"Indiana Jones und der Stein der Weisen" - читать интересную книгу автора (МакКой Макс)PROLOG. Stadt der Toten 21. M#228;rz 1933 • Britisch HondurasWie eine Scheibe in der Farbe geschmolzenen Eisens ging die Sonne zwischen den beiden dunkel br#252;tenden, namenlosen Gipfeln der Maya-Berge auf und tauchte das nebelverhangene Tal in ein geisterhaftes Zwielicht. Indiana Jones sah, wie sich die Umrisse einer Stadt langsam im Dunst abzeichneten. Eine Gruppe flacher, kalkwei#223;er Geb#228;ude gruppierte sich um eine au#223;ergew#246;hnliche quadratische Stufenpyramide und die sich daran anschlie#223;ende Akropo-lis. »Die untergegangene Stadt Cozan«, fl#252;sterte Indy ergriffen. Seine Bemerkung richtete sich eher an ihn selbst als an den guatemaltekischen F#252;hrer, der neben ihm stand. »Zuletzt von Sir Richard Francis Burton im Jahre 1867 gesehen, ehe sie vom Dschungel verschlungen wurde. Burton gelang die Flucht, sein Freund Tobias hatte leider nicht so viel Gl#252;ck.« »Das ist ein b#246;ser Ort«, sagte Bernabe. »Das sind sie doch alle«, erwiderte Indy trocken. Die Sonnenstrahlen krochen schon #252;ber die Akropolis und fielen auf den Tempel der Schlange, der auf der Pyramide errichtet worden war und aus der Nebeldecke herausragte. Durch die aufrechten und mit den Hieroglyphen wichtiger Daten und Herrschernamen geschm#252;ckten Steins#228;ulen fiel Licht. Auf die obersten Stufen der Pyramide zauberte es ein rastloses Muster, das an eine Schlange erinnerte, die im Begriff war, sich die Gro#223;e Treppe hinunter zur Heiligen Quelle zu schl#228;ngeln. In dem Moment, in dem die Schlange den Pyramidensockel erreichte, wurde nach den #220;berlieferungen dem Zuschauer das Versteck der Todesg#246;ttin offenbart. »Komm«, sagte Indy. Er arbeitete sich durch das #252;ppige Dickicht des Regenwaldes, um am Stadtrand aus den tropischen Gew#228;chsen hervorzutreten. »Bis die Schlange unten ankommt, bleiben uns noch etwa zehn, zw#246;lf Minuten. Beeil dich.« Bernabe folgte ihm widerwillig. Insgeheim w#252;nschte er sich, er h#228;tte kein Geld als Gegenleistung daf#252;r angenommen, den Gringo in die verbotene Stadt seiner Vorfahren zu f#252;hren. W#228;re er doch nur in seinem Heimatdorf geblieben, bei seiner Frau mit dem runden Gesicht und seinen drei Kindern. Die Vorstellung, sie niemals wiederzusehen, lie#223; ihn erschaudern. »Senor«, rief er aus. »Sie haben hoffentlich nicht unsere Abmachung vergessen. Ich werde oben bleiben und nicht mitkommen ... « Falls Indy ihn geh#246;rt hatte, lie#223; er es sich nicht anmerken. Ganze zwei Wochen lang waren sie den sacbob, den alten, wei#223; gepflasterten Maya-Stra#223;en gefolgt, hatten sich durch dichten Dschungel gek#228;mpft, um in dieses l#228;ngst vergessene Tal zu gelangen. Zuvor hatte Indy monatelang recherchiert und eine betr#228;chtliche Summe des Museumsfonds ausgegeben, um Archivare und zentralamerikanische Beamte zu schmieren. Und nun war die Zeit auf einmal knapp. Ihnen blieb keine Zeit, sich an einen wie auch immer gearteten Plan zu halten. Sie konnten nur weiter marschieren und das Beste hoffen - oder dreiunddrei#223;ig Jahre auf die n#228;chste Fr#252;hjahrs-Tagundnachtgleiche warten, die 1966 stattfinden w#252;rde. W#228;hrend sie #252;ber die Stra#223;e der Toten, die Hauptdurchgangsschleuse der Stadt, eilten, mu#223;te Indy an die vielen tausend Menschen denken, die in den d#252;steren Steinh#228;usern gelebt hatten und gestorben waren. Dort hatten sie Familien gegr#252;ndet, im Schatten der Pyramide ihre G#246;tter angebetet und mitangesehen, wie ihr Blut vom Steinaltar auf der Pyramide geflossen war. Dreimal in hundert Jahren hatten sie beobachtet, wie die Schlange die Treppe hinunterkroch, ein Spektakel, dem beizuwohnen ihm im Moment ebenfalls verg#246;nnt war. Und dann waren die Bewohner eines Tages verschwunden. Eine ganze Zivilisation hatte sich einfach so in Luft aufgel#246;st und nur ... Geister zur#252;ckgelassen? Indy blieb stehen. Zu beiden Seiten der Pyramide, auf den anderen Geb#228;uden und auf der gegen#252;berliegenden Seite des Hofes bewegte sich etwas. Man h#246;rte Gefl#252;ster und leises Gemurmel, und manchmal wurde die Stille des Morgens von einem Schrei zerrissen, der dem Vernehmen nach nur von einem Jaguar stammen konnte. Die Schlange hatte ein Drittel der Wegstrecke nach unten zur#252;ckgelegt, und die Stadt erwachte wieder einmal zum Leben. Bernabe, der aufgeschlossen hatte, bekreuzigte sich. »Die Seelen meiner Vorfahren«, meinte er. Indy lachte #252;ber die Einfachheit seiner Erkl#228;rung. »Aber doch wohl nur, wenn deine Vorfahren Affen gewesen sind«, merkte er an und ging weiter. »Sie sind es, die diesen L#228;rm verursachen.« »Schreiende Affen - noch schlimmer«, fand Bernabe. »Die G#246;tter der Schriften, die Torw#228;chter zur Unterwelt. Die Seelen unserer Priester kehren in Form von schreienden Affen zur#252;ck.« Sie kehrten dem Unterholz den R#252;cken und traten auf gro#223;e Steinquader, mit denen der Innenhof ausgelegt war. Die Affen flohen, warfen Blicke nach hinten, fletschten die Z#228;hne und stie#223;en Warnschreie aus. Keine Minute sp#228;ter waren alle Tiere geflohen. »Nicht sonderlich tapfer«, h#246;hnte Indy. Ohne Vorwarnung lie#223; sich einer der Affen von einem Baum fallen und dr#252;ckte Bernabe seitlich die Z#228;hne in den Hals. Der F#252;hrer stie#223; einen Schreckensschrei aus und wirbelte herum. Er hatte alle M#252;he, das silberhaarige Monster abzusch#252;tteln. Der Affe warf den Kopf nach hinten und heulte traurig durch die blutverschmierten F#228;nge. Zu ver#228;ngstigt, um ein Wort sagen zu k#246;nnen, wandte Bernabe sich mit flehendem Blick an Indy. »Beweg dich nicht«, ordnete Indy an. In einer Bewegung wickelte er seine Peitsche ab und schleuderte sie von sich weg. Die Spitze zischte am Kopf des Affen vorbei, produzierte ein lautes Schnalzen und veranla#223;te das Tier, erschrocken, aber unverletzt das Weite zu suchen. Bernabes Hand fuhr zu der blutenden Stelle am Hals hoch. »Ist nur ein Kratzer«, versicherte Indy ihm. Der F#252;hrer wandte sich an den im Unterholz des Dschungels verschwindenden Affen: »Gro#223;vater, du h#228;t-test ihn bei#223;en sollen. Er ist derjenige, der dich beleidigt hat.« Indy drehte den Kopf in Richtung Pyramide. Die Schlange war die Treppe zur H#228;lfte hinunter gekrochen. Er kniete sich auf die Pflastersteine, streckte den Arm aus, um seinen Blick daran auszurichten und vollzog im Geist den Weg der Schlange zum Sockel der Pyramide nach. Auf welchen der f#252;nf Durchg#228;nge hielt sie zu? Die Durchg#228;nge glichen einander aufs Haar, doch nur einer f#252;hrte zur Heiligen Quelle. Nicht in den falschen treten, darauf kam es an. »Frustrierend, finde ich«, dachte Indy laut, »da#223; man nicht die Zeit hat zu warten, bis der Schatten unten angelangt ist, weil es dann zu sp#228;t ist - dann hat sich die G#246;ttin schon zu erkennen gegeben.« Er kraulte sein stoppeliges Kinn. »Und es w#228;re dumm, den Durchgang zu w#228;hlen, den jemand anderer vor einem genommen hat, denn jedes Mal ist ein anderer Weg der richtige.« Und doch hatte es laut seiner Sch#228;tzung den Anschein, als bewege sich die Schlange auf das mittlere Portal zu. Aber- das erkannte Indy, als er sie einen Moment lang fixierte - sie schwenkte eindeutig nach Norden aus. Dann mu#223;te es also einer der beiden nach Norden ausgerichteten Durchg#228;nge sein. Immerhin standen seine Chancen nun f#252;nfzig-f#252;nfzig. Indy entledigte sich des drei#223;ig Kilo schweren Rucksacks, den er die letzten drei Tage getragen hatte. Er schn#252;rte die Lasche auf und nahm ein f#252;nfzig Fu#223; langes Seil heraus, das er sich um die Taille wickelte, und eine Karbidlampe. Um sicherzugehen, da#223; die Lampe genug Benzin und Wasser hatte, sch#252;ttelte er sie, ehe er den Feuerstein mehrmals hintereinander vergeblich in Gang zu setzen versuchte. »Gottverdammt«, #228;rgerte er sich keuchend, »warum habe ich keine batteriebetriebene Taschenlampe mitgenommen?« Er sch#246;pfte Atem, ermahnte sich, die Lage gelassen zu sehen, und unternahm einen neuen Versuch. Betont langsam und vorsichtig machte er sich am Feuerstein zu schaffen. Endlich leuchtete eine helle Flamme vor dem Reflektor auf. Indy grinste. »Ich m#246;chte jetzt meinen Bonus«, verk#252;ndete Bernabe. »Huh-uh«, sagte Indy. »Wenn ich rauskomme, erh#228;ltst du deinen Bonus. Und keine Minute fr#252;her.« Bernabes Miene verriet Indy, da#223; er nicht mit ihrer R#252;ckkehr rechnete. Indy tippte seinem F#252;hrer mit dem Zeigefinger auf die Brust. »Du wartest hier. Du sperrst Augen und Ohren auf - ich habe n#228;mlich das Gef#252;hl, da#223; wir seit gestern nachmittag verfolgt werden. Und du betest besser, da#223; ich wieder rauskomme, denn falls nicht, werde ich deinen Vorfahren in der Unterwelt erz#228;hlen, wie #252;bel du ihren Affen mitgespielt hast.« Indy wandte sich der Pyramide zu. »Warten Sie, mein Herr«, sagte Bernabe, die f#252;nf Portale m#252;rrisch fixierend. »Sie d#252;rfen die Heilige Quelle nicht betreten. Das ist sehr schlimm. Es gibt einen Fluch.« »Den gibt es immer.« Indy warf einen Blick auf seine Armbanduhr, blickte dann zur Schlange hin#252;ber. Seiner Sch#228;tzung nach hatte sie etwas mehr als die H#228;lfte des Weges, ungef#228;hr sechzig Prozent, zur#252;ckgelegt. Das bedeutete, da#223; er noch f#252;nf, sechs Minuten zur Verf#252;gung hatte. Er r#252;ckte den Fedora zurecht, kn#246;pfte die Lederjacke zu und entschied sich f#252;r den zweiten Durchgang auf der rechten Seite. Augenblicklich umgab ihn undurchdringliche Dunkelheit. Im Tunnel war es klamm und k#252;hl, und es roch stark nach Salpeter. Der Boden fiel steil nach unten ab. Indy bewegte sich so schnell, wie es sein Mut zulie#223;. Mit einem Arm zerri#223; er die Spinnweben. Im Licht der Karbidlampe sah er, da#223; der Tunnel ganz glatte, ebenm#228;#223;ige W#228;nde hatte und mit Sorgfalt ausgegraben worden war. D#252;rfte schwierig sein, kam es ihm in den Sinn, eine Messerklinge zwischen zwei Bl#246;cke zu rammen. Die W#228;nde waren nicht verziert, wiesen keine Hieroglyphen auf. Auf dem Boden machte sich hellgr#252;nes Moos breit. Nach ungef#228;hr drei#223;ig Fu#223; rutschte Indy aus und landete auf dem Hosenboden. Halsstarrig stand er wieder auf, setzte vorsichtig einen Fu#223; vor den anderen und rutschte erneut aus, ehe er feststellen mu#223;te, da#223; das Moos unter seinen F#252;#223;en so glatt wie Eis war. Er drehte sich um und beschlo#223;, wieder nach oben zu steigen, aber das nutzte ihm wenig. Nun schlitterte er r#252;ckw#228;rts den Tunnel hinunter. Er #252;berlegte, sich mit den Armen an den W#228;nden abzust#252;tzen, aber der Korridor war zu breit. Da entsann er sich seiner Peitsche, die leider nur zehn Fu#223; lang war. Ihm blieb noch das Seil, das l#228;nger war, aber er sah keine M#246;glichkeit, es nach drau#223;en zu schleudern ... Drau#223;en beobachtete Bernabe mit entgeisterter Miene die Schlange aus Licht und Schatten. Inzwischen war sie weit genug heruntergekommen. So konnte er sich ausrechnen, da#223; sie auf den Durchgang ganz rechts zusteuerte -also nicht auf den, in dem Indy verschwunden war. Und doch n#228;herte sich etwas dem Portal, das Indy ausgew#228;hlt hatte: die gr#246;#223;te Anakonda, die Bernabe je gesehen hatte. Mit Staunen registrierte Indy, wie die Steinquader immer schneller an ihm vorbeisausten. Er rollte sich auf die linke Seite und versuchte, sich an der Wand festzuhalten. Ein Fingernagel brach ab. Laut fluchend machte er seinem Zorn Luft. Er wurde immer schneller. Wo auch immer der Tunnel ihn hinbrachte, gut war es dort bestimmt nicht. Ein Blick nach unten best#228;tigte seine Vermutung. Im flackernden Licht der Karbidlampe mu#223;te er voller Entsetzen erkennen, da#223; der Tunnel in einen Abgrund m#252;ndete. Und die W#228;nde waren so glatt, da#223; es einem Wunder gleichkam, wenn - »Messerklinge!« rief Indy. Ohne weiter nachzudenken, ri#223; er sein Jagdmesser aus der Scheide und hielt die Spitze an die Wand. Funken spr#252;hten auf. Die Messerspitze rutschte in eine Ritze, hielt kurz inne und raste dann weiter #252;ber den Stein. Ihm blieben nur noch zwei Steinquader. Indy ver#228;nderte seine Handhaltung und hielt dann das Messer in einem neuen Winkel. Das Messer blieb in einer Fuge stecken - und dann brach die Spitze ab, und er rutschte wieder dem Abgrund entgegen. »Aller guten Dinge sind drei«, kam ihm #252;ber die Lippen. Unter gro#223;er Anstrengung gelang es Indy, das Messer in die letzte Ritze zu rammen. Diesmal hielt es. Sein Fall wurde ruckartig beendet, gerade noch rechtzeitig, denn seine F#252;#223;e baumelten schon #252;ber dem Abgrund. Sich mit der einen Hand festhaltend, trieb und h#228;mmerte er mit dem Pistolenknauf das Messer tiefer in die Ritze. Dann wickelte er das Seil mehrere Male um den Griff des Messers und seilte sich vorsichtig ab, um einen Blick in die Grube werfen zu k#246;nnen. Das Licht der Lampe reichte nicht aus, um bis auf den Grund hinunter sehen zu k#246;nnen. Er h#246;rte Wasser pl#228;tschern. Indy spuckte und z#228;hlte die Sekunden. Das Loch war mehr als hundert Fu#223; tief. Der Tunnel, den Indy genommen hatte, endete hier, aber im Lichtschein der Lampe entdeckte er ein Loch in der linken Wand, etwa zwanzig Fu#223; weiter unten. Also versicherte er sich, da#223; er das Seil richtig hielt und begann, nach unten zu klettern. Auf gleicher H#246;he mit der #214;ffnung stie#223; er sich mit den F#252;#223;en von der Wand ab und schwankte wie ein Pendel hin und her. Beim zweiten Versuch fand er Halt und zog sich in das Loch, das - wie sich nun herausstellte - ein kurzer Gang war, der in einen anderen Tunnel m#252;ndete, welcher von Osten nach Westen verlief. Daraus schlo#223; er, da#223; die f#252;nf Durchg#228;nge einem Labyrinth gleich miteinander verbunden waren. Die H#246;he des jeweiligen Wasserstandes bestimmte, welcher Durchgang passierbar war, was ihm einigerma#223;en makaber vorkam. Er schaute auf die Uhr. Die Zeit wurde knapp. Auch in diesem Tunnel fiel der Boden ab, aber nicht so steil wie im ersten - und au#223;erdem war er nicht von Moos #252;berzogen. Indy lie#223; ein paar Fu#223; Seil nach, das an einem Ende immer noch am Messer befestigt war, und trennte es dann mit der Flamme durch. Die verbleibenden zwanzig Fu#223; rollte er auf und warf sie #252;ber die Schulter. Er stand immer noch am Rand der Grube, als er etwas oder jemanden fallen h#246;rte. Ein paar Sekunden sp#228;ter schallte das Platschen zu ihm hoch. »Bernabe?« rief er aus. Der Name hallte aus der Grube zur#252;ck. Indy war einigerma#223;en verwirrt. W#228;re Bernabe gest#252;rzt, h#228;tte er doch sicherlich um Hilfe gerufen oder laut geschrien. Er zuckte mit den Achseln. Vielleicht war es nur einer von diesen schrecklichen Affen gewesen. Er ging weiter. Der Tunnel wurde enger, fiel weiter ab und wurde noch schmaler. Kurz darauf mu#223;te Indy den Kopf einziehen und konnte sich schlie#223;lich nur noch auf H#228;nden und Knien fortbewegen. Die Klammheit nahm zu, und bald kroch er durch f#252;nfzehn Zentimeter hohes, faulig riechendes Wasser. Nun stand ihm das Wasser sprichw#246;rtlich bis zum Hals. Wenigstens, versuchte Indy sich aufzumuntern, wu#223;te er nun, wie tief er sich befand: Der Wasserstand in der Grube verriet ihm die H#246;he des Wasserspiegels in der Heiligen Quelle. Das Kriechen fiel ihm nicht gerade leicht/weil er nur eine Hand benutzte. Mit der anderen hielt er angestrengt die Lampe aus dem Wasser. Endlich stieg der Tunnel wieder an, was ein L#228;cheln auf Indys Gesicht zauberte. Als er seine H#228;nde betrachtete, fiel ihm zu seiner Verwunderung auf, da#223; sie mit schwarzen Tupfen #252;berzogen waren. Er versuchte, sie abzureiben, aber sie schienen an seiner Haut zu kleben. Blutegel hatten sich an ihm festgesetzt. Mit grimmiger Miene zupfte er den Gro#223;teil der Schmarotzer von den H#228;nden und dem Gesicht ab. Um den Rest wollte er sich sp#228;ter k#252;mmern. Die Zeit war knapp,- ihm blieben gerade noch zwei Minuten. Als der Tunnel hoch und breit genug war, begann er zu rennen. Durch den Aufprall seiner Schritte l#246;sten sich drei schwere Steinbl#246;cke von der Decke und schlugen mit ohrenbet#228;ubendem Knall an der Stelle auf, wo er gerade eben noch gestanden hatte. Bei der Vorstellung, welchem Schicksal er mit knapper M#252;he entgangen war, wurde ihm flau im Magen. Der Tunnel endete. Indy stand am Ufer der Heiligen Quelle - einem Kalksteinloch, das sich vor Urzeiten im Ge-stein herausgebildet hatte. Das Wasser schimmerte bla#223;blau. Irgendwo mu#223;te Sonnenlicht eindringen, obwohl die Decke der Grotte dunkel war. Im fahlen Lichtschein erkannte Indy, da#223; am Rand wei#223;e Berge aus Kugeln und Stangen aufgeschichtet worden waren. Beim N#228;hertreten stellte sich heraus, da#223; die Kugeln und Stangen Teile menschlicher Skelette waren. Ersch#252;ttert kniete er daneben nieder. Eines der vergilbten Skelette geh#246;rte einer Frau, zweifellos einer Prinzessin oder Gef#228;hrtin eines K#246;nigs. Das verrieten ihm die Juwelen, die sie getragen hatte. Ein Obsidian-Halsschmuck, ein Jadearmreif und Kn#246;chelketten lagen inmitten der verstreuten Knochen. Und mindestens ein Dutzend kleiner Glocken aus einer Kupfer-GoldLegierung. Die Kl#246;ppel waren entfernt worden - damit hatte man sie gt;totlt; gemacht und hergerichtet, um die Prinzessin auf ihrer Reise in die Unterwelt zu begleiten. Indy hob einen der fragilen Knochen auf. »Ihr hattet schmale Handgelenke, Prinzessin.« Anhand der Mineralisierung, die eingetreten war, sch#228;tzte Indy, da#223; das Skelett wenigstens achthundert, wenn nicht gar tausend Jahre alt sein mu#223;te. Indy registrierte, da#223; alles, was sich hier vor seinen Augen ausbreitete, typisch f#252;r die Maya-Opfer der sp#228;tklassischen Periode war. Mit Ausnahme von zwei Dingen: Der Sch#228;del war heil, w#228;hrend der Brustkorb eingetreten worden war. In einer traditionellen Zeremonie h#228;tten die Priester der Frau den Sch#228;del einschlagen m#252;ssen, bevor sie ihren Leichnam dem Gott der Quelle darboten. Das andere Skelett war wei#223;er. Es war das eines Mannes und in Kleider geh#252;llt, die zur Zeit K#246;nigin Victorias modern gewesen waren. Nat#252;rlich waren vom m#252;rben Stoff nur noch Fetzen #252;brig. Indy war sich hundertprozentig sicher, da#223; man ihn beim Ausrauben der Prinzessin #252;berrascht hatte, weil sich einige ihrer Schmuckst#252;cke in den Taschen seines sich aufl#246;senden Gehrocks befanden. Auch bei ihm war der Brustkorb eingedr#252;ckt worden. Ein altmodischer Revolver lag neben den Knochen seiner rechten Hand. Indy hob die Waffe auf und inspizierte den Zylinder. Alle sechs Kammern waren leer. »Tobias«, sagte Indy laut. »Was ist denn hier nur vorgefallen?« Am Rand der Quelle und im Wasser lagen weitere Skeletteile verstreut, aber sie verrieten ihm nichts. Die meisten Toten lagen allerdings in der N#228;he der Stelle, wo Indy gerade stand, obwohl es anscheinend keinen Altar, keine Opferstelle gab. Das Schimmern des Wassers wurde von Sekunde zu Sekunde intensiver. Indy sah auf seine Uhr. Jetzt war es soweit. Nun mu#223;te die Schlange den Sockel der Pyramide erreicht haben. Ihn #252;berkam das Gef#252;hl, in Gefahr zu schweben. Den alten, verrosteten Revolver lie#223; er zu Boden fallen und griff statt dessen nach seiner eigenen Waffe, Kaliber .38, die in einem G#252;rtelholster verstaut war. Durch die Grottendecke fiel ein breiter Lichtstrahl und r#252;ckte vom anderen Ende der H#246;hle #252;ber das Wasserloch n#228;her. Das Wasser war so klar und das Licht so intensiv, da#223; die Knochen und Schmuckst#252;cke auf dem sandigen Boden der Quelle zu sehen waren. Der Lichtstrahl n#228;herte sich Indy. Immer noch den Revolver haltend, duckte er sich und lie#223; das Licht #252;ber sich hinweggleiten. Es traf auf die Wand hinter ihm, illuminierte einen Sch#228;del aus Kristall, der auf einem Altar in einer Felsnische lag. Ohne das einfallende Licht w#228;re Indy dieser Gegenstand niemals aufgefallen. Aus den Augen und dem Mund des Sch#228;dels strahlte vielfarbiges Licht und brannte so hell, da#223; es Indy blendete. Ehe er sich versah, war das Licht wieder verschwunden. Nur Indys Karbidlampe warf ihr mattes Licht in die Grotte. Er verstaute seine Waffe und bewegte sich vorsichtig zwischen den aufgeschichteten Knochenhaufen zum Altar. Vor dem Sch#228;del kniete er sich hin. In Form und Gr#246;#223;e glich er dem Kopf eines Menschen. Bei seinem Anblick mu#223;te Indy dem l#228;ngst toten K#252;nstler Respekt zollen f#252;r die detailgetreue Arbeit, die er geleistet hatte. Die Wangenknochen waren perfekt herausgearbeitet, und der fein modellierte Unterkiefer verf#252;gte #252;ber eine makellose Zahnreihe. An den Stirnknochen las Indy ab, da#223; es sich um einen weiblichen Sch#228;del handeln mu#223;te. Indy lie#223; seinen Blick #252;ber den Altar schweifen, suchte nach Fallen und nahm den Kristallsch#228;del in die Hand, als er keine finden konnte. Nichts passierte. »Das ist zu einfach«, sagte er. »Ja, Dr. Jones, da haben Sie recht.« Ganz langsam blickte Indy #252;ber seine Schulter. Eine Mauser-Automatikpistole war auf seinen R#252;cken gerichtet. Sie wurde von einem gro#223;en, kahlk#246;pfigen Mann gehalten, der einen braunen Anzug und eine Krawatte trug, die von den Faschisten bevorzugt wurden. Eine auff#228;llig rote Narbe zog sich #252;ber den Sch#228;del des Mannes. Die Uniform wies Schlammspritzer auf. In der anderen Hand hielt der Fremde eine Kerosinlampe. Seitlich an seinem Kopf hatte sich ein Blutegel festgesaugt. Als er l#228;chelte, blitzten in seinem Mund goldene Schneidez#228;hne auf. Hinter dem Fremden lauerte ein Schl#228;ger in grauer Uniform mit schwarzen Streifen. Mit einem Gewehr hielt er den verst#246;rten Bernabe in Schach. Zu F#252;#223;en des Schl#228;gers stand eine zweite Laterne. Der Kahlk#246;pfige stellte seine Laterne auf den Boden, ehe er Indys Webley aus dem Holster zog und ihm die Peitsche abnahm. Die Waffe warf er ins Wasser, die Peitsche beiseite. Und dann schnappte er sich den Kristallsch#228;del. »Ach, sieh an, die namenlose G#246;ttin des Todes - sie ist viel #228;lter, als man sich #252;berhaupt vorstellen kann. Und von solch au#223;ergew#246;hnlichem handwerklichen Geschick. Ist Ihnen aufgefallen, wie anatomisch genau dieser Sch#228;del gefertigt ist, Dr. Jones? Im Vergleich zu anderen Gegenst#228;nden, die die Mayas hergestellt haben, f#228;llt dieses Kunstwerk aus dem Rahmen. Normalerweise hatten sie keinerlei Gesp#252;r f#252;r Mimik.« Melancholisch betrachtete er den Sch#228;del, den er in H#228;nden hielt. »Nein, das hier ist die Arbeit einer #228;lteren und uns unbekannten Zivilisation und zwar von einer, deren F#228;higkeiten denen der Mayas bei weitem #252;berlegen waren - und, wie ich sagen m#246;chte, unserer eigenen vergleichbar ist.« »Wer immer Sie sein m#246;gen«, sagte Indy, »Sie stehen ganz offensichtlich auf M#228;rchen.« »Verzeihen Sie mir«, erwiderte der Glatzkopf. »Woran denke ich nur? In meiner Aufregung habe ich vergessen, da#223; wir einander ja nicht offiziell vorgestellt worden sind. Leonardo Sarducci, ich stehe Ihnen zu Diensten.« Ohne die Waffe runterzunehmen, stand er stramm und klackte die Hacken zusammen. »Es w#228;re unklug, mehr zu verraten.« »Ich kann nicht sagen, da#223; ich mich freue, Sie kennenzulernen«, meinte Indy, ohne die Mauser aus den Augen zu lassen. »Oh, aber ich freue mich, Ihnen zu begegnen«, sagte Sarducci. »Mit gro#223;em Interesse habe ich Ihre faszinierende Karriere verfolgt. Im Moment sind Sie an der Princeton University, nicht wahr?« Indy nickte. »Ivy League! Wie wunderbar!« rief Sarducci. »Endlich bringt man Ihnen den Respekt entgegen, den Sie sich wirklich verdient haben. Was f#252;r eine Schande, da#223; Sie nicht lange genug am Leben bleiben werden, um ihn zu genie#223;en. Und machen Sie nur Ihre Witze #252;ber M#228;rchen, Dr. Jones, denn der Sch#228;del - er birgt das Geheimnis der Ewigkeit. Es w#228;re nicht zu verantworten gewesen, ihn Ihnen zu #252;berlassen.« Sarducci verstaute den Kristallkopf in einem Leinensack und zog mit einer Aura der Endg#252;ltigkeit die Schnur zu. »Schwarze Magie, hm? Ich dachte, dieses Thema sei mit Paracelsus zusammen verschwunden«, h#246;hnte Indy. »Sagen Sie, wenn Sie so klug sind und ich so dumm bin, warum konnten Sie dann nur mit meiner Hilfe hierher gelangen? Das w#252;#223;te ich zu gern.« »Das war - wie sagt man noch - zweckm#228;#223;ig.« Sarducci warf den Kopf nach hinten und lachte schallend. Das Gel#228;chter hallte von den Grottenw#228;nden wider. Dann griff er nach oben und ri#223; den Blutegel von seinem Kopf weg. Eine h#228;#223;liche rote Wunde blieb zur#252;ck. Er lie#223; den Parasiten auf den Boden fallen und trat mit dem Absatz seines Stiefels darauf. »Ich m#246;chte Ihnen verraten«, verk#252;ndete er gro#223;herzig, »da#223; Ihr Tod genauso zweckm#228;#223;ig ist. Marco, erschie#223; die beiden, aber warte, bis ich weg bin-Gewehrfeuer in einem so engen Raum d#252;rfte schlecht f#252;r die Ohren sein, nicht wahr?« Die Laterne haltend, den Sack mit dem Sch#228;del #252;ber die Schulter geworfen, hielt Sarducci am Tunneleingang inne und wandte sich um. »An was glauben Sie, Dr. Jones?« fragte er noch. »Vertrauen Sie auf ein Leben nach dem Tod? Denken Sie, da#223; der Tod nur ein vor#252;bergehender Zustand ist - oder glauben Sie - wie ich - da#223; der Tod endg#252;ltig ist, da#223; man dem Tod nur entkommen kann, indem man ewig lebt?« »Raten Sie«, forderte Indy ihn auf. Sarducci kicherte. »Nein, als Amerikaner m#252;ssen Sie einfach an ein Leben danach glauben, das hat man Ihnen doch in der Sonntagsschule beigebracht, oder? Stellen Sie sich vor - Sie haben nun die M#246;glichkeit, Ihren Glauben der einzigen und wahren Pr#252;fung zu unterziehen! Ich werde an Sie denken, im Lauf der Jahrhunderte, die ich noch vor mir habe, und ich werde das Beste genie#223;en, was das Leben und die Macht zu bieten haben, w#228;hrend Sie nur Staub sein werden.« Mit ausladender Geste salutierte er vor Indy. »Arrivederci, Dr. Jones!« Und dann verschwand er. »Dort r#252;ber«, befahl Marco und zeigte mit dem Gewehrlauf in die entsprechende Richtung. Mit erhobenen H#228;nden setzte Bernabe sich in Bewegung und stellte sich niedergeschlagen neben Indy. »K#246;nnen wir nicht noch mal dar#252;ber reden?« erkundigte sich Indy. »Halt die Klappe!« befahl Marco. »Es besteht keinerlei Grund, w#252;tend zu sein«, fand In-dy, nahm die H#228;nde hoch und ging auf Marco zu. »Stehenbleiben!« rief Marco aus und feuerte mehrere Sch#252;sse in die Erde vor Indys F#252;#223;en. Sand br#246;selte von der Grottendecke. »Ihr beide, kniet euch hin. H#228;nde hinter den Kopf. Und zwar schnell.« Bernabe fiel auf die Knie. Indy wich mit entsetzter Miene zur#252;ck. »Heiliger Bimbam Am Rand des Laternenlichtkegels, direkt hinter dem Schl#228;ger, machte Indy etwas Gro#223;es und Gr#252;nes aus, das aus dem Wasser gekrochen kam. »... ich k#246;nnte mir denken, Sie w#252;rden gern erfahren Marco nahm das Gewehr hoch und richtete das Visier auf einen Punkt zwischen Indys Augen aus. Feigling, fuhr es ihm durch den Kopf. Sein Finger dr#252;ckte langsam den gespannten Hahn hinunter. »... da#223; genau hinter Ihnen die verdammt gr#246;#223;te Schlange ist, die mir je unter die Augen gekommen ist.« Der Gewehrlauf zitterte, als Marco nach hinten blickte. Eine achtunddrei#223;ig Fu#223; lange Anakonda starrte ihn mit aufgerissenem Maul an. Die geteilte Zunge zischte heraus, Zahnreihen glitzerten im Laternenlicht. In den milchiggr#252;nen Augen spiegelte sich die Gelassenheit des Reptils. Der Kopf des Tieres wies ein Einschu#223;loch und Messerwunden auf. Marco schrie. Er versuchte, mit dem Gewehr auf die Schlange zu zielen, aber die Anakonda reagierte schneller als er. In weniger als einer Sekunde hatte sie die zwischen ihnen liegende Entfernung #252;berwunden, und als sie zuschlug, fiel Marco das Gewehr aus der Hand. Ein Schu#223; l#246;ste sich, aber gl#252;cklicherweise landete die Kugel im schlammigen Erdreich. Ohne zu z#246;gern, bohrte die Schlange ihre Z#228;hne in den linken Schenkel des Schl#228;gers. Jetzt, da sie ihn fest im Griff hatte, begann sie, Marco hin und her zu drehen und ihren eigenen K#246;rper um ihn zu wickeln. »Ich kann Schlangen auf den Tod nicht ausstehen«, verriet Indy. Schwei#223;perlen standen ihm auf der Stirn. Seine Lippen zitterten, und seine H#228;nde zuckten unkontrolliert. Marco hatte nicht mehr genug Luft, um zu schreien. Wann immer er ausatmete, dr#252;ckte die Schlange fester zu. Seine Lungen waren zu schwach, um der st#228;hlernen Umklammerung des Reptils standzuhalten. Sein Gesicht lief rot an und verzog sich zu einer stummen, flehenden Grimasse. Aus Marcos Mundwinkel rann ein d#252;nner Blutfaden. Indy wandte sich ab. »Chef«, flehte Bernabe. »K#246;nnen wir nicht was unternehmen?« »Er ist schon tot«, sagte Indy. Die Anakonda ri#223; ihr Maul weit auf und verschluckte den Kopf und die Schultern des leblosen Marco. Sein K#246;rper wurde mit Speichel #252;berzogen und rutschte in den Magen des Reptils. Nur noch die beschuhten F#252;#223;e hingen dem Tier aus dem Maul, als es zur#252;ck in die Quelle kroch. »Sie hat uns das Leben gerettet«, meinte Bernabe. »Und nun ist sie weg.« »F#252;rs erste«, sagte Indy. Mit dem #196;rmel wischte er sich das Gesicht ab und bem#252;hte sich, langsam und gleichm#228;#223;ig durchzuatmen. »Aber sie wird zur#252;ckkehren, um uns zu holen. Und falls wir sie nicht t#246;ten, Amigo, wird sie uns kriegen, ehe wir die Mitte des Tunnels erreicht haben.« »Aber wie?« fragte Bernabe. »Wir haben schlie#223;lich keine Waffe ...« Indy l#246;schte die Flamme der Karbidlampe und sch#252;ttelte sie, um sich zu vergewissern, da#223; sie genug Benzin hatte. Dann schraubte er den kleinen Benzinbeh#228;lter mit einer halben Drehung ab. »Ich kenne Leute, die auf diese Weise fischen«, sagte Indy. Ihm fiel es nicht leicht, seine Stimme unter Kontrolle zu halten. »Das Zeugs explodiert, wenn es mit Wasser in Ber#252;hrung kommt. Ich hoffe, es funktioniert hier auch -« Bernabe deutete auf die Quelle. Der gr#252;ngelbe Kopf der Anakonda zeichnete sich unter der Wasseroberfl#228;che ab. »Nimm die Laterne«, sagte Indy. »La#223; sie auf keinen Fall ausgehen. Sobald ich dieses Ding werfe, rennst du in den Tunnel.« Bernabe schnappte sich die Laterne. Als die Schlange noch etwa drei Meter bis nach oben zu #252;berwinden hatte, schleuderte Indy die Karbidlampe ins Wasser. Das Ding sank schnell. Ein Schwall grauer Blasen stieg aus dem Benzinbeh#228;lter auf. Indy rannte zum Tunnel hin#252;ber und schnappte sich auf dem Weg dorthin noch schnell seine Peitsche, die Sarducci beiseite geworfen hatte. Die Explosion war ohrenbet#228;ubend und tauchte das Innere der Grotte in ein pinkfarbenes Licht. Fleischbrocken und Fetzen gr#252;ner, schwarzgetupfter Haut stiegen in einer Wassers#228;ule auf, gefolgt von einem goldenen, geschlitzten Auge von der Gr#246;#223;e einer Grapefruit. Durch die Tiefe der Quelle zog sich ein dunkler Streifen. Am Tunneleingang war Indy in die Hocke gegangen und sprach ein stummes Dankgebet. Hinter ihm bekreuzigte sich Bernabe. Mit geschlossenen Augen dr#252;ckte Indy das Gesicht an die k#252;hle Grottenwand und sammelte Kraft f#252;r den anstehenden Marsch nach oben. »Bernabe«, sagte er und z#252;ckte seine Brieftasche. »Du kannst jetzt deinen Bonus kriegen.« Der Nebel, der vorhin die untergegangene Stadt Cozan eingeh#252;llt hatte, hatte sich aufgel#246;st, als Indy und sein F#252;hrer aus dem Pyramidensockel geklettert kamen. Das Sonnenlicht reflektierte von den wei#223; gekalkten W#228;nden der Stadt und schmerzte ihre an die Dunkelheit gew#246;hnten Augen. Indy legte die Hand #252;ber die Augen und wartete, bis sich seine Pupillen an die ver#228;nderten Lichtverh#228;ltnisse gew#246;hnt hatten. Als er wieder richtig sehen konnte, begann er, die Spinnweben und den Staub von seinen Klamotten zu klopfen. »H#246;ren Sie«, sagte Bernabe. Indy hielt in der Bewegung inne. Ged#228;mpftes Donnern drang aus s#252;dlicher Richtung zu ihnen her#252;ber. »Was ist das?« wollte der F#252;hrer erfahren. Das Ger#228;usch schwoll an. »Motorenl#228;rm«, sagte Indy. »Stammt von einem Flugzeug.« Das heisere Brummen zweier Motoren mit achthundert PS erf#252;llte den Himmel. Schlie#223;lich entdeckte Indy strahlendes Wei#223; #252;ber den B#228;umen, die im S#252;den standen, direkt #252;ber dem Flu#223;. »Sieh doch!« rief er aus. #220;ber der Stadt tauchte ein Flugzeug auf, dessen Schatten den Tempel einh#252;llte. Das funkelnde Wei#223; lie#223; sich mit nichts vergleichen, was Indy bislang gesehen hatte. Die Form erinnerte ihn an eine riesige, einem Boomerang #228;hnelnde Tragfl#228;che, unter der zwei R#252;mpfe klebten. Jeder Rumpf wies eine Reihe von runden Schie#223;scharten auf, die nach unten ausgerichtet waren. Aus dem Bug der Kabinen ragte jeweils ein Gewehrlauf. Das breite Flugzeugende wurde von Balken gest#252;tzt, die aus den Enden der beiden R#252;mpfe hervorsahen. Die Ruder waren mit drei roten Sternen auf einem wei#223;en Feld verziert, eingerahmt von einem gr#252;nen Kreis. Das hier ist kein Wasserflugzeug, fuhr es Indy durch den Kopf, das ist eher ein riesengro#223;er flugf#228;higer Katamaran. Die Fl#252;gelspannweite, sch#228;tzte er, kam an die L#228;nge eines Fu#223;ballfeldes heran. Die beiden gro#223;en Motoren waren R#252;cken an R#252;cken mitten auf der Tragfl#228;che befestigt, auf einer stativ#228;hnlichen St#252;tze, und verf#252;gten je #252;ber einen dreifl#252;geligen Propeller, der anschob, und einen, der zog. Durch die rechteckigen Fenster eines erh#246;hten Cockpits in der Mitte der Tragfl#228;che konnte Indy einen Piloten und einen Co-Piloten erkennen. Sie trugen die gleichen grauen Uniformen mit schwarzen Streifen, die auch schon Marco getragen hatte. Das Flugzeug war so tief, da#223; Indy auch Sarducci ausmachen konnte, der zwischen den beiden Piloten stand, sich mit den H#228;nden auf deren Schultern abst#252;tzte und lachte. »Auf den Boden!« rief Indy. Die Waffen vorn begannen zu knattern. Indy gab Bernabe einen Schubs und sprang in die andere Richtung. Der guatemaltekische F#252;hrer ging in Deckung, als Kugeln auf die Steine zwischen ihm und Indy hagelten. Steinsplitter kratzten #252;ber Indys Wange, und ein Querschl#228;ger sauste so dicht an ihm vorbei, da#223; sein ganzer K#246;rper unter dem eigenartigen Jammern zu vibrieren schien. Indy bi#223; die Z#228;hne zusammen und zog sich mit beiden H#228;nden den hei#223;geliebten Fedora in die Stirn. Das Gewehrfeuer verebbte. Das Motorenger#228;usch wurde leiser. Indy sp#228;hte unter seinem Hutrand hervor. In der Ferne spiegelte sich in den Fenstern auf der Steuerbordseite die Sonne. Das Flugzeug setzte in weitem Bogen zur Kehrtwende an. Schnell kam Indy wieder auf die Beine und zog Bernabe am Hemdkragen hoch. »Das ist unsere Chance«, sagte er. »Wir m#252;ssen von hier verschwinden, bevor sie zur#252;ckkehren und zum zweiten Mal auf uns schie#223;en.« Die beiden M#228;nner rannten quer #252;ber den Hof, suchten Deckung hinter einzelnen gr#246;#223;eren Steinen und Unrat, der sich hier im Lauf der Zeit angesammelt hatte. Dann flohen sie die Stra#223;e der Toten hinunter, die k#252;rzeste Strecke zu den sch#252;tzenden B#228;umen. Am Rand des Regenwaldes legte Indy eine Pause ein und drehte den Kopf in Richtung Flugzeug, das seine Kehrtwende vollendet hatte und sich ihnen nun aus dem Osten n#228;herte. Sein Brustkorb hob und senkte sich, Schwei#223;perlen tropften ihm von der Stirn. Seine blut- und schwei#223;#252;berstr#246;mten Wangen brannten. Er fuhr mit dem Handr#252;cken #252;ber sein Gesicht. »Wer sind diese Typen?« fragte er. »Niemand, den wir kennenlernen m#246;chten, Chef.« Sie tauchten im Dschungel unter. Die Maschinengewehrsch#252;tzen beschossen den Regenwald an der Stelle, wo sie das fl#252;chtende Paar zum letzten Mal gesichtet hatten. Doch Indy und Bernabe versteckten sich hinter einem Mahagonibaum, gute zehn Meter weiter, und h#246;rten, wie die Kugeln wirkungslos durch das Dach aus Bl#228;ttern #252;ber ihre K#246;pfe zischten. Am Gr#252;ndonnerstag gelangten die beiden nach San Pablo, das ein gutes St#252;ck hinter der guatemaltekischen Grenze lag. Indy konnte sich nicht entsinnen, wann er jemals so ersch#246;pft oder so dreckig gewesen war. Er hatte den Eindruck, da#223; seine Kleider an seinem K#246;rper festklebten. Er sehnte sich nach einer ausgiebigen Dusche, nach einer Rasur und einer warmen Mahlzeit. Als sie sich der Stadt n#228;herten, legte Indy eine Pause ein, ver#228;nderte die Position seines Rucksacks und kratzte einen M#252;ckenstich auf seiner rechten H#252;fte, ehe er sich auf wackeligen Beinen weiterschleppte. Bernabe behielt dasselbe Tempo bei, das er eingeschlagen hatte, gleich nachdem sie San Pablo den R#252;cken gekehrt hatten. Die Indios in dieser Gegend waren #252;berall auf der Welt f#252;r ihre Ausdauer ber#252;hmt. Das Marschtempo seines F#252;hrers hatte Indy in regelm#228;#223;igen Abst#228;nden dazu veranla#223;t, Bernabes Zeit zu nehmen. Der Mann lief barfu#223;. Nach mehreren Messungen entdeckte er, da#223; Bernabes Tempo sich nur minimal ver#228;nderte. Diese Tatsache war ihm zu Anfang ihrer gemeinsamen Reise bemerkenswert erschie -nen, hatte ihm nach der H#228;lfte seltsamerweise ein beruhigendes Gef#252;hl vermittelt, war ihm aber w#228;hrend der letzten Tage zusehends zum #196;rgernis geworden. V#246;llig unbegr#252;ndet versp#252;rte er inzwischen den Wunsch, da#223; sein F#252;hrer rennen, langsamer werden oder humpeln sollte. »Los«, dr#228;ngte Indy ihn. »Wir sind fast da. La#223; uns laufen.« Bernabe l#228;chelte und sch#252;ttelte den Kopf. »Warum denn nicht?« fragte Indy. »Sie erinnern mich an den Hasen in dieser alten Geschichte, Chef. Manchmal ist es ganz gut, der Hase zu sein, aber manchmal ist es gut, sich wie die Schildkr#246;te zu verhalten. Wir beide werden auf jeden Fall unser Ziel erreichen, nicht wahr?« »Nun, laut dem M#228;rchen gewinnt die Schildkr#246;te das Rennen.« »Was Sie nicht sagen«, rief Bernabe und gab sich ange-sichts des Ergebnisses #252;berrascht. »Das darf ich in Zukunft nicht vergessen.« Schlie#223;lich erreichten sie den Stadtrand von San Pablo und marschierten durch die dunklen und gewundenen Stra#223;en. Das D#246;rfchen bestand aus einer Handvoll Stuckh#228;user, die sich um eine altersschwache Kirche aus der Kolonialzeit scharten. Elektrizit#228;t gab es in dem St#228;dtchen nicht, aber die Plaza wurde von Papierlaternen und Fackeln erleuchtet. Die Luft war voller Musik und dem Gel#228;chter der Betrunkenen. Als sie den Platz #252;berquerten, behinderte eine Prozession ihr Fortkommen. Ein paar Teilnehmer hatten sich als r#246;mische Soldaten verkleidet, die einen Jesus - ebenfalls ein Mann aus dem Dorf - zu einem Holzk#228;fig in der Mitte des Platzes f#252;hrten. Andere trugen Fellm#252;tzen und dunkle Jakken und schwangen Bullenpeitschen, die sie #252;ber die K#246;pfe der Zuschauer zischen lie#223;en. »Die mit den Peitschen, das sind die, die Judas Rolle einnehmen«, kl#228;rte Bernabe ihn auf. »Sie sind Mitglieder einer Bruderschaft. Die Dorfbewohner geben ihnen Whisky und ein bi#223;chen Geld, in der Hoffnung, da#223; im kommenden Jahr die Gesch#228;fte gut laufen.« Die Menge jubelte, als der Jesus in den K#228;fig geworfen wurde. »Aber«,protestierteIndy, »Judas ...« Bernabe zuckte mit den Achseln. »Hier vermischen sich der christliche Glaube und die alten Traditionen«, sagte er. »Den Priestern gef#228;llt das gar nicht. Aber was k#246;nnen sie dagegen unternehmen? In den Augen meines Volkes ist Judas auch Maximon, der Maya-Gott der Unterwelt, der daf#252;r sorgt, da#223; sich die Welt auch in Zukunft dreht, weil er alles daransetzt, da#223; die Menschen sich ineinander verlieben.« Jemand zupfte an Indys Peitsche, die an seinem G#252;rtel hing. Als er sich umdrehte und den Blick senkte, schaute er in die Augen eines ver#228;ngstigten Kindes. Das M#228;dchen warf ihm eine M#252;nze vor die F#252;#223;e und rannte auf und davon. Indy staunte nicht schlecht. »Sie hielt Sie f#252;r einen Judas«, sagte Bernabe. Indy b#252;ckte sich und hob die M#252;nze auf. Er nahm sie zwischen Daumen und Zeigefinger und studierte sie. Das war ein Kupfer-Centavo, der nur den Bruchteil eines amerikanischen Cents wert war. Die M#252;nze war im Jahre 1899 gepr#228;gt worden, in dem Jahr, in dem Indy auf die Welt gekommen war. Er steckte die M#252;nze in seine Hemdtasche und richtete sich auf. »Bernabe«, sagte er. »Sag mir die Wahrheit. Was hat es mit dem Fluch des Kristallsch#228;dels auf sich?« »Ja - wissen Sie das denn nicht, Chef?« staunte Bernabe. »Sie werden t#246;ten, was Sie lieben.« |
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