"Satan und Ischariot II" - читать интересную книгу автора (Май Карл)

Satan und Ischariot II. Kr#252;ger Bei

Erstes Kapitel. Unter der Erde. 


Unsere Pferde hatten nicht leicht zu tragen, da uns die Vorsicht geboten hatte, uns f#252;r drei bis vier Tage mit allem zu versehen, was n#246;tig war und was n#246;tig werden konnte. Wir hatten nicht nur Proviant f#252;r uns und Futter f#252;r sie, sondern auch noch verschiedene Gegenst#228;nde mitgenommen, von denen anzunehmen gewesen war, da#223; sie uns von Nutzen sein w#252;rden. Dazu geh#246;rte ein Paket Lichter und ein B#252;ndel lange Wachsfackeln. Von beiden hatten wir in den Wagen einen ziemlich bedeutenden Vorrat vorgefunden; da diese Requisiten unter der Erde gebraucht wurden, hatte Melton sie bei dem Kaufmanne in Ures bestellt. Auch drei gro#223;e F#228;sser mit Brenn#246;l waren verladen worden. Wie schon vorher aus vielem anderem konnte man jetzt auch hieraus ersehen, da#223; Melton sein »Gesch#228;ft« schon vorbereitet gehabt hatte, ehe er mit dem Haziendero den Kauf abschlo#223;. So hatte er auch mit den Yumas alles N#228;here vorher verhandelt und ihnen alles, was sofort gebraucht wurde, zum Transporte #252;bergeben. Der Herkules hatte mir ja erz#228;hlt, da#223; die dreihundert Yumas #252;ber vierhundert Pferde gehabt hatten, also #252;ber hundert mehr, als sie f#252;r sich brauchten. Nahm ich an, da#223; von diesen sechzig f#252;r die Deutschen n#246;tig gewesen waren, so hatte man noch #252;ber vierzig schwer beladene Packpferde gehabt, welche die sofort notwendigen Gegenst#228;nde in die Berge schleppen mu#223;ten.

Nat#252;rlich hatte ich mich vor unserm Fortreiten gegen Winnetou #252;ber mein Vorhaben soviel, wie notwendig war, ausgesprochen, damit er, wenn uns etwas passierte und wir nach vier Tagen noch nicht zur#252;ck waren, wu#223;te, wo er uns zu suchen hatte. Vor allen Dingen und ganz selbstverst#228;ndlich hatte er wissen m#252;ssen, da#223; ich die H#246;hle des Players und den Gang, welchen der Herkules entdeckt hatte, untersuchen wollte. Das gab den Anfang des Fadens, welchem er folgen mu#223;te, falls er veranla#223;t sein sollte, nach uns zu forschen.

Da wir gestern von unserer Richtung abgewichen waren, so mu#223;te ich mit dem kleinen Mimbrenjo heute zun#228;chst auf dem letzten Teile des gestrigen Weges zur#252;ck und bemerkte dabei zu meiner Genugtuung, da#223; die Wagen- und Pferdespuren schon nicht mehr zu sehen waren. Und wo es doch eine Stelle gab, welche die Eindr#252;cke noch zeigte, war vorauszusehen, da#223; dieselben im Laufe des Tages verschwinden w#252;rden. Diese Bemerkung befriedigte mich f#252;r den Fall, da#223; Melton uns Kundschafter entgegenschicken sollte; ich konnte #252;berzeugt sein, da#223; die Leute unsern Lagerplatz nicht finden w#252;rden.

Nachdem wir vielleicht vier Stunden lang s#252;dw#228;rts geritten waren, lenkten wir nach Osten um und erreichten bald darauf die schon mehrmals erw#228;hnte Grenze der Vegetation. Die Ein#246;de begann. Da, wo das letzte Gras zu sehen war, hielten wir an, um den Pferden eine Stunde Erholung zu g#246;nnen und sie das sp#228;rliche Futter abweiden zu lassen. Dann ging es weiter.

Es war ein Ritt, wie durch eine W#252;ste. Der Boden bildete lange, niedrige Wellen, zwischen denen seichte Vertiefungen lagen, und alles war Fels, war Stein, Ger#246;ll oder Sand. Kein Strauch, kein Grashalm war zu sehen. Dieses nackte Gestein saugte die Strahlen der gl#252;henden Sonne auf, bis es von denselben ges#228;ttigt war; die nachfolgende Hitze konnte nicht mehr eindringen und lagerte nun wie eine vier oder f#252;nf Fu#223; hohe, flimmernde oder zitternde Glutsee auf die Erde. Das Atmen wurde schwer, und der Schwei#223; drang mir aus allen Poren; aber es mu#223;te ausgehalten werden; wir trabten fort, ohne Unterbrechung, weiter und immer weiter, denn wir mu#223;ten, wollten wir nicht einen ganzen Tag verlieren, Almaden noch vor Abend erreichen.

Gesprochen wurde fast gar nicht. Der Mimbrenjo erlaubte sich nicht, mich anzureden, und die Einf#246;rmigkeit des Rittes gab mir keine Veranlassung zum Reden. So verging die Zeit im tiefen Schweigen, bis ich mir sagte, da#223; Almaden nun n#246;rdlich von uns liegen m#252;sse. Wir bogen also nach dieser Richtung um, hielten nun ein scharfes Auge nach vorn und betrachteten zugleich den Boden, ob derselbe vielleicht eine Fu#223;spur zeigen werde.

Als die Sonne fast den Horizont erreichte, stieg vor uns in der Ferne ein niedriger und doch sich scharf vom Horizonte abzeichnender Felsen auf, welcher desto h#246;her wurde, je mehr wir uns ihm n#228;herten.

»Das mu#223; Almaden sein,« sagte ich. »Nun gilt es, doppelte Vorsicht zu #252;ben.«

»Will unser gro#223;er Bruder Old Shatterhand nicht absteigen?« antwortete der Knabe in bescheidenem Tone.

Ja, er hatte recht. Ein Reiter ist viel weiter zu sehen, als ein Fu#223;g#228;nger. Zwar w#228;re ich auch bald abgestiegen, aber da#223; er diese Bemerkung machte, freute mich, denn er bewies mir, da#223; er die w#252;nschenswerte Bedachtsamkeit besa#223;. Wir setzten also, die Pferde hinter uns her am Z#252;gel f#252;hrend, unsern Weg zu Fu#223;e fort.

Die vorhin erw#228;hnten Bodenwellen hatten aufgeh#246;rt. Wir schritten #252;ber ebenes Land, welches wie ein Ring um Almaden lag. Das war der Grund, da#223; wir sehr weit sehen konnten. Wir erblickten keinen Menschen, was uns nat#252;rlich nichts weniger als unlieb war.

Da begann der Boden pl#246;tzlich sich abw#228;rts zu senken. Wir standen am Rande der Vertiefung, in deren Mitte Almaden sich erhob, oder vielmehr, wir standen am Ufer des einstigen Sees, dessen Mitte die Felseninsel eingenommen hatte, welche jetzt Almaden genannt wurde.

Ich hatte mich doch um ein weniges verrechnet, wohl infolge der Einf#246;rmigkeit der Gegend, welche eine genaue Sch#228;tzung schwer machte: Wir erreichten Almaden nicht von S#252;den, sondern von S#252;dwesten her, was zwar gef#228;hrlicher war, weil ich die Indianer auf der Westseite glaubte, mir aber jetzt lieb sein konnte, da ich nun gleich die Stelle erblickte, welche ich sonst h#228;tte suchen m#252;ssen, n#228;mlich den Felsblock, von welchem der Player und der Herkules erz#228;hlt hatten.

Das riesige Felsenbollwerk, welches sich da dr#252;ben in der Mitte des einstigen Seebeckens erhob, war oben platt und bildete einen beinahe regelm#228;#223;igen Kubus, dessen Seiten fast genau nach den vier Winden lagen. Da wir vor der s#252;dwestlichen Ecke hielten, konnten wir die s#252;dliche und westliche Seite sehen. Die erstere stieg im allgemeinen auch senkrecht in die H#246;he, hatte aber tiefe Risse und in der Mitte eine Schlucht, von welcher man gleich bei dem ersten Blicke sah, da#223; sie nach oben f#252;hrte. Und das stimmte mit dem, was mir der Player gesagt hatte, n#228;mlich, da#223; das Plateau von der s#252;dlichen und von der n#246;rdlichen Seite aus erstiegen werden k#246;nne.

Die westliche Seite bildete eine lotrechte Fl#228;che, deren Regelm#228;#223;igkeit nur an ihrem unteren Teile, in der Mitte, unterbrochen wurde, denn dort lag der Block, welcher sich aus der Wand gel#246;st hatte und herabgest#252;rzt war. Wir sahen ganz deutlich das Ger#246;ll, von dem die L#252;cke, welche zwischen ihm und der Wand lag, ausgef#252;llt wurde.

Um dorthin zu gelangen, hatten wir ungef#228;hr zehn Minuten oder eine Viertelstunde zu gehen, durften dies aber nicht wagen, obgleich kein Mensch zu sehen war. Droben auf dem Plateau befanden sich jedenfalls Leute, und wenn einer von ihnen an der s#252;dlichen Kante stand, mu#223;te er uns sehen, falls wir es wagten, uns zu n#228;hern.

Zun#228;chst war es notwendig, zu erforschen, wo die Indianer sich aufhielten. Das wollte nat#252;rlich ich tun, w#228;hrend der Mimbrenjo bei den Pferden blieb. Ich folgte dem Rande des einstigen Sees, indem ich mich nach Westen wendete. Da es keinerlei Deckung f#252;r mich gab, mu#223;te ich die Augen offen halten, denn es war anzunehmen, da#223;, sobald ich einen Menschen sah, er mich in demselben Augenblicke auch sehen werde.

Schon war ich eine ziemliche Strecke gegangen, da bemerkte ich im Nordwesten kleine, dunstartige W#246;lkchen oder Wellen, welche langsam aufstiegen, sich ausbreiteten und verschwanden. Das war Rauch, und zwar der Rauch eines Indianerfeuers, welches mit nur ganz wenig Holz unterhalten wurde und also keinen dichten Rauch verursachte. Noch durfte ich eine kleine Weile aufrecht gehen; dann aber b#252;ckte ich mich auf die H#228;nde nieder und lief genau wie ein Vierf#252;#223;ler weiter.

Bald sah ich f#252;nf oder sechs Zelte, bei denen sich Menschen bewegten. Als ich es gewagt hatte, mich noch mehr zu n#228;hern, mu#223;te ich mich ganz niederlegen und auf dem Bauche kriechen, sonst w#228;re ich gesehen worden. Es trennte mich jetzt nur eine so kurze Strecke von den Zelten, da#223; ich die Figuren erkennen konnte, mit denen sie gezeichnet waren.

Jeder Indianer pflegt sein Zelt, wenigstens sein aus Leinen gefertigtes Sommerzelt, mit seinem Namenszeichen oder mit einem Bilde, welches sich auf irgend einen hervorragenden Vorgang aus seinem Leben bezieht, zu versehen. Um eines dieser Zelte wand sich eine gro#223;e, mit roter Farbe gemalte Schlange; auf einem andern war ein Pferd, auf dem dritten ein Wolf zu sehen. Zwischen ihnen gingen Indianer hin und her, oder sie sa#223;en rauchend an der Erde. Vor dem Schlangenzelte standen zwei Lanzen; es schien das Zelt des Anf#252;hrers zu sein.

Ich hatte genug gesehen, denn ich wu#223;te nun, wo sich die Yumas befanden und welche Gegend ich infolgedessen zu meiden hatte, und wollte eben umkehren, als drei Personen aus dem genannten Zelte traten, zwei M#228;nner und ein Frauenzimmer. Letzteres erkannte ich sogleich; es war Judith, die sch#246;ne J#252;din. Der eine der M#228;nner war Melton und der andre ein Indianer, jedenfalls der Besitzer des Zeltes. Sie sprachen noch einige Augenblicke miteinander, dann verschwand der Indianer in seinem Zelte, und Melton ging mit der J#252;din fort, dem Bergwerke zu. Sie hing sich dabei an seinen Arm, eine Vertraulichkeit, bei welcher dem Herkules, wenn er sie gesehen h#228;tte, das Blut in den Kopf gestiegen w#228;re.

Es war mir nicht unlieb, Melton sogleich bei meiner Ankunft zu sehen; aber dieser Umstand brachte mich in keine geringe Gefahr, denn die beiden kamen in einer so kurzen Entfernung von mir vor#252;ber, da#223; mir h#228;tte bang werden m#246;gen. Ich lag auf lockerem Sande und warf so rasch wie m#246;glich mit den H#228;nden einen kleinen Haufen vor mir auf, welcher zwar nicht so hoch war, da#223; er h#228;tte auffallen m#252;ssen, mir aber doch soviel Schutz gew#228;hrte, da#223; mich nur ein mi#223;trauisches Auge entdecken konnte.

Angst f#252;hlte ich ganz und gar nicht. Wenn Melton mich sah, nun, so war trotzdem noch nichts verloren; ich wu#223;te, was ich in diesem Falle zu tun hatte. Versicherte ich mich seiner Person, so war er eine Gei#223;el, mit welcher ich mir die Roten vom Halse halten konnte. Doch war es besser, da#223; dieser Fall nicht eintrat; er ging mit Judith vor#252;ber, ohne nur einmal dahin zu blicken, wo ich lag. Sie sprachen miteinander und lachten, waren also bei besserer Laune, als der Vater des M#228;dchens, welcher tief im Innern des vor mir liegenden Felsens steckte. Sie gingen nach der Nordseite desselben, um deren westliche Ecke ich sie verschwinden sah.

Nun konnte ich zur#252;ck; ich tat das so, wie ich gekommen war, erst auf dem Bauche kriechend, dann auf H#228;nden und F#252;#223;en gehend und endlich, als man mich nicht mehr sehen konnte, aufrecht. Die Sonne war mittlerweile verschwunden, und die in jenen Gegenden so kurze D#228;mmerung begann. Als ich bei den Pferden ankam, stiegen wir auf und hatten nur noch wenige Augenblicke zu warten. Es mu#223;te genau der Zeitpunkt ben#252;tzt werden, an welchem es dunkel genug war, da#223; man uns nicht sehen konnte, aber auch noch hell genug f#252;r uns, um den Eingang zur H#246;hle ohne gro#223;e M#252;he zu entdecken.

Als dieser Moment gekommen war, galoppierten wir die Senkung hinunter und dann, unten auf dem Boden des fr#252;heren Sees angekommen, nach dem Blocke hin#252;ber. Dort stiegen wir ab und erkletterten das Ger#246;ll, um dasselbe im Hintergrunde des Winkels von der Felswand zu entfernen.

Das ging rasch und bald bildete sich vor uns, zu unsern F#252;#223;en, ein Loch, welches desto gr#246;#223;er wurde, je mehr Steine wir entfernten. Als es so erweitert war, da#223; ich hineinsteigen konnte, holte ich mir eine der Wachsfackeln und kletterte in das Innere der H#246;hle hinab. Das ging sehr leicht, weil das Ger#246;ll nach innen nur langsam abfiel.

Als ich den Boden erreicht hatte, fand ich den hohlen Raum ganz der Beschreibung des Players entsprechend. Er hatte weit #252;ber doppelte Mannesh#246;he und konnte leicht gegen hundert Menschen fassen. Die kleine Nebenh#246;hle enthielt sehr kaltes, jedenfalls kalkhaltiges Wasser. Den Hintergrund wollte ich sp#228;ter untersuchen, wenn wir die Pferde untergebracht hatten. Diese mu#223;ten nat#252;rlich auch herein in die H#246;hle, da wir sie drau#223;en unm#246;glich stehen lassen konnten.

Wir sahen uns also gen#246;tigt, das Loch bis #252;ber Pferdeh#246;he zu erweitern, was keine angenehme Arbeit war, da wir nur die H#228;nde dazu hatten und das lockere Ger#246;ll immer wieder nachrutschte. Als wir endlich soweit waren, holten wir die Pferde. Das war nun noch schwieriger. Andere Tiere h#228;tten wir gewi#223; nicht in die H#246;hle gebracht, wenigstens nicht ohne einen L#228;rm, der uns verraten konnte; die beiden edlen Gesch#246;pfe aber stiegen gehorsam auf den Ger#246;llhaufen und wurden erst dann bedenklich, als es dann jenseits hinab in die H#246;hle gehen sollte. Das war ihnen doch nicht ganz geheuer. Ich bat und streichelte, doch vergeblich. Mein »Blitz« wollte gehorchen; er setzte den Vorderfu#223; einige Male vor, zog ihn aber schnell wieder zur#252;ck, weil das Gestein unter demselben wich. Endlich kam er doch vertrauensvoll herab-, allerdings mehr geglitten als gestiegen.

Dann begann dieselbe Prozedur mit dem »Iltschi« Winnetous, welcher noch schneller herabkam als der »Blitz«, indem er auf dem Schwanze Schlitten fuhr. Die guten Tiere durften zur Belohnung gleich Wasser trinken und bekamen ihre Portion Mais vorgelegt. Dann waren sie versorgt, und ich konnte den Hintergrund der H#246;hle untersuchen oder vielmehr besichtigen, da das Hinabblicken in einen Abgrund keine Untersuchung ist.

Ein Abgrund war es allerdings. Als ich einen Stein hinabwarf, dauerte es sehr lange und ich mu#223;te scharf horchen, bis ein kaum h#246;rbares Ger#228;usch mir sagte, da#223; er aufgetroffen war. Wer da hinabfiel, war verloren.

Der Player hatte nicht gewu#223;t, wie breit der Abgrund, die tiefe Felsenspalte war, da er nicht das n#246;tige Licht zur Hand gehabt hatte. Meine Fackel leuchtete hell und weit genug, um mir, als ich hart an der diesseitigen Kante stand, die jenseitige zu zeigen. Ihn hatte die Finsternis get#228;uscht, ich aber sah, da#223; der Spalt nicht breiter als zehn oder elf Ellen war. W#228;hrend ich da hin#252;berschaute, war der junge Mimbrenjo niedergekauert und machte sich mit dem Boden zu schaffen. Er untersuchte eine Stelle desselben erst mit dem Finger und begann dann, mit dem Messer zu graben.

»Will Old Shatterhand sehen, da#223; sich hier ein Loch befindet?« sagte er dabei, indem er die Erde, die es verstopfte, mit der Klinge herauswarf.

»Es wird durch Wasser, welches fr#252;her von der Decke tropfte, gebildet worden sein,« antwortete ich. »Dann w#228;re dieses Loch rund; es hat aber Ecken.« »So zeig her!«

Ich b#252;ckte mich nieder und half beim Graben. Wirklich! Es war ein mehr als fu#223;tief in den Boden gemei#223;eltes viereckiges Loch von einer M#228;nnerspanne Durchmesser.

»Suchen wir, ob es das einzige ist,« meinte ich, und bald hatten wir noch drei andere entdeckt. Als wir die Erde, mit welcher sie gef#252;llt waren, entfernt hatten, sah der Mimbrenjo mich fragend an. Darum forderte ich ihn auf:.

»Wenn mein junger Bruder etwas #252;ber die L#246;cher sagen will, so mag er sprechen.«

»Ich kann nichts sagen,« antwortete er. »Man macht ein Loch, um etwas hineinzustecken. Was kann in diesen L#246;chern gesteckt haben? Old Shatterhand wird es gewi#223; wissen.«

»Es ist nicht schwer zu erraten, aber die Sprache meines Bruders hat kein passendes Wort daf#252;r. Oder w#252;#223;test du, was ein Bolzen oder eine Klammer ist?«

»Nein.«

»Ein Eisen oder ein Holz, welches in den Boden oder in die Wand geschlagen wird, um irgend einem Gegenstande oder einer Last Festigkeit und Halt zu geben. Die Last, um welche es sich hier handelt, ist eine Br#252;cke #252;ber den Spalt. W#228;ren wir dr#252;ben, so w#252;rden wir, wie ich vermute, vier ganz gleiche L#246;cher sehen.«

»Wo aber ist die Br#252;cke?«

»Fort. Wahrscheinlich haben diejenigen, welche dieselbe zuletzt benutzten, sie in den Abgrund geworfen. Es hat verborgen bleiben sollen, da#223; man den Spalt mit einer Br#252;cke #252;berschreiten kann. Man hat die L#246;cher mit Absicht verstopft, damit Sp#228;terkommende sie nicht entdecken sollen. Die Augen meines jungen Bruders aber sind scharf gewesen.«

»Nicht die Augen, sondern ich f#252;hlte die Erde, weil sie weicher als der Felsen war, mit der Spitze meines Fu#223;es. W#228;re die Br#252;cke noch vorhanden, so k#246;nnten wir hin#252;ber und dann weiterforschen.«

»Wir brauchen die Br#252;cke nicht, denn wir werden in den Gang, welcher da dr#252;ben beginnt, auf andere Weise kommen. Er hat, wie ich vermute, ein Loch, in welches wir steigen werden.«

»Wann? - Heute abend?«

»Nein, sondern morgen. Das Loch ist zugemacht worden; ich w#252;rde es in der Dunkelheit nicht finden, und Licht d#252;rfen wir drau#223;en nicht anz#252;nden; aber wenn es Tag geworden ist, werden wir in den Gang eindringen, um ihn zu untersuchen, jetzt wollen wir essen, und dann werde ich fortgehen, um die Gegend kennen zu lernen.«

»Wird Old Shatterhand mir erlauben, ihn zu begleiten?«

»Nein. Ich w#252;rde dich gern mitnehmen, aber du mu#223;t um der Pferde willen bleiben.« »Sie befinden sich hier in Sicherheit. Kein Yuma kann sie finden.«

»Das ist richtig; aber sie kennen die H#246;hle nicht; sie f#252;rchten sich; sie verhalten sich ruhig, weil wir uns bei ihnen befinden. Lie#223;en wir sie allein und im Finstern, so k#246;nnten wir sie sp#228;ter unten im Abgrunde suchen.«

Der Knabe mu#223;te also bleiben, und ich ging, als wir unser frugales Abendessen verzehrt hatten, auf Entdeckungsreisen aus. Es hatte freilich nicht den Anschein, als ob gro#223;e Entdeckungen zu machen seien, denn es war finster drau#223;en; ich mu#223;te warten, bis der Schein der Sterne heller wurde. Doch blieb ich nicht bei der H#246;hle stehen, sondern ging weiter, an der Felswand hin, bis ich die n#246;rdliche Ecke derselben erreichte. Dort setzte ich mich nieder, um zu warten.

Meine Absicht war, den auf das Plateau f#252;hrenden Weg auszukundschaften, was bei der jetzigen

Dunkelheit nicht nur erfolglos sein mu#223;te, sondern mir #252;berdies gef#228;hrlich werden konnte. Es war zwar nicht wahrscheinlich, aber doch m#246;glich, da#223; jemand sich auf dem Wege befand und mich kommen h#246;rte; in diesem Falle war vorauszusehen, da#223; mein Spaziergang einen f#252;r mich nicht sehr angenehmen Verlauf nehmen werde.

Da, wo ich sa#223;, lagen mehrere Steine von verschiedener Gr#246;#223;e. Auch das war ein Grund f#252;r mich, nicht weiter zu gehen, denn wenn es auf meinem Wege mehr solche Felsst#252;cke gab, so mu#223;te das beabsichtigte Schleichen in der Dunkelheit zu einem immerw#228;hrenden Stolpern und St#252;rzen werden.

So wartete ich wohl eine Stunde lang. Es herrschte tiefe Stille rings umher. Die erst so bleichen Sterne bekamen Glanz; ich konnte weiter sehen als vorher und stand eben im Begriff, von meinem Sitze aufzustehen und weiterzugehen, als ich Schritte h#246;rte, welche n#228;her kamen. Ich nahm nat#252;rlich an, da#223; der Nahende vor#252;ber wolle, und duckte mich hinter einem der erw#228;hnten Felsst#252;cke nieder. Die Schritte kamen n#228;her, gerade auf mich zu; ich sah die Gestalt eines Indianers, welcher nicht weit von mir stehen blieb und sich umsah. Als er niemand erblickte, lie#223; er einen halblauten Ausruf der Entt#228;uschung h#246;ren, kam noch n#228;her und setzte sich auf einen Stein, welcher nicht weiter als drei Schritte vor mir lag.

Das war fatal, im h#246;chsten Grade fatal! Die Steine lagen so, da#223; ich nicht zur#252;ckkonnte, ohne geh#246;rt zu werden. Vorw#228;rts konnte ich auch nicht, denn da h#228;tte ich gerade an ihm vor#252;ber gemu#223;t. Es blieb mir also nichts anderes #252;brig, als geduldig zu warten, bis er wieder ging.

»Uff!« h#246;rte ich den Indianer nach langer Pause halblaut rufen. Er stand auf und trat einige Schritte vor. Es kam jemand - es war die J#252;din! Ich wurde Ohrenzeuge einer h#246;chst interessanten Unterhaltung. Im Verlaufe derselben nannte er sich »Schlange«. Er war also der Inhaber des Zeltes, welches ich gesehen hatte, und der Anf#252;hrer der hier liegenden dreihundert Yumas, ein Unterh#228;uptling des »gro#223;en Mundes«. Wie ich h#246;rte, war sein englischer und spanischer Wortschatz ein f#252;r einen Yuma nicht gew#246;hnlicher; die J#252;din wu#223;te nicht den zwanzigsten Teil davon und verstand kein Wort indianisch. Aus diesem Grunde konnten sie grammatikalisch einander das nicht sagen, was sie sagen wollten; aber sie verstanden einander doch, wenn es auch hier und da ein Mi#223;verst#228;ndnis gab, #252;ber welches man h#228;tte aufschreien m#246;gen. Wo Worte nicht ausreichten, wurde das Zeichen zu Hilfe genommen; kurz und gut, sie verstanden sich trotz aller sprachlichen Hindernisse, und ich verstand sie auch.

Er nahm sie, als sie kam, bei der Hand, f#252;hrte sie zu dem Steine, auf welchem er gesessen hatte, und sagte:

»Schon glaubte die "listige Schlange", da#223; die wei#223;e Blume nicht kommen werde. Warum lie#223; sie ihn warten?«

Er mu#223;te seine Frage mehrere Male wiederholen und ihr ein anderes Gewand geben, ehe sie dieselbe verstand und darauf antwortete:

»Melton hielt mich ab.«

Nun verstand er sie nicht; sie wiederholte ihre Worte und erkl#228;rte sie durch Zeichen. »Was tut er jetzt?« fragte die Schlange.

»Er schl#228;ft,« antwortete sie weniger durch das Wort, als durch die Pantomime.

»Meint er, da#223; die wei#223;e Blume auch schlafe?«

»Ja.«

»So ist er ein Tor, welcher betrogen wird, weil er selbst betr#252;gen will. Die wei#223;e Blume darf nicht glauben,

was er sagt; er bel#252;gt sie und wird nicht halten, was er ihr versprochen hat.«

Jedem Satze folgte, da keiner sogleich verstanden wurde, eine m#252;hevolle Pantomimenerkl#228;rung, wobei sie nach Worten suchten, welche gegenseitig bekannt waren. Mir machte dies Spa#223;; den Leser aber w#252;rde es langweilen, wenn ich die Unterhaltung so wiedergeben wollte, wie sie in Wirklichkeit gef#252;hrt wurde; sie soll darum auf dem Papiere so glatt verlaufen, als ob die beiden der notwendigen Redeteile vollst#228;ndig m#228;chtig gewesen w#228;ren.

»Wei#223;t du denn, was er mir versprochen hat?« fragte sie.

»Ich denke es mir. Hat er nicht gesagt, da#223; er dir gro#223;e Reicht#252;mer geben will?«

»Ja. Er meint, da#223; er durch dies Bergwerk bald eine Million verdient haben werde. Dann soll ich seine Frau werden, Diamanten, Perlen und allerlei kostbares Geschmeide haben, ein Schlo#223; in der Sonora und einen Palast in San Franzisco.«

»Du wirst keine Edelsteine, kein Gold, kein Schlo#223; und keinen Palast haben, denn er wird zwar viel Geld verdienen, es aber doch nicht besitzen.«

»Wieso nicht?«

»Das ist Geheimnis der Yumas. Aber selbst wenn es so k#228;me, wie er denkt, w#252;rde er dir nichts davon geben. Du bist die einzige Blume in dieser Einsamkeit; nur darum trachtet er nach dir. Wenn es sp#228;ter andre gibt, wird er dich wegwerfen.«

»Das sollte er wagen! Ich w#252;rde mich r#228;chen und alles verraten, was er hier begangen hat!«

»Das wirst du nicht k#246;nnen. Man kann, wenn eine Blume welk geworden ist und gef#228;hrlich werden will, sie hier leicht zertreten, anstatt sie blo#223; wegzuwerfen. Glaube mir, da#223; bei ihm keine deiner Hoffnungen sich erf#252;llen wird!«

»Das sagst du, weil du mich auch haben willst. Beweise es mir!«

»Die "listige Schlange" kann beweisen, was sie behauptet. Sag mir, warum du zugegeben hast, da#223; dein Vater mit in das Bergwerk gegangen ist?«

»Weil er nicht arbeiten, sondern Aufseher sein und sich viel Geld verdienen soll.«

»Er ist angebunden wie jeder andere, mu#223; arbeiten wie die andern und bekommt auch keine bessern Speisen als sie. Ich wei#223;, es ist ihm versprochen worden, da#223; er von Zeit zu Zeit herausgehen darf, um dich zu sehen und sich in der guten Luft zu erholen; aber das Versprechen wird man nicht halten.«

»Ich w#252;rde Melton zwingen, es zu halten!«

»Glaube das nicht! Ueber einen solchen Mann k#246;nnen die tausend sch#246;nsten Squaws der Erde keine Macht erlangen. Verlange, deinen Vater zu sehen! Er wird ihn nicht herauslassen.«

»So gehe ich fort und zeige ihn an!«

»Versuche das,« meinte der Rote mit einem kurzen Lachen. »Er wird dich auch einsperren. Dann wird in kurzer Zeit deine Sch#246;nheit zerst#246;rt und dein K#246;rper von dem Gifte des Quecksilbers zerfressen sein. Er ist ein Betr#252;ger; ich wiederhole es; mein Herz aber ist auf- aufrichtig gegen dich. Was er dir nur zum Scheine bietet, das biete ich dir in Wirklichkeit. Wenn ich nur will, so werde ich reicher, viel reicher als Melton sein.«

»Ein Indianer und reich!« lachte sie.

»Zweifelst du daran? Wir sind die eigentlichen Besitzer des Landes, welches uns die Wei#223;en genommen haben. Bei dem Leben, welches wir f#252;hren, bed#252;rfen wir des Goldes und Silbers nicht. Wir wissen, wo es in den Bergen in gro#223;er Menge zu finden ist, sagen das aber den Bleichgesichtern nicht, obgleich wir es nicht brauchen. Aber wollte die wei#223;e Blume in mein Zelt kommen und meine Squaw werden, so w#252;rde ich Gold und Silber haben, soviel sie haben will, und ihr alles geben, was Melton ihr versprochen hat und doch nicht geben wird.«

»Ist das wahr? Viel Geld, Geschmeide, ein Schlo#223;, einen Palast, sch#246;ne Kleider und viele Diener?«

»Alles, alles das w#252;rdest du haben! Ich liebe dich sehr, wie ich kein rotes M#228;dchen lieben k#246;nnte. Ich k#246;nnte dich auch gegen deinen Willen zu meiner Squaw machen, denn wir roten M#228;nner rauben die M#228;dchen, welche wir haben wollen und doch auf andere Weise nicht bekommen k#246;nnen. Aber du sollst freiwillig meine Squaw werden. Darum werde ich nicht Hand an dich legen, sondern warten, bis du sagst, da#223; du mir dein Herz geben willst. Kannst du das nicht jetzt sogleich sagen?«

Er stand auf, schlug seine Arme #252;ber der Brust zusammen und blickte forschend zu ihr nieder. Sie antwortete nicht. Ihr Leichtsinn war auf eine kleine Liebelei mit dem h#252;bschen jungen H#228;uptlinge nicht ungern eingegangen; an die Folgen hatte sie nicht gedacht. Nun verlangte er von ihr, da#223; sie seine Frau werden solle! War es wahr, da#223; Melton sie betr#252;gen wollte? War es wahr, da#223; der Indianer so reich sein konnte, wenn er wollte? Er stand wartend vor ihr und hielt den Blick scharf auf sie geheftet, als ob er die Gedanken sehen wolle, die sich jetzt in ihr bewegten. Als sie aber auch nach l#228;ngerer Zeit noch mit der Antwort z#246;gerte, unterbrach er das Schweigen:

»Ich wei#223;, was die wei#223;e Blume denkt. Sie liebt den Reichtum, das Vergn#252;gen, das Leben in den St#228;dten der Bleichgesichter. Der rote Mann besitzt nichts als sein Zelt, sein Pferd und seine Waffe. Er lebt im Walde und auf der Savanne und versteht nichts von den K#252;nsten und Gen#252;ssen der Bleichgesichter. Wie konnte die wei#223;e Blume jemals den Gedanken hegen, die Squaw eines Indianers zu sein! Nicht wahr, es ist so?«

»Ja,« antwortete sie.

»Es wird aber anders werden, sobald du nur willst. Sag ja, und ich gehe augenblicklich, um deine W#252;nsche zu erf#252;llen. Meine Hand soll die deinige nicht eher ber#252;hren, als bis ich dir soviel Gold gebracht habe, wie du brauchst, um alle deine W#252;nsche zu erf#252;llen!«

Das wirkte; denn sie rief aus:

»K#246;nntest du das wirklich? So viel Gold mir bringen?« »Ich kann es.«

»Und spielt Melton wirklich ein falsches Spiel mit mir?«

»Pr#252;fe ihn, indem du verlangst, deinen Vater zu sehen; aber sag ihm nichts davon, da#223; du mit mir gesprochen hast!«

»Gut, ich werde ihn auf die Probe stellen, und h#228;lt er mir nicht Wort, so werde ich ihn augenblicklich verlassen und zu dir kommen.«

»Das wird er nicht zugeben, sondern dich zwingen, bei ihm zu bleiben.«

»Was h#228;tte ich in diesem Fall zu tun?«

»Nichts weiter als zu warten, denn ich fordere dich von ihm. Er befindet sich in unsern H#228;nden. Wenn er es wagte, dich ohne Erlaubnis auch nur zu ber#252;hren, w#252;rde ich ihn t#246;ten. Komm, bis du dich entschlossen hast, an jedem Abend um dieselbe Zeit hierher. Wenn du nicht erscheinst, nehme ich an, da#223; dir etwas geschehen ist, und werde augenblicklich zu ihm gehen, um dich von ihm zu fordern.«

»Wirst du aber auch Wort halten?«

»Die "listige Schlange" ist klug gegen alle Menschen; dich aber wird sie nie betr#252;gen; du kannst dich auf mich verlassen. Howgh!«

Er wendete sich nach diesem indianischen Bekr#228;ftigungsworte zum Gehen, ohne ihr die Hand gegeben zu haben. Sie lie#223; ihn drei oder vier Schritte fort, da sprang sie auf, ihm nach, schlang die Arme um seinen Hals; ich h#246;rte das Ger#228;usch eines Kusses; dann kam sie schnell zur#252;ck und setzte sich wieder auf den Stein. War dies Berechnung, pl#246;tzliche Gef#252;hlswallung oder eine Art Pr#228;numerandodank f#252;r das Gold, welches er ihr versprochen hatte? Vielleicht ein weniges von allen dreien. Er blieb #252;berrascht stehen, kehrte dann langsam zu ihr zur#252;ck und sagte:

»Die wei#223;e Blume hat mir freiwillig gegeben, was ich mir jetzt noch nicht erbeten h#228;tte. Sie mag bedenken, da#223; sie sich von jetzt an von keinem andern liebkosen lassen darf. Sobald es Tag geworden ist, stelle sie Melton auf die Probe, um sich zu #252;berzeugen, da#223; er ihr nicht Wort halten wird. Morgen abend bin ich dann wieder hier, und wehe Melton, wenn er ihr ein Leid ge- gethan hat. Zum Dank aber f#252;r ihren Ku#223; will ich ihr etwas mitteilen, was sie sonst wohl nicht erfahren w#252;rde. Von den Bleichgesichtern, welche wir hierher f#252;hrten, ist eins entkommen; es war ein hoher, starker Mann, den die wei#223;e Blume kennen wird.«

»lch kenne ihn.«

»Ja, du kennst ihn, und zwar besser, als du die andern kanntest.« »Woher wei#223;t du das?«

»Das Auge, mit welchem er dich bewachte, hat es mir gesagt. Du hattest ihn lieb?« »Nein. Er ist mir nachgelaufen.«

»Dann wird es dich nicht betr#252;ben, wenn ich dir sage, da#223; er tot ist.« »Tot? Woher wei#223;t du das?«

»Die beiden Wellers haben ihn verfolgt und erschlagen. Die Geier werden seinen Leib nun schon gefressen haben. «

Sie sa#223; eine Weile stumm; dann rief sie aus:

»Es ist so ganz recht gekommen. Er war mir widerw#228;rtig, und nun bin ich ihn los!« »Ja, er wird nicht zur#252;ckkehren; ich aber bin morgen wieder hier. Howgh!«

Er entfernte sich. Sie blieb sitzen, nachdenklich und ohne sich zu bewegen. Dann schnippste sie mit den Fingerspitzen, wie man es macht, wenn man eine Grille, einen unangenehmen Gedanken verjagt, und begann, leise vor sich hin zu tr#228;llern. Es war die Melodie eines alten Gassenhauers. Als sie aufstand und fortging, h#228;tte ich ihr nur zu folgen brauchen, um den Aufstieg nach dem Plateau schnell kennen zu lernen; es fiel mir aber nicht ein, dies zu tun, denn ich kannte das Indianerleben zu genau, um nicht zu wissen, da#223; die »listige Schlange« sich nicht ganz entfernt hatte. Er folgte ihr jedenfalls von fern, um sie heimlich zu begleiten, bis sie oben angekommen war. Er konnte sogar Veranlassung finden, oben zu bleiben, weshalb mir die Vorsicht gebot, heute lieber auf die Rekognoszierung zu verzichten, als mich und mein Unternehmen in Gefahr zu bringen. Ich kehrte also nach der H#246;hle zur#252;ck, auch so ganz zufrieden mit dem Ergebnisse meines kurzen, n#228;chtlichen Schleichganges.

Wenn ich alles, was ich erfahren hatte, summierte und #252;berlegte, welche Vorteile ich daraus ziehen konnte, so brachte ich jetzt einen viel gr#246;#223;eren Nutzen mit, als ich bei dem Ausgange beabsichtigt hatte. Die Kenntnis des Weges konnte ich mir sp#228;ter auch holen; heute brauchte ich sie noch nicht; aber was ich geh#246;rt hatte, mu#223;te, falls ich es richtig verwertete, mir ungeahnten Nutzen bringen. Wir konnten dadurch zum Ziele gelangen, ohne auf noch mehr Mimbrenjos warten zu m#252;ssen, um die Yumas zu besiegen. ja, wenn ich l#228;nger dar#252;ber nachdachte, so erschien mir etwas als sehr m#246;glich, was ich vorher f#252;r eine absolute Unm#246;glichkeit gehalten h#228;tte, n#228;mlich, da#223; es mir gelingen werde, allein und ohne die Hilfe Winnetous und unserer Begleitung unsern Zweck zu erreichen, und zwar ohne jeden Kampf, auf friedlichem Wege.

Was war diese Judith f#252;r ein Gesch#246;pf! Wie gelassen hatte sie die Nachricht von dem Tode ihres fr#252;heren Br#228;utigams aufgenommen! Mit einem Fingerschnippsen hatte sie die Kunde beantwortet, da#223; er von den Geiern aufgefressen worden sei! Armer Herkules! Freilich wurde ich mit diesem Leichtsinne einigerma#223;en dadurch vers#246;hnt, da#223; ich mich in Bezug auf ihren Vater in ihr geirrt hatte. Er war nicht so ganz gef#252;hllos von ihr verlassen worden, sondern sie glaubte ihn in einer ertr#228;glichen Lage. Das Benehmen der »listigen Schlange« hatte mir eine ge- gewisse Achtung abgewonnen; er war ein Charakter und jedenfalls ein besserer Mensch, als sein Name vermuten lie#223;. Man konnte mit Zuversicht wagen, mit ihm in Unterhandlung zu treten. Er liebte die J#252;din, die f#252;r mich jetzt eine wichtige Person, ein wertvolles Tauschobjekt geworden war. Ich gestehe n#228;mlich aufrichtig, da#223; ich entschlossen war, etwas ganz Verdammenswertes zu treiben - ein wenig Menschenhandel! Ich wollte Judith festnehmen, um durch sie Macht #252;ber die »falsche Schlange« und seine Yumas zu bekommen. Ich h#228;tte mich ihrer gleich vorhin, nach seiner Entfernung, bem#228;chtigt, wenn ich nicht #252;berzeugt gewesen w#228;re, da#223; er sich noch in der N#228;he befand, und wenn ich auch #252;ber andere Dinge gen#252;gsam unterrichtet gewesen w#228;re.

Als ich in der H#246;hle ankam, wagte der Mimbrenjo nicht, mich zu fragen, und ich hielt es nicht f#252;r n#246;tig, ihn #252;ber meine Erfolge zu unterrichten. Ich sagte ihm nur, da#223; wir jetzt schlafen w#252;rden, um schon bei Tagesgrauen aufzustehen; dann legte ich mich auf meine Decke und schlief nach dem anstrengenden und hei#223;en Tage bis zur angegebenen Zeit, ohne ein einziges Mal aufzuwachen. Der Mimbrenjo war wohl noch erm#252;deter gewesen, als ich, hatte es sich aber nicht anmerken lassen, denn ich mu#223;te ihn wecken und brachte ihn nicht gleich aus dem Schlafe.

Es handelte sich jetzt darum, den Gang zu untersuchen. Nachdem wir die Pferde versorgt hatten, machten wir uns ans Werk. Drau#223;en auf dem Ger#246;ll angelangt, war es zun#228;chst unsere Sorge, dasselbe wieder vor dem Eingange so aufzuh#228;ufen, da#223; derselbe verdeckt war. Der Zufall konnte doch einen Yuma herf#252;hren.

Dann stiegen wir hinab, um an der andern Seite des Felsblockes wieder emporzuklettern. Wir konnten

von hier aus das Indianerlager sehen. Es zeigte sich noch keine Spur von Leben in demselben. Dennoch waren wir so vorsichtig, uns kriechend zu bewegen. Wir fanden die Windungen, von denen der Herkules gesprochen hatte, und hielten bei der von ihm bezeichneten an. Er war der Meinung gewesen, da#223; ich die Stelle sofort erkennen w#252;rde, und hatte recht gehabt. Er war in solchen Dingen unge#252;bt und hatte das Loch so zugedeckt, da#223; ein erfahrenes Auge sich gar nicht t#228;uschen konnte. Der Ort war von dem Indianerlager aus nicht zu sehen; darum durften wir uns frei bewegen.

Wir r#228;umten das Gestein vorsichtig weg; dadurch entstand eine Oeffnung, in welche selbst ein starker Mann steigen konnte, so weit war sie. Wir sahen die Steine liegen, aus denen der Herkules Stufen gebildet hatte, und stiegen hinab. Sie waren behauen, was mich vermuten lie#223;, da#223; der Gang oder Stollen seinen Ursprung nicht Indianern zu verdanken hatte. Er lief nicht waagrecht, sondern geneigt in das Innere des Berges.

Zun#228;chst untersuchten wir ihn nach rechts, also aufw#228;rts. Das dazu n#246;tige Licht hatten wir uns nat#252;rlich mitgebracht. Schon nach wenigen Schritten kamen wir an den Abgrund, jenseits dessen unsere H#246;hle lag. Die Pferde erkannten unsere Stimmen und kamen dr#252;ben herbei. Sie hatten die Nacht in der H#246;hle zugebracht und f#252;rchteten sich nicht mehr, doch wollte ich sie nicht so nahe an dem Abgrunde haben und trieb sie durch Zurufe zur#252;ck. Als ich dann meinem Hatatitla befahl: »Iteschkosch - lege dich!« gehorchte er, und Winnetous Pferd legte sich sogleich auch nieder. Ich war sicher, da#223; sie vor unserer R#252;ckkehr nicht aufstehen w#252;rden.

Wir fanden an dem Rande des Spaltes vier mit den gestern gefundenen #252;bereinstimmende L#246;cher; es war fr#252;her also wirklich ein k#252;nstlicher Uebergang vorhanden gewesen. Dann wendeten wir uns zur#252;ck, um dem Gange abw#228;rts, nach innen, zu folgen.

Er war ein wenig #252;ber mannshoch, so da#223; ich mich nicht zu b#252;cken brauchte, und ungef#228;hr drei Fu#223; breit. Die W#228;nde zeigten Spuren des Spitzeisens oder der Spitzhacke und zuweilen auch Teile der Rundungen von Bohrl#246;chern. Man hatte die festeren Teile des Gesteins mit Pulver gesprengt; der Gang war also gewi#223; von Wei#223;en angelegt worden. Er f#252;hrte meist durch Fels. Wo er auf Spalten oder Kl#252;ftungen gesto#223;en war, hatte man behauene Steine angewendet.

Wir schritten tiefer hinein, ohne da#223; uns ein Hindernis entgegengesto#223;en w#228;re. Die Luft war wider alles Erwarten ganz ertr#228;glich. Dieser Umstand machte mich auf unsere brennende Fackel aufmerksam; die Flamme brannte nicht grad aufw#228;rts, sondern wehte, wenn auch nur ganz leise und kaum bemerklich, in den Gang hinein, Es war also eine Zirkulation der Luft vorhanden. Die frische Luft kam hinter uns her und folgte dem Gange. Da sie sich bewegte, mu#223;te sie irgend einen Abflu#223; haben. Sollte dieser Stollen mit dem Schachte in Verbindung stehen? Das war leicht m#246;glich, da sein Lauf ostw#228;rts gerichtet war, nach der Mitte des Felsens, wo sich, wie ich wu#223;te, der Schacht befand.

Wir waren schon #252;ber dreihundert Schritte gegangen, als der Mimbrenio auf einen eingemauerten Stein zeigte.

»Eine Schrift!« sagte er. »Aber es ist keine Indianerschrift.«

Als ich die Stelle mit der Fackel beleuchtete, konnte ich ganz deutlich lesen: Alonso Vargas of. en min. y comp. A. D. MDCXI Ich erg#228;nzte mir die Abk#252;rzungen zu »Alonso Vargas, oficial en minas y companeros, Anno

Domini MDCXI« oder zu deutsch: »Alonso Vargas, Bergsteiger, und Genossen, im Jahre des Herrn Eintausendsechshundertundelf.« Es waren also bis heut mehr als zweihundertf#252;nfzig Jahre vergangen, seit dieser spanische Bergmann den Stollen angelegt hatte. Ich notierte mir die Inschrift, denn es war mir neu, da#223; die Spanier damals soweit in die entlegenen Gegenden von Mexiko, welches sie Neuspanien nannten, vorgedrungen waren.

Dann ging es weiter, immer weiter, bis der Gang zu Ende war. Er wurde, so breit und hoch er war, durch eine aus Hausteinen errichtete Mauer verschlossen. Dennoch wehte die Flamme der Fackel nach vorw#228;rts, nach dieser Mauer hin, obgleich keine Oeffnung zu sehen war. Als ich die Wand daraufhin untersuchte, fand ich, da#223; sie eine Art Sieb bildete. Der M#246;rtel, welcher die Steine verband, war da, wo die Ecken derselben zusammentrafen, weggelassen worden, wodurch L#246;cher entstanden oder vielmehr geblieben waren, welche man nur dann bemerkte, wenn man, durch den Luftzug auf sie aufmerksam gemacht, nach ihnen suchte. Dabei bemerkte ich auf einem der Steine die mit einem spitzen Werkzeuge fl#252;chtig eingegrabene Inschrift E. L. 1821. Das E. L. waren jedenfalls die Anfangsbuchstaben eines Namens; die Zahl sagte, da#223; der Gang im Jahre 1821 durch die Mauer verschlossen worden war, aus welchen Gr#252;nden, das konnte mir gleichg#252;ltig sein. Jedenfalls hatte man da auch die #252;ber den Abgrund f#252;hrende Br#252;cke weggenommen und den Eingang der H#246;hle, welcher zugleich auch Eingang des Stollens war, mit dem Ger#246;ll versch#252;ttet. Die L#246;cher waren in der Mauer gelassen worden, damit die Luft fortzirkulieren k#246;nne und, falls das Bergwerk sp#228;ter wieder in Bau genommen werden solle, beim Eindringen der Arbeiter das Leben derselben nicht durch t#246;dliche Gase gef#228;hrdet sei.

Was nun tun? Wir lauschten. Hinter der Mauer machte sich kein Leben bemerkbar. Ich wagte zu klopfen, und erhielt keine Antwort. Dennoch pochte mein Herz vor Freude, denn ich war #252;berzeugt, da#223; jenseits dieser Mauer meine Landsleute zu finden seien. Wenn ich mich in dieser Voraussetzung nicht t#228;uschte, konnte ich sie wahrscheinlich ohne alle Gefahr f#252;r mich und sie befreien. Es galt also, durch die Mauer zu kommen. Wir mu#223;ten Steine aus derselben brechen. Aber womit? Wir hatten keine andern Werkzeuge als unsere Messer. Die L#246;cher bildeten gute Ansatzpunkte f#252;r dieselben; aber der M#246;rtel war eisenhart, und nach einem kurzen Probieren kamen wir zu der Ueberzeugung, da#223; wir wahrscheinlich den ganzen Tag zu arbeiten h#228;tten, um nur einen Stein aus den Fugen zu l#246;sen. Dennoch machten wir uns an die Arbeit; wir hatten ja nichts weiter zu tun, da wir am hellen Tage drau#223;en nichts vornehmen konnten.

Wir arbeiteten, bis die beiden Fackeln, welche wir mitgenommen hatten, verbrannt waren, und dann noch einige Zeit im Finstern. Als wir von der Anstrengung so erm#252;det waren, da#223; wir der Ruhe bedurften, kehrten wir nach der H#246;hle zur#252;ck, in welcher die Pferde noch genau so lagen, wie sie sich auf meinen Befehl hingelegt hatten. Sie durften aufstehen und bekamen eine kleine Portion zu fressen. Wir a#223;en auch und kehrten dann in den Stollen zur#252;ck, nachdem wir uns mit einigen Fackeln und mehreren Lichtern versehen hatten. Auch die Gewehre nahmen wir mit, weil wir sie als Hebel oder Brechstangen zu brauchen meinten.

Den M#246;rtel zwischen zwei Steinen herauszukratzen, scheint gar nicht schwer und anstrengend zu sein; wir mu#223;ten aber doch oft innehalten, um einige Minuten auszuruhen. Endlich - meine Uhr zeigte sieben Uhr nachmittags - hatten wir den ersten Stein los. Ich blickte durch das dadurch entstandene Loch. Jenseits der Mauer herrschte tiefes Dunkel und ebenso tiefe Stille. Der zweite Stein machte uns weniger M#252;he; er folgte dem ersten schon nach zwei Stunden; nach wieder einer Stunde hatten wir den dritten los. Es war zehn Uhr. Um Mitternacht waren sieben Steine ausgewuchtet, und um ein Uhr konnten wir durch die Oeffnung kriechen, was nat#252;rlich mit der gr#246;#223;ten Vorsicht und ohne Licht geschah. Wir hatten unsere Fackeln sogar ausgel#246;scht, da der Schein durch die Oeffnung hin#252;berfiel.

Als sich nun nichts Verd#228;chtiges regte, wagten wir es, eine Kerze anzubrennen und mit hin#252;berzunehmen. Da sahen wir denn zun#228;chst, da#223; die Mauer auf dieser Seite, die kleinen L#246;chelchen abgerechnet, mit einem so gef#228;rbten M#246;rtel #252;berzogen worden war, da#223; man sie von dem angrenzenden Felsen nicht unterscheiden konnte.

Wir befanden uns in einem breiten und ziemlich hohen Gange, welcher von nat#252;rlichen S#228;ulen, stehengelassenen Steinbl#246;cken, getragen wurde. Er war abgebaut und gab also keinen Ertrag mehr. Daher die Stille, welche hier herrschte. Der Luftzug wollte uns nach rechts f#252;hren, dennoch wendeten wir uns erst nach links, um zu wissen, was wir hinter uns hatten. Wir kamen nicht weit, denn schon nach wenigen Schritten war der Gang zusammengest#252;rzt. Die Schuttmassen geboten uns Halt; darum kehrten wir zur#252;ck, um dem Gange nach rechts zu folgen.

Da sahen wird denn bald eine Menge Werkzeuge l#228;ngs der W#228;nde liegen. Wir kamen, wie es schien, in eine begangene Gegend. Der Luftzug wurde auch wahrnehmbarer. Dann kamen wir an eine Erweiterung des Ganges, eine viereckige Kammer, in deren Mitte wir einen starken Holzkasten erblickten, welcher aus dem Boden und drei W#228;nden bestand. An seinen vier Ecken waren starke, aus Riemen zusammengedrehte Seile befestigt, welche mit den andern Enden an einer Kette hingen, die nach oben f#252;hrte. Dort hinauf gab es eine Oeffnung, welche einen etwas gr#246;#223;eren Durchmesser als der Kasten hatte. Die Oeffnung war jedenfalls der Schacht, denn die Luft stieg hier nach oben. Der Kasten bildete den F#246;rderstuhl, welcher an der wandlosen Seite beladen wurde. Es lagen da herum noch verschiedene Gegenst#228;nde, denen ich jetzt keine Beachtung schenkte, weil meine Aufmerksamkeit von zwei T#252;ren gefesselt wurde, welche aus schwerem, sehr roh bearbeitetem Holze bestanden und durch starke Riegel verschlossen waren. Die eine lag dem Gange gegen#252;ber, aus welchem wir kamen, die andere uns zur rechten Hand. Wahrscheinlich f#252;hrten sie nach dem jetzt in Abbau begriffenen Teile des Bergwerkes, da es sonst keinen Gang oder Stollen gab.

Wir wendeten uns zun#228;chst nach der rechts von uns liegenden T#252;r und schoben die beiden Riegel zur#252;ck. Der Mimbrenjo hielt die Fackel. In dem Augenblicke, in welchem die T#252;r offen war, st#252;rzte aus derselben eine weibliche Gestalt auf mich zu, krallte mir die zehn Fingern#228;gel in den Hals und kreischte in deutscher Sprache:

»Elender B#246;sewicht! Bist du schon wieder da! La#223; mich hinauf, oder ich erw#252;rge dich!«

Die Begr#252;#223;ung war keine sehr freundliche; ich nahm sie aber nicht Uebel, da sie jedenfalls an eine andere Adresse gerichtet war, schob die Arme des w#252;tenden Wesens, in welchem ich zu meiner Ueberraschung die J#252;din erkannte, von mir ab, hielt sie fest, um den N#228;geln nicht Gelegenheit zu geben, meinen Hals abermals einer so eindringlichen Lokalinspektion zu unterwerfen, und antwortete:

»Bitte, Fr#228;ulein, wollen Sie bemerken, da#223; Sie sich in der Person irren! Ich komme nicht in der Absicht, von zarter Hand zu sterben.«

Der Mimbrenjo leuchtete mir ins Gesicht. Sie erkannte mich und rief aus: »Sie sind es, Sie? Gott sei Dank! Sie werden mich nicht hier stecken lassen!« »Nein. Ich werde Sie in die Freiheit f#252;hren. Wer hat Sie denn hier eingesperrt?« »Melton, dieses Scheusal, dieser Teufel in Menschengestalt.«

»Wie hat er Sie denn hier heruntergebracht? Es kann doch nicht leicht sein, jemand, der sich wehrt, in die Tiefe zu schaffen.«

»Durch List. Ich bin ihm freiwillig gefolgt. Wir fuhren im F#246;rderkasten herab.«

»So hat er Ihnen etwas weisgemacht, Ihnen vielleicht gesagt, da#223; er Ihnen Ihren Vater zeigen will?«

»Ja, das hat er gesagt; ich sollte meinen Vater heraufholen. Sie wissen, da#223; er hier eingesperrt ist?«

»Das wei#223; ich. Ich wei#223; #252;berhaupt mehr, als Sie denken. So wei#223; ich zum Beispiele, da#223; die listige Schlange, der junge H#228;uptling der Yumas, gestern mit einer Dame redete, die ihn so in Entz#252;cken versetzt hat, da#223; er ihr Edelsteine, Gold, ein Schlo#223;, einen Palast, sch#246;ne Kleider und viele Diener zur Verf#252;gung stellen wird.«

Sie err#246;tete nicht, wie es sicher bei einem andern M#228;dchen der Fall gewesen w#228;re. Sie antwortete vielmehr ganz unbefangen:

»Haben Sie mit ihm gesprochen?«

»Nein.«

»War er bei Melton?«

»Das wei#223; ich nicht. Es steht aber zu erwarten, da#223; er noch zu ihm gehen wird, wenn er noch nicht bei ihm gewesen ist.«

»Ich warte auf ihn und dachte, als ich Sie erkannte, er h#228;tte Sie geschickt, um mich herauszuholen. Erst hielt ich Sie f#252;r Melton, diesen Schurken.«

»Und doch haben Sie zu ihm gehalten!«

»Weil er mir gro#223;e Versprechungen machte.«

»Ja, Gold und Geschmeide, ein Schlo#223; und einen Palast. Haben Sie denn das wirklich glauben k#246;nnen? Der Umstand, da#223; er Ihre Landsleute hierher lockte, um sie einzusperren und f#252;r sich arbeiten zu lassen, mu#223;te Ihnen doch unbedingt sagen, da#223; bei ihm von Ehrlichkeit keine Rede sein kann. Wie haben Sie sich die Zukunft der armen Menschen denn eigentlich gedacht?«

»Gar nicht schlimm. Sie sollten hier unten solange arbeiten, bis sie eine gewisse Anzahl von Zentnern Quecksilber zu Tage gef#246;rdert hatten; das h#228;tte gar nicht lange gedauert; er w#228;re dadurch ein steinreicher Mann geworden, h#228;tte sie dann freigelassen und jedem soviel Geld gegeben, da#223; auch sie nun ohne Arbeit h#228;tten leben k#246;nnen.«

»Das haben Sie ihm geglaubt?«

»Ja.«

»Hm, dazu geh#246;rt sehr viel. Ich will Ihnen sagen, wie es gekommen w#228;re. Durch die hier unten herrschende Luft, die schlechte Nahrung und die eingeatmeten Quecksilberd#228;mpfe w#228;re der K#246;rper jedes Arbeiters in kurzer Zeit zerst#246;rt worden, und nach zwei oder drei Jahren h#228;tte keiner mehr gelebt. Das w#228;re der entsetzlichste Massenmord gewesen, der sich denken l#228;#223;t, und Sie w#228;ren dabei seine Mitschuldige geworden.«

»Zwei oder drei Jahre? Solange sollte es nicht dauern; es ist nur von einigen Monaten die Rede gewesen.«

»In so kurzer Zeit wird man nicht so reich, da#223; man so vielen Menschen soviel geben kann, da#223; sie ohne Arbeit leben k#246;nnen. War es denn Ihr Ernst, seine Frau zu werden?«

»Warum nicht?«

»Und nun wollen Sie die listige Schlange heiraten?« »Ja, Melton zur Strafe!«

»Und Ihr einstiger Verlobter, der Ihnen so treu ergeben ist!« »Was geht er mich noch an? Uebrigens ist er jetzt tot.«

»Ja, von den Geiern aufgefressen! Sie scheinen fast ebensowenig Gewissen zu haben wie Melton, und fast h#228;tte ich Lust, Sie wieder einzusperren und Ihrem Schicksale zu #252;berlassen.«

Ich hatte ihre Arme l#228;ngst losgelassen, so da#223; sie sich frei bewegen konnte. Sie stand noch zwischen mir und der T#252;r, dr#228;ngte sich jetzt aber rasch an mir vor#252;ber und rief aus:

»Das werden Sie nicht tun! Kein Mensch bringt mich wieder in dieses Loch!« »Nun, es f#228;llt mir auch nicht ein, meine Worte wahr zu machen. Sie werden frei sein.«

»Das w#252;rde ich auch, wenn Sie mich wieder einsperrten, denn der H#228;uptling k#228;me ganz gewi#223;, um mich wieder herauszulassen.«

»Wenn er kann!«

»Meinen Sie, da#223; er verhindert werden k#246;nnte?« »Ja, von Melton.«

»Der kann ihm nichts tun; er hat ihn in der Hand.«

»Das hat der H#228;uptling Ihnen gestern allerdings gesagt, aber es ist sehr m#246;glich, da#223; Melton ihn viel eher in seine H#228;nde nimmt. Und wenn dies geschieht, so tragen Sie die Schuld.«

»Wieso?«

»Das kann ich erst dann sagen, wenn ich wei#223;, was Sie mit Melton gesprochen haben. Die listige Schlange riet Ihnen, ihn auf die Probe zu stellen. Wie haben Sie das angefangen?«

»Sagen Sie mir erst, woher Sie alles so genau wissen! Sie behaupten, nicht mit dem H#228;uptling gesprochen zu haben, und k#246;nnen das, was Sie wissen, doch nur von ihm erfahren haben.«

»Ich lag hinter dem Steine, auf dem Sie mit ihm sa#223;en, und belauschte Sie.«

»Das haben Sie gewagt, das? Wenn der H#228;uptling Sie bemerkt h#228;tte, w#228;ren Sie von ihm erschossen oder erstochen worden.«

»Das geschieht nicht so schnell und leicht, wie Sie anzunehmen scheinen. H#228;tte er mich bemerkt, so w#228;re dies jedenfalls f#252;r ihn gef#228;hrlicher gewesen, als f#252;r mich. Nun sagen Sie mir, wie Sie es angefangen haben, Meltons Ehrlichkeit auf die Probe zu stellen.«

»So, wie der H#228;uptling mir geraten hat. Da Sie uns belauscht haben, m#252;ssen Sie es doch wissen.» »Sie haben also Ihren Vater zu sehen verlangt?«

»Ja. Er antwortete, da#223; ich noch warten Solle, weil mein Vater notwendig hier unten gebraucht werde; ich lie#223; mich aber nicht damit von ihm abspeisen, sondern bestand auf meinem Verlangen und drohte schlie#223;lich, da#223; ich ihn verlassen w#252;rde.«

»Was antwortete er?«

»Er lachte und sagte, da#223; ich ohne den Vater doch gar nicht fortk#228;me. Dann drohte ich ihm mit dem H#228;uptlinge.«

»Ah, habe es mir doch gedacht! Damit haben Sie doch verraten, da#223; Sie mit dem Indianer im Einvernehmen stehen.«

»Was schadet das? Er mu#223;te wissen, da#223; ich auch ohne den Vater nicht so sehr, wie er dachte, ohne allen Schutz und alle Hilfe dastehe.« »Sie werden aber doch gleich einsehen, da#223; Sie damit keineswegs sehr pfiffig gehandelt haben. Ich vermute, da#223; Sie nicht nur den Namen des Roten als denjenigen Ihres Besch#252;tzers genannt, sondern noch mehr ausgeplaudert haben.«

»Warum sollte ich nicht antworten, wenn er mich danach fragte!«

»Aus Klugheit. Haben Sie ihm etwa gesagt, da#223; die rote Schlange Ihnen einen Antrag gemacht und Ihnen ganz dasselbe Gl#252;ck und Wohlleben versprochen hatte, wie vorher Melton?«

»Ja.«

»Und da#223; er Melton packen will, falls dieser Ihnen irgend eine Gewalt antun w#252;rde?« »Gerade das mu#223;te ich besonders erw#228;hnen.«

»Dann danken Sie Gott, da#223; ich gekommen bin! Denn die listige Schlange h#228;tte Sie nicht aus diesem Schacht geholt.«

»O, er w#228;re ganz gewi#223; gekommen.«

»Er kann es nicht. Nachdem Sie so unvorsichtig gewesen sind, Melton alles mitzuteilen, wei#223; dieser, woran er mit dem Roten ist. Er kennt in demselben nun nicht nur einen Nebenbuhler, sondern wei#223; auch, da#223; er ihm mi#223;traut und jede an Ihnen etwa begangene Strenge r#228;chen will.«

»Das schadet nichts, denn ich wei#223;, da#223; er sich in der Gewalt der Yumas befindet und sich vor Ihrem H#228;uptlinge f#252;rchten mu#223;.«

»Und ich wei#223;, da#223; es ihm ganz im Gegenteile gar nicht einf#228;llt, sich zu f#252;rchten. Sie selbst sind der Beweis daf#252;r. Er hat Sie trotz allem, was Sie gesagt und womit Sie gedroht haben, eingesperrt. Das beweist doch, da#223; er sich vor dem Indianer nicht f#252;rchtet.«

»Er wird sehr bald einsehen, da#223; er sich irrt, denn ich habe ihm gesagt, da#223; die listige Schlange mich heute erwartet und nach mir forschen wird, wenn ich nicht komme.«

»Ah, das meinen Sie, klug angefangen zu haben und doch ist's das T#246;richtste, was Sie tun konnten, denn Melton ist nun vorbereitet und wird sich auf den Empfang Ihres roten Besch#252;tzers eingerichtet haben. Es steht zu erwarten, da#223; dieser nun selbst des Schutzes wenigstens ebenso bedarf wie Sie.«

»Denken Sie etwa, da#223; er sich an ihm vergriffen hat? Das br#228;chte ihm doch den ganzen Stamm der Yumas auf den Hals, die sich an ihm r#228;chen w#252;rden!«

»Glauben Sie doch das nicht! Melton, den Sie selbst einen Teufel in Menschengestalt nennen, ist nicht so dumm, das, was er tut und vielleicht schon getan hat, sie wissen zu lassen. Er kann den H#228;uptling unsch#228;dlich machen und beiseite schaffen, ohne da#223; sie es jemals erfahren. Sie haben, davon k#246;nnen Sie #252;berzeugt sein, Ihren roten Anbeter durch Ihre Schwatzhaftigkeit in die gr#246;#223;te Gefahr gebracht.«

»Wenn das wirklich der Fall sein sollte, so hoffe ich, da#223; Sie ihn aus derselben erretten werden! Unter den obwaltenden Umst#228;nden steht sehr zu erwarten, da#223; Melton gleich zu dem schlimmsten Mittel greift.«

»Wissen Sie #252;brigens, wo sich Ihre Landsleute befinden? Sie m#252;ssen doch mit Melton dar#252;ber gesprochen haben.«

»Wir haben oft von ihnen geredet, aber nicht so ausf#252;hrlich.«

»Die Leute m#252;ssen doch essen und trinken. Wer versorgt sie mit Speise und Trank?« »Melton sagte, da#223; Wasser unten sei; gef#252;ttert werden sie einstweilen von zwei Indianern.« »Was bekommen sie zu essen?«

»Nichts als Maiskuchen, die ich mit den Indianerinnen gebacken habe.«

»Da die Arbeiter nicht freiwillig hier sind, mu#223; man sie gefangen halten und die notwendigen Ma#223;regeln getroffen haben, da#223; sie nicht entfliehen und sich an denen, die sie zu versorgen haben, vergreifen k#246;nnen. Was f#252;r Vorkehrungen hat man da getroffen?«

»Sie haben Hand- und Fu#223;schellen.«

»Wie hat Melton hier in dieser Wildnis zu solchen Marterwerkzeugen kommen k#246;nnen?«

»Er hat sie mitgebracht. Die Indianer, welche uns transportierten, hatten alle notwendigen Gegenst#228;nde auf ihre Packpferde geladen.«

»K#246;nnen die Bedauernswerten denn in ihren Fesseln arbeiten?«

»Wahrscheinlich; aber jetzt arbeiten sie noch nicht. Die Arbeit wird erst beginnen, wenn noch einige Wei#223;e angekommen sind, auf welche Melton wartet. Diese sind teils Aufseher und teils Sachverst#228;ndige.«

»Hat man sie einzeln eingesteckt, oder befinden sie sich beisammen?«

»Soviel ich wei#223;, stecken sie beisammen.«

»Sie werden jetzt von zwei Indianern versorgt.

Diesen k#246;nnen sie doch trotz der Hand- und Fu#223;schellen gef#228;hrlich werden!«

»Nein, denn es ist stets eine starke T#252;r dazwischen. Hoffentlich werden Sie dieselbe #246;ffnen k#246;nnen?« »Auf alle F#228;lle.«

»Dann lassen Sie die Gefangenen heraus?« »Nat#252;rlich.«

»Und was geschieht mit Melton? Wollen Sie den vielleicht laufen lassen?« »Den lasse ich nicht laufen, sondern h#228;ngen!«

»Ich will Ihnen sagen, wie Sie das anzufangen haben. Drau#223;en im Freien d#252;rfen Sie ihn nicht angreifen, denn er w#252;rde Sie niederschie#223;en.«

»Das bef#252;rchte ich nicht.«

»O doch, denn er ist stets mit zwei Revolvern bewaffnet. Die legt er aber ab, sobald er sich daheim befindet. Sie m#252;ssen ihn also in seiner Wohnung aufsuchen.«

»Das beabsichtige ich allerdings, obgleich ich mich vor seinen Revolvern nicht f#252;rchte.« »Kennen Sie denn seine Wohnung?«

»Nein. Ich wei#223; nur, da#223; man in den Schacht steigen mu#223;, um zu ihr zu gelangen; ich denke aber, da#223; Sie mir eine Beschreibung von ihr geben werden.«

»Das kann ich, denn ich kenne sie genau. Sie ist von einem gewissen Eusebio Lopez gebaut worden.«

»Eusebio Lopez? Ich habe vorhin die beiden Buchstaben E. L. gesehen; das werden die Anfangsbuchstaben dieses Namens sein. Die Wohnung ist zugleich ein Versteck, kann also wohl nicht sehr ger#228;umig sein.«

»O, sie ist gro#223; genug. Es hat oben auf dem Felsen eine Rinne gegeben, welche Lopez einfach zugemacht hat; dadurch ist ein verdeckter Gang entstanden, welcher im

Schacht beginnt und nach der Wohnung f#252;hrt. Die Rinne ist an ihrem Ende, an der Felsenwand, sehr breit gewesen, und Lopez hat sie durch Mauern abgeteilt, wodurch mehrere Stuben entstanden sind, die wir bewohnen. Die #228;u#223;ere Wand sieht gerade wie der Felsen aus, weshalb man von unten nicht bemerken kann, da#223; da oben eine Wohnung ist. Die Fenster sind Mauerl#246;cher, die in der Entfernung gar nicht auffallen k#246;nnen.«

»Wie tief steigt man in den Schacht, um in den Gang zu kommen?« »Vielleicht zwanzig Stufen eine Leiter hinab.«

»Ich sehe aber hier einen F#246;rderkasten, welcher an einer Kette h#228;ngt; da ist doch anzunehmen, da#223; es oben eine Welle, einen G#246;pel gibt, durch welchen man den Kasten in die H#246;he zieht?«

»Ein solcher G#246;pel ist allerdings da.«

»So ist die Leiter eigentlich #252;berfl#252;ssig.«

»Sie f#252;hrt auch nicht bis ganz herab, sondern nur bis in den Gang. Wer von da aus herunter will, mu#223; in den Kasten steigen.«

»Gut. Und nun die Wohnung!«

»Die besteht aus vier Stuben. Zwei liegen am Ende des Ganges und zwei an den Seiten desselben.« »In welcher ist Melton zu finden?«

»Wenn Sie dem Gange folgen, so liegt rechts der Raum, in welchem die alten Indianerinnen wohnen; links wohnte ich. Dann haben Sie zwei T#252;ren vor sich, die hart nebeneinander liegen. Rechts wohnen die Weller, und links befindet sich Melton.«

»Was f#252;r Schl#246;sser haben die T#252;ren?«

»Sie k#246;nnen keine haben, denn sie sind nicht von Holz, sondern bestehen aus Matten, welche von oben

herabh#228;ngen.«

»Wie ist das Lager Meltons beschaffen?« »Er schl#228;ft auf Decken in der ersten Ecke links.«

»Wer bewegt den G#246;pel, wenn der F#246;rderkasten auf- und niedersteigen soll?« »Die Indianer, welche im F#246;rderhause wachen. Das sind -- horch!«

Sie wendete sich, indem sie sich unterbrach, in die Richtung des Schachtes. Dort klirrte die Kette, an welcher der Kasten hing; er bewegte sich; wir sahen, da#223; er aufgezogen wurde.

»Man ist oben noch wach,« sagte ich. »Warum will man den Kasten oben haben? Ob jemand herunter will?«

»Jedenfalls,« antwortete sie. »Sie werden jetzt erfahren, da#223; Sie vorhin unrecht hatten, denn der H#228;uptling wird jetzt kommen.«

»Das glauben Sie ja nicht! Wenn jemand kommt, so wird es entweder Melton oder der alte Weller sein.« »Weller ist heute gar nicht da.« »Wo befindet er sich?«

»Er ist mit mehreren Indianern fort, um Sie zu beobachten und es Melton zu sagen, wenn Sie kommen. Er scheint Sie nicht gesehen zu haben, sonst w#228;re er wieder zur#252;ck.«

»So ist er es also nicht, den wir jetzt hier unten zu erwarten haben. Melton wird es sein.«

»So haben Sie die beste Gelegenheit, ihn zu ergreifen!«

»Ob ich das tue, kommt auf die Umst#228;nde an. Man mu#223; vorsichtig sein. Weller kann auch zur#252;ckgekehrt sein und mitkommen. Wir werden also abzuwarten haben, was geschieht. Darum mu#223; ich Sie bitten, sich einstweilen wieder einriegeln zu lassen.«

»Einriegeln?« fragte sie erschrocken. »Das werde ich nicht. Ich bin tausendfroh, da#223; ich heraus bin.«

»Ich gebe Ihnen mein Wort, da#223; ich Sie sicher wieder herauslasse. Ich will wissen, wer da kommt und warum er kommt; er mu#223; darum hier alles in Ordnung finden und darf nicht vermuten, da#223; jemand bei Ihnen gewesen ist.«

Sie wollte nicht, f#252;gte sich aber endlich doch, wenn auch mit gro#223;em Widerstreben. Ich verriegelte hinter ihr die T#252;r, und dann kroch ich mit dem Mimbrenjo hinter einen Haufen von H#246;lzern, welche dort, wo der alte, verlassene Gang begann, aufgeschichtet waren. Nat#252;rlich hatten wir unser Licht ausgel#246;scht.

Ich h#228;tte keine Minute l#228;nger mit der sich weigernden J#252;din verhandeln d#252;rfen, denn wir hatten uns kaum versteckt, so kam von oben ein Ger#228;usch, aus welchem wir entnahmen, da#223; der Kasten wieder nach unten unterwegs sei. Das Ger#228;usch n#228;herte sich; ein Lichtschein fiel von oben; der Kasten wurde sichtbar und erreichte den Boden. Melton stand darin; er hatte eine Laterne im G#252;rtel h#228;ngen. Er stieg aus, b#252;ckte sich in den Kasten zur#252;ck und zog aus demselben einen Gegenstand, in welchem ich, obgleich wir ziemlich entfernt steckten, einen gefesselten Menschen erkannte. Hier unten verst#228;rkte sich der Schall an den engen

Mauern; darum h#246;rte ich ganz deutlich jedes Wort, als Melton zu dem Gefesselten in h#246;hnischem Tone sagte:

»Du hattest solche Sehnsucht nach deiner wei#223;en Blume. Darum habe ich dich hierher gebracht, um sie dir zu zeigen. Pa#223; auf!«

Er trat zu der T#252;r, hinter welcher die J#252;din steckte, #246;ffnete dieselbe und rief hinein:

»Kommen Sie heraus, Fr#228;ulein; haben Sie die G#252;te! Es steht Ihnen eine freudige Ueberraschung bevor.«

Sie kam heraus. Er f#252;hrte sie zu dem auf dem Boden liegenden Indianer und fragte:

»Kennen Sie diesen? Hoffentlich erinnern Sie sich noch, wer er ist!«

»Die "listige Schlange"!« rief sie betroffen aus. »Sie haben ihn #252;berw#228;ltigt!«

»Ja, das habe ich! Sie sehen da, was f#252;r ein Held Ihr neuester Liebhaber ist. Er kam, um mich zur Rechenschaft zu ziehen und Sie zu befreien, und befindet sich nun selbst hierunter. Er wird die Sonne niemals zu sehen bekommen. Sie haben mir zu viel von ihm erz#228;hlt, als da#223; ich ihm das Leben schenken k#246;nnte.«

»Sie wollen ihn ermorden?« fragte sie schaudernd.

»Ermorden! Welch ein Ausdruck! Mu#223; man es denn geradezu einen Mord nennen, wenn ich ihn ein wenig unter die Erde grabe und ihm eine so h#252;bsche Decke gebe, da#223; er rasch einschl#228;ft? Wenn er dann nicht wieder aufwacht, so ist das seine Sache.«

»Also lebendig begraben!«

»Ja, wenn es Ihnen Vergn#252;gen macht, es so und nicht anders zu nennen.« »Unmensch, der Sie sind!«

»Ereifern Sie sich nicht! Ich werde Ihnen gleich beweisen, da#223; ich kein Unmensch, sondern ein Mensch, und zwar ein sehr gutherziger, bin. Sie lieben den roten Gentleman, und er ist Ihnen zugetan. Sie sollen, ehe er stirbt, zwei oder drei Stunden beisammen sein. Geben Sie Ihre H#228;nde her, damit ich sie Ihnen auf den R#252;cken binde, sonst k#246;nnten Sie meine G#252;te mi#223;brauchen und Ihren Anbeter losbinden.«

Sie z#246;gerte und sagte:

Denken Sie ja nicht, da#223; Sie straflos tun k#246;nnen, was Sie wollen! Die Yumas werden ihren H#228;uptling r#228;chen.«

»F#228;llt ihnen nicht ein. Sie wissen nicht, da#223; ich es bin, der ihn verschwinden l#228;#223;t.«

»Sie wissen aber doch, da#223; er jetzt bei Ihnen ist. Die W#228;chter haben ihn zu Ihnen gehen sehen.«

»Sie werden ihn aber wieder fortgehen sehen. Es ist finster droben, so da#223; ich es leicht bewerkstelligen kann, da#223; sie mich f#252;r ihn halten; aber das ist gar nicht notwendig. Ich habe die W#228;chter, um jetzt herabgelassen zu werden, wecken m#252;ssen. Sie werden nachher weiter schlafen und m#252;ssen es glauben, wenn ich behaupte, da#223; der H#228;uptling inzwischen fortgegangen ist. Also her mit den H#228;nden! Ich sage das zum letzten Mal!«

Er hatte einen Riemen in der Hand. Ich war wirklich neugierig darauf, was sie tun w#252;rde. Sie wu#223;te, da#223; ich hier war und ihr helfen w#252;rde. Ebenso wu#223;te sie aber auch, da#223; ich sie, wenn sie sich binden lie#223;, dann befreien w#252;rde. Mochte sie ihm gehorchen oder mich rufen, mir war es gleich. Sie reichte ihm die beiden H#228;nde hin und sagte:

»Da, binden Sie mich! Ich will nicht mit Ihnen ringen, da es mir graut, Sie zu ber#252;hren. Aber der Strafe werden Sie nicht entgehen!«

»Wollen Sie Prophetin sein, Judith? Das ist ein schlechtes Gesch#228;ft, denn die jetzige Menschheit besitzt keinen Glauben.«

Er band ihr die H#228;nde auf den R#252;cken und schob sie in den dunkeln Raum, in welchem sie gesteckt hatte. Sie lie#223; es ruhig geschehen. Sodann schleifte er den Indianer auch hinein, machte die T#252;r zu und schob den Riegel vor. Nun blieb er eine Zeitlang stehen und hielt das Ohr an die T#252;r, um zu lauschen. Der Schein seiner Laterne fiel auch auf sein Gesicht. Der Ausdruck desselben war ein teuflischer. Dann stieg er in den Kasten und gab mit einer herabh#228;ngenden Schnur ein Zeichen nach oben, auf welches man den F#246;rderkasten aufw#228;rts zu winden begann. Das Licht verschwand und mit demselben auch das Ger#228;usch, welches der Kasten verursachte, indem er an die W#228;nde des Schachtes stie#223;.

Ich hatte den Menschen f#252;r vorsichtiger und kl#252;ger gehalten, als er sich jetzt zeigte. Mir an seiner Stelle w#228;re Judiths gegenw#228;rtiges Verhalten aufgefallen; es h#228;tte mich mi#223;trauisch gemacht; ich h#228;tte mir sogleich gesagt, da#223; irgend ein Grund f#252;r sie vorhanden sei, seinen jetzigen Besuch in solcher Ruhe hinzunehmen, und ich w#228;re bem#252;ht gewesen, den Grund kennen zu lernen. Da#223; dies bei ihm nicht stattfand, lie#223; seinen Scharfsinn in keinem r#252;hmlichen Lichte erscheinen.

Mein Mimbrenjo hatte, seit wir durch die Mauer gekrochen waren, kein Wort gesagt; jetzt aber wunderte er sich #252;ber mein Verhalten so sehr, da#223; er nicht zu schweigen vermochte, sondern, als wir uns hinter den H#246;lzern erhoben, zu mir sagte:

»Der Wei#223;e, den wir haben wollen, war da. Wir konnten ihn ergreifen. Warum hat Old Shatterhand ihn fortgelassen?«

»Weil er mir sicher genug ist. Sp#228;ter wird sein Schreck ein doppelter sein.«

Ich steckte das Licht wieder an und ging wieder zu der T#252;r, um sie zu #246;ffnen. Die J#252;din hatte dicht hinter derselben gestanden, um zu horchen. Sie trat rasch heraus, holte tief Atem und sagte:

»Gott sei Dank! Es war mir wirklich angst, ob Sie kommen w#252;rden!«

»Was ich verspreche, halte ich. Haben Sie mit dem H#228;uptling gesprochen?«

»Noch kein Wort. Ich konnte vor Sorge nicht reden. Sie haben geh#246;rt, was Melton sagte?«

»Alles.«

»Wie leicht konnte er Sie entdecken! Dann befand ich mich wieder in seiner Gewalt!«

»Nein, sondern er h#228;tte sich in der meinigen befunden. Wenn Sie noch nicht mit der "listigen Schlange" gesprochen haben, so werde ich ihn aufkl#228;ren. Wie gut, da#223; er von Melton #252;berw#228;ltigt worden ist! Der B#246;sewicht hat mir dadurch einen Trumpf in die Hand gespielt, an dem seine Karte verloren gehen wird.«

Ich trat zu dem Indianer und durchschnitt seine Fesseln. Er richtete sich schnell auf und fragte die J#252;din: »Wer ist das Bleichgesicht, welches sich in unserm Schachte befindet und doch nicht zu uns geh#246;rt?«

»Mein roter Bruder wird sogleich erfahren, wer ich bin,« antwortete ich an des M#228;dchens Stelle. »Er hat nicht verstehen k#246;nnen, was Melton zu der wei#223;en Tochter sagte, denn es wurde in einer ihm fremden Sprache gesprochen. Darum frage ich ihn, ob er wei#223;, was Melton mit ihm vornehmen will?«

»Ich wei#223; es. Ich sollte sterben; er wollte mich hierunten in die Erde graben.«

»Glaubt mein roter Bruder, da#223; er dies wirklich getan h#228;tte?«

»Er h#228;tte es getan, denn nur mein Tod h#228;tte ihm Sicherheit gegeben.«

»Was w#228;re aus dem wei#223;en M#228;dchen geworden, welches die "listige Schlange" zur Squaw begehrt?«

»Sie h#228;tte hierunten sterben und verderben m#252;ssen, wie die andern Bleichgesichter, von denen keins wieder das Licht des Tages erblicken wird.«

»Darin irrt mein roter Bruder, denn sie alle werden das Licht schon des n#228;chsten Morgens sehen. Ich werde sie aus dem Schachte f#252;hren.«

»Das wird Melton nicht zugeben!«

»Er wird es nicht zugeben k#246;nnen, weil ich ihn nicht um seine Erlaubnis frage. Ich bin gekommen, alle Gefangenen zu befreien, wie ich dich auch befreie.«

»Noch bin ich nicht frei, denn wie komm ich aus dem Schachte?«

»Das fragst du? Du brauchtest ja nur zu warten, bis Melton wieder herabkommt; es w#252;rde, da er nicht darauf vorbereitet ist, sehr leicht f#252;r dich sein, ihn zu #252;berraschen und zu #252;berw#228;ltigen. Aber das ist nicht n#246;tig. Ich werde die "listige Schlange" und die wei#223;e Tochter auf einem ihnen unbekannten Wege aus dem Schachte f#252;hren; dann kann mein Bruder sie zu seiner Squaw machen und ihr einen Palast und ein Schlo#223; bauen.«

Meine Person, meine Anwesenheit und jedes meiner Worte war f#252;r ihn ein R#228;tsel; es machte mir Spa#223;, den Ausdruck zu sehen, mit welchem sein Blick unverwandt auf mich gerichtet war.

»Mein wei#223;er Bruder kennt einen mir unbekannten Weg aus dem Schachte?« fragte er. »Er wei#223; auch, da#223; ich die wei#223;e Blume liebe, und was ich ihr versprochen habe? Wird er mir wohl sagen, wer er ist?«

»Mein Name hei#223;t in der Sprache der Yuma Tave-schala.«

»Tave-schala, Old Shatterhand!« fuhr er auf, indem er zwei Schritte zur#252;ckwich und mich wie ein Gespenst anstarrte. »Old Shatterhand hier, mitten unter uns, in unserm Schachte!«

Er traute seinen Ohren nicht.

»Wenn du es nicht glaubst, so frage die wei#223;e Tochter. Ich habe sie und ihre Leute vom gro#223;en Wasser aus bis in die Berge begleitet, um zu erfahren, was Melton mit ihnen beabsichtigte, und sie aus seinen H#228;nden zu befreien.«

»Old - - Shatter - - hand, der Feind unseres Stammes! Mitten in unserm Lager, mitten in Almaden!« »Du irrst; ich bin nicht der Feind eures Stammes; ich bin stets ein Freund aller roten St#228;mme gewesen.«

»Aber du hast den "kleinen Mund", den Sohn unseres vornehmsten H#228;uptlings, get#246;tet!«

»Er zwang mich dazu, weil er den jungen Mimbrenjokrieger, der vor dir steht, seinen Bruder und seine Schwester t#246;ten wollte.«

»Der "gro#223;e Mund" hat dir den Tod geschworen!«

»Das wei#223; ich; aber ist das ein Grund f#252;r dich, auch mein Todfeind zu sein?« »Ich mu#223; dem "gro#223;en Mund" gehorchen!«

»Kein roter Krieger mu#223;, und ein H#228;uptling, wie du bist, braucht erst recht nicht zu m#252;ssen. Der "gro#223;e Mund" mag die Sache, welche er gegen mich hat, selbst mit mir ausfechten; er braucht keine Helfer dazu. Ich habe dich befreit und dadurch bewiesen, da#223; ich nicht ein Feind der Yumas bin. W#228;re ich das, so h#228;tte ich alle eure Krieger get#246;tet, die ich von der Hazienda del Arroyo bis hierher getroffen habe. Es sind vierzig Mann, die ich alle gefangen genommen habe.«

»Alle - gefangen - genommen!« wiederholte er erstaunt. »Wo befinden sie sich?« »Bei unserer Mimbrenjoschar, mit welcher ich gekommen bin.« »Hast du die Mimbrenjos hier bei dir?«

»Nein. Sie warten unter dem Befehle Winnetous, des gro#223;en Apatschen, auf meine R#252;ckkehr. Sie stehen an einem Orte, wo ihr sie nicht finden k#246;nnt. Ich bin mit dem jungen Krieger ganz allein ausgeritten, um Almaden zu erkundschaften, und werde alle Bleichgesichter, welche sich hierunten befinden, befreien, ohne da#223; ich dazu der Hilfe noch eines andern Menschen bedarf.«

Der Ausdruck eines unbeschreiblichen Erstaunens war noch immer nicht aus seinem Gesichte gewichen. Er fand keine Worte zu dem, was ich sagte; ich fuhr fort:

»Es w#252;rde uns nicht schwer werden, die Yumas, welche Almaden bewachen, zu besiegen; aber ich w#252;nsche nicht, ihr Blut zu vergie#223;en. Die "listige Schlange" mag mir sagen, ob sie mein Feind bleiben oder mein Freund werden will!«

Der Indianer war mir schon gestern, als ich ihn mit der J#252;din reden h#246;rte, als ein ehrlicher Mann erschienen, darum verhielt ich mich heut gegen ihn ganz anders, als ich mich sonst verhalten h#228;tte, und auch sein jetziges Benehmen machte einen guten Eindruck auf mich. Er hatte ein ungemein treues und redliches Auge. Indem er den Blick fast unausgesetzt auf mich gerichtet hielt, #252;berlegte er wohl einige Minuten lang; dann antwortete er:

»Es ist mir befohlen worden, Old Shatterhands Feind zu sein, und diesem Befehle mu#223; ich gehorchen; aber er hat mich und die wei#223;e Blume vom Tode errettet; darum dr#228;ngt es mich, ihm meine Freundschaft zu schenken. Ich kann nicht tun, wonach mein Herz begehrt, und doch auch das nicht, was mir befohlen ist; ich bin nicht Old Shatterhands Freund und auch nicht sein Feind. Er mag mit mir tun, was ihm beliebt.«

»Gut! Mein Bruder hat da sehr verst#228;ndig gesprochen. Wird er sich aber auch in das f#252;gen, was ich #252;ber ihn bestimme?«

»Ja. Der Tod war mir hier gewi#223;; nimm mir das Leben, und ich werde mich nicht wehren!«

»Dein Leben begehre ich nicht, wohl aber deine Frei- Freiheit, wenigstens f#252;r einige Zeit. Willst du dich als meinen Gefangenen betrachten?«

»Ja.«

»Mu#223; ich dich da wieder fesseln, um deiner sicher zu sein?«

»Du magst mich binden oder nicht, ich bleibe bei dir, bis du mir sagst, da#223; ich wieder frei bin. Weiter aber darfst du nichts von mir verlangen. Ich kann dir nicht behilflich sein und werde dir keine Auskunft erteilen.«

»Gut, so sind wir einig. Du bist mein Gefangener und gehorchst allen meinen Anweisungen. Zu dem, was ich vorhabe, bedarf ich deiner Hilfe nicht.«

Ich band nun auch der J#252;din die H#228;nde vom R#252;cken los und ging an die Aufsuchung der andern Eingesperrten. Der Raum, in welchem Judith gesteckt hatte, war klein. Man hatte da einen Gang begonnen, ihn aber wieder verlassen, da man nach dieser Richtung nichts gefunden hatte. Die andern Gefangenen waren nur hinter der zweiten T#252;r zu suchen. Als ich dieselbe ge#246;ffnet hatte, befanden wir uns in einer Art ausgehauener Kammer, aus welcher drei G#228;nge nach drei verschiedenen Richtungen f#252;hrten. Hier herrschte eine schlimme Luft. Es roch nach Schwefel; man atmete schwer. Zwei von den G#228;ngen waren unverschlossen, Vor dem dritten befand sich eine T#252;r mit zwei Riegeln. In derselben war eine Klappe angebracht, wie man sie an Gef#228;ngnist#252;ren findet. Ich #246;ffnete sie, um hindurchzublicken, zog aber die Nase sehr schnell zur#252;ck, denn es drang mir ein Dunst entgegen, der kaum auszuhalten war. Als ich das Licht an die Oeffnung hielt, schien es verl#246;schen zu wollen.

Noch fast schlimmer wurde es, als ich die beiden Riegel entfernte und dann die ganze T#252;r #246;ffnete. Eine dicke Luft drang heraus und das, was man roch, war geradezu unbeschreiblich. Die Luft, welche fr#252;her im Zwischendecke ber#252;chtigter Auswandererschiffe zu herrschen pflegte, war das reine Ozon und Parf#252;m dagegen. Die T#252;r war, dem Gange angemessen, den sie verschlossen hatte, viel niedriger als die andere. Um sich in demselben zu bewegen, mu#223;te man sich b#252;cken, wie ich sah, und doch beherbergte er so viele Menschen! Sie lagen gleich vorn, hinter der T#252;r, M#228;nner, Frauen und Kinder, alle bunt durcheinander. Als der Schein unseres Lichtes auf sie fiel, erhoben sie sich, und es ert#246;nte Kettengerassel, da die Hand- und Fu#223;schellen durch Ketten verbunden waren. Die Kinder begannen vor Furcht zu weinen; die Frauen riefen nach Brot; die M#228;nner fluchten und schrien mich zornig an und dr#228;ngten sich herbei, um mich zur#252;ckzuschieben und aus ihrem engen Gewahrsam zu entkommen. Ich wurde gepackt; man erhob die F#228;uste mit den Schellen und Ketten gegen mich; es war ein Augenblick der gr#246;#223;ten Aufregung. Aber es bedurfte nur einiger laut gerufener Worte von mir, so verwandelte sich der mir Gefahr drohende Grimm in das Gegenteil. Man jubelte; ich wurde trotz der Ketten umarmt. Jeder wollte mir die Hand dr#252;cken; einige k#252;#223;ten mich sogar, und viele weinten vor Freude. Es dauerte lange, ehe sie sich soweit beruhigt hatten, da#223; ich auf meine Erkundigungen Antworten bekam.

Der H#228;uptling hatte von fern zugeschaut. Als ich nicht mehr so eng umdr#228;ngt wurde, ben#252;tzte er dies, um zu mir zu treten und mir zu sagen:

»Ich habe gesagt, da#223; Old Shatterhand keine Hilfe von mir zu erwarten habe; eins aber will ich ihm doch sagen: Dort in der Ritze der Mauer steckt der Schl#252;ssel, mit welchem die Ketten ge#246;ffnet werden k#246;nnen.«

Obwohl ein halbwilder Mensch, konnte er dem An- Anblicke der Elenden nicht widerstehen; sein gutes Herz trieb ihn, mir die Mitteilung zu machen. Ich h#228;tte den Schl#252;ssel wohl auch ohnedies gefunden, da ich mir sagen konnte, da#223; man ihn in der N#228;he des Ortes, wo die Leute eingesperrt waren, zu suchen habe. Einer half dem andern; in Zeit von noch nicht f#252;nf Minuten waren die Ketten abgenommen und auf einen Haufen geworfen. Nun wollten die Befreiten sofort hinaus, hinauf ins Freie. Ich hatte M#252;he, sie zu bewegen, ruhig zu sein. Der L#228;rm konnte leicht hinauf zu Melton dringen und ihn auf das, was unten geschah, aufmerksam machen. Da wir nicht wissen konnten, ob wir uns nicht vielleicht gegen einen

Angriff zu verteidigen haben w#252;rden, ordnete ich an, da#223; die vorgefundenen Werkzeuge, H#228;mmer und Hauen, als Waffen mitgenommen werden sollten.

Hatten die Leute in den ersten Augenblicken der Freude #252;ber ihre Befreiung nicht auf den H#228;uptling geachtet, so schenkten sie ihm nun ihre Aufmerksamkeit. Sie kannten ihn; sie wu#223;ten, da#223; er der Anf#252;hrer der Yumas war und welchen Anteil er an dem an ihnen ver#252;bten Verbrechen hatte. Sie wollten sich augenblicklich an ihm r#228;chen, und ich hatte M#252;he, sie abzuhalten, ihn auf der Stelle zu lynchen. Ich beruhigte sie aber, indem ich ihnen erkl#228;rte, da#223; er mir als Geisel diene und als solcher ihnen von gro#223;em Nutzen sein werde.

Wir traten den Weg nach unserer H#246;hle an. Da wir einzeln hintereinander gehen mu#223;ten, war der Zug, den wir bildeten, ziemlich lang; darum wurden alle Lichter angesteckt, welche wir #252;brig hatten, und dazu einige Schachtlaternen, welche an der Mauer hingen. Nat#252;rlich konnten wir des Abgrundes wegen nicht direkt nach der H#246;hle; wir mu#223;ten durch das schon beschriebene Loch erst ins Freie. Als ich als letzter aus demselben gestiegen war, wurde es zugeworfen; dann stiegen wir die Windungen hinab und jenseits des Felsblockes in die H#246;hle hinauf. Sie war ger#228;umig genug, uns alle zu fassen.

Es war drei oder vier Uhr geworden, also h#246;chste Zeit, uns Meltons zu versichern. Wir h#228;tten uns gegenseitig viel zu sagen und zu fragen gehabt; das mu#223;te aber aufgeschoben werden, denn ehe es hell wurde, mu#223;ten wir Almaden verlassen haben. Ich suchte zehn der kr#228;ftigsten M#228;nner aus, welche mich und den Mimbrenjo begleiten sollten; den Zur#252;ckbleibenden sch#228;rfte ich ein, die H#246;hle ja nicht etwa zu verlassen, da dies zu unserer Entdeckung f#252;hren k#246;nne. Sie gaben mir ihr Wort, die Warnung zu befolgen. In Beziehung auf den H#228;uptling hatte ich keine Sorge; ich war #252;berzeugt, da#223; er Wort halten werde. Und selbst f#252;r den Fall, da#223; ihm ein Fluchtversuch in den Sinn kommen sollte, konnte ich sicher sein, da#223; diejenigen, welche ihn in der H#246;hle in ihrer Mitte hatten, ihn lieber ermorden als entkommen lassen w#252;rden.

Den Aufstieg nach dem Plateau brauchte ich nicht zu suchen; jeder der zehn M#228;nner, welche mich begleiteten, kannte ihn, da sie auf demselben hinaufgeschafft worden waren. Wir gelangten ganz gut hinauf. In Beziehung auf die oben befindlichen W#228;chter waren wir zu keiner besondern Vorsicht angehalten; sie konnten uns immerhin kommen h#246;ren, da mit Sicherheit anzunehmen war, da#223; sie uns gewi#223; f#252;r Freunde halten w#252;rden.

Das Schachthaus hatte neben der T#252;r- noch einige Fenster#246;ffnungen. Durch dieselben drang uns ein Lichtschein entgegen; das war mir lieb, da wir da sehen konnten, wohin wir zu greifen hatten. Wir gingen gerade und mit lauten Schritten auf das Haus zu und drangen so schnell wie m#246;glich alle in dasselbe ein. Die drei Indianer, welche da faul auf der Erde gelegen hatten, sprangen auf, wurden aber, ehe sie zur Gegenwehr schreiten konnten, wieder niedergerissen und mit ihren eigenen G#252;rteln gebunden. Jeder bekam einen Knebel in den Mund, damit sie nicht laut werden konnten. Sie wurden hinausgeschafft und so entfernt vor dem Hause niedergelegt, da#223; man sie von demselben aus nicht sehen konnte. Die zehn mu#223;ten sich bei ihnen niedersetzen. Diese Veranstaltung traf ich mit R#252;cksicht auf Melton, welcher nicht sofort sehen sollte, wie die Angelegenheit stand.

Um ihn festzunehmen, glaubte ich, keiner Hilfe zu bed#252;rfen, doch nahm ich f#252;r alle F#228;lle den kleinen Mimbrenjo mit, auf den ich mich in solcher Lage mehr verlassen konnte, als auf die zehn wei#223;en Begleiter alle miteinander, da diese in den Vorkommnissen des wilden Lebens unerfahren waren.

In dem Schachthause gab es auch einige kleine Laternen. Ich z#252;ndete eine davon an und befestigte sie am Knopfloche der Weste. So konnte ich sie mit der Jacke nach Belieben verdecken. Ich hatte erwartet, hier oben im Hause das G#246;pelwerk zu sehen; das war aber nicht der Fall; es mu#223;te sich also unten befinden, weshalb, dar#252;ber brauchte ich mir den Kopf nicht zu zerbrechen. Die Leiter ragte mit einigen Sprossen aus dem Mundloche hervor. Ich stieg hinein, und der Mimbrenjo folgte mir.

Das Loch war viel weiter als unten in der Tiefe. Es konnten hier auch gr#246;#223;ere Gegenst#228;nde heruntergeschafft werden. Als die Leiter zu Ende ging, befanden wir uns in einer viereckigen Erweiterung des Schachtes. Hier stand der G#246;pel #252;ber dem weiter abw#228;rts f#252;hrenden Loche. Er war durch ein Schwungrad in Bewegung zu setzen, und eine Welle von riesigem Durchmesser nahm die Kette auf. Der F#246;rderkasten hing noch oben. Drei W#228;nde des Raumes waren mit allerlei hier brauchbaren Gegenst#228;nden behangen; in der vierten befand sich eine breite Oeffnung; das war die M#252;ndung des Ganges, den wir suchten. Wir horchten hinein; es war alles still in demselben; also stiegen wir ein und gingen mit leisen Schritten vorw#228;rts.

Ich deckte die Laterne zu und lie#223; nur von Zeit zu Zeit einen Lichtstrahl auf die Strecke vor uns fallen. Der Gang war lang; er schien kein Ende nehmen zu wollen. Endlich sahen wir rechts eine T#252;r und links eine zweite; beide waren mit Matten verhangen. Man schien zu schlafen; aber darin hatte ich mich geirrt, denn als wir einige Schritte weitergegangen waren, h#246;rte ich sprechen. Vor uns befanden sich zwei nahe aneinander liegende T#252;ren; die Stimmen ert#246;nten hinter der zur linken Hand, also aus Meltons Wohnung. Wir traten unh#246;rbar heran, und ich zog die Decke, welche da hing, ein klein wenig zur#252;ck. Drin brannte eine Kerze, welche mir erlaubte, den ganzen Raum zu #252;berblicken. Er war ziemlich gro#223;. Ein aus Decken bestehendes Lager befand sich links in der Ecke. In der Mitte stand ein roh gearbeiteter Tisch, auf welchem zwei Revolver und ein Messer lagen; au#223;erdem befanden sich da einige aus Astst#252;cken zusammengenagelte St#252;hle oder vielmehr Schemel. An der Wand rechts hingen zwei Gewehre, daneben eine ziemlich gro#223;e Ledertasche, welche sehr wahrscheinlich Patronen enthielt. Melton sa#223; hinter dem Tische auf einem Schemel und sprach mit einer Indianerin, welche das Urbild menschlicher H#228;#223;lichkeit war; sie stand zwischen der T#252;r und dem Tische. Eben als mein erster Blick in die Stube fiel, sagte er, indem er sich des schon oft erw#228;hnten Sprachengemisches bediente:

»Sie tut euch beiden wohl leid, da du dich so sehr darnach erkundigst, was ich mit ihr machen werde?«

»Leid Tun?« antwortete sie mit schnarrender Stimme. »Wir freuen uns! Sie konnte uns nicht leiden und wir sie auch nicht.«

Jedenfalls war von Judith die Rede.

»So wird es euch noch mehr freuen, wenn ich dir sage, da#223; sie nie wieder heraufkommen wird. Ihr seid also wieder allein und Herrinnen #252;ber euch. Dient ihr mir treu, so werde ich euch gut belohnen.«

»Wir sind treu, Sennor, denn Sie haben uns soviel Sch#246;nes versprochen und werden Wort halten. Wenn Sie sich nur der Feinde, welche Sie erwarten, erwehren k#246;nnen!«

»O, vor denen ist mir gar nicht bange; sie sind rein toll, da#223; sie sich nach Almaden wagen. Sie werden es #252;brigens gar nicht erreichen, denn wir gehen ihnen, sobald wir durch die Kundschafter benachrichtigt worden sind, entgegen und schlagen sie bis auf den letzten Mann nieder.«

»Aber wir haben geh#246;rt, da#223; sich der gro#223;e Winnetou und ein sehr verwegener wei#223;er Krieger bei ihnen befinden. Diesen Krieger kenne ich nicht; aber Winnetou l#228;#223;t sich nicht so leicht besiegen. Seine List geht #252;ber alles. Wenn er unsere Leute nun fortlockt und unterdessen nach Almaden kommt, welches dann unbesch#252;tzt liegt?«

»Das gelingt ihm nicht. Und sollte das Unm#246;gliche zur M#246;glichkeit werden, so wi#223;t ihr, was ihr zu tun habt. In den Schacht darf kein Fremder kommen; niemand darf die Gefangenen sehen; das Messer liegt f#252;r solche F#228;lle am G#246;pel ja stets bereit. Dazu wird es aber niemals kommen, denn selbst wenn wir vor Almaden besiegt w#252;rden, bildet unser Felsen eine Festung, welche niemand ohne unsern Willen besteigen kann. Und ganz besonders ist daf#252;r gesorgt, da#223; weder Winnetou noch der Wei#223;e, von dem du redest, einen Fu#223; heraufsetzt.«

Ich wollte nicht l#228;nger zuh#246;ren, weil uns die Zeit so kurz zugemessen war; darum schob ich den Vorhang jetzt beiseite, trat ein und sagte:

»Da irrt Ihr Euch sehr, Master Melton, denn wie Ihr seht, sind wir schon hier!«

Zu gleicher Zeit bem#228;chtigte ich mich der Revolver und des Messers und stellte mich so, da#223; er an mir vor#252;ber Mu#223;te, wenn er zu den Gewehren wollte. Er fuhr wie vor einem Gespenst zur#252;ck.

»Old Shatterhand! Tausend Teufel!« rief er aus. »Da ist auch Winnetou da. Hinaus, hinaus, und tu deine Pflicht, denn das ist der Wei#223;e, den du meinst!«

Dieser Zuruf war an die Indianerin gerichtet. Sie wollte schnell fort, aber ich fa#223;te sie und schleuderte sie zur#252;ck, so da#223; sie auf ihr Lager fiel. Zugleich kam der Mimbrenjo herein, um sie festzuhalten; sie versuchte, sich ihm zu entringen, und als ihr das nicht gelang, schrie sie nach der T#252;r hin wiederholt einige indianische Worte, von denen ich nur zwei verstand, n#228;mlich Ala und Akva; das erstere war wohl ein weiblicher Name, und das letztere bedeutet Messer. Der Ruf galt wahrscheinlich der zweiten alten Indianerin, welche sich mit hier oben befand; dieselbe sollte das ausf#252;hren, woran wir die erste hier hinderten; ich konnte aber jetzt nicht auf sie und ihren Zuruf achten, weil ich meine ganze Aufmerksamkeit auf Melton zu richten hatte, der als einzige Waffe, die ihm zu Gebote stand, seinen Schemel ergriffen hatte und, ihn gegen mich schwingend, auf mich eindrang. Einen nicht wiederzugebenden Fluch aussto#223;end, wollte er ihn mir auf den Kopf schlagen; ich unterlief ihn aber, hob ihn empor und warf ihn an die Mauer, da#223; er wie gebrochen zu Boden stauchte. Da antwortete drau#223;en auf dem Gange eine zweite weibliche Stimme. Melton wollte sich aufraffen; ich hatte ihn aber fest beim Halse; er versuchte, mich mit den Knien von sich zu sto#223;en, was ihm aber nicht gelang. Ich brauchte gegen ihn keine Hilfe, doch kam der Mimbrenjo herbei; er hatte die Alte mit einem t#252;chtigen Hiebe bet#228;ubt und wollte mir beistehen. Im Winkel lagen einige Lassos; mit einem derselben band er Melton, w#228;hrend ich diesen festhielt, erst die Beine zusammen und dann auch die Arme um den Leib. Als wir den Kerl nun fest hatten, gebot ich meinem Begleiter:

»Bleib hier! Ich mu#223; hinaus, denn da drau#223;en scheint etwas zu geschehen.«

Eben als ich die Stube verlie#223;, h#246;rte ich vorn beim G#246;pel die Kette klirren. Meine Laterne erlaubte mir, rasch zu laufen; ich rannte vor. Als ich ankam, stand das zweite alte Weib beim G#246;pel, von dem die Kette in diesem Augenblick abgelaufen war. Ich sah mit einem schnellen Blicke, da#223; sie nicht direkt, sondern mittels eines starken, zusammengeflochtenen Riemens an die Welle befestigt war. Ehe ich es verhindern konnte, hatte die Alte den Riemen zerschnitten, und die Kette fiel mit schwerem Klirren in den Schacht hinab - niemand war imstande, sie wieder heraufzuholen.

Ich begriff nun die Bedeutung der Worte, welche Melton vorhin gesagt hatte: »Ihr wi#223;t ja, was ihr zu tun habt.« Die Weiber waren f#252;r den Fall, da#223; die Gefahr der Entdeckung gro#223; erschien und niemand sonst es besorgen konnte, angewiesen, den G#246;pel schnell ablaufen zu lassen und dann den Riemen zu zerschneiden.

Die Leiter f#252;hrte nur bis zum G#246;pel; weiter hinab konnte man nur mit dem F#246;rderkasten kommen; lag dieser mitsamt der Kette unten, so war es, wenigstens f#252;r lange Zeit, unm#246;glich, in die Tiefe zu gelangen; die Gefangenen mu#223;ten dort verschmachten und konnten sp#228;ter nicht erz#228;hlen, wer sie hinuntergebracht hatte. Solch eine teuflische Bosheit hatte ich Melton trotz all seiner Schlechtigkeit doch nicht zugetraut.

Ich schauderte. Wie gut, da#223; ich den Stollen gefunden hatte! Bei dem Gedanken, da#223; ohne diesen Ausweg sich die armen Teufel jetzt hilflos da unten befinden w#252;rden, #252;berlief es mich kalt. Da sah ich, da#223; das Weib zur Leiter hinauf wollte; ich ri#223; sie zur#252;ck, nahm sie beim Arme und zog die nur wenig Widerstrebende in den Gang hinein und nach der Stube, in welcher Melton lag. Als dieser uns kommen sah, warf er der Alten einen Blick gespannter Besorgnis entgegen und fragte:

»Ist die Kette unten?«

»Ja,« nickte sie grinsend.

Da lie#223; er ein heiseres Lachen h#246;ren und wendete sich in h#246;hnischem Tone gegen mich:

»Der Teufel wei#223;, wie Ihr hier heraufgekommen seid, Master. Ihr habt mich gl#252;cklich #252;berrumpelt; aber Euer Zweck ist doch verfehlt.«

»Welcher Zweck?« fragte ich, auf seine Absicht, mich zu #228;rgern, eingehend.

»Ihr kennt ihn noch besser als ich; ich werde mich nat#252;rlich h#252;ten, Euch Worte zu sagen, welche sp#228;ter als Beweis gegen mich dienen k#246;nnen.«

»Ich suche die Arbeiter der Hazienda del Arroyo. Wo sind sie?« »Ich wei#223; nichts von ihnen. Sucht sie doch nur!

Sie sind nach Almaden unterwegs, aber noch nicht angekommen; ich bin ihnen vorausgereist.« »Warum habt Ihr die Kette in den Schacht fallen lassen?« »Ich? Ihr habt doch soeben geh#246;rt, da#223; die Frau es getan hat!« »Weil Ihr es ihr befohlen habt.«

»Das wi#223;t Ihr so genau? Fragt sie doch darnach! Sie wird Euch ganz gern alles sagen, was Ihr wissen wollt. Ich aber mu#223; Euch strengstens ersuchen, mich freizulassen! Almaden geh#246;rt mir; ich bin hier der Herr; ich habe zu befehlen, und wenn Ihr mich nicht augenblicklich freigebt, habt Ihr die Folgen zu tragen!«

»Vor den Folgen f#252;rchte ich mich nicht. Was mit Euch geschehen soll und ob Ihr jemals wieder freikommen werdet, das wird das Gericht entscheiden.«

»Das Gericht? Ihr seid toll! Wo gibt es hier ein Gericht?«

»Es ist schon unterwegs. Man wird einmal untersuchen, wer die Yumas gedungen hat, die Hazienda del Arroyo zu #252;berfallen und einzu#228;schern. Man wird auch nach den Arbeitern forschen. Ich denke, da#223; sie, wenn wir sie finden, sehr viel Lobenswertes #252;ber Euch zu berichten haben werden.«

»Dann w#252;nsche ich nur, da#223; Ihr sie findet,« lachte er, »und da#223; Ihr darin gl#252;cklicher seid als ich, denn ich habe sie nicht wiedergesehen, seit ich mich auf der Hazienda von ihnen verabschiedet habe.«

»So sind sie also noch unterwegs, und da ich meinen Zweck hier erreicht habe und also nach der Hazienda zur#252;ckkehren kann, werde ich ihnen wohl begegnen. Da Ihr mich, wie sich ganz von selbst versteht, begleitet, so werdet Ihr das Vergn#252;gen haben, sie auch begr#252;#223;en und Euch von ihrem Wohlergehen #252;berzeugen zu k#246;nnen.«

Sein Gesicht zeigte den schon mehrfach beobachteten teuflisch h#246;hnischen Ausdruck. Er war #252;berzeugt, da#223; wir die Arbeiter unterwegs nicht sehen w#252;rden, da er sie tief unten im Schachte glaubte. Dort waren sie dem gewissen Tode #252;berliefert und konnten nicht gegen ihn zeugen. Freilich war das »Gesch#228;ft«, welches er mit ihrer Arbeitskraft hatte machen wollen, nun zur Unm#246;glichkeit geworden, konnte aber, wenn er nur der Bestrafung entging, in anderer Weise und auf anderem Wege wieder aufgenommen werden. Dieser Gedankengang gab ihm die Antwort in den Mund:

»Soll mich freuen, Sir, denn mit Hilfe ihrer Aussagen werde ich dann den Beweis liefern, da#223; Ihr ganz ohne Grund und Recht hier eingedrungen seid und mich vergewaltigt habt. Die Folgen k#246;nnt Ihr Euch wohl

denken!«

»Es kann nur eine einzige Folge geben, und die wird in einem Stricke um Euren Hals bestehen. Beweise gegen Euch stehen mir genug zur Verf#252;gung; ich denke sogar, da#223; es mir gelingen wird, die Yumas zum Zeugnisse zu bewegen.«

»Versucht es doch!« lachte er.

»Allerdings werde ich das versuchen. Ich meine, da#223; sich auch noch anderes finden wird. Da Ihr der Nachfolger des Haziendero seid, so hat er Euch jedenfalls die von meinen Landsleuten unterschriebenen Kontrakte ausgeliefert. Auch den mit Don Timoteo abgeschlossenen und in Ures unterzeichneten Kaufvertrag werdet Ihr hier bei Euch haben. Und hoffentlich gibt es noch andere Schriftst#252;cke, Briefe und dergleichen, welche Euch unangenehm werden m#252;ssen, falls sie in meine H#228;nde geraten. Ich darf Euch also wohl nicht auffordern, mir zu sagen, wo die Sachen sich befinden?«

»Fragt darnach, soviel Ihr wollt; ich habe nichts dagegen!«

»Ja, aber antworten werdet Ihr mir nicht; wir wollen also alles unn#252;tze Reden dar#252;ber unterlassen und lieber gleich darnach suchen.«

»Sucht immerhin! Ich bin neugierig, wohin Ihr Euer naseweises Riechorgan stecken werdet, um es ohne Erfolg zur#252;ckzuziehen.«

Ich untersuchte zun#228;chst die Kleidungsst#252;cke, welche er trug, doch vergeblich, dann die Taschen der andern Sachen, welche er in der N#228;he seines Lagers h#228;ngen hatte, ebenso ohne Erfolg. Die Hauptsache hob ich mir mit Absicht bis zuletzt auf und begab mich zun#228;chst in die andern R#228;ume. Da, wo die Wellers sich aufgehalten hatten, war ebensowenig etwas zu finden. In der Stube Judiths und in derjenigen der beiden Indianerinnen gab es Speisevorr#228;te, welche uns zu statten kamen. Als ich unverrichteter Sache zu Melton zur#252;ckkehrte, fragte er spottend:

»Jetzt bringt Ihr wohl Euren Fund, Master? Es unterliegt gar keinem Zweifel, da#223; der ber#252;hmte Old Shatterhand stets auf das, was er sucht, sofort mit der Nase f#228;llt!«

»Das ist so richtig, Sir, da#223; ich mir gar keine M#252;he gebe, weiter nachzuforschen. Mein junger Begleiter mag das an meiner Stelle tun und ein wenig an die W#228;nde klopfen. Vielleicht finden wir eine hohlklingende Stelle. Leute Eures Schlages pflegen dergleichen Verstecke zu haben.«

»La#223;t ihn solange klopfen, wie Euch beliebt; mir wird es nur Spa#223; machen.«

Ich war #252;berzeugt, da#223; er die erw#228;hnten Schriftst#252;cke und auch noch andere ihn gravierende Dinge mitmitgebracht hatte; es galt nur, sie zu finden. Das Suchen #252;berlie#223; ich jetzt dem Mimbrenjo, um Melton scharf beobachten zu k#246;nnen. Jeder Kriminalbeamte wei#223;, da#223; bei einer Haussuchung der Gesichtsausdruck und die Augen des Betreffenden als beinahe sichere Wegweiser dienen. Mit einigen leisen Worten instruierte ich den Indianerknaben, nach hohlen Stellen der W#228;nde und des Fu#223;bodens zu suchen und dabei, falls ich mich r#228;uspern sollte, sogleich von dem betreffenden Punkte abzulassen, um aber bald wieder zu demselben zur#252;ckzukehren. Er folgte der Anweisung. Ich hat so, als ob ich meine ganze Aufmerksamkeit ausschlie#223;lich auf seine Bewegungen richtete, behielt aber Melton fest im Auge. Damit er dies nicht bemerken solle, stellte ich mich so, da#223; mein Gesicht im Schatten lag.

Er beobachtete den Mimbrenjo mit sehr zuversichtlichen Blicken; aber diese Zuversicht schien desto geringer zu werden, je n#228;her der Rote dem Lager kam. Als er dasselbe erreicht hatte, hustete ich leise. Er wendete sich ab, und sogleich nahmen die Z#252;ge Meltons den Ausdruck der Befriedigung an. Da dies sich einige Male wiederholte, war ich #252;berzeugt, da#223; das Versteck in dem Lager oder in der N#228;he desselben zu suchen sei. Darum r#228;usperte ich mich nun nicht, als der Rote wieder zu demselben kam. Er nahm es auseinander und untersuchte die Decken. Ich sah, da#223; Melton besorgt geworden war und sich dann freute, als der Knabe nichts fand und also weiter ging.

Ich nahm mit Sicherheit an, da#223; ich nur im Boden unter dem Lager zu suchen brauchte, um das Gew#252;nschte zu finden, und lie#223; nun nicht weiterforschen, denn ich hatte Gr#252;nde, zu w#252;nschen, da#223; er das gl#252;ckliche Resultat unserer Nachforschung nicht erfahren m#246;ge. Als er sah, da#223; der Mimbrenjo seine Bem#252;hungen aufgab, begann er von neuem, uns zu verh#246;hnen; ich nahm mir aber nicht die M#252;he, ihm Antwort zu geben, lie#223; ihn und seine beiden Alten unter der Bewachung des Knaben zur#252;ck und stieg hinauf ins Freie zu den zehn M#228;nnern, welche dort auf uns warteten. Einer von ihnen gen#252;gte, auf die roten W#228;chter aufzupassen; die andern mu#223;ten mir nach unten folgen, um Lebensmittel heraufzubringen. Wir brauchten dieselben unterwegs, da ich nur soviel mitgenommen hatte, wie f#252;r mich und den Mimbrenjo n#246;tig war. Dann schafften wir die W#228;chter einen nach dem andern hinunter in die Stube der beiden Indianerinnen, worauf die zehn die Weisung erhielten, mit dem Proviante zur H#246;hle zur#252;ckzukehren, aber mit solcher Vorsicht, da#223; sie dieselbe unbemerkt erreichen w#252;rden. Ich schickte sie fort, weil Melton sie jetzt noch nicht sehen sollte.

Als dies geschehen war, trug ich die zwei alten Weiber zu den W#228;chtern und Melton in die Stube Judiths. Er mu#223;te aus seinem Zimmer fort, um nicht zu sehen, da#223; wir in demselben weiter suchten, und allein tat ich ihn, da#223; er von den W#228;chtern nicht erfahren solle, da#223; ich Wei#223;e bei mir gehabt hatte, von denen sie #252;berrumpelt worden waren.

Nun ging es an die Untersuchung des unter dem Lager befindlichen Fu#223;bodens. Er bestand aus festgetretener oder gestampfter Erde. Ich klopfte und h#246;rte bald einen hohlen Ton. Als ich die Erde an dieser Stelle mit dem Messer entfernte, stie#223; ich bald auf einen platten Stein, den ich aufhob. Er war nicht gro#223; und bedeckte ein Loch, in welchem ich fand, was ich suchte, n#228;mlich eine lederne Brieftasche, welche zum Schutze gegen die Feuchtigkeit wieder in ein St#252;ck Leder eingeschlagen war. Ich #246;ffnete sie, um einen fl#252;chtigen Blick hineinzuwerfen, da ich zur eingehenden Betrachtung mir nicht die Zeit nehmen wollte. Sie enthielt neben mehreren Briefen eine bedeutende Anzahl zusammengefalteter Papiere, die Kontrakte meiner Landsleute und den Kaufvertrag #252;ber die Hazienda. In einem besondern Fache steckte ein Paket Legal-Tendernoten, deren Betrag ein sehr ansehnlicher zu sein schien. Ich schob das Portefeuille in meine Tasche, machte das Loch wieder so zu, wie es vorher gewesen war, und breitete das Lager dar#252;ber. Hierauf trugen wir die Waffen Meltons ins Freie und gingen dann daran, ihn selbst auch hinaufzuschaffen. Er erhielt, um nicht laut werden zu k#246;nnen, einen t#252;chtigen Knebel in den Mund. Als er sich dem Transporte trotz seiner Fesseln widersetzte, banden wir ihn an einen Lasso, an welchem er hinaufgezogen wurde. Wir zogen auch die Leiter hinauf und machten sie mit Hilfe unserer Messer unbrauchbar. Dies geschah, um Zeit zu gewinnen. Wenn die Yumas mit Tagesanbruch das Fehlen der W#228;chter bemerkten, konnten sie nun nicht in den Schacht. Zwar konnten sie sich mit Lassos hinablassen, freilich nur bis zum G#246;pel; aber um ihnen das zu erschweren, lie#223;en wir die Tr#252;mmer der Leiter so in das Mundloch fallen, da#223; sie sich in demselben einklemmten und die Passage hinderten. Die Leiterst#252;cke mu#223;ten m#252;hsam herausgeschafft werden, wodurch wir genug Zeit gewannen, uns soweit von Almaden zu entfernen, da#223; eine Verfolgung resultatlos sein mu#223;te.

Nachdem wir Meltons Waffen zu uns genommen hatten, wollten wir mit ihm den Berg hinab und gaben ihm deshalb die F#252;#223;e frei. Er weigerte sich, von denselben Gebrauch zu machen, doch brachten ihn einige t#252;chtige Kolbenst#246;#223;e zu besserer Einsicht, und er ging mit uns bis hinab zur Felsenecke, an welcher ich die »listige Schlange« mit Judith belauscht hatte. Hier fesselten wir ihn wieder und banden ihn an einen Stein so fest, da#223; er sich nicht r#252;hren konnte. Ich wollte ihn n#228;mlich hier liegen lassen, da er die geretteten Arbeiter und auch den von ihm betrogenen H#228;uptling noch nicht sehen sollte.

In der H#246;hle brannten die Lichter; ich fand die Landsleute beim Essen. Sie hatten Hunger gelitten und sich nach der R#252;ckkehr der zehn sofort #252;ber die von diesen mitgebrachten Vorr#228;te hergemacht. Ich sagte ihnen, da#223; es hohe Zeit sei, Almaden zu verlassen, da wir, wenn es Tag w#252;rde, schon weit entfernt sein m#252;#223;ten, und sie freuten sich dar#252;ber.

Zun#228;chst wurden die Pferde herausgeschafft; sie waren bestimmt, abwechselnd einstweilen die schw#228;chsten Leute zu tragen. Der Mimbrenjo sollte als F#252;hrer vorangehen, und ich wollte in einiger Entfernung mit Melton folgen. Der »listigen Schlange« wurden die Arme auf den R#252;cken gebunden. Zwar schenkte ich dem Roten genug Vertrauen, um #252;berzeugt zu sein, da#223; er keinen Fluchtversuch machen werde, doch war es auf alle F#228;lle besser, vorsichtig zu sein. Er wurde von den Deutschen in die Mitte genommen.

Nat#252;rlich sch#252;tteten wir, ehe wir aufbrachen, den Eingang zur H#246;hle zu. Als der Zug sich entfernt hatte, ging ich zu Melton, um auch ihn zu holen. Ich band ihn los, gab ihm die F#252;#223;e frei, und da er die Kolbenst#246;#223;e noch nicht vergessen hatte, so ging er ohne Widerstreben mit. Der Dunkelheit wegen schlang ich noch einen Extrariemen um seinen Arm, den ich mit dem andern Ende an den meinigen befestigte.

Ich hielt genau denselben Weg ein, den wir gekommen waren, ging also zun#228;chst s#252;dw#228;rts. Ich wu#223;te, da#223; der Mimbrenjo sich ebenso sicher wie ich auf demselben halten und sich nicht verirren werde.

W#228;hrend wir langsam dahinschritten, verging die Nacht, und der Tag begann zu grauen. Als es so hell geworden war, da#223; wir weit genug blicken konnten, war der Fels von Almaden l#228;ngst nicht mehr zu sehen. Auch meine Kameraden vor uns sahen wir nicht. Ich war absichtlich so langsam gegangen, damit sie einen gen#252;genden Vorsprung gewinnen sollten, denn Melton sollte durch ihren Anblick m#246;glichst stark #252;berrascht werden. Als wir noch #252;ber eine halbe Stunde bis zu dem Punkte zu gehen hatten, an welchem unser Weg sich westlich wendete, schlug ich diese Richtung schon jetzt ein und trieb den Gefangenen zu schnellerem Gehen an, weil ich den Gef#228;hrten vorauskommen wollte, damit er sie nicht vor sich sehen k#246;nne. Dies gelang mir ganz gut, weil die in dem Schachte an ihren Kr#228;ften heruntergekommenen Arbeiter nur langsam gehen konnten. Als wir die Ecke abgeschnitten hatten und unsere Route wieder erreichten, sah ich hinter uns eine lange, dunkle Linie mit zwei mehr hervortretenden Punkten. Diese Linie waren die Fu#223;g#228;nger, die beiden Punkte die Pferde mit ihren Reitern. Melton hielt die Augen vorw#228;rts gerichtet und hatte sie also nicht bemerkt. Er war mir bis jetzt gefolgt, ohne ein Wort zu sagen; nun aber schien ihn das rasche Gehen anzustrengen, und er sagte:

»Wohin wollt Ihr mich denn eigentlich mit solcher Geschwindigkeit schleppen, Sir? Ich vermute, nach der Hazienda del Arroyo?«

»Allerdings, wertester Master,« antwortete ich.

»Zu Fu#223;e! Wann denkt Ihr wohl, da#223; wir da ankommen werden, zumal Ihr einen ganz falschen Weg einschlagt?«

»Es ist genau derselbe Weg, auf dem ich gekommen bin, und ich meine, da#223; es der richtige ist.«

»Nein, es ist ein Umweg. Wenn wir auf den geraden und richtigen kommen wollen, m#252;ssen wir uns viel weiter n#246;rdlich halten. So ein erfahrener Pr#228;riel#228;ufer, wie Ihr seid, sollte das wissen!«

»Der gerade Weg w#252;rde f#252;r mich der falsche sein; das wi#223;t Ihr ganz genau, und darum wollt Ihr mich verleiten, ihn einzuschlagen. Da oben im Norden halten Eure Yumas; dort geht ihre Postenlinie nach der Hazienda, und dort w#252;rden wir auch auf Weller treffen, weicher, und zwar jedenfalls nicht allein, sondern mit Indianerbegleitung, ausgeritten ist, um auszukundschaften, wo ich mich mit Winnetou befinde. Ihr seht, da#223; der Vogel nicht so dumm ist, auf Euren Leim zu gehen.«

Er sah sich durchschaut, #228;rgerte sich dar#252;ber und machte diesem Aerger durch den h#246;hnischen Ausruf Luft:

»Also f#252;rchtet sich Old Shatterhand, der sich sonst doch f#252;r einen so gro#223;en Helden ausgibt!«

Vorsicht ist noch lange nicht Furchtsamkeit, Master, und f#252;r einen Helden habe ich mich noch nie gehalten und auch noch nie ausgegeben. Ich gestehe Euch aufrichtig und unumwunden, da#223; ich zum Beispiel bei meinem gegenw#228;rtigen Unternehmen ein Gl#252;ck gehabt habe wie noch nie in meinem ganzen Leben. Ihr kennt den Umfang desselben noch gar nicht.«

»Ah,« lachte er grimmig auf, »ich kenne ihn doch! Zwei Menschen dringen trotz der Bewachung von soviel Indianern in Almaden ein und holen mich heraus! Das ist allerdings ein ganz unbeschreibliches Gl#252;ck. Ihr habt aber dabei doch auch Ungl#252;ck gehabt, denn die Deutschen habt Ihr nicht gefunden und auch nicht das, was Ihr da oben in meiner Stube suchtet. Und noch viel weniger

Gl#252;ck werdet Ihr von jetzt an haben. Weller wird nicht eher ruhen, als bis er seinen Sohn befreit hat, und dann mit den Yumas #252;ber Euch herfallen. Ich rate Euch also an, es nicht mit mir zu verderben, denn Ihr geratet ganz gewi#223; in unsere H#228;nde, und dann werde ich Euch genau mit demselben Ma#223;e messen, mit welchem Ihr mich jetzt behandelt.«

»Das mag Euch unbenommen bleiben, Sir. Ich gestehe Euch aber, da#223; Ihr mich mit Weller nicht #228;ngstlich machen k#246;nnt. Seinen Sohn kann er nicht befreien, denn dieser ist von dem Herkules erw#252;rgt worden, und wenn wir den Alten ergreifen, was ich mit Sicherheit erwarte, so werden wir wegen Mordversuches sehr kurzen Proze#223; mit ihm machen. Hat er Euch erz#228;hlt, da#223; sein Sohn in unsere H#228;nde geraten ist, so wird er Euch wohl auch gesagt haben, da#223; er mit ihm den Herkules ermorden wollte. Da dieser aber einen #228;u#223;erst harten Sch#228;del besitzt, ist ihm der Kolbenhieb ganz gut bekommen und er wartet mit Schmerzen darauf, mit dem Alten ebenso abrechnen zu k#246;nnen, wie er mit dem jungen abgerechnet hat.«

Melton sah mich eine ganze Weile betroffen an und rief dann aus:

»Der kleine Weller tot! Ihr wollt mir damit doch wohl nur einen krassen B#228;ren aufbinden?«

»Ganz und gar nicht. Ich versichere Euch mit meinem heiligen Worte, da#223; er zwischen den gewaltigen F#228;usten des Athleten entschlafen ist, und der Alte wird demselben Schicksale wohl schwerlich entgehen. Wenigstens bef#252;rchte ich nicht, da#223; er mit den Yumas #252;ber uns herfallen wird. Diese vortrefflichen Menschen werden wohl, wenn es nicht bereits geschehen ist, sehr bald zu der Einsicht gelangen, da#223; Eure Freundschaft eine verr#228;terische und sehr gef#228;hrliche ist.«

»M#246;chte den Grund wissen!« spottete er.

»Dieser Grund hei#223;t "listige Schlange".«

»Inwiefern? Er ist mein treuester Verb#252;ndeter und wird Weller alle seine Krieger gegen Euch zur Verf#252;gung stellen.«

»Ihr meint, da#223; Weller dies von ihm verlangen wird?« »Ja, sobald er mein Verschwinden erf#228;hrt.«

»So, so! Ich denke, da#223; im Indianerlager nicht nur von Eurem Verschwinden, sondern auch von demjenigen der "listigen Schlange" die Rede sein wird. Oder solltet Ihr noch nicht wissen, da#223; der H#228;uptling ganz pl#246;tzlich verschwunden ist?«

»Ich wei#223; kein Wort. Verschwunden? Wohin denn?«

»Hinunter in den Schacht!«

Er wendete mir bei diesen Worten sein Gesicht mit einem so scharfen Rucke zu, als ob er einen Schlag an den Kopf erhalten habe, sah mich mit gro#223;en, starren Augen und weit offenem Munde an und rief dann aus:

»In den Schacht? Wie meint Ihr das?«

»O, gar nicht anders, als wie es in Wirklichkeit geschehen ist. Er ist im Schachte unten eingesperrt und zwar von derselben Person, welche auch die sch#246;ne Judith unten eingeriegelt hat.«

»Judith?« fragte er wie abwesend.

»Freilich, Judith. Sie verzichtete auf das Gold, die edlen Steine, den Palast und das Schlo#223;, auch auf die sch#246;nen Kleider, welche ihr versprochen worden waren, weil ihr in Beziehung auf ihren Vater nicht Wort gehalten wurde und weil der H#228;uptling ihr das alles auch geben wollte. Da wurde sie in den Schacht gelockt und dort eingesperrt von einem gewissen Melton.«

»Mensch, seid Ihr bei Sinnen?!«

»Sogar sehr! Sie wurde eingesperrt, obgleich sie gedroht hatte, da#223; der H#228;uptling nach ihr suchen und sie von Euch fordern w#252;rde. Sie hatte sich n#228;mlich am Abende vorher mit dem H#228;uptlinge verlobt und diesen auf Eure Absichten aufmerksam gemacht. Als die J#252;din verschwunden war, kam der H#228;uptling, um sich bei Euch nach ihr zu erkundigen. Er wurde #252;berw#228;ltigt und auch in den Schacht geschafft.«

»Mann, Ihr redet da einen Roman, der geradezu unm#246;glich ist!«

»Es klingt allerdings wie ein Roman, wie eine phantastische Erfindung, wenn ich sage, da#223; er in dasselbe Loch gesperrt wurde, in welchem Judith steckte.«

»Ihr tut ja, als ob Ihr allwissend w#228;ret!«

»Der Mensch braucht nicht allwissend zu sein, um von dem, was er gesehen und geh#246;rt hat, reden zu k#246;nnen.«

»Wie? Was?« fragte er, indem seine Stimme einen angstvollen Ausdruck annahm und seine Augen aus ihren H#246;hlen treten wollten. »Ihr wollt das gesehen und geh#246;rt haben?«

»Ich will nicht nur, ich behaupte es nicht blo#223;, sondern es ist in Wirklichkeit so.«

»Dann m#252;#223;tet Ihr doch unten im Schachte gewesen sein!«

»Das ist allerdings der Fall.«

Er blieb stehen, starrte mich abermals wie im Traume an und fragte: »Wie wollt Ihr denn wieder heraufgekommen sein?« Da es nicht meine Absicht war, ihm die Wahrheit zu sagen, antwortete ich: »Kann ich nicht an der Kette des F#246;rderkastens heraufgeturnt sein?«

»Nein, denn ich habe dann den Kasten ganz aufgewunden.«

»Ah, jetzt kommt's! Ihr sagt, da#223; Ihr den Kasten dann aufgewunden habt. Mit diesen Worten habt Ihr Euch soeben vergessen, ein Gest#228;ndnis abzulegen!«

»Nun zum Henker, ja! Mag es meinetwegen ein Gest#228;ndnis sein! Ich habe es nur zu Euch gesagt, werde es zu keinem andern wiederholen, und was Ihr behauptet, wird man nicht glauben. Uebrigens werdet Ihr gar nicht zu einer solchen Behauptung kommen, denn Weller wird bald daf#252;r sorgen, da#223; Euch die Lunge den giftigen Atem versagt. Ihr scheint mit dem Satan im Bunde zu stehen, denn nur dieser kann es sein, der Euch hinunter in den Schacht gef#252;hrt hat. Aber verla#223;t Euch nicht zu sehr auf ihn! Der Teufel ist ein schlechter Freund und l#228;#223;t einen gerade dann im Stiche, wenn man seine Hilfe am n#246;tigsten hat!«

»Ja, das habt Ihr wohl gen#252;gsam an Euch selbst erfahren, und gerade jetzt f#252;hlt Ihr Euch ganz und gar von ihm verlassen,« antwortete ich, indem ich mich von ihm abwendete, denn ich m#246;chte behaupten, da#223; der Anblick seines Gesichtes mir geradezu k#246;rperliche Schmerzen verursachte. Die Regelm#228;#223;igkeit und m#228;nnliche Sch#246;nheit seiner Z#252;ge war mit einem Male verschwunden; er sah h#228;#223;lich, diabolisch h#228;#223;lich aus.

»Ich mich verlassen f#252;hlen!« fuhr der Widerw#228;rtige fort. »Da irrt Ihr Euch gewaltig! Ich bin Euch nicht so widerstandslos preisgegeben, wie Ihr denkt. Was wollt Ihr tun, wenn ich mich hier niedersetze und nicht von der Stelle zu bringen bin?«

Er warf sich bei diesen Worten auf die Erde nieder.

»Ihr habt den Kolben schon einmal gef#252;hlt,« antwortete ich. »Er wird Euch auch dieses Mal zum Gehorsam bewegen.«

»Versucht es doch! Sto#223;t mich, schlagt mich! Ich bleibe hier und la#223; mich lieber zu schanden schlagen, als da#223; ich weiter gehe. Wir sind noch nicht zu weit von Almaden und von meinen Yumas. Sie werden nach mir suchen; sie werden unsere F#228;hrte finden und uns folgen; dann werden sie Euch erwischen und mich befreien.«

»Denkt Euch das letztere nicht gar so leicht! Da#223; dies so ist, werde ich Euch beweisen, indem ich Euch nicht zum Weitergehen zwinge. Wir werden also hier bleiben und die Ankunft Eurer Yumas erwarten. Es wird sich dann zeigen, ob sie sich um Euertwillen an mich wagen. Ich werde sogar darauf verzichten, Euch die F#252;#223;e wieder zusammenzubinden, damit Ihr, wenn sie kommen, versuchen k#246;nnt, ihnen entgegenzulaufen.«

Ich setzte mich neben ihm nieder; er legte sich ganz hin, spuckte vor mir aus und wendete sich dann um, damit er mich nicht anzusehen brauche. Das war mir lieb, denn in dieser Stellung sah er die Nahenden nicht, welche, wie ich jetzt bemerkte, nun in der Ferne erschienen. Bald waren sie uns so nahe, da#223; ich ihre Gesichter erkennen konnte. Der Mimbrenjo schritt voran. Er hatte uns gesehen, ging aber ruhig weiter, ohne Vorsichtsma#223;regeln zu treffen, denn sein scharfes Auge hatte mich erkannt. Melton hatte ihn bei mir gesehen, und so wunderte ich mich dar#252;ber, da#223; es ihm nicht eingefallen war, nach ihm zu fragen. Da#223; der Indianer sich nicht bei mir befand, h#228;tte doch seine Aufmerksamkeit erregen m#252;ssen, da die Abwesenheit desselben einen Grund haben mu#223;te.

Nun waren sie uns so nahe, da#223; wir ihre Schritte h#246;rten.

Melton horchte auf, richtete sich dann rasch empor, so da#223; er zu sitzen kam, und drehte sich um. Im n#228;chsten Augenblicke sprang er ganz auf, starrte die Nahenden an, als ob sie Gespenster seien, und rief aus:

»Alle Wetter, was sehe ich; wer kommt da!«

»Eure Yumas, die Euch befreien werden,« antwortete ich. »Hoffentlich freut Ihr Euch, da#223; Eure Erwartung

sich so sch#246;n und so bald erf#252;llt.«

»Verw#252;nschter Kerl! Du stehst wirklich mit dem Teufel im Bunde!«

Indem er mir diese Worte entgegenzischte, versetzte er mir einen Fu#223;tritt und rannte so schnell davon, wie es ihm mit gebundenen H#228;nden m#246;glich war. Der Fluchtversuch war l#228;cherlich; ich stand ruhig auf und tat keinen Schritt, ihn zu verfolgen. Selbst wenn ich ihm h#228;tte nachlaufen wollen, w#228;re dies gar nicht n#246;tig gewesen, denn als die Befreiten, welche sich uns bis auf vierzig oder f#252;nfzig Schritte gen#228;hert hatten, ihn erkannten und davonlaufen sahen, erhoben sie ein lautes Geschrei und rannten hinter ihm her, M#228;nner, Frauen und Kinder; nur der Mimbrenjo blieb stehen und rief mir lachend zu:

»Der Vogel wird nicht weit kommen, denn die Fl#252;gel sind ihm gebunden.«

Den Verfolgern voran waren Judith und die "listige Schlange". Die erstere war nicht eingekerkert gewesen, hatte keine Not gelitten und besa#223; also mehr Kr#228;fte wie die andern. Ganz dasselbe war mit dem H#228;uptlinge der Fall. Zwar waren auch ihm die H#228;nde gebunden, doch half der Grimm, welcher sich seiner beim Anblicke Meltons bem#228;chtigte, ihm diesen Umstand #252;berwinden. Er flog ihm f#246;rmlich nach und kam ihm n#228;her und n#228;her, bis er ihn erreicht hatte; dann eilte er absichtlich einige Schritte #252;ber ihn hinaus, machte eine Wendung und rannte dann mit solcher Kraft gegen ihn, da#223; Melton zu Boden st#252;rzte und sich zweimal #252;berschlug. Er kam gar nicht zu dem Versuche, sich aufzurichten, denn der H#228;upt- H#228;uptling lag schon auf ihm und hielt ihn trotz seiner gefesselten H#228;nde bei der Kehle. Sie rangen miteinander und w#228;lzten sich dabei einigemal um und um, bis Judith kam und dem Roten half. Die J#252;din befand sich in einer Aufregung, welche allerdings nicht weiblich war. Sie schrie in einem fort und schlug dabei mit geballten H#228;nden auf Melton ein, bis die andern kamen, denen sie Platz machen mu#223;te. Nun gab es einen Kn#228;uel von schreienden Menschen, welche Melton in der Mitte hatten. Ich f#252;rchtete f#252;r sein Leben und eilte darum hin, um den Mi#223;handlungen Einhalt zu tun. Als ich mir durch die Leute Bahn gebrochen hatte, sah ich Melton an der Erde liegen; mehrere hielten ihn fest, und Judith bearbeitete mit F#228;usten und N#228;geln sein Gesicht in einer Weise, da#223; ich sie, emp#246;rt #252;ber dieses mehr als h#228;#223;liche Verhalten, wegri#223; und ihr zornig zurief:

»Was f#228;llt Ihnen ein! Ueberlassen Sie den Menschen uns M#228;nnern! Sie sind ja gerade zur Furie geworden.«

»Der Halunke hat es verdient, da#223; ich ihm die Augen auskratze!« keuchte sie atemlos. »Er hat mich betrogen, mich eingesperrt. Ich sollte da unten im Schachte verderben und sterben!«

Sie wollte wieder zu ihm hin; ich schleuderte sie aber fort und sagte, mich zu den andern wendend:

»Da#223; keiner von euch sich weiter an ihm vergreift! Er geh#246;rt jetzt mir und wird seiner Bestrafung nicht entgehen. Wer nicht gehorcht, bekommt es mit mir zu tun!«

Sie wichen zur#252;ck, und ich richtete Melton vom Boden auf. Von seinem #228;u#223;eren Aussehen nicht zu sprechen, befand er sich in einem Seelenzustande, der ihn fast nicht mehr als Mensch erscheinen lie#223;. Er schrie wie ein Tier; seine Augen waren mit Blut unterlaufen, und seine gei- geifernden Lippen brachten die Fl#252;che und Verw#252;nschungen, welche er mir entgegenwarf, nur undeutlich hervor. Es war das Lallen der gr#246;#223;ten Wut, des Grimmes in seinem h#246;chsten Grade. Ich machte diesem W#252;ten dadurch ein Ende, da#223; ich ihm einen Knebel in den Mund stecken lie#223;. Er drohte zwar, zu ersticken, doch brachte die Angst, die ihm dies verursachte, ihn bald zur Ruhe.

Die »listige Schlange« hatte Melton niedergeworfen und festgehalten, bis die andern hinzugekommen waren; dann hatte er von ihm gelassen. Sein Stolz lie#223; ihm nicht zu, sich an den Mi#223;handlungen zu beteiligen; aber in seinen dunkeln Augen gl#252;hte das Feuer der Rache und des unvers#246;hnlichen Hasses. Er wendete sich, da rundum Ruhe eingetreten war, mit der Frage an mich:

»Was gedenkt Old Shatterhand mit diesem verr#228;terischen und gef#228;hrlichen Bleichgesicht zu tun?« »Das kann ich jetzt noch nicht sagen, denn ich mu#223; es mit Winnetou beraten.«

»Das ist nicht n#246;tig, denn der H#228;uptling der Apatschen wird alles guthei#223;en, was Old Shatterhand bestimmt. Beide sind wie einer, und was der eine will, das will stets auch der andere.«

»Zu welchem Zwecke spricht die "listige Schlange" diese Worte?«

»Eines Vorschlages wegen, den ich meinem wei#223;en Bruder machen m#246;chte. Old Shatterhand mag mit auf die Seite kommen, da ich mit ihm allein sprechen will.«

Ich tat ihm den Willen und entfernte mich mit ihm so weit, da#223; Melton uns nicht h#246;ren konnte, auf welchen es abgesehen war, da die Deutschen den Indianer doch nicht verstehen konnten. Dieser begann seinen Vorschlag mit der Frage:

»Wird Old Shatterhand mir aufrichtig sagen, ob er mich f#252;r einen L#252;gner h#228;lt?«

»Warum nicht? Der Name meines roten Bruders k#246;nnte Mi#223;trauen erwecken; dennoch glaube ich, da#223; "listige Schlange" die Wahrheit liebt und viel zu stolz und tapfer ist, sich eine Treulosigkeit zu schulden kommen zu lassen.«

»Mein Bruder hat recht; ich danke ihm. Ich will ihm mitteilen, da#223; ich Frieden mit ihm schlie#223;en m#246;chte, nicht nur f#252;r mich selbst, sondern auch f#252;r meine Krieger.«

»Was wird euer Oberh#228;uptling, der "gro#223;e Mund", dazu sagen?«

»Er wird beistimmen.«

»Das bezweifle ich, denn er hat eine Blutrache gegen mich, weil ich seinen Sohn, den "kleinen Mund", get#246;tet habe.«

»Old Shatterhand ist ein Freund der roten M#228;nner; er t#246;tet keinen von ihnen, au#223;er wenn er dazu gezwungen ist.«

»Das ist zwar sehr richtig, wird aber f#252;r den "gro#223;en Mund" kein Grund sein, seine Rache in Verzeihung, seine Feindschaft in Freundschaft umzuwandeln.«

»So mag er f#252;r sich allein handeln; ich habe mit seiner Rache nichts zu tun. Als wir den Zug nach Almaden unternahmen, haben wir ihn zu unserem Anf#252;hrer gemacht; wir k#246;nnen den, welchen wir w#228;hlen, auch wieder absetzen, denn wir brauchen ihm nur so lange zu gehorchen, wie es uns beliebt. Die Yumas zerfallen in viele St#228;mme; er ist der H#228;uptling des seinigen, und ich bin der H#228;uptling des meinigen. Er ist nicht mehr, als ich bin. Er hat mir Kampf geboten, ich aber erkenne jetzt, da#223; Frieden besser ist. Darum bin ich bereit, mit Old Shatterhand im Namen meines Stammes, wenn auch nicht im Namen aller Yumas, die Friedenspfeife zu rauchen.«

»Wenn aber der "gro#223;e Mund" dann dagegen ist?«

»So bin ich der Freund und Bruder von Old Shatterhand und werde ihn mit allen meinen Kriegern gegen den "gro#223;en Mund" verteidigen. Will mein wei#223;er Bruder mir das glauben?«

»Ich glaube es. Mein roter Bruder wird den Frieden nur unter gewissen Bedingungen schlie#223;en wollen. Er mag mir diese mitteilen!« »Es sind nur zwei. Mein erster Wunsch ist der, da#223; Old Shatterhand nicht dagegen ist, da#223; ich die wei#223;e Blume, welche Judith hei#223;t, zu meiner Squaw mache.«

»ich habe gar nichts dagegen, sondern bin im Gegenteile sehr #252;berzeugt, da#223; kein Wei#223;er f#252;r die Blume so gut pa#223;t, wie mein roter Bruder. Dar#252;ber sind wir also einig. Welches ist nun der zweite Wunsch?«

»Ich will Melton haben!«

»Das dachte ich mir. Die "Listige Schlange" ist also der Ansicht, da#223; ich #252;ber die Person dieses Mannes verf#252;gen kann?«

»Ja. Nach den Gesetzen der Bleichgesichter hat er ihn vielleicht abzuliefern, nach den Gesetzen der roten M#228;nner aber geh#246;rt er ihm, und er kann mit ihm machen, was er will. Wir befinden uns hier auf dem Gebiete der roten St#228;mme, also kann, wenn Old Shatterhand nach unsern Regeln handelt, kein Bleichgesicht ihm dar#252;ber Vorw#252;rfe machen.«

»O doch! Es befinden sich sogar schon wei#223;e Polizisten in der N#228;he, welche Melton fangen wollen; aber ich brauche nicht nach ihnen und ihren Absichten zu fragen; ich tue, was ich will, auch wenn es gegen die Gesetze dieser Leute ist. Mein roter Bruder kann also, wenn es mir beliebt, Melton bekommen. Hat er aber daran gedacht, da#223; auch ich Bedingungen machen werde?«

»Ja. Ich m#246;chte sie h#246;ren.«

»Ich fordere zun#228;chst Frieden zwischen deinem Stamme und allen Bleichgesichtern, welche sich hier bei uns befinden.«

»"Listige Schlange" ist einverstanden.«

»Sodann verlange ich, da#223; sich der Friede auf alle Mimbrenjos erstreckt, welche meine Freunde sind.«

»Dies zuzugestehen, ist viel schwieriger. Ich wei#223;, da#223; du Mimbrenjos bei dir hast; sie sind unsere Feinde; ich brauche nur zu befehlen, so fallen meine dreihundert Krieger #252;ber sie her, um sie zu t#246;ten. Wenn du verlangst, da#223; wir sie schonen, mu#223; ich au#223;er meinen zwei Bedingungen noch einige andere stellen.«

»Behalte sie f#252;r dich! Wie die Sachen stehen, k#246;nnen meine Mimbrenjos dir viel eher Vorschriften machen, als du ihnen; du hast vergessen, da#223; Winnetou ihr Anf#252;hrer ist und da#223; auch ich bei ihnen bin. Wir haben deine dreihundert nicht gef#252;rchtet und werden sie jetzt, da du mein Gefangener bist, erst recht nicht f#252;rchten. Was hindert uns, nach Norden zu reiten und eure Pferde wegzunehmen?«

»Wi#223;t ihr denn, wo diese sind?« fragte er erschrocken.

»Wenn wir es nicht schon w#252;#223;ten, w#252;rde Winnetou sie sicher finden. Uebrigens bist du nicht der einzige, der in unsere H#228;nde geraten ist. Wir haben alle vierzig Yumas gefangen, welche zwischen hier und der Hazienda postiert waren; der "schnelle Fisch" ist auch dabei. Sobald ihr uns bedroht, werden sie erschossen.«

Solche Nachrichten hatte er nicht erwartet. Er blickte eine Weile sinnend vor sich nieder und sagte dann:

»Was Old Shatterhand spricht, kann man glauben; folglich ist es wahr, da#223; du unsere Br#252;der gefangen hast. Das konnte nur dir und Winnetou gelingen!«

»Also wirst du wohl einsehen, da#223; wir gar nicht n#246;tig haben, uns Bedingungen des Friedens vorschreiben zu lassen. Ihr k#246;nntet euch #252;brigens hier gar nicht halten, denn die Wagen, welche ihr aus Ures erwartet, sind mit allem Proviant und der sonstigen Fracht auch von uns weggenommen worden.«

»Uff! So gibt es hier nichts zu essen. Wir haben nur noch auf zwei Tage Vorrat; ist dieser zu Ende, m#252;ssen wir, wenn die Wagen nicht kommen, entweder hungern oder die Gegend verlassen, in der es kein Wild gibt!«

»Ja, ihr seid hilfloser, als du bis jetzt gedacht hast. Ich bleibe also bei meiner Forderung, da#223; der Friede, welchen wir schlie#223;en werden, sich auch auf die Mimbrenjos erstreckt.«

»Und wenn ich mich weigere?«

»So wird das, was wir begonnen haben, seinen Verlauf nehmen. Wir haben nur noch Weller zu fangen; dann nehmen wir euch die Pferde weg, warten, bis der "starke B#252;ffel" mit mehreren hundert Mimbrenjos kommt, und vernichten deinen ganzen Stamm. Du selbst aber wirst, da du der Mitschuldige Meltons bist, mit ihm und Weller dem Richter #252;berliefert. Deine Strafe wird im g#252;nstigsten Falle darin bestehen, da#223; man dich auf viele Jahre in das Gef#228;ngnis sperrt.«

Ein freier Indianer, und jahrelang eingesperrt! Entsetzlicheres kann es gar nicht geben! Der Schreck fuhr ihm in alle Glieder, und die Folge davon war, da#223; er sich schnell entschied:

»Ich sehe ein, da#223; mein Bruder recht hat; die Mimbrenjos sollen also auch mit eingeschlossen sein. Hat Old Shatterhand noch weitere Bedingungen?«

»F#252;r jetzt nicht. Meine sonstigen Vorschl#228;ge werde ich w#228;hrend der Beratung machen, denn ich nehme nat#252;rlich an, da#223; "listige Schlange" das Kalumet nicht eher mit mir rauchen wird, als bis er mit seinen #228;ltesten Kriegern gesprochen hat.«

»Ja, sie m#252;ssen zur Beratung gezogen werden. Wird Old Shatterhand mit mir zu ihnen gehen, oder wollen wir sie kommen lassen?«

»Wir werden das letztere tun.«

»So brauchen wir einen Boten. Wen wird mein wei#223;er Bruder senden?«

»Den Mimbrenjoknaben. Er ist klug, treu und ehrlich; ich kann mich auf ihn verlassen.«

»Mein Bruder wird erfahren, da#223; ich ebenso ehrlich und treu bin. Ich werde ihm meinen Wampum mitgeben als Beweis, da#223; ich bei euch bin und da#223; alles, was er meinen Kriegern sagt, wahr ist. Er mag ihnen erz#228;hlen, was geschehen ist, und die f#252;nf erfahrenen Krieger herbeibringen, deren Namen ich ihm nennen werde; sie sollen unbewaffnet kommen, um zu zeigen, da#223; sie ohne Arg im Herzen sind.«

Nichts konnte mir lieber und erw#252;nschter sein, als gerade diese Wendung der Dinge, durch welche ich Gelegenheit fand, unsere Erfolge ganz zum Vorteile meiner armen Landsleute auszun#252;tzen, denn da#223; diese von den mexikanischen Gerichten weder eine Entsch#228;digung noch sonst etwas zu erwarten hatten, davon war ich vollst#228;ndig #252;berzeugt. Lieferte ich Melton an den Juriskonsulto aus, so entging er wohl gar der Strafe und ich mu#223;te auch die Brieftasche hergeben, deren Inhalt, obgleich ich in Beziehung auf denselben kein Verwendungsrecht besa#223;, ich f#252;r Besseres bestimmt hatte. Ich war also gesonnen, Melton dem H#228;uptling zu #252;berantworten. Man mag mich da der H#228;rte oder gar der Grausamkeit zeihen; ich mache mir keine Vorw#252;rfe, denn dieser Teufel hatte alles andere verdient, aber nur keine Schonung.

Der Mimbrenjo #252;bernahm den Auftrag schon deshalb gern, weil derselbe nicht ganz ungef#228;hrlich war; er erhielt ausf#252;hrliche Anweisungen und ritt auf Winnetous Pferd davon. Die Gesellschaft lagerte sich in einem Kreise, in dessen Mitte Melton genommen wurde; ich aber lie#223; mich au#223;erhalb desselben nieder, um nun unbemerkt von ihm den Inhalt seiner Brieftasche zu untersuchen. Zun#228;chst z#228;hlte ich den Betrag der Banknoten. Der Mann war bedeutend reicher mit Geldmitteln versehen, als ich geglaubt hatte, denn die Summe betrug etwas #252;ber drei#223;igtausend Dollars. Ob das Geld sein Eigentum war oder den Wellers teilweise mit geh#246;rte, oder auch aus der Mormonenkasse stammte, das ging mich nichts an. Sodann fand ich die schon erw#228;hnten Kontrakte, auch den Kaufkontrakt #252;ber die Hazienda del Arroyo und endlich eine Anzahl Briefe, welche ich #246;ffnete, um sie zu lesen. Die meisten stammten aus Utah, einige aus San Franzisko; alle aber bewiesen, da#223; er #252;ber die Grenze gekommen war, um im Interesse der Mormonen eine gr#246;#223;ere Landstrecke zu erwerben und so den ersten Schritt zur Verbreitung derselben auch in Mexiko zu tun. Zwei oder drei von ihnen enthielten Beweise dar#252;ber, da#223; er sich mit den Wellers verbunden hatte, die Erwerbung auf unehrlichem Wege vorzunehmen, um sich eine ansehnliche Summe f#252;r die eigenen Taschen zu verdienen.

Ein einziger Brief war andern Inhaltes. Das Couvert war nicht dabei, und da die Angabe des Datums und des Ortes fehlte, so wu#223;te ich nicht, aus welcher Zeit und woher er stammte. Die Schrift hatte aber eine so frische, tief dunkle F#228;rbung, da#223; ich annahm, dieser Brief sei erst in neuerer Zeit geschrieben worden. Er war »dear uncle«, also »lieber Onkel« #252;berschrieben und enthielt in seinem ersten Teile Mitteilungen ganz unverf#228;nglicher Art, w#228;hrend am Ende folgende Zeilen meine Aufmerksamkeit erregten.

»Und fragst Du, wovon ich hier lebe, so kann ich Dich durch die Versicherung beruhigen, da#223; es mir sehr wohl geht. Ich habe im Spiele Gl#252;ck und au#223;erdem einen Freund gefunden, dessen wohlgef#252;llte Tasche mir stets offen steht. Erinnerst Du Dich noch des reichen einstigen Armeelieferanten, dessen Bekanntschaft Du in St. Louis gemacht hast? Er war ein geborener Deutscher, spielte sich aber gern als Yankee auf und hatte darum seinen urspr#252;nglichen Namen J#228;ger in das englische Hunter verwandelt. Wie ich jetzt erfahren habe, ist er als Schustergeselle von dr#252;ben her#252;bergekommen, hat trotz oder gerade wegen seiner Dummheit gro#223;es Gl#252;ck gehabt und es durch eine Heirat zu einem Ladengesch#228;ft in der William-Street, New York, gebracht. W#228;hrend des Krieges gegen die S#252;dstaaten lieferte er zun#228;chst Schuhwerk, sp#228;ter auch Montierungsst#252;cke und anderes f#252;r die Armee und hat da einen unendlichen Haufen Geld zusammengebracht. Jetzt arbeitet er nicht mehr, ist kr#228;nklich geworden und gibt sich M#252;he, seine ungeheuren Zinsen immer wieder zum Kapital zu schlagen, obgleich er dies gar nicht n#246;tig hat, da seine Frau gestorben ist und er nur ein einziges Kind, einen Sohn, besitzt, welcher als Universalerbe sp#228;ter gewi#223; genug zum

Leben hat. Der Alte ist geizig im h#246;chsten Grade, hat seinen armen Verwandten dr#252;ben noch nie einen Pfennig geschickt, besitzt dabei jedoch eine solche Affenliebe f#252;r den Jungen, da#223; dieser das Geld zum Fenster hinauswerfen kann, ohne den geringsten Vorwurf zu bef#252;rchten. Sein Vater hat ihm in Verleugnung seiner deutschen Abstammung den wunderbaren Vornamen Small gegeben. Er ist ein h#252;bscher, junger Mensch, verzogen, ohne Charakter und Energie, sonst aber gar kein #252;bler Kerl, besitzt nicht eine Spur von Menschenkenntnis und ist so vertrauensselig gegen jedermann, da#223; er alle die Blutegel, welche sich hier an ihn oder vielmehr an seinen Geldbeutel geh#228;ngt haben, f#252;r wahre Freunde h#228;lt. Es wird mir aber gelingen, ihm, nat#252;rlich nur zu meinem Vorteile, die Augen zu #246;ffnen, denn ich habe dadurch, da#223; ich seine Schw#228;chen poussiere, einen Einflu#223; auf ihn gewonnen, welcher von Tag zu Tag gr#246;#223;er wird.

»Wie ich diesen Small Hunter, der f#252;r uns ein fetter Bissen werden kann, kennen gelernt habe, fragst Du? Auf eine h#246;chst eigent#252;mliche Weise. Ich wurde gleich am ersten Tage nach meiner Ankunft hier von einem Kellner mit Mister Hunter angeredet. Dies wurde von andern Personen wiederholt, und als ich dann w#228;hrend eines Konzertes diesem Mister Hunter vorgestellt wurde, standen wir, uns ganz erstaunt anstarrend, eine Weile gegen#252;ber, ohne ein Wort zu sagen. Wir sind einander n#228;mlich zur Verwechslung #228;hnlich, und zwar in Beziehung auf die Gestalt, die Gesichtsz#252;ge und die Stimme. Und wenn ich seinen etwas langsamen und schlotternden Gang annehme, wird sein vertrautester Bekannter sich t#228;uschen. Das ist ein Zufall, den ich benutzen werde und der ihn veranla#223;te, mir sofort seine Freundschaft zu schenken. Es macht ihm gro#223;en Spa#223;, mit mir verwechselt zu werden.

Zun#228;chst gewinne ich ihm im Spiele auf unauff#228;llige Weise soviel und noch mehr ab, als ich brauche.

»Er hat sich mir vollst#228;ndig an- und aufgeschlossen, behandelt mich wie einen Zwillingsbruder und mag nichts davon h#246;ren, wenn ich auch nur leise beginne, von Trennung zu sprechen. Er w#252;nscht, da#223; ich ihn n#228;chstens auf einer gro#223;en Reise begleite. Er reist n#228;mlich leidenschaftlich gern, und sein sonst so geiziger Vater setzt dem, trotz der Summen, die es kostet, nichts entgegen. Seine liebste, ja fast einzige Lekt#252;re sind Reiseschilderungen. So hat er die Vereinigten Staaten durchreist, war in Canada und Mexiko und ist sogar schon auch in Janeiro und England gewesen. Jetzt spukt der Orient in seinem Kopfe. Gelehrte, F#252;rsten, Prinzen reisen hin; warum soll der Sohn eines amerikanischen Million#228;rs nicht dasselbe k#246;nnen! Ich gehe nat#252;rlich nicht nur auf diese Marotte ein, sondern gebe mir alle M#252;he, ihn darin zu best#228;rken. Es w#252;rde mir ja auf diese Weise m#246;glich, meinen Vater zu sehen, welcher wegen Old Shatterhands, der auch so ein verw#252;nschter Deutscher ist, aus dem Lande mu#223;te und, wie Du wei#223;t, die n#246;tige Verborgenheit jenseits des Mittelmeeres gesucht hat.

»Nun sitzen wir von fr#252;h bis sp#228;t abends bei einander und studieren mit Hilfe zweier Lehrer eine t#252;rkische und eine arabische Grammatik, lesen Haremsgeschichten und zeichnen wei#223;e Odalisken und dunkle Sklavinnen an die W#228;nde. Da Small sehr gut veranlagt ist und seinen Reiseplan mit wahrem Feuereifer verfolgt, so macht er in den beiden Sprachen schnelle Fortschritte, und ich mu#223; ihm wohl oder #252;bel folgen. Noch einige Monate, und wir werden, vom Alten mit t#252;chtigen Checks versehen, #252;ber den Atlantischen dampfen.

»Ich schreibe Dir dies mit solcher Ausf#252;hrlichkeit, weil ich Deine Findigkeit kenne und von Dir einen Rat erwarte, wie ich die Verh#228;ltnisse, besonders die wahrhaft verbl#252;ffende Aehnlichkeit, mir am besten eintr#228;glich machen kann. Deine etwaige Mithilfe w#252;rde mir nat#252;rlich nur willkommen sein. Schreib mir also bald, was und wie Du dar#252;ber denkst, doch ja nicht hierher, sondern an meine letzte Adresse, da ich in diesem Falle sicher bin, da#223; der Brief in keine falschen H#228;nde kommt.

Dein Neffe Jonathan.«

Der Brief war f#252;r mich aus mehreren Gr#252;nden von gro#223;em Interesse, zun#228;chst weil in demselben mein Name genannt wurde. Der Vater des Schreibers war durch mich gezwungen gewesen, aus dem Lande zu gehen. Das konnte kein anderer sein, als Meltons Bruder, den ich damals von Fort Uintah bis nach Fort Edward gejagt hatte. Es war ihm dort gelungen, zu entfliehen, und die Polizei hatte keine Spur von ihm zu finden vermocht. Jetzt erfuhr ich durch diesen Brief, da#223; er sich »Jenseits des mittell#228;ndischen Meeres« befand. Aber wo? Ich nahm wohl mit Recht an, da#223; er weder T#252;rkisch noch Arabisch verstanden hatte, aber es gibt in Alexandrien, Kairo, Tunis und Algier Engl#228;nder und Amerikaner, welche in der ersten Zeit dort ebenso nur des Englischen m#228;chtig gewesen sind. Mochte er sich da oder dort befinden, mir konnte das gleich sein; es ging mich nichts an; aber es war mir, wie gesagt, sehr interessant, wieder von ihm zu h#246;ren oder vielmehr zu lesen.

Anders freilich war es mit Small Hunter, welcher sich in gro#223;er Gefahr befand, von seinem falschen Freunde betrogen zu werden. Er war der Sohn eines Deutschen, und ich h#228;tte ihn wohl gern gewarnt. Aber dies zu tun, war unm#246;glich, denn ich befand mich jetzt im Innern von Nordmexiko, er aber in den Vereinigten Staaten, und ich wu#223;te auch nicht den Ort, an welchem er sich aufhielt. Den Wohnsitz seines Vaters kannte ich ebensowenig. Dennoch steckte ich den Brief zu mir, um ihn f#252;r mich zu behalten, w#228;hrend ich die andern dem Juriskonsulto zum strafrechtlichen Gebrauche auszuantworten beabsichtigte.

Eben hatte ich das Portefeuille geschlossen und in meine Tasche zur#252;ckgeschoben, als Melton, den ich vorher von dem Knebel wieder befreit hatte, mich rief. Ich ging zu ihm, um zu h#246;ren, was er von mir wolle. Er sah geradezu absto#223;end aus; sein geschlagenes und zerkratztes Gesicht begann zu schwellen.

»Sir, wohin habt Ihr den Indianerjungen geschickt?« fragte er. »Ich will es wissen! Ich mu#223; auch wissen, was Ihr mit dem H#228;uptlinge so heimlich auszumachen hattet!«

»Ihr tut ja genau so, als ob Ihr mich zwingen k#246;nntet, es zu sagen! Doch, warum soll ich es Euch verschweigen? Ihr werdet es ja so wie so sehr bald erfahren, da#223; Ihr Euch verrechnet habt, als Ihr glaubtet,

Euch auf die Yumas verlassen zu k#246;nnen. Ich werde mit ihnen Frieden schlie#223;en.«

»Sie werden sich h#252;ten!«

»Sie werden sich nicht h#252;ten, denn die "listige Schlange" hat es mir freiwillig angeboten.«

»Hat sie das? Der Kerl verlangt wohl, freigelassen zu werden? Und Ihr wollt ihm diesen Wunsch erf#252;llen?«

»Ich werde so klug sein, nicht nur dies, sondern auch noch mehr zu tun.«

»Er verlangt noch mehr?«

»Ja. Judith zur Frau.«

»In Henkers Namen! Sie sind einander zu g#246;nnen. Er ist ein roth#228;utiger Schurke, der die hellsten L#252;gen gegen mich aussagen wird, und sie hat alle m#246;glichen Feinheiten, die denjenigen, welcher das Gl#252;ck hat, ihr Mann zu sein, verr#252;ckt machen k#246;nnen. Mag sie Indianerin werden! Habt aber doch die Gewogenheit, ihm zu sagen, da#223; sie nur durch Pr#252;gel zu kurieren ist! Verlangt er etwa noch mehr?«

»Noch etwas, was gerade Euch interessieren wird. Ich soll Euch ihm ausliefern.«

»Das werdet Ihr doch nicht tun, Mister!« rief er aus, indem er sich erschrocken halb aufrichtete, »dazu habt Ihr kein Recht!«

»Ob ich es habe oder nicht, das ist mir sehr gleichg#252;ltig; ich nehme es mir.«

»Unm#246;glich! Bedenkt, was Ihr tut, welche Verantwortung Ihr damit auf Euch ladet! Ihr habt doch sonst ein so zartes Gewissen, warum nicht auch?«

»Weil ich an Euch auch nichts Zartes bemerkt habe. Selbst wenn ich mir Skrupel machen wollte, k#246;nnte ich es leicht so einrichten, da#223; ich mein Gewissen nicht zu beschweren brauche. Es ist ja gar nicht n#246;tig, da#223; ich Euch ihm ausliefere.«

»Gut, gut; das wollte ich wissen!« meinte er befriedigt.

»Ich lasse Euch also laufen,« fuhr ich fort. »Im n#228;chsten Augenblicke aber wird der H#228;uptling Euch beim Schopf haben.«

»Wieso? Er ist doch Euer Gefangener! Wollt Ihr ihn etwa auch freilassen?« »Ja.«

»Das geht nicht; das d#252;rft Ihr auf keinen Fall, wenigstens nicht so schnell, nicht jetzt! Er darf erst los, wenn ich mich in Sicherheit befinde!«

»M#228;#223;igt Euch, Sir! Ihr habt hier nichts zu be- befehlen. Bedenkt, in welcher Lage Ihr Euch befindet. Warum sollte ich Euch freilassen und ihn nicht? Ich soll Euch freilassen, der Ihr ihm und uns ans Leben gegangen seid, und ihn festhalten, der uns nichts getan hat? L#228;cherlich!«

»F#252;r mich ist es gar nicht l#228;cherlich, denn wenn er mit mir zugleich freik#228;me, w#252;rde er die Freiheit sofort dazu benutzen, sich an mir zu r#228;chen.« »Dazu hat er allen Grund und alles Recht, w#228;hrend ich nicht den mindesten Grund oder das geringste Recht besitze, Euch gegen ihn in Schutz zu nehmen.«

»So mag ich nicht frei sein, sondern verlange, da#223; Ihr mich dem Gericht ausliefert. Es ist ein Verbrechen von Euch, mich festzunehmen und mit Euch herumzuschleppen; aber ich will das gern dulden und nichts dazu sagen.«

»Wenn Ihr so sehr #252;berzeugt seid, da#223; es ein Verbrechen ist, so werde ich mich h#252;ten, eine so schlimme Tat zu begehen, und Euch lieber loslassen.«

»Aber vor dem Indianer?«

»Nein, nach ihm. Bald werden die hervorragendsten seiner Krieger erscheinen, um mit mir zu beraten. Sind sie zum Frieden geneigt, so rauchen wir das Kalumet, und ich gebe ihn frei.«

»So la#223;t mich jetzt los, damit ich gehen kann!«

»Wie kann ich das tun, da ich noch gar nicht wei#223;, ob ich mit den Yumas einig werde! Und gerade Eure Auslieferung ist die Hauptbedingung, auf welche sie dringen werden. Gebt Euch also keine weitere M#252;he! Ich werde mich zwar nicht pers#246;nlich an Euch vergreifen, aber doch daf#252;r sorgen, da#223; die Vergeltung ihre starken H#228;nde an Euch legt.«

»So seid Ihr nicht mehr ein Mensch, sondern ein

Teufel zu nennen! Ihr solltet und k#246;nntet Euch mit dem begn#252;gen, was Ihr schon an uns getan habt!« »An uns, sagt Ihr? Wen meint Ihr da?«

»Meinen Bruder, den Ihr ins Elend gebracht habt. Ihr habt ihn damals nach Fort Edward geschleppt!«

»Ach, jenen Spieler, welcher in Fort Uintah einen Offizier und zwei Soldaten erscho#223;? Der ist Euer Bruder? Das h#228;ttet Ihr lieber verschweigen sollen, denn eine solche Verwandtschaft kann unm#246;glich ein Grund sein, mich zur Nachsicht zu stimmen.«

»So nehmt die Sache doch einmal anders; dann kann sie Euch gar wohl veranlassen, bedenklich zu werden. Mein Bruder ist damals entkommen; ist das nicht auch bei mir m#246;glich? Ihr waret damals auch #252;berzeugt, da#223; man ihn festhalten werde; ebenso kann es jetzt und hier ganz anders kommen, als ihr erwartet. Denkt daran, da#223; mein Bruder schon nur um seinetwillen den grimmigsten Ha#223; gegen Euch haben mu#223;! Wenn er erf#228;hrt, wie Ihr Euch nun auch gegen mich verhaltet, so wird er nicht eher ruhen, als bis er sich und mich ger#228;cht hat.«

»Ich f#252;rchte seine Rache nicht; er ist verschwunden und verschollen.« »Scheinbar! Er ist noch immer hier.«

»Wo?«

»Das habe ich Euch nat#252;rlich nicht zu sagen. Wo er sich befindet, wei#223; zwischen den Eskimos und den Feuerl#228;ndern kein Mensch, als nur ich allein.«

»Noch zwei andere wissen es.« »Wer w#228;ren diese?«

»Ich und Euer Neffe Jonathan.«

»Jon - -« er brachte nur die erste Silbe dieses Namens hervor, stierte mir eine ganze, lange Minute in das Gesicht und fuhr dann stockend fort:

»Wer hat - - Euch gesagt - - da#223; ich - - einen - - Neffen habe?«

»Das ist gleichg#252;ltig; aber Ihr erseht daraus, da#223; es mit meiner Allwissenheit denn doch wohl besser steht, als Ihr dachtet. Eine Familie, wie die Eurige ist, beh#228;lt man gern im Auge, um sich und andere vor Schaden zu bewahren.«

»Ihr wollt nur wichtig tun! Wenn Ihr nicht l#252;gt, so sagt mir doch einmal, wo sich mein Bruder befindet4

»Jenseits des mittell#228;ndischen Meeres.«

»Des mittel - - l#228;ndischen? Was wollt Ihr damit sagen?«

»Da#223; Ihr Euren Bruder aus dem Oriente holen m#252;#223;tet, wenn er Euch helfen oder sich #252;berhaupt an mir r#228;chen sollte. Doch f#228;llt mir dabei ein, da#223; es gar nicht n#246;tig ist, da#223; Ihr ihn selbst holt. Euer Jonathan will ja nach dem Oriente; dem k#246;nnt Ihr den Auftrag mitgeben.«

»Jonathan - nach dem Oriente? Es tr#228;umt Euch wohl?«

»M#246;glich! Nebenbei tr#228;ume ich auch noch von einem gewissen Small Hunter, welcher sich mit t#252;rkischer und arabischer Grammatik besch#228;ftigt und in naher Zeit mit einigen Checks seines geizigen Vaters #252;ber den Ocean dampfen will. Vielleicht findet sich der junge Master mit Eurem Neffen zusammen. Solche Zuf#228;lle sind ja nicht nur m#246;glich, sondern kommen wirklich vor.«

Da gab es ihm einen Ruck, als ob er v#246;llig aufspringen wolle, woran ihn aber die Fesseln hinderten; dann spuckte er mich wieder an und schrie, im h#246;chsten Grade erbost:

»In dir stecken mehr als hundert Teufel. Mag dich die H#246;lle verschlingen!«

Dann warf er sich wieder nieder und drehte sich auf die Seite, um mich nicht ferner sehen zu m#252;ssen. Ich kehrte an meinen Platz zur#252;ck.

Wir waren von Almaden bis zu der Stelle, an welcher wir lagen, zwar l#228;nger unterwegs gewesen, doch nur infolge davon, da#223; wir uns erst s#252;dw#228;rts gewendet hatten; wir befanden uns in Wahrheit jetzt nur eine Wegstunde von dem Lager der Yumas entfernt. Ich nahm an, da#223; der Mimbrenjo mit seinem guten Pferde nur eine Viertelstunde gebraucht hatte, um die Strecke zur#252;ckzulegen; eine halbe Stunde rechnete ich auf seine Besprechungen dort; er konnte also nach Verlauf einer Stunde wieder zur#252;ck sein, wenn er den Yumas voranritt, denn zu f#252;hren brauchte er sie nicht, da sie infolge seiner F#228;hrte uns leicht finden konnten. Sie hatten keine Pferde bei sich und mu#223;ten also gehen; darum konnten sie nicht eher als sieben Viertelstunden nach dem Aufbruche des Mimbrenjo bei uns sein.

Die Stunde verging, ohne da#223; dieser sich sehen lie#223;; ich glaubte infolgedessen, da#223; er nicht eher kommen werde, sondern als F#252;hrer bei ihnen geblieben sei, hatte mich in Beziehung auf die Zeit auch nicht verrechnet, denn als nicht viel mehr an der zweiten Stunde fehlte, sahen wir f#252;nf oder sechs Fu#223;g#228;nger von Norden her auf uns zukommen. Es waren die Indianer; aber der Mimbrenjo befand sich nicht bei ihnen. Warum kam er nicht? Wo war er geblieben? Ich war wirklich gespannt, dies zu erfahren.

Es war augenscheinlich, da#223; sie der Spur folgten, welche er bei seinem Hinritte verursacht hatte, denn sie gingen in geb#252;ckter Haltung und hielten die Augen zu Boden gerichtet. Als sie nahe genug gekommen waren, richtete sich die »listige Schlange« auf, und ich tat ebenso; da sahen sie uns und kamen nun schneller herbei. Sie waren bewaffnet, ganz gegen den Befehl ihres H#228;uptlings, legten aber in einer Entfernung von vielleicht zweihundert Schritten ihre Messer, Bogen, Pfeile und Lanzen nieder und kamen dann vollends heran. Sie hatten die Waffen doch mitgenommen, aber nicht aus Hinterlist, sondern weil sie unterwegs infolge irgend eines Umstandes in die Lage kommen konnten, dieselben zu brauchen.

Sie taten so, als ob sie nicht s#228;hen, da#223; der »listigen Schlange« die H#228;nde gebunden waren; sie wollten ihn m#246;glichst wenig in Verlegenheit bringen, betrachteten mich mit gro#223;en, achtungsvollen Blicken, die keine Spur von zudringlicher Neugierde besa#223;en, und nahmen die Gruppe der Deutschen kurz in Augenschein; aber Melton schienen sie gar nicht zu sehen. Letzteres war ein gutes Zeichen f#252;r mich. Da sie ihn mit solcher Verachtung straften, durfte ich annehmen, da#223; der Mimbrenjo sich seines Auftrages in bester Weise entledigt habe und da#223; sie von der Schuld und Treulosigkeit Meltons #252;berzeugt worden seien. Vor allem andern mu#223;te ich erfahren, warum der Indianerknabe nicht mitgekommen war. Darum nahm ich, um dem H#228;uptlinge zun#228;chst mein Vertrauen zu zeigen, ihm die Fesseln ab und sagte dabei:

»Mein roter Bruder soll der Beratung als freier Mann beiwohnen; sie kann sofort beginnen, nachdem ich erfahren habe, weshalb mein Bote, der junge Mimbrenjo, nicht mitgekommen ist.«

Einer der Yumas #252;bernahm als #228;ltester von ihnen die Antwort:

»Er ist nach Westen geritten, um Weller getrieben zu bringen.«

»Weller?« fragte ich. »Das ist eine gro#223;e Unvorsichtigkeit, denn der war uns sicher; er mu#223;te ihn mir #252;berlassen.«

»Old Shatterhand ist ein ber#252;hmter Krieger; meine Taten aber sind klein; er mag verzeihen, da#223; ich nicht seiner Meinung bin. Weller stand im Begriff, f#252;r immer zu entkommen.«

»Wieso? Da er auf Kundschaft gegangen ist und also wiederkehren wird, mu#223; er uns gerade in die Arme laufen.«

»Nun nicht mehr, denn er kehrte zur#252;ck, als der Mimbrenjo seine Botschaft ausgerichtet hatte.« »Das ist freilich etwas anderes. Ihr habt ihm gesagt, um was es sich handelt?« »Ja, denn er fragte, was der Mimbrenjo bei uns wolle.« »Wie nahm er die Kunde auf?«

»Erst war er so erschrocken, da#223; er kaum sprechen konnte; dann w#252;tete er vor Grimm und forderte uns auf, gegen Old Shatterhand und seine Bleichgesichter aufzubrechen. Das taten wir nicht, da "listige Schlange" uns benachrichtigt hatte, da#223; Friede geschlossen werden solle. Wir konnten nicht tun, was Weller wollte, weil wir unserm H#228;uptlinge zu gehorchen hatten.«

»Warum habt ihr ihn nicht festgehalten?«

»Durften wir das? Er ist jetzt noch unser Freund und Bruder; der Vertrag, welchen wir abgeschlossen haben, ist noch nicht zerrissen, und der Friede mit dir mu#223; erst geschlossen werden. Darum konnten wir ihn nicht halten; wir hinderten aber auch den Mimbrenjo nicht, ihm nachzureiten.«

»War das Pferd, welches Weller ritt, ein gutes?«

»Ja; aber es hat durch die W#252;ste gemu#223;t, war erm#252;det und hatte Durst.«

»So wird der Mimbrenjo ihn sehr rasch einholen; es wird zwischen ihnen zum Kampfe kommen, was ich gern verhindern m#246;chte und doch nicht verhindern kann. Ich kann aber auch nicht eher von hier fort, als bis ich mit euch abgeschlossen habe.«

Da antwortete der H#228;uptling:

»Wenn Old Shatterhand fort will, um dem Mimbrenjo zu helfen, so mag er getrost fortreiten. Er braucht nicht zu besorgen, da#223; wir eine Untreue begehen. Seine Bleichgesichter m#246;gen die Waffen meiner Krieger an sich nehmen und uns bis zu seiner R#252;ckkehr als ihre Gefangenen betrachten.«

Das war immerhin soviel, wie ich nur verlangen konnte, dennoch ging ich nicht darauf ein, sondern entschied:

»lch bleibe noch hier. Wenn wir uns beeilen, werde ich wohl noch zur rechten Zeit kommen.«

»Da mu#223; ich meinen wei#223;en Bruder darauf aufmerksam machen, da#223; man alles andere eher als eine Beratung oder gar einen Friedensschlu#223; beeilen darf. Es gibt da vieles zu #252;berlegen und zu besprechen, und wenn man das zu schnell tut, kann sp#228;ter leicht eine falsche Auslegung vorkommen. Also ist es besser, mein Bruder reitet fort und wir beraten uns, wenn er zur#252;ckgekehrt ist.«

Da fiel der vorige Sprecher ein:

»Er wird bleiben k#246;nnen, denn ehe der Mimbrenjo fortritt, hat er gesagt, da#223; er Weller getrieben bringen will, nicht aber, da#223; er zu k#228;mpfen beabsichtigt. Er ist noch jung, aber er hat ein ausgezeichnetes Pferd und scheint an Verstand und Ueberlegung #228;lter als an Jahren zu sein.«

Als ob sich die Wahrheit dieser Worte im Augenblicke best#228;tigen sollte, ert#246;nte, als sie gesprochen worden waren, ein Schu#223;, und im Westen wurde ein Reiter sicht- sichtbar, welcher gerade s#252;dlicher Linie zu reiten schien. Bald bemerkten wir aber, da#223; die Linie doch keine gerade war, denn er lenkte bald nach dieser, bald nach jener Seite ab und n#228;herte sich uns dabei immer mehr. Es war klar, da#223; er vor jemandem floh, der ihn uns zutreiben wollte.

Bald erblickten wir auch den zweiten. Er war kleiner als dieser erstere und hatte ein weit schnelleres Pferd. Wir hatten also Weller und den Mimbrenjo vor uns. Der erstere gab von Zeit zu Zeit, wenn er wieder geladen hatte, einen Schu#223; auf den Roten zur#252;ck, doch ohne zu treffen, und der letztere scho#223; auch hier und da, um Weller abzuhalten, rechts oder links auszubrechen. Auch seine Kugeln trafen nicht, obwohl er sich innerhalb Treffweite von dem Wei#223;en befand. Da#223; keiner von ihnen traf, hatte seine guten Gr#252;nde. Der Mimbrenjo scho#223; mit Absicht daneben; er wollte Weller nicht t#246;ten, sondern ihn in unsere H#228;nde treiben. Und da#223; dieser fehlscho#223;, hatte seinen Grund, wie sich sp#228;ter herausstellte, darin, da#223; er falsche Patronen eingesteckt hatte.

Ich mu#223;te dem Mimbrenjo seine Aufgabe erleichtern, stieg deshalb in den Sattel und ritt den beiden entgegen. Als Weller das sah, strengte er sein Pferd aufs #228;u#223;erste an, um s#252;dw#228;rts zu entkommen, doch nach noch nicht zwei Minuten hatte ich ihn nicht nur eingeholt, sondern war #252;ber ihn hinaus, hielt mein Pferd an, nahm das Gewehr an die Wange und rief ihm zu:

»Herab vom Pferde, Master Weller, sonst wirft Euch meine Kugel herunter!«

Er lie#223; ein grimmiges Lachen h#246;ren, warf sein Pferd auf die andere Seite, um nach dort zu fliehen, und legte dabei sein Gewehr an, um mir eine Kugel zu geben. Der Mensch konnte bei der Bewegung, welche er machte, unm#246;glich sicher zielen; ich brauchte also, um nicht getroffen zu werden, nur ganz ruhig da sitzen zu bleiben, wohin seine Kugel bestimmt war. Sein Schu#223; krachte, aber von seiner Kugel f#252;hlte ich nichts.

Er hatte sich verrechnet, denn als er gewendet hatte, sah er den Mimbrenjo vor sich, welcher sein Pferd auch angehalten hatte und ihm das Gewehr entgegenhielt. Der auf diese Weise zwischen zwei Feuer Genommene sah nun nur noch einen Ausweg vor sich, n#228;mlich die Richtung, in welcher ihn der Mimbrenjo hatte haben wollen - nach unserm Platze zu. Er schlug dieselbe ein und spornte sein Pferd so an, da#223; wir es st#246;hnen h#246;rten. Meine Landsleute trugen keine solche Waffen, mit denen sie ihn h#228;tten anhalten k#246;nnen; der Mimbrenjo hielt weit zur#252;ck; ich war also auf mich angewiesen und folgte ihm. Ich h#228;tte das Pferd leicht unter ihm wegschie#223;en k#246;nnen, wollte das aber nicht. Warum ein unschuldiges Tier eines solchen Schurken wegen t#246;ten! Ich h#228;tte auch ihm eine Kugel geben, ihn wenigstens durch eine Wunde aus dem Sattel werfen k#246;nnen, wollte ihn aber gern lebendig und unverletzt ergreifen. Auch erschien es mir nichts weniger als wacker, ihn, den abgehetzten Menschen, der mit meinen #252;berlegenen Hilfsmitteln zu k#228;mpfen hatte, durch eine Kugel zu bezwingen. Ich nahm mir also vor, ihn mit der Hand festzunehmen.

Er besa#223; einen Doppell#228;ufer, dessen einer Lauf leergeschossen war; anstatt wieder zu laden, verlie#223; er sich auf den zweiten Lauf. Ich jagte hinter ihm her, doch nicht gerade auf ihn zu. Ehe ich ihm so nahe kam, da#223; ich ihn packen konnte, mu#223;te erst die Kugel aus seinem zweiten Laufe. Darum rief ich ihm abermals zu:

»Haltet an, Master, sonst schie#223;e ich!«

Er lie#223; sich durch die Drohung verleiten, drehte sich um und scho#223;. Ich sah den Lauf genau auf meinen Oberk#246;rper gehalten; der Schu#223; war dieses Mal nicht ins Blaue gerichtet; darum warf ich mich augenblicklich nach Indianerart auf die Seite des Pferdes herab, richtete mich, als die Kugel #252;ber mir weggeflogen war, wieder auf und jagte auf ihn zu. Da er nun keine Zeit zum Wiederladen hatte, warf er die jetzt nutzlose Flinte weg und zog den Revolver aus dem G#252;rtel. An diesen hatte ich nicht gedacht. Es w#228;re die allergr#246;#223;te Albernheit gewesen, ihn trotz seines Revolvers noch packen zu wollen. Darum gebot ich ihm:

»Weg mit dem Revolver, sonst schie#223;e ich nun wirklich!«

Er gehorchte nicht, sondern wartete nur, da#223; ich noch ein wenig n#228;her kommen m#246;chte, um sicherer treffen zu k#246;nnen. Mein Pferd galoppierte eben, dennoch stellte ich mich in den B#252;geln auf, um einem etwaigen Sto#223;e zu begegnen und sicherer zielen zu k#246;nnen, legte den Stutzen an und dr#252;ckte ab. Weller stie#223; einen Schrei aus, lie#223; den Revolver fallen und den Arm sinken. Einige Sekunden sp#228;ter war ich an seiner Seite, warf den Stutzen auf den R#252;cken und streckte beide Arme nach ihm aus, indem ich mich zu ihm hin#252;berbog.

»Herunter mit Euch!« rief ich ihm dabei zu. »Und wenn Ihr nicht freiwillig wollt, so werfe ich Euch herab!«

Ich fa#223;te ihn, um ihn aus dem Sattel zu rei#223;en. Da zog er mit der Linken einen zweiten Revolver hervor und antwortete hohnlachend:

»Das geht nicht so schnell, Master Shatterhand. Ihr habt nicht mich, sondern ich habe Euch!«

Er wollte abdr#252;cken, kam aber nicht dazu, denn ich hieb ihm mit der linken Hand die Waffe aus der seinigen und schlug ihm die rechte Faust von unten her gegen das Kinn, da#223; ihm der Kopf in den Nacken flog. Zwei schnelle Griffe in meine und seine Z#252;gel - die Pferde standen; sofort war ich aus dem Sattel und ri#223; auch ihn herunter. Er fiel wie ein Sack zur Erde und blieb da liegen. Seine Augen waren geschlossen; aus dem halbge#246;ffneten Munde lief Blut hervor. Hatte ich ihm das Genick gebrochen?

Bevor ich ihn daraufhin untersuchte, versicherte ich mich seiner Person, indem ich ihm die Arme mit seinem G#252;rtel festband, und auch der Sachen, die er bei sich trug. Ich brauchte mich dadurch keineswegs f#252;r einen R#228;uber zu halten. Wer wei#223;, ob alles, was er bei sich hatte, sein rechtm#228;#223;iges Eigentum war. Vielleicht konnte mir etwas davon von Nutzen sein. Ich fand eine Brieftasche und eine aus starker Seide geh#228;kelte B#246;rse, zwischen deren Maschen Goldst#252;cke hervorgl#228;nzten, und steckte beides zu mir. Die Uhr und alles andere lie#223; ich stecken.

Da kam der Mimbrenjo, welcher vom Pferde stieg, um die weggeworfene Flinte und die beiden Revolver aufzunehmen. Jetzt begann sich das Gesicht Wellers zu beleben. Er #246;ffnete die Augen und fuhr mich giftig an:

»Mensch, was habe ich mit Euch zu schaffen! La#223;t mich in Ruhe; la#223;t mich los, sonst kann es Euch schlecht bekommen.«

Ich h#246;rte es ihm an, da#223; er sich in die Zunge gebissen hatte; mein Hieb hatte ihm den unteren Kiefer gegen den oberen getrieben, und die Zunge war zwischen die Z#228;hne gekommen.

»Redensart!« antwortete ich. »Ich m#246;chte wissen, auf welche Art und Weise Ihr mir schaden k#246;nntet. Steht auf, und kommt mit mir!«

»F#228;llt mir nicht ein! Ich bleibe hier liegen, bis Ihr mich losgebt!«

»Diesen Wunsch k#246;nnte ich Euch ganz gut erf#252;llen. Ich brauchte Euch nur auch noch die Beine zusammenzubinden und Euch liegen zu lassen, bis Ihr verschmachtet oder bei lebendigem Leibe von den Geiern zerrissen werdet. Ich will aber menschlicher an Euch handeln, wenn es auch gegen Euren Willen ist. Also auf vom Boden, sonst helfe ich nach!«

Er blieb dennoch liegen; als ihm aber der Mimbrenjo den Kolben zwischen die Rippen stie#223;, sprang er fluchend auf und folgte uns, die wir die drei Pferde an den Z#252;geln f#252;hrten. Als wir ihn zum Platze brachten, machte es mir gro#223;e M#252;he, die ihm zugedachten Mi#223;handlungen von ihm abzuwenden.

Wir banden ihm die F#252;#223;e und legten ihn nieder, doch nicht neben Melton, damit sich beide nicht durch Worte verst#228;ndigen m#246;chten.

Die Yumas waren aus n#228;chster N#228;he Zuschauer des ganzen Vorganges gewesen. Da#223; ich mich den Kugeln Wellers ausgesetzt hatte, #252;bergingen sie mit Schweigen; zu dem kleinen Mimbrenjo aber sagte die »listige Schlange"

»Mein junger Bruder wird ein t#252;chtiger Krieger werden. Es freut mich, mit ihm Frieden schlie#223;en zu k#246;nnen und mich aus seinem Feinde in seinen Freund zu verwandeln.«

Damit war die Beratung eingeleitet, welche nun beginnen konnte. Sie w#228;hrte #252;ber zwei Stunden lang und f#252;hrte zu einem Ergebnisse, welches mich vollst#228;ndig befriedigen konnte. ich hatte Melton der »listigen Schlange« auszuliefern und nichts dagegen zu tun, da#223; Judith das Weib des Roten wurde. Daf#252;r erhielt ich alle Zugest#228;ndnisse, auf welche ich angetragen hatte. Einen solchen Erfolg h#228;tte ich, als ich mit dem kleinen Mimbrenjo hier ankam, f#252;r geradezu unm#246;glich gehalten. Nat#252;rlich wurde die Vereinbarung durch die Pfeife des Friedens beraucht, und als wir damit fertig waren, brachen wir nach dem Lager der Yumas auf, damit aus R#252;cksicht auf meine Sicherheit jeder der dort anwesenden Roten auch einen Zug aus der Pfeife tun sollte. War das geschehen, so konnte ich #252;berzeugt sein, da#223; alle Punkte unseres Abkommens von ihnen mit gr#246;#223;ter Treue gehalten werden w#252;rden. Erst als auch das vor#252;ber war, konnten wir an weiteres denken.

»Was w#252;nscht nun mein wei#223;er Bruder, was jetzt geschehen soll?« fragte die listige Schlange. »Wird der

H#228;uptling der Apatschen mit denen, die bei ihm sind, zu uns kommen, oder werden wir zu ihm gehen?«

»Das letztere ist wahrscheinlicher. Ich mu#223; erst mit meinen wei#223;en Br#252;dern reden.«

Bevor ich dies tat, untersuchte ich die Brieftasche und die B#246;rse Wellers. In der ersteren befanden sich f#252;nftausend Dollars in denselben Papieren, welche auch Melton gehabt hatte, und in der letzteren nicht ganz f#252;nfhundert Dollars in Goldst#252;cken. Dann versammelte ich diejenigen m#228;nnlichen Personen meiner Landsleute um mich, welche #252;ber das, was ich ihnen vorschlagen wollte, zu bestimmen hatten, n#228;mlich die Familienv#228;ter und andern selbst#228;ndigen Personen. Die #252;brigen sollten nicht h#246;ren, was ich vorzubringen hatte; wenigstens brauchten sie #252;ber den Geldpunkt nichts zu erfahren, denn dieser Punkt war ein f#252;r mich heikler, obgleich ich #252;berzeugt war, das, was ich beabsichtigte, vor meinem Gewissen vollst#228;ndig verantworten zu k#246;nnen. Nat#252;rlich durften auch Melton und Weller nichts davon h#246;ren.

W#228;hrend sich diese Personen zusammenfanden, nahm ich Judith und ihren Vater auf die Seite und fragte die erstere:

»Ich wei#223;, was Sie da dr#252;ben an der Felsenecke mit dem H#228;uptlinge besprochen haben. Haben Sie Ihrem Vater etwas davon gesagt?«

»Ja,« antwortete er an ihrer Stelle. »Die Tochter meines Herzens hat mir erz#228;hlt von der Ehre, welche ihr zu teil wird sein, zu werden die H#228;uptlingin und Herrscherin eines gro#223;en roten Volkes von der Nation der Indianer.«

»Sind Sie denn damit einverstanden?«

»Warum sollte ich nicht? Ist doch dabei zu machen ein gro#223;er Gewinn f#252;r sie und auch f#252;r meine Person, denn wir werden sein angesehene und bedeutende Leute in Mexiko und Amerika.«

»Sie scheinen sich nicht ganz die richtige Vorstellung von der politischen Bedeutung eines Indianerstammes und der sozialen Stellung eines H#228;uptlings zu machen. Ich habe die Pflicht, Ihnen zu sagen, da#223; -«

»Sagen Sie nichts, sagen Sie gar nichts!« unterbrach er mich. »Ich bin der treue Vater meiner Judith und habe zu horchen nur auf das, was sie sagt und was sie will. Wir werden beherrschen einen Indianerstamm und meine Tochter kleiden k#246;nnen in Samt und Seide. Oder glauben Sie, da#223; der H#228;uptling sie mit dem Golde und den Edelsteinen belogen hat?«

»Nein. Es gibt hier zu Lande verborgene Sch#228;tze, welche die Nachkommen der alten Mexikaner mit ebenso gro#223;erTreue wie Verschwiegenheit h#252;ten. Warum sollte der H#228;uptling nicht ein solches Geheimnis kennen? Er ist kein L#252;gner und wird sein Versprechen halten. Nur m#252;ssen Sie den richtigen Ma#223;stab an dasselbe legen. Er ist ein Wilder und wei#223; wohl nicht recht genau, was er sich unter einem Schlosse oder einem Palaste vorzustellen hat. Wenn er von einer Elle redet, m#252;ssen Sie immer nur einen Zoll nehmen. Auch mangelt ihm diejenige

Bildung, welche allein Ihrer Tochter die Sicherheit gew#228;hrt, da#223; - -«

»Bildung, Bildung! Was ist Bildung!« unterbrach er mich wieder. »Warum soll er nicht haben Bildung, wenn er besitzt Geheimnisse #252;ber Gold und Edelsteine? Ist ein neues, seidenes Kleid keine Bildung? Hat derjenige, welcher einen Palast oder gar ein Schlo#223; besitzt, nicht einen gro#223;artigen Verstand? Was steckt in einem Seminare, in einem Gymnasium, in einer Universit#228;t? H#246;lzerne B#228;nke zum Sitzen mit Tintenf#228;ssern zum Schreiben. Was ist das gegen die M#246;bel von Rokoko oder Renaissance, welche man in einem Schlosse findet? Nein, nein, der H#228;uptling besitzt eine Bildung, mit welcher ich als Schwiegervater au#223;erordentlich zufrieden sein kann!« »Wenn Sie so denken, will ich schweigen, zumal ich ihm versprochen habe, nicht gegen seine Absichten zu reden oder gar zu handeln. Ich w#252;nsche Ihnen, da#223; Sie nicht entt#228;uscht werden. Was aber gedenken Sie vorerst zu tun? Ich stehe im Begriff, Ihren Gef#228;hrten den Vorschlag zu machen, die Sonora und #252;berhaupt Mexiko zu verlassen.«

»Sie meinen, da#223; sie das tun werden?«

»Wenn sie klug sind, ja.«

»Warum wollen sie nicht bleiben? Soll ich mit Judith sein ganz allein unter den Indianern?«

»Was sollen die Leute bei den Yumas anfangen? Sollen sie verwildern? Es kann doch nicht jede die Frau und jeder der Schwiegervater eines H#228;uptlings werden! Sie haben gesehen, was sich dem deutschen Arbeiter hier bietet. Ich werde die Leute also #252;ber die Grenze nach den Vereinigten Staaten f#252;hren, und der H#228;uptling wird es nicht zugeben, da#223; Sie mitziehen.«

»Das ist ihm auch nicht zu verdenken. Wenn er hat

Gold und Silber hier im Lande und kann haben dazu eine junge, sch#246;ne Frau von reizender Tourn#252;re und einen Schwiegervater, den er kann achten mit aufrichtiger Verehrung, was soll er sie da lassen fort oder gar selbst ziehen mit #252;ber die Grenze, wo nicht zu finden ist das Gold, welches liegt in seiner Gegend.«

»So werden Sie also bei den Yumas bleiben; das wollte ich wissen. Wie ich erfahren habe, sind Ihre Gef#228;hrten alle arm und mittellos her#252;bergekommen, allein den Herkules und Sie ausgenommen. Ich h#246;rte, da#223; Sie eine Geldsumme mitgebracht haben. Ist das wahr?«

»Freilich ist es wahr,« antwortete er eifrig. »Es war sch#246;nes, feines, echtes Geld in runden, sch#246;nklingenden Goldst#252;cken, aufbewahrt in einer B#246;rse, welche mir hat aus Seide gefertigt Judith, die Tochter meines Herzens.«

»Wie hoch war die Summe?«

»Vierhundertachtzig Dollars, um welche ich bin gekommen unterirdisch auf grausige Weise. Weller ist der Dieb, welcher ist Vater von Weller dem Sohne. Jetzt haben Sie den Dieb gefangen mit gro#223;er Tapferkeit; nun werden Sie haben die G#252;te, ihm abzuverlangen den Raub, durch welchen er mich hat gemacht elend in der Finsternis des Schachtes.«

»Ist dies die B#246;rse?« fragte ich, indem ich sie aus der Tasche zog und ihm hinhielt.

»Sie ist's, sie ist's!« rief er jubelnd aus, indem er sie mir aus der Hand ri#223;. »Ja, sie ist's! Ich werde sofort z#228;hlen das Geld, um zu sehen, ob ich bin worden bestohlen um eins oder einige von den goldenen St#252;cken.«

»Schreien Sie nicht so! Weller wei#223; noch nicht, da#223; ich ihm das Geld abgenommen habe, und braucht dies auch nicht sofort zu erfahren.«

Er ging, ohne mir ein Wort des Dankes zu sagen, mit seiner Tochter zur Seite und kauerte sich dort mit ihr nieder, wo sie zu z#228;hlen begannen; ich aber wendete mich um zu den andern. Ich hielt ihnen eine kurze Rede des Inhaltes, da#223; sie nichts Besseres tun k#246;nnten, als so schnell wie m#246;glich die Gegend verlassen, und fuhr dann fort:

»Ich werde mit Winnetou von hier aus nach dem Rio Peso gehen, also nach Texas. Dort gibt es zwar traurige Gegenden, aber auch gutes Land in Menge und ein gesundes Klima dazu. Ich erbiete mich, Sie mitzunehmen. Beraten Sie sich, und sagen Sie mir dann Ihren Entschlu#223;.«

Ich entfernte mich f#252;r einige Zeit, damit sie sich #252;ber meinen Vorschlag bereden m#246;chten. Als ich zu ihnen zur#252;ckkam, sagte derjenige, den sie zum Sprecher ernannt hatten:

»Ihr Vorschlag ist ganz gut, und wir w#252;rden ihn gern befolgen, aber das ist nicht m#246;glich. Zun#228;chst k#246;nnen wir nicht fort, weil gegen Melton und Weller ein langwieriger Strafproze#223; entstehen wird, bei welchem wir doch jedenfalls als Zeugen dienen m#252;ssen.«

»Ist nicht n#246;tig. Melton liefere ich an die Yumas aus; sie werden ihm den Proze#223; auch ohne Zeugen machen. Was Weller betrifft, so wei#223; man nicht, was noch passiert. Ich habe ihm mit meiner Kugel die Hand und den Vorderarm zerschmettert, was in diesem Klima f#252;r einen Wei#223;en stets gef#228;hrlich ist. Au#223;erdem bringe ich Polizei und einen Oberbeamten aus Ures mit, welche auf uns warten. Wenn Sie vor diesen Leuten Ihr Zeugnis abgelegt haben, werden Sie nicht mehr gebraucht. Welche Hindernisse gibt es noch?«

»Die wilde Gegend, durch welche wir wahrscheinlich m#252;#223;ten. Halten unsere Frauen und Kinder eine solche Wanderung aus?«

»Gewi#223;, wenn sie sich nur erst von den hiesigen Leiden erholt haben. Es ist nicht so schlimm, wie Sie denken. Der Marsch wird nicht schneller gehen, als sie vertragen k#246;nnen. Pferde verschaffe ich Ihnen von den Indianern. Au#223;erdem habe ich mehrere Wagen mit Proviant und andern n#252;tzlichen Dingen bei mir. Sie werden keinen Hunger leiden.«

»Das l#228;#223;t sich freilich h#246;ren; nun aber bin ich neugierig, was Sie zu dem Hauptpunkte sagen werden. Dieser lautet n#228;mlich: Geld und wieder Geld!«

»Das ist das wenigste; das macht ganz und gar keine Schwierigkeiten.«

Noch nie im Leben hatte ich in Beziehung auf diesen Punkt mit solchem Gleichmute und solcher Befriedigung reden k#246;nnen, und es tat mir ordentlich wohl, auch einmal die Miene eines reichen Erdensohnes annehmen zu k#246;nnen. Aller Augen richteten sich erstaunt auf mich, und der Sprecher rief verwundert aus:

»Ganz und gar keine Schwierigkeiten? Ihnen vielleicht nicht, uns aber desto mehr. So aus dem Vollen heraus, wie Sie, k#246;nnen wir nicht reden. Wir haben nichts, und m#252;#223;ten doch gleich heute schon Geld brauchen.«

»Heute? Wieso?«

»Nun, Sie reden von Wagen voller Lebensmittel. Die m#252;#223;ten wir doch kaufen, und niemand w#252;rde sie uns schenken.«

»O, ich schenke sie Ihnen!«

»Wirklich? Das ist freilich etwas anderes. Wie aber steht es mit den Pferden, welche wir reiten sollen? Die bekommen wir doch nicht so leicht geschenkt wie den Proviant!«

»Allerdings nicht. Aber wir borgen sie. Gegen eine kleine Entsch#228;digung, einige Geschenke, bekommen wir sie von unsern roten Freunden gern geliehen.«

»Wer zahlt die Entsch#228;digung, wer kauft die Geschenke?« »Ich.«

»Wetter noch einmal! Sie sind pl#246;tzlich reich geworden! Und als Sie zu uns auf das Schiff kamen, sahen Sie #228;rmer aus als wir.«

»Ich verstellte mich blo#223;. Ueberhaupt kann man reich sein, ohne Geld zu besitzen; es gibt verschiedene Arten von Reichtum. Doch weiter! Noch ein anderes Hindernis?«

»Es kommt nun das gr#246;#223;te. Wieder Geld f#252;r das Land, von dem Sie sprachen. Das m#252;ssen wir doch kaufen?«

»Allerdings. Sie werden von mir Geld daf#252;r bekommen.« »Sind Sie etwa ein heimlicher Rothschild?« »Ausnahmsweise heute einmal.«

»Dann sind wir freilich aller Sorgen los. Wir gehen mit Ihnen; Sie geben uns das Geld zur Ansiedelung; wir arbeiten t#252;chtig, zahlen die Zinsen p#252;nktlich und werden dann mit der Zeit wohl auch das Kapital zur#252;ckgeben k#246;nnen.«

»Zinsen? Kapital zur#252;ckgeben! Sie befinden sich auf dem Holzwege. Ich mag keine Zinsen haben, und von der Zur#252;ckgabe des Kapitals will ich erst recht nichts wissen!«

Der Mann sah mich erstaunt an, blickte im Kreise herum, richtete das Auge dann wieder auf mich und fragte:

»Ja, habe ich denn richtig geh#246;rt?« »Wahrscheinlich.«

»Das ist doch undenkbar! - Das w#228;re ja nichts anderes, als ein Geschenk!« »Das soll es auch sein; ich schenke Ihnen das Geld und verlange es nicht zur#252;ck.« »Aber sind Sie denn wirklich so sehr reich, da#223; Sie soviel entbehren k#246;nnen?«

»Ich bin im Gegenteile so arm, da#223; ich gar nichts entbehre, wenn ich so ein halbes Hunderttausend Thaler oder anderthalb Hunderttausend Mark verschenke, befinde mich aber gl#252;cklicherweise in der Lage, gegen f#252;nfzigtausend Thaler unter Sie verteilen zu k#246;nnen.«

»F#252;nfzigtausend Thaler! Himmel, welch ein vieles Geld! Wo haben Sie das denn so pl#246;tzlich her?« »Das sollen Sie sp#228;ter erfahren, vorher aber einige Fragen

Sie sind alle arm gewesen, haben aber doch wenigstens ein kleines Eigentum gehabt. Nicht wahr?«

»Ja. Einige hatten ein kleines H#228;uschen, wenn es auch nicht viel wert war; die andern besa#223;en wenigstens soviel, wie zu einer Arbeiterwirtschaft geh#246;rt, Betten, einige M#246;bel, Kleider und so weiter.«

»Das haben sie nat#252;rlich, weil man Sie fortlockte, verkauft. Wieviel haben Sie daf#252;r bekommen?«

»Fast gar nichts. Wenn die Leute wissen, da#223; man fort mu#223; und doch nichts mitnehmen kann, bieten sie nichts. Und was wir dr#252;ben f#252;r unsere Habseligkeiten bekamen, ist unterwegs vollst#228;ndig draufgegangen.«

»Sie sind also nicht nur um Ihre Heimat, sondern auch um Ihre Habe gebracht worden. Hier hat man Sie unter falschen Vorspiegelungen ins Land gelockt und in ein Bergwerk gebracht, in welchem Sie ohne Lohn arbeiten, hungern, d#252;rsten und krank werden sollten und nach kurzer Zeit elend gestorben oder vielmehr wie die Tiere verendet w#228;ren. F#252;hlen Sie sich f#252;r Ihre Leiden und Entbehrungen entsch#228;digt, wenn Melton und Weller ins Strafgef#228;ngnis kommen? Bekommen Sie dadurch Ihre Heimat, Ihr Eigentum zur#252;ck?«

»Freilich nicht!«

»Ja, kein Gericht wird Sie entsch#228;digen, Ihnen Schmerzens- oder Angstgeld zahlen. Was w#252;rde wohl geschehen, wenn ich mich Ihrer nicht ann#228;hme?«

»Wir m#252;#223;ten hier sterben und verderben. F#252;r die Hazienda sind wir engagiert; dort gibt es aber keine Arbeit; an andern Orten finden wir auch keine; betteln w#252;rden wir nicht, und -«

»W#252;rden Sie nicht?« fiel ich ihm in die Rede. »Sie m#252;#223;ten wohl, wenn Sie keine Arbeit h#228;tten, denn Hunger tut weh; Sie w#252;rden aber nichts bekommen. Hier gibt es andere Verh#228;ltnisse und andere Menschen als dr#252;ben in der Heimat, wo man f#252;r die Armen sorgt und es #252;berall tausend Menschen gibt, welche dem Bittenden eine Gabe reichen oder die hilfsbereite Hand entgegenstrecken. Ja, Sie w#252;rden hier sterben und verderben, und da ich selbst nichts #252;brig habe, ist mir die Hilfe f#252;r Sie nur dadurch m#246;glich geworden, da#223; ich Dieb und R#228;uber geworden bin. Sie brauchen aber nicht vor mir zur#252;ckzuschrecken, denn ich habe nur Melton und Weller f#252;r Sie bestohlen, welche Sie in das Ungl#252;ck gelockt haben. Nach dem Gesetze, welches ich in meinem Innern f#252;hle, sind die beiden Menschen Ihnen volle Entsch#228;digung und wohl auch noch mehr schuldig; sie hatten Geld bei sich; ich habe sie gefangen und m#252;#223;te sie und ihr Geld nach den hier herrschenden Gesetzen dem Richter #252;bergeben. Was w#252;rde die Folge sein? Das Geld w#252;rde verschwinden und die Schufte wahrscheinlich auch, um an andrem Orte wieder aufzutauchen und neuen Unfug zu treiben; Sie aber w#252;rden keinen Heller bekommen und h#228;tten nichts, womit Sie Ihre Bl#246;#223;e bedecken und Ihren Hunger stillen k#246;nnten. Da ist mir denn das Gesetz in meinem Innern weit gerechter vorgekommen, als das andere, und ich habe nach den Paragraphen desselben die Sache f#252;r Sie in die Hand genommen, oder mit andern Worten, ich habe das Geld Meltons und Wellers in die Hand genommen, um Ihnen mit Hilfe desselben zu der Gerechtigkeit zu verhelfen, zu welcher ein anderer Richter Ihnen nicht verhelfen w#252;rde. Halten Sie das f#252;r unrecht?«

»Nein, nein, nein!« antwortete es im Kreise.

»Gut! Melton und Weller wissen jetzt noch nicht, da#223; ich ihr Geld habe. Der erstere hatte es vergraben und wird im Leben nicht erfahren, da#223; es fort ist. H#228;tte ich es nicht gefunden, so w#252;rde es noch nach hundert Jahren dort liegen. Ich werde beide Summen unter Sie verteilen.«

»Wieviel ist's, wieviel ist's?« h#246;rte ich fragen.

»Weller hatte f#252;nftausend und Melton eine Wenigkeit #252;ber drei#223;igtausend Dollars. Das ist etwas #252;ber neunundvierzigtausend Thaler oder hundertsiebenundvierzigtausend Mark.«

Rundum so tiefes Schweigen, da#223; man den Atem gehen h#246;rte; dann wollte man in Freude aufjubeln; ich winkte aber energisch ab und sagte:

»Still! Kein Mensch au#223;er Ihnen soll h#246;ren, was hier besprochen wird. Unsere Angelegenheit ist eine gerechte; aber andere w#252;rden sie wohl von einer Seite betrachten, in welcher sie in einem nicht so g#252;nstigen Licht erscheint. Auch der Jude braucht nichts davon zu erfahren. Er ist nicht so arm wie Sie; er hat sein Geld und wird bei den Yumas bleiben.«

»Er hat sein Geld?« fragte der Sprecher. »Weller hat es ihm doch genommen!« »Ich nahm es ihm wieder ab und habe es an Jakob

Silberberg zur#252;ckgegeben. Sie sehen auch daraus, da#223; Weller das Geld raubte, da#223; das Eigentum dieser beiden Menschen sehr wahrscheinlich aus unlauteren Quellen stammt und wir uns keine Skrupel dar#252;ber zu machen brauchen, wenn Sie sich durch dasselbe entsch#228;digen. Leider wird auf den Mann nicht soviel entfallen, wie Sie wohl denken werden und im stillen vielleicht schon ausgerechnet haben.«

»O, daran habe ich schon gedacht, und jeder von uns wird dar#252;ber ebenso denken, wie ich, da#223; Sie einen t#252;chtigen Anteil vorweg zu bekommen haben.«

»Ich? Dadurch wird die Summe um keinen Heller kleiner. Ich nehme nichts. Das w#228;re Diebstahl. Nein, es gibt andere Personen, welche wir auch bedenken m#252;ssen.«

»Andere? - Wer w#228;re das?«

»Der Haziendero. Er ist schwer gesch#228;digt worden.« »Er hat aber doch den Kaufpreis erhalten!« »Einen l#228;cherlich billigen Preis!«

»Und wird die Hazienda wiederbekommen, wenn er beweisen kann, da#223; der K#228;ufer sie ihm niederbrennen lie#223;. Den Kaufpreis kann er dann als Entsch#228;digung behalten. Ist das nicht genug f#252;r Ihn?«

»Wahrscheinlich. Es steht #252;berhaupt noch nicht fest, da#223; ich ihm etwas geben werde; es kommt das ganz auf sein Verhalten an, welches mir bisher gar nicht gefallen hat. Daf#252;r aber sind die andern Anspr#252;che, an welche ich denke, desto berechtigter. Melton hat n#228;mlich bei einem Kaufmanne in Ures Waren bestellt, welche sich auf den von mir erw#228;hnten Wagen befinden und von uns mitgenommen werden. Es ist bei der Ablieferung noch der Rest des Kaufpreises zu zahlen, und das werde ich tun, denn ich habe den Fuhrleuten versprochen, da#223; ihnen durch uns kein Schaden erwachsen soll; ich mu#223; unbedingt Wort halten. Was noch #252;brig ist, das wird unter Sie verteilt.«

»Aber nach welchen Verh#228;ltnissen?«

»Wie ich denke, bilden Sie gegen drei#223;ig verschiedene Parteien, von denen die eine zwar nur einen Kopf z#228;hlt, w#228;hrend die andere aus einer ganzen Familie besteht. Ein junger, alleinstehender Bursche kann unm#246;glich soviel beanspruchen, wie ein Familienvater mit Frau und mehreren Kindern. Wie gesagt, besprechen Sie sich dar#252;ber, und machen Sie mir dann Ihre Vorschl#228;ge. Aber behalten Sie diese Angelegenheit solange unter sich, bis wir diese Gegend, die Yumas und Mimbrenjos verlassen haben und uns in Chihuahua unter den Apatschen befinden. Wenn Sie nicht verschwiegen sind, kann uns leicht ein dicker Strich durch diese sch#246;ne Rechnung gemacht werden. Denken Sie, da#223; sehr wahrscheinlich jeder von Ihnen soviel bekommt, da#223; er sich dr#252;ben ankaufen und wohl auch, wenigstens f#252;r die erste Zeit, einrichten kann!«

Da trat der Sprecher zu mir heran, dr#252;ckte mir herzlich die Hand und sagte:

»Was Sie da an uns tun, kommt uns so #252;berraschend, da#223; wir Zeit brauchen werden, uns daran zu

gew#246;hnen. Wie sollen wir Ihnen daf#252;r danken!«

»Dadurch, da#223; Sie dr#252;ben flei#223;ig arbeiten und Ihrer deutschen Abstammung Ehre machen. Ich habe keinen Dank zu erwarten, denn da#223; ich das Geld gefunden habe, hat der Zufall gef#252;gt.«

Auch die andern reichten mir die H#228;nde; von jetzt an gab es lebensfrohere Gesichter bei ihnen als bisher. Ich kehrte nun zu dem H#228;uptlinge zur#252;ck, welcher auf das Ende der Verhandlung gewartet hatte. Er wollte wissen, ob zu Winnetou geritten oder dieser geholt werden solle.

»Ich werde mit meinen Bleichgesichtern nach Chihuahua gehen,« sagte ich ihm. »Kann mein roter Bruder mir Pferde f#252;r sie geben?«

»Soviel Old Shatterhand braucht. Wir haben viele Pferde mit, welche als Packtiere gingen.« »Und werden wir unbeschadet durch des Gebiet der Yumas kommen?«

»Meine Krieger werden euch gegen die andern St#228;mme besch#252;tzen, wenn diese dem Vertrage, welchen ich mit dir geschlossen habe, nicht beitreten sollten. Aber es wird schwer sein, den Transport der Bleichgesichter ohne langen Aufenthalt auszuf#252;hren, weil es an Speise fehlen wird.«

»Ich sorge f#252;r Proviant. Ich habe dir ja gesagt, da#223; die Wagen in meine H#228;nde geraten sind. Wie steht es mit dem "gro#223;en Munde"? Erwartest du ihn hier?«

»Er wollte kommen, wenn die Herden von der Hazienda in Sicherheit gebracht worden sind.«

»So haben wir ihn heute und morgen noch nicht zu erwarten und k#246;nnen zu dem H#228;uptling der Apatschen reiten.«

»Meine Krieger haben ihre Pferde nicht hier.«

»Das ist auch nicht n#246;tig, da nur du allein mich und den Mimbrenjo begleiten sollst.«

»Der Mimbrenjo soll auch mit? So vertraust du deine Bleichgesichter und die beiden Gefangenen ganz meinen Kriegern an?«

»Ja, du siehst, wie starken Glauben ich dir schenke. Gibt es hier kein Pferd f#252;r dich?«

»Au#223;er dem, von welchem du vorhin Weller gerissen hast, befinden sich hier zwei, welche f#252;r Melton und mich bestimmt waren. Sie sind bei einem Wasserpfuhle an der Ostseite des Felsens versteckt.«

»So sende hin, um dir das schnellste holen zu lassen, da wir baldigst aufbrechen m#252;ssen, wenn wir Winnetous Lager noch vor Nacht erreichen wollen. Auf dem anderen Rosse kannst du einen Boten zu den Kriegern senden, welche Eure Pferde bewachen, damit sie erfahren, was geschehen ist und was sie zu tun haben. Sie m#252;ssen morgen abend mit s#228;mtlichen Tieren hier sein, weil ich #252;bermorgen fr#252;h den Ritt nach Chihuahua beginnen werde.«

Er war einverstanden, und bald wurde ihm das Pferd gebracht. Ich erkl#228;rte den Deutschen, wie sie sich w#228;hrend meiner Abwesenheit gegen ihre fr#252;heren Feinde und jetzigen Freunde zu verhalten hatten; der H#228;uptling tat dasselbe seinen Leuten gegen#252;ber und gebot ihnen besonders, die Gefangenen nicht aus den Augen zu lassen. Dann ritten wir fort, begleitet von den Abschiedsrufen unserer Leute.---