"Satan und Ischariot I" - читать интересную книгу автора (Май Карл)

Satan und Ischariot I. Die Felsenburg.

Erstes Kapitel. In der Sonora. 

Sollte jemand mich fragen, welches wohl der traurigste, der langweiligste Ort der Erde sei, so w#252;rde ich, ohne mich lange zu besinnen, antworten: Guaymas in Sonora, dem nordwestlichsten Staate der Republik von Mexiko. Diese Meinung ist allerdings nur eine rein pers#246;nliche; ein anderer w#252;rde sie wahrscheinlich bestreiten; ich aber habe in der Stadt die inhaltslosesten zwei Wochen meines Lebens - man verzeihe mir den freilich sehr zutreffenden Ausdruck - verfaulenzt und verspielt.

Die im #246;stlichen Teile von Sonora sich erhebenden Berge enthalten reiche Lagerst#228;tten von edlen Metallen, Kupfer und Blei, und fast alle Wasserl#228;ufe f#252;hren Waschgold mit sich; aber die Ausbeute war damals nur eine geringe, weil die Reviere von den Indianern unsicher gemacht wurden und man sich nur in starker Gesellschaft hinauf an Ort und Stelle getraute. Wo aber eine so zahlreiche Belegschaft hernehmen? Der Mexikaner ist alles andere, nur kein Arbeiter; dem Indianer f#228;llt es nicht ein, gegen Tagelohn die Sch#228;tze auszugraben, welche er noch heutigen Tages f#252;r sein rechtm#228;#223;iges Eigentum h#228;lt; chinesische Kulis k#246;nnte man genug bekommen, doch mag man sie nicht, denn wer diese unsauberen Geister beschw#246;rt, der wird sie nicht wieder los - - aber die Gambusinos, die Prospektors, wird man sagen; das sind doch die eigentlichen Goldsucher und Minenarbeiter; warum engagiert man diese nicht? Sehr einfach darum, weil damals keine zu haben waren; sie waren alle hin#252;ber nach Arizona, wo das Gold in hellen Haufen liegen sollte. Darum waren die Reviere von Sonora ver#246;det, gerade wie noch heute, wo nicht nur der Bergbau, sondern auch die Viehzucht des Landes unter der Furcht vor den wilden Indianern darniederliegt.

Auch ich hatte nach Arizona gewollt, doch nicht etwa weil auch am Goldfieber leidend, sondern aus Interesse f#252;r das eigenartige Leben, welches in den Diggins herrscht; da aber kam die bekannte Erhebung des mexikanischen Generals Jargas; ich wurde vom Herausgeber einer Zeitung in San Franzisko gefragt, ob ich f#252;r sein Blatt nach dem Schauplatze der Emp#246;rung gehen wolle, um Berichte zu schreiben, und ich ergriff mit Freuden diese Gelegenheit, eine Gegend kennen zu lernen, welche ich sonst wohl nie zu sehen bekommen h#228;tte. Jargas hatte kein Gl#252;ck; er wurde besiegt und erschossen, und ich ging, nachdem mein letzter Bericht abgesandt worden war, #252;ber die Sierra Verde zur#252;ck, um nach Guaymas zu kommen. Dort hoffte ich eine Schiffsgelegenheit nach einem n#246;rdlicheren Orte des kalifornischen Golfes zu finden, denn ich wollte nach dem Rio Gila, wo ich laut einer Verabredung mit meinem Freunde, dem Apatschenh#228;uptling Winnetou, zusammentreffen sollte.

Leider ging meine R#252;ckkehr nicht so schnell von statten, wie es in meinem Wunsche lag. Ich hatte, als ich mich noch in der einsamen Sierra befand, das Ungl#252;ck, da#223; mein Pferd stolperte und einen Vorderfu#223; brach; ich mu#223;te es erschie#223;en und den Weg dann unter die eigenen F#252;#223;e nehmen. Tagelang sah ich keinen Menschen, am allerwenigsten einen, dem ich ein Pferd oder Maultier h#228;tte abkaufen k#246;nnen. Vor einer Begegnung mit Bravos-Indianern h#252;tete ich mich, da bei einer solchen nur zu verlieren und nichts zu gewinnen war. Es war eine lange und anstrengende Wanderung, und so atmete ich froh auf, als ich endlich in den Trachytkessel niederstieg, in welchem das traurige Guaymas liegt.

Obgleich am ersehnten Ziele angekommen, war ich doch keineswegs entz#252;ckt #252;ber den Anblick, welchen die Stadt mir bot. Sie hatte damals kaum zweitausend Einwohner und bestand aus H#228;usern, welche aus Luftziegeln erbaut waren und keine Fenster hatten. Rings von hohen, kahlen Felsen umgeben, lag der Ort wie eine ausgedorrte Leiche in erdr#252;ckender Sonnenglut. In der Umgebung war kein Mensch zu sehen, und auch als ich mich dann zwischen den ersten H#228;usern befand, schien es, als ob dieselben ausgestorben seien.

Freilich war der Eindruck, welchen ich auf oder in Guaymas machen mu#223;te, kein besserer als derjenige, welchen die Stadt auf mich machte, denn ich hatte keineswegs das Aussehen eines Gentleman oder, wie man dort sagt, eines Caballero. Mein Anzug, f#252;r welchen ich vor meiner Abreise von San Franzisco achtzig Dollars bezahlt hatte, war nach und nach in eine solche Zerfahrenheit geraten, da#223; verschiedene Gegenden meiner Person viel sichtbarer waren als der Stoff, dem ich ihre Bedeckung anvertraut hatte. Auch die Fu#223;bekleidung war bei der vollst#228;ndigen Ersch#246;pfung ihrer Kr#228;fte angelangt. Rechts hatte ich den ganzen Absatz verloren; links war mir der halbe geblieben, und wenn ich vorn die offenherzigen Spitzen betrachtete, so mu#223;te ich, ich mochte wollen oder nicht, an aufgesperrte Entenschn#228;bel denken. Und nun gar der Hut! In gl#252;cklicheren Zeiten Sombrero, das hei#223;t Schattenspender, genannt, hatte er jetzt verr#228;terischerweise auf diese Ehrentitulatur vollst#228;ndig Verzicht geleistet. Die erst so breite Kr#228;mpe war, ich kann selbst heute noch nicht sagen, auf welche Weise und aus welcher Veranlassung, nach und nach immer abwesender geworden, und das, was mir als treues Ueberbleibsel nun auf dem Kopfe sa#223;, hatte die Form eines t#252;rkischen Fez und h#228;tte sich, aufrichtig gestanden, ganz vortrefflich zum Tintenseiher geeignet. Nur der lederne G#252;rtel, mein langj#228;hriger Begleiter, hatte auch diesmal seine unersch#252;tterliche Charakterfestigkeit bewiesen. Von Teint, Frisur und andern Intimit#228;ten zu sprechen, w#252;rde diejenige Achtung verletzen, welche man seiner eigenen Person unter allen Umst#228;nden zu widmen hat.

Indem ich langsam die Stra#223;e entlang ging und bald nach rechts, bald nach links sah, um ein menschliches Wesen zu entdecken, erblickte ich ein Geb#228;ude, aus dessen niedrigem Dach zwei Stangen ragten, welche ein h#246;lzernes Firmenschild trugen. Es zeigte in einst wei#223;en, nun verwitterten Buchstaben auf dunklem Grunde die verlockenden Worte »Meson de - - -« das #252;brige war nicht mehr zu lesen. Als ich dastand, um den Rest der Schrift zu entziffern, war endlich der Schritt eines Menschen zu h#246;ren. Ich drehte mich um und sah einen Mann, der sich n#228;herte und an mir vor#252;ber wollte. Ich gr#252;#223;te ihn h#246;flich und fragte ihn, welches Gasthaus wohl das empfehlenswerteste dieser guten Stadt sei. Er deutete auf das Geb#228;ude, vor welchem ich stand, und antwortete:

»Gehen Sie nicht weiter, Sennor. Dieses Hotel ist das nobelste, welches wir haben. Im Schilde fehlt zwar jetzt das Wort Madrid, Ihnen aber wird nichts mangeln, wenn Sie sich dem Wirte, Don Geronimo, anvertrauen. Sie k#246;nnen sich auf meine Empfehlung verlassen, denn ich bin der Escribano (* Stadtschreiber.), von Guaymas und kenne alle Leute. Vorausgesetzt ist nat#252;rlich, da#223; Sie bezahlen k#246;nnen.«

Er warf sich bei Nennung seines wichtigen Amtes in die Brust und betrachtete mich dann mit einem Blicke, welcher mir deutlich sagte, was er von mir dachte, n#228;mlich da#223; ich h#246;chst wahrscheinlich im Ortsgef#228;ngnisse besser aufgehoben sei als im Hotel. Dann schritt er in w#252;rdevoller Haltung weiter; ich aber wendete mich im Vertrauen auf die Empfehlung einer solchen Ber#252;hmtheit nach der offenen Th#252;re des Gasthauses. Ich w#228;re auch ohnedies hier eingekehrt, da ich m#252;de war und keine Lust hatte, mich der Glut der Mittagssonne l#228;nger auszusetzen.

Das nobelste Hotel der Stadt! Meson de Madrid! Gute Zimmer, saubere Betten, schmackhafte Speisen! Das Wasser lief mir im Munde zusammen. Ich trat ein und befand mich sofort in - »s#228;mtlichen R#228;umlichkeiten«. Das soll n#228;mlich hei#223;en, da#223; das Hotel nur aus diesem einen Raume bestand. Vorn trat man von der Stra#223;e her ein, und gegen#252;ber f#252;hrte eine Th#252;re nach dem Hofe. Andere Oeffnungen oder gar Fenster gab es nicht. Neben der hintern Th#252;re stand der ru#223;geschw#228;rzte, steinerne Herd, soda#223; der Rauch sich dort pfiffigerweise gleich aus dem Staube machen konnte. Hartgeschlagener Lehm bildete den Boden. In denselben eingetriebene Pf#228;hle und darauf genagelte Bretter bildeten die Tafeln, Tische und B#228;nke. St#252;hle gab es nicht. An der Mauer links hingen H#228;ngematten, welche die Gastbetten vorstellten, aber auch sonst von jedermann nach Belieben benutzt werden konnten. An der anderen Wand, rechter Hand stand das B#252;ffett, welches allem Anscheine nach aus einigen alten Kisten zusammengezimmert worden war. Daneben gab es wieder einige H#228;ngematten, welche den Buen retiro der Familie des Hoteliers bildeten. In einer derselben lagen schlafend drei Jungens, deren Arme und Beine so ineinander verwickelt waren, da#223; es eines sehr tiefen Studiums bed#252;rft h#228;tte, um sagen zu k#246;nnen, welche Extremit#228;ten zu jedem K#246;rper geh#246;rten. In der zweiten ruhte die Tochter des Wirtes, Sennorita Felisa. Sie z#228;hlte, wie sie mir andern Tages sagte, sechzehn Sommer, schnarchte aber wie ein Unisono von sechzehn Winterst#252;rmen. In der dritten H#228;ngematte hielt die Wirtin ihr Mittagsschl#228;fchen. Donna Elvira genannt, hatte sie eine L#228;nge von sechs Schuh und f#252;nf Zoll. Ihr Gatte teilte mir sp#228;ter im Vertrauen mit, da#223; sie eine au#223;erordentlich resolute Dame sei; da sie aber, so oft ich sie sah, entweder schlummerte oder wirklich schlief, so hatte ich leider nicht das Gl#252;ck, einem vulkanischen Ausbruche ihres energischen Temperaments beizuwohnen. In der vierten H#228;ngematte entdeckte ich einen ringartigen, grauleinenen Gegenstand, den ich beinahe f#252;r einen Rettungsg#252;rtel, wie man sie auf Seeschiffen sieht, gehalten h#228;tte. Bei n#228;herer Betrachtung aber gelangte ich zu der Einsicht, da#223; sich aus diesem G#252;rtel erforderlichen Falles etwas Edleres entwickeln k#246;nne, weshalb ich ihm einen leichten Schlag versetzte. Der Ring geriet darauf in Bewegung; er l#246;ste sich. Es kamen Arme und Beine zum Vorscheine, sogar ein Kopf; der Rettungsg#252;rtel #246;ffnete sich vollst#228;ndig, sprang aus der H#228;ngematte und verwandelte sich in ein kleines hageres, sehr eng in graues Leinen gekleidetes M#228;nnchen, welches mich #252;berrascht betrachtete und dann in zornig sein sollendem, aber nur vorwurfsvoll klingendem Tone fragte:

»Was wollen Sie, Sennor? Warum st#246;ren Sie meine Siesta? Warum sind Sie #252;berhaupt wach und munter? In dieser t#246;dlichen Hitze schl#228;ft doch jeder vern#252;nftige Mensch!«

»Ich suche den Wirt,« antwortete ich.

»Der bin ich. Don Geronimo ist mein Name.«

»Ich komme soeben in Guaymas an und suche ein Schiff. Kann ich bei Ihnen wohnen?« »Wollen dann sehen; jetzt aber schlafen Sie, dort in einer der H#228;ngematten.« Er deutete nach der andern Seite.

»Ich bin auch m#252;de,« antwortete ich, »aber ich habe Hunger.« »Sp#228;ter, sp#228;ter! Schlafen sie nur erst!« forderte er mich dringend auf. »Und Durst!«

»Jawohl, jawohl! Es wird f#252;r alles gesorgt werden; aber schlafen Sie, schlafen Sie doch nur!«

Nachdem er vorher leise gesprochen hatte, war er jetzt lauter geworden. Die andern H#228;ngematten begannen zu schaukeln; darum raunte er mir warnend zu:

»Sprechen Sie nicht weiter, sonst erwacht Donna Elvira! Schlafen Sie, schlafen Sie!«

Er schwang sich in die H#228;ngematte und rollte sich wieder zu einem Ringe zusammen. Was war da zu thun! Ich lie#223; den Rettungsg#252;rtel mit seiner Familie weiter schlafen, schlich, um Niemanden aufzuwecken, mit leisen Schritten zur Hinterth#252;re hinaus und gelangte in einen ziemlich gro#223;en Hof. In einer Ecke desselben war aus Stangen und Maisstroh ein Dach errichtet, unter welchem einige Ger#228;tschaften aufbewahrt wurden. Auch ein Haufen Maisstroh lag da, daneben ein gro#223;er Hund, welcher an einer Kette befestigt war. Das Stroh bildete jedenfalls ein besseres Lager als eine der H#228;ngematten drin; ich n#228;herte mich also dem Haufen, ein wenig besorgt, da#223; der Hund L#228;rm machen und Donna Elvira wecken werde; aber diese Sorge war unn#246;tig, denn - - der Kerl schlief auch! Er #246;ffnete zwar die Augen f#252;r einen Moment, schlo#223; sie aber sofort wieder und sagte nichts dazu, als ich mir aus dem Stroh ein Lager bereitete und mich dann auf dasselbe ausstreckte. Meine beiden Gewehre im Arme, schlummerte ich ein und schlief infolge meiner Erm#252;dung so gut und so fest, da#223; ich erst erwachte, als eine Hand meinen Arm sch#252;ttelte. Es war am sp#228;ten Nachmittage; der kleine Wirt stand vor mir und sagte:

»Sennor, erheben Sie sich! Es ist an der Zeit, die Entscheidung zu treffen.« »Welche Entscheidung?« fragte ich, indem ich aufstand.

»Ob Sie bei mir bleiben d#252;rfen oder nicht.« »Warum bedarf es denn da einer Entscheidung?«

Ich sprach diese Frage aus, obgleich ich mir sehr wohl denken konnte, was er meinte, und betrachtete mir das M#228;nnchen genauer, als ich es am Mittag hatte thun k#246;nnen. Er war wirklich sehr, sehr klein und zum Erschrecken mager. Er trug das Haar ganz kurz geschoren, fast wie rasiert. Seine scharfen Z#252;ge hatten einen klugen und dabei h#246;chst gutm#252;tigen Ausdruck.

»Donna Elvira will, da#223; ich nur Cavalleros bei mir aufnehme,« antwortete er, »und Sie werden zugeben, da#223; Sie nicht den Eindruck eines solchen machen.«

»Wirklich?« mu#223;te ich l#228;chelnd fragen, indem ich zu ihm niederblickte. »Meinen Sie, da#223; nur der ein Cavallero ist, der in einem neuen Anzuge steckt?«

»Nein; denn es kann auch einem feinen Manne geschehen, da#223; er gezwungen ist, die Sch#246;nheit des Aeu#223;ern au#223;er acht zu lassen; aber Donna Elvira hat einen sehr ausgepr#228;gten Sinn f#252;r diese Sch#246;nheit und f#252;hlt sich von Ihnen abgesto#223;en.«

»Hat sie mich denn gesehen? Die Dame schlief ja, als ich kam.«

»Sie schlief allerdings; sie schl#228;ft #252;berhaupt sehr gern, wenn sie nichts anderes zu thun hat; aber sie ist dann in den Hof gegangen, um Sie zu betrachten, und als sie Ihren Anzug sah, Ihre Stiefel, Ihren Hut, da meinte sie - - nun, Sennor, es ist doch wohl nicht so notwendig, da#223; ich mich noch deutlicher ausdr#252;cke?«

»Nein; ich verstehe Sie auch so, Don Geronimo, und werde, da ich der Donna nicht gefalle, mich nach einem anderen Hause umsehen.«

Ich wendete mich zum Gehen; da hielt er mich zur#252;ck und sagte:

»Halt! Warten Sie noch ein wenig! Es ist so einsam, wenn man keinen Gast im Hause hat, und Sie sehen mir doch nicht wie ein Bravo aus, den man f#252;rchten mu#223;. Ich m#246;chte bei Donna Elvira ein gutes Wort f#252;r Sie einlegen. Dazu ist erforderlich, beweisen zu k#246;nnen, da#223; Sie mir n#252;tzlich sind. Spielen Sie vielleicht Domino?«

»Ja,« antwortete ich, mich #252;ber diese Frage wundernd. »Gut! Kommen Sie herein! Wir wollen eine Probe machen.«

Er schritt voran, und ich folgte ihm nach dem Innern des »Hotels«. Donna Elvira lag in ihrer H#228;ngematte. Sennorita Felisa sa#223; im Buffet bei einem Glase Rum. Die drei Buben waren nicht da; sie befanden sich drau#223;en auf der Stra#223;e, wo sie sich mit ihresgleichen damit unterhielten, sich mit faulen Apfelsinen zu bewerfen. Don Geronimo holte die Dominosteine und lud mich ein, mich zu ihm an einen der Tische zu setzen. Als die Steine rasselten, bewegte sich Donna Elvira, und als ihr Gatte mir andeutete: »Nehmen Sie sechs; der h#246;chste Pasch setzt an,« da hob sie den Kopf. Sennorita Felisa kam mit ihrem Glase herbei und setzte sich zu uns, um zuzusehen. Ich sah, was f#252;r Leute ich vor mir hatte. Die Menschen schliefen, wenn sie nicht Domino spielten, und spielten Domino, wenn sie nicht schliefen. Und dabei war Geronimo kaum ein leidlicher Spieler. Ich gewann die erste Partie, die zweite und auch die dritte. Bei der ersten freute er sich; bei der zweiten wunderte er sich, und bei der dritten rief er entz#252;ckt aus: »Sie sind ein Meister, Sennor. Sie m#252;ssen bei uns bleiben, damit ich von Ihnen lernen kann. Drei Spiele hat mir noch kein Mensch abgewonnen!«

Die Wahrheit war, da#223; ich mir gar keine M#252;he gegeben hatte; er spielte so mangelhaft, da#223; es gar keiner Berechnung bedurfte, um ihn zu besiegen. Er stand vom Tische auf und ging zu seiner Frau, mit welcher er leise fl#252;sterte. Dann begab er sich hinter das B#252;ffett, brachte ein Buch hervor, dazu ein riesiges Tintenfa#223;, legte oder stellte beides vor mich hin und sagte:

»Donna Elvira ist so g#252;tig gewesen, ihre Einwilligung zu erteilen, da#223; Sie hier bleiben k#246;nnen; schreiben Sie also Ihren Namen in dieses Fremdenbuch!«

Ich schlug das Buch auf. Es enthielt lauter Namen, Zahlen und Daten; bei der zuletzt beschriebenen Seite lag die Feder, ein uralter G#228;nsekiel, dessen Schnabel fast genau soweit wie meine Stiefel vorn auseinander klaffte; auch er war mit einer harten, dicken Kruste #252;berzogen.

»Mit dieser Feder soll ich schreiben?« fragte ich belustigt.

»Allerdings, Sennor. Es ist keine andere vorhanden, und Sie werden wohl auch keine bei sich f#252;hren.« »Aber das ist ja ganz unm#246;glich!«

»Wieso? Ich sage Ihnen, seit ich dieses Hotel besitze, das sind nun fast zehn Jahre her, haben sich alle meine G#228;ste mit dieser Feder und mit dieser Tinte eingetragen.«

Die Tinte war nat#252;rlich l#228;ngst verh#228;rtet.

»Wie haben sie das angefangen?«

»Mit Wasser, wie Sie sich leicht denken k#246;nnten, wenn Sie in der Kunst des Schreibens nur einigerma#223;en bewandert w#228;ren. Wenn man die Feder in hei#223;em Wasser einweicht, wird sie so weich wie neu, ja noch viel weicher. Und gie#223;t man hei#223;es Wasser in das Fa#223;, so bekommt man eine vollst#228;ndig neue und au#223;erordentlich gute Tinte. Da mein Haus einen lebhaften Zuspruch hat und jeder Gast sich hier eintragen mu#223;, so wird bei mir ungew#246;hnlich viel geschrieben; ich darf also nicht verschwenderisch mit Tinte und Feder umgehen. Da Sie des Schreibens unkundig zu sein scheinen, so will ich den Eintrag f#252;r Sie vornehmen.«

»Thun Sie das, Sennor; ich bitte sehr darum. Sie nehmen mir damit eine gro#223;e Last von der Seele.«

»Sehr wohl! Es kann nicht jeder ein Gelehrter sein. Es soll sofort geschehen; ich will mir vorher erst hei#223;es Wasser machen.«

Er ging an das B#252;ffett. Ich sah, da#223; er Spiritus oder gar Rum in eine Lampe go#223;, denselben anbrannte und ein blechernes Gef#228;#223; #252;ber die Flamme hielt. Er hatte aus weiser Sparsamkeit seine G#228;ste zehn Jahre lang gezwungen, sich dieser Tinte und Feder zu bedienen, und dabei, ebenso aus weiser Sparsamkeit, jedesmal f#252;r einen Groschen Spiritus verbrannt! Es dauerte wenigstens eine Viertelstunde, bis das Wasser kochte; solange hielt er es geduldig #252;ber die Lampe; dann tauchte er die Feder hinein, lie#223; sie eine Weile darin br#252;hen, go#223; dann das Wasser in das Tintenfa#223;, r#252;hrte es mit der Feder kr#228;ftig um und meinte dann in einem sehr befriedigten Tone:

»So, jetzt kann das Werk beginnen; ich bin bereit dazu.«

Er legte das Buch vor sich hin, stellte sich die Tinte bequem zur Hand, r#228;usperte sich energisch, griff zur

Feder, hustete, zog die Stirn in tiefe Falten, legte das Buch anders, gab auch dem Tintenfasse eine andere Stelle, hustete wieder, setzte sich fester, als er vorher gesessen hatte, kurz und gut, geb#228;rdete sich so, als ob er im Begriffe stehe, das gr#246;#223;te Kunstwerk der Welt in Angriff zu nehmen.

Ich brachte es nur mit Anstrengung fertig, ernst zu bleiben, und konnte mir nun das Aussehen des Fremdenbuches erkl#228;ren. Ich hatte, w#228;hrend er Wasser kochte, darin gebl#228;ttert. Die Schrift war auf den letzten Seiten dunkelgelb, wurde je weiter nach vorn desto heller und war endlich gar nicht mehr zu lesen. Die vordersten Seiten schienen niemals beschrieben worden zu sein.

»Jetzt passen Sie auf, Sennor,« sagte er. »Ich habe einzutragen den Tag und das Jahr Ihrer Ankunft bei mir, Ihren Namen, Ihren Stand oder Beruf und die Absicht, in welcher Sie sich hier befinden. Ich hoffe, da#223; Sie mir das alles der strengsten Wahrheit gem#228;#223; angeben!«

Ich machte ihm die Angaben, und er malte sie in Buchstaben nieder, welche in Beziehung auf Deutlichkeit nichts zu w#252;nschen #252;brig lie#223;en. Er malte nicht nur, sondern er mahlte f#246;rmlich, langsam, sehr langsam, mit einem Drucke und einer Hingebung, wie es einer so wichtigen und edlen Besch#228;ftigung w#252;rdig war. Als er nach einer guten halben Stunde den letzten Strich ver- verbrochen hatte, machte er ein sehr befriedigtes Gesicht, schob das Buch von sich ab und fragte mich dann:

»Wie gef#228;llt Ihnen meine Hand, Sennor? Haben Sie schon einmal solche Buchstaben und Z#252;ge gesehen?«

»Nein, noch nie,« antwortete ich der Wahrheit gem#228;#223;. »Sie haben eine sehr charaktervolle Hand.«

»Das ist kein Wunder, da ich es bin, der fast alle Namen einzutragen hat, denn die meisten G#228;ste verstehen, gerade so wie Sie, mit Tinte und Feder nicht umzugehen. Ich danke Ihnen f#252;r Ihre Angaben; sie sind leicht verst#228;ndlich; nur eine kann ich mir nicht erkl#228;ren. Sie haben als Ihren Beruf angegeben, da#223; Sie Litterat sind. Dieses Gesch#228;ft ist mir noch nicht vorgekommen. Ist es ein Handwerk, eine milit#228;rische Charge, oder bezieht es sich auf den Handel im allgemeinen oder auf das Hausieren insbesondere?«

»Keines von alledem. Ein Litterat ist das, was Sie im Spanischen mit dem Worte Autor oder Escritor bezeichnen.«

Da sah er mich #252;berrascht an und fragte:

»Haben Sie Verm#246;gen?«

»Nein.«

»Dann bedauere ich Sie von ganzem Herzen, da Sie bei Ihrem Berufe notwendigerweise verhungern m#252;ssen.«

»Wieso, Don Geronimo?«

»Das fragen Sie noch? O, ich kenne diese Verh#228;ltnisse sehr genau, denn wir haben hier in Guaymas auch einen Escritor. Er ist sehr reich und schreibt f#252;r ein Blatt, welches in Hermosillo erscheint. Er mu#223; sehr viel Geld bezahlen, um seine Einsendungen gedruckt zu sehen. Es ist ein Gesch#228;ft, welches gro#223;e Ausgaben verursacht und gar nichts einbringt. Wie k#246;nnen Sie leben; was wollen Sie essen und trinken, und womit wollen Sie sich kleiden? Ich bedauere Sie auf das herzlichste! K#246;nnen Sie denn bezahlen, was Sie bei mir genie#223;en?«

»Ja. Dazu reicht es noch aus.«

»Das freut mich sehr. Hm, ein Escritor! Da ist es kein Wunder, da#223; Sie so ungemein herabgekommen sind, und ich finde es fast unbegreiflich, da#223; Sie dabei ein so gutes und gesundes Aussehen haben. Aber - -Caramba, da f#228;llt mir ein: Wenn Sie ein Escritor sind, m#252;ssen Sie doch schreiben k#246;nnen?«

»Allerdings.«

»Und trotzdem haben Sie diese harte Arbeit mir #252;berlassen! Warum verheimlichten Sie die Kunst, deren Sie m#228;chtig sind?«

»Weil es unh#246;flich gewesen w#228;re, Ihnen zu widersprechen, als Sie mich f#252;r einen Mann erkl#228;rten, welcher die Feder nicht zu f#252;hren versteht.«

»Richtig! Diese Ihre H#246;flichkeit dient Ihnen als Empfehlung. Darf ich fragen, woher Sie kommen?« »Von jenseits der Sierra Verde!« »Als Fu#223;g#228;nger? Sie armer Teufel!«

»Ich war beritten, wie Sie daran sehen, da#223; ich Sporen trage. Mein Pferd st#252;rzte und brach das Bein; ich mu#223;te es erschie#223;en.«

»Warum haben Sie nicht Sattel und Zaum mitgenommen?«

»Weil ich mich nicht mehrere Tage lang in solcher Hitze mit dieser Last schleppen wollte.«

»Aber Sie konnten es verkaufen und von dem Erl#246;se vielleicht zwei volle Tage leben. Sie thun mir wirklich leid. Lieber h#228;tten Sie sich mit den beiden alten Schie#223;gewehren, die ich da sehe, nicht schleppen sollen; sie sind keinen halben Dollar wert, ganz alte Konstruktion; ich verstehe mich darauf.«

Er nahm den Henrystutzen in die Hand, betrachtete ihn und sch#252;ttelte, indem ihm die Patronenkugel am Schlosse auffiel, den Kopf. Dann griff er nach der alten B#228;renrifle, um sie aufzunehmen, lie#223; sie aber liegen, da sie so schwer war, da#223; er sie mit einer Hand nicht zu heben vermochte.

»Werfen Sie dieses Zeug weg!« riet er mir. »Es hat keinen andern Zweck, als da#223; Sie sich mit demselben das Reisen erschweren. Wohin wollen Sie von Guaymas aus?«

»Mit einem Schiffe n#246;rdlich weiter, #252;ber Hermosillo hinauf.«

»Da k#246;nnen Sie lange warten. Schiffe, welche soweit gehen, sind selten.«

»So reite ich.«

»Da m#252;#223;ten Sie sich ein Pferd oder Maultier kaufen, und ich versichere Ihnen, da#223; selbst f#252;r schweres Geld jetzt keines zu haben ist. Wenn Sie Zeit zum Warten h#228;tten, k#246;nnten Sie sp#228;ter die Eisenbahn benutzen, welche nach Arispe geht.«

»Wie gehen die Z#252;ge dorthin?«

»Z#252;ge? Man sieht, da#223; Sie hier fremd sind, Sennor. Die Bahn ist noch nicht fertig. Man sagt, da#223; sie in drei, vier oder auch f#252;nf Jahren vollendet sein wird; das aber sind Ihnen unbekannte Dinge. Sie sollten nicht in einem Lande reisen, welches Sie nicht kennen und welches soweit von Ihrer Heimat liegt. Bei Ihrer Armut ist dies ein gef#228;hrliches Beginnen. Sie haben als Ihre Heimat Sajonia angegeben. Wo liegt diese

Stadt?«

»Es ist keine Stadt, sondern ein K#246;nigreich, welches zu Alemania geh#246;rt.«

»Ganz richtig! Man kann nicht alle Landkarten im Kopfe haben. Also Sie d#252;rfen bei mir bleiben. Wegen Ihrer Armut und weil Sie infolge Ihres guten Dominospieles ein vorz#252;glicher Gesellschafter sind, will ich ein Einsehen haben und Ihnen den m#246;glichst billigen Preis stellen. Sie sollen vollst#228;ndige Pension und die beste Verpflegung f#252;r einen Peso t#228;glich haben. Das ist ein Preis, den Sie sehr niedrig finden werden.«

»Ich danke Ihnen und bin einverstanden,« erkl#228;rte ich, denn ein Peso betr#228;gt vier und eine halbe Mark, bei welchem Preise ich »vollst#228;ndige« Pension und »beste« Verpflegung halb als geschenkt betrachten mu#223;te.

Er nickte befriedigt, schob das Fremdenbuch zur Seite, griff wieder nach den Dominosteinen und sagte:

»Da Sie Hunger und Durst haben, wird Felisa Ihnen das Essen bereiten, und inzwischen k#246;nnen wir noch einige Partien spielen. Beginnen wir!«

Ob ich Lust dazu hatte, das fragte er nicht. Er schien es f#252;r ganz selbstverst#228;ndlich zu halten, da#223; ich ein ebenso leidenschaftlicher Spieler sei, wie er war. Wir begannen, denn ich wollte nicht ungef#228;llig sein. Ich hatte die Absicht, ihn gewinnen zu lassen, konnte dieselbe aber nicht ausf#252;hren, da er wirklich zu schlecht spielte. Bei der dritten Partie begann sich vom Herde, an welchem die Sennorita besch#228;ftigt war, ein Duft nach verbranntem Mehle zu verbreiten. Mitten in der vierten hielt der Wirt pl#246;tzlich inne, schlug sich mit der Hand an die Stirn und rief aus:

»Wie konnte ich das vorhin vergessen! Sie wollen #252;ber Hermosillo hinaus, Sennor, und ich habe gar nicht daran gedacht, da#223; es eine pr#228;chtige Gelegenheit f#252;r Sie giebt. Sennor Enriquo erwartet n#228;mlich ein Schiff, welches hier anlegen und dann hinauf nach Lobos gehen wird.«

»Dieser Ort w#252;rde mir allerdings sehr bequem liegen. Wer aber ist der Mann, den Sie Sennor Enriquo nennen?«

»Ein Gast von mir, dessen Name im Fremdenbuche gleich vor dem Ihrigen steht. Haben Sie ihn nicht gelesen?«

Das hatte ich nicht gethan. Ich griff also nach dem Buche und las: »Harry Melton, Heiliger der letzten Tage.« Diese Worte waren allerdings in englischer Sprache geschrieben. Also ein Mormone! Wie kam der hierher? Welche Angelegenheit konnte ihn aus der gro#223;en Salzseestadt soweit s#252;dlich nach Guaymas gef#252;hrt haben?

»Warum blicken Sie so nachdenklich in das Buch?« fragte der Wirt. »Ist an dem Eintrage vielleicht etwas Besonderes, etwas Auff#228;lliges zu bemerken?«

»Eigentlich nicht. Sie haben die Worte gelesen?«

»Ja, aber nicht verstanden. Der Sennor ist so ernst, so stolz und so fromm, da#223; ich ihn nicht mit Fragen bel#228;stigen wollte. Wahrscheinlich sprach ich seinen Namen falsch aus, und da erkl#228;rte er mir, da#223; Harry genau soviel wie das spanische Enriquo bedeute. Darum nenne ich ihn so.«

»Er wohnt also bei Ihnen?«

»Er schl#228;ft bei mir, geht des Morgens fort und kommt des Abends wieder,« »Was treibt er inzwischen?«

»Das wei#223; ich nicht. Ich habe keine Zeit, mich um jeden meiner G#228;ste zu bek#252;mmern.«

Ja, der kleine Mann spielte und schlief, schlief und spielte und konnte also unm#246;glich dazu kommen, einem

Gaste eine solche Aufmerksamkeit zu schenken. Er fuhr fort.

»Ich wei#223; eben nur seinen Namen und da#223; er auf ein Schiff nach Lobos wartet. Der Sennor spricht sehr wenig. Seine Fr#246;mmigkeit ist r#252;hmenswert. Schade nur, da#223; er nicht Domino spielen kann!«

»Woher wissen Sie, da#223; er fromm ist?«

»Weil er den Rosenkranz best#228;ndig durch die Finger gleiten l#228;#223;t und niemals kommt oder geht, ohne sich vor dem Heiligenbilde, welches dort in der Ecke h#228;ngt, zu verbeugen und Weihwasser aus dem Becken dort an der Th#252;re zu nehmen.«

Ich wollte eine Bemerkung machen, hielt es aber f#252;r besser, zu schweigen. Ein Mormone mit dem Rosenkranze! Vielweiberei und Weihwasser! Das Buch Mormon und die Verbeugung vor einem Heiligenbilde! Dieser Mann war jedenfalls ein Heuchler, und seine Heuchelei mu#223;te einen Grund haben.

Es war nicht m#246;glich, diesen Gedanken weiter zu verfolgen, denn Sennorita Felisa brachte mir jetzt eine Tasse, welche eine braune, dicke Materie enthielt, und w#252;nschte mir, wohl zu speisen. Da der Wirt sich diesem Wunsche anschlo#223;, so vermutete ich ganz rechtm#228;#223;igerweise, da#223; ich den Trank genie#223;en solle. Ich nahm also die Tasse an den Mund und kostete, kostete wieder und kostete abermals, bis meine Zunge mir sagte, da#223; ich es mit einer Mixtur von Wasser, Sirup und verbranntem Mehle zu thun hatte.

»Was ist das?« fragte ich.

Da schlug Felisa vor Erstaunen die H#228;nde zusammen und rief aus: »Ist das M#246;glich, Sennor? Haben Sie noch keine Schokolade getrunken?«

»Schokolade?« fragte ich, wobei mein Gesicht einen nicht eben sehr geistreichen Ausdruck gehabt haben mag. »Ja, die habe ich schon oft getrunken.«

»Nun, das ist ja welche!«

»Schokolade? Wirklich? Das h#228;tte ich nicht gedacht!«

»Nicht wahr?« nickte mir der Wirt erfreut zu. »Ja, meine Schokolade ist weithin ber#252;hmt. Wer wei#223;, was Sie an anderen Orten f#252;r Zeug getrunken haben. Die meinige aber ist so echt, ist so einzig, da#223; ein jeder, der zum erstenmale zu mir kommt, sich dar#252;ber verwundert und gar nicht glauben will, da#223; es Schokolade ist. Hieraus m#246;gen Sie ersehen, da#223; Sie bei mir alles vortrefflich finden werden.«

Ich war heimlich ganz anderer Meinung, hielt es aber nicht f#252;r n#246;tig, ihm dies zu sagen, sondern erkundigte mich:

»Was werden Sie mir als Abendbrot vorsetzen, Don Geronimo?«

»Abendbrot?« fuhr er #252;berrascht auf und erkl#228;rte mir dann, indem er auf die Tasse zeigte: »Da steht es ja; das ist es!«

»Ah so! Was geben Sie als Fr#252;hst#252;ck?«

»Eine Tasse meiner un#252;bertrefflichen Schokolade.« »Als Mittagessen?«

»Wieder eine Tasse. Das ist das beste, was man genie#223;en kann.« »Wer aber Brot und Fleisch oder #228;hnliches haben will?« »Der mu#223; zum B#228;cker und zum Fleischer gehen.«

»So sagen Sie, ob Sie Wein haben. Die Schokolade hilft nicht gegen den Durst.« »O, ganz ausgezeichneten! Wollen Sie ein Glas?« »Ja. Was kostet es?« »Drei#223;ig Centavos.«

Das war nach deutschem Gelde ein halber Thaler. Don Geronimo gab mir die Ehre, den Wein selbst zu holen, reichte ihn aber seiner Tochter anstatt mir. Sennorita Felisa trank das Glas halb aus, ohne eine Miene zu verziehen, und gab es mir dann mit einem holdseligen L#228;cheln. Ich nahm einen kleinen Schluck, welcher einen sofortigen Hustenanfall zur Folge hatte. Der »Wein« war das reinste Gift, die wahre Schwefels#228;ure.

»Trinken Sie langsam, langsam!« warnte mich der Wirt. »Mein Wein ist viel zu stark f#252;r Sie, aus den k#246;stlichsten Trauben gekeltert.«

»Ja, er ist mir allerdings zu stark, Don Geronimo,« hustete ich. »Erlauben Sie, da#223; ich zum B#228;cker und zum Fleischer gehe!«

»So trinken Sie das Glas nicht vollends aus?« fragte die Sennorita.

»Nein. Ich habe leider allzu gro#223;e R#252;cksicht auf meine Gesundheit zu nehmen.«

Da f#252;hrte sie das Glas an ihren Rosenmund, leerte es, wieder ohne eine Miene zu verziehen, und bat mich dann in zutraulichem Tone:

»Wenn Sie zum B#228;cker und Fleischer gehen, so bringen Sie mir etwas mit, Sennor. Noble und aufmerksame G#228;ste pflegen dies stets zu thun.«

Nicht #252;bel! Vier und eine halbe Mark zahlen, daf#252;r dreimal Mehl- und Sirupwasser, einen Platz in der wahrscheinlich starkbev#246;lkerten H#228;ngematte und dazu die Familie des Wirtes mit Proviant versorgen! Meson de Madrid! Das beste Hotel der Stadt! O Stadtschreiber, Stadtschreiber, deinen guten Rat und deine Empfehlung dieses Hauses in allen Ehren, aber ich will mich doch einmal weiter umsehen!

Ich ging, nat#252;rlich ohne meine verr#228;terische Absicht zu verraten. Volle zwei Stunden lang besch#228;ftigte ich mich mit der Suche nach einem besseren Unterkommen, gelangte aber schlie#223;lich zu der Ueberzeugung, da#223; der Stadtschreiber recht gehabt hatte, denn gegen die H#246;hlen, welche ich sah, war der Meson de Madrid ein Prachtpalast. Ich kaufte also f#252;r einen Peso Fleisch, welches, unter uns gesagt, ganz leidlich »muffig« war, nahm vom B#228;cker eine Anzahl platter Maiskuchen mit, welche an Stelle unsers Brotes gegessen werden, und wurde infolge dieser Vorr#228;te daheim mit gro#223;er Anerkennung empfangen. Die liebe Felisa nahm mir, ohne lange zu fragen, sofort alles ab und brannte das Herdfeuer an, um das Fleisch zu braten. Die drei Jungens bem#228;chtigten sich der Maiskuchen, welche sie wie Knochen zwischen den Z#228;hnen zerknackten, und Donna Elvira richtete sich in der H#228;ngematte empor, aus dem Schlummer geweckt durch den Bratenduft, welcher sich zu verbreiten begann. Leider konnte ich ihr Gesicht nicht erkennen, denn die einzige Lampe, welche es gab, stand fern von ihr auf dem Tische, an welchem ich Platz genommen hatte. Der Wirt gesellte sich in freundlicher Weise zu mir, schob mir die Dominosteine hin und sagte:

»Noch einige Spiele bis wir essen, Sennor. Es gibt ja nichts anderes zu thun.«

Wir spielten also, bis gedeckt wurde, das hei#223;t, bis Sennorita Felisa mir dasjenige St#252;ck Fleisch, welches am muffigsten gewesen war, ohne Teller und ohne alles, daf#252;r aber mit ihrem sonnigsten L#228;cheln vorlegte. Die andern St#252;cke wanderten mit erstaunlicher Schnelligkeit ihrer Bestimmung entgegen, die leider nicht in meinem hungrigen Magen zu suchen war. Ich hatte mich, oder vielmehr man hatte mich aus dem Gaste in den Gastgeber verwandelt.

Eben als ich nach dem letzten Bissen mein Messer am Aermel abwischte und in den G#252;rtel zur#252;ckschob, kam derjenige, dessen Erscheinen ich mit gro#223;er, wenn auch heimlicher Neugierde entgegengesehen hatte, n#228;mlich der Mormone. Der Schein unserer Lampe reichte bis zur Th#252;re, und da ich derselben gegen#252;bersa#223;, sah ich ihn eintreten. Er verbeugte sich gegen die Ecke hin, in welcher das Bild hing, griff mit den Fingerspitzen in den kleinen Weihwasserkessel, wendete sich erst dann zu uns, um kurz zu gr#252;#223;en, blieb, als er mich, einen Fremden, erblickte, f#252;r einige Augenblicke stehen, mich zu betrachten, kam dann mit raschen Schritten herbei, #246;ffnete das Fremdenbuch, welches noch auf dem Tische lag, las die mich betreffenden Aufzeichnungen, und zog sich dann, gute Nacht w#252;nschend, in das Dreivierteldunkel, wo die H#228;ngematten f#252;r die G#228;ste angebracht waren, zur#252;ck.

Das war so schnell geschehen, da#223; es mir unm#246;glich gewesen war, sein Gesicht genau zu betrachten. Jetzt zeigte es sich, welchen Respekt er dem Wirte eingefl#246;#223;t hatte, denn dieser sagte in unterdr#252;cktem Tone zu den Seinen:

»Sennor Enriquo will schlafen. Legt euch nieder, und macht keinen L#228;rm!«

Die vordere Th#252;re wurde verriegelt; die hintere, nach dem Hofe f#252;hrende, blieb offen. Donna Elvira lie#223; ihren aufgerichteten Oberk#246;rper wieder niedersinken. Die Jungens krabbelten in ihre gro#223;e, breite Matte; Sennorita Felisa reichte mir die Hand und suchte ihre h#228;nfene Morpheuswiege auf. Der Wirt w#252;nschte mir angenehme Ruhe, blies mir das Licht vor der Nase aus und kroch in seine Rettungsg#252;rtel-Schaukel; ich sa#223; im Dunkeln und f#252;hlte mich ein wenig verbl#252;fft #252;ber diese Art, einem neuen Gaste die »feinste« Aufmerksamkeit zu erweisen. Doch machte mir die Sache Spa#223;, und ich blieb noch eine Weile sitzen, unentschlossen, an welchem Orte ich mich dem Traume in die Arme werfen w#252;rde. Bald vernahm ich das kr#228;ftige Schnarchen der lieblichen Tochter. Die Mutter stie#223; die Luft in ganz regelm#228;#223;igen Zwischenr#228;umen mit demjenigen Ger#228;usch aus, welches verursacht wird, wenn man ein Licht ausbl#228;st. Der Vater gab brummende T#246;ne von sich, genau mit denen zu vergleichen, welche eine summende Hummel verursacht - - es schien mir unm#246;glich zu sein, bei einem solchen Konzerte einzuschlafen; darum verzichtete ich auf s#228;mtliche vorhandenen H#228;ngematten und begab mich in den Hof, um mein heutiges Lager wieder aufzusuchen. Der Hund knurrte mich zun#228;chst an, schien mich dann aber als denjenigen zu erkennen, den er heute schon neben sich geduldet hatte, und beruhigte sich. Ich schob meine Gewehre, von denen ich mich nach alter Gewohnheit nicht trennen mochte, in das Maisstroh und legte mich dann nieder, um erst zu erwachen, als der Morgen l#228;ngst angebrochen war.

Als ich den Gastraum betrat, balgten sich die Buben rund um die B#228;nke; Donna Elvira lag noch oder lag schon wieder in ihrer H#228;ngematte; Sennorita Felisa kochte am Herde die k#246;stliche Schokolade, welche heute nicht nach verbranntem Mehle, sondern nach #252;bergelaufenem Sirup roch, und der Wirt brachte eilends die Dominosteine herbei, um die gestrige Danaidenarbeit mit mir von neuem zu beginnen.

Der Mormone hatte sich noch nicht entfernt. Er sa#223; an einem Tische und schien mein Erscheinen abgewartet zu haben, denn ich sah, da#223; er mich scharf beobachtete. Ich lie#223; ihn nicht sehen, da#223; ich dasselbe auch mit ihm that, doch wurde es mir geradezu schwer, das Auge von ihm zu wenden; er war eine interessante, ja eine hochinteressante Pers#246;nlichkeit.

Seine wohlgebaute Gestalt war gut und sorgf#228;ltig gekleidet und sein Gesicht vollst#228;ndig glatt rasirt. Aber was f#252;r ein Gesicht war das! Sobald ich es erblickte, fielen mir jene eigenartigen Z#252;ge ein, welche der geniale Stift Gustave Dores dem Teufel verliehen hat. Die Aehnlichkeit war so gro#223;, da#223; man h#228;tte meinen m#246;gen, der Mormone habe Dore zu dieser Zeichnung gesessen. Er konnte nicht viel #252;ber vierzig Jahre alt sein. Um seine hohe, breite Stirne rollten sich tiefschwarze Locken, welche hinten fast bis auf die Schulter niederwallten; es war wirklich ein pr#228;chtiges Haar. Die gro#223;en, nachtdunklen Augen besa#223;en jenen mandelf#246;rmigen Schnitt, den die Natur ausschlie#223;lich f#252;r die Sch#246;nheiten des Orientes bestimmt zu haben scheint. Die Nase war leicht gebogen und nicht zu scharf; die zitternde Bewegung ihrer hellrosagef#228;rbten Fl#252;gel lie#223; auf ein kr#228;ftiges Temperament schlie#223;en. Der Mund glich fast einem Frauenmunde, war aber doch nicht weibisch oder weichlich geformt; die etwas abw#228;rtsgebogenen Spitzen desselben lie#223;en vielmehr auf einen energischen Willen schlie#223;en. Das Kinn war zart und doch zugleich kr#228;ftig gebaut, wie man es nur bei Personen findet, deren Geist den tierischen Trieben #252;berlegen ist und sie so vollst#228;ndig zu beherrschen vermag, da#223; andere das Vorhandensein derselben gar nicht ahnen. Jeder einzelne Teil dieses Kopfes, dieses Gesichtes war sch#246;n zu nennen, aber nur sch#246;n, vollkommen f#252;r sich, denn in ihrer Gesamtheit fehlte diesen Teilen die Harmonie. Wo aber die Harmonie fehlt, da kann von Sch#246;nheit nicht die Rede sein. Ich kann nicht sagen, ob es anderen ebenso wie mir ergangen w#228;re, ich f#252;hlte mich abgesto#223;en. Die Vereinigung einzelner sch#246;ner Formen zu einem Ganzen, dem der Ein- oder Gleichklang fehlte, machte auf mich den Eindruck des Widerw#228;rtigen, der H#228;#223;lichkeit. Dazu kam noch eins. Die Aehnlichkeit mit dem Doreschen Bilde war mir sofort aufgefallen; je #246;fter ich den Mann ansah, desto deutlicher f#252;hlte ich, da#223; sein Gesicht einem andern glich, welches ich schon einmal irgendwo und irgendwann und zwar unter Umst#228;nden gesehen hatte, welche keineswegs als Empfehlung f#252;r dasselbe genommen werden konnten. Ich sann und sann, vermochte aber weder #252;ber den Ort und die Zeit noch #252;ber die Person, welcher dieses Gesicht angeh#246;rte, in Klarheit zu kommen. Auch im Verlaufe der n#228;chsten Tage, w#228;hrend welcher ich den Mormonen regelm#228;#223;ig des Morgens und des Abends zu sehen bekam, war es mir unm#246;glich, mich zu besinnen, obgleich ich je l#228;nger desto mehr zu der Ueberzeugung gelangte, da#223; ich ganz gewi#223; einem ihm sehr #228;hnlichen Menschen begegnet war, der sich entweder gegen mich selbst oder gegen eine mir befreundete Person feindlich verhalten hatte.

So oft Harry Melton mich sah, ma#223; er mich mit scharfen Augen, und obgleich in seinen Blicken nur der Ausdruck der Neugierde zu liegen schien, war es mir doch, als ob dies nur deshalb der Fall sei, weil er sich geflissentlich bem#252;hte, mir nicht zu zeigen, da#223; ich keinen angenehmen Eindruck auf ihn machte. Dieser Eindruck war freilich ein gegenseitiger.

Ich wartete, wie bereits gesagt, auf ein Schiff, und er schien nach der Mitteilung, welche der Wirt mir gemacht hatte, der Ankunft eines solchen gewi#223; zu sein. Dennoch wendete ich mich nicht an ihn, um eine Erkundigung einzuziehen, denn es war mir ganz so, als ob ich, einmal in Beziehung zu ihm getreten, nicht wieder von ihm loskommen k#246;nne. Es war ja klar, da#223; ich mich nur an den Kapit#228;n zu wenden brauchte, um als Passagier an Bord gehen zu d#252;rfen. Aber es kam doch anders, als ich beabsichtigte. Als er am Abende des f#252;nfzehnten Tages in das Hotel kam, suchte er nicht wie gew#246;hnlich sofort seine H#228;ngematte auf, sondern setzte sich zu uns, n#228;mlich zu dem Wirte und mir, denn es verstand sich ganz von selbst, da#223; wir beide wieder an der Tafel sa#223;en und Domino spielten. Es war mir nach langen, vergeblichen Bem#252;hungen endlich gelungen, den kleinen Don Geronimo eine Partie gewinnen zu lassen. Er zeigte sich sehr entz#252;ckt dar#252;ber und sagte:

»Jetzt ist der Bann gebrochen, Sennor. Sie geben doch zu, da#223; ich eigentlich weit besser spiele als Sie, aber das Ungl#252;ck hat mich bisher auf eine noch gar nicht gewesene Weise verfolgt. Sie erwischten stets die besten Steine, w#228;hrend ich nur solche bekam, mit denen absolut nichts anzufangen war. Nun aber soll es anders werden, und ich werde Ihnen zeigen, wie sehr ich Ihnen #252;berlegen bin. Fangen wir gleich wieder an!«

Er wendete die Steine um und mischte sie zum neuen Spiele. Ich antwortete nicht und hatte die Absicht, ihn, wenn irgend m#246;glich, auch die n#228;chste Partie gewinnen zu lassen; da aber nahm der Mormone zum erstenmale das Wort, um ihm zu sagen:

»Was f#228;llt Ihnen ein, Sennor! Haben Sie denn nicht bemerkt, da#223; Ihr Gegner sich f#246;rmlich M#252;he gegeben hat, Fehler zu machen und Sie die Partie gewinnen zu lassen? Sie werden in Ihrem ganzen Leben nicht so spielen lernen, wie er spielt.«

Das war grob. Dazu kam, da#223; er sich des einfachen Ausdrucks Sennor bedient hatte, w#228;hrend der kleine Mann gewohnt war und sehr viel darauf gab, Don Geronimo genannt zu werden. So h#246;flich der Wirt sonst war und so gro#223;en Respekt er vor dem Mormonen hatte, jetzt gab er eine scharfe Antwort, auf welche eine ebenso scharfe Gegenrede folgte. Die beiden gerieten in Streit, was zur Folge hatte, da#223; Geronimo die Steine einpackte und den Tisch verlie#223;, um sich in seine H#228;ngematte zu legen. Das Auge des Mormonen folgte ihm mit einem befriedigten Blicke, aus welchem ich schlo#223;, da#223; er den Streit vom Zaune gebrochen hatte, um den Wirt zu entfernen und mit mir allein zu sein.

»Er will mit dir reden,« dachte ich und hatte mich nicht geirrt, denn kaum hatte sich der Kleine in seiner H#228;ngematte zusammengerollt, so wendete Melton sich an mich:

»Sie wohnen schon seit f#252;nfzehn Tagen hier. Beabsichtigen Sie, in Guaymas zu bleiben?«

Er sprach nicht im Tone einer h#246;flichen Erkundigung. Ich f#252;hlte, da#223; er freundlich sein wollte, aber er brachte dies nicht fertig, und so klang seine Frage wie diejenige eines Beamten oder Vorgesetzten, welcher zu einer tief unter ihm stehenden Person spricht.

»Nein,« antwortete ich. »Ich habe hier nichts zu suchen.«

»Wo wollen Sie hin?«

»Vielleicht nach La Libertad.«

Ich nannte diese Stadt, weil in ihrer N#228;he Lobos lag, wohin das von ihm erwartete Schiff, wie ich geh#246;rt hatte, segeln wollte.

»Wo kommen Sie her?«

»Von der Sierra Verde herunter.«

»Was haben Sie dort gemacht? Vielleicht Gold gesucht? Haben Sie welches gefunden?«

»Nein,« berichtete ich ihm der Wahrheit gem#228;#223;, ohne auf seine Erkundigung weiter einzugehen.

»Das dachte ich mir. Man sieht es Ihnen an, da#223; Sie ein armer Teufel sind. Sie haben #252;berhaupt ein sehr ungl#252;ckliches Metier gew#228;hlt.«

»Wieso?«

»Nun, ich habe im Fremdenbuche gefunden, da#223; Sie Escritor sind, und wei#223;, da#223; es in diesem Fache meist nur verkommene Existenzen gibt. Wie konnten Sie sich in diese Gegend wagen! Sie sind ein Deutscher. W#228;ren Sie in Ihrem Vaterlande geblieben, so k#246;nnten Sie dort f#252;r Leute, welche mit der Feder nicht umzugehen wissen, Briefe schreiben, Rechnungen anfertigen und durch #228;hnliche Arbeiten sich wenigstens soviel verdienen, da#223; Sie nicht zu hungern brauchten.« »Hm!« brummte ich, indem ich ihm nicht merken lie#223;, da#223; er mich belustigte; »das Briefschreiben ist kein so eintr#228;gliches Gesch#228;ft, wie Sie anzunehmen scheinen. Man kann dabei hungern, da#223; einem die Seele knackt.«

»Und da haben Sie nichts anderes gewu#223;t, als in die Fremde zu gehen und Ihre Seele noch lauter knacken zu lassen! Nehmen Sie es mir nicht #252;bel; aber das war eine Dummheit von Ihnen. Es hat nicht jeder solches Gl#252;ck wie Ihr Namensvetter, der #252;brigens, ehe er in die Welt ging, ein gelernter J#228;ger und kein Escritor war.«

»Ein Namensvetter von mir? Wen meinen Sie?«

»Ah, ich dachte, Sie w#228;ren schon einmal dr#252;ben in den Vereinigten Staaten gewesen, in den westlichen Prairien; aber Ihre Frage sagt mir, da#223; dies nicht der Fall ist, sonst h#228;tten Sie doch einmal von Old Shatterhand geh#246;rt.«

»Old Shatterhand? Den Namen kenne ich. Ich habe, es war wohl in irgend einer Zeitung, ein Reiseerlebnis gelesen, in welchem dieser Mann vorkam. Er scheint ein Prairiej #228;ger, oder Pfadsucher, oder wie man diese Leute nennt, zu sein?«

»Das ist er allerdings. Ich wei#223; zuf#228;lligerweise, da#223; er ein Deutscher ist, und da Sie mit ihm denselben Namen haben, so kam ich im ersten Augenblicke auf die Idee, in Ihnen diesen Old Shatterhand vor mir zu haben, habe aber meinen Irrtum sehr bald eingesehen. Ihre kl#228;gliche Lage erbarmt mich, und da ich ein gutes Herz besitze, will ich Ihnen auf die Beine helfen, vorausgesetzt, da#223; Sie soviel Verstand haben, das Rettungsseil, welches ich Ihnen zuwerfe, zu ergreifen und festzuhalten.«

Eigentlich h#228;tte ich ihm in das Gesicht lachen sollen, behielt aber den bisherigen, sehr bescheidenen Ausdruck des meinigen bei. Die sehr von oben herabkommende Ausdrucksweise des Mormonen h#228;tte mich wohl #228;rgern sollen; aber es machte mir Spa#223;, ihn bei seiner Meinung zu lassen, und so antwortete ich in aller Gelassenheit:

»Warum soll ich nicht soviel Verstand haben? Ich bin doch kein Kind, welches eine ihm angebotene Wohlthat nicht zu sch#228;tzen wei#223;.«

»Gut! Wenn Sie auf meinen Vorschlag eingehen, sind Sie aller Sorgen enthoben und ein gemachter Mann.« »Wenn ich das glauben k#246;nnte! Ich bitte Sie, mir diesen Vorschlag schleunigst mitzuteilen!« »Nur gemach! Sagen Sie mir vorher, was Sie eigentlich in La Libertad wollen.«

»Arbeit suchen, mich nach irgend einer Unterkunft umsehen. Da ich hier in diesem toten Guaymas nichts gefunden habe, so hoffe ich, dort gl#252;cklicher zu sein.«

»Sie irren sich. La Libertad liegt zwar auch an der See, ist aber ein noch viel traurigerer Ort als Guaymas. Hunderte von hungrigen Indianern lungern dort herum, ohne Arbeit zu finden, und Sie w#228;ren dort noch viel schlimmer dran als hier. Es ist ein wahres Gl#252;ck f#252;r Sie, da#223; die Vorsehung Sie auf meinen Weg gef#252;hrt hat. Sie werden vielleicht geh#246;rt haben, da#223; ich zu den Heiligen der letzten Tage geh#246;re. Meine Religion gebietet mir, jedes Schaf, welches ich in der W#252;ste finde, nach dem bl#252;henden Gefilde des Gl#252;ckes zu bringen, und so ist es meine Pflicht, mich Ihrer anzunehmen. Sprechen und schreiben Sie englisch?«

»Leidlich.«

»Das gen#252;gt. Und schreiben Sie spanisch vielleicht auch so, wie Sie es sprechen?«

»Ja; aber in die Interpunktion kann ich mich nicht recht finden, weil im Spanischen die Frage- und Ausrufezeichen nicht nur hinter, sondern auch vor dem Satze stehen.«

»Das wird sich schon noch finden,« l#228;chelte er von oben herab. »Ich verlange keine Meisterschaft von Ihnen. Haben Sie Lust, Tenedor de libros (* Buchhalter.), zu werden?«

Er fragte das mit einer Miene, als ob er mir damit ein F#252;rstentum anb#246;te; darum antwortete ich im Tone freudiger Ueberraschung:

»Tenedor de libros? Wie gern w#252;rde ich so eine Stelle annehmen; aber ich bin nicht Kaufmann. Zwar habe ich geh#246;rt, da#223; es eine einfache und eine doppelte Buchf#252;hrung geben soll, aber ich verstehe nichts davon.«

»Das ist auch nicht n#246;tig, denn Sie sollen nicht bei einem Kaufmanne, sondern auf einer Hazienda angestellt werden. Zwar kann ich die H#246;he Ihrer Besoldung nicht bestimmen, da dies Sache des Haziendero ist, aber ich gebe Ihnen die Versicherung, da#223; Sie sich sehr gut stehen werden. Sie haben alles frei, und ich bin #252;berzeugt, da#223; Sie monatlich nicht unter hundert Pesos erhalten werden. Hier ist meine Hand. Schlagen Sie ein, und dann fer- fertigen wir gleich heute abend noch den Kontrakt dar#252;ber aus!«

Er hielt mir seine Hand hin. Ich hob die meinige, als ob ich einschlagen wolle, zog sie aber langsam zur#252;ck und fragte:

»Ist es denn wirklich Ihr Ernst, oder scherzen Sie nur mit mir? Es erscheint mir als ein Wunder, da#223; Sie einem fremden Menschen, welcher kaum seine Bl#246;#223;e decken kann, ein so gro#223;artiges Anerbieten machen.«

»Es ist auch beinahe ein Wunder, und darum rate ich Ihnen, ja nicht zu z#246;gern, sondern schleunigst zuzugreifen.«

»Das m#246;chte ich wohl, wie Sie sich denken k#246;nnen, doch m#246;chte ich nat#252;rlich vorher etwas N#228;heres erfahren. Wo liegt denn die Hazienda, nach welcher Sie mich schicken wollen?«

»Nicht schicken will ich Sie, sondern ich werde Sie hinbringen.«

»Das ist mir noch lieber. Kostet die Reise viel Geld?«

»Sie haben keinen Centavo auszugeben, denn ich bezahle alles. Sobald Sie Ihre Zusage erteilt haben, sind Sie nicht nur von jeder Ausgabe entbunden, sondern ich bin sogar erb#246;tig, Ihnen eine Prenda (* Angeld, Draufgeld.), auszuzahlen. Der Haziendero ist mein Freund. Er hei#223;t Timoteo Pruchillo und ist der Besitzer der Hazienda del Arroyo.«

»Wo liegt die Hazienda?«

»Jenseits Ures. Man f#228;hrt von hier per Schiff nach Lobos und hat dann bis zum Ziele einen herrlichen Landweg, eine kurze, sehr angenehme Reise, auf welcher Sie viel Unterhaltung und Belehrung finden werden, zumal es dabei zahlreiche Gesellschaft aus Ihrem Vaterlande geben wird.«

»Wieso das? Gesellschaft aus meinem Vaterlande?«

»Ja, aus Preu#223;en, welches doch in Deutschland liegt. Der Indianer ist kein ausdauernder und zuverl#228;ssiger Arbeiter; darum mangelt es hier an Leuten, welche zu der Besch#228;ftigung, wie eine Hazienda sie erfordert, tauglich sind. Sennor Timoteo hat sich deshalb Leute aus Deutschland verschrieben. Es sind gegen vierzig Arbeiter, welche morgen hier ankommen werden und zum gro#223;en Teile auch ihre Weiber und Kinder mitbringen. Sie haben die Kontrakte unterzeichnet und sind so gestellt, da#223; sie in kurzer Zeit wohlhabende

Leute sein werden. Der Haziendero hat mich gesandt, sie hier zu empfangen und #252;ber Lobos ihm zuzuf#252;hren.«

»Aus welcher Gegend Deutschlands kommen sie?«

»Das wei#223; ich nicht genau, aber ich vermute, da#223; sie aus der Gegend von Polonia oder Pomerania sind. Ich glaube, die Stadt, aus deren Umgebung sie stammen, wird Cobili genannt.«

»Eine Stadt dieses Namens giebt es dort nicht. Hm! Pommern oder Polen! Meinen Sie vielleicht den Namen Kobylin?«

»Ja, ja, so wie Sie sagen, wird er richtig klingen. Unser Agent hat die Leute nach Hamburg auf das Schiff gebracht. Der gro#223;e Dampfer hat sie in San Franzisko gelandet, von wo aus sie morgen auf einem kleinen Segelschiffe hier ankommen werden. Das Fahrzeug legt hier nur an, um mich aufzunehmen, und segelt dann wieder ab. Wenn Sie sich noch besinnen wollen, so kann ich Ihnen nur Zeit bis morgen fr#252;h geben. Haben Sie sich dann noch nicht entschieden, so ziehe ich meinen Antrag zur#252;ck, und Sie k#246;nnen dann solange hier sitzen bleiben, wie es Ihnen beliebt.«

»Hoffentlich w#252;rde der Kapit#228;n mich mit bis Lobos nehmen?«

»Nein, selbst gegen die beste Bezahlung nicht, da das Schiff nur f#252;r diese Auswanderer gemietet ist und keine Passagiere aufnehmen darf. Warum also noch lange #252;berlegen? Es w#228;re geradezu Verr#252;cktheit von Ihnen, mich mit meiner Offerte abzuweisen.«

Er sah mich erwartungsvoll an, sichtlich #252;berzeugt, eine zusagende Antwort zu bekommen. Ich befand mich in Verlegenheit. Es war meine Absicht gewesen, ihn erst reden zu lassen und dann auszulachen; davon mu#223;te ich nun aber absehen. Wie wollte ich sonst von hier fortkommen? Schon aus diesem Grunde war es geboten, ihm keine abschl#228;gige Antwort zu erteilen. Es gab aber au#223;erdem noch eine Veranlassung f#252;r mich, die Fahrt mit ihm zu machen. Er erwartete Landsleute von mir, wahrscheinlich aus der Provinz Posen stammend und durch irgend eine Art Vertrag her#252;bergelockt. Mu#223;te mich der letztere Umstand schon lebhaft f#252;r sie interessieren, so kam noch dazu, da#223; mir die Route auffiel, welche er mit ihnen einschlagen wollte. Ich wu#223;te, da#223; Ures, in dessen N#228;he die Hazienda zu suchen sein sollte, am Rio Sonora liegt; der k#252;rzeste und bequemste Weg h#228;tte also zun#228;chst nach Hermosillo und dann den Sonoraflu#223; aufw#228;rts gef#252;hrt; der Mormone wollte aber bis Lobos, also wohl drei#223;ig Leguas weitersegeln. Den Landweg von dort aus hatte er mir zwar als reizend beschrieben, doch vermutete ich, obgleich ich denselben gar nicht kannte, da#223; er mich damit belogen habe. Selbst wenn er die Wahrheit gesagt hatte, so handelte es sich um einen so bedeutenden Umweg, da#223; ich einen besonderen Grund dahinter ahnte, und da man einen solchen Umweg nicht mit Leuten macht, welche Frauen und Kinder bei sich haben, so glaubte ich, annehmen zu m#252;ssen, da#223; dieser Grund kein lauterer sei. Es war mir infolgedessen der Gedanke gekommen, da#223; den Auswanderern irgend eine Gefahr drohe, und ich f#252;hlte das Bed#252;rfnis, dieselbe zu erforschen und sie dann zu warnen. Dies konnte ich aber nicht, wenn ich in Guaymos sitzen blieb. Ich mu#223;te also mit. Aber wie? Binden konnte ich mich unm#246;glich, am allerwenigsten durch einen schriftlichen Kontrakt. Ueberdies war mir selbstverst#228;ndlich auch der Umstand im h#246;chsten Grade verd#228;chtig, da#223; der Mormone mir, den er f#252;r einen heruntergekommenen oder gar nichtsnutzigen Menschen hielt, eine so gute Anstellung f#246;rmlich an den Hals werfen wollte. Schon dies setzte eine Absicht voraus, welche ich leider jetzt noch nicht durchschauen konnte. Es geh#246;rte Zeit dazu, dieselbe kennen zu lernen, und diese Zeit mu#223;te ich zu gewinnen suchen. Darum antwortete ich auf seine letzte Bemerkung:

»Sie haben recht, Sennor. Es w#252;rde nicht nur eine Dummheit von mir, sondern auch die abscheulichste Undankbarkeit gegen Sie sein, wenn ich Ihre G#252;te zur#252;ckweisen wollte. Ich w#252;rde darum augenblicklich ja sagen, wenn ich mich nicht gezwungen s#228;he, ein sehr begr#252;ndetes Bedenken dagegen zu hegen.«

»Ein Bedenken? M#246;chte doch wissen, welcher Art dies sein k#246;nnte. Wollen Sie sich aussprechen?«

»Nat#252;rlich! Ich habe noch nie ein Buch gef#252;hrt und noch nie auf einer Hazienda gelebt. Ich zweifle also den Anspr#252;chen des Haziendero gen#252;gen zu k#246;nnen.«

»Schweigen Sie doch damit!« unterbrach er mich. »Ich habe Ihnen ja gesagt, da#223; es eine wahre Kinderarbeit ist, die Sie zu leisten haben, eine reine Spielerei. Sie tragen ein, was in den Apfelsineng#228;rten und auf den Feldern geerntet wird, und welchen Preis Sennor

Timoteo daf#252;r bekommt. Sie schreiben ferner auf, wieviel junge F#252;llen und wieviel K#228;lber zu Welt kommen. Das ist die ganze Arbeit, die man von Ihnen verlangt.«

»Und daf#252;r soll ich vollst#228;ndige freie Station und monatlich hundert Pesos erhalten?«

»Wenigstens hundert!«

»So m#246;chte ich allerdings augenblicklich in Ihre Hand schlagen; aber ich m#246;chte doch lieber erst sehen, ob ich eine solche Gage auch verdiene.«

»Damit beweisen Sie, da#223; Sie ein Deutscher sind. Als einem Heiligen der letzten Tage geht mir Gottesfurcht und Rechtschaffenheit #252;ber alles; Sie aber treiben die Ehrlichkeit gar zu weit. Ihr Deutschen seid doch merkw#252;rdige Leute!«

»Mag sein, Sennor, doch wollen Sie bemerken, da#223; ich Ihr Anerbieten nicht zur#252;ckweise. Ich gehe mit, wenn auch um mich erst dann vollst#228;ndig zu binden, wenn ich zu der Einsicht gelange, da#223; ich das, was man mir zahlt, auch wirklich verdiene.«

»Das ist eine Albernheit. Aber wenn Sie nicht anders wollen, so mag es auch in dieser Weise sein. Aber wie steht es denn mit Ihrer Kasse, auf deren Boden Sie wohl angelangt sein werden? Da Sie nur bedingungsweise mitgehen, sind Sie nicht fest engagiert, und ich habe nicht die Pflicht, f#252;r Sie zu zahlen. Freie Fahrt auf dem Schiffe ist alles, was ich Ihnen unter diesen Umst#228;nden bieten kann.«

»Ich bin zufrieden damit und habe gl#252;cklicherweise noch einige Pesos, welche wohl ausreichen werden, bis wir auf der Hazienda eintreffen.«

»Aber in Ihrem jetzigen Aufzuge kann ich Sie unm#246;glich mitnehmen. K#246;nnen Sie einen neuen Anzug erschwingen?«

»Ja, denn bei der jetzigen Hitze kauft man nur, was leicht und billig ist.«

»So besorgen Sie das morgen mit dem Fr#252;hesten, damit ich nicht auf Sie zu warten brauche. Jetzt gute Nacht!«

Er nickte mir kurz zu und ging, ohne mir die Hand zu reichen, nach seiner H#228;ngematte. Die Kinder schliefen schon; Sennorita Felisa schnarchte; Donna Elvira pustete, und der kleine Geronimo gab im ersten Schlummer T#246;ne von sich, welche ganz genau denen einer nicht ge#246;lten Th#252;rangel glichen. Ich blies also das Licht aus, und suchte den Hof und mein liebes Maisstrohlager auf, wo mich der Hund, welcher sich an mich gew#246;hnt hatte, mit freundlichem H#228;ndelecken empfing. Obgleich ich am andern Morgen sehr zeitig erwachte und in das Gastzimmer kam, als die liebe Wirtsfamilie noch schlief und in der angegebenen Weise sich akustisch besch#228;ftigte, konnte ich den Mormonen weder sehen noch sprechen, denn er hatte das Hotel bereits verlassen. Wo hielt er sich w#228;hrend des ganzen Tages auf? Niemand wu#223;te es. Auch das war auff#228;llig, denn wer auf ehrlichen Wegen geht, braucht sein Thun nicht in ein solches Dunkel zu h#252;llen.

Nachdem ich Sennorita Felisa geweckt hatte, um zu der ber#252;hmten Morgenschokolade zu kommen, machte ich, der ich heute die drei#223;igste Tasse trank, die nun leider zu sp#228;t kommende Entdeckung, da#223; die

Liebliche das Getr#228;nk mit demselben Wasser bereitete, mit welchem sie ihre zarten Finger und ihr reizendes Gesicht gewaschen hatte. Ich zollte dieser h#228;uslichen und ganz im Verborgnen bl#252;henden Sparsamkeit meine Anerkennung, indem ich vorgab, Magenweh zu haben und darum auf die Schokolade verzichten zu m#252;ssen; die Sennorita begl#252;ckte mich mit einem z#228;rtlichen Augenaufschlage, f#252;hrte die Tasse an den Mund, trank sie aus, wischte sich mit der Au#223;enseite der Hand die bl#252;henden Lippen und sagte in tief zu Herzen dringendem Tone:

»Sennor, Sie sind der nobelste, der feinste Kavalier, der mir vorgekommen ist, und werden, wenn Sie heiraten, Ihre Sennora sehr gl#252;cklich machen. Jammerschade, da#223; Sie abreisen. K#246;nnten Sie denn nicht hier bleiben?«

»W#252;nschen Sie das vielleicht?« fragte ich neckisch. »Ja,« antwortete sie unter einem leichten Err#246;ten.

»Und was ist die Ursache dieses Wunsches, Sennorita? Das Gl#252;ck, von dem Sie soeben sprachen, oder die Schokolade, welche ich Ihnen so gern abgetreten habe?«

»Beides,« hauchte sie mit entz#252;ckender Wahrheitsliebe,

Wahrscheinlich erwartete sie, da#223; ich den Anfang dieses Morgengespr#228;ches zu einem gl#252;cklichen Ende f#252;hren werde, leider aber hielt ich die Anschaffung eines neuen Anzuges f#252;r weit dienlicher, als eine Stegreifverlobung, und ging, um einen Baratillero (* Kleiderh#228;ndler.), aufzusuchen. Der Laden desselben glich einer wahren Tr#246;delbude, doch fand ich gl#252;cklicherweise, was ich suchte, Hose, Weste und Jacke von ungebleichtem Linnen und einen Strohhut, dessen Kr#228;mpe so breit war, da#223;, falls ich auf die Absicht der Sennorita Felisa eingegangen w#228;re, ich mit ihr und s#228;mtlichen Hochzeitsg#228;sten darunter Platz gefunden h#228;tte. Auch kaufte ich ein St#252;ck billigen Stoffes, um mir mit Hilfe von Nadel und Zwirn, welch beides ich stets bei mir f#252;hrte, ein Futteral f#252;r meine Gewehre anzufertigen. Das hatte einen guten Grund: Der Mormone sollte mich noch f#252;r einige Zeit f#252;r den Menschen halten, f#252;r den er mich bisher gehalten hatte. Da er viel von Old Shatterhand geh#246;rt zu haben schien, war es leicht m#246;glich, da#223; er auch wu#223;te, was f#252;r Gewehre derselbe bei sich f#252;hrte, und darum sollte er sie wenigstens nicht genau zu sehen bekommen. Auch ein Paar derbe Lederschuhe kaufte ich mir. Als ich dann, mit solcher Eleganz ausgestattet, in das Hotel zur#252;ckkehrte, schlug Don Geronimo vor Verwunderung die H#228;nde zusammen und rief aus:

»Was erblicke ich! Sind Sie pl#246;tzlich reich geworden? Sie k#246;nnen sich ruhig an der Seite jedes altkastilianischen Edelmannes sehen lassen, Sennor. Leider sind Sie fest entschlossen, abzureisen; aber h#228;tte ich Sie eher in dieser Kleidung gesehen, so h#228;tte ich Ihnen eine Stelle als Majordomo meines Hauses angeboten und vielleicht w#228;ren Sie sogar Kompagnon geworden!«

Mein Anblick schien wirklich bezaubernd zu sein, denn Sennorita Felisa legte die Hand auf das Herz und lie#223; einen tiefatmigen Puster h#246;ren, und selbst Donna Elvira richtete sich ein wenig in ihrer H#228;ngematte auf, um mir einen Blick zu schenken und dann mit einem beif#228;lligen Seufzen wieder niederzusinken, Ich schien ein der Damenwelt h#246;chst gef#228;hrliches Individuum geworden zu sein, und da ich dies unm#246;glich auf Rechnung meiner innern oder #228;u#223;ern Vorz#252;ge setzen konnte, so war ich geneigt, dem Leinenanzuge, welcher nach deutschem Gelde elf Mark gekostet hatte, Zauberkraft zuzuschreiben. Leider blieb er mir nur kurze Zeit treu, da er sehr bald aus den N#228;hten ging und sich in den verschiedensten Fetzen und St#252;cken nach den verschiedensten Windrichtungen verlor. Ich h#228;tte mir sicher etwas Besseres und Haltbareres angeschafft, wollte aber Harry Melton nicht wissen lassen, da#223; ich dazu die Mittel besa#223;.

Es war gegen Mittag, als dieser in das Gasthaus kam, um mich abzuholen, denn das Schiff war angekommen. Es hatte ohne in den Hafen einzusegeln, drau#223;en vor demselben beigedreht, um ihn aufzunehmen. Wir mu#223;ten uns also eines Bootes bedienen, um an Bord zu kommen.

Der Abschied von meinen freundlichen Wirtsleuten war r#252;hrend. Don Geronimo beging die Heldenthat, mir sein Dominospiel als Andenken anzubieten, und schluchzte beinahe vor Wonne, als ich dieses Opfer nicht annahm. Die drei Buben sagten mir Ade, indem sie meine Beine umschlangen und ihre Nasen an meine neue Hose wischten. Sennorita Felisa wollte ihr Taschentuch an die Augen f#252;hren, da sie aber an Stelle eines solchen augenblicklich gerade nur den schwarzen Herdlappen in der Hand hatte, so rieb sie sich die Traurigkeit mit Ru#223; ins thr#228;nende Gesicht, was auf mich einen weit tiefern Eindruck machte, als wenn sie sich eines wirklichen Nast#252;chleins bedient h#228;tte. Und Donna Elvira richtete sich soweit auf, da#223; ich beinahe ihr Gesicht deutlich gesehen h#228;tte, und winkte mir mit der m#252;den Rechten ein Lebewohl zu. F#252;r den Hund hatte ich ein St#252;ck Wurst mitgebracht, welches ich ihm zum Abschiede verehren wollte, da ich Gr#252;nde hatte, anzunehmen, da#223; er nie im Leben so etwas gekostet hatte. Geronimo und Felisa gingen mit in den Hof. Als ich die Wurst aus der Tasche zog und sie dem Hunde hinhielt, schnappte aber die Sennorita noch eher zu als er. Sie ri#223; mir die Liebesgabe aus der Hand und sagte:

»Was thun Sie da, Sennor! Ich glaube gar, Sie wollen diese Delikatesse an das Tier verschwenden! Sie geh#246;rt mir, und ich werde sie in der Erinnerung an Sie verspeisen.«

Sie gab der Erinnerung aber keine Zeit, in ihr Recht zu treten, sondern bi#223; sofort h#246;chst tapfer ein, was ihren Vater veranla#223;te, einen schnellen Griff nach ihrer

Hand zu thun, um ihr die Wurst zu entrei#223;en und an der Erinnerung teilzunehmen. Sie entfloh mit einem Schreckensrufe, und er rannte hinter ihr her, was mir Gelegenheit gab, das gastliche Haus nun ohne weitere Angriffe auf meine Wurst und auf mein Herz zu verlassen. Der Hund mu#223;te sich freilich nun mit einem Streicheln begn#252;gen, was wahrscheinlich weniger nahrhaft war, als das ihm so r#228;uberisch entzogene Abschiedsgeschenk. Dann eilte ich zu Melton, der vor dem Hause auf mich wartete, und schritt mit ihm dem Hafen zu, wo wir ein Boot bestiegen, um uns nach dem Schiffe rudern zu lassen.

Letzteres war ein kleiner Schuner, wie ihn, wenigstens damals, nur die Yankees zu bauen verstanden, ein schneller Segler und mit soviel Leinwand an den Masten, da#223; er selbst bei der flauesten Luft nicht festzuliegen brauchte. Als wir an der Seite des Schuners anlegten und man uns von oben die Fallreepen zuwarf, sahen viele K#246;pfe #252;ber Bord, um uns in Augenschein zu nehmen. Wir stiegen empor. Als ich das Deck betrat, war die erste Person, welche ich erblickte, ein vielleicht achtzehnj#228;hriges, #228;u#223;erst schmuck gekleidetes M#228;dchen mit orientalischen Z#252;gen von ungew#246;hnlicher Sch#246;nheit. Der Anzug, welchen es trug, bestand aus Schn#252;rstiefeln, wei#223;en Str#252;mpfen, rotem, mit dunklem Sammet ums#228;umtem Rocke und einem blauen Mieder, welches mit silbernen Hefteln und einer ebensolchen Kette geschm#252;ckt war. Ein kleines, mit einer Feder verziertes H#252;tchen sa#223; auf dem vollen, in zwei Z#246;pfen hinten weit herabh#228;ngenden Haare. Diese Kleidung pa#223;te wohl mehr auf einen Maskenball als hierher auf das Deck eines amerikanischen Transportschiffes f#252;r Auswanderer. Neben dem M#228;dchen stand ein hagerer, #228;ltlicher Mann, dessen Gesicht den ausgesprochensten j#252;dischen Typus zeigte. Sein Anzug lie#223; keinen Zweifel dar#252;ber aufkommen, da#223; er ein polnischer Hebr#228;er sei. Als sein Blick auf den Mormonen fiel, entfuhr ihm der halblaute, unwillk#252;rliche Ausruf »Djabel!« Obgleich ich der polnischen Sprache nicht m#228;chtig bin und nur wenige Worte derselben kenne, wu#223;te ich, da#223; dieser Ausruf »der Teufel!« bedeutete. Der Mormone brachte also auf diesen Juden ganz denselben Eindruck hervor, den er auf mich gemacht hatte, obgleich sein Gesicht keine Spur von dem besa#223;, was der gew#246;hnliche, ungebildete Mann sich unter »teuflisch« denkt.

Die andern Passagiere waren arme Leute, wie man gleich auf den ersten Blick bemerken konnte. Sie wu#223;ten, da#223; ihr nunmehriger F#252;hrer an Bord kam, und betrachteten Melton mit neugierigen Augen, denn es fiel ihnen nicht etwa ein, mich f#252;r den Erwarteten zu halten; mein Aeu#223;eres war viel zu anspruchslos dazu. Der Kapit#228;n kannte ihn jedenfalls, denn er kam ihm entgegen und begr#252;#223;te ihn mit einem H#228;ndesch#252;tteln, welches man nicht f#252;r Unbekannte hat. Das sah ich, weil ich scharf aufpa#223;te, denn ich hielt es f#252;r erforderlich, selbst auf die geringste Kleinigkeit achtzugeben. Sie begaben sich beide nach dem Hinterdeck, um sich die f#252;r den ersten Augenblick n#246;tigen Mitteilungen zu machen. Ich schlenderte zur Seite, lehnte meine im leinenen Ueberzuge steckenden Gewehre an den Mast und setzte mich auf eine Taurolle, welche in der N#228;he lag. Als ich die Passagiere z#228;hlte, fand ich, da#223; es achtunddrei#223;ig M#228;nner und Burschen, vierzehn Frauen und erwachsene M#228;dchen und elf Kinder, also in Summa dreiundsechzig Menschen waren.

Nachdem sich ihre Augen genugsam mit dem Mormonen besch#228;ftigt hatten, richteten sie ihre Aufmerksamkeit nun auch auf mich. Ich sah, da#223; sie sich ihre ver- verschiedenen Meinungen #252;ber meine Person mitteilten; sie wu#223;ten nicht, f#252;r wen oder was sie mich nehmen sollten, und beauftragten, um ins reine zu kommen, den Juden, mich zu fragen. Er kam zu mir, l#252;ftete die schwarzseidene Kappe, welche sein sp#228;rliches Haar bedeckte, und redete mich mit einem Gemisch von jedenfalls w#228;hrend der Reise aufgelesenen, spanischen und englischen Worten an, welche ich in dieser Zusammenstellung nicht zu verstehen vermochte, darum unterbrach ich seine Bem#252;hung, sich mir begreiflich zu machen, durch die Frage:

»Kommen Sie vielleicht aus der Gegend von Kobylin in Posen?«

»Ja, ja!« antwortete er rasch, indem sein Gesicht den Ausdruck der Ueberraschung annahm.

»So werden Sie wahrscheinlich der deutschen Sprache m#228;chtig sein und haben es nicht n#246;tig, sich in fremden Zungen abzuqu#228;len.«

»Gott meiner V#228;ter!« rief er aus, indem er die H#228;nde zusammenschlug. »So werde ich also haben die Freude neben der Ehre, in Ihnen kennen gelernt zu werden einen Herrn von der Abstammung germanischer Hergekommenheit?«

»Ja, ich bin ein Deutscher,« nickte ich, ein wenig verwundert #252;ber die Art und Weise, in welcher er sich meiner Muttersprache bediente.

»Das freut mich in der Tiefe meiner Seele! Darf ich nehmen mir zu ergreifen die Erlaubnis der Frage, in welchem Lande und Regierungsbezirk Sie haben erlebt das Vergn#252;gen der Geburt Ihrer werten Pers#246;nlichkeit?«

»Ich bin jetzt Sachse.«

»Sehr gut, sehr sch#246;n! Ich kenne und habe lieb Ihr Vaterland, da ich bin gewesen zu reisen oft nach

Leipzig zur Messe, um zu ergreifen auf dem Br#252;hle und vielen andern Stra#223;en die Konjunkturen des Handels und des Wandels. Nehmen Sie die veranla#223;te Gewogenheit, da#223; ich bin Handelsmann von Kindesbeinen an, und haben Sie die G#252;te, mir zu machen die mitgeteilte Aufkl#228;rung, welcher Art von Gesch#228;ft Sie haben gehabt zu ergreifen die Freundlichkeit!«

»Ich bin das, was Sie im Polnischen mit Uczony prywatny bezeichnen. Ein Gesch#228;ft treibe ich nicht, sondern bin in die Fremde gegangen, um Studien zu machen. Dabei kann es vorkommen, da#223; einem die Mittel ausgehen; dies ist gegenw#228;rtig bei mir der Fall, soda#223; ich mich veranla#223;t sehe, nach der Hazienda del Arroyo zu gehen, um mir dort Arbeit und Verdienst zu suchen.«

Ich sagte so, weil ich es nicht f#252;r n#246;tig hielt, ihm sofort die eigentliche Wahrheit mitzuteilen.

»So haben Sie die Absicht des Willens, zu reisen nach derselben Hazienda, welcher ist der gezielte Endpunkt unserer Fahrt und wo wir haben genommen eine engagierte Anstellung auf eine Reihe von Jahren des Verdienstes und der Sparsamkeit. Hat man auch Ihnen gegeben festes Engagement und gesagt die Mitteilung, welcher Art wird sein Ihre berufliche Th#228;tigkeit?«

»Man hat mir die Stelle eines Buchhalters angeboten, doch habe ich noch nicht fest zugesagt. Ich werde mich erst dann entscheiden, wenn ich die dortigen Verh#228;ltnisse kennen gelernt habe.«

»Buchhalter? Das ist eine feine Anstellung. Sie werden da geh#246;ren zu den Vorgesetzten der Arbeiter, und ich werde mir erlauben, Ihnen zu geben, hochgeehrter Herr, ein Perzent, zwei Perzent, ja sogar drei Perzent

Sconto bei allem, was Sie werden kaufen zu entnehmen aus meinem Gesch#228;fte.«

»Wie? Sie wollen ein Gesch#228;ft, vielleicht einen Laden auf der Hazienda anlegen?«

»Ja. F#228;llt doch ab dr#252;ben im alten Lande ein so geringer Gewinn, da#223; man mu#223; schnallen den Leibriemen von Tag zu Tag immer enger, wogegen in Amerika, was hier Mexiko und Sonora hei#223;t, die Pesos und Dollars liegen geradezu auf der Stra#223;e f#252;r den, welcher Augen hat, sie zu finden, um sie zu entdecken.«

»Hm! Von wem haben Sie das geh#246;rt?«

»Von dem Agenten, welcher ist gekommen, uns zu engagieren und ist gewesen ein Mann von gro#223;er Erfahrung und kenntnisreicher Geisteskraft.«

»So! Nun ja, der Agent mu#223; ja die Verh#228;ltnisse kennen; dagegen l#228;#223;t sich nichts sagen. Hat er mit jedem von Ihnen schriftlichen Kontrakt gemacht?«

»Er hat ausgefertigt zu schreiben f#252;r jeden einzelnen ein Papier mit Stempel und unterschriftlichen Namensz#252;gen. Er hat uns gebracht nach dem Hafen, um zu besteigen das Schiff als Fahrzeug f#252;r das gro#223;e Meer der Welt. Wir sind gefahren um die amerikanische Spitze der s#252;dlichen Globush#228;lfte, was gew#228;hrt hat viele, viele Wochen lang, bis wir gekommen sind einzulaufen und anzulegen in San Franzisko, wo man uns hat gebracht auf dieses kleinere Schiff, hier aufzunehmen den F#252;hrer und dann zu landen in Lobos, wo anfangen wird zu beginnen ein neues, besseres Leben der Ansammlung von Verm#246;gen, Zins und Zinseszins.«

»Was sind Ihre Reisegef#228;hrten dr#252;ben gewesen?«

»Sie haben gehabt entweder den Beruf eines Handwerkes oder den Besitz eines kleinen Pachtes oder H#228;uschens mit Feld- und Gartenbeeten. Wenn vergangen sein werden einige Jahre, wird jeder besitzen eine Hazienda mit gro#223;m#228;chtigen Plantagen und Weidepl#228;tzen. Das hat gesagt und beschworen der Agent, und hat mir gegeben ein Buch, worin es steht deutlich gedruckt mit schwarzen Buchstaben auf wei#223;em Papier. Die Gesellschaft ist getreten zusammen, um zu w#228;hlen und zu erkl#228;ren mich als ihr Oberhaupt, was sp#228;ter wird werden genannt der B#252;rgermeister der Hazienda del Arroyo. Wenn Sie dann empfinden einen Wunsch oder eine Bitte, so d#252;rfen Sie getrost sich wenden an mich, worauf ich werde sein Ihnen gern zu Diensten mit Bereitwilligkeit.«

»Haben Sie Familie mit?«

»Nur meine Tochter. Rebekka, meine Traute, ist schon vor vier Jahren gegangen, zu sterben von der Erde hinweg, soda#223; ich nur noch habe Judith, das Kind unserer Ehe und die einzige Tochter meiner Seele. Dort steht sie, um herzuschauen nach uns beiden. Sie ist ein M#228;dchen sch#246;n von Gestalt und lieblich von Gem#252;t. Den K#246;rper hat sie geerbt von der Mutter, und die St#228;rke des Geistes vom Vater. Sie ist schon jetzt die Erbin meiner Habe, und wird bald sein eine so reiche Dame, da#223; die Kavaliere werden ausstrecken alle H#228;nde und Finger, um zu werden der Br#228;utigam meines sch#246;nen Kindes. Sie wird sich heraussuchen den Feinsten und Vornehmsten, welcher besitzt den Adel der Familie und des Verm#246;gens. Was wird sein gegen einen solchen Eidam der Herkules, welcher ihr ist gefolgt, ihr nachzulaufen bis nach Mexiko, obgleich er ist andern Glaubens und kaum besitzt den zehnten Teil des Geldes, welches ich k#246;nnte geben Judith, meiner Seele, schon am heutigen Tage, wenn ich wollte.«

»Der Herkules? Wen meinen Sie?«

»Den Vagabunden, welcher lehnt da vorn am Spriete des Buges und kein Auge verwendet von ihr, die doch nichts mehr von ihm wissen mag.«

»Nichts mehr? So ist sie also fr#252;her anders gesinnt gewesen?«

»Zum gro#223;en Leiden meines Herzens, ja. Sie ist gewesen auf Besuch in der Stadt Posen bei der Tochter des Bruders meiner Mutter; sie haben gekauft Billets, um zu gehen in die Vorstellung des Zirkus, wo man hat sehen k#246;nnen zu beschauen die gewaltige Kraft eines Herkules, welcher hat gespielt mit dem Gewichte von eisernen Stangen und Zentnerkugeln. Der Herkules und meine sch#246;ne Tochter haben einander gesehen und einander geliebt. Sie hat ihm versprochen ihre Hand ohne mein Wissen, und er hat gr#252;nden wollen nun selbst einen Zirkus, um zu werden selbst#228;ndig und ein ber#252;hmter Direktor desselben. Als ich habe erfahren diese Angelegenheit, bin ich geworden beinahe ger#252;hrt vom Schlage meiner Nerven, und habe gegeben dem Kinde b#246;se und gute Worte, um sie abzubringen von diesem Handel, der nichts bringen konnte als nur f#252;nfhundert Perzent Verlust. Meine Bitten und Drohungen sind gewesen von fruchtloser Vergeblichkeit, denn sie hat gehangen an dem Herkules mit hartn#228;ckiger Festigkeit, bis gekommen ist ein Reservelieutenant von eleganter Gestalt mit rotem Kragen und blitzenden Kn#246;pfen. Vor seinem Namen ist gesessen ein gro#223;es "von", und als er ihr angeboten hat seine Hand und sein Herz, ist gegangen pleite der Herkules mit seinen Hoffnungen. Als aber der Lieutenant immer hat verz#246;gert die Verlobung und wir haben erfahren, da#223; er fast mu#223; ersticken in Schulden, hat sie ihm gegeben den Abschied und sich stolz gewendet von ihm ab. Da kam der Agent der Auswanderung, und als er schilderte das herrliche Land Mexiko, wo die Minen stecken voller Gold und Silber und die Kaballeros reiten mit roten Schabracken auf pr#228;chtigen Pferden, wo die Damen liegen in H#228;ngematten und rauchen duftende Cigaretten, da hat Judith, meine einzige, von nichts getr#228;umt, als von diesem Lande, um zu werden auch eine Sennora in der H#228;ngematte, und ich habe ihr gethan den Willen, zu verkaufen dr#252;ben mein Haus und mein Gesch#228;ft und hier zu werden ein Mann von Einflu#223; und gro#223;em Verm#246;gen. Da Sie mitkommen nach der Hazienda del Arroyo, werden Sie sehen wachsen meine Bedeutung und mein Gewicht. Der Herkules aber, als er erfahren hat, da#223; wir fahren #252;ber die See, ist gegangen auch zum Agenten und hat unterzeichnet den Kontrakt, um zu bleiben in der N#228;he seiner Angebeteten und sie zu bekommen doch vielleicht zum Weibe. Er hat genommen seine Ersparnisse, hat sich heimlich entfernt aus dem Engagement, und als wir gekommen sind auf das Schiff, haben wir uns ge#228;rgert, zu sehen diesen Menschen als Mitreisenden in das Land, wo nicht nur Milch und Honig, sondern sogar Gold und Silber flie#223;t, um zu laufen in die Taschen dessen, welcher es versteht, sie zu #246;ffnen am richtigen Orte und zur rechten Zeit. Wenn Sie w#252;nschen, zu werden vorgestellt der Tochter meines Herzens, so k#246;nnen Sie jetzt kommen mit hin zu ihr, doch m#252;ssen Sie mir geben vorher im Vertrauen Ihr Versprechen, da#223; Sie leisten wollen Verzicht auf den Versuch, zu gewinnen ihr Herz und ihre Liebe, ihre Hand und ihr Verm#246;gen.«

Der Mann war ein kompletter Narr, ein Dummkopf vom reinsten Schrot und Korn, ein Schw#228;chling gegen seine Tochter, deren Gefallsucht und Eitelkeit nur mit ihrer Gewissenlosigkeit verglichen werden konnte. Dennoch wollte ich ihn nicht gern durch eine abweisende Antwort beleidigen, hatte aber auch keine Lust, »mich« ihr »vorstellen zu lassen«. Da kam mir der Mormone eben recht, welcher mich zu sich winkte, um mir zu sagen, da#223; mir mein Platz im Schiffe angewiesen werden solle.

Es gab da unter Deck kleine Kabinen, welche je f#252;r zwei Personen eingerichtet waren. Der Kaj#252;tenw#228;rter f#252;hrte mich in die meinige, wo ich bemerkte, da#223; ich dieselbe nicht allein besa#223;, sondern da#223; schon ein Platz belegt war.

»Mit wem wohne ich da zusammen?« fragte ich.

»Mit dem langen, starken Deutschen, den sie den Herkules nennen,« lautete die Antwort. »Was f#252;r ein Kumpan ist dieser Mann?«

»Ein sehr ruhiger. Sie k#246;nnen keinen besseren Genossen finden. Der arme Teufel scheint es auf die sch#246;ne J#252;din abgesehen zu haben, denn er verwendet, stets in der Ferne stehend, kein Auge von ihr, obgleich sie sich gar nicht um ihn bek#252;mmert.«

Diese Auskunft befriedigte mich. Es war ein Unsinn von dem Kraftmenschen, diesem M#228;dchen nachzulaufen, aber er schien von ehrenhaftem Charakter zu sein. Ueberdies war er besser und reinlicher gekleidet als die andern, hatte trotz seines zur Leichtlebigkeit verf#252;hrenden Gewerbes Ersparnisse gemacht, was ihm zur Empfehlung gereichte, und so glaubte ich, die kurze Zeit bis Lobos recht wohl mit ihm auskommen zu k#246;nnen.

Da die Fensterluke ge#246;ffnet war, war in der Kabine ein angenehmerer Aufenthalt als droben auf dem Decke, wo man nur wenig Schutz gegen die Glut der auf den Kopf niederbrennenden Sonne fand; darum streckte ich mich auf das einfache Lager aus, um bis auf weiteres hier liegen zu bleiben. Nach kurzer Zeit wurde die Th#252;re ge#246;ffnet, und der Herkules trat herein. Er warf einen finstern Blick auf mich und sagte:

»Der W#228;rter teilte mir soeben mit, da#223; er Sie hier einquartiert hat, obgleich ich die Kabine bezahle. Da Sie, wie ich h#246;re, ein Deutscher sind, will ich es mir gefallen lassen, setze aber voraus, da#223; ich mich nicht #252;ber Sie zu #228;rgern brauche.«

Das war sehr deutlich gesprochen; aber der gute Mann war herzenskrank, was bei mir nat#252;rlich als Entschuldigung galt, und so antwortete ich ihm l#228;chelnd in freundlicher Weise:

»Ich werde mich bem#252;hen, gute Kameradschaft zu halten, da Sie mir als Genosse von allen Passagieren der liebste sind.«

»Wieso? Sie kennen mich doch gar nicht. Warum diese Schmeichelei! Ich liebe das nicht.«

»Es ist nicht Schmeichelei, sondern die Wahrheit. Der Jude hat mir von Ihnen erz#228;hlt. Sie werden sich nicht #252;ber mich zu beklagen haben.«

»Wenn Sie dies wirklich w#252;nschen, so machen Sie nicht etwa Judith den Hof. Ich werde jeden, der dies zu thun wagen sollte, mit der Faust zu Boden schlagen!«

»Keine Sorge!« lachte ich. »Auf einem solchen Abwege k#246;nnen wir uns niemals begegnen. Warum aber haben Sie damals den Reservelieutenant nicht auch niedergeschlagen?«

»Weil ich Mitleid mit dem Kerlchen hatte. Er w#228;re unter meinem Griffe in lauter Scherben und Splitter zerbrochen, und ich wu#223;te, da#223; nicht seine Person, sondern seine Uniform an Judiths Untreue schuld war. Sprechen wir nicht weiter davon, und lassen Sie den Alten nur schwatzen. Ich wei#223;, was ich thue, und mag nichts #252;ber diesen Gegenstand h#246;ren.«

»Auch ich vesp#252;re nicht die mindeste Lust, mich damit zu befassen; aber sagen Sie mir wenigstens, wie er hei#223;t und was f#252;r eine Art von Gesch#228;ft er betrieben hat!«

»Er hat meist in Rauchwaren gemacht und nebenbei ein flottes Pfandleihgesch#228;ft betrieben. Dabei hat er sich ein kleines Verm#246;gen erworben, und das ist ihm in den dummen Kopf gestiegen.«

»Er meint, in Mexiko in kurzer Zeit Kr#246;sus werden zu k#246;nnen. Sind Sie vielleicht von derselben Ansicht besessen?«

»F#228;llt mir nicht ein! So leichtgl#228;ubig wie Jakob Silberstein, so hei#223;t er n#228;mlich, bin ich nicht. Ich hege vielmehr die Ueberzeugung, da#223; der Agent ein Schurke war und da#223; die armen von ihm Betrogenen hier Gefahren entgegengehen, von denen sie keine Ahnung haben. Darum bin ich mit her#252;ber. Ich will Judiths Besch#252;tzer sein und bin #252;berzeugt, da#223; sie dann zur Einsicht kommen wird.«

Er lie#223; sich auf seinen Platz nieder und schwieg; ich machte keinen Versuch, das Gespr#228;ch fortzusetzen. Sp#228;ter, als der Schuner vor einer leidlich starken Brise ging, durch welche die Sonnenglut ertr#228;glicher wurde, kehrte ich auf das Verdeck zur#252;ck und setzte mich an ein stilles Pl#228;tzchen, um von dort aus ungest#246;rt meine Beobachtungen zu machen. Bald kam Silberstein zu mir, um das Thema #252;ber seine Tochter weiter zu spinnen; ich lie#223; ihm aber deutlich merken, da#223; mir an demselben nichts gelegen sei, und so entfernte er sich bald wieder, ohne mich abermals zu fragen, ob ich seinem Lieblinge vorgestellt sein wolle.

Der Mormone kam auch f#252;r kurze Zeit, um einige Worte mit mir zu wechseln. Er schritt das Deck ab, um von einer Person zur andern zu gehen und sich mit allen in der leutseligsten Weise zu unterhalten, gab diesem und jenem eine Cigarre, streichelte den Kindern die Wangen und that #252;berhaupt alles, um sich das Vertrauen und die Zuneigung der Leute zu erwerben.

Am l#228;ngsten stand er bei Judith, mit welcher er sich eifrig unterhielt, w#228;hrend der Herkules an der nach den Kabinen f#252;hrenden Luke stand und beide beobachtete. Seine Brauen waren zusammengezogen und seine Lippen fest geschlossen. Es war mir, als beginne in diesem Augenblicke ein W#246;lkchen aufzusteigen, welches sp#228;ter den ganzen Horizont bedecken und sich mit Blitz und Donner entladen werde.

Es war auf dem Schiffe f#252;r die Passagiere ziemlich gut gesorgt. Sie wohnten nicht eng zusammengepfercht und bekamen genug Trinkwasser und auch kr#228;ftiges Essen. Niemand hatte zu klagen, und jedermann sah der Zukunft mit ungetr#252;bter Hoffnung entgegen. Ich war der einzige, der anders dachte; den Herkules rechne ich nicht, da sein Mi#223;trauen ein unbestimmtes war und auf keinem besondern, klaren Grunde beruhte. Sollte ich dem Mormonen in meinen Gedanken unrecht thun? Ich wollte zu Winnetou #252;ber die Grenze hin#252;ber und Lobos lag genau in dieser Richtung. Die Fahrt kostete mich nichts, konnte mir das nicht genug sein? War es nicht besser, in Lobos meinen eigenen Weg unter die F#252;#223;e zu nehmen, ohne mich um den Mormonen und seine Polen weiter zu k#252;mmern?

Ich wog diese Gedanken und Fragen hin und her, konnte aber trotz alledem die Ahnung nicht loswerden, da#223; die Auswanderer ins Verderben gef#252;hrt w#252;rden. Als ich dann nach dem Hinterteile schlenderte, redete mich der Kapit#228;n an:

»Lassen Sie sich gratulieren, Master! Melton sagte mir, da#223; Sie als Buchhalter engagiert werden sollen. Greifen Sie ja zu, denn eine solche Stellung wird Ihnen nicht gleich wieder angeboten.«

»Kennen Sie denn diese Stelle, Kapt'n?«

»Und ob! Der Haziendero ist, sozusagen, ein alter Freund von mir, ein steinreicher Herr und dabei ein Ehrenmann. Wenn er einmal einen Menschen engagiert, so sorgt er auch in ausgiebiger Weise f#252;r ihn. Darauf k#246;nnen Sie sich verlassen.«

»So meinen Sie, da#223; Ihre jetzigen Passagiere es gut bei ihm haben werden?« »Ich meine es nicht, sondern ich bin #252;berzeugt davon.«

Der Kapit#228;n hatte das Aussehen eines ehrlichen Mannes; ich mu#223;te ihm glauben; dennoch fragte ich: »Aber der Kontrakt! Steht es richtig mit ihm?«

»Was f#228;llt Ihnen ein! Sie sollen sogleich sehen, wie ehrlich es Sennor Timoteo mit seinen neuen Arbeitern meint.«

Er forderte einen in der N#228;he stehenden Auswanderer auf, seinen Kontrakt zu holen. Der Mann hatte denselben eingesteckt und zeigte ihn mir. Das Papier war von ihm, dem Agenten und der Beh#246;rde unterschrieben und enthielt einen einzigen Paragraphen. Der Inhalt desselben lautete ungef#228;hr: Der Arbeiter bekommt freie Ueberfahrt, Reise und gute Verpflegung bis an Ort und Stelle und verpflichtet sich, auf der Besitzung Timoteo Pruchillos resp. dessen etwaigem Rechtsnachfolger t#228;glich acht Stunden gegen einen Tagelohn von anderthalb Pesos und freie Station zu arbeiten. Nach sechs Jahren erlischt der Kontrakt.

Ich war erstaunt. Das war nicht nur ehrlich, sondern sogar sehr anst#228;ndig, da bei diesem Tagelohne der Arbeiter im stande war, sich j#228;hrlich gegen zweitausend Mark zu sparen. Jetzt wunderte ich mich nicht mehr dar#252;ber, da#223; es dem Agenten gelungen war, f#252;r die weltentlegene Hazienda eine Gesellschaft von dreiundsechzig K#246;pfen zusammenzubringen. Ich sah ein, da#223; mein Mi#223;trauen ein unbegr#252;ndetes gewesen war. Wirklich unbegr#252;ndet? Pruchillo meinte es ehrlich; aber war auch der Mormone ein Ehrenmann? Warum nicht? Hatte ich denn Beweise gegen ihn? War ich nicht vielleicht durch allerdings vielf#228;ltige Erfahrungen allzuvorsichtig und mi#223;trauisch geworden? Stand Melton nicht im Begriffe, mir eine Wohlthat zu erweisen, welche, selbst wenn ich ihrer nicht bed#252;rftig war und sie also nicht annehmen konnte, mich ihm doch zu gro#223;em Danke verpflichten mu#223;te? Ich wurde irre an mir und kam bis zum Abende zu dem Entschlusse, in Lobos auszusteigen und allein meines Weges zu gehen, da die Auswanderer auf der Hazienda ganz vorz#252;glich aufgehoben waren. Da aber ereignete sich etwas, wodurch diese Ansicht widerlegt und dieser Entschlu#223; vollst#228;ndig #252;ber den Haufen geworfen wurde.

Nach dem Abendessen fiel mir n#228;mlich auf, da#223; die Auswanderer alle aufgefordert wurden, sich in ihre Schlafkojen hinabzuverf#252;gen. Auch ich wurde von dieser Ma#223;regel nicht ausgenommen. Da es Abend geworden war, die Sonne nicht mehr brannte und im Gegenteile ein k#252;hles L#252;ftchen wehte, w#228;ren die Leute noch sehr gern eine Weile auf Deck geblieben; sie mu#223;ten sich aber nat#252;rlich f#252;gen. Aus den verwunderten Gesichtern, welche sie zu diesem ihnen erteilten Befehle machten, ersah ich, da#223; die Ma#223;regel eine neue war und sie bisher des Abends und wohl auch des Nachts ganz nach Belieben im Freien hatten bleiben d#252;rfen. Ich erfuhr dies auch sofort, als ich als der letzte, denn ich hatte gez#246;gert, bis keiner mehr oben war, in meine Koje kam und von dem Athleten mit den m#252;rrischen Worten empfangen wurde:

»Was f#228;llt dem Master Harry Melton ein, uns herabzuschicken! Haben Sie eine Ahnung davon, weshalb er es gethan hat?«

»Nein.«

»Hole ihn der Teufel! Wenn man sich des Tages #252;ber von der Sonne verbrennen lie#223; oder hier unten in dem dumpfen Loche zubringen mu#223;te, ist es eine Wohlthat und sogar ein Bed#252;rfnis, des Abends in der freien, frischen Luft zu sein. Das haben wir bisher stets gedurft.«

»Wirklich? Diese Einrichtung ist also eine neue!«

»Ja. Und ich bin #252;berzeugt, da#223; sie von Melton ausgeht.«

»Warum glauben Sie dies?«

»Erstens, weil man uns herabschickt, seit er sich an Bord befindet, und zweitens, nun, der zweite Grund ist ein etwas unklarer, und ich will lieber schweigen.«

»Sie schweigen, weil Sie kein Vertrauen zu mir haben?«

»Erwarten Sie es anders? Sie sind erst vor so kurzer Zeit zu mir hereingekrochen und k#246;nnen also nicht verlangen, da#223; ich Ihnen schon alle meine Gedanken mitteile.«

Da mir daran lag, diese seine Gedanken zu erfahren, antwortete ich:

»Sie f#252;rchten sich also vor dem Mormonen und schweigen nur deshalb, weil Sie denken, da#223; ich ihm ihre Worte mitteile.«

Ich hatte ihn richtig beurteilt, denn noch hatte ich kaum ausgesprochen, so fuhr er mich an:

»Was f#228;llt Ihnen ein! Ich mich f#252;rchten? Ich m#246;chte den Menschen sehen, der im stande w#228;re, mir Angst einzujagen. Und vor diesem Kerl, welcher zwar mit den Leuten sch#246;n thut und sogar gleich in den ersten Stunden beginnt, der Judith den Hof zu machen, dabei aber den Schalk im Nacken hat, ist mir erst recht nicht bange.«

Diese Worte sagten mir, da#223; er nicht nur mi#223;trauisch, sondern sogar eifers#252;chtig gegen den Mormonen war. Ich durfte hoffen, unter Umst#228;nden an ihm einen Verb#252;ndeten gegen den letzteren zu haben. Ich konnte also gegen ihn ein wenig aufrichtiger sein, als ich sonst nach so kurzer Bekanntschaft gewesen w#228;re. Darum sagte ich:

»Warum lassen Sie mich da glauben, da#223; Sie sich vor ihm scheuen? Warum reden Sie nicht offen zu mir, der ich Ihnen in aller Aufrichtigkeit sage, da#223; ich den Mormonen trotz seiner auff#228;lligen Bem#252;hungen, sich beliebt zu machen, ja vielleicht gerade wegen derselben, f#252;r keinen ehrlichen Menschen halte?«

»Ist das wahr? Thun Sie das?« fragte er schnell.

»Ich sage es Ihnen ja, und was ich sage, das pflegt wahr zu sein.«

»Haben Sie au#223;er seiner Sch#246;nthuerei noch andere Gr#252;nde? Sie sind mit ihm auf das Schiff gekommen und also vorher mit ihm beisammen gewesen, m#252;ssen ihn also besser kennen als ich. Uebrigens ist das, wie Sie wohl einsehen werden, f#252;r mich ein Grund, auch Ihnen zu mi#223;trauen.«

»Mag sein; aber ich verdiene Ihr Mi#223;trauen nicht, denn ich habe Master Melton nur ganz kurz gesprochen. Wir wohnten zwei Wochen lang in demselben Hotel, ohne mit einander zu verkehren. Nur einmal sprachen wir l#228;ngere Zeit miteinander, als er gesehen hatte, da#223; ich ein stellenloser armer Teufel bin, und mich darum fragte, ob ich Buchhalter auf der Hazienda del Arroyo werden wolle. Ich sagte in Anbetracht meiner gegenw#228;rtigen Lage zu und wurde heute von ihm mit auf das Schiff genommen.«

»So kennen Sie ihn also ebensowenig wie ich. Warum sagen Sie da, da#223; er kein ehrlicher Mensch sei?«

»Ich behaupte das nicht infolge irgend einer Thatsache, durch die es bewiesen worden w#228;re, sondern weil ein gewisser Instinkt mich vor ihm warnt. Ich habe die Ahnung, da#223; man sich vor ihm h#252;ten mu#223;.«

»Hm! Bei mir findet ganz dasselbe statt. Der Kerl hat mir nichts gethan, ist im Gegenteile zu mir wenigstens ebenso freundlich gewesen wie gegen die andern, und doch mag ich ihn nicht leiden. Seine Visage gef#228;llt mir nicht. Dazu kommen die Blicke, die er mit dem Kaj#252;tenw#228;chter heimlich wechselt.«

»Hat er das gethan? Ich habe es nicht bemerkt.«

»Nat#252;rlich haben sie sich heimliche Blicke zugeworfen, gerade so, als ob sie alte Bekannte seien; und doch thun sie ganz fremd miteinander.«

Das war eine Beobachtung, die ich nicht gemacht hatte. Die Augen des Herkules waren von seiner Eifersucht gesch#228;rft worden. Freilich konnte er sich geirrt haben. Darum fragte ich:

»Haben Sie sich da nicht get#228;uscht? Der W#228;rter befindet sich dem Mormonen gegen#252;ber in einer so tiefen Stellung, da#223; eine Vertraulichkeit, wie man sie infolge solchen heimlichen Zuwinkens annehmen m#252;#223;te, fast ausgeschlossen ist. Sie k#246;nnen einander fr#252;her einmal gesehen haben; das wird aber auch alles sein. Vielleicht haben die Blicke, welche Sie beobachteten, nur ein Gru#223; sein sollen.« »Reden Sie nicht! Ich kenne meine Augen. Was die sehen, das sehen sie richtig. Wenn die Kerls sich gr#252;#223;en wollen, so k#246;nnen sie dies frei und offen thun. Wenn sie ihre Gr#252;#223;e aber nicht merken lassen wollen, so m#252;ssen sie einen Grund haben, ihr Bekanntsein nicht wissen zu lassen, und dieser Grund kann kein guter, kein ehrlicher sein.«

»Das ist richtig. Ich werde die beiden morgen sch#228;rfer beobachten, als ich es heute gethan habe.«

»Thun Sie das! Es steckt gewi#223; etwas dahinter. Ich habe zwar in Beziehung auf uns und unsere Zukunft keinerlei Sorge, denn unsere Kontrakte sind gut und stellen uns vollst#228;ndig sicher; aber es ist zwischen Melton und dem Aufw#228;rter irgend etwas vorhanden, was, wenn es sich auf uns beziehen sollte, uns wohl nicht gefallen w#252;rde. Ich m#246;chte wissen, was es ist.«

»Hm, ich auch!«

»Vielleicht mu#223; man auch dem Kapit#228;n mi#223;trauen. Warum f#252;hrte er den Mormonen, als dieser an Bord kam, nach hinten, um mit ihm zu reden? Konnten sie uns nicht wissen lassen, was sie zu sprechen hatten?«

»Der Kapit#228;n ist ein ehrlicher Mann; das behaupte ich, und ich bin #252;berzeugt, da#223; ich mich da nicht irre. Warum sollte er seine Schiffs- und Gesch#228;ftsangelegenheiten gerade vor unsern Augen und Ohren verhandeln? Aber wenn es wirklich wahr ist, da#223; der Mormone mit dem W#228;rter im Einvernehmen steht, so ist mir das interessant, und ich habe gro#223;e Lust, hinter das Geheimnis zu kommen.«

»Das werden Sie nicht fertig bringen, weil man sich h#252;ten wird, Ihnen die Sache auf die Nase zu binden.«

»Wenn ich nun aber meine Nase, ohne da#223; man es bemerkt, so tief in diese Sache stecke, da#223; ich dieselbe kennen lerne?«

»So wird man Ihnen einen t#252;chtigen Klapps darauf geben!«

»Dar#252;ber wird sie nicht allzusehr erschrecken, denn sie hat schon manchen Klapps bekommen. Ich m#246;chte die beiden am liebsten gleich jetzt belauschen.«

»Verr#252;ckter Gedanke! Wissen Sie denn, wann und wo sie miteinander sprechen werden? Und sodann befinden wir uns auf einem Schiffe, nicht aber im Walde, wo man sich hinter einen Busch stecken kann, um seine Augen und Ohren im Verborgenen spielen zu lassen.«

»Mag sein. Aber was die Zeit und den Ort betrifft, so kenne ich beide genau. Zeit: heute, und Ort: oben das Deck. Hat der Mormone heimlich mit dem W#228;rter zu reden, so wird er dies thun, wenn es dunkel ist und wenn er glaubt, da#223; man es nicht bemerken wird. Er logiert eigentlich neben dem Kapit#228;n, der sich wohl bald in seine Kaj#252;te zur Ruhe begeben wird. Man wei#223;, wie d#252;nn die Zwischenw#228;nde sind. Lie#223; der Mormone den W#228;rter heimlich nach der Kaj#252;te kommen, so m#252;#223;te er bef#252;rchten, von dem Kapit#228;n beobachtet zu werden. Er mu#223; sich also einen andern Ort suchen.«

»Wo denn?«

»Haben Sie denn nicht gesehen, da#223; man vorhin oben ein kleines Zelt errichtet hat? Wozu sollte dasselbe dienen? F#252;r wen kann es sein? Doch nur f#252;r den Mormonen. Er wird gesagt haben, da#223; er lieber auf dem Deck, als in der dumpfen Kaj#252;te schlafe.«

»Und da wollen Sie die beiden belauschen?«

»Wenigstens habe ich gro#223;e Lust dazu.«

»Lassen Sie das sein, lieber Herr! Es k#246;nnte Ihnen schlecht bekommen. Wenn der Pudel #252;ber den Milchtopf ger#228;t, der ihm verboten ist, bekommt er die Peitsche.«

»Ja; aber ich bitte sehr h#246;flich, zu bemerken, da#223; ich kein Pudel bin und da#223; auch selbst ein Pudel nicht jedesmal erwischt wird. Haben Sie bemerkt, da#223; das Zelt aus dem Reserve-Gro#223;segel errichtet worden ist?«

»Ich wei#223; nicht, wie die Segel alle hei#223;en, habe aber gesehen, da#223; dieses so gro#223; war, da#223; es nicht nur vollst#228;ndig f#252;r das Zelt reichte, sondern hinter demselben auch noch eine Rolle bildet. Es mag also ein Gro#223;segel sein.«

»Das ist's ja, was ich meine. Zum Zelte hat das halbe Segel gen#252;gt. Die andere H#228;lfte ist hinter demselben zusammengerollt. Unter dieser Rolle oder diesem Kn#228;uel findet ein Mann sehr gut Platz, und wenn Sie nichts dagegen haben, werde ich da schlafen.«

»Eine tolle Idee! Man wird Sie entdecken, wenn Sie husten oder niesen!« »Ich werde beides bleiben lassen.«

»Sie scheinen Ihrer Nase sehr sicher zu sein. Aber selbst wenn man Sie nicht erwischen sollte, werden Sie sich vergeblich M#252;he geben. Noch wissen Sie nicht, ob das Zelt wirklich f#252;r den Mormonen bestimmt ist, und falls Ihre Voraussetzung richtig sein sollte, ist es noch hundertmal fraglich, ob der W#228;rter dorthin kommen wird.«

»Das m#252;#223;te ich mir gefallen lassen, doch bin ich der Meinung, da#223; die M#252;he, welche ich mir geben werde, nicht vergeblich sein wird. Ich habe so eine Ahnung, und ich habe die Erfahrung gemacht, da#223; meine Ahnungen mich selten get#228;uscht haben.«

»Na, dann will ich Ihnen weder zu- noch abreden, Wenn Ihre Idee Ihnen t#252;chtige Matrosenhiebe einbringt, so ist's nicht mein R#252;cken, der sie auszuhalten hat.«

Ich gebe zu, da#223; das, was der Athlet »Ihre Idee« nannte, ein sehr fragw#252;rdiges Geisteserzeugnis war, aber es lag mir, sozusagen, in den Fingerspitzen, da#223; ich diesen Gedanken ausf#252;hren m#252;sse. Ich verlie#223; also unsere Koje, um mich nach dem Deck zu schleichen. Das war nicht leicht. Die Kojen waren von einander und von dem engen Gange, durch den ich mu#223;te, durch fast papierd#252;nne Scheidew#228;nde getrennt; die Insassen konnten mich also leicht h#246;ren. Das war aber das wenigste. Viel bedenk- bedenklicher war die Begegnung mit einer Person der Schiffsbemannung, oder gar mit einem der beiden, die ich belauschen wollte. Doch kam ich, ohne auf jemand zu treffen, bis an die Luke, welche sich vom Raume aus auf das Deck #246;ffnete. Indem ich auf der Treppe stehen blieb und nur den Kopf vorsichtig hervorstreckte, konnte ich, obgleich es nicht sehr hell war, die zwischen mir und dem Zelte liegende Strecke #252;berblicken. Sie war frei.

Hinten gab der Kapit#228;n dem Steuermann Befehle f#252;r die Nacht. Er stand also im Begriffe, sich schlafen zu legen. Die Stimme des Mormonen sprach einige Worte drein; er befand sich folglich auch mit am Steuer. Vorn, in der N#228;he des Buges, schwatzten und lachten die wenigen Matrosen; sie konnten mich nicht sehen. Ich schwang mich also schnell aus der Luke und huschte nach dem Zelte hin, um mich unter der #252;briggebliebenen H#228;lfte des Segels, aus welchem dasselbe gebildet war, zu verbergen. Das war in Zeit von nicht einer Minute geschehen. Ich lag zwar auf dem harten Deck, aber sonst ganz bequem und wurde von dem Segel so bedeckt, da#223; mich niemand sehen konnte. Mein Versteck war ein ganz vorz#252;gliches; nur fragte es sich, ob dasselbe mir auch den erwarteten Nutzen bringen werde. Geschehen konnte mir nichts. Im schlimmsten Falle galt es eine kleine Geduldprobe, welche h#246;chstens die Folge haben konnte, da#223; ich von dem Herkules ausgelacht wurde.

Ich legte mich so, da#223; ich den Kopf unten in das Zelt schieben konnte, und langte mit dem Arme in das Innere desselben. Ich f#252;hlte ein d#252;nnes, aber weiches Lager, welches aus Decken hergerichtet worden war. Sehen konnte ich nichts.

Nach kurzer Zeit h#246;rte ich, da#223; der Kapit#228;n dem Mormonen »gute Nacht« w#252;nschte und nach der Kaj#252;te ging. Der letztere spazierte noch eine Viertelstunde auf und ab und kam dann in das Zelt, um sich niederzulegen. Die eine Voraussetzung, n#228;mlich die, da#223; das Zelt f#252;r ihn bestimmt sei, war also eingetroffen; es galt nun, abzuwarten, ob die andere, da#223; der W#228;rter kommen werde, sich ebenso bewahrheitete.

Es verging eine Stunde und noch eine; es wurde Mitternacht. Das Geplauder der Matrosen hatte l#228;ngst aufgeh#246;rt. Es war so still geworden, da#223; ich den Sog des Schiffes h#246;rte. Einmal erklang die Stimme des Sprietmannes, welcher dem Steuerer eine Meldung zurief. Ich begann Langeweile zu f#252;hlen. Da h#246;rte ich eine Bewegung im Innern des Zeltes, nicht als ob der Schl#228;fer sich umwendete, sondern als ob er sich aufrichtete. Ich schob den Kopf vor, um besser h#246;ren zu k#246;nnen. Da vernahm ich das Anstreichen eines Z#252;ndholzes und dann leuchtete das Fl#228;mmchen desselben auf. Beim Scheine des H#246;lzchens sah ich, da#223; der Mormone aufrecht sa#223; und sich eine Cigarre anz#252;ndete. Er wartete also und hatte jedenfalls bisher noch nicht geschlafen. H#228;tte er mir nicht den R#252;cken zugekehrt, so w#228;re mein Kopf jedenfalls von ihm gesehen worden.

Wieder verging eine Weile, bis ich ihn leise fragen h#246;rte: »Weller, bist du's?«

»Ja, Master,« lautete vorn die ebenso leise Antwort in englischer Sprache.

»Dann rasch herein, damit du nicht gesehen wirst! Ich r#252;cke zu.«

Der W#228;rter hie#223; also Weller. Er folgte der Aufforderung Meltons, indem er sagte:

»Habt keine Sorge, Master! Es giebt au#223;er dem Steuermanne und dem Sprietw#228;chter keinen wachen Men-Menschen auf dem Deck, und diese beiden sind so plaziert, da#223; sie uns weder sehen noch h#246;ren k#246;nnen.«

Es entstand eine kurze Pause, w#228;hrend welcher der eine Platz machte und der andere sich niedersetzte. Dann meinte der Mormone:

»Du kannst dir denken, da#223; ich unendlich neugierig bin. Ich betrat das Schiff mit der gr#246;#223;ten Spannung, ob du dich an Bord befinden w#252;rdest.«

»Was das betrifft, Master, so ist es mir gar nicht schwer geworden, den Platz als Stewart (* Aufw#228;rter.), zu bekommen.«

»Der Kapit#228;n kennt dich doch nicht etwa?« »Er hat nicht die Idee einer Spur von mir.« »Und auch nicht erfahren, da#223; du mich kennst?«

»Werde mich h#252;ten, so etwas auszuplaudern! Leider konnte ich die Heuer nicht nur f#252;r die Herfahrt bekommen; ich habe sie auch f#252;r die R#252;ckfahrt nehmen m#252;ssen und bin also eigentlich gezwungen, von Lobos wieder mit nach Frisco (* San Francisco.) zu segeln.«

»Das thut nichts, da es dir nicht schwer fallen wird, in Lobos auszukneifen.«

»Denke es auch und habe mich darum so wenig mit Sachen und Effekten geschleppt, da#223; ich augenblicklich ans Land gehen k#246;nnte, ohne etwas an Bord zur#252;ckzulassen.«

»Recht so, obgleich das nur Nebensache ist. Wie aber steht es mit der Hauptsache? Wann ist dein Alter fort?«

»Drei Wochen vor mir und er befindet sich unbedingt am Ziele. Er ist so oft dort gewesen und kennt alle Verh#228;ltnisse und Schliche so genau, da#223; es gar nicht fehlen kann.«

»Aber werden die Yuma ihm zu Willen sein?«

»Bin vollst#228;ndig #252;berzeugt davon. Wenn es sich um eine solche Beute handelt, ist jeder Rote schnell dabei.«

»Das beruhigt mich. Nur fragt es sich, ob sie auch rasch genug bei der Hand sein werden.«

»Es ist gewi#223;, Master, da#223; sie schon jetzt unterwegs sind. Aber hat es denn solche Eile, Master Melton? Es jagt uns kein Mensch. Wir k#246;nnen die Sache in aller Behaglichkeit abmachen.«

»Das dachte ich vorher auch, bin aber anderer Ansicht geworden.«

»Warum? Hat sich etwas ereignet?«

»Ja. Ich habe eine Begegnung gehabt.«

»Das hei#223;t, Ihr habt jemand getroffen. Das kann doch nicht von so gro#223;em Einflusse auf unser Vorhaben sein!«

»Vom allergr#246;#223;ten sogar.«

»Dann m#252;#223;te der Mann, den Ihr meint, von ganz verwunderlicher Wichtigkeit f#252;r uns sein.«

»Ist er auch! Es war eine wirkliche Ueberraschung f#252;r mich, ihn hier unten zu sehen, und wenn du seinen Namen h#246;rst, wirst du gerade ebenso erstaunt sein, wie ich es war, als ich ihn erkannte.«

»So sagt mir doch, wer es ist!«

»Das solltest du eigentlich schon wissen, denn du hast ihn hier auf dem Schiffe gesehen.«

»Dann kann es nur der Mann sein, welcher Buchhalter werden soll. Ist es so richtig?«

»Nat#252;rlich! Es ist ja sonst niemand mit mir an Bord gekommen. Und du kennst ihn nicht, wirklich nicht? Du hast ihn schon gesehen, und zwar unter solchen Verh#228;ltnissen, da#223; es geradezu verwunderlich ist, da#223; du ihn f#252;r einen Unbekannten h#228;ltst. Ich war vollst#228;ndig #252;berzeugt, da#223; er von dir erkannt worden sei, und darum winkte ich dir einigemale zu, vorsichtig zu sein und dich so wenig wie m#246;glich von ihm sehen zu lassen, da er sich sonst auch deiner erinnern k#246;nnte.«

»Diese Winke sah ich, habe sie aber nicht verstanden. Ihr habt da mit diesem Manne eine Wichtigkeit, die ich nicht begreife. Ein Landstreicher, der froh ist, auf einer entlegenen Hazienda Schreiber werden zu

d#252;rfen, kann f#252;r uns doch von gar keiner Bedeutung sein!«

»Das w#252;rde ich auch sagen, wenn dieser h#246;chst gef#228;hrliche Mann #252;berhaupt die Absicht h#228;tte, Buchhalter zu werden.«

»Wollt Ihr etwa sagen, da#223; er sich verstellt, da#223; er die Absicht hat, Euch an der Nase zu f#252;hren? Dann ist er entweder der gr#246;#223;te Dummkopf, den es giebt, oder ein feiner, gescheiter Kerl.«

»Das letztere, das letztere! Denke doch einmal an Fort Uintah und was du dort erlebtest!«

»Viel Erfreuliches ist das nicht gewesen. Es war zu einer Zeit, in welcher dort gespielt wurde, wie nirgends sonst. Ich hatte gute Gesch#228;fte gemacht und mir einen t#252;chtigen Beutel voll Dollars gespart, verlor sie aber in Uintah im Laufe einer einzigen Stunde. Gl#252;cklicherweise war Euer Bruder da, der mir eine gute Hand voll Dollars schenkte und mir dann auch bei dem Wirte eine Stelle als Kellner verschaffte. Ich habe ihn seitdem nicht wieder gesehen. Ihr wi#223;t ja, weshalb er diesen Ort so pl#246;tzlich verlassen mu#223;te. Man spricht nat#252;rlich nicht gern davon.«

»Warum nicht? Wer ein Mensch ist, und das sind wir ja alle, dem darf Menschliches passieren. Uebrigens hat er sich noch ganz gut aus der Affaire gezogen.«

»Das ist richtig. Er hatte sich eine so sch#246;ne, runde Summe zusammengespielt, als den Offizier der Teufel ritt, anzunehmen, da#223; Euer Bruder ein falscher Spieler sei. Es kam zum Streite; er sollte den Gewinn herausgeben, scho#223; aber den Offizier #252;ber den Haufen und machte sich davon. Zwei Soldaten, welche das Geschrei h#246;rten und ihn drau#223;en anhalten wollten, bekamen auch ihre Kugeln, soda#223; sie umfielen wie die H#246;lzer; er gelangte aus dem Fort hinaus, nahm eins der dort grasenden Pferde und machte sich auf demselben aus dem Staube. Es war eine glorreiche That, unter diesen Verh#228;ltnissen und mitten aus einem befestigten Orte zu entkommen.«

»Entkommen? Ja, aus Uintah entkam er wohl - -«

»Nicht nur da, sondern sp#228;ter doch auch,« fiel Weller ihm in die Rede. »Freilich ist es ihm sehr hart an den Kragen gegangen. Er w#228;re #252;berhaupt nie wieder ergriffen worden, wenn nicht Old Shatterhand sich hinter ihm hergemacht h#228;tte. Mu#223; der Mensch Augen haben! Volle vier Tage lang war man hinter Eurem Bruder her, ohne ihn zu finden, oder gar zu fassen; da mu#223;te Old Shatterhand kommen und die Sache h#246;ren. Der erschossene Offizier war ein guter Bekannter von ihm und darum und ohne einen andern Grund zu haben, machte er sich augenblicklich wieder fort auf den Weg, um Euern Bruder zu erwischen.«

»Ja, volle vier Tage sp#228;ter und nachdem es keinem Soldaten oder Pfadfinder gelungen war, die Spur zu entdecken. Dieser Halunke aber hat die Nase eines Bluthundes; er fand die F#228;hrte und jagte meinen Bruder bis nach Fort Edward hin#252;ber, wo er ihn dem Kommandanten #252;bergab. Der arme Teufel sollte geh#228;ngt werden, entkam aber noch in der letzten Nacht im Anzuge des Soldaten, der ihn zu bewachen hatte und die Dummheit besa#223;, sich von ihm erw#252;rgen zu lassen. Du hast doch Old Shatterhand damals auf Fort Uintah gesehen?«

»Nur im Vor#252;berreiten. Er war vor kaum einer halben Stunde gekommen, hatte die Thatsache geh#246;rt und ritt eben wieder fort, als ich unter der Th#252;r stand und von dem Nachbar h#246;rte, da#223; dieser J#228;ger angekommen sei.«

»So ist es freilich kein Wunder, da#223; du ihn heute nicht erkannt hast.«

»Heute?« fragte der Aufw#228;rter im Tone #228;u#223;ersten Erstaunens. »Was wollt Ihr damit sagen? Doch nicht etwa, da#223; der sogenannte Buchhalter gar Old Shatterhand sei?«

»Ja; gerade das ist's, was ich sagen will.«

»Welch ein Irrtum! Dieser Mensch und Old Shatterhand! Wer den J#228;ger selbst nur im schnellen Vor#252;berreiten gesehen hat, wei#223; ganz genau, da#223; er mit dem Schreiber nicht das mindeste zu thun haben kann!«

»Und dennoch ist er es. Zeit und Ort sind verschieden, und das Gewand, welches er heute tr#228;gt, ist auch anders als der Lederanzug, in dem du ihn jedenfalls gesehen hast.«

»Dennoch ist es unm#246;glich, ganz und gar unm#246;glich! Der Mensch mit dem dummen Gesicht, dem ich die Koje des Herkules anweisen mu#223;te, soll Old Shatterhand sein? Sir, ich will alles glauben, alles, was Ihr mir sagt, doch dieses eine nicht, nein, niemals!«

»Ich habe unumst#246;#223;liche Beweise. Hast du das Gewehr des Mannes gesehen?« »Nein. Es schienen zwei zu sein; sie steckten in einem leinenen Futterale.«

»Es sind zwei, und jedermann wei#223;, da#223; Old Shatterhand stets seine beiden Gewehre bei sich hat, einen B#228;rent#246;ter und einen Henrystutzen, Gewehre, welche ihresgleichen nicht wieder haben. Ich habe im Hotel gar wohl bemerkt, da#223; ich sie nicht sehen sollte, sie mir aber von dem

Wirte, welcher sie in den H#228;nden gehabt hatte, genau beschreiben lassen. Der Westmann trat als armer Teufel auf und hat doch den Wirt mit seiner ganzen Familie mit sich essen und trinken lassen. W#228;re er wirklich der, f#252;r den er sich ausgiebt, so w#252;rde er auf mein Anerbieten sofort und mit Freuden eingegangen sein; er hat sich aber unter dem l#228;cherlichsten Vorwande, den es geben kann, Bedenkzeit ausgebeten. Er hatte mich nie gesehen und beobachtete mich doch immerfort sehr scharf. Ich lie#223; ihm nicht merken, da#223; ich dies sah. Die Aehnlichkeit mit meinem Bruder ist ihm aufgefallen. Er kam von der Sierra Verde herab. In diese #246;de und gef#228;hrliche Gegend versteigt sich kein gew#246;hnlicher Mensch, am allerwenigsten aber einer, der fremd im Lande ist, zumal es jenseits Emp#246;rung und infolgedessen die unsichersten Verh#228;ltnisse gab. Da hinauf und da hin#252;ber wagt sich nur ein k#252;hner und erfahrener Mann, der sich auf sich und seine Waffen verlassen kann. Bedenke, da#223; er ohne alle Begleitung, also ganz allein gewesen ist!«

Es l#228;#223;t sich denken, da#223; ich mit der gr#246;#223;ten Spannung Ohrenzeuge dieses Gespr#228;ches war. Mein Instinkt hatte mich nicht nur nicht betrogen, sondern, wie ich jetzt einsah, mir und voraussichtlich auch andern einen gro#223;en Dienst geleistet. Jetzt wu#223;te ich mit einem Male, warum mir das Gesicht des Mormonen nicht nur wegen des Widerspruchs seiner Z#252;ge aufgefallen war. Der Grund lag, wie er selbst sagte, in der Aehnlichkeit mit seinem Bruder, dem M#246;rder jenes Offiziers, welcher mir sehr nahe gestanden hatte. Die Freundschaft f#252;r den Ermordeten hatte mich veranla#223;t, dem Th#228;ter zu folgen, den ich, wie soeben gesagt worden war, bis nach Fort Edward getrieben und dort ergriffen hatte. Ich wu#223;te jetzt, woran ich war. Meine Ahnung hatte wieder einmal recht ge- gehabt. Der Mormone war ein Bruder jenes Falschspielers und mehrfachen M#246;rders, und die Art, wie er sich #252;ber diesen und sein Verbrechen ge#228;u#223;ert hatte, war Beweis genug, da#223; auch er mit den Gesetzen auf keinem guten Fu#223;e stand.

Leider aber sah ich ein, da#223; ich durchschaut worden war, wie ich nun weiter h#246;rte. Da#223; der eigent#252;mliche Wirt des Hotels die Marotte gehabt hatte, ein Fremdenbuch zu f#252;hren, und da#223; ich meinen Namen in dasselbe gegeben hatte, das waren die ersten Ursachen davon gewesen, da#223; der Mormone auf den Gedanken gekommen war, ich sei Old Shatterhand. Dazu kam die Schwatzhaftigkeit des Wirtes, welcher meine Gewehre beschrieben hatte, und noch verschiedenes andere, was Melton jetzt erw#228;hnte und aufz#228;hlte. Sogar das erw#228;hnte er, da#223; ich nicht unter dem Dache, sondern im Hofe geschlafen h#228;tte, weil ich als Westmann dies so gew#246;hnt sei. Er brachte all diese Gr#252;nde so gut vor, da#223; der Aufw#228;rter doch auch zu der Ueberzeugung gelangte, welche der Mormone hegte. Er sprach seine Zustimmung aus und meinte dann:

»Also angenommen, da#223; wir es wirklich mit Old Shatterhand zu thun haben, welchen Grund kann der

haben, mit nach der Hazienda gehen zu wollen?«

»Es werden mehrere und verschiedene Gr#252;nde sein. Hat er erkannt, da#223; ich der Bruder meines Bruders bin, so wird er glauben, denselben da suchen zu m#252;ssen, wo ich mich befinde. Er h#228;ngt sich also an mich. Sodann mu#223; ihm als erfahrenem Manne und Kenner der Verh#228;ltnisse die Bestimmung auffallen, welcher die Menschenladung dieses Schiffes entgegengeht, wenigstens angeblich entgegengeht. Nach allem, was ich #252;ber den Mann geh#246;rt habe, mu#223; das in ihm den Gedanken erwecken, sich den Leuten beizugesellen, um ihnen unter Umst#228;nden zu raten und zu helfen. Dabei h#252;tet er sich, einen Kontrakt zu unterschreiben, denn er will Herr seiner Freiheit bleiben. Wir haben also mit ihm zu rechnen, und zwar sehr zu rechnen, und wenn ich auch nicht denke, da#223; er das Gelingen unseres Vorhabens ganz vereiteln kann, so steht doch zu erwarten, da#223; er uns Hindernisse in den Weg legt, wodurch dasselbe sehr verz#246;gert wird.«

»So habt Ihr einen gro#223;en Fehler begangen, indem Ihr ihn mitgenommen habt. Ihr h#228;ttet Euch gar nicht mit ihm abgeben, sondern ihn einfach ignorieren und in Guaymas sitzen lassen sollen.«

»Das h#228;tte ich gethan, wenn der Wirt, Don Geronimo, nicht so plauderhaft gewesen w#228;re, ihm von mir und dem Schiffe, welches ich erwartete, zu erz#228;hlen. Ich habe Old Shatterhand zwar gesagt, da#223; er ohne mich nicht an Bord gekommen w#228;re, bin aber #252;berzeugt, da#223; ihn der Kapit#228;n, welcher ein dummer, ehrlicher Kerl ist und unser eigentliches Gesch#228;ft nicht kennt, aufgenommen h#228;tte. Und selbst wenn er nicht mit fortgekommen w#228;re, so traue ich ihm zu, da#223; er das n#228;chste Schiff benutzt h#228;tte, nach Lobos zu gehen und uns von dort aus nachzufolgen. Wir h#228;tten uns dann keinen Augenblick sicher f#252;hlen k#246;nnen.«

»Wir, so viele, diesem einen gegen#252;ber? Das klingt #252;bertrieben, trotzdem es Old Shatterhand ist. Eine Kugel k#246;nnte uns von ihm befreien.«

»Wenn er sich einer Kugel aussetzt, ja; aber das f#228;llt ihm gar nicht ein. Das kl#252;gste war das, was ich gethan habe. Ist er als schlauer Fuchs bekannt, so werde ich ihm zeigen, da#223; andere weit schlauer sein k#246;nnen. Gerade weil er mich #252;berlisten will, mu#223; er #252;berlistet werden. Ich habe mich also verstellt und ganz so gethan, als ob ich ihn wirklich f#252;r einen heruntergekommenen, abgelumpten Ausl#228;nder halte. Ich habe ihm die Stelle angeboten, um ihn mitzulocken. Auf diese Weise behalte ich ihn stets unter den Augen und kann ihn unsch#228;dlich machen, sobald es mir beliebt. Auf diese Weise ist es m#246;glich, ihm zu jeder Zeit eine Kugel zu geben. Und die bekommt er sicherlich, denn ich habe meinen Bruder zu r#228;chen, den er verfolgt und als M#246;rder au#223;er Landes getrieben hat. Das soll und mu#223; ger#228;cht werden, und da der Kerl jetzt so dumm oder so verwegen ist, sich selbst mir auszuliefern, so werde ich die Gelegenheit nicht vor#252;ber gehen lassen, ohne das zu thun, was ich f#252;r meine Pflicht, f#252;r meine blutige Pflicht halte.«

Er sagte das in so grimmigem und dabei feierlich schw#246;rendem Tone, da#223; ich #252;berzeugt war, er werde unbedingt Wort halten. Der Aufw#228;rter meinte langsam und in nachdenklicher Weise:

»Hoffen wir, da#223; es so kommt! Aber es hat eine ganz eigene Bewandtnis mit diesem Menschen; es ist, als ob er mit dem leibhaftigen Satan im Bunde stehe. Je tiefer er sich in Gefahr befunden hat, desto schneller kam er heraus.«

»Das soll diesmal nicht der Fall sein. Unterwegs d#252;rfen wir ihm nichts anhaben, weil das den Verdacht der andern erregen w#252;rde; aber la#223; uns nur erst auf der Hazienda sein, dann wird mit ihm abgerechnet. Ich brauche mich gar nicht an ihm zu vergreifen; die Yuma-Indianer werden das #252;bernehmen.«

»Und wenn er ihnen entkommt? Wie oft hat er sich in der Gewalt blutd#252;rstiger Roter befunden und ist ihnen entweder entflohen, oder hat es auf ganz unbegreifliche Weise dahin gebracht, da#223; sie aus grimmigen Feinden sich in seine allerbesten Freunde verwandelten.

Hat er nicht auch mit Winnetou auf Leben und Tod gek#228;mpft? Und heute sind beide bereit, ihr Leben f#252;r einander zu lassen!« »Das waren andere Menschen und andere Verh#228;ltnisse; das war nicht ich. Ich habe seinen Hals in meiner Hand und presse denselben zusammen, sobald es mir beliebt. Ein Schwur ist ein Unsinn; aber blicke da hinauf zu den Sternen; ich schw#246;re dir zu: so sicher sie ihre Bahnen gehen, ohne abweichen zu k#246;nnen, so sicher geht dieser Mensch seinem Tode entgegen, denn ich will - -«

Er sprach nicht weiter und hatte eine sehr gute Ursache dazu, denn bei dem letzten Worte brach das Zelt #252;ber ihm zusammen. Er hatte, um einen Aufblick nach den Sternen zu erm#246;glichen, den oberenTeil des Segeltuches zur#252;ckziehen wollen und war dabei zu unvorsichtig verfahren. Die Stangen standen unbefestigt auf dem Holze des Deckes; sie gaben infolgedessen dem Drucke nach und fielen um, unter der Tuchlast, die sie getragen hatten, den Mormonen, den Aufw#228;rter und - - auch mich begrabend.

Wollte ich nicht entdeckt sein, so galt es, nicht zu s#228;umen. Ich bohrte mich schleunigst unter den auf mir liegenden Segelfalten heraus und schnellte mich fort nach der Luke hin. Sobald ich mich tief genug in derselben befand, sah ich, da#223; die beiden auch herausgekrochen kamen, ohne bemerkt zu haben, da#223; der Einbruch ihres Geb#228;udes noch einen dritten betroffen hatte. Vom Lauschen war jetzt nat#252;rlich keine Rede mehr; ich suchte meine Koje auf. Der Herkules schlief wie ein B#228;r, und da ich mir M#252;he gab, leise zu sein, erwachte er nicht, sondern schlief fort, ohne mich zu h#246;ren.

Das war mir lieb, denn ich wu#223;te in diesem Augenblicke nicht, was ich ihm auf seine Fragen h#228;tte ant-antworten sollen. Soviel aber stand fest, da#223; ich ihm die Wahrheit noch verschweigen mu#223;te, da ich sonst zu erwarten hatte, da#223; er mir #252;blen Schaden anrichten werde. Ich legte mich also nieder, nicht um zu schlafen, sondern um #252;ber das Geh#246;rte nachzudenken. Das Morgenlicht blickte bereits durch das kleine Lukenfenster, als ich die Augen schlo#223;.

Also auf mein Leben war es abgesehen! Das klang gef#228;hrlich, machte mir aber keine Sorge. Ich wu#223;te ja nun, woran ich war, und konnte mich auf alle F#228;lle h#252;ten. Anders stand es mit der Gefahr, in welcher sich die Auswanderer befanden, denn da#223; es f#252;r sie eine Gefahr gab, davon war ich jetzt vollst#228;ndig #252;berzeugt. Und diese Gefahr war um so gr#246;#223;er, je weniger ich eigentlich wu#223;te, welcher Art sie sei und wo und wann sie eintreten werde. Unterwegs, also bis zur Hazienda, sollte nichts geschehen; das wu#223;te ich. Der Mormone hatte gesagt, da#223; bis dahin nichts gegen mich unternommen werden d#252;rfe, weil sonst das Mi#223;trauen der andern erregt werde; also konnte ihnen auch nichts drohen. Aber dann auf der Hazienda! Was aber und wie? Man hatte von den Yuma-Indianern gesprochen, welche das Rachewerk an mir ausf#252;hren sollten. Jedenfalls waren es auch sie, von denen den Auswanderern die Gefahr drohte. Ein Indianer#252;berfall? Das schien mir nicht allzu gef#228;hrlich. Doch warum sollten die polnischen Arbeiter #252;berfallen werden? Sie waren so arm, da#223;, den Juden abgerechnet, bei ihnen nichts geholt werden konnte. Es mu#223;te doch noch eine andere Bewandtnis damit haben, eine Bewandtnis, welche zu durchschauen ich jetzt noch nicht genug Beobachtungen gemacht hatte. Ich hoffte aber, unterwegs genug zu sehen und zu h#246;ren, um auf die richtige Spur zu kommen.

Unterwegs? Mu#223;te ich denn mit? War ich verpflichtet dazu? Eigentlich wohl nicht. Ich konnte in Lobos aussteigen und mich aus dem Staube machen. In diesem Falle aber waren die Auswanderer ihrem b#246;sen Schicksale verfallen, und wenn dasselbe #252;ber sie hereinbrach, so fiel die ganze Last desselben auf mein Gewissen. Das letztere befahl mir also, mitzugehen, und au#223;erdem war es der mich nie verlassende Thatendrang, welcher es mir gerade als eine Lust erscheinen lie#223;, die Anschl#228;ge des Mormonen kennen zu lernen und zunichte zu machen. Er hatte gesagt: »Er will mich #252;berlisten, folglich mu#223; er selbst #252;berlistet werden. Nun gut, List gegen List und Aberlist gegen Aberlist!«

Als ich erwachte, war der Athlet schon munter und fragte mich:

»Ich schlief fest und h#246;rte Sie nicht zur#252;ckkommen. Sind Sie vielleicht ertappt worden?« »Nein.«

»Aber haben Sie etwas erfahren?« »Besonders Wichtiges nicht,« antwortete ich gleichg#252;ltig.

»Dachte es,« lachte er. »Habe es Ihnen #252;brigens vorhergesagt. Man sollte Sie t#252;chtig auslachen.«

»Thun Sie das; aber haben Sie die G#252;te, zu schweigen, damit ich nicht auch von andern ausgelacht werde.«

»Halten Sie mich f#252;r eine Plaudertasche?« fragte er in seiner grilligen Weise. »Ich bin niemals ein Plappermaul gewesen, und es f#228;llt mir auch gar nicht ein, Ihretwegen eines zu werden. Ich werde Sie also nicht verraten, am allerwenigsten gegen die beiden Schufte, die ich nicht leiden kann. Ich habe nun einmal das Gef#252;hl, wenigstens mit dem Mormonen einmal t#252;chtig zusammenzugeraten.« - - -