut davongekommen . . . Aber die Hirsche im Walde, die beneid ich nicht - das Geweih wird's ihnen geben!" Der B#228;r lie#223; ein heiseres Kichern h#246;ren. Urfin wu#223;te nun, da#223; man mit dem Pulver vorsichtig umgehen m#252;sse. Er beschlo#223;, von jetzt an nicht alles wahllos zu beleben, was ihm unter die H#228;nde kam. Im Zimmer sah es w#252;st aus: Tisch, St#252;hle und Geschirr lagen zerbrochen umher, in der Luft wirbelten die Daunen eines aufgeschlitzten Kissens. W#252;tend fuhr Urfin die Eule an: „Warum hast du mich vor dem Geweih nicht gewarnt?" Worauf der rachs#252;chtige Vogel erwiderte: „Guamokolatokint h#228;tte dich gewarnt, Guamoko konnte es nicht, weil sein Scharfsinn nicht ausreichte." Urfin beschlo#223;, mit der Eule ein andermal abzurechnen. Jetzt wollte er im Zimmer aufr#228;umen. Sein Blick fiel auf einen h#246;lzernen Clown, den er einmal geschnitzt hatte und den niemand kaufte, weil er eine schreckliche Fratze mit scharfen, gefletschten Z#228;hnen hatte. „Du wirst doch nicht so wild sein wie das Geweih?" sagte Urfin und streute etwas Pulver auf die Figur. Dann stellte er das Spielzeug auf den Tisch, setzte sich auf einen Hocker und begann zu d#246;sen. Ein heftiger Schmerz ri#223; ihn hoch: Der Clown hatte Urfin in den Finger gebissen. „Auch du, Lump?!" br#252;llte der Tischler und schleuderte den Clown in die Ecke. Dieser erhob sich, kroch hinter eine Truhe und begann dort vergn#252;gt die H#228;nde und Beine zu bewegen und mit dem Kopf zu wackeln. Urfin sa#223; vor seiner T#252;r und h#246;rte, wie sich der B#228;r und Guamoko im Zimmer stritten. „Eule, du liebst unseren Herrn nicht", brummte der B#228;r. „Hast absichtlich geschwiegen, als er das Geweih lebendig machte, obwohl du wu#223;test, wie gef#228;hrlich das ist . . . Hinterlistig bist du, ich hab viele von deiner Sorte gesehen, als ich noch im Walde lebte. Aber wart, du sollst mich noch kennenlernen ...!" „Tra-la-la?" h#246;hnte die Eule auf ihrer hohen Stange. „Du denkst wohl, ich hab Angst vor dir, du hohler Schw#228;tzer!" „Ja, ich bin hohl, da hast du recht", gab das Fell zerknirscht zu. „Ich werd aber den Herrn bitten, mich mit S#228;gesp#228;nen auszustopfen, denn ich bin zu leicht und finde keinen Halt beim Gehen. Ein Hauch kann mich umwerfen ..." ,Eine gute Idee', dachte Urfin, ,ich werd's wohl tun m#252;ssen, der B#228;r hat recht!' Als es im Zimmer immer lauter wurde, herrschte Urfin die Zankenden an: „Jetzt schweigt aber, ihr Schreih#228;lse!" Eingesch#252;chtert, setzten die beiden ihren Streit nun im Fl#252;sterton fort. Urfin schmiedete Zukunftspl#228;ne. Ihm geb#252;hre jetzt eine h#246;here Stellung im Blauen Lande, sagte er sich. Er wu#223;te aber, da#223; die K#228;uer nach Gingemas Tod einen ehrw#252;rdigen Alten, Prem Kokus, zu ihrem Herrscher gew#228;hlt hatten, unter dessen Regierung das Volk froh und frei lebte. Urfin trat ins Zimmer und begann auf und ab zu gehen. Die Eule und der B#228;r schwiegen, w#228;hrend der Tischler vor sich hin murmelte: „Warum ist eigentlich Prem Kokus Herrscher der K#228;uer geworden? Ist er vielleicht kl#252;ger als ich? Oder ein so geschickter Handwerker wie ich? Oder ist seine Haltung etwa so majest#228;tisch wie die meine?" Urfin reckte sich, schob die Brust heraus und blies die Wangen auf. „Nein, dem Prem Kokus bin ich weit #252;berlegen!" Der B#228;r nickte beflissen. „Richtig, Herr, du siehst majest#228;tisch aus'." „Dich hab ich nicht gefragt!" br#252;llte Urfin und fuhr fort: „Prem Kokus ist freilich viel reicher als ich: Er besitzt gro#223;e Felder, auf denen viele Menschen arbeiten. Aber jetzt, wo ich das lebenspendende Pulver hab, kann ich mir so viele Arbeiter machen, wie ich will. Sie werden f#252;r mich W#228;lder roden, und dann werde auch ich Felder haben . . . Aber halt, mir f#228;llt etwas ein! Wie, wenn ich mir anstelle von Arbeitern Soldaten mache . . .!" Ja, ja, ja! Ich mach mir grimmige, starke Soldaten, und dann sotten die K#228;uer es wagen, mich nicht als ihren Herrscher anzuerkennen!" Urfin rannte aufgeregt im Zimmer auf und ab. „Selbst der j#228;mmerliche kleine Clown hat so furchtbar gebissen, da#223; es mir noch jetzt wehtut', dachte er, ,wenn ich aber h#246;lzerne, mannshohe Soldaten anfertige und ihnen zeige, wie man mit Waffen umgeht . . . Oh, dann werde ich mich selbst mit einem Goodwin messen k#246;nnen . . .' Bei diesem Gedanken hielt er sich #228;ngstlich den Mund zu, denn es schien ihm, als habe er die letzten Worte laut aus gesprochen. „Wie, wenn der Gro#223;e und Schreckliche es geh#246;rt hat?' Urfin zog den Kopf ein, als erwarte er den Schlag einer unsichtbaren Hand. Aber nichts geschah, und Urfin beruhigte sich. „Man sollte immerhin vorsichtiger sein', dachte er. ,F#252;r den Anfang kann ich mich ja mit dem Blauen Land begn#252;gen. Aber sp#228;ter ..." Er wagte jedoch nicht, den Gedanken zu Ende zu denken - zu sehr f#252;rchtete er Goodwin . . . . .Urfin kannte die Pracht und den Reichtum der Smaragdenstadt. Er war in seiner Jugend dort gewesen und hatte die verlockenden Sch#228;tze dieser Stadt noch gut im Ged#228;chtnis. Er hatte dort wunderbare H#228;user gesehen, deren obere Stockwerke breiter waren als die unteren und deren D#228;cher sich #252;ber den Stra#223;en fast ber#252;hrten. In den Stra#223;en war es deshalb immer dunkel und k#252;hl. In diesem Halbdunkel wandelten gem#228;chlich die Einwohner, die alle, gr#252;ne Brillen trugen, und Smaragden, die in den W#228;nden der H#228;user und sogar zwischen den Pflastersteinen eingesprenkelt waren, strahlten ein geheimnisvolles Licht aus . . . Zur Bewachung dieser ungeheuren Sch#228;tze hielt Goodwin, der Zauberer, kein gro#223;es Heer - seine Armee bestand aus nur einem einzigen Soldaten namens Din Gior. Goodwin brauchte ein Heer, denn ein Blick seiner Augen gen#252;gte, jeden feindlichen Heerhaufen zu versengen! Din Gior widmete seine ganze Zeit der Pflege seines Bartes. Das war aber auch ein einmaliger Bart - er reichte bis zur Erde. Der Soldat k#228;mmte ihn den ganzen lieben Tag mit einem Kamm aus Kristall, und manchmal flocht er ihn zu einem Zopf zusammen. Einmal f#252;hrte Din Gior bei einem Palastfest zur Unterhaltung des Volkes Kunstst#252;cke mit Waffen vor. Er ging dabei mit Schwert, Lanze und Schild so geschickt um, da#223; die Menge #252;ber alle Ma#223;en staunte. Nach der Parade trat Urfin an Din Gior heran und sagte: „Ehrenwertester Din Gior, gestattet mir, Euch meine Begeisterung auszusprechen! Wo habt Ihr denn diese K#252;nste gelernt?" Geschmeichelt erwiderte der Soldat: „In alten Zeiten wurden in unserem Land oft Kriege gef#252;hrt, ich hab dar#252;ber in den Chroniken gelesen. Alte milit#228;rische Schriften erz#228;hlen davon, wie die Hauptleute ihre Soldaten abrichteten, welche milit#228;rischen #220;bungen es damals gab und wie die Befehle erteilt wurden. Das alles hab ich eifrig studiert und dann angewandt. Ihr seht, es war nicht vergeblich . . ." Um die milit#228;rischen #220;bungen des Soldaten Din Gior in seinem Ged#228;chtnis aufzufrischen, nahm sich Urfin den h#246;lzernen Clown vor. „Hallo, Clown!" rief er, „wo steckst du?" „Hier, mein Herr!" piepste es hinter der Truhe. „Willst du mich schon wieder pr#252;geln?" „Komm her, hab keine Angst, ich bin dir nicht mehr b#246;se." Der Clown kroch aus seinem Schlupfwinkel hervor. „La#223; mal sehen, wozu du taugst", sagte Urfin. „Kannst du marschieren?" „Was ist das, marschieren, Herr?" „Du sollst mich nicht Herr nennen, sondern Gebieter! B#228;r, auch du, merk dir diese Anrede!" ,.Zu Befehl, Gebieter!" erwiderten gleichzeitig der Clown und der B#228;r. „Marschieren hei#223;t zackig im Gleichschritt treten und auf Kommando Rechtsum, Links und Kehrt machen." Der Clown war ziemlich aufgeweckt und eignete sich die soldatischen Weisheiten schnell an. Den S#228;bel, den Urfin geschnitzt hatte, konnte er jedoch nicht halten, weil er keine Finger hatte - seine Arme gingen n#228;mlich in F#228;uste #252;ber. ,Ich werde meinen k#252;nftigen Soldaten Finger machen m#252;ssen', beschlo#223; Urfin. Das Exerzieren dauerte den ganzen Tag. Urfin war schon ganz m#252;de vom Kommandieren, der h#246;lzerne Clown aber blieb frisch und munter. Er konnte auch gar nicht m#252;de werden, denn er war ja aus Holz! W#228;hrend des Exerzierens blickte der B#228;r verz#252;ckt auf seinen Gebieter und wiederholte fl#252;sternd alle seine Befehle. Guamoko hatte ihre gelben Augen geringsch#228;tzig zugekniffen. Urfin war begeistert. Pl#246;tzlich schlug jedoch seine Stimmung um. Er f#252;rchtete, da#223; man ihm das lebenspendende Pulver stehlen k#246;nnte. Deshalb verschlo#223; er die T#252;r mit drei Riegeln. Trotzdem schlief er unruhig und schreckte bei jedem Ger#228;usch empor. Jetzt, wo er die Kuchenbleche nicht mehr brauchte, konnte er sie den Frauen der K#228;uer zur#252;ckgeben. Urfin beschlo#223;, sein neuerliches Erscheinen in Kogida festlich zu gestalten. Er arbeitete seinen Handkarren in einen Wagen um, vor den er den B#228;ren einspannen wollte. Da erinnerte er sich an den Streit zwischen dem B#228;ren und der Eule. „H#246;r mal, B#228;r!" sagte er. „Mir scheint, da#223; du zu leicht bist und unsicher im Gehen. So hab ich denn beschlossen, dich mit S#228;gesp#228;nen auszustopfen." „Oh, wie weise du bist, Gebieter!" rief der B#228;r. In Urfins Schuppen lagen Berge von S#228;gesp#228;nen, und das Ausstopfen des Fells ging schnell vonstatten. Als Urfin fertig war, kam ihm ein neuer Gedanke. „H#246;r, B#228;r, ich will dir einen Namen geben!" sagte er. „Oh, mein Gebieter! Aber wird er auch so lang sein wie der der Eule?" „Nein", erwiderte Urfin, „im Gegenteil, er soll ganz kurz sein. Du sollst Petz hei#223;en, Meister Petz!" Dem gutm#252;tigen B#228;r gefiel der Name. „Ei, wie sch#246;n!" rief er. „Ich werde einen Namen haben, wie es keinen sch#246;neren im ganzen Blauen Lande gibt. Meister Petz! Die Eule wird vor Neid platzen!" Schwerf#228;llig stapfte er aus der Scheune, freudig vor sich hin murmelnd: „Jetzt f#252;hle ich mich wie ein echter B#228;r!" Urfin spannte ihn vor den Wagen, nahm Guamoko und den Clown und fuhr wie ein vornehmer Herr in Kogida ein. Die Kuchenbleche schepperten, als der Wagen #252;ber die H#246;cker der Stra#223;e fuhr, und die verbl#252;fften K#228;uer eilten in Scharen herbei. „Urfin ist ein m#228;chtiger Zauberer", fl#252;sterten sie sich zu, „er hat den zahmen B#228;ren, der voriges Jahr gestorben ist, wieder lebendig gemacht . . ." Der Tischler h#246;rte das, und die Brust schwoll ihm vor Stolz. Auf seinen Befehl nahmen die Hausfrauen ihre Bleche vom Wagen, wobei sie #228;ngstlich zu dem B#228;ren und zur Eule schielten. „Ist's euch jetzt klar, wer Herr in Kogida ist?" fragte Urfin streng. „Ja. es ist uns klar", antworteten dem#252;tig die K#228;uer und fingen zu weinen an. Nach Hause zur#252;ckgekehrt, bestblo#223; Urfin, mit dem Pulver sparsam umzugehen. Er lie#223; sich von einem Blechschmied mehrere Kannen mit Schraubendeckel anfertigen, sch#252;ttete das Pulver aus den Eimern in die Kannen und vergrub diese im Garten unter einem Baum. Die Abstellkammer war ihm n#228;mlich nicht sicher genug. Urfin wu#223;te: Wenn er ganz allein an einer Holzarmee arbeiten wollte, selbst an einer kleinen, w#252;rde das sehr lange dauern. Deshalb schickte er den B#228;ren nach Kogida, der dort ein furchtbares Gebr#252;ll erhob, auf das die K#228;uer erschrocken herbeieilten. „Urfin, unser Herr und Gebieter", verk#252;ndete Meister Petz, „hat befohlen, da#223; ihr jeden Tag sechs M#228;nner mit #196;xten und S#228;gen zu ihm schickt, die im Walde B#228;ume f#228;llen sollen." Die K#228;uer dachten eine Weile nach, weinten und - gehorchten. Im Walde kennzeichnete Urfin die B#228;ume, die zu f#228;llen waren, und erkl#228;rte den K#228;uern, wie sie sie zers#228;gen sollten. Meister Petz schleppte die Kl#246;tzer in Urfins Hof. Dort stellte der Tischler sie zum Trocknen hin - nicht in die Sonne, sondern in den Schatten, damit sie keine Risse bek#228;men. Nach einigen Wochen war das Holz trocken, und Urfin ging an die Arbeit. Zuerst bearbeitete er die K#246;rper und bereitete das Material f#252;r Arme und Beine vor. F#252;r den Anfang wollte er sich mit f#252;nf Z#252;gen von je zehn Mann begn#252;gen. „Das wird wohl ausreichen, um das Blaue Land zu erobern", brummte er. An die Spitze jedes Zuges wollte er einen Unteroffizier stellen, den Oberbefehl sollte ein General aus#252;ben. ,Die K#246;rper der Soldaten m#252;ssen aus Kiefernholz sein, weil sich dieses leichter bearbeiten l#228;#223;t, die K#246;pfe aber aus Eiche, damit die Soldaten dem Feind auch mit den K#246;pfen zu Leibe gehen k#246;nnen. F#252;r Soldaten, die nicht zu denken brauchen, sind Eichenholzk#246;pfe #252;berhaupt das beste', entschied der Tischler. F#252;r die Unteroffiziere bereitete Urfin Mahagoniholz vor, f#252;r den General aber suchte er im Walde einen Palisanderbaum aus. Die Kiefernholzsoldaten mit den Eichenholzk#246;pfen sollten vor den Unteroffizieren aus Mahagoniholz strammstehen, und diese wiederum sollten dem sch#246;nen Palisandergeneral gehorchen. Die Fertigung mannshoher Holzpuppen war f#252;r Urfin etwas ganz Neues. Deshalb schnitzte er zuerst einen Probesoldaten mit grimmigem Gesicht und Augen aus Glaskn#246;pfen und bestreute Kopf und Brust der Puppe mit dem Zauberpulver. Als er einen Augenblick innehielt, streckte die Puppe pl#246;tzlich ihren h#246;lzernen Arm aus und versetzte ihm einen so heftigen Schlag, da#223; er f#252;nf Schritte zur Seite taumelte. Emp#246;rt #252;ber diesen Mutwillen, ergriff der Tischler das Beil, um die am Boden liegende Figur zu zerschlagen, besann sich jedoch rechtzeitig. ,Hat keinen Sinn, eigene Arbeit zu zerst#246;ren. Wer h#228;tte gedacht, da#223; der Kerl so kr#228;ftig ist? Mit solchen Soldaten werde ich unbesiegbar sein!' dachte Urfin. Als er den zweiten Soldaten fertig hatte, war es Urfin klar, da#223; die Schaffung einer ganzen Armee viele Monate dauern w#252;rde. Er aber wollte m#246;glichst schnell in den Krieg ziehen. Deshalb beschlo#223; er, die zwei fertigen Soldaten zu Gehilfen zu machen. Es war nicht leicht, den Holzm#228;nnern das Tischlerhandwerk beizubringen. Sie kapierten so langsam, da#223; Urfin die Geduld ri#223; und er w#252;tend zu schimpfen begann. „Ihr Taugenichtse! Ihr Holzk#246;pfe ...!" Bei einem neuerlichen Wutanfall br#252;llte er einen der Lehrlinge an. „Du, du... wie soll ich dich nur nennen..." Da schlug sich dieser mit der Faust auf die h#246;lzerne Brust, da#223; es dr#246;hnte, und erwiderte: „Holzkopf!" Urfin lachte schallend: „Gut, so will ich euch von jetzt an nennen - Holzk#246;pfe, der Name pa#223;t zu euch!" Als die Kerle schon ein wenig vom Handwerk verstanden, begannen sie ihrem Meister tats#228;chlich zu helfen. Sie behauten die Kl#246;tze f#252;r die K#246;rper, Arme und Beine und hobelten die Finger der k#252;nftigen Soldaten. Es gab nat#252;rlich auch komische Vorf#228;lle. Einmal mu#223;te Urfin f#252;r kurze Zeit das Haus verlassen. Vor dem Weggehen befahl er den Holzm#228;nnern, ein Dutzend St#228;mme zu zers#228;gen. Bei seiner R#252;ckkehr bot sich ihm aber ein so entsetzliches Bild, da#223; er wie ein Wilder zu toben anfing. Die Gehilfen hatten die H#246;lzer im Nu zers#228;gt, und da sie nicht wu#223;ten, was sie weiter tun sollten, begannen sie andere h#246;lzerne Gegenst#228;nde zu zers#228;gen. Hobelb#228;nke, Zaun und Tor mu#223;ten daran glauben . . . Auf dem Hof lagen bereits Berge von Abf#228;llen, die nur noch als Brennholz verwendet werden konnten. Aber selbst das war den eifrigen S#228;gern nicht genug. Da der Meister noch immer nicht kam, begannen sie sich gegenseitig in die Beine zu s#228;gen! Ein andermal spaltete ein Holzkopf mit Hilfe von Keilen einen dicken Klotz. W#228;hrend er den Keil mit dem Beil herausschlug, legte er aus Unerfahrenheit die Finger der Linken in den Spalt. Der Keil flog heraus, die Finger aber blieben im Holz stecken. Als er sie nicht freibekam, hackte er sie kurzerhand ab. Seither h#252;tete sich Urfin, die Gehilfen allein zu lassen. Die Herstellung der Soldaten war in vollem Gange, und Urfin nahm die Unteroffiziere in Arbeit. Sie gerieten ihm gro#223;artig. Ihre Mahagonifiguren #252;berragten die Soldaten, sie hatten noch kr#228;ftigere Arme und Beine als diese und grimmige rote Gesichter, die jedermann Angst einjagen konnten. Die Soldaten durften aber nicht wissen, da#223; die Unteroffiziere auch aus Holz sind. Deshalb fertigte sie Urfin in einem anderen Raum an. Der schlaue Tischler verwandte viel Zeit auf ihre Erziehung. Den Unteroffizieren mu#223;te eingeh#228;mmert werden, da#223; sie vor ihrem Gebieter nichtige Gesch#246;pfe sind und alle seine Befehle auszuf#252;hren haben. Den Soldaten gegen#252;ber aber sollten sie anspruchsvolle und gestrenge Vorgesetzte sein, denen jeder Gemeine blinden Gehorsam schuldete. Als Zeichen ihrer Macht gab Urfin den Unteroffizieren Kn#252;ppel aus Eisenholz und erkl#228;rte ihnen, sie w#252;rden sich nicht zu verantworten haben, wenn sie diese an den R#252;cken ihrer Untergebenen zerbr#228;chen. Um die Unteroffiziere von den Gemeinen zu unterscheiden, gab Urfin ihnen Eigennamen: Arum, Befar, Watis, Giton und Daruk. Als die Ausbildung zu Ende war, traten sie mit wichtiger Miene vor die Soldaten hin und lie#223;en die Kn#252;ppel auf deren R#252;cken tanzen. Wegen ungen#252;genden Eifers im Dienst, wie sie sagten. Die Soldaten versp#252;rten keinen Schmerz, schauten aber betr#252;bt auf die Spuren, die die Hiebe auf ihren glattgehobelten K#246;rpern hinterlassen hatten. Urfin #252;bertrug Meister Petz die Aufsicht #252;ber die Holzarmee, nahm Material und Werkzeug zur Hand, schlo#223; sich im Haus ein und begann an dem Palisandergeneral zu arbeiten. Er werkte mit gro#223;er Sorgfalt an der Gestalt des Befehlshabers, der Urfins Holzsoldaten in den Kampf f#252;hren sollte. F#252;r einen einfachen Soldaten hatte Urfin drei Tage gebraucht, die Arbeit am General dauerte volle zwei Wochen. Der war aber auch wirklich gelungen: Brust, Arme und Beine, Kopf und Gesicht waren mit sch#246;nen, bunten Mustern verziert, und der ganze K#246;rper war auf Hochglanz poliert. Urfin gab seinem General den Namen Lan Pirot. Lan Pirot hatte ein grimmiges Gesicht und einen ungew#246;hnlich b#246;sen und z#228;nkischen Charakter. Einmal versuchte er sogar, seinem Meister zu trotzen, aber Urfin trieb ihm den D#252;nkel aus und zeigte ihm, wer von ihnen der Herr ist. #220;brigens tr#246;stete sich Lan Pirot, als er erfuhr, da#223; ihm f#252;nf Unteroffiziere und zun#228;chst f#252;nfzig, sp#228;ter aber noch mehr Soldaten unterstehen w#252;rden. W#228;hrend Lan Pirot unter Urfins Anleitung das Waffenhandwerk meisterte und sich Generalsmanieren aneignete, arbeiteten die unerm#252;dlichen h#246;lzernen Gehilfen Tag und Nacht in der Werkst#228;tte. Eines Tages traten Urfin und der prunkvolle General vor die versammelte Mannschaft der Holzk#246;pfe, die vor dem stattlichen Befehlshaber in Ehrfurcht erbebten. Der General inspizierte die Armee und schimpfte gewaltig #252;ber ihre mangelhafte Haltung. „Ich werd euch milit#228;rischen Schneid noch beibringen!" br#252;llte er mit heiserer Befehlsstimme. „Ihr sollt bei mir lernen, was Zucht und Ordnung ist!" Dabei fuchtelte er mit seiner Keule, die dreimal so schwer war wie der Kn#252;ppel eines Unteroffiziers und mit einem Hieb jeden Holzkopf zertr#252;mmern konnte. Lan Pirot lie#223; die Armee viele Stunden t#228;glich exerzieren, w#228;hrend Urfin ihre St#228;rke schnell vergr#246;#223;erte. Die Energie, mit der Urfin seine Holzarmee schuf, machte auf die Eule Eindruck. Die Schlaue begriff, da#223; der Tischler auch ohne ihre Dienste auskommen w#252;rde. Da sie bei ihm ein sattes und sorgenloses Leben f#252;hrte und das zu sch#228;tzen wu#223;te, h#246;rte sie mit ihren Sticheleien auf und nannte Urfin nun immer #246;fter „mein Gebieter". Das gefiel dem Tischler, und bald stellte sich zwischen ihnen ein gutes Einvernehmen her. Meister Petz' Begeisterung war grenzenlos, als er die Wunder seines Herrn sah. Er forderte, da#223; alle Holzk#246;pfe ihm die gr#246;#223;te Ehre erweisen. Einmal stand Lan Pirot bei Urfins Erscheinen nicht schnell genug auf und verneigte sich nicht tief genug. Daf#252;r verpasste ihm der B#228;r mit seiner m#228;chtigen Tatze eine solche Ohrfeige, da#223; der General sich mehrmals #252;berschlug. Zum Gl#252;ck sahen es die Soldaten nicht, so da#223; die Autorit#228;t des Generals nicht litt, was man allerdings von seinen Rippen nicht sagen konnte. Von jenem Tag an bezeigte Lan Pirot nicht nur seinem Gebieter, sondern auch dessen treuem B#228;ren den gr#246;#223;ten Respekt. Schlie#223;lich kam der Tag, da die Armee, bestehend aus einem General, f#252;nf Unteroffizieren und f#252;nfzig Gemeinen, das Exerzieren erlernt hatte und die Waffen zu f#252;hren wu#223;te. Die Soldaten h#228;tten zwar keine S#228;bel, sondern nur die Kn#252;ppel, doch f#252;r den Anfang gen#252;gte das. Au#223;erdem waren sie ja hieb und stichfest und brauchten sich vor Pfeilen und Lanzen nicht zu f#252;rchten. An einem schicksalsschweren Morgen wurden die Einwohner von Kogida durch lautes Getrampel geweckt. Durch die Stra#223;en marschierte Urfins Holzarmee. Vornan schritt der Palisandergeneral mit seiner riesigen Keule, ihm folgten die Soldaten, ein Unteroffizier vor jedem Zug. „Eins, zwei, drei! Eins, zwei, drei!" kommandierten die Unteroffiziere, und die Holzf#252;#223;e der Soldaten stampften im Takt. An der Seite ritt Urfin auf seinem B#228;ren und geno#223; den Anblick seiner Krieger. „Alles halt!" br#252;llte Lan Pirot. Die Abs#228;tze der Soldaten schlugen gegeneinander, und das Heer blieb wie angewurzelt stehen. Die Dorfbewohner standen best#252;rzt vor den T#252;ren ihrer H#228;user. ,,Einwohnen von Kogida, herh#246;ren!" donnerte Urfin. „Ich rufe mich hiermit zum Herrscher des Blauen Landes aus! Hunderte Jahre haben die K#228;uer der Zauberin Gingema gedient. Sie ist jetzt tot, doch ihre Zauberkunst besteht weiter, sie ist auf mich #252;bergegangen. Die wackeren Holzm#228;nner, die ihr vor euch seht, hab ich gemacht und zum Leben erweckt. Ein Wort von mir gen#252;gt, und meine unverwundbare Holzarmee vernichtet euch allesamt und zerst#246;rt eure H#228;user. Erkennt ihr mich als euren Herrscher an?" „O ja! O ja'" riefen die K#228;uer und brachen in Tr#228;nen aus. Ihre K#246;pfe wackelten vom hemmungslosen Schluchzen, w#228;hrend die Schellen an ihren H#252;ten fr#246;hlich l#228;uteten. Dieses Gel#228;ute pa#223;te aber wenig zu der traurigen Stimmung der K#228;uer. Deshalb nahmen sie ihre H#252;te ab und h#228;ngten sie an Pf#228;hle, die eigens zu diesem Zweck vor den H#228;usern eingerammt waren. Urfin befahl allen, nach Hause zu gehen, mit Ausnahme der Schmiede, denen er den Auftrag gab, S#228;bel mit scharfen Klingen f#252;r die Unteroffiziere und den General anzufertigen. Damit kein Einwohner von Kogida Prem Kokus warnen und zu Verteidigungsma#223;nahmen veranlassen konnte, erteilte Urfin den Holzk#246;pfen Order, das Dorf zu umstellen und niemanden hinauszulassen. Dann ging er in das Haus des Dorf#228;ltesten, jagte alle Insassen fort und legte sich schlafen. Der B#228;r hielt vor der T#252;r Wache. Urfin schlief bis zum Abend und ging dann die Wachen inspizieren. Ein ungew#246;hnlicher Anblick versetzte ihn in Staunen. Der General, die Unteroffiziere und die Soldaten standen auf ihren Posten, hatten sich aber mit gro#223;en gr#252;nen Bl#228;ttern und Zweigen bedeckt. „Was soll das hei#223;en?" fragte Urfin streng. „Was ist los'?" „Wir sch#228;men uns . . .", erwiderte Lan Pirot verlegen, „wir sind ja nackt . . ." „Quatsch!" schrie Urfin gereizt. „Ihr seid aus Holz!" „Aber wir sind doch Menschen, Herr Gebieter, Ihr habt es ja selber gesagt", wandte Lan Pirot ein. „Menschen aber haben Kleider . . . Die Leute machen sich #252;ber uns lustig . . ." „Na, wenn's nichts weiter ist . . . Also gut, Ihr sollt Kleider bekommen'." Die Holzk#246;pfe waren dar#252;ber so erfreut, da#223; sie in ein lautes „Hurra" ausbrachen. Urfin aber begann angestrengt nachzudenken: Es war nat#252;rlich leicht, den 56 Holzkriegern Kleider zu versprechen, aber woher sie nehmen? In dem kleinen Dorf w#252;rde er weder Stoff f#252;r die Monturen noch Leder f#252;r Stiefel und Koppel, noch Handwerker auftreiben k#246;nnen, die einen so gro#223;en Auftrag ausf#252;hren konnten. Urfin teilte der Eule seine Sorgen mit. Guamoko rollte die gro#223;en gelben Augen und sagte nur ein Wort: „Farbe!" ,Der Tischler begriff sofort. Wozu die h#246;lzernen K#246;rper, die gegen K#228;lte doch v#246;llig unempfindlich waren, in Kleider stecken, wo man sie einfach bemalen konnte? Urfin lie#223; den B#252;rgermeister kommen und verlangte, er solle alle Farben bringen, die es im Dorf gab. Als dies geschehen war, stellte der Tischler die Farbt#246;pfe um sich, legte ein Paar Pinsel daneben und ging an die Arbeit. Zuerst wollte er probeweise einen Soldaten bemalen, um zu sehen, wie er ausschauen w#252;rde. Er malte auf den Holzk#246;rper eine gelbe Montur mit wei#223;en Kn#246;pfen und Koppel und auf die Beine Hosen und Stiefel. Als er den Mann den anderen Soldaten zeigte, freuten sie sich sehr und w#252;nschten, da#223; er sie ebenso bemale. Allein w#228;re Urfin mit dieser Arbeit kaum fertig geworden, deshalb bestellte er alle Maler des Dorfes zu sich, damit sie ihm halfen. Binnen zwei Tagen gl#228;nzte die ganze Armee von frischer Farbe, und eine Meile im Umkreis roch es nach Terpentin und Firnis. Der erste Zug war gelb bemalt, der zweite blau, der dritte gr#252;n, der vierte orange und der f#252;nfte violett. Den Unteroffizieren hatte Urfin quer #252;ber die Schultern farbige Sch#228;rpen aufgemalt, worauf diese sehr stolz waren. Betr#252;blich war nur eins: Die dummen Soldaten konnten nicht abwarten, bis die Farbe trocken war, und stie#223;en sich gegenseitig mit den Zeigefingern in Bauch, Brust und Schultern, so da#223; sie bald gescheckt wie Leoparden aussahen. Es gelang Urfin, den General zu #252;berzeugen, da#223; die sch#246;ne bunte Maserung auf seinem K#246;rper besser sei als jede Kleidung. Die ganze Armee freute sich #252;ber die neue Uniform. Doch unerwartet trat ein Umstand ein, an den niemand gedacht hatte. Die Holzk#246;pfe glichen jetzt einander wie ein Ei dem anderen. Hatten die Unteroffiziere ihre Leute fr#252;her nach den Astl#246;chern unterschieden, so war das jetzt nicht mehr m#246;glich, weil die Farbe alles zudeckte. Urfin wu#223;te sich jedoch zu helfen. Er malte den Soldaten auf Brust und R#252;cken Ordnungsnummern, und diese galten von jetzt an als die Namen der Soldaten. Fr#252;her wurde ein Soldat zum Beispiel so aufgerufen: „He, du mit dem Astloch auf dem Bauch, einen Schritt vorw#228;rts! Halt, halt, nicht dich mein ich . . . Ach so, auch du hast ein Astloch auf dem Bauch:' Aber nicht dich ruf ich, sondern den da, der noch zwei kleine L#246;cher auf der linken Schulter hat . . ." Jetzt war das viel einfacher: „Nummer eins, gr#252;n, zwei Schritt vorw#228;rts! Wie stehst du im Glied:' Wie stehst du im Glied, frag ich dich? Na, ich will dir's beibringen!" Und bum, bum, bum trommelte der Kn#252;ppel auf den Soldatenk#246;rper . . . Alles war f#252;r den Feldzug bereit. Die S#228;bel waren gewetzt, die gemalten Uniformen trocken. Urfin hatte sich einen Sattel gemacht, um auf dem R#252;cken des B#228;ren bequemer sitzen zu k#246;nnen. An den Sattel hatte er zwei gro#223;e Taschen angen#228;ht, in die er die Kannen mit dem kostbaren Zauberpulver steckte. Der ganzen Armee, den General nicht ausgenommen, war strengstens verboten, die Taschen anzur#252;hren. Einige Soldaten trugen Urfins Tischlerwerkzeug: S#228;gen. #196;xte, Hobel, Bohrer, auch einen Vorrat an h#246;lzernen K#246;pfen, Armen und Beinen. Urfin h#228;ngte vor die T#252;r des Dorf#228;ltesten gro#223;e Schl#246;sser an und verbot den Einwohnern von Kogida, sich dem Haus zu n#228;hern. Den Clown nahm er unter seinen Rock und gebot ihm, artig zu sein: „Falls du zu bei#223;en wagst, gibt's Pr#252;gel!" Die Eule setzte sich auf Urfins Schulter. Am fr#252;hen Morgen brach die Armee auf. „Eins, zwei, drei! Links, rechts, links" Es ging in Richtung des Gutes von Prem Kokus. Munter marschierten die Soldaten, und Urfin, der hinter ihnen auf dem B#228;ren ritt, freute sich, die Ordnungsnummern nicht nur auf die Brust, sondern auch auf den R#252;cken eines jeden gemalt zu haben. Falls einer im Kampf Angst kriegen und davonlaufen sollte, w#252;rde er ihn sp#228;ter leicht erkennen und zu Brennholz zers#228;gen. W#228;hrend Urfins Holzarmee auf dem Weg marschiert, der zum Gut von Prem Kokus f#252;hrt, wollen wir uns zur#252;ckversetzen in die Zeit, als Ellis H#228;uschen Gingema t#246;tete und das M#228;dchen in die Smaragdenstadt zog. Elli erlebte viele lustige und schreckliche Abenteuer im Wunderland und fand dort drei treue Freunde. Der erste war de r Scheuch, ein drolliger Strohmann, der auf einem Pfahl mitten in einem Weizenfeld steckte und die V#246;gel vertrieb. Von der geschw#228;tzigen Kr#228;he Kaggi-Karr hatte er erfahren, da#223; ihm nur das Gehirn fehle, um ein richtiger Mensch zu werden. Elli hob den Scheuch vom Pfahl, und er folgte ihr in die Smaragdenstadt, um sich bei Goodwin ein Gehirn auszubitten. Der zweite Freund Ellis war der Eiserne Holzf#228;ller. Elli hatte ihn vor dem Tod gerettet, als er einsam und verrostet im Walde stand. Der Eiserne Holzf#228;ller sehnte sich nach einem liebenden Herzen, das er von Goodwin zu bekommen hoffte, und schlo#223; sich Elli, Totoschka und dem Scheuch an. Die Drei begegneten einem L#246;wen, der von Haus aus ein gro#223;er Feigling war. Was ihm vor allen Dingen fehlte, war Mut. Nur wenn er Mut besa#223;, konnte er tats#228;chlich K#246;nig der Tiere sein. Der L#246;we befreundete sich mit Elli, dem Scheuch und dem Holzf#228;ller und trat der kleinen Schar bei, um sich f #252;r seinen Teil Mut bei Goodwin zu holen. Goodwin stellte Elli und ihren Gef#228;hrten eine Bedingung. Er werde ihre W#252;nsche erf#252;llen, sagte er, falls sie die Zwinkerer, die Bewohner des Violetten Landes, aus der Gewalt der b#246;sen Zauberin Bastincia erl#246;sen. Nun, der Kampf gegen Bastincia war nicht leicht gewesen, aber schlie#223;lich mu#223;te sie daran glauben: Sie zerflo#223;, als Elli einen Eimer Wasser auf sie ausgo#223;. Siegreich kehrten Elli und ihre Gef#228;hrten in die Smaragdenstadt zur#252;ck. Obwohl Goodwin sich als Schwindler erwies, der den Leuten Wunder vorgaukelte, vermochte er dennoch, die W#252;nsche des Scheuchs, des Eisernen Holzf#228;llers und des L#246;wen zu ef#252;llen. Bevor Goodwin mit einem Luftballon das Wunderland verlie#223;, ernannte er den Scheuch zum Herrscher der Smaragdenstadt und verlieh ihm den Ehrentitel „Der Weise". Er hatte ihm ein ausgezeichnetes Gehirn gegeben, das, obwohl es nur aus Kleie, N#228;h- und Stecknadeln bestand, seinem Besitzer hervorragend diente. Dem Eisernen Holzf#228;ller hatte Goodwin ein Herz eingesetzt, das aus roten Flicken zusammengen#228;ht und mit S#228;gesp#228;nen ausgestopft war. Dieses Herz klopfte bei jedem Schritt an den eisernen Brustkorb des riesigen Holzf#228;llers, der sich wie ein kleines Kind dar#252;ber freute. Er begab sich in das Violette Land der Zwinkerer, die ihn nach dem Tod der alten Bastinda zu ihrem Herrscher w#228;hlten. Der L#246;we, der eine gro#223;e Portion Mut getrunken hatte (in Wirklichkeit war es blo#223; sch#228;umender Most, in den Goodwin Baldriantropfen getr#228;ufelt hatte), ging in den Wald, wo die Tiere ihn als ihren K#246;nig anerkannten. Elli und Totoschka aber kehrten in die Steppe von Kansas zur#252;ck. Das verdankten sie den silbernen Schuhen Gingemas, in deren Geheimnis die gute Fee Stella, die Herrscherin des Rosa Landes, das M#228;dchen eingeweiht hatte. Stella kannte #252;brigens auch das Geheimnis der ewigen Jugend. Urfin eroberte das Blaue Land ohne jede M#252;he. Prem Kokus und seine Leute wurden einfach #252;berrumpelt. Sie versuchten auch gar nicht, den grimmigen Holzk#246;pfen Widerstand zu leisten. So wurde Urfin Herrscher des weitr#228;umigen Landes der K#228;uer. Zwei Jahre vorher hatte ein Erdbeben das Wunderland heimgesucht und zwei tiefe Schluchten entstehen lassen, welche die Stra#223;e zur Smaragdenstadt unpassierbar machten. Der Verkehr zwischen der Stadt und dem Land der K#228;uer war unterbrochen. Auf dem Weg in die Smaragdenstadt #252;berwanden Elli und ihre Gef#228;hrten die Schluchten, doch kostete sie das ungeheure Anstrengungen. Die #228;ngstlichen K#228;uer h#228;tten es nie geschafft. Sie zogen es vor, zu Hause zu bleiben, und begn#252;gten sich mit den Neuigkeiten, die ihnen die V#246;gel #252;berbrachten. Die K#228;uer lauschten den Gespr#228;chen der V#246;gel (unter denen die Elstern die bestinformierten waren) und erfuhren so, dass Goodwin das Wundertand verlassen und den Weisen Scheuch zu seinem Nachfolger ernannt hatte. Die K#228;uer erfuhren auch, da#223; die Fee des T#246;tenden H#228;uschens, wie sie Elli nannten (sie hatten das M#228;dchen sehr liebgewonnen, weil es sie von der b#246;sen Gingema befreit hatte), gleichfalls in ihre Heimat zur#252;ck gekehrt war. Das wu#223;te auch Urfin. Guamoko hatte es ihm mitgeteilt, die es von den Waldeulen und Uhus erfahren hatte. Als der ehemalige Tischler und jetzige Herrscher des Blauen Landes der K#228;uer diese wichtigen Neuigkeiten h#246;rte, wurde er nachdenklich. Er hielt die Zeit f#252;r gekommen, seinen alten Traum von der Eroberung der Smaragdenstadt in die Tat umzusetzen. Urfin hatte sich vor dem geheimnisvollen Goodwin und seiner erstaunlichen F#228;higkeit, die Gestalten verschiedener Tiere und V#246;gel anzunehmen, gef#252;rchtet. Vor dem jetzigen Herrscher der Stadt, Scheuch, hatte er jedoch keine Angst. Freilich stimmte ihn der Titel „Der Weise", den Goodwin dem Scheuch verliehen hatte, etwas bedenklich. „Nehmen wir an, der Scheuch ist ein weiser Mann. Daf#252;r besitze ich aber Kraft. Was kann ihm die Weisheit n#252;tzen, wenn ich #252;ber eine m#228;chtige Armee verf#252;ge, er aber nur einen Soldaten besitzt, den Langbart. Zwar ist ihm der Eiserne Holzf#228;ller ein verl#228;#223;licher Bundesgenosse, aber er wird ja gar nicht dazukommen, ihm zu helfen ... Mein Beschlu#223; steht fest: Ich ziehe aus, die Smaragdenstadt zu erobern." Guamoko billigte den Plan ihres Herrn, und bald setzte sich Urfins Armee in Bewegung. In wenigen Tagen erreichte sie die erste Schlucht, die den gelben Backsteinweg unterbrach. Hier ereignete sich folgendes. Die Holzsoldaten waren gew#246;hnt, auf ebener Erde zu gehen, und hatten keine Ahnung, was eine Schlucht ist. Als die erste Reihe mit Unteroffizier Arum an der Spitze an den Rand des Abgrunds kam, beachtete sie diesen nicht und st#252;rzte in die Tiefe. Sekunden sp#228;ter k#252;ndete ein Dr#246;hnen an, da#223; die tapferen Krieger auf dem Grunde gelandet waren. Das war f#252;r die anderen jedoch keine Lehre. Die zweite Reihe folgte der ersten. Da schrie Urfin mit angstverzerrtem Gesicht: „General! La#223;t die Armee halten!" Lan Pirot kommandierte: „Alles halt!" Es hatte nicht viel gefehlt, und die ganze Holzarmee w#228;re umgekommen. Nun mu#223;ten die Gest#252;rzten aus der Schlucht herausgeholt und repariert werden. Diese Arbeit und der Bau einer verl#228;#223;lichen Holzbr#252;cke nahmen f#252;nf Tage in Anspruch. Als die Armee die erste Schlucht #252;berwunden hatte, trat sie in einen Wald, von dem man sich im Lande grausige Dinge erz#228;hlte. Dort hausten riesige Tiger, von ungeheurer Kraft und schrecklichem Aussehen. Scharfe Hauer, so lang wie S#228;bel, ragten ihnen aus dem Rachen. Deshalb wurden sie S#228;belzahntiger genannt. Die K#228;uen erz#228;hlten sich viele schreckliche Geschichten vom Tigerwald. Urfin blickte #228;ngstlich nach allen Seiten. Unheimliche Stille herrschte ringsum. Riesige B#228;ume, an denen graue Moosgirlanden herabhingen, bildeten ein gr#252;nes Gew#246;lbe, unter dem es dunkel und feucht war. We lkes Laub bedeckte den gelben Backsteinweg und d#228;mpfte die schweren Schritte der Holzk#246;pfe. Eine Weile ereignete sich nichts. Pl#246;tzlich aber st#252;rzte Lan Pirot auf Urfin zu. „Gebieter!" schrie er, „in den B#252;schen lauern wilde Tiere. Sie haben gelbe Augen und wei#223;e S#228;bel im Rachen... " „Die S#228;belzahntiger", rief Urfin entsetzt. Hinter den B#228;umen funkelten zahllose Lichter: die Augen der Bestien. „General! Macht die Armee kampfbereit!" „Zu Befehl, Gebieter!" Holzsoldaten mit Kn#252;ppeln und S#228;beln bildeten einen Ring um Urfin. Die S#228;belzahntiger knurrten und fauchten im Dickicht, wagten aber nicht, anzugreifen, denn das ungew#246;hnliche Aussehen der Fremden verwirrte sie. Au#223;erdem witterten sie keine Menschen, die ihr liebster Leckerbissen waren. Pl#246;tzlich brachte jedoch ein Windhauch Urfins Geruch an sie heran. Zwei Tiger, die hungriger und ungeduldiger waren als die anderen, fa#223;ten sich ein Herz, duckten sich und schnellten aus dem Dickicht. Aber noch ehe ihre geb#228;umten K#246;rper auf die Mitte des sch#252;tzenden Kreises um Urfin niedergingen, z#252;ckten die Unteroffiziere auf Lan Pirots Befehl blitzschnell ihre S#228;bel, und diese bohrten sich in die Leiber der aufheulenden Bestien. Im n#228;chsten Augenblick trafen die Kn#252;ppel der Soldaten die K#246;pfe und Flanken der Tiger, die tot zu Boden fielen. Die Holzk#246;pfe zerrten ihre zerschundenen Leiber an den Rand des Weges, w#228;hrend Urfin vor Freude h#252;pfte und der Armee sein Lob aussprach. Die anderen Tiger waren #252;ber den Vorfall so entsetzt, da#223; sie keinen neuen Angriff wagten. Sie kauerten eine Weile in den B#252;schen, funkelten mit den Augen, knurrten noch anstandshalber und verkrochen sich dann besch#228;mt im Geh#246;lz. Urfin dachte zuerst, die Felle der toten Tiere zu beleben. Er w#252;rde dann Diener haben, sagte er sich, wie es keine st#228;rkeren im ganzen Wunderland gab. Schon hatte er befohlen, den Tigern die Felle abzuziehen, als er sich eines Besseren besann, und den Befehl widerrief. Er bef#252;rchtete n#228;mlich, die Bestien w#252;rden sich nach ihrer Wiederbelebung gegen ihn erheben und ihm Scherereien bereiten, denen er nicht gewachsen w#228;re. Vor der zweiten Schlucht blieben die Holzk#246;pfe selber stehen. Eine Br#252;cke wurde gebaut, und die Armee setzte ihren Weg fort. Dann kam sie auf ein weites Feld, das Urfin wieder #196;rgernisse brachte, die er weder ahnen noch voraussehen konnte. Die Holzk#246;pfe hatten in ihrem kurzen Leben sehr wenig Erfahrungen gemacht, und wenn sie etwas Neues sahen, waren sie verwirrt und wu#223;ten nicht, wie sie sich verhalten sollten. W#228;ren sie an eine dritte Schlucht gekommen, so h#228;tten sie gewi#223; Vorsicht walten lassen. Zum Ungl#252;ck kamen sie aber an einen gro#223;en Flu#223;, den man #252;berqueren mu#223;te, um aus dem Land der K#228;uer in die Smaragdenstadt zu gelangen. Bisher hatten die Holzk#246;pf e aber nur kleine Rinnsale gesehen, #252;ber die sie einfach hinwegschritten. General Lan Pirot glaubte, die glatte Fl#228;che des Flusses sei eine nein Art von Stra#223;e, #252;ber die es sich bequem gehen lie#223;e. Noch ehe Urfin einen Gedanken fassen konnte, br#252;llte der General: „Mir nach, meine tapferen Soldaten!" und raste, von den gehorsamen Holzk#246;pfen gefolgt, die B#246;schung hinunter zum Flu#223;. Das Wasser am Ufer war tief, die Str#246;mung rei#223;end. Sie erfa#223;te den General, die Unteroffiziere und Soldaten, wirbelte sie herum und warf sie gegeneinander. Vergeblich rannte Urfin in heller Verzweiflung am Ufer entlang und schrie gellend: „Halt, Holzk#246;pfe! Halt!" Die Soldaten gehorchten aber nur den Befehlen ihres Generals, au#223;erdem begriffen sie nicht, was geschehen war, und st#252;rzten, ein Zug nach dem anderen, ins Wasser. Nach drei Minuten stand der Eroberer ohne Armee da. Der Flu#223; hatte alle Soldaten fortgetragen. Urfin raufte sich die Haare vor Wut und Verzweiflung. Da sagte die Eule zu ihm: „Gr#228;m dich nicht, Gebieter! Ich war in meinen jungen Jahren in dieser Gegend und kann mich erinnern, da#223; der Flu#223; einige Meilen von hier mit Schilf bewachsen ist. Dort werden unsere Krieger bestimmt steckenbleiben . . ." Urfin beruhigte sich ein wenig. Er lud das unversehrt gebliebene Tischlerwerkzeug auf Meister Petz' R#252;cken und ging das Ufer entlang flu#223;abw#228;rts. Nach anderthalbst#252;ndigem schnellem Marsch kam er an eine Stelle, wo der Flu#223; breiter und seichter wurde. Im Wasser zeigte sich Schilfdickicht, in dem sich bunte Punkte bewegten. Urfin atmete erleichtert auf. Er hatte in den Punkten seine Holzsoldaten erkannt. Als er Lan Pirot unter ihnen gewahrte, schrie er: „Hallo, General! Befehlt den Holzk#246;pfen, ans Ufer zu schwimmen!" „Was bedeutet das, schwimmen?" fragte Lan Pirot. „Na, meinetwegen k#246;nnt ihr waten, wenn's seicht ist." „Was ist das, waten?" Urfin spuckte w#252;tend aus und beschlo#223;, ein Flo#223; zu bauen. Die Rettung der Armee nahm mehr als 24 Stunden in Anspruch. Die Holzsoldaten sahen aber j#228;mmerlich aus: Ihre Farbe bl#228;tterte ab, die vom Wasser gequollenen Arme und Beine bewegten sich kaum. Eine l#228;ngere Rast war notwendig. Die Soldaten lagen zugweise, vornean die Unteroffiziere, am Ufer und trockneten, w#228;hrend Urfin sein gro#223;es Flo#223; zimmerte. Der gelbe Backsteinweg f#252;hrte von da aus nach Norden weiter. Man konnte leicht erkennen, da#223; sich schon lange niemand um ihn gek#252;mmert hatte: Er war von Gestr#252;pp #252;berwuchert, und nur in der Mitte lag ein schmaler Streifen frei. Der Zug bewegte sich im G#228;nsemarsch, als erster Unteroffizier Befar, als Schlu#223;glied in der langen Kette General Lan Pirot. Hinter ihnen ritt Urfin auf dem R#252;cken von Meister Petz. Nur ein Mann in diesem seltsamen Zug versp#252;rte M#252;digkeit und Hunger: Urfin, der Begr#252;nder und Gebieter der Armee. Es war schon Mittag und an der Zeit, Rast zu machen. Unteroffizier Befar aber stapfte unbeirrt vorw#228;rts, gefolgt von den zackig marschierenden, unerm#252;dlichen Soldaten. Urfin, aber hielt es nicht l#228;nger aus und befahl Lan Pirot: „General, die Armee soll halten. Gebt den Befehl nach vorn weiter." Lan Pirot stie#223; mit seiner Keule den letzten Soldaten in den R#252;cken und schrie: ,,Weitergeben . . ." Der Holzkopf wartete das Ende des Befehls gar nicht ab. Er glaubte, da#223; sein Vorgesetzter aus irgendeinem Grunde, der ihn, den Mann Gelb Nr. 10, nichts angehe, es f#252;r notwendig hielt, da#223; der Sto#223; nach vorn weitergegeben werde. Er rief „weitergeben" und stie#223; seinen Kn#252;ppel in den R#252;cken des Vordermannes, Gelb Nr. 9. Der Sto#223; war aber kr#228;ftiger ausgefallen als der, den er empfangen hatte. „Weitergeben!" schrie Gelb Nr. 9 und hieb seinen Kn#252;ppel mit solcher Wucht gegen den R#252;cken von Gelb Nr. 8, da#223; dieser fast umfiel. „Weitergeben! Weitergeben! Weitergeben!" ging der Ruf durch die Kolonne, und die Hiebe wurden immer zahlreicher und st#228;rker. Die Holzk#246;pfe waren in Eifer geraten, die Kn#252;ppel h#228;mmerten w#252;tend gegen die bemalten K#246;rper, einige Soldaten st#252;rzten . . . Erst nach geraumer Zeit gelang es Urfin, die Ordnung wiederherzustellen und seine arg zugerichtete Holzarmee auf eine Lichtung hinauszuf#252;hren, wo Rast gemacht wurde. Dann ging es weiter nach Norden. Bald zeigten sich zu beiden Seiten des Weges die reichen Farmen des Smaragdenlandes. Alles war hier gr#252;n: die H#228;user, die Z#228;une, die Kleider der Leute und ihre spitzen H#252;te, an deren breiten Krempen jedoch keine Silberschellen hingen. Die auf den Feldern arbeitenden Einwohner des Smaragdenlandes flohen beim Anblick der Holzk#246;pfe, die dr#246;hnend den Backsteinweg daherstampften. Die Leute versteckten sich hinter ihren gr#252;nen Z#228;unen und blickten #228;ngstlich auf die ungebetenen grimmigen G#228;ste, doch keiner wagte es, sich ihnen zu n#228;hern und zu fragen, wer sie seien und was sie hier begehrten. Kaggi-Karr, eine geschw#228;tzige und z#228;nkische, im Grunde aber gutm#252;tige Kr#228;he, hatte dem Scheuch den Gedanken eingegeben, sich ein Gehirn zu besorgen. Wir wollen erz#228;hlen, was aus ihr geworden ist, nachdem Elli den Scheuch vom Pfahl heruntergeholt und in die Smaragdenstadt mitgenommen hatte. Die Kr#228;he war Elli und dem Scheuch nicht gefolgt. Sie betrachtete das Weizenfeld als ihr rechtm#228;#223;iges Besitztum und blieb dort in Gesellschaft zahlloser anderer Kr#228;hen, Dohlen und Elstern. Sie fra#223;en derma#223;en, da#223; der Farmer, als er die Ernte einbringen wollte, nichts als leeres Stroh vorfand. „Da hat selbst die Vogelscheuche nichts geholfen", seufzte der Farmer. Er k#252;mmerte sich aber nicht weiter um den verschwundenen Scheuch und ging mit leeren H#228;nden nach Hause. Sp#228;ter erfuhr Kaggi-Karr durch die Vogelpost, da#223; irgendein Scheuch als Nachfolger des gro#223;en Zauberers Goodwin Herrscher in der Smaragdenstadt geworden sei. Im ganzen Wunderland k#246;nne es keine andere lebende Vogelscheuche geben, #252;berlegte Kaggi-Karr, als die, der sie einst geraten hatte, sich ein Gehirn zu verschaffen. F#252;r diese gro#223;artige Idee geb#252;hre ihr eine Belohnung, folgerte die Kr#228;he und flog schnurstracks in die Smaragdenstadt. Es war aber nicht leicht, zum Weisen Scheuch vorzudringen. Din Gior lehnte es ab, eine gew#246;hnliche Kr#228;he, wie er sagte, zum Herrscher vorzulassen. Kaggi-Karr war emp#246;rt. „Eine gew#246;hnliche Kr#228;he, sagst du? So h#246;re denn, Langbart: Ich bin eine alte Freundin deines Herrn, sozusagen seine Erzieherin und Lehrmeisterin. Ohne mich w#228;re er niemals zu seiner hohen Stellung gekommen! Und meldest du mich nicht augenblicklich dem Weisen Scheuch, so wird es dir schlimm ergehen!" Der Langbart meldete die Kr#228;he seinem Herrn und war nicht wenig erstaunt, als dieser befahl, sie sofort einzulassen und ihr alle h#246;fischen Ehren zu erweisen. Der Scheuch hatte die Kr#228;he f #252;r immer in dankbarer Erinnerung behalten. Er empfing sie strahlenden Angesichts in Anwesenheit der H#246;flinge, stieg von seinem Thron und machte mit seinen weichen, schwachen Beinen drei Schritte auf sie zu. Das ging in die Annalen des Hofes als gr#246;#223;te Ehrung ein, die jemals einem Gast zuteil wurde. Auf Befehl des Scheuchs wurde Kaggi-Karr in den Rang einer Hofdame erhoben und erhielt den Titel Erste Abschmeckerin. Der Scheuch selber brauchte zwar kein Essen, doch er f#252;hrte einen guten Tisch f#252;r seine H#246;flinge. Unter Goodwin hatte es einen solchen Brauch nicht gegeben, und die H#246;flinge priesen und lobten die Freigebigkeit ihres neuen Herrschers. Der Kr#228;he wurde ein herrliches Weizenfeld unweit der Stadtmauer zugewiesen, das von nun an als ihr Besitztum galt. Als Urfins Holzarmee anr#252;ckte, war Kaggi-Karr gerade dabei, eine zahlreiche Vogelgesellschaft auf ihrem Feld zu bewirten. Beim Anblick der bunt bemalten grimmigen Holzm#228;nner auf dem Backsteinweg erriet sie, da#223; es Feinde waren. Sie befahl ihren G#228;sten, diese aufzuhalten, und flog eiligst in die Stadt. Das Amt des Torh#252;ters der Smaragdenstadt versah Faramant. Seine oberste Pflicht bestand darin, zahlreiche gr#252;ne Brillen aller Gr#246;#223;en aufzubewahren, die auf Goodwins Befehl ein jeder beim Betreten der Stadt aufsetzen mu#223;te. Damit die Leute die Brillen nicht abnahmen, waren diese hinten mit kleinen Schl#246;ssern versehen. Der Weise Scheuch, der Goodwins Gesetze achtete, #228;nderte nichts an diesem Brauch. Kaggi-Karr schrie dem H#252;ter des Tores zu, da#223; Feinde im Anzug seien, und flog in das Schlo#223;. Die unz#228;hligen Dohlen, Elstern und Spatzen, die auf dem Felde zur#252;ckgeblieben waren, st#252;rzten sich auf Urfins Holzarmee, um ihren Vormarsch aufzuhalten. Die V#246;gel flatterten vor den Gesichtern der Soldaten, stie#223;en ihnen die Schn#228;bel in die R#252;cken, gingen auf ihre K#246;pfe nieder und versuchten, ihnen die Glasaugen herauszupicken. Eine flinke Elster ri#223; dem General sogar den Hut vom Kopf und flog mit ihm davon. Die Holzsoldaten fuchtelten mit ihren S#228;beln und Kn#252;ppeln, doch die V#246;gel wichen ihnen geschickt aus. Ein blauer Soldat traf aus Versehen den Arm eines gr#252;nen, der sich, vom Gefecht benommen, auf ihn st#252;rzte. Es kam zu einem w#252;sten Handgemenge. Als Unteroffizier Giton sich zwischen die beiden warf, traf ihn zuf#228;llig der Kn#252;ppel eines orangefarbenen Holzkopfs (der Schlag hatte einer Elster gegolten) und ri#223; ihm das Ohr ab. Es entstand ein schrecklicher Tumult. Urfin br#252;llte und stampfte mit den F#252;#223;en, General Lan Pirot wu#223;te nicht, was er eher tun sollte: dem diebischen Vogel nachrennen oder das Heer wieder ausrichten. Die milit#228;rische Disziplin gewann jedoch die Oberhand: Der General gab seinen Hut auf (die Elster baute aus ihm sp#228;ter ein pr#228;chtiges Nest) und begann mit seiner schweren Keule die Holzk#246;pfe zu bearbeiten. Es gelang ihm, die Ordnung notd#252;rftig wiederherzustellen. Die Armee hatte indessen die V#246;gel abgewehrt und trampelte nun auf das Tor zu. Wegen des Get#252;mmels hatte sie aber viel Zeit verloren, und Kaggi-Karr schaffte es gerade noch, die Stadt vom Anzug des Feindes zu benachrichtigen. Din Gior lief zum Tor. Er hatte sich den langen Bart #252;ber die Schulter geschlagen, und w#228;hrend er durch die Stra#223;en fegte, schrie er: „Hilfe! Hilfe! Feinde im Anzug!" Die Einwohner folgten aber nicht dem Ruf, sondern verkrochen sich in ihren H#228;usern. Din Gior erreichte das Tor, das Faramant fest verschlo#223;. Die beiden begn#252;gten sich aber nicht damit, sondern brachen Steine und Kristalle aus dem Pflaster heraus und t#252;rmten sie hinter dem Tor auf. Dieses war bereits bis zur H#228;lfte verrammt, als drau#223;en heftig geklopft wurde. „Aufmachen, aufmachen!" schrie jemand. „Wer ist da?" fragte Faramant. „Urfin, der m#228;chtige Herrscher des Blauen Landes!" „Was w#252;nscht Ihr?" „Die Smaragdenstadt soll sich ergeben und mich als ihren Gebieter anerkennen!" „Niemals!" entgegnete Din Gior. „Dann werden wir eure Stadt im Sturm nehmen!" „Versucht es doch!" erwiderte der Langbart. Din Gior und Faramant hoben ein paar gro#223;e Steine und Kristalle auf, stiegen auf die Mauer und verbargen sich hinter einem Vorsprung. Die Soldaten h#228;mmerten mit F#228;usten, F#252;#223;en und Stirnen gegen das Tor. Dann gingen sie in den nahen Wald und f#228;llten dort einen hohen Baum, schleppten ihn herbei, stellten sich, von den rotbemalten Unteroffizieren angetrieben, in zwei Reihen auf, hoben den Stamm an und rammten ihn krachend gegen das Tor. Din Gior schleuderte einen m#228;chtigen Kristall hinab, der Urfins Schulter traf und ihn umwarf. Ein zweiter Stein sauste auf Lan Pirots Kopf nieder, der ein Loch bekam, von dem nach allen Seiten hin Risse gingen. Urfin sprang auf und st#252;rzte davon, der Palisandergeneral folgte ihm auf dem Fu#223;e. Als die Holzk#246;pfe ihre F#252;hrer Rei#223;aus nehmen sahen, taten sie das gleiche. Es war eine panische Flucht. Unteroffiziere und Soldaten stolperten #252;bereinander, fielen und rafften sich wieder auf, warfen im Lauf Kn#252;ppel und S#228;bel fort, und ganz hinten lief, vor Angst br#252;llend, Meister Petz. Oben auf der Mauer lachte schallend der Langbart. Weit drau#223;en vor der Stadt kam das Heer zum Stehen. Urfin rieb sich die Schulter und schimpfte den General einen Feigling. Dieser rechtfertigte sich mit seiner schweren Verwundung und betastete seinen zerschlagenen Kopf. „Ihr seid ja auch geflohen, Gebieter", sagte Lan Pirot. „Holzkopf!" schrie Urfin emp#246;rt. „Euren Sch#228;del werd ich schon flicken, und wenn er wieder aufpoliert ist, sieht er wie neu aus. Wenn aber mein Kopf ein Loch bekommt, bin ich mausetot!" „Was bedeutet tot?" „Bl#246;dian!" entgegnete Urfin w#252;tend und brach das Gespr#228;ch ab. Der Vorfall endete damit, da#223; die Soldaten f#252;r alles verantwortlich gemacht und mit Kn#252;ppeln gez#252;chtigt wurden. Die Armee wagte keinen neuen Angriff und schlug nicht weit vom Tore ihr Lager auf. Die Belagerung der Stadt begann. Zwei- oder dreimal zeigten sich die Holzsoldaten vor dem Tor, aber von den Mauern flogen ihnen Steine entgegen, und sie zogen jedesmal wieder ab. Es schien, als ob die Stadt uneinnehmbar sei. In der Verteidigung gab es aber schwache Stellen. Ersteres bestand die M#246;glichkeit, da#223; die Lebensmittelzufuhr aufh#246;rt. Die Einwohner w#252;rden dann wohl einige Tage von ihren Vorr#228;ten leben, doch wenn diese zu Ende sind und der Hunger beginnt, w#252;rden sie aufbegehren und die #220;bergabe der Stadt an den Feind fordern. Zweitens k#246;nnten Din Gior und Faramant, die einzigen Verteidiger des Tores, einmal von M#252;digkeit #252;bermannt werden, und das konnte sich der Feind zunutze machen, um die Stadt zu #252;berrumpeln. All das bedachte der Scheuch mit seinem klugen Gehirn und traf die notwendigen Ma#223;nahmen. Unter den H#246;flingen und der B#252;rgerschaft fanden sich keine verl#228;#223;lichen Leute, und so siedelte er denn selber in das W#228;chterh#228;uschen Faramants #252;ber, was sich schon in der ersten Nacht als sehr vern#252;nftig erwies. Der Scheuch hie#223; Faramant und Din Gior, die furchtbar m#252;de waren, schlafen gehen, nahm ihren Platz auf der Mauer ein und blickte mit seinen stets offenen, aufgemalten Augen auf das weite Feld hinaus. Da sah er, da#223; Urfin zum Sturm r#252;stete. Die Belagerer hatten abgewartet, bis es hinter der Mauer still wurde, und schlichen sich nun leise an das Tor heran. Sie trugen Brecheisen und #196;xte, die sie in den umliegenden Farmen erbeutet hatten. Der Scheuch weckte Din Gior und Faramant, die die Angreifer mit einem Steinhagel empfingen und in die Flucht schlugen. Da umschlang der Strohmann die treuen Helfer mit seinen weichen Armen und sprach: „An Urfins Stelle h#228;tte ich meinen Soldaten befohlen, ihre K#246;pfe mit Holzschilden zu sch#252;tzen. Und ich bin #252;berzeugt, da#223; der Feind gerade so verfahren wird. Im Schutz der Schilde wird er dann ohne Angst das Tor einrennen." „Und was sollen wir tun, Gebieter?" fragte Din Gior. „Diese Holzmenschen m#252;ssen sich genau wie ich vor Feuer f#252;rchten", sagte der Scheuch nachdenklich. „Daraus folgt, da#223; wir auf der Mauer m#246;glichst viel Stroh bereit halten und Streichh#246;her bei der Hand haben m#252;ssen." Die Vermutung des Weisen Scheuchs sollte sich best#228;tigen. Bald begann in stockfinsterer Nacht ein neuer Angriff. Urfins Soldaten hielten #252;ber ihren K#246;pfen Torfl#252;gel, die sie sich auf den Farmen besorgt hatten, und gingen so die Mauer an. Als sie nahe genug waren, warfen die Verteidiger brennende Strohb#252;ndel auf sie hinab. Die Holzsoldaten hatten schon einmal durch Wasser gelitten, weil sie nicht wu#223;ten, was Wasser ist. Sie hatten aber auch von Feuer keine Ahnung. Als Urfin sie erschuf, f#252;rchtete er, da#223; ein Brand ausbrechen k#246;nnte, und hatte deshalb zu Hause nicht einmal den Ofen geheizt. Jetzt sollte ihm diese Vorsicht teuer zu stehen kommen. Das brennende Stroh fiel auf den Boden und auf die Schilde der Holzk#246;pfe, die #252;ber das ungewohnte Schauspiel staunten. Die z#252;ngelnden Flammen kamen ihnen in der n#228;chtlichen Dunkelheit wie wunderbare Blumen vor, die sich schnell entfalteten, und sie dachten gar nicht daran, sich vor dem Feuer in acht zu nehmen. Manche schoben sogar ihre H#228;nde in die Flammen, sp#252;rten aber keinen Schmerz und schauten t#246;richten Angesichts zu, wie ihre Fingerspitzen Feuer fingen. Schon hatte das Feuer mehrere Holzm#228;nner erfa#223;t und verbreitete einen brenzligen Geruch von verbrannter Farbe .. . Urfin begriff, da#223; seiner Armee diesmal etwas viel Schlimmeres drohte, als seinerzeit das Abenteuer am Flu#223;. Aber was sollte er tun? In der N#228;he war kein Wasser. Da gab ihm Guamoko einen Rat. „#220;bersch#252;tte sie mit Erde!" schrie sie dem verwirrten Urfin zu. Meister Petz folgte dem Rat als erster. Er stie#223; einen Unteroffizier um, der mit brennendem Kopf dastand, und begann mit seinen m#228;chtigen Tatzen Erde in die Flamme zu schaufeln. Nun erkannten auch die Holzk#246;pfe die Gefahr und wichen dem brennenden Stroh aus. Mit schweren Verlusten zog sich die Armee vom Stadttor zur#252;ck. Manche Soldaten hatten angekohlte K#246;pfe, die durch neue ersetzt werden mu#223;ten. Anderen waren die Augen herausgefallen oder die Ohren verbrannt, viele hatten die Finger verloren . . . „Ach, ihr Holzk#246;pfe!" seufzte Urfin. „Es w#228;re ja alles sch#246;n und gut, wo ihr doch so stark, tapfer und unerm#252;dlich seid . . . h#228;ttet ihr nur etwas mehr Verstand!" Aber den hatten sie eben nicht! Es war Urfin klar, da#223; die Smaragdenstadt nur durch Hunger bezwungen werden konnte - ein anderes Mittel gab es nicht. Das wu#223;te aber auch der Scheuch, der einen Kriegsrat einberief, an dem auch Kaggi-Karr teilnahm. Man #228;u#223;erte verschiedene Ansichten. Din Gior und Faramant meinten, man m#252;sse die Einwohner #252;berreden, f#252;r ihre Freiheit zu k#228;mpfen. Kaggi-Karr aber behauptete, es sei zwecklos, wu#223;te aber auch keinen Rat. Der Scheuch dachte so angestrengt nach, da#223; die Gehirnnadeln ihm aus dem Kopf traten, der pl#246;tzlich wie ein eiserner Igel aussah. Schlie#223;lich sagte er: „Urfin hat viele M#228;nner mitgebracht, aber die sind alle aus Holz. Mein Freund, der Holzf#228;ller, der im Land der Zwinkerer herrscht, ist nur ein Mann, daf #252;r aber aus Eisen. Eisen kann mit Holz nicht spalten, wohl aber. Holz mit Eisen. Also ist Eisen st#228;rker als Holz. Kommt uns der Eiserne Holzf#228;ller rechtzeitig zu Hilfe, so wird er Urfins Holzarmee zerschlagen." „Richtig!" kr#228;chzte die Kr#228;he beif#228;llig. Niemand h#228;tte so schnell und sicher das Violette Land erreichen k#246;nnen wie Kaggi-Karr, die nach Hilfe ausgesandt wurde. Die Kr#228;he machte sich auf den Weg und versprach, sich nirgends aufzuhalten und so schnell wie m#246;glich mit dem Eisernen Holzf#228;ller zur#252;ckzukehren. Ein Tag verging und noch einer. Die Verteidiger h#252;teten wachsam das Tor, und Urf m begann schon die Geduld zu verlieren, als ihm ein t#252;ckischer Gedanke kam, den selbst der Weise Scheuch nicht hatte voraussehen k#246;nnen. Nachts trat Urfin ein paar Schritte seitlich vom Tor an die Mauer heran und warf seinen Liebling, den scharfz#228;hnigen Holzclown, hin#252;ber. Dabei gab er ihm folgenden Auftrag: „Du mu#223;t unter den B#252;rgern einen Verr#228;ter finden, der uns das Tor #246;ffnet. Zum Lohn versprich ihm in meinem Namen das Amt des Obersten Zeremonienmeisters, einen Haufen Gold und ... kurz, versprich, was du willst, sp#228;ter werden wir's uns ja #252;berlegen k#246;nnen." Der Clown flog also #252;ber die Mauer und fiel auf ein weiches Blumenbeet. Er war aber sogleich wieder auf den Beinen und huschte wie eine Ratte durch die dunklen Stra#223;en der Stadt. Im ersten Haus, in das er sich durch die angelehnte T#252;r geschlichen hatte, sa#223; ein zittriger Greis mit seiner Frau. Die beiden interessierten den Kundschafter nicht, und er ging weiter. In einem anderen Haus stand ein Fenster offen, aas dem Gespr#228;chsfetzen drangen: „'ne Schande ... wir h#228;tten ... zu Hilfe ... Waffen da w#228;ren . .." Der Clown begriff, da#223; er auch hier nichts zu suchen hatte. Er kam an vielen H#228;usern vorbei, bis er schlie#223;lich eines sah, das gr#246;#223;er und sch#246;ner war als die anderen. Zwei M#228;nner traten aus der T#252;r und blieben auf der Treppe stehen. Der erste sagte: „Du bist, verehrter Ruf Bilan, dem Scheuch also immer noch b#246;se?" Der zweite, ein kleiner, feister Mann mit rotem Gesicht, erwiderte zornig: „Soll ich mich vielleicht mit der Strohpuppe auss#246;hnen, die ohne jedes Recht auf dem Herrscherthron unserer Stadt sitzt? H#228;tte mir dieser Thronr#228;uber wenigstens ein Amt gegeben, das meinem Geist und meinen Verdiensten angemessen w#228;re! Er hat es aber nicht getan! Soll ich, ein Ruf Bilan, mich mit dem nichtigen Titel eines Aufsehers des Schlo#223;bades zufriedengeben? Eine Schande!" Der Gast hatte sich verabschiedet, und der Hausherr wollte schon die T#252;r schlie#223;en, als er unten jemanden piepsen h#246;rte: „Verzeihung, verehrter Ruf Bilan! Ich hab dir etwas zu sagen!" Der erstaunte Dicke lie#223; den Clown ins Haus eintreten. Drinnen sprang die Puppe auf den Tisch, blickte sich nach allen Seiten um und fl#252;sterte dem Hausherrn ins Ohr: „Ich komme vom m#228;chtigen Zauberer Urfin. Was er kann, das siehst du an mir. Er hat mich, eine Holzpuppe, zum Leben erweckt. Das haben selbst die Zauberschwestern Gingema und Bastinda nicht vermocht." „Was w#252;nschst du von mir?" stammelte Ruf Bilan. „Da#223; du in den Dienst meines Herrn trittst. Er wird dich reich und m#228;chtig machen und alle deine W#252;nsche erf#252;llen . . ." Ruf Bilan versprach, jeden Befehl des neuen Zauberers auszuf#252;hren. Dann warf er den Clown zur#252;ck #252;ber die Mauer, und dieser meldete Urfin, da#223; der Auftrag erf#252;llt sei. Am n#228;chsten Morgen trat Ruf Bilan vor den Scheuch und erkl#228;rte, er wolle die Stadt verteidigen helfen. Dann stand er den ganzen Tag auf der Mauer, warf Steine hinab und brachte sogar einen Feindsoldaten zu Fall. Der Scheuch lobte Ruf Bilan f#252;r seine Tapferkeit und Ausdauer. Sp#228;tabends kam Rufs Diener mit einem Korb Proviant und einem F#228;#223;chen Wein, und Ruf teilte alles gro#223;z#252;gig mit seinen Kampfgef#228;hrten. Din Gior und Faramant tranken den wein, ohne auf seinen sonderbaren Beigeschmack zu achten, und fielen sofort in einen tiefen Schlaf, denn Ruf hatte ein Schlafpulver in den Wein gesch#252;ttet. Er und sein Diener fesselten den Scheuch, r#228;umten die Steine vom Tor weg. und die Holzarmee zog in die Smaragdenstadt ein. Am Morgen wurden die Einwohner von Trompetenschall geweckt. Ein Herold, in dem sie Bilans Diener erkannten, verk#252;ndete, da#223; von heute an der m#228;chtige Urfin Herrscher der Smaragdenstadt sei, dem ein jeder widerspruchslos gehorchen m#252;sse. Widrigenfalls w#252;rden schwere Strafen verh#228;ngt werden. Der Weise Scheuch wurde in den Schlo#223;keller geworfen. Nun sa#223; er zerknirscht da, es war ihm elend zumute. Nicht, da#223; er der verlorenen Macht nachgetrauert h#228;tte - das konnte er leicht #252;berwinden, - ihn plagte vielmehr der Gedanke, da#223; dem Eisernen Holzf#228;ller, der ihm zu Hilfe eilte, Unheil drohte. Und er wu#223;te nicht, wie er ihr warnen sollte. Faramant und Din Gior, die in dem gleichen Keller eingesperrt waren, bem#252;hten sich vergeblich, den gest#252;rzten Herrscher zu tr#246;sten. Am n#228;chsten Tag zog der Herold wieder durch die Stra#223;en. Er verk#252;ndete, da#223; die Einwohner der Smaragdenstadt, die dem m#228;chtigen Urfin dienen wollen, bei ihm gn#228;dige Aufnahme finden und #196;mter am Hof bekommen w#252;rden. Au#223;er Ruf Bilan fanden sich aber nur wenige, #252;bel beleumdete B#252;rger, die der Lockung folgten. Ruf erhielt das Amt des Obersten Zeremonienmeisters. Als er aber den Herrscher an die Belohnung erinnerte, die ihm in Gold versprochen worden war, tat Urfin sehr erstaunt. Der Clown, sagte er, habe ihn falsch verstanden, er h#228;tte ihn zu solchen Versprechungen nicht erm#228;chtigt. Auch die anderen #220;berl#228;ufer bekamen hohe Posten. Urfin ernannte sie zu Ordnern und Aufsehern . . . Ihre Zahl reichte jedoch nicht f#252;r einen #252;ppigen Hof, wie ihn Urfin ertr#228;umte. Vergeblich sandte er Boten zu den ehemaligen H#246;flingen des Scheuchs. Obwohl diese es gewohnt waren, den ganzen lieben Tag mit Schwatzen und Kichern am Hofe zu verbringen, und sich dabei einbildeten, wichtige Staatsgesch#228;fte zu versehen, schlugen sie Urfins Angebot aus. Jedermann verachtete die neuen H#246;flinge. Besondere Verachtung und Ha#223; aber empfanden die Leute gegen Ruf Bilan, den Verr#228;ter. Jetzt zeigte er sich nur noch in Begleitung zweier Holzk#246;pfe in der Stadt. Auch die anderen R#228;te wagten sich nicht ohne Eskorte auf die Stra#223;e. Urfin hatte von Ruf Bilan erfahren, da#223; der Scheuch die Kr#228;he nach dem Eisernen Holzf#228;ller geschickt hatte. Er rechnete sich aus, wann dieser zu erwarten sei, und bereitete ihm eine Falle. Bilan vertauschte seine vornehme Hoftracht gegen einen einfachen Rock und nahm den Platz Faramants im W#228;chterh#228;uschen vor dem Tor ein. Unter dem Torbogen lauerte ein Zug Holzsoldaten unter Unteroffizier Arum mit Stricken in den H#228;nden dem Holzf#228;ller auf ... Unterdessen flog Kaggi-Karr unangefochten in das Land der Zwinkerer, wo sie den eisernen Mann, einen gro#223;en Schmiedehammer in den H#228;nden, auf der Stra#223;e antraf. Als die Zwinkerer dem Holzf#228;ller vor wenigen Monaten die Herrschaft #252;ber ihr Land angeboten hatten, sagten sie zu ihm: „Ein Herrscher, wie Ihr es seid, ist gerade der richtige f#252;r uns: Ihr e#223;t nicht, Ihr trinkt nicht, also werdet Ihr uns auch keine Steuern auferlegen .. ." Die Zwinkerer bekamen mehr, als sie erwartet hatten. Der Eiserne Holzf#228;ller trieb nicht nur keine Steuern ein, sondern arbeitete sogar f#252;r seine Untertanen. Er sehnte sich nach Elli, dem Scheuch und dem Tapferen L#246;wen, und da er Faulenzen nicht gew#246;hnt war, zog er am fr#252;hen Morgen aufs Feld hinaus, wo er m#228;chtige Steine zerkleinerte, mit denen er dann die Stra#223;en pflasterte, was den Zwinkerern in zweierlei Hinsicht zustatten kam. Erstens wurden die Felder von Steinen ges#228;ubert, und zweitens entstanden erstklassige Stra#223;en, die in alle Teile des Landes f#252;hrten. Bei der Nachricht, der Scheuch sei in Gefahr, warf der Holzf#228;ller den Hammer fort, lief in das Schlo#223; nach der Axt und machte sich sofort auf den Weg. Die Kr#228;he, die sich auf seine Schulter gesetzt hatte, schilderte ihm ausf#252;hrlich die traurigen Neuigkeiten. Die Zwinkerer rieben sich die Augen und zwinkerten wehm#252;tig dem davonziehenden Herrscher nach . . . . Der eiserne Holzf#228;ller n#228;herte sich der Smaragdenstadt. Ringsum war alles still. Urfins Lager gab es nicht mehr, das Tor war wie gew#246;hnlich verschlossen. Der Holzf#228;ller klopfte. Im Fensterchen zeigte sich das rote Gesicht Ruf Bilans. „Wo ist Faramant?" fragte der Holzf#228;ller verwundert. „Er ist krank. Ich hab ihn abgel#246;st." „Was ist eigentlich los bei euch?" „Ach, nicht der Rede wert. Feinde hatten uns #252;berfallen, wir haben sie zur#252;ckgeschlagen, und dann sind sie mit gro#223;en Verlusten abgezogen." „Und wie geht's dem Scheuch?" „Er ist wohlauf und guter Dinge und erwartet Sie schon, verehrter Herr Holzf#228;ller! Bitte sehr, kommen Sie herein", sagte Ruf Bilan und #246;ffnete die Pforte. Kaum war der eiserne Mann unter den dunklen Torbogen getreten, da wurde ihm die Axt entrissen, und er f#252;hlte, wie Stricke seine Brust umschn#252;rten. Nach einem kurzen verzweifelten Kampf lag er gefesselt am Boden. „Verrat!" schrie Kaggi-Karr, der es gelungen war, vor dem Zugriff der Holzk#246;pfe auf die Mauer zu fl#252;chten. Die Kr#228;he sah, wie der entwaffnete und gefesselte Holzf#228;ller in das Schlo#223; geschleppt wurde, gefolgt von den traurigen Blicken der B#252;rger, die hinter ihren halbge#246;ffneten Fenstern standen. Die Kr#228;he beobachtete den Zug von weitem. Dann flog sie ihm nach und setzte sich schlie#223;lich auf einen Mauersims neben dem offenen Fenster des Thronsaals, von wo sie alles sah und h#246;rte, was drinnen vorging. Urfin sa#223; in pr#228;chtigem Gewand auf dem smaragdengeschm#252;ckten Thron. In seinen finsteren Augen unter den zusammengewachsenen schwarzen Brauen spiegelte sich Triumph. Die wenigen Hofleute dr#228;ngten sich um den Thron. An den W#228;nden standen, Statuen gleich, gelbe und gr#252;ne Holzsoldaten. Der Eiserne Holzf#228;ller wurde in den Saal gef#252;hrt. Ruhig ging er #252;ber das gemusterte Parkett, das unter seinen schweren Schritten erzitterte. Hinter ihm trugen zwei Soldaten die blitzende riesige Axt. Schaudernd dachte Urfin daran, was aus seinem Heer geworden w#228;re, h#228;tte er diesen Recken nicht #252;berlistet. Der Eiserne Holzf#228;ller schaute furchtlos in das pr#252;fende Auge des Diktators, der Ruf Bilan ein Zeichen gab, worauf dieser im Laufschritt den Saal verlie#223;. Nach ein paar Minuten wurde der Scheuch hereingef#252;hrt. Der Eiserne Holzf#228;ller sah dessen zerrissenes Kleid, aus dem das Stroh hervorkam, und die schlaffen Arme, und es ergriff ihn tiefes Mitleid mit seinem Freund, der noch unl#228;ngst #252;ber die Smaragdenstadt geherrscht und stolz gewesen war auf sein pr#228;chtiges Gehirn. Tr#228;nen rannen aus den Augen des Eisernen Holzf#228;llers. „Gib acht, du hast die #214;lkanne nicht bei dir!" schrie entsetzt der Scheuch. „Du wirst ja verrosten!" „Verzeih, mein Freund!" sagte der eiserne Mann. „Man hat mich sch#228;ndlich #252;berlistet, und ich hab dir nicht helfen k#246;nnen." „Nein, du mu#223;t mir verzeihen, da#223; ich dich so voreilig rufen lie#223;", entgegnete der Scheuch. „Genug der Z#228;rtlichkeiten!" fuhr Urfin sie grob an. „Es geht jetzt nicht darum, wer wem zu verzeihen hat, sondern um euer Schicksal. Werdet ihr mir dienen oder nicht? Ich will euch hohe #196;mter geben, zu Statthaltern machen, ihr sollt wie fr#252;her eure L#228;nder regieren, aber nur unter meiner Oberherrschaft." Der Scheuch und der Eiserne Holzf#228;ller wechselten einen Blick und erwiderten: „Nein!" „Ihr seid von eurer Niederlage noch ganz benommen und wi#223;t gar nicht, was ihr redet", sagte Urfin grimmig. „Denkt daran, da#223; ihr in meiner Hand seid, bevor ihr antwortet!" „Nein", wiederholten der Holzf#228;ller und der Scheuch. „#220;berlegt euch eure Lage, ich will euch Zeit lassen. Morgen zur selben Stunde werdet ihr wieder vor mir stehen. Hallo, Wache! In den Keller mit den Beiden!", Ein paar Soldaten mit einem rotbemalten Unteroffizier f#252;hrten die Gefangenen ab. Kaggi-Karr aber flog auf das Weizenfeld, um sich zu st#228;rken. Doch dieses Feld geh#246;rte jetzt nicht mehr ihr. Schon von weitem erblickte sie etwa zwei Dutzend M#228;nner und Frauen, die unter Aufsicht violetter Soldaten den Weizen abm#228;hten. Mi#223;gelaunt flog Kaggi-Karr in den Wald, wo sie einigerma#223;en ihren Hunger stillte. Am n#228;chsten Morgen sa#223; sie wieder auf dem Fenstersims und wartete, da#223; die Gefangenen in den Thronsaal gef#252;hrt w#252;rden. Der Holzf#228;ller und der Scheuch schlugen Urfins Angebot abermals aus. Am dritten Tag standen sie wieder vor dein w#252;tenden Diktator. „Nein, nein und abermals nein!" war ihre Antwort, und dabei blieb es. „R-r-richtig! Urr-ffin! Kan-nail-le!" lie#223; sich eine jauchzende Stimme vom Fenster vernehmen. Kaggi-Karr hatte sich nicht beherrschen k#246;nnen, sie mu#223;te ihre Meinung #228;u#223;ern. Urfin befahl den H#246;flingen, die Kr#228;he zu fangen. Ihre M#252;he war jedoch umsonst. Als sie herausgest#252;rzt kamen, flog Kaggi-Karr mit h#246;hnischem Gekr#228;chze auf den oberen Fenstersims. „H#246;rt meinen Spruch!" sagte Urfin. Alle Anwesenden hielten den Atem an. „Ich k#246;nnte den Scheuch verbrennen und aus dem Eisernen Holzf#228;ller N#228;gel schmieden, ich tue es aber nicht, sondern la#223; sie am Leben . . . ." Die H#246;flinge begannen den Gro#223;mut ihres Herrschers zu preisen. Urfin fuhr fort: „Jawohl, ihr frechen Starrk#246;pfe, ich la#223; euch am Leben, aber nur f#252;r ein halbes Jahr. Werdet ihr euch nach Ablauf dieser Frist meinem Willen nicht f#252;gen, so hat eure Stunde geschlagen. Fis dahin bleibt ihr in Haft, und nicht im Keller, sondern auf einem hohen Turm, damit euch jeder sehen und sich von Urfins Macht #252;berzeugen kann. Hallo, f#252;hrt sie ab!" rief er der Wache zu. Stampfend f#252;hrten die Holzk#246;pfe die Gefangenen ab. Unweit von der Smaragdenstadt stand ein Turm, den ein K#246;nig oder ein Zauberer - man wu#223;te es nicht mehr genau vor vielen Jahren errichtet hatte. Als Goodwin die Stadt baute, diente ihm der Turm als Beobachtungsstand. Immer standen Wachen da und pa#223;ten auf, da#223; sich keine b#246;se Zauberin unbemerkt an die Stadt heranschleiche. Nun aber, da Elli die b#246;sen Zauberinnen vernichtet hatte und Goodwin fortgezogen war, stand der Turm unbenutzt und d#252;ster auf weiter Flur. Unten befand sich eine T#252;r, von der aus eine schmale, verstaubte Wendeltreppe auf die obere Wehrplatte f#252;hrte. Diese wurde nun auf Befehl des Herrschers mit Dachziegeln #252;berdeckt, denn Urfin wollte nicht, da#223; der Holzf#228;ller im Regen einroste und des Scheuchs Gesichtsbemalung zerflie#223;e, denn das h#228;tte sie ja hindern k#246;nnen, in seinen Dienst zu treten! Die Holzk#246;pfe brachten den Scheuch und den Eisernen Holzf#228;ller in den Turm. Die Arme des eisernen Mannes waren immer noch gefesselt - die B#252;ttel f#252;rchteten ihn, selbst wenn er unbewaffnet war! Allein gelassen, blickten sich die beiden Freunde um. Im S#252;den waren die gr#252;nen H#228;uschen der Farmer zu sehen, umgeben von G#228;rten und Feldern, zwischen die sich der gelbe Backsteinweg, ein stummer Zeuge unz#228;hliger Geschichten und Abenteuer, bis zum Stadttor hin wand. Im Norden breitete sich die Smaragdenstadt aus. Da ihre Mauern niedriger waren als der Kerkerturm, konnte man gut die H#228;user unterscheiden, deren D#228;cher sich #252;ber den schmalen Stra#223;en fast ber#252;hrten, den Platz, auf dem einmal Springbrunnen pl#228;tscherten, und die mit riesigen Smaragden geschm#252;ckten Turmspitzen des Schlosses. Der Scheuch und der Holzf#228;ller sahen etliche winzige Gestalten, die an den Turmspitzen zu den Smaragden hin krochen. „Sch#246;ner Ausblick?" ert#246;nte eine schrille Stimme. Der Scheuch und der Holzf#228;ller wandten sich um und erblickten - Kaggi-Karr. „Was geschieht denn dort?" fragte der Scheuch. „Nichts Au#223;ergew#246;hnliches", erwiderte die Kr#228;he. „Auf Befehl des neuen Herrschers werden alle Smaragden von den T#252;rmen und Mauern entfernt und in die Schatzkammer Urfins gelegt. Unsere Smaragdenstadt h#246;rt auf, eine Smaragdenstadt zu sein. Jetzt wi#223;t Ihr, was geschieht!" „Verdammt!" entfuhr es dem Eisernen Holzf#228;ller. „Ich m#246;chte mal diesem Urfin und seinen Holzmannen mit der Axt in den H#228;nden gegen#252;berstehen. Glaubt mir, ich w#252;rde bei dieser Gelegenheit bestimmt vergessen, da#223; ich ein weiches Herz habe!" „Dazu mu#223; man aber etwas tun und nicht mit gebundenen H#228;nden herumsitzen!" bemerkte die Kr#228;he bissig. „Ich hab versucht, die Arme des Holzf#228;llers freizubekommen, aber mir reicht die Kraft nicht", gestand der Scheuch verlegen. „Ach du! Schau, wie man's macht!" Kaggi-Karr hackte mit ihrem Schnabel los, und in wenigen 3 Minuten fielen die Fesseln vom Holzf#228;ller ab. „Au, wie fein!" - der eiserne Mann reckte sich wohlig. „Ich war wie eingerostet ... Wollen wir jetzt hinuntergehen? Ich werde die T#252;r schon aufbrechen ..." „Hat keinen Zweck", sagte die Kr#228;he. „Vorne stehen Holzsoldaten mit Kn#252;ppeln. La#223;t uns nachdenken, vielleicht finden wir einen Ausweg." „Denken ist Sache des Scheuchs", sagte der Eiserne Holzf#228;ller. „Jetzt siehst du, da#223; ich recht hatte, als ich dir sagte, ein Gehirn sei besser als ein Herz", rief der Scheuch geschmeichelt. „Ja, aber ein Herz ist auch was wert", entgegnete der Holzf#228;ller. „Ohne Herz w#228;re ich zu nichts nutz und k#246;nnte auch nicht meine Braut lieben, die im Blauen Lande lebt." „Aber das Gehirn . . .", begann der Scheuch wieder. „Gehirn, Herz, Herz, Gehirn!" fuhr #228;rgerlich die Kr#228;he dazwischen. „La#223;t doch den Streit, es ist Zeit, etwas zu unternehmen." Kaggi-Karr war zwar eine griesgr#228;mige Kr#228;he, aber ein treuer Freund. Die beiden mu#223;ten zugeben, da#223; sie recht hatte, und der Scheuch begann eifrig nachzudenken. Er dachte gut drei Stunden nach. Vor lauter Anstrengung krochen ihm die Nadeln aus dem Kopf, und der Holzf#228;ller bef#252;rchtete schon, das k#246;nnte f#252;r seinen Freund schlimme Folgen haben. „Ich hab's!" rief pl#246;tzlich der Scheuch und schlug sich so heftig mit der Hand gegen die Stirn, da#223; ein Dutzend Nadeln in seiner Handfl#228;che steckenblieben. Die Kr#228;he, die eingeschlummert war, fuhr aus dem Schlaf und sagte: „Sprich!" „Wir m#252;ssen einen Brief an Elli schreiben. Sie ist ein kluges M#228;dchen, ihr wird schon was einfallen." „Eine gute Idee", sagte Kaggi-Karr sp#246;ttisch. „Nur m#246;cht ich wissen, wer ihr den Brief #252;berbringen wird." „Wer? Nat#252;rlich du!" entgegnete der Scheuch. „Ich ?" wunderte sich Kaggi-Karr. „Ich soll #252;ber Berg und W#252;ste in ein unbekanntes Land Biegen, wo die V#246;gel nicht einmal sprechen k#246;nnen? Das hast du dir aber sch#246;n ausgedacht. Besten Dank! „Nun, wir werden nicht darauf bestehen", sagte der Scheuch. „Wir k#246;nnen ja eine j#252;ngere Kr#228;he nach Kansas schicken." Kaggi-Karr entr#252;stete sich: „Eine j#252;ngere? Ich bin aber erst hundertzwei Jahre alt! Ihr haltet mich wohl f#252;r eine Greisin, was? Damit ihr's aber wi#223;t: Bei uns Kr#228;hen ist man mit hundertzwei Jahren noch ein junges Ding! Und was w#252;rde eine andere Kr#228;he ausrichten? Erstens w#252;rde sie sich verirren und niemals nach Kansas kommen! Zweitens w#252;rde sie Elli in Kansas nicht finden, denn sie hat das M#228;delchen nie gesehen. Drittens . . . Kurz, ich werde den Brief bestellen." Der Eiserne Holzf#228;ller aber sagte: „F#252;r einen Brief brauchen wir ein weiches z#228;hes Blatt von einem Baum, das wir um dein Bein wickeln k#246;nnten, und au#223;erdem eine Nadel." „Eine Nadel kann ich mir aus dem Kopf herausziehen", sagte der Scheuch. „Ich hab dort genug davon." Die Kr#228;he flog fort und kehrte bald mit einem gro#223;en glatten Blatt zur#252;ck. Der Scheuch nahm es in die Hand, zupfte sich eine Nadel aus dem Kopf und reichte beides dem Eisernen Holzf#228;ller: „Da, schreib!" „Nein, du sollst den Brief schreiben. Es war ja deine Idee!" sagte der Holzf#228;ller. „Aber ich dachte, du wirst es tun. Ich hab ja das Schreiben noch gar nicht erlernt." „Und ich hab wegen der Staatsgesch#228;fte keine Zeit dazu gehabt", gestand der Holzf#228;ller. „Was fangen wir jetzt an?" „Wir m#252;ssen den Brief nicht unbedingt schreiben, wir k#246;nnen ihn ja zeichnen!" erwiderte der Scheuch. „Ich versteh nicht, wie man einen Brief zeichnen kann", sagte der Holzf#228;ller. „Nun, wir zeichnen uns beide hinter einem Gitter. Elli ein kluges M#228;dchen ist, wird sogleich erraten, da#223; wir in Not sind und ihre Hilfe erbitten." „Richtig!" freute sich der Holzf#228;ller. „Also, fang an!" Doch vergeblich bem#252;hte sich der Scheuch. Die Nadel entglitt seinen weichen Fingern, und er konnte nicht einmal eine einfache Linie zeichnen. Da versuchte es der Eiserne Holzf#228;ller, und siehe, es gelang! Er hatte gar nicht erwartet, da#223; er's so gut machen w#252;rde. Offenbar hatte er ein Talent zum Zeichnen. Der Scheuch zog einen langen Faden aus seinem Rockscho#223; heraus, wickelte das Blatt mit der Zeichnung um das Bein der Kr#228;he und befestigte es mit dem Faden. Kaggi-Karr nahm Abschied von ihren Freunden, schl#252;pfte durch das Gitter hinaus, l#252;ftete die Fl#252;gel und verschwand in blauer Ferne. Nachdem Urfin die Smaragdenstadt erobert hatte, sann er lange nach, welchen Titel er sich zulegen solle. Er entschlo#223; sich f#252;r folgenden: Urfin der Erste, m#228;chtiger K#246;nig der Smaragdenstadt und der ansto#223;enden L#228;nder, Herr der Stiefel, die das Weltall treten. Als erste vernahmen Meister Petz und Guamoko den neuen Titel. Der einf#228;ltige B#228;r brach in Begeisterung aus, w#228;hrend die Eule ihre gelben Augen zukniff und nur kurz bemerkte: „La#223; uns vorerst h#246;ren, wie die Hofleute den Titel aussprechen." Urfin folgte dem Rat. Er rief Ruf Bilan und andere H#246;flinge des h#246;chsten Ranges in den Thronsaal und sagte voller Stolz den Titel auf. Dann befahl er Bilan: „Wiederholt jetzt, Herr Oberster Zeremonienmeister, meine Worte!" Der Dickwanst bekam unter dem strengen Blick seines Herrschers einen roten Kopf und murmelte: „Urfin der Erste, m#228;chtiger K#246;nig der Smaragdenstadt und der angesto#223;enen L#228;nder, Herr der Stiefel, die ins Weltall treten . . ." „Schlecht, sehr schlecht!" sagte Urfin streng und wandte sich an den n#228;chsten. „Sagen Sie's, Herr Aufseher der L#228;den, der st#228;dtischen H#228;ndler und der Bauchl#228;den der Marktweiber!" Stotternd sprach der H#246;fling: „Ihr Name ist Urfin der Erste, Herrschaftsk#246;nig der Smaragdenstadt und der umgesto#223;enen L#228;nder, Herr der Stiefel, die aus dem Weltall treten . . ." Da h#246;rte man ein ersticktes Husten der Eule, die vor verhaltenem Lachen zu bersten drohte. Zornrot jagte Urfin die H#246;flinge aus dem Saal. Wieder sann er mehrere Stunden und entschied sich schlie#223;lich f#252;r folgenden Titel: „Urfin der Erste, der m#228;chtige K#246;nig der Smaragdenstadt und des ganzen Wunderlandes." Er lie#223; die Hofleute rufen, die die Pr#252;fung diesmal gut bestanden. Der neue Titel wurde dem Volk verk#252;ndet mit der Warnung, jede Entstellung werde als Landesverrat angesehen und streng geahndet. Aus Anla#223; der Titelverleihung sollte ein grandioses Volksfest stattfinden. Ruf Bilan und General Lan Pirot wu#223;ten, da#223; kein Einwohner der Stadt und Umgebung freiwillig zu diesem Fest kommen w#252;rde, und trafen daher Ma#223;nahmen. Nachts vor dem Fest, als alle B#252;rger noch schliefen, gingen die Holzk#246;pfe in die H#228;user, rissen die Leute aus dem Schlaf und schleppten sie auf den Schlo#223;platz. Dort konnten sie ganz nach Belieben weiterschlafen oder wach bleiben, aber den Platz durfte niemand verlassen. Als Urfin in pr#228;chtiger K#246;nigstracht auf dem Balkon des, Schlosses erschien, stand eine Menge Volk auf dem Platz. Man h#246;rte aber nur ein schwaches „Hurra", das Urfins Kumpane und seine Holzsoldaten anstimmten. In diesem Augenblick setzte das Orchester ein. Es war aber nicht das Orchester, dessen liebliches Spiel das ganze Land bewundert hatte. Die Musikanten hatten sich trotz aller Drohungen geweigert zu spielen, und Urfin lie#223; ihre Instrumente unter die Hofleute und Holzsoldaten verteilen. Die letzteren erhielten Schlaginstrumente - Trommeln und Pauken - und die Hofleute Blasinstrumente - Trompeten, Fl#246;ten und Klarinetten. Aber wie kl#228;glich spielte dieses auf Befehl der Obrigkeit zusammengew#252;rfelte Orchester! Die Trompeten kr#228;chzten, die Klarinetten heulten, die Fl#246;ten fauchten wie wilde Katzen, und die Trommeln und Pauken kamen jedesmal aus dem Takt. Die Holzk#246;pfe h#228;mmerten so beflissen auf die Trommeln ein, da#223; die Felle platzten, und bald gaben sie keinen Laut mehr von sich. Die bronzenen Becken zerbrachen und schepperten heiser. Heiterkeit bem#228;chtigte sich des Volkes. Die Leute pre#223;ten die H#228;nde vor den Mund, konnten aber das Lachen nicht unterdr#252;cken, das schallend aus ihnen hervorbrach. Manche fielen sogar um und wanden sich wie in Kr#228;mpfen. Der Hofchronist schrieb sp#228;ter, da#223; diese Heiterkeit von der Freude herr#252;hrte, die das ganze Volk #252;ber die Thronbesteigung des m#228;chtigen K#246;nigs Urfin des Ersten empfunden hatte. Nach der Zeremonie wurden alle Anwesenden zu einem Schmaus in das K#246;nigsschlo#223; geladen. Gingema hatte seinerzeit mit Vergn#252;gen die #252;blichen Gerichte der Zauberer - M#228;use und Blutegel - gegessen, Urfin aber konnte es trotz des Zuredens der Eule nicht #252;ber sich bringen, auch nur einen Blutegel oder eine Maus zu verzehren. Er hatte sich statt dessen aber einen Trick ausgedacht: Noch vor dem Schmaus bestellte er den Koch Baluol zu einer l#228;ngeren Unterredung unter vier Augen. Als der Dicke fortging, schnitt er schreckliche Grimassen, und es kostete ihn ungeheure Anstrengung, ein Lachen zu unterdr#252;cken. Er h#228;tte viel darum gegeben, jemanden in das Geheimnis einweihen zu d#252;rfen, das ihm Urfin anvertraut hatte. Er h#252;tete sich aber, es auszuplaudern, denn Urfin hatte ihm das unter Todesstrafe verboten. Baluol schickte die K#252;chenjungen fort, verschlo#223; die T#252;ren und bereitete die Speisen, die der Herrscher gefordert hatte. Der Schmaus ging seinem Ende entgegen, die Hofleute hatten schon unz#228;hlige Gl#228;ser auf die Gesundheit ihres Herrschers geleert. Urfin sa#223; zu H#228;upten des Tisches auf Goodwins Thron, der aus dem Thronsaal herbeigeschafft worden war, damit jedermann die Gr#246;#223;e des Eroberers sehe. Die Smaragden waren l#228;ngst #252;berall herausgebrochen worden, nur die im Thron eingefa#223;ten hatte man nicht anger#252;hrt, und jetzt lie#223; ihr Gefunkel das finstere Gesicht des Diktators noch absto#223;ender erscheinen. Auf der Lehne des Throns hockte mit schl#228;frig zusammengekniffenen Augen die Eule. Daneben stand Meister Petz, der die Anwesenden scharf im Auge behielt. Er war bereit, sich aufjeden zu st#252;rzen, der es dem Herrscher gegen#252;ber an Respekt fehlen lassen sollte. Pl#246;tzlich tat sich die T#252;r auf, und herein trat der Koch mit zwei Tellern auf einem goldenen Tablett. „Die Lieblingsspeisen Eurer Majest#228;t!" meldete er laut und stellte das Tablett vor den K#246;nig hin. Den Hofleuten drehte sich der Magen um, als sie die Speisen sahen. Auf einem Teller t#252;rmten sich ger#228;ucherte M#228;use mit geringelten Schw#228;nzchen, auf dem anderen lagen schwarze schl#252;pfrige Blutegel. Urfin sagte: „Wir Zauberer haben einen besonderen Geschmack, und er wird euch einfachen Menschen vielleicht etwas merkw#252;rdig vorkommen . . ." Meister Petz brummte: „Ich m#246;chte den Kerl sehen, dem der Geschmack unseres Herrschers merkw#252;rdig vorkommet!" Grabesstille herrschte im Saal, als Urfin mehrere ger#228;ucherte M#228;use hintereinander verzehrte und dann einen Blutegel, der sich unter seinen Fingern wand, an den Mund f#252;hrte. Alle Anwesenden blickten zu Boden, ausgenommen den Obersten Zeremonienmeister Ruf Bilan, der den Herrscher unterw#252;rfig anstarrte. Wie w#252;rden sich die Zuschauer dieses Schauspiels gewundert haben, h#228;tten sie das Geheimnis des K#246;nigs und seines Kochs gekannt! Die Zauberspeisen waren n#228;mlich nur eine geschickte F#228;lschung: Baluol hatte die M#228;use aus zartem Kaninchenfleisch zubereitet und die Blutegel aus s#252;#223;em Schokoladeteig gebacken, und wenn diese sich wanden, so nur dank den flinken Fingern Urfins. Urfin wollte durch dieses Schauspiel zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Erstens der Eule vort#228;uschen, da#223; er jetzt ein echter Zauberer sei, und zweitens seine Untertanen in Angst und Staunen versetzen. Beides gelang ihm. Die Eule, die bei Kerzenlicht schlecht sah, fiel auf den Schwindel herein und nickte beif#228;llig. Auch auf die Hofleute und R#228;te verfehlte das Schauspiel seine Wirkung nicht. Nach dem Schmaus erz#228;hlten sie zu Hause ihren Angeh#246;rigen, was sie gesehen und geh#246;rt hatten, und dabei fehlte es, nat#252;rlich nicht an #220;bertreibungen. Bald verbreitete sich das Ger#252;cht im Lande, der Zauberer Urfin habe beim Festmahl lebende Eidechsen und Schlangen gegessen, und das erf#252;llte die B#252;rger mit Abscheu und Entsetzen. Drei Tage nach dem Schmaus legte der Hofchronist eine gro#223;e Abhandlung vor, in der er unumst#246;#223;lich bewies, da#223; Urfin ein direkter Nachfahre der alten K#246;nige sei, die einst #252;ber das ganze Wunderland geherrscht hatten. Daraus zog der Chronist zwei wichtige Schl#252;sse. Erstens, da#223; Urfin nach verbrieftem Recht das Erbe der alten Herrscher angetreten habe, und zweitens, da#223; die Zauberinnen Stella und Willina rechtswidrig Urfins Erblande an sich gerissen h#228;tten, aus welchem Grunde die dreisten Landr#228;uberinnen mit Krieg #252;berzogen und vertrieben werden m#252;#223;ten. Als Lohn f#252;r sein Werk erhielt der Chronist einen silbernen Becher, der einem Kaufmann weggenommen und noch nicht an die Schatzkammer des Schlosses abgeliefert worden war. Urfin beschlo#223;, eine Polizeitruppe aufzustellen, die die Leute bespitzeln und die Unzufriedenen festnehmen sollte. Die Soldaten waren ihm f#252;r dieses Amt zu ungeschickt. Er fertigte den ersten Polizisten an und beauftragte seine Gehilfen, ihn bei der weiteren Arbeit als Modell zu benutzen. Binnen kurzer Zeit #252;berschwemmte die Polizei Stadt und Land. Die Polizisten waren d#252;nner und schw#228;cher als die Soldaten, hatten aber lange, flinke Beine und riesige Ohren zum Horchen. Ihre Arme bestanden aus Baumwurzeln, deren Endver#228;stelungen die Finger bildeten. Manche Polizisten hatten ihrer sieben bis zehn an jeder Hand, was Urfin f#252;r einen gro#223;en Vorteil hielt, da sie so ihre Opfer besser packen konnten. Er bewaffnete die Polizisten mit Schleudern, in deren Handhabung sie es bald zu gro#223;er Fertigkeit brachten. Der Polizeichef hatte l#228;ngere Beine und Arme und mehr Finger an den H#228;nden als seine Untergebenen und durfte, wie der Oberste Zeremonienmeister, jederzeit bei Urfin zur Berichterstattung erscheinen. Im Keller des Schlosses arbeiteten Tag und Nacht zwei ehemalige Soldaten, ein gr#252;ner und ein blauer, die zu Gefreiten bef#246;rdert worden waren. Die Tischlerarbeit ging ihnen flott von der Hand, und bald hatten sie in einer Ecke der Werkstatt ganze Stapel h#246;lzerner Soldatenr#252;mpfe aufgeschichtet. Daneben lagen Haufen von Holzkugeln f#252;r die K#246;pfe. F#252;r jeden Zug wurde ein Unteroffizier aus Mahagoniholz angefertigt. Abends schlo#223; sich Urfin in einem besonderen Zimmer ein, wo er die Gesichter in die Kugeln schnitt und ihnen Augen aus gr#252;nen, roten und lila Glaskn#246;pfen einsetzte. Er befestigte die K#246;pfe auf den R#252;mpfen und bestreute die Soldaten mit dem Zauberpulver. Dann wurden die neuen Mannschaften bemalt und nach dem Trocknen der Farben auf den Hof gebracht, wo die Unteroffiziere und der Palisandergeneral (dessen Kopf Urfin inzwischen repariert und blankpoliert hatte) sie zu drillen begannen. Zug auf Zug marschierten die Soldaten unter Anf#252;hrung der Unteroffiziere im Paradeschritt zum Tor hinaus . . . Urfins Armee war jetzt fast 120 Mann stark. Soldatenpatrouillierten st#228;ndig in der Stadt und ihrer Umgebung. Mehrere Z#252;ge wurden in das Blaue Land der K#228;uer und das Violette Land der Zwinkerer ausgesandt, damit die Statthalter das Volk in Zucht und Ordnung halten konnten. |
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