"Das Tal der Giganten" - читать интересную книгу автора (Хольбайн Вольфганг)

WOLFGANG HOHLBEIN

KAPIT#196;N NEMOS KINDER

IM TAL DER GIGANTEN

UEBERREUTER

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Hohlbein, Wolfgang: Kapit#228;n Nemos Kinder / Wolfgang Hohlbein. - Wien: Ueberreuter Im Tal der Giganten - 1994 ISBN 3

8000-2386-5 J 2077/1 Alle Rechte vorbehalten Umschlagillustration von Doris Eisenburger Copyright © by Verlag Carl Ueberreuter, Wien Printed in Germany 1357642

Autor:

Wolfgang Hohlbein, geboren in Weimar, lebt heute mit seiner Familie in der N#228;he von D#252;sseldorf. F#252;r sein Erstlingswerk »M#228;rchenmond«, ein phantastischer Roman, den er gemeinsam mit seiner Frau Heike schrieb, erhielt er 1982 den ersten Preis des vom Verlag Ueberreuter veranstalteten Wettbewerbs zum Thema Science Fiction und Phantasie. Au#223;erdem erhielt dieser Titel 1983 den »Phantasie-Preis der Stadt Wetzlar« und den »Preis der Leseratten«.

In der Reihe »Kapit#228;n Nemos Kinder« bisher erschienen:

Die Vergessene Insel

Das M#228;dchen von Atlantis

Im Tal der Giganten

Die Herren der Tiefe Weitere B#228;nde in Vorbereitung.

Klappentext:

Die NAUTILUS hat einen SOS-Ruf aufgefangen und liegt nun vor einer Insel im hohen Norden. Mike und seine Freunde wollen den Schiffbr#252;chigen zu Hilfe eilen. Doch kaum betreten sie die Insel, da beginnt eine merkw#252;rdige Ver#228;nderung: Eben waren sie noch von Nebel und Eis umgeben, jetzt stehen sie am Rande eines riesigen bewaldeten Tales, in dem sich urzeitliche Riesen bewegen -die Dinosaurier.Und das ist nicht die einzige gef#228;hrliche #220;berraschung, die diese seltsame Insel f#252;r sie bereith#228;lt. Hier gibt es Wesen, halb Saurier, halb Mensch, die die Schiffbr#252;chigen in ihrer Gewalt haben. Wieder ist es Astaroth, der gedankenlesende Kater, der ihnen zur Seite steht, als es zum Kampf zwischen Echsenwesen und Menschen zu kommen scheint. Aber ist solch ein Kampf #252;berhaupt notwendig?

In den letzten Minuten war es

Mike immer schwerer gefallen, den Feldstecher ruhig zu halten. Das schwere Ger#228;t zitterte so sehr vor seinen Augen, da#223; er die Bucht immer #246;fter aus den Augen verlor und Himmel und Meer noch heftiger hin und her zu schwanken schienen, als sie es wegen des schweren Seegangs ohnehin taten. Mike lie#223; das Instrument, das an einem Lederband um seinen Hals befestigt war, sinken, zerrte mit den Z#228;hnen die Handschuhe von den Fingern und hielt die H#228;nde dicht vor den Mund, um hineinzublasen. Es nutzte nichts. Er sah den grauen Dampf, in den sich sein Atem in der klirrenden Luft verwandelte, aber er sp#252;rte die W#228;rme nicht einmal. Noch vor einigen Augenblicken hatten seine Finger vor K#228;lte gekribbelt und gepocht, aber jetzt war alles Gef#252;hl daraus gewichen. Wenn er nicht bald wieder unter Deck und in die W#228;rme kam, lief er Gefahr, sich ernsthafte Erfrierungen zuzuziehen.

Trotzdem kehrte er noch nicht ins geheizte Innere der NAUTILUS zur#252;ck, sondern verbarg die H#228;nde fr#246;stelnd unter den Achselh#246;hlen und sah erneut zu der eisverkrusteten Bucht hin#252;ber. Sie war nicht sehr weit entfernt: drei-, allerh#246;chstens vierhundert Meter, also f#252;r ein Schiff von der Gr#246;#223;e der NAUTILUS eine Distanz, f#252;r die es sich kaum gelohnt h#228;tte, die Motoren anzulassen, und trotzdem h#228;tte sie ebensogut auf der anderen Seite des

Ozeans sein k#246;nnen oder gleich auf dem Mond.

Die Meeresoberfl#228;che war nicht glatt. Durch den Nebel, der wie eine vom Himmel herabgefallene Wolke auf dem Wasser lastete, schimmerte manchmal wei#223;e Gischt, und dann und wann, wenn sich eine besonders heftige Woge am Rumpf des Unterseebootes brach, flogen die wei#223;en Spritzer bis zu Mike herauf. Und manchmal ri#223; der Nebel f#252;r einen Moment auf, und man konnte das Gewirr nadelspitzer Felsen und Riffe erkennen, das aus dem Wasser ragte und das Meer vor der Insel zu einem un#252;berwindlichen Hindernis f#252;r jedes Schiff machte; selbst f#252;r die NAUTILUS. Nicht einmal der st#228;hlerne Rumpf des Unterseebootes w#228;re diesem Gebi#223; aus granitenen Z#228;hnen gewachsen gewesen. Den Beweis f#252;r die Gefahr, die in dem Nebel lauerte, hatte Mike unmittelbar vor sich. Nicht weit von der NAUTILUS entfernt erhob sich der geborstene Rumpf eines Schiffes aus dem Nebel. Das Riff, das ihm zum Verh#228;ngnis geworden war, war in den grauen Schwaden verborgen, so da#223; es aussah, als ruhe das Wrack, halb auf die Seite gest#252;rzt und mit geborstenen Masten, auf einer flockigen grauen Decke. Das Eis hatte einen dicken Panzer #252;ber den Rumpf und die Aufbauten gelegt, so da#223; das Alter und die Herkunft des Schiffes nur mehr zu erraten waren. Aber es mu#223;te sehr alt sein. Nat#252;rlich wurden auch im Jahre 1915 noch Segelschiffe gebaut, aber nicht dieser Art und wenige von dieser Gr#246;#223;e. Mike vermutete, da#223; es sich um ein spanisches Goldschiff handelte, das auf seinem Weg nach Amerika vom Kurs abgekommen und hier gestrandet war. Und es war nicht das einzige. Nicht weit davon entfernt ragte das Heck eines weiteren Schiffes aus dem Nebel, ein gutes St#252;ck daneben die Masten eines anderenSeglers, die sich wie kahle #196;ste eines im Wasser versunkenen Baumes aus der wogenden grauen Masse herausstreckten, und gestern, als der Himmel einmal kurz aufgeklart war und sie f#252;r wenige Minuten gute Sicht gehabt hatten, hatten sie in der Entfernung zahlreiche weitere Umrisse erkennen k#246;nnen. Es war ein wahrer Schiffsfriedhof, den sie hier vorgefunden hatten. Mike sch#228;tzte die Zahl der Wracks auf mindestes ein Dutzend, und wahrscheinlich waren es noch weitaus mehr, denn einige Schiffe mochten an den Riffen zerbrochen und vollends gesunken sein.

Um ein Haar w#228;ren diese auch der NAUTILUS zum Verh#228;ngnis geworden. Sie hatten sich der Insel unter Wasser gen#228;hert, um dem Sturm zu entgehen, der ihnen in den letzten Tagen zu einem best#228;ndigen Begleiter geworden war, aber die Sicht war auch dort unten nicht besser als hier: Als ob sich der Nebel selbst unter der Wasseroberfl#228;che fortsetzte, war der Ozean von grauen Schlieren und Schwaden durchsetzt, in denen sie nicht einmal zwanzig Meter weit sehen konnten. H#228;tte die NAUTILUS nicht #252;ber die phantastischen Ortungsger#228;te verf#252;gt, die sie jedem anderen Schiff auf der Welt #252;berlegen machte, w#228;re sie zweifellos gegen eines der unsichtbaren Hindernisse geprallt und daran zerschellt.

Und trotzdem war es zumindest einem Schiff gelungen, diese t#246;dliche Sperre zu #252;berwinden: Sein Wrack lag, auf die Seite gest#252;rzt und in zwei unterschiedlich gro#223;e Teile zerbrochen, auf dem halbkreisf#246;rmigen Eisstrand, den Mike w#228;hrend der letzten Viertelstunde durch den Feldstecher beobachtet hatte, und der Funkspruch, den sie vor drei Tagen aufgefangen hatten, bewies, da#223; es zumindest einen #220;berlebenden gegeben hatte.

»Verzeiht, Herr«, sagte eine Stimme hinter ihm, und Mike fuhr so erschrocken zusammen, da#223; er auf dem mit einem dicken Eispanzer bedeckten Deck fast ausgerutscht w#228;re. Er wandte sich um und sah in Singhs Gesicht. Der Inder Gundha Singh war, neben Trautman, dem Steuermann der NAUTILUS, der letzte #252;berlebende Vertraute von Mikes Vater, und dieser hatte ihm auf dem Sterbebett den Eid abverlangt, f#252;r seinen Sohn zu sorgen und ihn zu besch#252;tzen, so da#223; Mike, in ihm nicht nur einen treuen Freund, sondern auch einen Leibw#228;chter, Diener und st#228;ndigen Begleiter gefunden hatte. Er hatte sich im gro#223;en und ganzen daran gew#246;hnt, und er mochte den Sikh-Krieger sehr, aber es gab zwei Dinge, an die er sich wohl nie gew#246;hnen w#252;rde: die lautlose Art Singhs, sich zu bewegen und manchmal wie aus dem Boden gewachsen irgendwo aufzutauchen, und seine Angewohnheit, ihn mit Herr anzureden und sich zu benehmen, als w#228;re er sein Sklave. »Trautman schickt mich«, fuhr Singh fort. »Er bittet Euch, unter Deck zu kommen. «

Mike sah wieder zur Eisinsel zur#252;ck. Ihr Anblick -und vor allem der des Wracks, das zerschellt an ihrem Strand lag - lie#223; ihn noch immer nicht los, aber es wurde tats#228;chlich Zeit, da#223; er ins Schiff zur#252;ckkehrte. Die D#228;mmerung hatte bereits eingesetzt. In einigen Minuten w#252;rde es dunkel werden, so da#223; er hier oben rein gar nichts mehr sehen konnte. Und die K#228;lte begann unertr#228;glich zu werden. So folgte er Singh zum Turm und der offenstehenden Einstiegsluke und blieb abrupt mitten in der Bewegung stehen. »Was ist los?« fragte Singh alarmiert. Seine rechte Hand hatte sich zur H#252;fte gesenkt, dorthin wo er sonst seinen S#228;bel trug, eine Waffe, die er normalerweise nur an Bord des Schiffes ablegte -es sei denn, er mu#223;te sich wie jetzt in einen Pelzmantel h#252;llen, der so dick war, da#223; er sich darin kaum bewegen konnte. »Ich wei#223; nicht«, murmelte Mike. Sein Blick suchte den Himmel #252;ber der Insel ab. F#252;r einen winzigen Moment hatte er geglaubt, dort eine Bewegung zu erkennen. Aber jetzt war sie fort. Alles, was er sah, waren Nebel und wei#223;e Schneeschleier, die der Wind von den Graten der eisigen Klippen ri#223;.

»Ich dachte, ich h#228;tte... etwas gesehen. Aber ich mu#223; mich wohl get#228;uscht haben. « Singh antwortete nicht, aber er suchte einige Sekunden sehr aufmerksam den Himmel und danach den Strand ab. Erst als Mike in die Luke hinabzuklettern begann, folgte er ihm. Eine Welle wohltuender W#228;rme schlug Mike entgegen, als er in den Turm der NAUTILUS hinabstieg. Die beiden fast mannsgro#223;en Bullaugen waren mit Eisblumen bedeckt, so da#223; es hier drinnen merklich dunkler als drau#223;en war, und nach der Eisesk#228;lte drau#223;en kam ihm die Luft hier drinnen, die immer ein wenig nach Metall und #214;l roch, beinahe stickig vor. Trotzdem atmete er ein paarmal sehr tief ein und sp#252;rte, wie sich die W#228;rme allm#228;hlich in seinem K#246;rper auszubreiten begann. Singh schlo#223; die Luke sorgf#228;ltig #252;ber sich und verriegelte sie.

Mikes Finger waren noch immer so steif vor K#228;lte, da#223; Singh ihm dabei helfen mu#223;te, die schwere Pelzjacke auszuziehen, und als das Gef#252;hl schlie#223;lich in sie zur#252;ckkehrte, geschah es auf eine #228;u#223;erst schmerzhafte Weise. Zuerst versp#252;rte er ein Kribbeln, dann ein Pochen, und endlich taten sie so weh, da#223; ihm fast die Tr#228;nen in die Augen sch#246;ssen. Er zitterte am ganzen Leib, als er f#252;nf Minuten sp#228;ter den gro#223;en Salon der NAUTILUS betrat.

Trautman war nicht der einzige, der auf ihn wartete. Mit Ausnahme Juans, der heute K#252;chendienst hatte und seit dem fr#252;hen Vormittag bereits sein m#246;glichstes tat, um die Komb#252;se zu verw#252;sten, sa#223;en alle an dem gro#223;en Tisch neben dem Aussichtsfenster und redeten. Mike hatte ihre aufgeregten Stimmen bereits drau#223;en auf dem Korridor geh#246;rt. Bei seinem Eintreten unterbrachen sie ihr Gespr#228;ch jedoch, und f#252;r eine Sekunde versp#252;rte Mike das ganz und gar nicht angenehme Gef#252;hl, von jedermann angestarrt zu werden. Selbst Astaroth, der unter dem Tisch hockte und vor sich hin d#246;ste, hob f#252;r einen Moment den Kopf und blinzelte ihn aus seinem einen Auge tr#228;ge an.

Hinter ihm bewegte sich ein zweiter, etwas kleinerer Schatten: Isis, die schwarzwei#223;e Katze, die vor einer Weile gegen Astaroths ausdr#252;cklichen Willen an Bord gekommen war und dem ein#228;ugigen Kater seither nicht von der Seite wich. Wenn man genau hinsah, konnte man hinter den beiden eine Anzahl noch kleinerer, pelziger Umrisse erkennen. Isis hatte vor einem Monat vier Junge bekommen, was Astaroths Beteuerungen, da#223; er sie nicht ausstehen konnte und sie ihm unglaublich auf die Nerven gehe, ein wenig an Glaubw#252;rdigkeit nahm.

»Was ist los? Ihr seht mich alle an, als w#228;re irgendetwas passiert«, sagte Mike, w#228;hrend er sich dem Tisch n#228;herte. Sein Blick blieb an einer dampfenden Kanne h#228;ngen, aus der es verlockend nach frischgebr#252;htem Tee roch. Trautman griff kommentarlos nach ihr, schenkte eine Tasse ein und dr#252;ckte sie Mike in die Hand, w#228;hrend sich dieser setzte. Mike nahm sie dankbar entgegen, nippte vorsichtig an dem hei#223;en Getr#228;nk und schlo#223; die H#228;nde um die Tasse, um die W#228;rme zu genie#223;en, die das Porzellan ausstrahlte. »Ich m#246;chte nur wissen, was du dort drau#223;en suchst«, sagte Ben. »Die Insel ist leer. Hier lebt garantiert niemand mehr. «

»Und wer hat den Funkspruch geschickt, den wir aufgefangen haben?«

Ben machte eine wegwerfende Geste. »Das ist mittlerweile eine Woche her«, sagte er. »Seitdem haben wir nichts mehr geh#246;rt. Wahrscheinlich sind sie l#228;ngst erfroren. Und selbst wenn nicht - wir sind ja nicht einmal ganz sicher, ob die Koordinaten stimmen. « Zumindest in diesem Punkt mu#223;te ihm Mike beipflichten, auch wenn er nicht in der Stimmung war, dies laut zu tun. Der Funkspruch, den Singh aufgefangen hatte, war verst#252;mmelt gewesen. Sie hatten nur die ungef#228;hren L#228;ngen-und Breitengrade sch#228;tzen k#246;nnen und waren mehr oder weniger auf gut Gl#252;ck losgefahren, und diese Insel im ewigen Eis hatten sie erst nach beinahe einer Woche gefunden. Trotzdem widersprach er: »Das Boot auf dem Strand -«

»-kann seit zwanzig Jahren dort liegen«, unterbrach ihn Ben. Er sch#252;ttelte heftig den Kopf. »Wenn ihr mich fragt, ist es vollkommen sinnlos, l#228;nger hierzubleiben. Selbst wenn es die richtige Insel ist, sind sie garantiert schon tot: Hier ist es so kalt, da#223; niemand eine Woche unter freiem Himmel durchh#228;lt. « »Vielleicht haben sie sich weiter ins Innere zur#252;ckgezogen«, sagte Mike st#246;rrisch. »Die Insel mu#223; sehr gro#223; sein. «

»Bl#246;dsinn«, antwortete Ben #252;berzeugt. »Wenn du Schiffbruch erleidest und einen Notruf absetzt, w#252;rdest du dann etwa nicht das Meer beobachten? Sie h#228;tten uns l#228;ngst gesehen und sich irgendwie bemerkbar gemacht. «

Leider hat er auch damit recht, dachte Mike. Es war schlichtweg unvorstellbar, da#223; irgend jemand um Hilfe rief und sich dann versteckte, um ja nicht gefunden zu werden.

Es sei denn, er hatte einen ganz bestimmten Grund daf#252;r...

»Ich... bin gar nicht so sicher, da#223; diese Insel wirklich unbewohnt ist«, sagte er z#246;gernd. »Wie meinst du das?« fragte Serena. Trautman sagte nichts, blickte ihn aber sehr aufmerksam an. »Vorhin, als Singh mich geholt hat«, fuhr Mike fort, »da habe ich f#252;r einen Moment geglaubt, etwas zu sehen. Ich war nicht ganz sicher, aber jetzt... « »... w#228;re es ganz praktisch, einen Grund zu haben, doch noch hierzubleiben?« schlug Ben vor. Mike starrte ihn b#246;se an, aber Trautman machte eine entsprechende Geste in seine Richtung und wandte sich an Ben. »Bitte rede nicht so einen Unsinn. Mike w#252;rde uns bestimmt nicht bel#252;gen. Was genau hast du gesehen?«

Der letzte Satz galt wieder Mike, aber es verging eine Weile, ehe dieser antwortete. Er versuchte, sich an den kurzen Moment zu erinnern. Es war ja nicht einmal eine Sekunde gewesen. »Irgend etwas war da. Ein Schatten, eine Bewegung... « Er zuckte mit den Schultern. »Ich habe es nicht wirklich gesehen, wi#223;t ihr? Aber es war komisch. Es war... nicht oben auf dem Eis. « »Nicht auf dem Eis?« wiederholte Trautman verwirrt. »Was meinst du damit?«

»H#246;her«, antwortete Mike. Er glaubte sich jetzt deutlicher zu erinnern. Es war, als beschw#246;rten die Worte die Bilder wieder herauf, und das deutlicher, als er sie im ersten Moment wahrgenommen hatte. »In der Luft. Ja, es war in der Luft. Irgend etwas ist dort oben entlanggeflogen. « Trautman sah ihn zweifelnd an, w#228;hrend Ben breit zu grinsen begann. »Ich nehme an, es war ein Eisvogel, wie?« fragte er. »Nein«, antwortete Mike. »Es war eine Fledermaus. « Bens Unterkiefer klappte herunter, und auch Trautman sah pl#246;tzlich drein, als k#246;nnte er nur noch mit M#252;he ein Lachen unterdr#252;cken. Mike h#228;tte sich am liebsten selbst geohrfeigt. Die Worte waren ihm herausgerutscht, ohne da#223; er es hatte verhindern k#246;nnen. Aber so unglaublich seine Behauptung selbst in seinen eigenen Ohren klingen mochte, pl#246;tzlich wu#223;te er, da#223; es ganz genau das war, was er in der Luft #252;ber der Eisklippe gesehen hatte: den schwarzen Umri#223; einer Fledermaus.

Nur da#223; das vollkommen unm#246;glich war. Nicht nur, weil Flederm#228;use in diesem Teil der Welt gar nicht leben konnten; daf#252;r h#228;tte sich vielleicht sogar noch irgendeine Erkl#228;rung gefunden. Nein, was Mike wirklich erschreckte, das war das, was er nicht ausgesprochen hatte:

Die Fl#252;gel des Gesch#246;pfes, das er gesehen hatte, hatten eine Spannweite von mindestens zehn Metern gehabt. Seine Behauptung hatte das Gespr#228;ch zu einem ziemlich abrupten Ende gebracht. Gottlob war wenige Minuten sp#228;ter Juan mit dem Abendessen hereingekommen, so da#223; sie die n#228;chste halbe Stunde mit Essen verbrachten und kaum redeten. Keiner der anderen ging noch einmal auf Mikes Behauptung ein, aber er konnte ihre sp#246;ttischen Blicke deutlich sp#252;ren. Er verfluchte sich innerlich daf#252;r, seine Zunge nicht besser im Zaum gehabt zu haben. Er wu#223;te selbst, wie wenig glaubhaft seine Behauptung klingen mu#223;te - aber je l#228;nger er dar#252;ber nachdachte, desto deutlicher schien die Erinnerung zu werden. Er war ganz sicher: Er hatte eine riesige, schwarze Fledermaus #252;ber dem Eis kreisen sehen. Oder vielleicht auch nur etwas, was wie eine Fledermaus ausgesehen hat, fl#252;sterte eine lautlose Stimme in seinen Gedanken.

Mike senkte den Blick und begegnete dem Gl#252;hen von Astaroths einzigem Auge, das ihn unter dem Tisch hervor fixierte.

»Wie meinst du das?« fragte er laut. Die anderen sahen nur kurz auf und wandten sich dann wieder ihrem Essen oder ihrer Unterhaltung zu. Sie hatten sich l#228;ngst daran gew#246;hnt, Zeugen dieser einseitigen Gespr#228;che zwischen Mike und dem Kater zu sein. Und mit Ausnahme Bens, der sich dann und wann eine spitze Bemerkung nicht ganz verkneifen konnte, hatten sie es auch akzeptiert.

Was ich meine, ist, da#223; du wieder einmal einen typisch menschlichen Fehler begehst, antwortete Astaroth. Du setzt einfach voraus, da#223; die Dinge so sind, wie du sie sehen willst, statt die Dinge so zu sehen, wie sie sind. »Aha«, sagte Mike. Er war nie ganz sicher, ob er Astaroths manchmal purzelbaumschlagender Kater-Logik immer ganz zu folgen vermochte. »Ich verstehe. «

Nein, das tust du nicht, behauptete Astaroth. Weil ihr Menschen nie etwas versteht. Ihr behauptet nur, alles zu verstehen, und das so hartn#228;ckig, bis ihr es am Ende selbst glaubt. Darin seid ihr allerdings ungeschlagene Meister.

»Komm zur Sache, Astaroth«, sagte Mike. Ihm stand im Moment nicht der Sinn nach Diskussionen mit Astaroth #252;ber dieses Thema. Der Kater kannte n#228;mlich kein gr#246;#223;eres Vergn#252;gen, als in endlosen Monologen zu erkl#228;ren, da#223; eigentlich die Feliden die wahren Herren dieser Welt seien und nicht der Homo sapiens. Und so interessant dieses Thema vielleicht sein mochte dummerweise war Mike der einzige an Bord der NAU-TILUS, der den Kater verstehen konnte. Genau das meine ich, sagte Astaroth, der selbstverst#228;ndlich auch diesen Gedanken gelesen hatte. Ihr weigert euch einfach, das Offensichtliche zu begreifen, wenn es euch nicht pa#223;t. Nimm nur deine Beobachtung: Du glaubst, eine zehn Meter gro#223;e Fledermaus gesehen zu haben.

»Hm«, machte Mike. Er zog es vor, nicht laut darauf zu antworten. Manchmal war es ganz praktisch, da#223; die anderen die telepathische Stimme des Katers nicht verstehen konnten.

Und weil du weiter wei#223;t -oder zu wissen glaubst -, da#223; es keine zehn Meter gro#223;en Flederm#228;use gibt, kommst du zu dem messerscharfen Schlu#223;, da#223; du dich geirrt haben mu#223;t, nicht wahr? Bist du schon einmal auf die Idee gekommen, da#223; es vielleicht etwas war, was du noch nie gesehen hast?

Nat#252;rlich war Mike schon von sich aus zu diesem Schlu#223; gekommen. Aber es gab eine ganze Menge, was dagegensprach: zum Beispiel der Umstand, da#223; au#223;erhalb der NAUTILUS Temperaturen herrschten, die ihre Thermometer nicht einmal mehr anzeigten. Dort drau#223;en konnte nichts Lebendiges auf Dauer existieren.

Nichts, was ihr kennt, widersprach Astaroth. Er g#228;hnte, wobei er Mike einen Blick auf zwei Reihen nadelspitzer Z#228;hne gew#228;hrte. Etwas Kleines, Schwarzes wuselte unter seinem Kinn hindurch und begann an Mikes Bein emporzuklettern. Mike streckte die Hand aus und hob das Katzenjunge hoch, bedauerte das aber gleich darauf wieder. Seine drei Geschwister folgten ihm n#228;mlich sofort, und nur einen Moment sp#228;ter gesellte sich auch noch Isis hinzu, so da#223; er seinen Scho#223; pl#246;tzlich von gleich f#252;nf Katzen belagert fand, von denen vier auf der Stelle herumzubalgen begannen, was das Zeug hielt. An Essen war jetzt nicht mehr zu denken, aber Mike hatte ohnehin keinen Appetit mehr, und au#223;erdem lieferte ihm der Katzen#252;berfall einen willkommenen Anla#223;, irgendwelchen weiteren Gespr#228;chen mit Trautman und den anderen auszuweichen. Er besch#228;ftigte sich noch einige Minuten lang damit, mit den vier kleinen Rackern zu spielen, dann setzte er sie nacheinander sehr behutsam zu Boden und stand auf. »Ich gehe in meine Kabine«, sagte er. »Ich friere immer noch. Ich glaube, ich lege mich eine Stunde hin und versuche mich aufzuw#228;rmen. «

Trautman sah ihn #252;berrascht an. Es war #252;berhaupt nicht Mikes Art, sich tags#252;ber ins Bett zu legen, aber er ahnte wohl auch, da#223; dies nur ein Vorwand f#252;r ihn war, um eine Weile allein zu sein, denn er sagte nichts, sondern nickte nur. Mike verlie#223; den Salon und lief die kurze Treppe in den vorderen Teil der NAUTILUS hinab, wo seine Kabine lag.

Als er die T#252;r hinter sich schlie#223;en wollte, huschte ein schwarzer Schatten zu ihm herein und war mit einem Satz auf seinem Bett, wo er sich zu einem Ball zusammenrollte

- selbstverst#228;ndlich mitten auf dem Kopfkissen. Mike sah den Kater forschend an, doch Astaroths lautlose Stimme schwieg jetzt, und gleich darauf bewiesen die regelm#228;#223;ig werdenen Atemz#252;ge und ein h#246;rbares Schnarchen, da#223; der Kater eingeschlafen war. Er hatte ihn wohl nur begleitet, um ebenfalls eine Weile seine Ruhe zu haben. Trotz aller gegenteiligen Beteuerungen hatte sich Astaroth als sorgender und sehr geduldiger Vater herausgestellt, aber die vier kleinen Burschen waren manchmal eine richtige Plage. Mike konnte Astaroth gut verstehen.

Er sah sich gerade nach einem anderen Sitzplatz um, als es an der T#252;r klopfte. Er #246;ffnete sie. Drau#223;en auf dem Gang stand Ben. »Darf ich reinkommen?« fragte er. Mike nickte, aber Ben trat erst an ihm vorbei, als Mike einen Schritt zur Seite machte und seine Einladung mit einer entsprechenden Handbewegung unterstrich. So phantastisch und bequem die NAUTILUS auch sein mochte, eines war an Bord so kostbar wie auf jedem Schiff: die Privatsph#228;re. Keiner von ihnen h#228;tte es gewagt, die Kabine eines anderen ohne dessen ausdr#252;ckliches Einverst#228;ndnis zu betreten; auch Ben nicht, der sonst vor sehr wenigen Dingen Respekt zeigte. »Tut mir leid, wenn ich dich st#246;re«, begann Ben, und das verwunderte Mike. Ben entschuldigte sich n#228;mlich so gut wie nie f#252;r irgend etwas -schon gar nicht, wenn es im Grunde gar nichts zu entschuldigen gab. Mike winkte ab. »Schon gut. Was gibt's?« »Eigentlich nichts Besonderes«, antwortete Ben.

Er grinste und trat verlegen von einem Fu#223; auf den anderen. »Eine Fledermaus, wie? Hat Astaroth das auch gesagt?«

Mike schluckte die #228;rgerliche Antwort herunter, die ihm auf der Zunge lag. »Er war nicht mit drau#223;en«, erinnerte er Ben. »Wie k#246;nnte er also etwas best#228;tigen, was er gar nicht gesehen hat?«

»Stimmt«, sagte Ben. Sein Blick wanderte zwischen Mike und dem Kater hin und her, und jetzt wirkte er eindeutig verlegen. »Andererseits sagst du doch immer

selbst, da#223; er deine Gedanken lesen kann. Vielleicht hat er deiner Erinnerung ja ein bi#223;chen auf die Spr#252;nge geholfen. Du hast vorhin mit ihm gesprochen. Beim Essen. Stimmt's?«

»Und wenn?« fragte Mike. Seine Geduld neigte sich nun dem Ende zu. »Was ist los? Du bist doch nicht nur gekommen, weil dir langweilig ist, oder?« »Nein«, gestand Ben. Er sah sich suchend um und setzte sich schlie#223;lich auf den einzigen Stuhl, den es in der Kabine gab. Das Bett w#228;re weitaus bequemer gewesen, aber Mike hatte das sichere Gef#252;hl, da#223; Ben die N#228;he des Katers scheute. »Also um ehrlich zu sein -ich... ich wollte dich schon lange etwas fragen. Vielleicht ist die Gelegenheit nicht so ideal, aber vorhin, als ich gesehen habe, wie du mit Astaroth gesprochen hast -« Er brach ab, blickte wieder kurz den Kater an und begann nerv#246;s mit den F#252;#223;en zu scharren. Mike hatte ihn selten so verlegen und nach den richtigten Worten ringend wie jetzt gesehen.

»Glaubst du, da#223;... da#223; ich das auch k#246;nnte?« fragte Ben

pl#246;tzlich #252;bergangslos. Mike blinzelte. »Was?«

»Ich meine, glaubst du, da#223; er auch mit mir reden w#252;rde. So wie mit dir?« Es war Ben anzusehen, wie schwer es ihm fiel, die Worte auszusprechen. Mike war vollkommen #252;berrascht. Da#223; er und der Kater in Gedanken miteinander kommunizieren konnten, war allen an Bord immer ein bi#223;chen unheimlich gewesen, aber sie hatten es schlie#223;lich akzeptiert. Da#223; nun gerade Ben diese Frage stellte, damit hatte er wirklich nicht gerechnet.

Der ein#228;ugige Kater war n#228;mlich keineswegs das, wonach er aussah: ein ganz normaler, wenn auch ein bi#223;chen gro#223;geratener Kater. Mike hatte ihn vor nunmehr fast einem Jahr in einer Kuppel auf dem Meeresboden gefunden, zusammen mit dem M#228;dchen Serena, von der sie damals noch nicht gewu#223;t hatten, da#223; sie die letzte #252;berlebende Atlanterin war. Serena hatte in einem gl#228;sernen Sarg gelegen, in dem sie etwa zehntausend Jahre lang geschlafen hatte, und Astaroth war ihr W#228;chter gewesen.

Da#223; er kein normales Tier war, das hatte Mike sp#228;testens am n#228;chsten Tag begriffen. Astaroth hatte ihn gebissen, und Mike war in einen Fiebertraum gefallen, in dem ihn die bizarrsten Alptr#228;ume und Visionen plagten. Und als er am n#228;chsten Morgen daraus erwachte, da hatte er zum ersten Mal die lautlose Stimme des Katers in seinem Kopf geh#246;rt.

»Ich bin nicht sicher«, sagte er nach einer Weile. »Ich m#252;#223;te ihn fragen. «

»W#252;rdest du das tun?« sagte Ben kleinlaut. Mike nickte. »Gern. Aber es ist nicht n#246;tig. Du kannst ihn selbst fragen. Er tut n#228;mlich nur so, als ob er schl#228;ft. Er ist l#228;ngst wach. «

Er rechnete fest damit, da#223; Astaroth weiter den Schlafenden mimen w#252;rde, aber der Kater hob den Kopf und sah Ben aus seinem gelben Auge an. Er schwieg. »Sehr begeistert scheint er nicht gerade zu sein«, sagte Ben. Er klang entt#228;uscht. »Aber vielleicht -« Jemand h#228;mmerte gegen die T#252;r. Dann drang Serenas aufgeregte Stimme durch das Metall: »Mike, schnell! Sie haben wieder Funkkontakt zu den Schiffbr#252;chigen!«

Mike und Ben waren die letzten, die in den Salon st#252;rmten. Serena war bereits wieder zur#252;ckgelaufen, ehe sie auch nur aus der Kabine herausgewesen waren, und auf halbem Wege hatte Astaroth sie #252;berholt. Die anderen standen dichtgedr#228;ngt auf dem breiten Podest, das das hintere Drittel des Salons einnahm und auf dem die komplizierten Steuerinstrumente der NAUTILUS untergebracht waren, und belagerten Singh, der mit angespanntem Gesichtsausdruck vor dem Funkger#228;t sa#223; und in seine Kopfh#246;rer lauschte. Trautman drehte sich zu Mike und Ben herum. »Wir haben irgend etwas geh#246;rt«, sagte er. »Aber der Empfang ist sehr schlecht. Vielleicht « »Da ist es wieder!« sagte Singh. Er legte die linke Hand auf den Kopfh#246;rer und drehte mit der anderen an einigen Kn#246;pfen an dem Ger#228;t vor sich. Einen Augenblick sp#228;ter nahm er die Kopfh#246;rer ab und schaltete den Lautsprecher ein, so da#223; sie nun alle verstehen konnten, was das Ger#228;t empfing.

Im ersten Moment h#246;rte Mike nichts au#223;er einer Folge knisternder, pfeifender Laute. Aber dann drehte Singh erneut an einem Knopf, und inmitten der St#246;rger#228;usche begann eine Stimme h#246;rbar zu werden. Sie war nicht sehr deutlich, so da#223; er sich sehr konzentrieren mu#223;te, um die Worte wenigstens halbwegs zu verstehen. »... nicht l#228;nger hierbleiben!« sagte die Stimme. Nein, verbesserte sich Mike in Gedanken. Sie schreit es. »Es werden immer mehr. Unsere Munition wird knapp. Wir k#246;nnen uns nicht mehr lange halten und werden... « Die statischen St#246;rungen und das Pfeifen wurden immer lauter, und die Stimme schwankte so stark, da#223; sie jetzt nur noch Satzfetzen vernehmen konnten. Aber sie war immer noch deutlich genug, um die Panik erkennen zu lassen, die darin mitschwang. »... versuchen, die Berge zu erreichen«, fuhr die Stimme fort. Mike identifizierte sie jetzt als die eines Mannes, und im Hintergrund glaubte er Schreie und die Ger#228;usche eines Kampfes zu h#246;ren -und Sch#252;sse. »Wir folgen dem Flu#223;. Vielleicht finden wir auf der anderen Seite eine M#246;glichkeit, die... «

Wieder wurden die St#246;rger#228;usche so laut, da#223; sie die Stimme verschluckten. Singh begann hastig an den Schaltern und Kn#246;pfen zu drehen, aber diesmal gelang es ihm nicht mehr, die Verbindung wiederherzustellen.

Und schlie#223;lich gab er es auf. Mit einem entt#228;uschten Seufzer schaltete er den Funkempf#228;nger ab und sch#252;ttelte den Kopf.

»Sinnlos«, sagte er. »Irgend etwas hier st#246;rt den Funkverkehr. Vielleicht eine Art Magnetismus. Wir sind sehr weit im Norden. «

»Also gibt es doch noch #220;berlebende!« sagte Ben. Er warf Mike einen verzeihungheischenden Blick zu. »Du hattest recht. Tut mir leid. «

»Aber was kann da nur los sein?« murmelte Juan. »Das waren doch Sch#252;sse!«

»Vielleicht«, sagte Trautman. »Die Verbindung war zu schlecht, um das genau zu sagen. Aber irgend etwas stimmt da nicht. « Er klang sehr besorgt. »Offensichtlich ist diese Insel nicht ganz so verlassen, wie es bisher aussah. «

»Aber was soll denn das hei#223;en?« fragte Juan. »Wir folgen dem Flu#223;? Welchem Flu#223;?«

»Von hier aus sieht man ja nur die Steilk#252;ste«, wandte Chris ein. »Dahinter kann -«

»Unsinn«, unterbrach ihn Juan #252;berzeugt. »Es kann hier keinen Flu#223; geben. Nicht bei diesen Temperaturen. Jeder Flu#223; w#252;rde sofort zufrieren. « »Genug«, sagte Trautman. »Wir haben im Moment Wichtigeres zu besprechen. Ihr habt es alle geh#246;rt -die Menschen dort auf der Insel sind in Lebensgefahr. Wir m#252;ssen etwas tun. « »Und was?« fragte Ben.

Trautman blickte einen Moment lang mit besorgtem Ausdruck an ihm vorbei ins Leere. »Viel ist es nicht«,

sagte er. Wir fahren zur Insel hin#252;ber und versuchen den

Leuten zu helfen. «

»In Ordnung!« sagte Juan. »Ich gehe an Deck und mache das Boot fertig. «

»Und ich k#252;mmere mich um die Ausr#252;stung«, sagte Ben. »Wir brauchen warme Sachen und vor allem Waffen. «

Die beiden wollten auf der Stelle losst#252;rmen, aber Trautman hielt sie mit einer befehlenden Geste zur#252;ck. »Nicht so hastig«, sagte er. »Ich sagte, ein paar von uns gehen. Nicht alle. Und schon gar nicht jetzt. « »Aber worauf wollen wir denn noch warten?« protestierte Ben. »Die Leute dort dr#252;ben sind in Gefahr!« »Das ist noch lange kein Grund, Selbstmord zu begehen«, antwortete Trautman ernst. »Und das w#228;re es, #252;berhastet aufzubrechen und noch dazu nachts. Wir werden in aller Ruhe entscheiden, wer von uns geht, und wir brechen erst morgen fr#252;h auf, sobald es hell geworden ist. Keinen Moment eher!« »Aber bis dahin kann es zu sp#228;t sein!« protestierte Juan. »Sie haben es doch selbst geh#246;rt!« »Ich wei#223;«, erwiderte Trautman. »Trotzdem, wir warten, bis es hell geworden ist. Seid vern#252;nftig. Selbst wenn wir lebend dr#252;ben ank#228;men, h#228;tten wir in der Dunkelheit gar keine Chance, sie zu finden. Au#223;erdem mu#223; eine solche Expedition gr#252;ndlich vorbereitet werden. Ich glaube, ihr macht euch keine Vorstellung von dem, was uns dort dr#252;ben erwartet. « Juan wirkte sehr entt#228;uscht. Aber er widersprach nicht mehr. Vielleicht hatte er eingesehen, da#223; Trautman recht hatte.

»Also gut«, sagte Ben. »Aber wer von uns geht, und wer bleibt hier?«

Erneut machte Trautman eine abwehrende Handbewegung. Er wandte sich an Singh, ehe er Bens Frage beantwortete. »Bleib bitte am Funkger#228;t«, sagte er. »Vielleicht melden sie sich noch einmal. « Singh setzte mit einem wortlosen Nicken die Kopfh#246;rer wieder auf, und Trautman trat vom Instrumentenpult herunter und gab den anderen mit einer Handbewegung zu verstehen, da#223; sie ihm folgen sollten, w#228;hrend er zum Tisch ging. Die Reste des Abendessens waren mittlerweile entfernt worden, und auf der Platte breitete sich jetzt wieder das gewohnte Durcheinander von Karten und nautischen Papieren aus. Sie hatten w#228;hrend der letzten beiden Tage alle nur m#246;glichen Seekarten und Atlanten zu Rate gezogen, um ihre genaue Lage herauszufinden, aber auf keiner einzigen davon war dort, wo die NAUTILUS lag, eine Insel eingezeichnet. Allerdings hatte dies nach Mikes Meinung nicht allzuviel zu bedeuten -sie befanden sich so weit n#246;rdlich aller bekannten Schiffahrtslinien, da#223; die meisten Karten dieser Gegend ohnehin nur auf blo#223;en Vermutungen beruhten. Es war gut m#246;glich, da#223; sie die ersten Menschen waren, die diese Insel zu Gesicht bekamen, ohne auf den Riffen aufzulaufen. Trautman setzte sich und wartete, bis auch alle anderen Platz genommen hatten. »Der Gedanke gef#228;llt mir nicht«, sagte er, »aber ich f#252;rchte, jetzt haben wir keine andere Wahl

mehr, als hin#252;berzurudern und nach den #220;berlebenden zu

suchen. «

»Aber so eine Expedition will gut #252;berlegt sein und noch besser vorbereitet. « Er legte die flache Hand auf die Seekarten, die vor ihm auf dem Tisch ausgebreitet waren. »Es scheint euch immer noch nicht klar zu sein, aber wir befinden uns hier in einer der unwirklichsten Gegenden der Welt. Und so ganz nebenbei -in einer der gef#228;hrlichsten. Dort dr#252;ben herrschen Temperaturen, bei denen euch die Tr#228;nen in den Augen gefrieren werden. Ein winziger Fehler, eine einzige Nachl#228;ssigkeit k#246;nnen dort den Tod bedeuten. Und damit meine ich nicht einmal das, was den Leuten dort zugesto#223;en ist, sondern nur die K#228;lte. «

»Wir passen schon auf uns auf«, versicherte Ben. »Falls du dabei bist«, f#252;gte Trautman hinzu. »Also: Wer meldet sich freiwillig -«

Alle H#228;nde hoben sich geradezu blitzartig, und Trautman fuhr unbeeindruckt fort: »- dazu, hierzubleiben? «

Die H#228;nde senkten sich ebenso rasch wieder, wie sie in die H#246;he gestreckt worden waren, und Trautman seufzte erneut. »Das habe ich mir gedacht«, murmelte er. »Kinder

- ihr scheint das immer noch als gro#223;es Abenteuer zu betrachten, wie? Ich rede von einem lebensgefahrlichen Unternehmen! Ich bin nicht einmal sicher, da#223; wir es bis zur K#252;ste schaffen!« »Unser Beiboot ist viel kleiner als all die anderen Schiffe«, widersprach Ben. »Wir kommen schon zwischen den Riffen hindurch. «

»Trotzdem -es w#228;re Unsinn, wenn mehr als zwei von uns gingen« sagte Trautman. »Au#223;erdem brauche ich die anderen hier an Bord der NAUTILUS, damit das Schiff man#246;vrierf#228;hig bleibt. Und um euch m#246;glicherweise zu Hilfe zu eilen. Ich w#252;rde gerne selbst mitkommen, aber ich f#252;rchte, ich bin den Anstrengungen nicht mehr gewachsen. Ich schlage vor, da#223; Singh und einer von euch gehen. Juan oder Mike oder Ben. « »Und was ist mit mir?« fragte Chris. »Und mir?« f#252;gte Serena hinzu.

»Chris. « Trautman l#228;chelte milde. »Bitte nimm es mir nicht #252;bel, aber f#252;r dich gilt dasselbe wie f#252;r mich, wenn auch aus anderen Gr#252;nden. Du w#228;rst nur eine Belastung f#252;r den anderen. Ihr m#252;#223;t die Steilk#252;ste hinaufklettern und vielleicht Meilen #252;ber das Eis marschieren, bis ihr sie findet. Und du, Serena, bist ein M#228;dchen, und -«

»-und so etwas ist M#228;nnersache, wie?« fiel ihm Serena ins Wort. Ihre Augen blitzten kampflustig. »Was f#252;r ein Unsinn! Ich bin genauso stark wie die anderen, und ich kenne mich hier aus. « »Wie?« fragte Trautman.

Serena nickte so heftig, da#223; ihre blonden Locken flogen. »Der Winterpalast meiner Eltern lag in einer Gegend wie dieser. Ich wei#223;, wie man sich in einer Eiswelt bewegt. Wahrscheinlich besser als jeder andere hier!«

Sie sagt die Wahrheit, meldete sich Astaroth. Er war ihnen nachgekommen, hatte der Unterhaltung bisher aber schweigend zugeh#246;rt. Er lag sogar noch weiter n#246;rdlich. Ich glaube, ihr nennt die Gegend heute den Pol.

Mike #252;bersetzte rasch, was der Kater ihm mitgeteilt hatte, und Trautman sah Serena einige Sekunden lang nachdenklich an. Aber schlie#223;lich sch#252;ttelte er doch wieder den Kopf.

»Nein«, sagte er. »Es ist zu gef#228;hrlich. Juan, Ben oder Mike werden gehen. «

Serena sah Trautman einen Moment beinahe mordl#252;stern an, dann stand sie mit einer so heftigen Bewegung auf, da#223; ihr Stuhl scharrend zur#252;ckflog und um ein Haar umgest#252;rzt w#228;re, und st#252;rmte w#252;tend aus dem Salon.

Mike sah ihr traurig nach. W#228;hrend der Monate, die vergangen waren, seit Serena an Bord des Schiffes gekommen war, waren sie sich deutlich n#228;hergekommmen. Mike war noch immer nicht sicher, ob Serena die Gef#252;hle wirklich erwiderte, die er insgeheim f#252;r sie hegte, aber es stimmte ihn traurig, sie so zornig zu sehen -auch wenn er Trautman selbstverst#228;ndlich recht gab. Es w#228;re viel zu gef#228;hrlich, Serena mit hin#252;ber auf die Insel zu nehmen.

»Vielleicht solltest du ihr nachgehen und sie ein bi#223;chen beruhigen«, wandte er sich an Astaroth. Ich bin doch nicht verr#252;ckt! antwortete der Kater. Im Moment mache ich lieber einen gro#223;en Bogen um sie. Und wenn du einen guten Rat von mir willst -du solltest dasselbe tun. Au#223;erdem mu#223; ich mich dringend um meine S#246;hne k#252;mmern.

Mike sah sich suchend im Salon um. Die vier kleinen Katzen tobten fr#246;hlich herum und brauchten im Moment ganz bestimmt niemanden, der sich um sie k#252;mmerte. Aber er verstand Astaroth. Serena war nicht unbedingt das, was man geduldig nennen konnte, oder gar sanftm#252;tig.

»Also gut«, sagte Trautman. »Ich schlage vor, ihr geht in eure Kabinen und versucht gleich zu schlafen. Der morgige Tag wird sehr anstrengend -auch f#252;r die, die nicht zur Insel hin#252;berfahren. Singh und ich werden bis dahin alles Notwendige vorbereitet haben. « »Und wer geht nun?« wollte Ben wissen. »Bis morgen fr#252;h habe ich mich entschieden«, sagte Trautman. »Ich wecke euch eine Stunde vor Sonnenaufgang. «

Der Wettergott -oder vielleicht auch nur der Zufall gaben Trautman im nachhinein recht. Als die Sonne am n#228;chsten Morgen aufging, war die Kraft des Sturmes gebrochen, und auch der Seegang war nicht mehr ann#228;hernd so stark wie in den letzten Tagen. Und trotzdem

- als er eine halbe Stunde nach Sonnenaufgang neben Singh und Juan -Trautman hatte sie doch zu dritt gehen lassen -den schmalen Strand der Insel betrat, fragte Mike, wie um alles in der Welt sie es geschafft hatten, die Distanz von der NAUTILUS bis hierher zu #252;berwinden, ohne unterwegs zu erfrieren, #252;ber Bord geschleudert zu werden, ohne da#223; der Bootsrumpf sich an einem Riff aufschlitzte oder sie auf irgendeine andere Weise ums Leben kamen. An Gelegenheiten hatte es jedenfalls nicht gemangelt. »Zieht das Boot auf den Strand«, sagte Singh. »Und macht es gut fest. Wenn die Flut es fortrei#223;t, kommen wir nie wieder weg von hier. Ich werde mir inzwischen das Wrack ansehen. «

Seine Worte rissen Mike wieder in die Wirklichkeit

zur#252;ck, wof#252;r er dem Sikh sehr dankbar war. W#228;hrend der Fahrt waren sie alle viel zu sehr damit besch#228;ftigt gewesen, zu rudern und mit den st#252;rmischen Elementen zu k#228;mpfen, um wirklich Angst zu haben -aber jetzt, als die unmittelbare Gefahr vor#252;ber war, begannen seine Knie doch zu zittern.

Das Boot bestand, ganz wie die NAUTILUS, aus einem ungemein widerstandsf#228;higen, trotzdem aber sehr leichten Material. Dennoch waren Mike und Juan ersch#246;pft, als sie es endlich auf den Strand hinaufgezogen hatten, denn sie begn#252;gten sich nicht damit, es ein St#252;ck weit vom Wasser wegzuzerren, sondern schleiften es fast #252;ber den ganzen Strand. Mike hatte Singhs Warnung nicht vergessen. Ohne das Boot kamen sie nie wieder von dieser Insel herunter. Die NAUTILUS besa#223; zwar noch ein zweites Beiboot, aber das war viel kleiner als das, mit dem sie gekommen waren. Sie sa#223;en eine ganze Weile schweigend nebeneinander da und versuchten neue Kr#228;fte zu sch#246;pfen, bis Juan schlie#223;lich als erster aufstand und noch einmal zum Boot zur#252;ckging, um zwei eiserne Haken und einen Hammer zu holen. Mit vereinten Kr#228;ften trieben sie die Haken in das Eis und banden das Boot daran fest. Jetzt w#252;rde es selbst eine noch so gro#223;e Welle nicht mehr davontragen k#246;nnen.

Noch immer ohne ein Wort zu sagen, gingen sie auf das gestrandete Schiff zu. Es war eine kleine Yacht, bei deren Anblick sich Mike fragte, wie sie sich in diesen Teil des Meeres verirrt haben mochte. Sie ma#223; allerh#246;chstens f#252;nfzehn Meter, und bevor der Sturm und die Wellen sie in einen Tr#252;mmerhaufen verwandelt hatten, mu#223;te sie einmal sehr elegant gewesen sein. Jetzt war sie nur mehr ein Wrack. Der Kiel war abgebrochen und der Rumpf auf ganzer L#228;nge aufgerissen. Fast die gesamten Deckaufbauten waren verschwunden, und der zersplitterte Mast lag zwanzig Meter entfernt auf dem Eis. Das Schiff mu#223;te von einer Welle erfa#223;t und regelrecht auf den Strand geschmettert worden sein. Wie jemand diese Katastrophe #252;berlebt haben sollte, war Mike ein R#228;tsel.

Singh kam ihnen entgegen, als sie das Wrack umrundeten. Er hatte den rechten Handschuh ausgezogen und trug einige Papiere in der Hand, in denen er im Gehen bl#228;tterte. Unter den anderen Arm hatte er einen in schwarzes Leder gebundenen Folianten geklemmt; vermutlich das Logbuch des Schiffes. »Wie sieht es aus?« fragte Mike -obwohl ein einziger Blick in Singhs Gesicht diese Frage eigentlich #252;berfl#252;ssig machte. Der Sikh sah sehr erschrocken drein. »Geht lieber nicht hinein«, antwortete Singh. »Dort drinnen ist alles kurz und klein geschlagen. Ihr k#246;nntet euch verletzen. «

»Waren -«, begann Juan, brach dann schon nach dem ersten Wort wieder ab und sah Singh hilfesuchend an. Aber Singh beantwortete seine Frage, auch ohne da#223; er sie laut aussprechen mu#223;te. »Nein, ich habe keine Toten gefunden«, sagte er. »Offensichtlich haben sie es alle #252;berstanden. « Er sch#252;ttelte den Kopf und ma#223; das zertr#252;mmerte Schiff mit einem langen Blick. »Das Funkger#228;t ist ausgebaut worden«, fuhr er fort. »Und anscheinend haben sie auch alles andere mitgenommen, was sie irgendwie tragen konnten. Ich verstehe nur nicht, warum. «

»H#228;tten sie es hierlassen sollen?« fragte Juan. Singh w#252;rdigte ihn nicht einmal eines Blickes. »Das Schiff mag ein Wrack sein. Aber hier h#228;tten sie immerhin ein Dach #252;ber den Kopf gehabt«, fuhr er fort. »Warum haben sie es verlassen? Seht euch nur diese Wand an. «

Er deutete mit einer Kopfbewegung auf die Steilwand aus Eis, die den Strand einschlo#223;. Sie war gute zehn Meter hoch und glatt wie ein Spiegel. Nirgends gab es eine Stelle, an der man bequem oder auch nur ungef#228;hrdet h#228;tte hinaufgelangen k#246;nnen. »Das ist eine lebensgef#228;hrliche Kletterei. So etwas macht doch niemand ohne triftigen Grund. Noch dazu mit einem Verletzten. «

»Ein Verletzter?« wiederholte Mike. »Woher willst du das wissen?«

»Weil ich ein paar blutige Verbandsreste gefunden habe«, antwortete Singh. »Au#223;erdem ist es einfach unm#246;glich, da#223; sie diese Bruchlandung alle unversehrt #252;berstanden haben sollen. « Er klopfte mit dem Zeigefinger auf das Buch. »Ich bin noch nicht dazu gekommen, es zu studieren, aber ich glaube, da#223; mindestens f#252;nf Menschen an Bord waren. Vielleicht sogar mehr. Ich verstehe nicht, warum sie weggegangen sind. « »Aber sie sind es nun einmal«, sagte Juan. »Und ich f#252;rchte, uns wird nichts anderes #252;brigbleiben, als ihnen zu folgen. « Er schauderte sichtbar, aber das lag wahrscheinlich nicht an der bei#223;enden K#228;lte, sondern eher am Anblick der Eiswand, die sich hinter ihnen erhob. Auch Mike gefiel die Vorstellung, dort hinaufklettern zu m#252;ssen, mit jeder Sekunde weniger. Gestern, vom Deck der NAUTILUS aus betrachtet, hatte die Wand beinahe harmlos ausgesehen, eine wei#223;e Mauer eben, hoch, aber trotzdem nicht mehr als ein Hindernis, das man mit wenig M#252;he schon irgendwie #252;berwinden konnte. Jetzt erschien sie ihm wie eine himmelhohe, un#252;berwindliche Barriere. Auch Singh musterte die Eiswand einige Augenblicke lang schweigend, dann drehte er sich mit einem Ruck herum und begann auf das Boot zuzugehen. Mike und Juan folgten ihm. Singh verstaute das, was er an Bord des Wracks gefunden hatte, sorgsam in einen wasserdichten Seesack, den er wohl eigens zu diesem Zweck mitgebracht hatte, und holte ein ganzes Sammelsurium von Steigeisen, Haken sowie ein zusammengerolltes Seil aus einem zweiten Rucksack. Das Seil h#228;ngte er sich #252;ber die Schulter, w#228;hrend er seine #252;brige Ausr#252;stung auf die verschiedenen Taschen seiner dicken Pelzjacke verteilte. Als letztes nahm er einen kurzstieligen Hammer zur Hand.

»Ich gehe zuerst einmal allein«, sagte er. »Ihr wartet hier, bis ich oben bin und mich ein wenig umgesehen habe. «

»He, Moment!« protestierte Mike, aber Singh lie#223; ihn gar nicht zu Wort kommen.

»Es ist viel leichter, wenn ich allein gehe«, sagte er ent

schieden. »Ich hole euch sofort nach, wenn ich oben bin. «

Mike sparte sich die M#252;he, Singh umstimmen zu wollen. Der Sikh lie#223; zwar keine Gelegenheit aus, ihm zu Diensten zu sein und ihm jeden Wunsch von den Augen abzulesen, aber wenn es darum ging, irgendeine -und sei es nur m#246;gliche - Gefahr von Mike abzuwenden, schien er pl#246;tzlich zu vergessen, da#223; er eigentlich Mikes Diener war und ihm Gehorsam schuldete. Au#223;erdem war Mike im Grunde sogar erleichtert #252;ber Singhs Entschlu#223;, allein voranzuklettern. Er war zwar ein guter Sportler, und zu Hause und auch sp#228;ter im Internat in England war kein Baum und auch keine Mauer vor ihm sicher gewesen, aber der Anblick dieser Wand erf#252;llte ihn mit Entsetzen. Das Eis war so glatt, da#223; es das Licht der Sonne reflektierte, so da#223; man es immer nur ein paar Sekunden lang ansehen konnte. Daran emporzuklettern mu#223;te ungef#228;hr so sein, als versuchte man an einem Spiegel hochzusteigen, den jemand sorgsam mit Schmierseife eingerieben hatte. Singh ging diese Aufgabe jedoch mit erstaunlicher Geschicklichkeit an. So routiniert und sicher, als h#228;tte er sein Lebtag lang nichts anderes getan, schlug er die eisernen Haken in die Wand, an denen er sein Seil befestigte und die er anschlie#223;end als Leiter benutzte, um daran emporzuklettern. Schon bald hatte er die halbe Distanz #252;berwunden. Er sieht wie eine gro#223;e pelzige Fliege aus, die eine Wand hinaufklettert, dachte Mike. Eine ganze Weile noch sah er hinauf, auch nachdem Singh l#228;ngst oben angekommen und ihren Blicken entschwunden war, dann wandte er sich wieder der gestrandeten Yacht zu. Der Anblick hatte nichts von seiner unheimlichen Wirkung verloren. Mike fragte sich, wieso das Schiff #252;berhaupt so weit gekommen war. Der Rumpf sah aus, als w#228;re er von Messern aufgeschlitzt worden, #252;berall g#228;hnten gro#223;e, gezackte L#246;cher. »Ich m#246;chte nur wissen, was hier passiert ist«, murmelte er nach einer Weile. »Irgend etwas stimmt doch hier nicht. « Im Grunde sprach er nur, um #252;berhaupt etwas zu sagen und gegen die Stille anzuk#228;mpfen, die sich zwischen ihnen ausgebreitet hatte. Dabei war es gar nicht wirklich still; im Gegenteil: Der Wind heulte weiter #252;ber ihren K#246;pfen, die Wellen brachen sich weiter donnernd an den Riffen, und trotzdem war da pl#246;tzlich eine unheimliche, ja fast unwirkliche Art von Stille, die wie etwas Unsichtbares aus dem Nebel herauszukriechen und neben der Wirklichkeit zu existieren schien. »Wenn du mich fragst, dann stimmt mit dieser ganzen Insel irgend etwas nicht«, antwortete Juan nach einer Weile. Mike sah ihn #252;berrascht an. »Du sp#252;rst es auch?« »Ich sp#252;re #252;berhaupt nichts mehr«, maulte Juan. »Dazu ist es viel zu kalt. « Aber Mike wu#223;te, da#223; Juan im Grunde ganz genau verstand, was er meinte. Irgend etwas war unheimlich an dieser Insel. Irgend etwas war falsch. Es begann mit dem Nebel, der noch immer wie eine graue, wattige Decke auf dem Wasser lag. Hier und da ri#223; der Wind L#246;cher hinein, die sich aber immer wieder fast sofort schl#246;ssen. Je l#228;nger Mike hinsah, desto weniger kam ihm dieser Nebel wirklich wie Nebel vor. Er war zu dicht, und das unabl#228;ssige Wogen und Zittern seiner Oberfl#228;che entsprach einem eigenen Rhythmus, nicht dem des Windes, der daran nagte. Manchmal schien er d#252;nne, rauchige Arme auf den Strand hinaufzuschicken, wie die tastenden Finger eines bizarren Meeresungeheuers, das nach den Opfern suchte, die ihm entkommen waren, und wenn man lange genug hinsah, dann konnte man sich einbilden, unheimliche Schatten darin zu erkennen, fast als versuche der Nebel, sich zu einem K#246;rper zusammenzuballen und Substanz zu gewinnen. Fast? Mike sp#252;rte, wie sich jedes einzelne Haar auf seinem Kopf aufstellte. Die Schatten waren nicht eingebildet. Sie waren wirklich da - und sie kamen langsam den Strand hinauf; zwei schlanke, verzerrte Schatten, die nicht ganz menschlich wirkten und immer wieder zu verblassen schienen, aber jedesmal, wenn sie sich erneut zusammenfanden, ein wenig massiver waren. Erschrocken richtete er sich auf, und Juan, dem die Bewegung nat#252;rlich nicht entging, wurde kreidebleich, als er Mikes Blick folgte und die beiden Gespenster ebenfalls sah. »Was zum Teufel ist das?« fl#252;sterte er. Die beiden Umrisse kamen immer n#228;her und hatten die Grenze des Nebels fast erreicht, und pl#246;tzlich kamen sie Mike gar nicht mehr schlank und klein, sondern verzerrt und riesenhaft vor und

ungemein bedrohlich. Dann traten die beiden Schatten endg#252;ltig aus dem Nebel heraus und wurden zu K#246;rpern, und Mike stie#223; einen keuchenden Schrei aus - allerdings aus Verbl#252;ffung, nicht aus Angst. »Serena!« rief er ungl#228;ubig. »Chris! Was... was tut ihr denn hier?«

Nat#252;rlich waren die beiden viel zu weit von ihnen entfernt, als da#223; sie seine Worte h#228;tten verstehen k#246;nnen, aber sie mu#223;ten zumindest seinen Schrei geh#246;rt haben, denn Chris hob die Hand und winkte ihm zu. Die Bewegung weckte Mike endg#252;ltig aus seiner Starre. Er rannte so schnell los, da#223; er auf dem spiegelglatten Eis fast das Gleichgewicht verloren h#228;tte und konnte nur m#252;hsam und mit wild rudernden Armen bei Chris und dem M#228;dchen anhalten. Chris grinste breit dar#252;ber, w#228;hrend Serena ihn nur k#252;hl musterte. »Wie zum Teufel seid ihr hierhergekommen?« keuchte Mike. »Was tut ihr hier?«

»Ich habe doch gesagt, da#223; ich mitkomme«, antwortete Serena in einem Tonfall, der Mike h#228;tte klarmachen m#252;ssen, wie sinnlos es war, ihr zu widersprechen. Aber er war viel zu erregt und #252;berrascht, um darauf zu achten.

»Bist du v#246;llig verr#252;ckt geworden?« fragte er. »Was glaubst du, was Trautman dir erz#228;hlen wird, wenn wir wieder zur#252;ck sind?«

»Ich kann es mir ungef#228;hr vorstellen«, antwortete Serena. »Das wird ihn vielleicht lehren, mich in Zukunft nicht mehr wie ein kleines Kind zu behandeln. « »Im Augenblick jedenfalls benimmst du dich so«, sagte Juan. Er war etwas vorsichtiger als Mike gelaufen, mittlerweile aber ebenfalls herangekommen. Sein Gesicht, von dem unter der Pelzkapuze nur wenig sichtbar war, hatte einen #228;rgerlichen Ausdruck. »Was ist eigentlich in dich gefahren? Wenn du dich selbst umbringen willst, dann ist das ja vielleicht noch dein Problem. Aber was f#228;llt dir ein, Chris hierherzubringen?« »Das fragst du ihn am besten selbst«, antwortete Serena. »Der kleine Gauner hat mich erpre#223;t. Ich hatte gar keine andere Wahl, als ihn mitzunehmen. « »Und wieso, bitte sch#246;n?« wollte Juan wissen. »Hat er dich etwa mit vorgehaltener Waffe gezwungen?« »Nein -aber er hat herausgefunden, was ich vorhatte, und gedroht, mich bei Trautman zu verpetzen. Also mu#223;te ich ihn wohl oder #252;bel mitnehmen. Aber ich h#228;tte ihn vielleicht unterwegs ers#228;ufen sollen. « Chris grinste. Offensichtlich entsprach Serenas Schilderung den Tatsachen, und es schien ihn mit einer geradezu diebischen Freude zu erf#252;llen, sich ausgerechnet gegen Serena durchgesetzt zu haben -ein Kunstst#252;ck, das vor ihm nur sehr wenigen an Bord der NAUTILUS gelungen war. Da#223; er sich damit selbst in Lebensgefahr gebracht hatte, schien er noch gar nicht begriffen zu haben.

Als h#228;tte Mike noch nicht genug #220;berraschungen erlebt, teilte sich der Nebel in diesem Moment hinter Serena und Chris erneut, und der Kater trat heraus. In seinem schwarzen Pelz glitzerten Eiskristalle, und er knurrte gereizt.

»Astaroth!« sagte Mike. Er wu#223;te im ersten Moment nicht, ob er #252;ber den Anblick des Katers erfreut oder ver#228;rgert sein sollte. »Du auch noch! Also wenigstens von dir h#228;tte ich ein F#252;nkchen klaren Menschenverstand erwartet!«

Wenn ich mit einem Menschenverstand geschlagen w#228;re, antwortete der Kater m#252;rrisch, w#252;rde ich mich selbst vor die n#228;chste Dogge werfen.

»Du wei#223;t genau, was ich meine!« antwortete Mike. »Was, verdammt noch mal, tust du hier?« Das, was meine Aufgabe ist, antwortete der Kater, pl#246;tzlich sehr ernst. Ich passe auf Serena auf. Darauf konnte Mike nichts mehr erwidern -Astaroth hatte ja v#246;llig recht. In gewissem Sinne war der Kater f#252;r die Atlanterin, was Singh f#252;r ihn war: ein treuer Freund und Besch#252;tzer, der diese Aufgabe #252;bertragen bekommen hatte und sie erf#252;llen w#252;rde, koste es, was es wolle.

»Also, wenn ihr euch jetzt alle geb#252;hrend entr#252;stet habt«, sagte Serena fr#246;hlich, »dann k#246;nnt ihr mir ja erz#228;hlen, was ihr gefunden habt. Wo ist Singh?« Mike hatte nicht #252;ble Lust, einfach zu schweigen, zum Boot zur#252;ckzugehen und Serena stehenzulassen. Aber nat#252;rlich hatte sie recht - es war nicht der richtige

Zeitpunkt, um beleidigt zu sein. Trautman w#252;rde ihr schon geh#246;rig den Kopf waschen, wenn sie erst wieder zur#252;ck an Bord der NAUTILUS waren. »Oben auf dem Eis. Er ist allein vorgegangen, um dieStecke zu sichern und sich umzusehen. « »Waren im Schiff #220;berlebende?«

Mike sch#252;ttelte den Kopf. »Nein. Aber auch keine Toten. Sie m#252;ssen irgendwo dort oben sein, und ich denke -« »Mike! Juan? Wo seid ihr?!«

Der Schrei hinderte Mike daran, weiterzureden. Er drang direkt aus dem Nebel vor ihnen - und es war eindeutig Trautmans Stimme, die ihre Namen gerufen hatte. Einen Moment sp#228;ter h#246;rten sie Scharren und Schleifen, und dann platschten hastige Schritte durch das flache Wasser auf sie zu. Es verging nur noch eine Sekunde, bis Trautman aus dem Nebel herausgestolpert kam, dicht gefolgt von Ben. Beide rannten, so schnell sie nur konnten, und beide wirkten so erschrocken, als h#228;tten sie ein Gespenst gesehen. »Mike! Juan!« Trautman atmete h#246;rbar auf, als er die beiden Jungen erblickte. »Gott sei Dank, ihr seid da. Wo ist Singh?«

»Was?« murmelte Mike. »Was ist denn #252;berhaupt los? Nat#252;rlich sind wir hier - wo sollen wir denn sonst sein?«

»Ihr wart verschwunden!« antwortete Ben aufgeregt. »Die... die ganze Insel war pl#246;tzlich verschwunden. Von einer Sekunde auf die andere. « »Wie bitte?« fragte Juan. Er versuchte zu lachen, aber die K#228;lte machte eine Grimasse daraus. »Ben sagt die Wahrheit«, sagte Trautman. »Ich war oben an Deck und habe mit dem Feldstecher nach euch Ausschau gehalten, und pl#246;tzlich war die Insel nicht mehr da. « »Aber das ist doch v#246;llig unm#246;glich!« sagte Juan kopfsch#252;ttelnd.

»Genau das dachte ich vorher auch«, best#228;tigte Trautman. »Aber es war genau, wie Ben sagt: Sie verschwand, von einer Sekunde auf die andere. Und nicht nur sie. Auch die Riffe, der Nebel und die Schiffswracks. Ich habe so etwas noch nie erlebt. « »Und da haben wir das Boot genommen und sind losgefahren«, fuhr Ben fort. »Ganz pl#246;tzlich war der Nebel wieder da, und einen Moment sp#228;ter waren wir am Strand. Ich habe auch keine Ahnung, wie so etwas m#246;glich ist. Aber es war so, das m#252;#223;t ihr mir glauben. « »Wir m#252;ssen von hier verschwinden«, sagte Trautman. »So schnell wie m#246;glich. Mit dieser Insel stimmt etwas nicht. Wo ist Singh, und was -«

Er verstummte. Ein paar Sekunden lang stand er vollkommen reglos da, und auf seinem Gesicht lag pl#246;tzlich ein Ausdruck, als h#228;tte er nun wirklich ein Gespenst gesehen.

»Serena?« murmelte er. »Wie... wie kommst du denn hierher? Was suchst du hier?«

Serena seufzte. »Ich habe Ihnen doch gesagt, da#223; ich dabeisein will«, antwortete sie. »Und ehe Sie sich weiter aufregen -bis jetzt ist mir nichts passiert. Und das wird es auch nicht. Ich kann ganz gut auf michaufpassen. « »Das habe ich nicht erlaubt!« sagte Trautman. Er #252;berwand seine #220;berraschung nur m#252;hsam. Serenas Anblick schien ihn vollkommen aus der Fassung gebracht zu haben.

»Stimmt«, antwortete Serena schnippisch. »Ich habe ja auch nicht um Erlaubnis gefragt. « »Das reicht!« Trautmans Gesicht verfinsterte sich. »Es ist vielleicht nicht der richtige Moment, aber du solltest eines wissen -«

»#196;hem«, machte Juan laut. »Entschuldigt, wenn ich euch unterbreche... « Trautman sah ihn nur kurz an und fuhr dann, an Serena gewandt, fort: »Solange ich an Bord der NAUTILUS bin, f#252;hle ich mich f#252;r euch verantwortlich, und du wirst das gef#228;lligst akzeptieren oder du k#246;nntest die Erfahrung machen, da#223; selbst eine ehemalige Prinzessin von Atlantis nicht davor gefeit ist, den Hosenboden strammgezogen zu bekommen!« »D#252;rfte ich jetzt vielleicht... ?« sagte Juan sch#252;chtern. Trautman fuhr auf dem Absatz herum und funkelte ihn an. »Ja!« sagte er #228;rgerlich. »Was gibt es denn so Wichtiges, da#223; ich kaum aussprechen kann?« Juan l#228;chelte nerv#246;s, hob die Hand und deutete nacheinander auf Ben, Trautman, Mike, Chris, Serena und schlie#223;lich sich selbst. »Ich meine... vielleicht hat es ja nichts zu sagen, aber: Wenn ich recht sehe, sind wir jetzt alle hier, oder?«

»Stimmt«, sagte Trautman, noch immer erregt. »Und?« »Und wer ist dann noch an Bord der NAUTILUS?« fragte Juan ruhig.

»Es bleibt dabei!« sagte Trautman entschieden. »Wir fahren zur#252;ck, sobald Singh wieder hier unten ist. « Er l#246;ste einen der beiden Stricke, die das Boot mit den eisernen Haken verbanden, die Juan in das Eis getrieben hatte, und gab Ben, der auf der anderen Seite stand, mit einer Geste zu verstehen, dasselbe zu tun. Nachdem sie den ersten Schrecken #252;berwunden hatten, der Juans Worten gefolgt war, hatte sich Mike gesagt, da#223; ihre Situation vielleicht ernst war, aber es keinen Grund zu #252;berm#228;#223;igem Entsetzen gab. Letztendlich spielte es keine Rolle, ob sich nun alle oder nur ein paar von ihnen hier auf der Insel aufhielten. Die NAUTILUS lag sicher f#252;nfhundert Meter vor der K#252;ste, und ihre phantastischen Maschinen sorgten ganz von selbst daf#252;r, da#223; sie sich nicht von der Stelle r#252;hrte und da#223; auch kein Unbefugter mit ihr fortfahren konnte. Um die NAUTILUS brauchten sie sich gewi#223; keine Sorgen zu machen. Er war froh, diesen unheimlichen Ort so schnell wie m#246;glich wieder verlassen zu k#246;nnen.

Ben hatte das zweite Tau gel#246;st, und sie begannen das Boot #252;ber das Eis zum Wasser zur#252;ckzuschieben, hielten aber wieder an, als sein Bug die Wand aus Nebel ber#252;hrte, die sich zwischen den Ozean und die Insel geschoben hatte. Bildete es sich Mike blo#223; ein, oder war sie n#228;her gekommen und ein kleines St#252;ck weit den Strand heraufgekrochen?

Er verscheuchte den Gedanken. Dieser Nebel war Nebel, nicht mehr und nicht weniger, basta. Ihre Situation war gef#228;hrlich genug, auch ohne da#223; er anfing, Gespenster zu sehen.

»Ich m#246;chte wissen, wo Singh bleibt«, murmelte Juan. »Er ist bestimmt seit einer Viertelstunde dort oben. Dabei wollte er sich nur mal umsehen. « Sein Blick tastete die wie mit einem Lineal gezogene Krone der Eismauer ab. Von Singh war keine Spur zu sehen. »Sobald der Nebel ein wenig aufrei#223;t, fahrt ihr zur#252;ck zur NAUTILUS«, bestimmte Trautman. »Wenn Singh bis dahin nicht zur#252;ck ist, werde ich ihn holen. Wir kommen dann mit dem zweiten Boot nach. Obwohl ich euch eigentlich bis zum Schlu#223; hierlassen m#252;#223;te«, f#252;gte er in strengerem Tonfall hinzu. »Aber... aber wieso denn?« antwortete Mike. Er verstand nicht, was Trautman meinte. »Das wei#223;t du ganz genau. « Trautman klang eher resigniert als zornig. »Von Serena habe ich nichts anderes erwartet, und Chris ist noch zu jung, um wirklich zu begreifen, in welche Gefahr er sich gebracht hat. Aber von dir h#228;tte ich mir etwas mehr Vernunft gew#252;nscht. Wie hat sie es nur geschafft, dich zu #252;berreden?« Jetzt begann Mike allm#228;hlich zu begreifen, wovon Trautman sprach. »Moment mal!« sagte er. »Sie... Sie glauben doch nicht etwa, da#223; -« »Das hat Zeit bis sp#228;ter«, unterbrach ihn Trautman. »Bleibt hier und gebt acht, wenn sich der Nebel lichtet. Ich will mir das Wrack noch einmal aus der N#228;he ansehen. « Er drehte sich um und ging mit schnellen Schritten davon, ehe Mike antworten konnte. Mike sah ihm v#246;llig verbl#252;fft nach. Trautman glaubte ganz offensichtlich, da#223; sie Serena und Chris mit zur Insel hin#252;bergenommen hatten. Und das wiederum bedeutete, da#223;...

Langsam drehte er sich zu Serena herum, die nur ein paar Schritte neben ihnen stand. Das M#228;dchen hatte die kurze Unterhaltung nat#252;rlich mit angeh#246;rt und wu#223;te genau, worum es ging, doch sie hielt Mikes zornigem Blick gelassen stand, und in ihren Augen glomm sogar ein ganz leises L#228;cheln auf. »Moment«, murmelte Mike. »Er denkt, da#223;... da#223; du mit uns gekommen bist, richtig?«

»Sieht so aus«, sagte Serena.

»Aber das bist du nicht«, fuhr Mike fort. »Und du bist auch nicht mit dem zweiten Boot gekommen, denn das haben Ben und Trautman genommen«, fuhr Mike fort. Und die NAUTILUS hat nur zwei Beiboote an Bord. « »Stimmt ebenfalls«, sagte Serena sp#246;ttisch. »Du bist wirklich ein Ausbund an Scharfsinn. « Mike nahm ihren ironischen Ton nicht zur Kenntnis. »Wie zum Teufel seid ihr dann hierhergekommen?« fragte er fassungslos.

Serena l#228;chelte. »Das verrate ich dir nicht«, sagte sie. »Ich habe eben noch immer meine kleinen Tricks auf Lager, wei#223;t du?«

»Dann werde ich -« Mike trat beinahe drohend einen Schritt auf Serena zu, hielt dann mitten in der Bewegung inne und zwang sich zur Ruhe. »Also gut. Dann frage ich eben Chris. «

»Nur zu«, sagte Serena. »Er wird dir bestimmt alles sagen, was er wei#223;. «

Mike spie#223;te sie mit Blicken regelrecht auf, aber er sparte sich jede weitere Frage, sondern hielt nach Chris Ausschau. Er entdeckte ihn ganz in der N#228;he des Wracks, zusammen mit Juan. Die beiden warteten offensichtlich auf Trautman, der im Inneren des gestrandeten Schiffes verschwunden war. Mike rannte auf ihn zu, ergriff den j#252;ngeren Freund fast grob an der Schulter und drehte ihn mit einem Ruck zu sich herum. »Wie bist du hierhergekommen?« fragte er barsch. Chris war vollkommen verdattert. Er verstand nicht, was Mike von

ihm wollte. »Mit... mit Serena«, stammelte er.

»Das wei#223; ich«, antwortete Mike ungeduldig. »Aber wie seid ihr beide hierhergekommen?« »Nun, wir sind... « Chris brach ab, und dann breitete sich ein vollkommen hilfloser Ausdruck auf seinem Gesicht aus. »Wir... wir sind... « »Ja?« fragte Mike.

»Ich wei#223; es nicht«, gestand Chris. »Wir sind an Deck gegangen, und dann... waren wir pl#246;tzlich im Nebel. Und einen Moment sp#228;ter hier. « »Wie bitte?« entfuhr es Mike.

»Mehr wei#223; ich nicht!« beteuerte Chris. »Bitte la#223; mich los. Du tust mir weh. «

Tats#228;chlich hatte Mike seinen Griff um Chris' Schulter so verst#228;rkt, da#223; es weh tun mu#223;te. Hastig lie#223; er den Jungen los und trat einen halben Schritt zur#252;ck. Er musterte Chris sehr aufmerksam, aber alles, was er auf dem Gesicht des Jungen las, war ein Ausdruck ma#223;loser Verwirrung -und wohl auch ein bi#223;chen Angst. Statt weiter in ihn zu dringen, fuhr er auf dem Absatz herum und sah sich hastig um. »Astaroth!« rief er. »Wo bist du?« Vom Kater war keine Spur zu sehen, aber einen Moment sp#228;ter h#246;rte er seine lautlose Stimme direkt in seinem Kopf. Es ist nicht n#246;tig, zu br#252;llen, sagte der Kater. Nicht, wenn du mit einem zivilisierten Wesen wie mir -»H#246;r mit dem Quatsch auf!« schnappte Mike. »Wie seid ihr hierhergekommen? Ich will es wissen, auf der Stelle!«

Obwohl er den Kater nicht sah, hatte er noch lauter gesprochen als bisher, ja, fast wirklich geschrien. Er bekam auch unverz#252;glich eine Antwort -allerdings nicht die, die er h#246;ren wollte.

Frag Serena, sagte der Kater. Sie kann es dir besser erkl#228;ren als ich.

»Das habe ich bereits getan. Aber sie sagt nichts!« Und wie kommst du dann auf die Idee, da#223; ich es t#228;te? wollte Astaroth wissen. Ich verrate ihre Geheimnisse ebensowenig wie du die deiner Freunde. »Verdammt, Astaroth, es ist wichtig! « Mike schrie nun tats#228;chlich mit dem einzigen Ergebnis, das Astaroth nicht mehr antwortete.

»Was ist denn nun schon wieder los?« Trautman trat geb#252;ckt aus einem fast mannsgro#223;en Loch im Rumpf der Yacht heraus und sah Mike tadelnd an. »Wieso schreist du hier so herum?«

»Es geht um Serena!« antwortete Mike erregt. »Sie ist nicht -«

»Da!« Bens Schrei lie#223; Mike mitten im Satz verstummen und wie alle anderen zu ihm herumfahren. »Der Nebel! Er rei#223;t auf!»

Tats#228;chlich begann sich der Nebel aufzul#246;sen, und er tat es auf eine Art und Weise, die so unheimlich war wie er selbst: schnell und lautlos, und er wurde nicht etwa vom Wind auseinandergerissen, wie Bens Worte hatten vermuten lassen, sondern verbla#223;te einfach. Aus dem wattigen Grau wurde ein zartes Wei#223;, das nach wenigen Sekunden vollends durchsichtig zu werden begann und sich dann ganz aufl#246;ste. Der

Nebel verschwand einfach vor ihren Augen. Aber nicht nur der Nebel.

Zusammen mit den grauen Schwaden verschwand auch

der Sturm. Der Wind flaute von einer Sekunde auf die andere ab und legte sich dann ganz, und pl#246;tzlich lag das Meer, das bis jetzt von meterhohen Wellen aufgepeitscht worden war, wie ein flacher, dunkelgr#252;ner Spiegel vor ihnen, durchbrochen von Hunderten und aber Hunderten spitzer Riffe und Felsnasen, die eine wirklich undurchdringliche Barriere vor der Eisk#252;ste bildeten. Zum ersten Mal konnte Mike die gestrandeten Schiffe und Wracks wirklich erkennen, die dieser Barriere zum Opfer gefallen waren. Sie bildeten ein fast geometrisches Muster vor dem halbrunden Strand, die andere H#228;lfte des gedachten Kreises, den die eisige Zufahrt zur Insel darstellte.

Und trotzdem war es nicht dieser Anblick, der Mike bis ins Mark ersch#252;tterte. Was ihn wie eine eisige Hand im Nacken ber#252;hrte und sein Herz vor Schrecken eine Sekunde lang stillstehen lie#223;, das war vielmehr das, was er nicht sehen konnte. Die NAUTILUS. Das Schiff war verschwunden!

Wo es gelegen hatte, da erstreckte sich jetzt nur eine glatte, vollkommen unber#252;hrte Wasserfl#228;che. Der Ozean war so klar, da#223; sein Blick bis tief unter die Wasseroberfl#228;che reichte, aber er konnte die NAUTILUS auch dort nirgends sehen. Sie war einfach nicht mehr da. »Aber das... das gibt es doch nicht«, stammelte Juan. »Wo ist die NAUTILUS?«

»Verschwunden«, murmelte Trautman. »Sie ist fort.

Einfach verschwunden. So wie... wie die Insel vorhin!« Mikes Gedanken begannen sich wild im Kreis zu drehen. Ganz egal, ob es unm#246;glich war oder nicht, es gab nichts an den Tatsachen zu r#252;tteln -das Unterseeboot war nicht mehr da. Entweder das, oder... ... oder sie waren nicht mehr dort, wo sich die NAUTILUS befand. Und der Rest der Welt. »Vielleicht... vielleicht k#246;nnen wir sie nur nicht mehr sehen«, stammelte Juan. Seine Stimme verriet, da#223; er einer Panik nahe war, aber damit befand er sich in guter Gesellschaft. Auch Mike fiel es immer schwerer, wenigstens #228;u#223;erlich die Beherrschung zu wahren. Und den anderen wahrscheinlich auch. »Ja, das mu#223; es sein!« stie#223; Juan hervor, offenbar verzweifelt darum bem#252;ht, eine Erkl#228;rung f#252;r das Unerkl#228;rliche zu finden. Er war von allen an Bord immer der gewesen, dem es am schwersten fiel, irgend etwas zu akzeptieren, was er nicht mit Logik und klarer#220;berlegung erkl#228;ren konnte. »Sie ist noch da, aber irgendwie k#246;nnen wir sie nicht mehr sehen. Dasselbe mu#223; vorhin mit der Insel passiert sein. Irgendeine... irgendeine Art von Spiegelung. So etwas wie eine umgekehrte Fata Morgana!«

Er sah Trautman flehend an, aber die Best#228;tigung, auf die er wartete, kam nicht. Mike war nicht einmal davon #252;berzeugt, da#223; Trautman die Worte #252;berhaupt geh#246;rt hatte. Er starrte noch immer fassungslos das Meer und die Stelle an, an der eigentlich die NAUTILUS sein sollte. Schlie#223;lich l#246;ste sich sein Blick von der Wasseroberfl#228;che und glitt ein St#252;ck nach rechts. »Das Boot«, murmelte er.

»Es ist auch verschwunden. « Mike blickte das Boot, neben dem noch immer Ben und Serena standen, einen Moment lang verst#228;ndnislos an, ehe er begriff, da#223; Trautman von dem zweiten Boot der NAUTILUS sprach, mit dem Ben und er gekommen waren. Es h#228;tte eigentlich jetzt, wo der Nebel nicht mehr da war, deutlich sichtbar auf dem Strand liegen m#252;ssen. Aber es war nicht da.

»Vielleicht hat es eine Welle fortgerissen«, sagte er. »Wir haben es festgebunden, genau wie ihr«, antwortete Trautman. »Unm#246;glich. «

Hinter Mikes Stirn jagten sich noch immer die Gedanken, aber sie begannen nun allm#228;hlich wieder in geordneteren Bahnen zu verlaufen. Irgend etwas war an diesen scheinbar unm#246;glichen Vorg#228;ngen, was doch wieder eine Art von Logik zu haben schien. Etwas Wichtiges, und es war im Grunde ganz einfach. Er mu#223;te sich nur zwingen, einen Moment lang in Ruhe nachzudenken.

Juan schrie pl#246;tzlich gellend auf und deutete auf Ben, Serena und das zweite Boot, das noch immer ein kleines St#252;ck vom Wasser entfernt auf dem Eis lag, und als Mikes Blick seinem ausgestreckten Arm folgte, da entrang sich auch seiner Kehle ein entsetzter Schrei. Das Boot begann zu verblassen.

Es war der gleiche Effekt wie vorhin beim Nebel, nur jetzt, wo er etwas Massives, Greifbares betraf, ungleich erschreckender: Das schmale Boot schien alle Farbe zu verlieren und sich in einen Schatten aus rauchigem Dunst zu verwandeln, der nur noch durch Zufall die Umrisse eines f#252;nf Meter langen Bootes bildete, und nur eine Sekunde sp#228;ter konnten Mike und die anderen das Eis durch seinen Rumpf hindurchschimmern sehen.

»Serena! Ben!« schrie Trautman mit #252;berschnappender, schriller Stimme. »Lauft!«

Seine Warnung w#228;re nicht n#246;tig gewesen -die beiden hatten ebenfalls bemerkt, was mit dem Boot geschah, und reagierten ganz instinktiv -sie wirbelten auf der Stelle herum und rannten, was das Zeug hielt. Trotzdem hatten sie die Distanz zu Mike und den anderen noch nicht einmal zu einem Drittel hinter sich gebracht, als das Boot vollends durchsichtig zu werden begann und dann verschwand. Wie der Nebel, wie der Sturm und die NAUTILUS war es einfach nicht mehr da.

»Gro#223;er Gott!« fl#252;sterte Trautman. Seine H#228;nde zitterten, und sein Gesicht war fast so wei#223; wie das Eis, auf dem sie standen. »Weg hier. Wir... wir m#252;ssen von diesem Strand herunter, schnell!« Das letzte Wort hatte er geschrien. Noch bevor Ben und das M#228;dchen heran waren, lief er bereits mit weit ausgreifenden Schritten auf die Eiswand zu, wobei er Chris kurzerhand am Arm ergriff und hinter sich herzerrte. Die anderen folgten ihm, und auch Mike rannte #252;ber das Eis, so schnell es der glatte Untergrund zulie#223; -aber er hatte die ganze Zeit #252;ber das Gef#252;hl, einen Fehler zu begehen. Etwas an dem, was sie taten, war falsch, aber er wu#223;te einfach nicht, was. Und ihm blieb auch keine Zeit, dar#252;ber nachzudenken. Dicht vor Ben und Serena erreichte er die Eiswand, und Trautman fa#223;te ihn grob am Arm und stie#223; ihn vorw#228;rts. Mike griff nach oben und klammerte sich an dem Seil fest, das Singh an der Wand befestigt hatte, und seine F#252;#223;e fanden einen schmalen, aber sicheren Halt auf den Steigeisen, die aus dem Eis ragten. Sofort begann er zu klettern, und die Todesangst, die sich mittlerweile in ihm breitgemacht hatte, verlieh ihm scheinbar #252;bermenschliche Kr#228;fte. Ehe er es sich auch nur versah, hatte er bereits die H#228;lfte der Strecke nach oben #252;berwunden und mu#223;te sein Tempo ein wenig zur#252;cknehmen, da Chris vor ihm herkletterte. Ein Blick nach unten zeigte ihm, da#223; auch Juan und Serena bereits damit begonnen hatten, die Eismauer zu erklimmen. Ben griff in genau diesem Moment nach dem Seil, w#228;hrend Trautman noch dastand und den nunmehr leeren Strand anstarrte, auf dem das Schiff gelegen hatte, das -Und dann wu#223;te Mike es.

Die Erkenntnis traf ihn so pl#246;tzlich, da#223; er vor lauter #220;berraschung fast das Seil losgelassen h#228;tte. Im letzten Moment klammerte er sich wieder fest, hielt aber vollends im Klettern inne -und trat Juan, der ihm dichtauf folgte, prompt auf die Finger, als dieser nach dem Steigeisen griff.

»He!« protestierte Juan. »Bist du verr#252;ckt? Klettere weiter!«

»Aber das d#252;rfen wir nicht!« keuchte Mike. »Es ist ein Fehler, verstehst du nicht? Wir m#252;ssen zur#252;ck!« »Du bist verr#252;ckt!« schrie Juan zur#252;ck. »Weiter, ehe ich dir Beine mache!« »Aber das ist -«

»Mike! Weiter!« donnerte Trautman von unten her, und in seiner Stimme lag eine solche Autorit#228;t, da#223; Mike ganz automatisch tat, was er verlangte, und weiterkletterte. Juan begann vor lauter Ungeduld und Angst unter ihm nachzuschieben, und so erreichte er fast gegen seinen Willen wenige Augenblicke sp#228;ter das obere Ende der Eiswand und zog sich mit einem letzten Ruck hinauf. Fl#252;chtig nahm er zur Kenntnis, da#223; sich das Bild hier oben nicht von dem weiter unten unterschied -wohin er auch blickte, sah er nur blendendes Wei#223;. Er drehte sich herum und streckte die Hand aus, um Juan zu helfen. Der junge Spanier griff danach, zog sich mit einem Ruck, der Mike beinahe aus dem Gleichgewicht gebracht h#228;tte, zu ihm hinauf und griff dann seinerseits nach unten, um Serena heraufzuhelfen. Auf diese Weise verging kaum mehr eine Minute, bis schlie#223;lich auch Ben und als letzter Trautman selbst oben auf dem Eis waren. Auf Trautmans Schulter hockte ein struppiges Fellb#252;ndel, das sich mit s#228;mtlichen Krallen an der dicken Pelzjacke festhielt. Und wie es aussah, hatte Trautman es wohl im allerletzten Moment noch geschafft kaum war er ganz auf dem Eis und richtete sich auf, da begann das Seil in Mikes H#228;nden zu zittern und vor ihm zu verblassen. Nicht einmal eine Sekunde sp#228;ter hielt Mike nur noch ein kurzes Tauende in den Fingern, so pr#228;zise und glatt abgeschnitten wie mit einem Skalpell. Eine Sekunde lang starrte er es an, dann lie#223; er es so pl#246;tzlich fallen, als h#228;tte er gl#252;hendes Eisen ber#252;hrt, und beugte sich behutsam vor. Er sah genau das, was er erwartet hatte. Trotzdem erschreckte es ihn zutiefst. Die Wand unter ihnen war wieder vollkommen glatt und unber#252;hrt. Nicht nur das Seil, auch die Haken, die Singh eingeschlagen hatte, waren nicht mehr da. Selbst die L#246;cher, in denen sie gesessen hatten, waren verschwunden. »Das war knapp«, sagte Trautman. »Ich dachte schon, ich schaffe es nicht mehr. «

Mikes Blick wanderte von einem Gesicht zum anderen. »Ich glaube, wir haben gerade einen schrecklichen Fehler gemacht«, sagte er. »Und welchen?« wollte Trautman wissen. Mike z#246;gerte. »Ich hoffe, ich irre mich«, antwortete er dann, »aber ich f#252;rchte, wir haben gerade selbst die T#252;r hinter uns zugeschlagen. Es fing damit an, da#223; die Insel verschwand, nicht? Und als n#228;chstes dann die NAUTILUS und Trautmans Boot. « »Und?« fragte Trautman. »Worauf willst du hinaus?« Er klang ein wenig beunruhigt. Vielleicht ahnte er, was Mike meinte.

»Ich frage mich, ob vielleicht nicht die NAUTILUS und das Boot verschwunden sind, sondern wir«, antwortete Mike.

»Also, ich habe das Gef#252;hl, ich bin noch hier«, sagte Ben spitz. »Allerdings beginne ich mich zu fragen, ob du noch ganz da bist. «

»Das kommt immer darauf an, wo dieses da ist«, sagte Mike ernst. »Was ich meine -vielleicht ist jetzt wieder dasselbe passiert wie vorhin, als die Insel vor euren Augen verschwunden ist. Wir hier habennichts davon gemerkt, aber f#252;r euch war sie einfach weg, wenn auch nur f#252;r eine kurze Zeit. #220;berleg doch selbst - diese Insel mu#223; riesig sein und dazu noch all diese gestrandeten Schiffe, die beweisen, da#223; sie nicht ganz so abseits von allen bekannten Routen liegen kann, wie wir bisher angenommen haben. Aber sie ist trotzdem auf keiner einzigen Karte eingezeichnet. Eigentlich ist das schwer vorstellbar, nicht?«

»Es ist aber so, oder?« antwortete Ben. »Da bin ich eben nicht mehr so sicher«, erwiderte Mike. »Wi#223;t ihr, ich frage mich, ob in Wahrheit vielleicht nicht die NAUTILUS und die beiden Boote einfach verschwunden sind, sondern diese Insel hier. Zusammen mit uns. «

»Ich verstehe«, murmelte Trautman. »Du meinst, als das Boot vor unseren Augen verschwand, da... da kehrte es dahin zur#252;ck, wo auch das andere Boot und die NAUTILUS sind. «

»Ja«, sagte Mike. »Und wenn wir an Bord gewesen w#228;ren, dann h#228;tte es uns wahrscheinlich mitgenommen. « »Oh«, sagte Juan. Mehr nicht - aber der betroffene Ausdruck auf seinem Gesicht machte auch jedes weitere Wort #252;berfl#252;ssig. Zumindest er hatte vollends begriffen, worauf Mike hinauswollte.

»Du meinst, die Insel taucht manchmal auf und verschwindet wieder?« fragte Ben. »Und du meinst weiter, sie nimmt dabei nur die Dinge mit, die zu ihr geh#246;ren, nichts Fremdes, wie?« »So ungef#228;hr«, best#228;tigte Mike.

Ben machte eine Geste, als wollte er seine Worte zur Seite fegen. »Selbst wenn es so ist«, sagte er. »Wir brauchen doch nur wieder hinunterzuklettern und abzuwarten, bis es wieder passiert. Danach landen wir dann automatisch wieder in unserer Welt. « »Hinunterklettern? Ohne Seil? Und selbst wenn -wei#223;t du noch genau, wo die Boote waren, oder m#246;chtest du es riskieren, dich pl#246;tzlich im eiskalten Wasser wiederzufinden und in einer Brandung, die dich sofort gegen die Felsen schmettert?«

»H#246;rt auf zu streiten«, sagte Trautman m#252;de. »Das nutzt uns jetzt auch nichts mehr. Wir werden jetzt Singh suchen, und dann #252;berlegen wir gemeinsam, was wir weiter tun. « Er drehte sich einmal im Kreis. »Ich verstehe gar nicht, wo er bleibt. «

»Vielleicht hat er sich verirrt?« fragte Chris. »Kaum«, erwiderte Trautman kopfsch#252;ttelnd. »Singh w#252;rde niemals... «Er brach ab und runzelte nachdenklich die Stirn. »Dieser Nebel«, murmelte er. »Ich kann mich gar nicht erinnern, da#223; er vorhin da war. « Mike hingegen konnte sich sehr wohl erinnern - n#228;mlich daran, da#223; es vor einer Minute hier oben ganz bestimmt nicht nebelig gewesen war. Sein Blick war weit und ungehindert #252;ber eine schier endlose wei#223;e Ein#246;de gegangen, die so gro#223; war, da#223; sie mit dem Horizont verschmolz, ehe man ihr Ende erkennen konnte. Jetzt konnten sie kaum noch hundert Meter weit sehen. Und die Sicht wurde immer schlechter. Graue Schwaden trieben pl#246;tzlich zwischen Himmel und Erde, und in der Luft lag ein sonderbarer, feuchter Geruch, der vorhin auch noch nicht dagewesen war. Ganz wie unten am Strand erreichte sie der Nebel nicht wirklich, sondern stoppte seinen Vormarsch in einer Entfernung von f#252;nfzehn oder zwanzig Metern, aber ebenso wie dort sahen sie sich schlie#223;lich von einer undurchdringlichen Mauer aus wattigem Grau eingeschlossen. Auch hier formte der Nebel einen Halbkreis, dessen gerade Fl#228;che von der Eiswand gebildet wurde - nur da#223; diesmal ein Abgrund hinter ihnen lag, keine Wand. Aber Mike begriff pl#246;tzlich, da#223; die Fl#228;che, die der unheimliche graue Dunst freilie#223;, immer einen perfekten Kreis darstellte, der von der eisigen Barriere in zwei pr#228;zise gleiche H#228;lften geteilt wurde. »Unheimlich«, fl#252;sterte Ben. »Das ist be#228;ngstigend. « »Ja, und ich f#252;rchte, Singh ist irgendwo dort drinnen«, sagte Trautman. »Vermutlich ist das der Grund, aus dem er nicht zur#252;ckgekommen ist. Vielleicht kann er es gar nicht mehr. «

Ben ri#223; entsetzt die Augen auf und starrte Trautman an. »Sie wollen doch nicht etwa dort hineingehen und ihn suchen?« keuchte er.

»Hast du eine bessere Idee?« fragte Mike. Er machte eine ausholende Bewegung, die die freigebliebene Fl#228;che einschlo#223;. »Du kannst nat#252;rlich hierbleiben und darauf warten, da#223; ein Wunder geschieht«, sagte er. »Aber ich f#252;rchte eher, da#223; du erfrieren wirst - oder verhungern. Ich gehe jedenfalls und suche Singh. « Ben wurde noch bleicher, aber Trautman sagte: »Also gut. Gehen wir. Aber bleibt dicht zusammen. Wenn wir uns in diesem Nebel verlieren, finden wir uns nie mehr wieder. «

Sie hatten sich an den H#228;nden ergriffen und formten so eine Kette, deren Anfang Trautman und dessen Ende Juan bildeten, aber der Nebel wurde bald so dicht, da#223; Mike nicht einmal mehr den vor ihm gehenden Ben wirklich erkennen konnte. Er f#252;hlte seine Hand, und er sah einen verschwommenen dunklen Umri#223; vor sich, aber mehr nicht. Und der Nebel verschluckte nicht nur jedes bi#223;chen Licht, er schien auch ihre Stimmen aufzusaugen. Sie riefen immer wieder Singhs Namen, doch das einzige, was Mike h#246;rte, war seine eigene Stimme: kein Echo, nicht die Rufe der anderen. Er h#228;tte nicht einmal sagen k#246;nnen, wie lange sie durch diesen Nebel stolperten. Vielleicht Stunden, vielleicht nur Minuten. Es war, als bewegte er sich durch einen Traum, in dem die Wirklichkeit zu grauer Irrealit#228;t zerrann, und er h#228;tte sich nicht einmal mehr gewundert, h#228;tte er sich schlie#223;lich selbst in diesem Universum aus wogendem Grau aufgel#246;st. Statt dessen begann sich der Nebel schlie#223;lich zu lichten. Mike konnte noch immer nicht viel weiter als einige Schritte sehen, aber er erkannte nun zumindest Ben wieder deutlich und auch die vor ihm gehende Serena. Und dann fiel ihm auf, da#223; ihm etwas Feuchtes #252;ber sein Gesicht lief, und als er Bens Hand loslie#223; und sich #252;ber die Wange fuhr, da schimmerten ein paar Wassertropfen auf seinem Handschuh.

»He!« protestierte Ben. »Wieso l#228;#223;t du mich los?« Mike griff hastig wieder nach seiner Hand, und sie gingen weiter, aber er konnte nun sehen, wie sich auch in Bens Pelzjacke immer mehr winzige schimmernde Wassertr#246;pfchen bildeten. Und noch etwas: Als Ben sich gerade zu ihm herumgedreht hatte, da hatte er zum ersten Mal seit Stunden jemanden reden sehen, ohne da#223; sein Atem als grauer Dampf im Rhythmus der Worte vor seinem Gesicht erschien. »Es wird w#228;rmer«, rief Trautman in diesem Moment vom Anfang der Gruppe her. »Merkt ihr es auch?« Der Nebel lie#223; seine Worte noch immer sonderbar dumpf und falsch klingen, aber er verschluckte sie nun nicht mehr vollkommen. Und je weiter sie gingen, desto mehr lichtete er sich. Bald konnten sie wieder zehn oder f#252;nfzehn Meter weit sehen, so da#223; sie es nacheinander wagten, sich gegenseitig loszulassen, trotzdem aber dicht beieinander blieben.

Ganz allm#228;hlich begann sich das, was sie von ihrer Umgebung erkennen konnten, zu ver#228;ndern. Unter ihren Stiefeln knirschte noch immer Eis, aber dazwischen schimmerte jetzt immer #246;fter der blanke Fels hindurch, und hier und da glaubte Mike sogar einen Tupfen Gr#252;n oder Braun zu erkennen. Und schlie#223;lich tauchten die ersten B#228;ume vor ihnen auf. Eigentlich waren es nur die Skelette von B#228;umen. Blattlos und vielleicht schon vor Jahrtausenden zu Stein erstarrt, reckten sie sich wie vielfingrige schwarze H#228;nde dem Himmel entgegen, der noch immer hinter einer grauen, undurchdringlichen Decke verborgen lag, und trotzdem atmete Mike bei ihrem Anblick h#246;rbar auf, denn es waren die ersten Zeugen von Leben, auf die sie auf dieser eisigen Insel am Rand der Welt trafen. Und es blieben nicht die einzigen. Die Anzahl der B#228;ume nahm zu, so da#223; sie sich bald durch einen regelrechten Wald bewegten, und auch wenn er tot und vielleicht schon vor Urzeiten zu Stein erstarrt war, es gab Leben in ihm -ein paar Flecken k#228;rgliches Moos hier, einige Grasb#252;schel da, erb#228;rmlich wenig, aber auch genug, um zu zeigen wie hartn#228;ckig das Leben selbst unter den ung#252;nstigsten Umst#228;nden immer wieder Fu#223; zu fassen vermochte.

Sonderbarerweise schien der Anblick dieses Waldes Trautman eher zu beunruhigen. Sie waren immer langsamer gegangen, seit sie in den versteinerten Wald eingedrungen waren, und schlie#223;lich blieb Trautman stehen und sah sich aus eng zusammengekniffenen Augen um.

»Irgend etwas stimmt hier nicht«, murmelte er zum wiederholten Male. »Diesen Wald d#252;rfte es gar nicht geben. Nicht so weit im Norden. Es ist viel zu kalt daf#252;r. «

Genaugenommen war es das schon lange nicht mehr. Es war best#228;ndig w#228;rmer geworden, und Mike fiel erst jetzt wirklich auf, da#223; er eigentlich schon seit einer geraumen Weile gar nicht mehr fror. Trotzdem sagte er: »Dieser Wald scheint sehr alt zu sein. Vielleicht Hunderte von Jahren oder sogar Tausende. « »Hier war es auch vor Tausenden von Jahren nicht w#228;rmer«, behauptete Trautman. »Im Gegenteil. « »Seht mal, dort vorne!« rief Chris pl#246;tzlich. »Es wird heller. Der Nebel scheint sich zu verziehen. « Aller Aufmerksamkeit konzentrierte sich auf die Richtung, in die Chris' ausgestreckter Arm wies, und tats#228;chlich -vor ihnen schimmerte es heller durch die Baumst#228;mme. Es war noch kein wirkliches Tageslicht, aber der Nebel war dort nicht mehr so dicht wie hier. Wortlos und weitaus rascher als bisher marschierten sie weiter. Die B#228;ume wurden immer dichter, und manchmal mu#223;ten sie jetzt mitten durch die Skelette ebenfalls versteinerter B#252;sche hindurch, die wie Glas unter ihren Schritten zerbrachen, aber nach weiteren drei#223;ig oder vierzig Schritten h#246;rte der Wald pl#246;tzlich wie abgeschnitten auf, und als sie zwischen den letzten B#228;umen hervortraten, da hatten sie auch den Rand des Nebels erreicht, und vor ihnen lag... Mike rieb sich verbl#252;fft mit den behandschuhten Fingern #252;ber die Augen, nahm die H#228;nde herunter, blinzelte, blinzelte noch einmal und schlo#223; schlie#223;lich die Augen, um in Gedanken ganz langsam bis drei zu z#228;hlen, ehe er die Lider wieder hob. Der Anblick hatte sich nicht ver#228;ndert.

Unter ihnen breitete sich ein weites, von wucherndem Gr#252;n erf#252;lltes Tal aus. Es mu#223;te mehrere Meilen breit und so lang sein, da#223; sein jenseitiges Ende in gr#252;ngrauem Dunst verschwand. Ein gewundener Flu#223; schl#228;ngelte sich silbern glitzernd zwischen den B#228;umen hindurch, die auf dem Talboden wuchsen, und ein warmer, feuchter Windhauch schlug ihnen ins Gesicht, begleitet von den unterschiedlichsten Ger#228;uschen, die zum Teil vertraut, zum Teil fremd waren. »Das ist nicht m#246;glich«, murmelte Ben. »Ich... ich tr#228;ume wohl! Ich mu#223; am Seil abgerutscht und furchtbar auf den Kopf gefallen sein!«

»Das vermuten wir alle schon seit einer geraumen Weile«, sagte Juan. Aber seine Stimme zitterte, und der gepre#223;te Ton, in dem er sprach, nahm den Worten jeglichen scherzhaften Klang.

»Unglaublich!« fl#252;sterte Trautman. »Das ist... ein Wunder. «

»Da unten!« rief Chris. »Das ist Singh. Singh!« Das letzte Wort hatte er geschrien, und die Gestalt, die gerade in diesem Moment zwischen den B#228;umen unter ihnen aufgetaucht war, hatte es offensichtlich geh#246;rt, denn sie #228;nderte abrupt ihre Richtung und rannte mit weiten Spr#252;ngen auf sie zu. Es war tats#228;chlich Singh. Mike hatte ihn im ersten Moment kaum erkannt, denn der Inder hatte die dicke Pelzjacke ausgezogen, und auch der wei#223;e Turban, den er unter der Kapuze getragen hatte und ohne den er normalerweise nie anzutreffen war, fehlte.

Wie auf ein unh#246;rbares Kommando hin setzten sie sich alle gemeinsam in Bewegung und liefen dem Sikh entgegen. Singh ri#223; im Laufen die Arme in die H#246;he und winkte ihnen zu. Er rief irgend etwas, was Mike nicht verstand, und er wirkte wie ein Mensch, der vor irgend etwas davonrannte.

Und dann teilten sich die B#228;ume hinter dem Inder, und das Ungeheuer brach heraus.

Der Anblick war so bizarr, da#223; Mike noch ein paar Schritte weiterrannte, ehe er #252;berhaupt begriff, da#223; das, was er dort sah, wirklich war, und ungeschickt stolpernd stehenblieb. Wenn dieser Wald und das fruchtbare Tal schon unm#246;glich gewesen waren, dann war das, was sie jetzt erblickten, geradezu absurd.

Das Gesch#246;pf mu#223;te an die drei Meter gro#223; sein, und seine L#228;nge sch#228;tzte Mike auf gut das drei- bis vierfache. Es lief auf zwei gewaltigen Hinterbeinen, hatte einen schlanken, trotzdem aber sehr muskul#246;sen K#246;rper und zwei geradezu l#228;cherlich kleine Vorderl#228;ufe, die beinahe an menschliche Arme erinnerten, nur da#223; sie nicht in H#228;nden, sondern in furchteinfl#246;#223;enden, dreifingrigen Klauen endeten, die es gierig nach seinem Opfer ausgestreckt hatte. Ein langer, sehr kr#228;ftiger Schwanz, den es im Laufen fast waagrecht ausgestreckt hatte, hielt das schreckliche Gesch#246;pf im Gleichgewicht. Der Kopf war ein wahrer Alptraum. Er schien viel zu gro#223; f#252;r den Rest des K#246;rpers, und in dem weit aufgerissenen Maul, in dem Dutzende von gebogenen, sicherlich fingerlangen Z#228;hnen blitzten, konnte ein sitzender Mensch bequem Platz finden. Das Gesch#246;pf mu#223;te mindestens drei oder vier Tonnen wiegen, denn Mike konnte trotz der noch gro#223;en Entfernung sp#252;ren, wie der Boden unter seinen Schritten erbebte, aber es bewegte sich trotzdem mit unglaublicher Geschwindigkeit. Seine ungeheure Gr#246;#223;e lie#223; es weitaus plumper erscheinen, als es war.

Und trotzdem war es nicht seine Gr#246;#223;e oder der Anblick des furchterregenden, aufgerissenen Maules, die Mike sekundenlang wie gel#228;hmt dastehen und dem heranrasenden Kolo#223; entgegenstarren lie#223;. Es war der Umstand, da#223; er wu#223;te, was das f#252;r ein Gesch#246;pf war. Er hatte ein Wesen wie dieses noch niemals lebend gesehen kein Mensch auf der Welt hatte das, aber nat#252;rlich kannte er Bilder, und er hatte mehr als einmal mit offenem Mund vor dem Skelett einer solchen Kreatur gestanden.

Das Wesen, das Singh verfolgte, war nichts anderes als ein leibhaftiger Dinosaurier!

Und erst als er dieses Wort ganz bewu#223;t dachte, wurde ihm klar, in welcher Gefahr sie sich alle befanden. Mit einem gellenden Schrei wirbelte er herum und rannte den Hang wieder hinauf, so schnell er nur konnte, und im gleichen Moment erwachten auch die anderen endlich wieder aus ihrer Erstarrung und ergriffen die Flucht. Sie hatten sich noch nicht allzuweit vom Waldrand entfernt, und das Entsetzen #252;ber den Anblick des urzeitlichen Tieres gab ihnen zus#228;tzliche Kr#228;fte.

Trotzdem h#228;tten sie es beinahe nicht geschafft. Der Saurier mu#223;te wohl Mikes Schrei geh#246;rt haben, denn als Mike im Rennen einen Blick #252;ber die Schulter zur#252;ckwarf, da bemerkte er entsetzt, da#223; das Ungeheuer langsamer geworden war -und aus seinen kleinen, b#246;sartig funkelnden Augen direkt zu ihnen heraufsah. Und dann #228;nderte es j#228;h seinen Kurs und rannte genau auf ihn zu!

Mike schrie erneut auf, raffte all seine verbliebenen Kr#228;fte zusammen und rannte so schnell wie niemals zuvor im Leben. Der Waldrand kam rasch n#228;her, aber ein weiterer Blick zur#252;ck zeigte ihm, da#223; auch der Saurier aufholte, und das mit entsetzlicher Schnelligkeit. Als das Ungeheuer aus dem Wald aufgetaucht war, hatten zwischen ihm und Mike vielleicht hundert Meter gelegen. Jetzt betrug die Distanz allerh#246;chstens noch zehn, dann f#252;nf - und dann hatte Mike den sch#252;tzenden Nebel erreicht und war mit einem Satz zwischen den B#228;umen. Das versteinerte Unterholz zersplitterte unter seinen Schritten, als er r#252;cksichtslos hindurchbrach, aber er wurde nicht langsamer. Hinter ihm begann sich ein ungeheurer Schatten im Nebel abzuzeichnen, und er konnte deutlich sp#252;ren, wie der Boden unter den stampfenden Schritten des Giganten erzitterte. Hinter ihm erklang ein unvorstellbar lautes, unvorstellbar zorniges Br#252;llen, ein Laut, wie Mike ihn niemals zuvor im Leben geh#246;rt hatte und den er niemals wieder vergessen sollte, und er konnte h#246;ren, wie die versteinerten B#228;ume unter dem Ansturm des Kolosses zersplitterten wie Zahnstocher unter den Tritten eines Riesen. Ein Schatten tauchte vor Mike auf, lautlos und schnell wie ein Gespenst, schien mit hundert d#252;rren H#228;nden zugleich nach ihm zu greifen und zerrte an seiner Jacke. Mike wich dem Baum im letzten Moment aus, duckte sich unter einem tiefh#228;ngenden Ast hindurch, an dem er sich beinahe selbst aufgespie#223;t h#228;tte, und sah wieder zu dem Ungeheuer zur#252;ck.

Es war im Nebel nur als riesiger, verzerrter Schatten zu erkennen, aber es kam noch immer n#228;her. Die B#228;ume behinderten sein Vorw#228;rtskommen nicht im mindesten. Es rannte sie einfach nieder.

Das konnte Mike nicht. Er prallte wuchtig gegen einen Baum, stolperte einen Schritt zur#252;ck und fiel halb bewu#223;tlos auf den R#252;cken. F#252;r eine Sekunde wurde es dunkel rings um ihn herum. Er konnte nichts mehr sehen, und alles, was er h#246;rte, war das Rauschen seines eigenen Blutes in den Ohren.

Als er die Augen wieder #246;ffnete, ragte ein gigantischer, krallenbewehrter Fu#223; direkt vor ihm in die H#246;he. Der Anblick war einfach zu entsetzlich, um Angst in ihm aufkommen zu lassen. Langsam drehte er den Kopf und lie#223; seinen Blick an dem Fu#223; und dem dazugeh#246;rigen, unvorstellbar gro#223;en Bein emporwandern, weiter den mit kleinen, gr#252;n und braun gl#228;nzenden Schuppen besetzten Leib empor und schlie#223;lich bis zu dem aufgerissenen Maul und den faustgro#223;en funkelnden Augen. Das Ungeheuer stand breitbeinig #252;ber ihm, wie ein J#228;ger, der sich #252;ber das Wild beugt und sich noch einen Moment an seinem Anblick erfreut, ehe er es endg#252;ltig erlegt, seine Krallen gierig ausgestreckt. Von den Z#228;hnen, die wie kleine, gebogene Dolche in seinem Maul blitzten, troff Geifer. Der Saurier breitete die Vorderl#228;ufe aus, beugte sich vor und ri#223; br#252;llend das Maul auf, und im gleichen Moment flog ein schwarzer Schatten aus dem Wald heraus, landet auf seiner Schnauze und begann fauchend und geifernd und mit allen Krallen gleichzeitig auf ihn einzuschlagen. Br#252;llend richtete sich der Kolo#223; wieder auf und sch#252;ttelte den Kopf, und obwohl die Bewegung eher beil#228;ufig wirkte, war sie doch von solcher Kraft, da#223; Astaroth einfach davongeschleudert wurde und meterweit durch die Luft flog, ehe ein Busch seinen Sturz beendete. Sofort war er wieder auf den F#252;#223;en, raste zur#252;ck und sprang auf Mikes Brust. Seine F#228;nge waren gebleckt. Ein tiefes, drohendes Knurren drang aus seiner Brust. Der Saurier senkte erneut den Sch#228;del, ri#223; ein zweites Mal das Maul auf - und z#246;gerte.

Astaroth schlug mit den Klauen nach ihm. Seine Krallen vermochten die gepanzerte Haut des Giganten nicht einmal anzukratzen, und vermutlich sp#252;rte er die Ber#252;hrung nicht einmal. Trotzdem packten die riesigen F#228;nge nicht zu. Der Saurier stand einfach da und starrte Mike und den Kater an. Das Maul war noch immer ge#246;ffnet, die furchtbaren Klauen zum Zupacken bereit ausgestreckt -aber er griff nicht an. Seine riesigen Augen fixierten das fauchende Fellb#252;ndel auf Mikes Brust, und dann konnte Mike regelrecht sehen, wie etwas Neues im Blick dieser gigantischen Reptilienaugen erschien, ein Ausdruck von... Verwirrung? Unsicherheit?

Und das Wunder geschah. Ganz langsam, z#246;gernd und fast widerwillig, hob der Saurier wieder den Kopf. Das gewaltige Maul schlo#223; sich, ohne Mike und Astaroth verschlungen zu haben, und die f#252;rchterlichen Klauen zogen sich wieder zur#252;ck. Einige Sekunden lang stand der Kolo#223; noch da und starrte auf Mike herab, dann richtete er sich vollends auf, drehte sich herum und begann in die Richtung zur#252;ckzustapfen, aus der er gekommen war. Sein gewaltiger Schwanz peitschte so dicht #252;ber Mike hinweg, da#223; er den Luftzug sp#252;ren konnte und Astaroth sich erschrocken duckte, und nur einen Augenblick sp#228;ter war das Ungeheuer verschwunden.

Mike blieb noch ein paar Sekunden mit angehaltenem Atem und vollkommen reglos auf dem R#252;cken liegen, ehe er auch nur wagte, wieder Luft zu holen und sich auf die Ellbogen hochzustemmen. Astaroth sprang mit einem Satz von seiner Brust herunter, und Mike bemerkte erst jetzt, da#223; die Krallen des Katers sich durch seine Jacke gebohrt und eine Anzahl brennender Kratzer auf seiner Haut hinterlassen hatten. »Wie... wie hast du das gemacht?« murmelte er. Ich habe ihm erz#228;hlt, da#223; ich Vater von vier Kindern bin und er sich um sie und meine Witwe k#252;mmern mu#223;, wenn er mich fri#223;t, antwortete Astaroth. »Astaroth, bitte!« sagte Mike m#252;de. »Ich bin nicht in der Stimmung f#252;r deine Witze. « Ich auch nicht, gestand Astaroth. Er kauerte sich neben Mike zusammen, und Mike sah, da#223; er am ganzen Leib zitterte. Ehrlich gesagt, ich wei#223; es nicht. Er ist... kein Tier, wei#223;t du? »Kein Tier?«

Nicht so, wie ihr glaubt. Er... er denkt. Aber anders als ihr oder ich. Ich wollte mit ihm reden, aber das geht nicht. Aber ich glaube, ich... ich habe ihm Angst gemacht... irgendwie. »Irgendwie?«

Genauer kann ich es nicht sagen, murrte Astaroth. »Na gut«, sagte Mike. »Es spielt auch keine Rolle. Du hast ihn vertrieben. Das allein z#228;hlt. « Vielleicht, antwortete Astaroth kleinlaut. Aber ich bin nicht sicher, da#223; ich es noch einmal k#246;nnte. Er sch#252;ttelte sich. Es war furchtbar. Er denkt, aber er ist so... so anders. Tust du mir einen Gefallen? »Jeden«, antwortete Mike impulsiv. Verrate den anderen nicht, was hier passiert ist. Wenigstens noch nicht.

Mike nickte z#246;gernd. Er verstand den Grund f#252;r Astaroths Bitte nicht ganz, aber er akzeptierte sie, und er war Astaroth diesen Gefallen auch schuldig - schlie#223;lich hatte der Kater ihm gerade das Leben gerettet. Er kam auch nicht mehr dazu, eine weitere Frage zu stellen, denn in diesem Moment wurden bereits Schritte hinter ihnen laut, und kaum eine Sekunde sp#228;ter st#252;rmten Trautman und Serena aus dem Nebel heraus, gefolgt von Chris, Ben und Juan und als letztem Singh. »Mike!« Trautman blieb wie angewurzelt stehen, als er Mike auf dem Boden liegen sah. »Bist du -?« »Es ist alles in Ordnung«, unterbrach ihn Mike hastig. »Mir ist nichts passiert, keine Angst. « Er stand auf und bewegte demonstrativ die Arme, um seine Behauptung zu beweisen. »Ich bin okay, wirklich. « »Ich dachte schon, es w#228;re um dich geschehen«, sagte Trautman. Die Erleichterung, Mike lebend und sogar unversehrt vorzufinden, stand ihm deutlich im Gesicht geschrieben. »Wir sahen, wie er dir folgte, und dann h#246;rten wir dich schreien und dann diese furchtbaren Ger#228;usche... und dir ist wirklich nichts passiert?« »Wirklich nicht«, versicherte ihm Mike. »Obwohl ich dachte, mein letztes St#252;ndlein h#228;tte geschlagen. Es war so knapp. « Er hielt die Hand in die H#246;he und deutete mit Daumen und Zeigefinger einen winzigen Abstand an. »Ich habe einfach Gl#252;ck gehabt, sch#228;tze ich. Ich bin an einen Baum gerannt und hingefallen. Wahrscheinlich hat er mich dabei aus den Augen verloren. « Er sch#252;ttelte sich #252;bertrieben. »Wenn ich nicht gest#252;rzt w#228;re... «

»Wahrscheinlich hat dir das das Leben gerettet«, sagte Chris. »Das war ein Allosaurier. Manche Wissenschaftler glauben, da#223; sie nicht besonders gut sehen konnten und nur auf Bewegung reagierten. Wahrscheinlich h#228;tte er dich gefressen, wenn du weitergerannt w#228;rst. « Er sch#252;ttelte ein paarmal den Kopf und sah Mike bewundernd an. »Wei#223;t du eigentlich, was du f#252;r ein Gl#252;ck gehabt hast? Das ist wahrscheinlich eines der gef#228;hrlichsten Raubtiere, die jemals auf dieser Welt gelebt haben. « »Wieso haben?« fragte Ben. »Mir kam er ziemlich lebendig vor. «

»Diese Gattung ist vor #252;ber hundertzwanzig Millionen Jahren ausgestorben«, sagte Chris gewichtig. Ben zog eine Grimasse. »Das scheint sich noch nicht #252;berall herumgesprochen zu haben, Schlaukopf«, sagte er. »Oder der alte Knabe war gut in Form. F#252;r einen Greis von hundertzwanzig Millionen Jahren Alter l#228;uft er jedenfalls ganz sch#246;n schnell. « Chris starrte ihn eine Sekunde lang verbl#252;fft an, aber dann begann Ben zu lachen, und nach einem Moment stimmten auch Chris und schlie#223;lich alle anderen darin ein. Bens Witz war nicht besonders komisch, und vor allem Mike war nicht nach Lachen zumute. Er h#228;tte sich viel lieber in eine Ecke gekauert und ein bi#223;chen vor Angst gezittert. Aber es war trotzdem ein befreiendes Lachen, das seine Anspannung ein wenig milderte. Der einzige, der nicht darin einfiel, war Trautman. Er stand reglos da und blickte auf den Abdruck hinab, den Mikes K#246;rper deutlich sichtbar im weichen Waldboden hinterlassen hatte. Und auf die beiden gewaltigen Fu#223;abdr#252;cke des Sauriers, die rechts und links davon zu erkennen waren.

Sie waren diesmal sehr viel vorsichtiger, ehe sie den Wald und den sch#252;tzenden Nebel verlie#223;en, und keiner von ihnen erhob irgendwelche Einw#228;nde, als Astaroth vorschlug, als Sp#228;her vorauszugehen und das Gel#228;nde zu sondieren -falls der Saurier tats#228;chlich noch in der N#228;he war, w#252;rde er an einer so kleinen Beute wie dem Kater wahrscheinlich gar kein Interesse haben. Wenigstens war es das, was Mike behauptete, und seine Worte klangen wohl #252;berzeugend genug, auch wenn Astaroth und er wu#223;ten, da#223; das nicht die Wahrheit war. Und zumindest Trautman ahnte, da#223; die beiden ihm etwas verschwiegen.

Obwohl der Nebel und der versteinerte Wald nichts von ihrer Unheimlichkeit verloren hatten, traten sie nur gerade weit genug aus dem wogenden Grau heraus, um einen freien Blick #252;ber das Tal zu haben, und setzten sich in das erste, hier oben noch sp#228;rliche Gras. Eine Zeitlang bestimmte noch Mikes Abenteuer das Gespr#228;ch, aber schlie#223;lich wandte sich Trautman mit einer Frage an Singh, die ihnen allen insgeheim auf der Seele brannte.

»Wo bist du die ganze Zeit gewesen?« Mike erlebte etwas, was bei Singh ziemlich ungew#246;hnlich war der Inder senkte verlegen den Blick und suchte einen Moment nach Worten, ehe er antwortete. »Ich f#252;rchte, ich habe einen Fehler gemacht«, sagte er. »Es tut mir leid. Ich war oben auf der Klippe und wollte mich nur ein wenig umsehen, aber dann... dann war da pl#246;tzlich dieser Nebel. Ich hatte gar nicht vor, ihn zu erforschen, aber ich mu#223; mich wohl verirrt haben. Und schlie#223;lich bin ich hier angekommen genau wie ihr. « Er blinzelte und sah Trautman, Ben und dann Serena und Chris nacheinander an, als erkenne er sie #252;berhaupt erst jetzt.

»Wieso seid ihr alle hier? Und wer ist jetzt auf der NAUTILUS?«

Trautman warf Mike einen b#246;sen Blick zu. »Das ist eine lange Geschichte«, sagte er. »Ich verstehe es selbst noch nicht ganz, aber ich glaube, es hat irgend etwas mit diesem Nebel zu tun. Und dieser Insel. « Er sch#252;ttelte ein paarmal den Kopf und lie#223; seinen Blick #252;ber das gr#252;ne Tal unter ihnen schweifen. »Unglaublich! Das alles d#252;rfte gar nicht existieren! Seht euch nur diese B#228;ume an!« »Das sind gar keine richtigen B#228;ume«, sagte Ben. »So etwas habe ich noch nie gesehen. Es sieht eher aus wie ... wie Farn. «

»Ist es auch«, sagte Chris. »Aber es gibt auch B#228;ume. Seht ihr dort dr#252;ben die Koniferen? Das einzige, was nicht pa#223;t, ist das da. « Er ri#223; ein B#252;schel Gras aus und hielt es in die H#246;he. »Das d#252;rfte nicht hier sein. « Niemand sagte etwas, aber Chris wurde mit einem Mal nerv#246;s, als sich die Blicke von sechs Augenpaaren auf ihn konzentrierten. »Wirklich«, sagte er. »Gras hat es damals noch gar nicht gegeben, das k#246;nnt ihr mir glauben!«

»Das glauben wir dir auch«, antwortete Trautman. »Aber wieso verstehst du so viel davon?« »Weil die Urzeit mein Hobby ist«, antwortete Chris stolz. »Ich habe mich immer schon daf#252;r interessiert. « »Wu#223;test du deshalb so genau, was f#252;r eine Art von Saurier das war?« fragte Ben. »Wie hast du ihn genannt? Allsaurier?« »Allosaurier«, korrigierte ihn Chris und nickte heftig.

»Ich kenne sie alle!« behauptete er. »Ich habe s#228;mtliche B#252;cher dar#252;ber gelesen, die es gibt, und ich war in London im Cristal Palace und habe mir die Modelle angesehen, die sie dort haben. Ihr etwa nicht?« Ein allgemeines Kopfsch#252;tteln war die Antwort, und Chris fuhr in nunmehr h#246;rbar stolzem Ton fort. »Da habt ihr was verpa#223;t. Sie haben sie dort alle aufgebaut. Das Iguanodon, den Brontosaurus, das Triceratops, den Plesiosaurus -« »Und den Allosaurier, ich wei#223;«, unterbrach ihn Trautman. Wahrscheinlich, dachte Mike, bef#252;rchtet er, da#223; Chris die n#228;chste halbe Stunde damit verbringt, die verschiedenen Saurierarten aufzuz#228;hlen, die im Cristal Palace in London zu besichtigen waren. Mike selbst war noch nie dort gewesen, aber er hatte nat#252;rlich von dem gro#223;angelegten Park im Herzen Londons geh#246;rt, in dem Wissenschaftler und Schausteller gemeinsam eines der ehrgeizigsten Projekte des letzten Jahrzehnts verwirklicht hatten, eine Ausstellung lebensgro#223;er, naturgetreuer Dinosauriermodelle. »Trotzdem«, fuhr Trautman fort, »erkl#228;rt das nicht, wie dieses Tier hierher kommt. Du hast

doch gerade selbst gesagt, da#223; sie vor #252;ber hundert

Millionen Jahren ausgestorben sind. «

»Ausgestorben«, sagte Chris betont, »sind sie vor ungef#228;hr f#252;nfundsechzig Millionen Jahren. Diese bestimmte Gattung hat vor hundertzwanzig Millionen Jahren gelebt. Mike kann von Gl#252;ck sagen, da#223; es kein Tyrannosaurus war. Die waren mehr als doppelt so gro#223; und bestimmt doppelt so schnell. « »Was f#252;r ein Trost«, sagte Mike s#228;uerlich. »Sechzig oder hundertzwanzig Millionen Jahre, das macht doch keinen Unterschied!« sagte Ben. »Es d#252;rfte sie trotzdem nicht geben. Das ist doch v#246;llig unm#246;glich. « »Es gibt sie aber!« antwortete Chris. Er klang fast beleidigt. »Vielleicht haben sie auf dieser Insel irgendwie #252;berlebt. «

»Nachdem sie auf der ganzen #252;brigen Welt ausgestorben sind?« fragte Ben zweifelnd. »Das glaubst du doch selbst nicht!«

»Na, wenn es so unm#246;glich ist, dann geh doch hinunter in den Wald und sieh dich um!« sagte Chris patzig. »Dir kann ja gar nichts passieren, oder?« »H#246;rt auf, euch zu streiten«, sagte Trautman m#252;de. »Ich f#252;rchte, ihr habt beide recht. Aber diese Ungeheuer sind nur zu lebendig. Hast du noch mehr davon im Wald gesehen, Singh?«

»Keines von dieser Gr#246;#223;e«, antwortete der Inder. »Aber ein paar seltsame Tiere waren schon da. Und Spuren... sehr eigenartige Spuren. «

Er schauderte, und Trautman verzichtete darauf, weiter auf dieses Thema einzugehen. »Was ist mit den Schiffbr#252;chigen?« fragte er. »Ich war in der Yacht unten am Strand. Sie sieht nicht so aus, als w#228;re sie schon lange verlassen. «

»Sie waren hier«, best#228;tigte Singh. »Ganz in der N#228;he. Ich habe ihr Lager gefunden. Sie haben ein Feuer angez#252;ndet. Die Asche war noch warm. Aber bevor ich mich genauer umsehen konnte, tauchte dieses Ungeheuer auf, und ich mu#223;te fliehen. « »Vielleicht sind sie schon tot«, murmelte Juan. »Wenn diese Bestie sie angefallen hat... « »Das glaube ich nicht«, antwortete Singh. »Das Lager war verlassen, aber es sah nicht nach einer Flucht aus. «

»Und die Sch#252;sse, die wir geh#246;rt haben? Und die Schreie?«

Diesmal zuckte Singh zur Antwort nur die Achseln. Ein weiteres R#228;tsel in einer schier endlosen Kette von Fragen, auf die sie vielleicht nie eine Antwort finden w#252;rden.

Trautman seufzte. »Das ist unglaublich«, sagte er zum wiederholten Mal. »Eine ganze Insel voller Pflanzen und Tiere, die vor Millionen von Jahren ausgestorben sein m#252;#223;ten. Und niemand auf der ganzen Welt hat bisher etwas von ihrer Existenz gewu#223;t. « »Nicht ganz«, sagte Mike ruhig. »Ich glaube, einer wu#223;te es schon. «

Trautman und alle anderen -mit einer Ausnahme starrten ihn verbl#252;fft an, und Mike f#252;gte nach einer Pause sehr betont hinzu: »Genauer gesagt: eine. « Er blickte Serena nicht an, aber er sah aus den Augenwinkeln, da#223; die Atlanterin wie unter einem elektrischen Schlag zusammenfuhr. »Was soll das bedeuten?« fragte Trautman. Serena reagierte nicht, sondern zog die Knie an den K#246;rper, st#252;tzte das Kinn darauf und starrte schweigend zu Boden. Trautman blickte sie durchdringend an, dann wandte er sich mit einem strengen Stirnrunzeln wieder an Mike.

»Was meinst du damit? Wie kommst du auf den Gedanken, da#223; Serena etwas #252;ber diese Insel wei#223;?« »Fragen Sie sie doch, wie sie hierhergekommen ist«, antwortete Mike.

»Hierhergekommen? Aber ich dachte, Juan und du -« »Wir haben sie nicht mitgenommen«, unterbrach ihn Mike. »Und mit Ihnen und Ben ist sie auch nicht gekommen, nicht wahr? Und ein drittes Boot gibt es auf der NAUTILUS nicht. «

»Ist das wahr?« Trautman dreht sich wieder zu Serena herum. Sie machte immer noch keine Anstalten, zu reagieren, aber Trautmans Geduld war nun wohl ersch#246;pft. Er ergriff das M#228;dchen an der Schulter und zwang es, ihm ins Gesicht zu sehen. »Du wei#223;t, was das f#252;r eine Insel ist? Und wie man hierherkommt?« fragte er. »Bitte Serena, es ist wichtig. Vielleicht h#228;ngt unser aller Leben davon ab. «

Serena machte sich mit sanfter Gewalt los und betrachtete Mike mit einem Blick, der einen Granitblock in Tr#252;mmer gerissen h#228;tte. »Ich wei#223; gar nichts«, sagte sie trotzig.

»Nein, bestimmt nicht«, sagte Juan. »Deswegen hast du auch die ganze Zeit #252;ber kein einziges Wort gesagt, seit wir hergekommen sind, und das schlechte Gewissen steht

dir sozusagen in Leuchtbuchstaben auf der Stirn

geschrieben. «

»Es ist... nur eine Legende«, antwortete Serena ausweichend. »Eine Geschichte, die mir meine Eltern erz#228;hlt haben. Wenigstens habe ich das bis heute morgen geglaubt. «

»Dann ist Mike wahrscheinlich nur von einem eingebildeten Monster beinahe gefressen worden, wie?« fragte Juan sp#246;ttisch.

Trautman machte eine abwehrende Bewegung in seine Richtung und streckte wieder die Hand nach Serena aus, ohne sie diesmal jedoch zu ber#252;hren. »Eine Legende? Erz#228;hl sie uns. «

»Das Versunkene Land«, sagte Serena. »Es hei#223;t, da#223; nur die K#246;nige von Atlantis das Versunkene Land betreten k#246;nnen. «

»Das Versunkene Land?« wiederholte Trautman. »Du meinst diese Insel hier?«

Serena nickte z#246;gernd. Sie wich Trautmans Blick wieder aus, aber jetzt wirkte sie nicht mehr trotzig, sondern nur noch sehr ver#228;ngstigt. Sie tat Mike pl#246;tzlich sehr leid. »Sie mu#223; es wohl sein«, sagte sie.

»Ich... ich habe ja selbst gedacht, das es nur eine Legende ist, aber ich bin heute morgen oben im Turm der NAUTILUS gewesen, kurz nachdem Mike und Juan losgefahren sind, und da... da habe ich gesehen, wie die Insel f#252;r einen Moment verschwunden ist. « »Und du hast uns nichts davon gesagt?« Ben ri#223; ungl#228;ubig die Augen auf.

»Ich wu#223;te es doch nicht sicher!« verteidigte sich Serena. Sie sah mit einem Male aus, als hielte sie nur noch mit letzter Kraft die Tr#228;nen zur#252;ck. »Ich dachte, ich k#246;nnte einfach hin#252;bergehen und... und jederzeit wieder zur#252;ckkommen!« »Das Versunkene Land«, erinnerte Trautman. »Du wolltest uns die Geschichte erz#228;hlen. « Serena hob ungl#252;cklich die Schultern und begann nerv#246;s mit einem Grashalm zu spielen. »Ich wei#223; nur, was meine Eltern mir dar#252;ber gesagt haben«, erwiderte sie. »Es hei#223;t, da#223; es ein Land gibt, das jenseits der Zeit existierte. Eine gro#223;e Insel. «

»Jenseits der Zeit?« Ben lachte nerv#246;s. »Was soll denn dieser Bl#246;dsinn hei#223;en?«

»In einer anderen Zeit als unserer«, erkl#228;rte Serena. »In der Legende hei#223;t es, da#223; die Erde fr#252;her einmal von anderen Wesen beherrscht worden sei. Keinen Menschen, aber auch keinen Tieren, wie wir sie kennen. Es hei#223;t, da#223; sie #252;ber unendliche Zeit hinweg die wahren Herren dieser Welt gewesen sein sollen. Aber dann, eines Tages, st#252;rzte ein brennender Stern auf die Erde, und er l#246;schte diese Wesen aus und fast alle anderen Gesch#246;pfe mit ihnen. Nur eine einzige Insel hat die Katastrophe #252;berstanden, aber sie wurde aus unserer Wirklichkeit herausgeschleudert und existierte seither in einer anderen, eigenen Zeit. Aber manchmal kehrt sie zur#252;ck, f#252;r einige Stunden oder auch Tage, und die K#246;nige von Atlantis k#246;nnen sie dann betreten. « »Was f#252;r ein haneb#252;chener Unsinn!« emp#246;rte sich Ben. »Keineswegs«, sagte Chris.

»Wie?« Ben legte die Stirn in so tiefe Falten, da#223; er f#252;r einen Moment fast so alt wie Trautman aussah. »Was meinst du damit, Schlaukopf?«

»Ich finde, es h#246;rt sich nicht wie Unsinn an«, antwortete Chris ruhig. »Die Dinosaurier haben die Erde jahrmillionenlang beherrscht. Viel l#228;nger als die Menschen. Eine Menge Wissenschaftler glauben, da#223; ein gro#223;er Meteor herabgest#252;rzt ist und sie ausgel#246;scht hat und einen Gro#223;teil des restlichen Lebens auf der Welt auch. Das h#246;rt sich verdammt nach dem an, was Serena gerade erz#228;hlt hat. «

»Ja, und au#223;erdem hat er ein Loch in die Zeit gerissen, durch das diese Insel gefallen ist, wie?« Ben tippte sich mit dem Zeigefinger gegen die Schl#228;fe. »Das h#246;rt sich auch unglaublich logisch an, finde ich. « »Es klingt tats#228;chlich etwas seltsam«, r#228;umte Trautman ein. »Aber auf der anderen Seite... wir sind hier, daran gibt es nichts zu r#252;tteln. « »Und au#223;er uns wahrscheinlich noch mehr Menschen«, erinnerte Juan. »Wenn wir sie aufsp#252;ren, dann finden wir vielleicht zusammen einen Weg, wieder von hier wegzukommen. «

»Aber das ist doch gar nicht n#246;tig«, sagte Chris. Er drehte sich zu Serena herum und blickte sie hoffnungsvoll an. »Wir k#246;nnen doch auf dem gleichen Weg zur#252;ck, auf dem wir hergekommen sind, oder?« Serena antwortete nicht. Sie sah auch Chris nicht an, sondern blickte so konzentriert auf den Boden zwischen ihren F#252;#223;en, als g#228;be es dort pl#246;tzlich etwas ungemein Wichtiges zu entdecken. »Oder? « fragte nun auch Trautman -in einem Ton, der in Mike das ungute Gef#252;hl aufkommen lie#223;, da#223; er die Antwort auf diese Frage zu kennen glaubte. »Ich... habe doch gesagt, da#223; es nur eine Legende ist«, antwortete Serena schlie#223;lich, ohne den Blick zu heben. »Es hei#223;t nur, da#223; die K#246;nige von Atlantis das versunkene Land betreten k#246;nnen. « F#252;r ein paar Augenblicke breitete sich betroffenes Schweigen in der Runde aus, w#228;hrend jeder auf seine Weise zu verstehen versuchte, was Serena mit diesen Worten wohl genau meinte. »Ganz langsam«, murmelte Ben schlie#223;lich. »Du... du

willst damit etwa sagen, da#223; du nicht wei#223;t, wie wir hier wieder wegkommen? Im Klartext: Wir sitzen hier fest. Es gibt keinen Weg zur#252;ck. « »Doch«, antwortete Serena hastig. »Den gibt es bestimmt. Ich meine, wenn... wenn man das Versunkene Land nicht auch wieder verlassen k#246;nnte, dann w#252;#223;te ja auch niemand von seiner Existenz. Es gibt bestimmt einen Weg zur#252;ck. Es ist nur so, da#223;... da#223; ich ihn nicht kenne. Auf dem Weg, auf dem ich hergekommen bin, geht es jedenfalls nicht. « »Du hast es ausprobiert? « vermutete Trautman. Serena nickte niedergeschlagen. »Schon vorhin«, sagte sie. »Unten am Strand, bevor wir die Wand hinaufgestiegen sind. «

»Du meinst, deine Eltern haben dir zwar verraten, wie man hierher -, aber nicht, wie man wieder zur#252;ckkommt?« fragte Ben ungl#228;ubig. »Ich habe sie nie gefragt«, gestand Serena. »Phantastisch«, murmelte Ben. »Das war eine echte Glanzleistung. Mein Kompliment. « »Bitte, Ben«, sagte Trautman. »Es ist genug. Wir wu#223;ten ja nicht einmal, da#223; wir Serena hier treffen -also tu bitte nicht so, als w#228;re es allein ihre Schuld. Wir w#228;ren auch ohne sie zur Insel hin#252;bergefahren. « »Ja, aber dann w#228;re jetzt vielleicht noch jemand an Bord des Schiffes, um uns zu helfen«, maulte Ben. »Wir werden auch einen Weg zur#252;ck zur NAUTILUS finden«, antwortete Trautman, auch wenn seiner Stimme die#220;berzeugungskraft fehlte, um die Worte wirklich glaubhaft zu machen. »Sobald Astaroth zur#252;ck ist, brechen wir auf und versuchen die Leute zu finden, deren Lager Singh entdeckt hat. « Er sah sich suchend in der Runde um. »Wo bleibt er eigentlich?« Auch Mike blickte um sich, konnte Astaroth aber ebensowenig entdecken wie Trautman. Aber schon h#246;rte er die lautlose Stimme des Katers hinter seiner Stirn, was so ganz nebenbei bewies, da#223; Astaroth seine alte Unsitte, insgeheim die Gedanken der Menschen in seiner N#228;he zu belauschen, wohl doch noch nicht so ganz abgelegt hatte, wie er immer beteuerte. Die Luft ist rein. Ihr k#246;nnt kommen. Geht einfach geradeaus. Singh kennt den Weg.

Es war der seltsamste Wald, den Mike jemals gesehen hatte. Die B#228;ume standen in kleinen, lockeren Gruppen beieinander, zwischen denen gro#223;e freie Bereiche lagen, die aber ihrerseits wieder so sehr von Unterholz, Geb#252;sch und ineinandergewachsenen Gr#252;npflanzen #252;berwuchert waren, da#223; ein Durchkommen fast unm#246;glich wurde. Mike erkannte nach und nach doch einige Pflanzen, die er schon einmal gesehen hatte, wenngleich die meisten zugleich seltsam ver#228;ndert erschienen und fast alle wesentlich gr#246;#223;er waren, als er es gewohnt war. Vor allem die Farne versetzten ihn in blankes Erstaunen. Viele von ihnen hatten tats#228;chlich die Gr#246;#223;e von B#228;umen, deren Wipfel sich f#252;nfundzwanzig oder drei#223;ig Meter weit in die H#246;he erstrecken mu#223;ten, und es gab eine Unzahl von Parasitenpflanzen, die ihrerseits wieder auf den riesigen Bl#228;ttern Fu#223; gefa#223;t hatten und so beinahe eine Art zweiten Wald #252;ber dem Erdboden bildeten.

Das Lager, da#223; Singh entdeckt hatte, befand sich tats#228;chlich ganz in der N#228;he. Sie hatten gerade die erste Baumgruppe hinter sich gebracht und umgingen in respektvollem Abstand einen sumpfigen Flecken, in dessen Zentrum es bedrohlich brodelte und zischte, als Astaroth vor ihnen aus dem Geb#252;sch auftauchte und sie die letzten Meter f#252;hrte. Mike war ein bi#223;chen entt#228;uscht, als das Lager schlie#223;lich vor ihnen lag -wie Singh gesagt hatte, bestand es im Grunde nur aus einer sorgsam mit Steinen abgegrenztenFeuerstelle. Der Boden ringsum war zertrampelt, einige #196;ste und Bl#228;tter geknickt, aber das war auch alles -sie fanden keine liegengelassenen Ausr#252;stungsgegenst#228;nde, keine Reste von Mahlzeiten oder auch nur einen Fetzen weggeworfenes Papier. Wer immer hier gelagert hatte, hatte sich gro#223;e M#252;he gegeben, den Platz im gleichen Zustand zu verlassen, in dem er ihn angetroffen hatte. Das pa#223;te einfach nicht zurVorstellung einer Gruppe Schiffbr#252;chiger, die in diesem Wald um ihr #220;berleben k#228;mpfte. Und es pa#223;te vor allem nicht zu dem, was sie am vergangenen Tag geh#246;rt hatten.

»Sie scheinen in n#246;rdlicher Richtung weitergezogen zu sein«, sagte Trautman, nachdem er zusammen mit Singh eine ganze Weile die n#228;here Umgebung abgesucht hatte. Die Spuren wiesen tats#228;chlich nach Norden, verloren sich aber schon nach wenigen Schritten auf dem h#228;rter werdenden Boden. »Das haben sie ja auch gesagt«, erinnerte Juan. »Sie wollten zum Flu#223;. Folgen wir ihnen?« Nicht nur zu Mikes Verwunderung z#246;gerte Trautman einen Moment mit der Antwort. »Ich bin nicht sicher, ob das wirklich klug w#228;re«, sagte er. »Aber der Flu#223; ist ganz in der N#228;he«, sagte Chris. »Man konnte ihn vom H#252;gel aus doch sehen. « »Darum geht es nicht. « Trautman lie#223; seinen Blick aufmerksam #252;ber die gr#252;ne, undurchdringlich erscheinende Wand gleiten, die die kleine Lichtung an drei Seiten umgab. Der Gedanke, tiefer in den Dschungel einzudringen, schien ihm ebensowenig zu behagen wie Mike. »Vielleicht sollten wir uns nicht so weit ins Landesinnere vorwagen. Es wird schon schwer genug sein, von hier aus zur#252;ckzukommen. Wenn wir erst einmal tiefer in dem Wald sind, finden wir die K#252;ste vielleicht nie wieder. Au#223;erdem bin ich nicht sicher, da#223; das hier die Leute waren, deren Funkspruch wir geh#246;rt haben. « »Wieso?« wollte Ben wissen. Trautman deutete auf den Kreis aus noch immer nicht ganz erkalteter Asche. »Es sieht nicht so aus«, sagte er. »Menschen, die um ihr Leben rennen, hinterlassen ihr Lager nicht so aufger#228;umt. «

»Vielleicht wollten sie ihre Spuren verwischen«, ant

wortete Ben, aber Trautman sch#252;ttelte abermals den Kopf.

»Dann h#228;tten sie erst gar kein Feuer gemacht oder die Stelle mit Bl#228;ttern und Erde abgedeckt«, antwortete er. »Und denkt nur an die Sch#252;sse, die wir geh#246;rt haben. Hier m#252;#223;ten Patronenh#252;lsen herumliegen... irgend etwas. Ich glaube, das hier war jemand anders. « »Noch mehr Schiffbr#252;chige?« Ben wiegte zweifelnd den Kopf. »F#252;r ein Land, von dessen Existenz kein Mensch auf der Welt wei#223;, herrscht hier aber ein ganz sch#246;ner Betrieb. «

Trautman blieb ernst. »Wahrscheinlich wird uns nichts anderes #252;brigbleiben«, sagte er. »Aber es gef#228;llt mir nicht. Wir sollten auf jeden Fall vorsichtig sein. « »Wenn wir wenigstens eine Waffe h#228;tten!« murmelte Ben. »Wenn wir wieder auf einen solchen Saurier treffen wie vorhin -«

»-w#252;rden uns Gewehre auch nicht viel nutzen«, unterbrach ihn Trautman. »Du glaubst doch nicht, da#223; du einen solchen Riesen einfach erschie#223;en k#246;nntest?« Er beendete das Thema mit einer entschiedenen Handbewegung. »Wir m#252;ssen eben vorsichtig sein. « »Au#223;erdem gibt es wahrscheinlich nicht sehr viele von ihnen«, f#252;gte Chris hinzu. »Wieso?« fragte Ben.

»Weil sie dann l#228;ngst alle kleineren Tiere in der Umgebung gefressen h#228;tten«, antwortete Chris. »Ein solcher R#228;uber braucht wahrscheinlich ein Jagdrevier, das so gro#223; ist wie London. Er mu#223; jeden Tag sicher eine halbe Tonne Fleisch fressen. Wir alle zusammen w#228;ren wahrscheinlich nicht einmal genug, um ihn sattzubekommen. «

»Wie beruhigend«, murmelte Ben. »Es tut richtig gut, ein wanderndes Lexikon bei sich zu haben. « Chris verzichtete auf eine Antwort, und f#252;r eine Weile schwiegen sie alle.

»Also gut«, sagte Trautman schlie#223;lich, und man konnte ihm anh#246;ren, wie schwer es ihm fiel, diese Worte auszusprechen. »Stimmen wir ab. Wer ist daf#252;r, zur K#252;ste zur#252;ckzugehen?« Er hob selbst die rechte Hand, aber er war der einzige. Einige Sekunden lang wartete er vergebens darauf, da#223; sich einer der anderen seiner Haltung anschlo#223;, dann lie#223; er den Arm wieder sinken. Auf den zweiten Teil der Abstimmung verzichtete er gleich ganz.

Der Flu#223; mu#223;te wesentlich weiter entfernt sein, als es von oben aus den Anschein gehabt hatte, denn sie marschierten mehr als zwei Stunden durch den urzeitlichen Dschungel, ehe sie ihn erreichten. Mike und die anderen bekamen in diesen beiden Stunden Pflanzen und Gesch#246;pfe zu Gesicht, die vor ihnen vielleicht noch kein anderer Mensch gesehen hatte, und die Welt, in die sie mit jedem Schritt tiefer eindrangen, war so voller Wunder, da#223; es nicht lange dauerte, bis sie allm#228;hlich selbst ihre Furcht zuvergessen begannen. Was Mike am allermeisten erstaunte, das war der schiere #220;berflu#223; an Leben, auf den sie trafen. Es gab buchst#228;blich keinen Fu#223;breit Boden, auf dem es nicht krabbelte, kroch und sich bewegte, kein Fleckchen in dem gr#252;nen Gewirr #252;ber ihren K#246;pfen, in dem nicht best#228;ndig irgend etwas raschelte, kroch, h#252;pfte oder flatterte. Alles schien in ununterbrochener Bewegung zu sein, und er konnte das Leben, das sie #252;berall, sichtbar und unsichtbar, umgab, regelrecht f#252;hlen, wie eine knisternde,unsichtbare Energie, die alles durchdrang. Und die zweitgr#246;#223;te #220;berraschung war, da#223; dieses Leben zum allergr#246;#223;ten Teil vollkommen harmlos zu sein schien. Sie trafen nur zweimal auf Gesch#246;pfe, um die sie vorsichtshalber einen Bogen schlugen -einmal auf eine Schlange, die vor ihnen #252;ber den Weg kroch und deren L#228;nge Mike nicht einmal zu sch#228;tzen wagte, denn ihr K#246;rper war so dick wie der eines Mannes, das zweite Mal auf ein riesiges Spinnennetz, dessen Bewohner sie nicht zu Gesicht bekamen - die F#228;den waren so dick wie Mikes kleiner Finger.

Als sie endlich das Flu#223;ufer erreichten, waren sie vollkommen ersch#246;pft. Sie hatten ihre warmen Jacken l#228;ngst ausgezogen, aber die Hitze machte ihnen trotzdem zu schaffen, und das Gehen in dem fast undurchdringlichen Dschungel war #252;ber die Ma#223;en anstrengend gewesen, und au#223;erdem machten sich auch Hunger und Durst bemerkbar. Sie hatten ja nicht damit gerechnet, l#228;nger als wenige Stunden auf der Insel zu bleiben, und hatten somit keinerlei Vorr#228;te mitgebracht. Zwar gab es im Wald reichlich Fr#252;chte und Beeren, aber sie hatten es nicht gewagt, irgend etwas davon anzur#252;hren. Was verlockend aussah, mochte in Wirklichkeit giftig sein -immerhin bewegten sie sich durch eine Vegetation, die es auf der Erde gegeben hatte, mehr als sechzig Millionen Jahre, bevor der Mensch erschien. Zumindest ihren Durst konnten sie stillen. Mike war der erste, der sich am

Flu#223;ufer auf die Knie sinken lie#223; und die H#228;nde in das eiskalte Wasser tauchte. F#252;r eine Sekunde scho#223; ihm die M#246;glichkeit durch den Kopf, da#223; auch dieses Wasser ungenie#223;bar sein k#246;nnte, aber er schenkte diesem Gedanken kaum Beachtung. Sie konnten ohne Essen Tage, vielleicht sogar Wochen durchhalten, aber trinken mu#223;ten sie. Aber anstatt bitter oder gar ungenie#223;bar zu sein, schmeckte das kristallklare Wasser so k#246;stlich und s#252;#223; wie selten etwas, das Mike getrunken hatte. Es war sehr kalt, viel k#228;lter, als er erwartet hatte, und schon die ersten Schlucke stillten seinen Durst nachhaltig. Trotzdem blieb er noch eine Weile am Ufer sitzen und blickte auf das rasch dahinflie#223;ende Wasser hinaus. Der Flu#223; war sehr breit -sicher eine halbe Meile -und seine Str#246;mung war so stark, da#223; an eine #220;berquerung nicht zu denken war. Das jenseitige Ufer war nur als gr#252;ner Strich zu erkennen, und der Dschungel setzte sich auch dort dr#252;ben fort, so weit sein Blick reichte. Mike fragte sich, welche Geheimnisse dieser Dschungel noch bergen mochte. Es waren nicht nur ein paar Saurier und bisher f#252;r ausgestorben gehaltene Tier- und Pflanzenarten. Er sp#252;rte einfach, da#223; da noch mehr war. Die wirklichen Geheimnisse dieser versunkenen Welt lagen noch unentdeckt vor ihnen, und sie mu#223;ten gewaltiger sein, als sie jetzt auch nur ahnten. Er registrierte eine Bewegung neben sich und erkannte Serena, die sich gerade auf die Knie sinken lie#223; und eine Handvoll Wasser sch#246;pfte, um zu trinken. Sie sah so ersch#246;pft aus wie sie alle und so

m#252;de und abgek#228;mpft, wie auch Mike sich f#252;hlte, und trotzdem kam sie ihm in diesem Moment h#252;bscher und verlockender vor denn je. Er sah sie eine Weile wortlos an, bis Serena seine Blicke f#252;hlte und sich mit einem Stirnrunzeln zu ihm herumdrehte.

»Was ist?« fragte sie in scharfem Ton. »Warum starrst du mich so an? Du denkst sicher dasselbe wie die anderen, nicht? Du glaubst, da#223; es meine Schuld ist. « »Deine Schuld?« wiederholte Mike verst#228;ndnislos. »Aber was denn?«

»Da#223; wir hier sind«, antwortete Serena. Sie begann pl#246;tzlich zu zittern. Ihre Augen schimmerten feucht, aber noch hielt sie die Tr#228;nen zur#252;ck. Und Mike streckte automatisch die H#228;nde aus, schlo#223; Serena in die Arme und dr#252;ckte sie sch#252;tzend an sich, und ganz gegen ihre sonstige Gewohnheit lie#223; sich Serena diese Vertrautheit nicht nur gefallen, sondern dr#252;ckte sich sogar noch fester an seine Schulter. Es war das erste Mal, da#223; Mike Serena so ber#252;hrte, und er war nicht nur #252;berrascht #252;ber seinen eigenen Mut, er begriff auch pl#246;tzlich, wie einsam die Atlanterin trotz allem war. Serena lebte mit ihnen an Bord der NAUTILUS, sie a#223;, redete und lachte wie sie, #252;bernahm ganz selbstverst#228;ndlich einen Teil der Aufgaben aber sie war nicht wie sie.

Sie war eine echte Prinzessin, der letzte Spro#223; einer Familie, die vor Tausenden von Jahren das versunkene Atlantis beherrscht hatte, und ihm war eigentlich nie so sehr wie in diesem Moment zu Bewu#223;tsein gekommen, wie allein Serena war. Sie alle hatten auf die eine oder andere Weise ihre Eltern verloren, sei es, da#223; sie gestorben waren, sei es, da#223; sie sie -wie in Juans Fall einfach in das teure Nobelinternat in England abgeschoben hatten, weil sie nichts mit ihnen anzufangen wu#223;ten und sie im Grunde nicht haben wollten, aber Serenas Verlust war ungleich gr#246;#223;er. Sie hatte nicht nur ihre Familie, nicht nur all ihre Freunde und Bekannten verloren, sondern ihre gesamte Welt. Das sagenumwobene Atlantis, in dem sie geboren und aufgewachsen war, existierte nicht mehr, und nach ihrer Begegnung mit dem Alten, jenem unsagbar fremden, m#228;chtigen Gesch#246;pf, auf das sie in der Stadt auf dem Meeresboden getroffen waren, hatte sie auch noch den Rest ihres Erbes verloren, ihre magischen Kr#228;fte, die das einzige gewesen waren, was ihre Eltern ihr auf ihrer Reise durch die Zeit hatten mitgeben k#246;nnen. Vielleicht, dachte Mike, war Serena der einsamste Mensch, den es auf diesem Planeten gab. Nur um sie zu tr#246;sten, sagte er nach einer Weile leise: »Ich glaube nicht, da#223; sie das denken, Serena. Du darfst nicht alles f#252;r bare M#252;nze nehmen, was Ben sagt. Er hat Angst, das ist alles. Wir haben alle Angst, aber er ist einfach zu stolz, es zuzugeben. Er meint es nicht b#246;se. « Serena l#246;ste sich mit sanfter Gewalt aus seiner Umarmung. Eine einzelne Tr#228;ne lief #252;ber ihr Gesicht. Sie wischte sie hastig weg. Noch ehe Mike etwas sagen konnte, beugte sie sich vor und gab ihm einen Ku#223; auf die Wange. In der n#228;chsten Sekunde sprang sie auf und lief davon.

Mike sah ihr v#246;llig verwirrt hinterher. Serena lie#223; normalerweise keine Gelegenheit verstreichen, um jedem zu erk#228;ren, da#223; sie weder Hilfe noch irgendeine Art von Trost ben#246;tigte. Aber vielleicht stimmte das nicht so ganz. Und vielleicht, dachte Mike, bin ich Serena doch nicht ganz so gleichg#252;ltig, wie sie mir immer glauben machen will. Ja, m#246;glicherweise erwiderte sie die Gef#252;hle, die Mike insgeheim f#252;r sie hegte, sogar ein wenig.

Durch diese Vorstellung mutiger geworden, stand Mike auf, und er w#228;re Serena auch gefolgt, w#228;re er nicht in diesem Moment Bens sp#246;ttischem Blick begegnet. »Was ist los?« fragte er. »Gibt es irgendeinen Grund, so bl#246;de zu grinsen?«

»Tu ich doch gar nicht«, behauptete Ben und grinste beinah wie ein Honigkuchenpferd. »Ich freue mich nur, das zarte Pfl#228;nzchen der ersten Liebe erbl#252;hen zu sehen. «

Mike ballte die Faust und sch#252;ttelte sie unmittelbar vor Bens Gesicht. »Ich werde dir gleich eins auf die Nase hauen und mich daran erfreuen, wie sie erbl#252;ht«, versprach er. »Wetten, da#223; sie h#252;bsch dick und rot wird, wenn ich nur lange genug darauf einschlage?« Ben grinste nur noch breiter, wich aber trotzdem vorsichtshalber ein kleines St#252;ck vor Mike zur#252;ck. Doch bevor er eine weitere spitze Bemerkung loswerden konnte, erscholl vom Waldrand ein gellender Schrei! Mike fuhr herum. Blitzschnell blickte er alle anderen an. Ben, Serena, Juan, Trautman, Singh... alle waren da. Bis auf Chris. Und erst jetzt, im nachhinein, fiel ihm auf, da#223; er den Zehnj#228;hrigen

schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen hatte,

genaugenommen seit sie am Flu#223; angekommen waren.

In diesem Moment erscholl der Schrei ein zweites Mal, und diesmal ri#223; er Mike endg#252;ltig aus seiner Erstarrung. Zugleich mit Singh und Trautman rannte er los, die anderen folgten ihnen. Chris war in Gefahr, und Mike mu#223;te ihm helfen. R#252;cksichtslos brach er durch dorniges Gestr#252;pp und Unterholz, flankte mit einem gewaltigen Satz #252;ber einen niedergest#252;rzten Baum hinweg -und w#228;re um ein Haar gegen Chris geprallt. Der Junge stand unmittelbar vor ihm, leichenbla#223; und am ganzen Leibe zitternd, aber trotzdem wie gel#228;hmt. Sein Blick war wie hypnotisiert auf das Geb#252;sch unmittelbar vor ihm gerichtet.

Mike sah sich um. Er konnte weder einen Dinosaurier noch irgendein anderes lebendes Wesen erblicken, und trotzdem hatte er f#252;r eine Sekunde ein so intensives Gef#252;hl, angestarrt zu werden, da#223; auch sein Herz rascher zu schlagen begann. »Was ist los?« fragte er. »Chris, was ist passiert?« Chris deutete zitternd auf das Geb#252;sch vor sich. »Dort!« stammelte er. »Da... da war etwas!« Mike sah genau hin, konnte aber noch immer nichts erkennen. Trotzdem n#228;herte er sich dem Geb#252;sch mit #228;u#223;erster Vorsicht. Chris war vielleicht der J#252;ngste von ihnen, aber bisher hatte er erstaunlich gute Nerven bewiesen, und er war auch sonst alles andere als ein Angsthase. Vorsichtig, mit klopfendem Herzen und jederzeit darauf gefa#223;t, sich pl#246;tzlich einer nur aus Z#228;hnen und Hunger bestehenden Kreatur gegen#252;berzustehen, hob erdie Hand und bog die #196;ste zur Seite. Dahinter lagen andere #196;ste, Schatten und gr#252;ne Bl#228;tter. Sonst nichts.

Mittlerweile waren auch die anderen bei Chris angekommen. Trautman hatte den Jungen ein St#252;ck zur#252;ckgezogen und sich sch#252;tzend zwischen ihn und dem Wald gestellt, w#228;hrend Singh wortlos an Mikes Seite trat und gemeinsam mit ihm die Untersuchung des Geb#252;sches fortsetzte.

Sie gingen mit #228;u#223;erster Vorsicht zu Werke, trotzdem aber auch sehr gr#252;ndlich. Aber sie fanden nichts.Einige #196;ste waren geknickt, aber das mochten Tiere gewesen sein, die vielleicht schon vor Tagen hiergewesen waren. »Da ist nichts«, sagte Mike, als er nach ein paar Minuten zur#252;ckkehrte. Singh war noch im Wald und suchte den Boden nach Spuren ab, aber Mike glaubte nicht, das er f#252;ndig werden w#252;rde. Wahrscheinlich hatte sich Chris tats#228;chlich nur vor einem Schatten erschrocken.

»Aber ich habe etwas gesehen!« protestierte Chris. »Ganz deutlich!«

»Das bezweifelt auch niemand«, sagte Trautman rasch, ehe Mike Gelegenheit fand, zu antworten. »Aber jetzt ist nichts mehr da. Wahrscheinlich hast du es mit deinem Schrei verjagt. Oder es ist geflohen, als es uns gesehen hat. Beruhige dich. «

Er l#228;chelte aufmunternd und streckte die Hand nach Chris' Schulter aus, aber der Junge wich vor seiner Ber#252;hrung mit einer fast trotzigen Bewegung zur#252;ck.

»Ich... ich bin doch nicht verr#252;ckt!« sagte er. »Ich habe es gesehen. Ganz deutlich. « »Was hast du gesehen?« wollte Mike wissen. »Ein... ein Wesen«, antwortete Chris. »Es hat dagestanden und mich angestarrt. Genau so wie du jetzt. « Den letzten Teil der Antwort ignorierte Mike vorsichtshalber. Sie waren alle nerv#246;s. Es hatte wenig Sinn, wenn sie sich jetzt auch noch stritten. »Was f#252;r ein Wesen?« fragte Trautman. »Ein Dinosaurier? So einer wie vorhin?«

»Nein«, antwortete Chris. »Es war... ich habe so etwas noch nie gesehen, in keinem einzigen Buch. «

»Es gibt bestimmt ein paar Saurierarten, die man noch nicht entdeckt hat«, sagte Trautman, aber Chris sch#252;ttelte abermals den Kopf.

»So war es nicht. Es war... unheimlich. Im... im ersten Moment dachte ich, es w#228;re ein Mensch. Aber das war es nicht. Aber auch kein Tier. «

»Kein Mensch, aber auch kein Tier?« Mike tauschte einen fragenden Blick mit Serena, aber das M#228;dchen hob nur die Schultern. Chris' Worte schienen f#252;r Serena ebensowenig Sinn zu ergeben wie f#252;r Mike. »Was soll das hei#223;en?«

»Es sah aus wie ein Mensch«, antwortete Chris z#246;gernd. »Es hatte zwei Beine und zwei Arme und ein Gesicht, aber es war... Seine Augen waren zu gro#223; und es hatte eine schuppige Haut wie ein Dinosaurier. Und riesige H#228;nde. «

»Du mu#223;t dich get#228;uscht haben«, beharrte Trautman. »So etwas gibt es doch gar nicht. « »Vielleicht war es

doch einer der Schiffbr#252;chigen«, vermutete Juan.

»Und warum ist es dann weggelaufen, als es euch gesehen hat?« fragte Chris. Er sch#252;ttelte heftig den Kopf. »Ich habe mich nicht geirrt. Da war etwas. Und es war weder ein Mensch noch ein Dinosaurier. « Singhs R#252;ckkehr unterbrach die Diskussion. »Spuren«, sagte er. »Der Junge hat recht. Etwas war da. « Auf den Gesichtern der anderen breitete sich ein erschrockener Ausdruck aus, und auch Mike konnte sp#252;ren, da#223; er bla#223; wurde. Was ihn schaudern lie#223;, das war weniger das, was Singh sagte, sondern mehr die Art, wie er es tat. Was immer Singh gefunden hatte, es hatte ihn zutiefst erschreckt.

Sie folgten Singh zur#252;ck in den Wald. Und als Mike die Spuren sah, die Singh gefunden hatte, da verstand er seinen Schrecken. Es waren die Spuren gro#223;er, dreizehiger F#252;#223;e, die viel gr#246;#223;er als die von Menschen gewesen sein mu#223;ten, und es waren nicht die Spuren eines, sondern gleich dreier Gesch#246;pfe. Sie waren so deutlich, da#223; man ganz genau erkennen konnte, was hier geschehen war. Sie waren zu dritt gekommen, aber nur einer von ihnen war zu dem Geb#252;sch gegangen, hinter dem Chris gestanden hatte. Offensichtlich hatte er sich eine Zeitlang dort aufgehalten, ehe er zu den beiden anderen zur#252;ckgekehrt und zusammen mit ihnen wieder gegangen war. Aber das war es nicht, was Mike bis ins Mark ersch#252;tterte. Es war nicht einmal der Umstand, da#223; diese F#252;#223;e mit furchtbaren Krallen versehen waren und Wesen geh#246;rten, die viel gr#246;#223;er als ein Mensch und unvorstellbar stark sein mu#223;ten. Was ihm einen solch abgrundtiefen Schrecken einjagte, da#223; er f#252;r einen Moment wie gel#228;hmt dastand, das war etwas, was die Spur vor ihm so deutlich zeigte, da#223; es gar keinen Zweifel daran gab. Auch wenn sich eine Sekunde lang alles in ihm dagegen str#228;ubte, es zu glauben. Eines der drei Gesch#246;pfe, die hiergewesen waren und sie beobachtet hatten, hatte Schuhe getragen.

Sie waren schweigsam, als sie zum Flu#223;ufer zur#252;ckkehrten, und niemand erhob Einw#228;nde, als Trautman vorschlug, weiterzugehen. Mike war sicher nicht der einzige, der viel darum gegeben h#228;tte, sich irgendwo lang auszustrecken und ein paar Stunden zu schlafen. Aber Chris' Erlebnis hatte ihnen wieder gezeigt, da#223; diese von der Zeit vergessene Insel nicht nur phantastisch, sondern auch gef#228;hrlich war. Sie brauchten einen sicheren Ort, an dem sie lagern konnten. Die Sonne wanderte langsam weiter #252;ber den Himmel. Sie stie#223;en auf keine weiteren Dinosaurier, sondern sahen nur einige kleinere Gesch#246;pfe, die meistens zu schnell im Unterholz oder auf den B#228;umen verschwanden, um sie zu identifizieren. Wenn Mike daran dachte, wie dramatisch dieser Tag begonnen hatte, so schien er geradezu beunruhigend friedlich zu enden. Und wer wei#223; -vielleicht hatte Chris ja wirklich recht, was die m#246;gliche Anzahl der gro#223;en Raubsaurier in diesem Teil des Waldes anging. Vielleicht waren sie tats#228;chlich dem einzigen dieser gewaltigen Gesch#246;pfe #252;ber den Weg gelaufen, das es im Umkreis vieler Tagesm#228;rsche gab.

»Es wird bald dunkel«, sagte Trautman unvermittelt. Er

blieb stehen, wischte sich mit dem Unterarm den Schwei#223; von der Stirn und blinzelte in den Himmel hinauf, der #252;ber den Baumwipfeln nur als gr#252;nblaues Flickenmuster zu erkennen war. Die Sonne begann sich tats#228;chlich bereits dem Horizont entgegenzuneigen, aber sie hatte nichts von ihrer Kraft eingeb#252;#223;t. Ganz im Gegenteil schien es eher immer w#228;rmer zu werden. »Wir sollten uns einen Platz f#252;r die Nacht suchen. Eine H#246;hle w#228;re ideal, aber vielleicht reicht auch schon ein hoher Baum. «

Mike sah sich suchend um. An B#228;umen bestand wei#223; Gott kein Mangel, auch nicht an hohen. Einige der sonderbaren Farngew#228;chse mu#223;ten eine H#246;he von drei#223;ig oder gar vierzig Metern erreichen, und an den geschuppten St#228;mmen konnte man bestimmt gut hinaufklettern. Das Problem war nur, da#223; bei der kolossalen Gr#246;#223;e einiger der Gesch#246;pfe, die hier leben mochten, auch zehn oder f#252;nfzehn Meter noch keine sichere H#246;he waren.

»Gehen wir noch ein St#252;ck«, schlug Juan vor. »Wir haben bestimmt noch eine Stunde Tageslicht. Vielleicht finden wir einen besseren Platz. « Trautman -und auch die meisten der anderen -waren von diesem Vorschlag nicht besonders begeistert. Sie waren alle mittlerweile am Ende ihrer Kr#228;fte. Das Gehen in dem dichten Wald war sehr anstrengend, und ihre unpassende, viel zu warme Kleidung tat ein #252;briges, sie jeden Schritt wie eine Qual sp#252;ren zu lassen. Trotzdem wandte sich Trautman schulterzuckend um -und hielt in der Bewegung inne. Ein angespannter Ausdruck erschien auf seinem Gesicht. »Was ist los?« fragte Mike alarmiert. Trautman hob hastig die Hand. »Still!« sagte er. Mike lauschte angestrengt. Er h#246;rte gar nichts - aber in der n#228;chsten Sekunde sah er etwas. Nicht weit vor Trautman bewegte sich einer der B#252;sche. Es war nur das kurze Zittern eines Astes, aber er sah es ganz deutlich, und dann huschte ein verschwommener Schatten davon und verschwand in dem Meer aus Gr#252;n und Braun, das sie umgab.

Mike war nicht der einzige, der den Schatten gesehen hatte. »Dort!« rief Chris. »Rechts, seht ihr?« Ohne eine Antwort abzuwarten, rannte er los. Trautman versuchte ihn zur#252;ckzuhalten, aber seine Hand griff ins Leere. Chris rannte an ihm vorbei und verschwand im n#228;chsten Augenblick im Unterholz. »Singh! Hinterher!« rief Trautman. »Ihr anderen bleibt hier!«

Nat#252;rlich gehorchte nur einer seinen Worten - n#228;mlich Singh. Mike, die beiden anderen Jungen und Serena dachten nicht daran, einfach zur#252;ckzubleiben und tatenlos abzuwarten, sondern setzten sich ebenfalls in Bewegung und rannten hinter Chris her. Er hat etwas entdeckt! erscholl Astaroths Stimme in Mikes Kopf. Nach links! Mike wechselte mitten im Schritt die Richtung und w#228;re beinahe gegen Ben geprallt, der Astaroths lautlose Anweisung ja nicht hatte h#246;ren k#246;nnen und weiter in die Richtung lief, in der Chris verschwunden war. Aber er schien zu sp#252;ren, da#223; Mike nicht willk#252;rlich die Richtung ge#228;ndert hatte, denn er schlo#223; sich ihm auf der Stelle an.

Jetzt sahen sie Chris wieder -er befand sich nicht sehr weit von ihnen und rannte, so schnell es das Gewirr von Schlingpflanzen und Wurzeln auf dem Boden zulie#223;. Irgend etwas war vor ihm, aber sie konnten nicht genau erkennen, was. »Chris!« schrie Mike. »Bleib stehen!« Falls Chris die Worte #252;berhaupt h#246;rte, so ignorierte er sie. Er hatte nun festeren Boden erreicht und griff schneller aus, so da#223; sein Vorsprung f#252;r einen Moment sogar noch wuchs. Mike fluchte, verga#223; auch noch den Rest von Vorsicht und beschleunigte seine Schritte ebenfalls. Schon nach ein paar Schritten hatte er ihn eingeholt und ri#223; ihn derb an der Schulter zur#252;ck. Chris wollte sich losrei#223;en, aber Mike hielt ihn mit eiserner Hand fest. »Bist du verr#252;ckt?« fuhr er ihn an. »Du kannst doch nicht allein losst#252;rmen!« »Da vorne ist etwas!« Chris versuchte erneut, sich loszurei#223;en, und deutete mit der anderen Hand nach vorne. »Das m#252;ssen sie sein! Die Wesen, die uns beobachtet haben!«

»Das ist doch noch lange kein Grund -« Etwas knackte deutlich h#246;rbar im Unterholz. Ein Schatten bewegte sich zwischen den Bl#228;ttern, und f#252;r einen Moment glaubte Mike das Aufblitzen einesAugenpaares zu sehen. #220;berrascht lie#223; er Chris' Schulter los und sah noch einmal hin. Die Bewegung war jetzt nicht mehr zu erkennen, aber nur einen Moment sp#228;ter zitterte es im Geb#252;sch, ein kleines St#252;ck links von der ersten Stelle, und dann h#246;rte er trappelnde, sehr schnelle Schritte, die sich rasch entfernten.

Was er Chris noch vor einer Sekunde vorgeworfen hatte, das tat er nun selbst: Ohne zu #252;berlegen, rannte er los. Das Jagdfieber hatte ihn gepackt, und es lie#223; ihn sowohl die Gefahr als auch seine eigenen Ermahnungen auf der Stelle vergessen. Mit weit ausgreifenden Schritten erreichte er das Geb#252;sch, in dem der Schatten verschwunden war, umrundete es und sah einen Umri#223; dicht vor sich hinter einem Baum verschwinden. Er konnte nicht genau erkennen, was es war, aber das Wesen war viel kleiner als er, und es bewegte sich sehr flink. Er beschleunigte seine Schritte noch mehr. Hinter ihm wurden Trautmans und dann auch Bens und Juans Stimmen laut, die nun seinen Namen schrien. Mike erreichte den Baum, hinter dem das fl#252;chtende Gesch#246;pf verschwunden war, sah gerade noch einen Schatten in einem Geb#252;sch zurLinken verschwinden und #228;nderte abrupt seine Richtung. Vor ihm bewegten sich die #196;ste, dann sah er einen Schemen nach rechts davonhuschen, warf sich mitten in der Bewegung herum und erreichte das Gesch#246;pf mit einem gewaltigen Satz. Mit weit vorgestreckten Armen packte er es und ri#223; es von den F#252;#223;en.

Sofort traf ihn ein Tritt vor das Schienbein, Krallen zerrissen sein Gesicht. Er konnte kaum etwas sehen. Mike wollte die H#228;nde hochrei#223;en, um sein Gesicht zu sch#252;tzen, da traf ihn ein heftigerer Hieb in den Leib. Instinktiv zog er den Kopf zwischen die Schultern und versuchte die wirbelnden Arme festzuhalten, aber sein Gegner schien #252;ber mehr als nur zwei Gliedma#223;en zu verf#252;gen. Zum dritten Mal traf ihn ein Schlag in den Magen. Mike kr#252;mmte sich, warf sich aber trotzdem nach vorne und schaffte es endlich, den sich wie toll wehrenden K#246;rper unter sich zu begraben. Wie von weit her konnte er h#246;ren, wie die anderen herangelaufen kamen und bei ihm stehenblieben. Sonderbarerweise machte keiner von ihnen auch nur den Versuch, ihm zu helfen. »Verdammt, warum hilft mir denn keiner?!« br#252;llte Mike. »Wollt ihr zusehen, wie es mich umbringt?« Jemand lachte.

Mike sah verdutzt auf, blickte erst in Trautmans, dann in Singhs Gesicht, und was er darin erblickte, das war das gleiche: Ein Ausdruck, der zwischen Verbl#252;ffung, Staunen und kaum mehr verhohlener Schadenfreude schwankte.

»Bravo«, sagte Ben grinsend und begann sp#246;ttisch zu applaudieren. »Das war eine echte Leistung, Mike. « »Das kann man wohl sagen«, f#252;gte Trautman hinzu. »Da hast du ja ein wirklich gef#228;hrliches Ungeheuer gefangen. «

Es verging immer noch eine Sekunde, bis Mike endlich auf die Idee kam, den Blick von Trautmans Gesicht zu l#246;sen und das anzusehen, was er gepackt hatte und mit M#252;h und Not am Boden hielt.

Und dann mindestens zehn Sekunden, in denen er nichts anderes tat, als reglos dazusitzen und sich unbeschreiblich d#228;mlich vorzukommen. Das gef#228;hrliche Ungeheuer, das er erlegt hatte, war ein M#228;dchen von allerh#246;chstens sieben oder acht Jahren. Verbl#252;fft lie#223; Mike die Handgelenke des M#228;dchens los -mit dem Ergebnis, da#223; er sofort eine schallende Ohrfeige bekam, die ihm die Tr#228;nen in die Augen steigen lie#223;, und kaum eine Sekunde sp#228;ter einen Sto#223; vor die Brust, der ihn r#252;cklings zu Boden schleuderte. Dann sprang das M#228;dchen auf, sah sich wild um und begann am ganzen Leib zu zittern, als es begriff, da#223; es umzingelt war -Trautman, Singh, Serena und die drei anderen Jungen bildeten einen Kreis, aus dem es kein Entkommen gab.

»Hab keine Angst, Kleines«, sagte Trautman. »Wir tun dir nichts. « Er l#228;chelte beruhigend, streckte die Hand aus und trat einen Schritt auf das M#228;dchen zu. Die Kleine wich etwas zur#252;ck und hob die zu F#228;usten geballten H#228;nde. In ihrem Blick flackerte nackte Panik. Trautman blieb wieder stehen.

Als n#228;chstes versuchte es Singh, aber mit dem gleichen Ergebnis. Erst als Serena sich mit sanfter Stimme an das M#228;dchen wandte, nahm es z#246;gernd die H#228;nde herunter. Aber es zitterte noch immer am ganzen Leib, und es dauerte lange, bis es soweit Vertrauen zu Serena gefa#223;t hatte, da#223; die Atlanterin es wagte, sich ihm zu n#228;hern und schlie#223;lich einen Arm um seine Schulter zu legen. Dann aber brach all die aufgestaute Furcht und Angst schlagartig aus ihm heraus. Mit einer so heftigen Bewegung, da#223; es Serena beinahe von den F#252;#223;en gerissen h#228;tte, warf es sich an ihre Brust und begann krampfhaft zu schluchzen. Serena schlo#223; beide Arme um seine Schultern und begann ihm leise, beruhigende Worte zuzufl#252;stern.

»Wirklich, eine reife Leistung«, sagte Ben, der noch immer genauso unversch#228;mt breit grinste wie bisher. »Wir sollten uns einen neuen Namen f#252;r dich ausdenken. Wie w#228;re es mit Drachent#246;ter?« »Wenn du so weitermachst, brauchst du einen neuen Namen«, grollte Mike. »Hinkefu#223; oder Zahnl#252;cke. « Ben lachte schallend. Mike schenkte ihm noch einen abschlie#223;enden, b#246;sen Blick, dann richtete er sich m#252;hsam auf und tastete mit spitzen Fingern #252;ber sein Gesicht. Seine Haut brannte wie Feuer, und er f#252;hlte mindestens zwei Dutzend Kratzer, von denen einige bluteten.

Langsam trat er auf das M#228;dchen zu und betrachtete es genauer. Es war noch j#252;nger, als er im ersten Moment geglaubt hatte - vielleicht sechs Jahre alt, und sie befand sich in einem erbarmungsw#252;rdigen Zustand. Ihre Kleider hingen in Fetzen an ihr herunter. Ihre Haut starrte vor Schmutz, und ihr Haar war str#228;hnig verklebt und so schmutzig, da#223; man seine urspr#252;ngliche Farbe nicht einmal mehr erraten konnte. Ihr Gesicht und ihre H#228;nde waren mit zahllosen, verschorften Kratzern und Schnitten #252;bers#228;t, und sie war so mager und ausgezehrt, als h#228;tte sie seit Wochen nichts mehr zu essen bekommen. Es mu#223;te wohl die schiere Todesangst gewesen sein, die ihr die Kraft gegeben hatte, sich so heftig gegen ihn zu wehren. »Wer bist du?« fragte er. »Wie ist dein Name?« Das M#228;dchen sah kurz unter Serenas Armen hindurch zu ihm hin#252;ber und dr#252;ckte sich dann noch enger an ihre Brust. Mike wollte einen weiteren Schritt auf sie zugehen, aber Serena hob abwehrend die Hand. »La#223; sie in Ruhe«, sagte sie. »Du siehst doch, da#223; sie Angst vor dir hat. Warum

mu#223;test du auch so brutal zu ihr sein?«

Mike blieb angesichts dieser Worte beinahe die Luft weg. Wenn hier jemand brutal zu jemanden gewesen war, dann bestimmt nicht er zu dem M#228;dchen, sondern wohl eher umgekehrt. Er setzte zu einer dementsprechenden Entgegnung an, aber Trautman kam ihm zuvor und brachte ihn mit einer bes#228;nftigenden Geste zum Schweigen.

»Vielleicht ist es wirklich das beste, wenn wir sie erst einmal ganz in Ruhe lassen«, sagte er. »Serena wird sich schon um sie k#252;mmern. Schauen wir uns inzwischen nach einem geeigneten Platz f#252;r die Nacht um. « Mike f#252;gte sich, wenn auch nicht ohne vorher noch einmal demonstrativ mit spitzen Fingern #252;ber die Kratzer und Schrammen zu fahren, die sein Gesicht verunzierten. Das Ergebnis fiel allerdings nicht unbedingt so aus, wie er gehofft hatte. Anstelle von Mitleid erntete er nur eine Reihe sp#246;ttischer Blicke, so da#223; er schlie#223;lich aufgab und Trautman folgte.

W#228;hrend der folgenden halben Stunde suchten sie die n#228;here Umgebung gr#252;ndlich ab, aber ganz wie Mike insgeheim schon bef#252;rchtet hatte, war das einzige, was einem sicheren Platz auch nur nahe kam, eine gewaltige Astgabel acht oder neun Meter #252;ber dem Erdboden. Gottlob war der Baum leicht zu ersteigen, was Mike aber nicht sonderlich beruhigte -wenn sie leicht dort hinaufkamen, dann galt das auch f#252;r alle anderen Bewohner dieses Waldes. Aber es war das Beste, was sie fanden. Schlie#223;lich kehrten sie zu Serena, Astaroth und dem fremden M#228;dchen zur#252;ck. Die Kleine hatte mittlerweile aufgeh#246;rt zu weinen, kauerte aber noch immer angstvoll an Serena geschmiegt auf dem Boden und sah ihnen -und vor allem Mike -mi#223;trauisch entgegen. Astaroth hatte sich auf ihrem Scho#223; zusammengerollt und schnurrte zufrieden, w#228;hrend das M#228;dchen ihn mit einer Hand zwischen den Ohren kraulte. »Nun?« fragte Trautman. Er l#228;chelte dem M#228;dchen aufmunternd zu, aber er fing auch Serenas warnenden Blick auf und wagte es nicht, sich ihr weiter als zwei Schritte zu n#228;hern. »Wie geht es dir? Hast du dich beruhigt?«

Er bekam keine Antwort. Serena quittierte seinen fragenden Blick nur mit einem Schulterzucken, so da#223; Trautman es nach einigen Sekunden noch einmal versuchte: »Wie ist dein Name, Kleines?« fragte er. »Ich bin Trautman. Das da sind Singh, Ben, Chris und Juan. Und Serena und ihren kleinen Spielgef#228;hrten da kennst du ja schon. «

Der Spielgef#228;hrte quittierte diese unw#252;rdige Bezeichnung mit einem strengen Blick in Trautmans Richtung, enthielt sich aber ansonsten jedes Kommentares, und Trautman deutete als letztes auf Mike und sagte: »Das ist Mike. Ich hoffe, du bist ihm nicht mehr b#246;se. Er hat nicht gleich gesehen, wer du bist, wei#223;t du? Und du? Wie hei#223;t du?«

Einen Moment lang sah es nicht so aus, als w#252;rde er eine Antwort bekommen, aber dann zog das M#228;dchen lautstark die Nase hoch, wischte sich mit dem Unterarm die Tr#228;nen vom Gesicht und sagte: »Annie. Ich hei#223;e Annie. Eigentlich Annegret, aber alle nennen mich Annie. « »Annie, so. « Trautman l#228;chelte erneut und lie#223; sich in zwei Metern Abstand zu dem M#228;dchen in die Hocke sinken, damit sie nicht mehr zu ihm aufsehen mu#223;te, w#228;hrend sie miteinander sprachen.

»Wir sind Schiffbr#252;chige, Annie«, fuhr er fort. »Wir sind an der K#252;ste gestrandet und suchen seither andere Menschen. Wir sind sehr froh, da#223; wir auf dich getroffen sind, mu#223;t du wissen. Aber du bist doch bestimmt nicht allein hier, oder?«

Annie schwieg. Sie dr#252;ckte sich enger an Serena. Ihr Blick wanderte unsicher zwischen Trautman und Mike hin und her.

»Bist du mit deinen Eltern hergekommen?« fragte Juan. »Mit meinem Dad«, antwortete Annie. »Und Onkel Mark und Tante Sue. Mom ist zu Hause geblieben. Sie ha#223;t Seereisen. «

»Und wo ist dein Dad jetzt?« fragte Trautman. »Fort«, antwortete Annie in trotzigem Ton. »Die Drachen haben ihn geholt. Und die anderen auch. « »Die Drachen?« Trautman tauschte einen #252;berraschten Blick mit Serena, aber wieder antwortete die Atlanterin nur mit einem angedeuteten Achselzucken. Offenbar hatte sie bisher auch nicht viel mehr von dem M#228;dchen erfahren. »Was meinst du mit Drachen?«

»Die Drachen eben«, erwiderte Annie stur. »Sie haben sie geholt. Sie haben sich gewehrt und auf sie geschossen, aber es waren zu viele. Sie haben sie alle weggeschleppt. Aber mich haben sie nicht gekriegt. Ich habe mich auf einem Baum versteckt. Sie k#246;nnen nicht gut klettern. « Sie begann wieder st#228;rker zu zittern. Ihre Augen f#252;llten sich mit Tr#228;nen. »Drachen?« murmelte Ben. »Aber das ist -« Trautman schnitt ihm mit einer hastigen Geste das Wort ab. »Du brauchst keine Angst mehr zu haben, Annie«, sagte er. »Du bist jetzt in Sicherheit. Niemand wird dir jetzt noch etwas tun. Drachen, sagst du? Wie haben sie ausgesehen?«

»Wie Drachen eben«, antwortete Annie. Ihre Stimme zitterte. Sie war kurz davor, wieder in Tr#228;nen auszubrechen, und Trautman schien das wohl zu begreifen, denn er drang nicht weiter in sie, sondern stand nach einigen Sekunden wieder auf und deutete in die Richtung, in der der Baum lag, den sie sich als Nachtlager ausgesucht hatten.

»Es wird bald dunkel, Annie«, sagte er. »Wir haben einen sicheren Platz f#252;r die Nacht entdeckt. Willst du mit uns kommen?«

Einige Sekunden lang blickte ihn das M#228;dchen nur aus gro#223;en Augen an, aber dann nickte es. Serena lie#223; seine Schulter los, und Annie erhob sich unsicher auf die F#252;#223;e. Sie schwankte ein bi#223;chen, und Mike begriff erst jetzt, da#223; ihr Zittern nicht allein auf ihre Furcht zur#252;ckzuf#252;hren war. Das M#228;dchen war vollkommen entkr#228;ftet. Wahrscheinlich irrte es schon seit Tagen allein durch diesen Wald, ohne etwas zu essen oder sich auch nur einmal wirklich ausruhen zu k#246;nnen. Mike fragte sich, ob sie alle wohl in einigen Tagen ebenso aussehen w#252;rden wie Annie.

»Kannst du gehen?« fragte Trautman. »Oder soll Singh dich tragen? Er ist sehr stark, wei#223;t du?« »Ich kann gehen«, antwortete Annie stolz. »Ich kann sogar schnell laufen. Viel schneller als die Drachen. « »Das glaube ich dir gerne«, antwortete Trautman l#228;chelnd. »Sonst w#228;rst du ja auch nicht hier, nicht wahr? Dann komm. «

Annie hielt tats#228;chlich mit ihnen Schritt, zumindest, bis sie den Baum erreichten. Als es darum ging, hinaufzuklettern, versagten ihre Kr#228;fte jedoch, so da#223; Singh sie kurzerhand auf die Arme nahm und trug. Sie versteifte sich, als sie seine Ber#252;hrung sp#252;rte, und hielt vor lauter Schrecken den Atem an, bis sie die Astgabel erreicht hatten und der Inder sie wieder absetzte. Kaum waren sie oben angelangt, begann es zu d#228;mmern. Die Sonne war #252;ber dem Bl#228;tterdach des Dschungels schon seit einer Weile nicht mehr sichtbar gewesen, aber jetzt #252;berzog sich der Himmel rasch mit mattem Grau, das auch noch das letzte bi#223;chen Tageslicht aufzusaugen begann, und es wurde zum ersten Mal seit Stunden ein wenig k#252;hler. Mike betrachtete ihr Nachtlager mit gemischten Gef#252;hlen. Trotz all seiner eigenen Bedenken zweifelte er im Grunde nicht daran, da#223; ihnen die H#246;he Schutz vor den meisten r#228;uberischen Bewohnern des Waldes bot, aber zugleich stellte sie auch eine nicht zu untersch#228;tzende Gefahr dar.

Trautman hatte den sichersten Platz direkt in der Astgabelung f#252;r Serena und Annie reserviert, alleanderen mu#223;ten sich eine Schlafstelle auf den #196;sten suchen. Und auch wenn sie zum Teil meterbreit waren, so waren es doch trotzdem #196;ste. Eine unbewu#223;te Bewegung im Schlaf konnte verheerende Folgen haben.

»Sucht euch alle einen Platz«, sagte Trautman, nachdem er sich davon #252;berzeugt hatte, da#223; Serena und das M#228;dchen sicher untergebracht waren. »Und versucht am besten gleich zu schlafen. Wir brechen morgen mit dem ersten Tageslicht wieder auf. « »Wenn wir dann noch leben«, maulte Ben. »Singh und ich werden abwechselnd wachen«, erwiderte Trautman. »Und es nutzt niemandem, wenn wir uns ununterbrochen selbst davon #252;berzeugen, wie aussichtslos unsere Lage ist, Ben. « Er deutete auf Annie. »Nimm dir ein Beispiel an diesem M#228;dchen. Sie war in einer viel schlimmeren Situation, und sie hat nicht aufgegeben. «

»Vielleicht sollten wir uns festbinden«, schlug Juan vor. »Damit niemand im Schlaf vom Baum f#228;llt. « »Eine gute Idee«, lobte Trautman. »Ich werde ein paar Lianen abschneiden - und vielleicht finde ich sogar etwas zu essen. « Er stand unverz#252;glich auf und balancierte mit einer Sicherheit #252;ber den Ast davon, die Mike mit purem Neid erf#252;llte. Ihm wurde schon schwindelig, wenn er auch nur nach unten sah, aber Trautman bewegte sich so gelassen, als bef#228;nde sich unter ihm sicherer Boden, kein fast zehn Meter tiefer Abgrund. Die M#252;digkeit machte sich nun st#228;rker in Mike bemerkbar. Er hatte alle M#252;he, die Augen offenzuhalten, bis Trautman mit den versprochenen Stricken - allerdings ohne etwas E#223;bares zur#252;ckkam und sie sich gegenseitig dabei halfen, sich festzubinden. Danach schlief er beinahe unverz#252;glich ein.

Ein Ger#228;usch weckte Mike, und der erste bewu#223;te Gedanke war, da#223; noch lange nicht Morgen sein konnte. Er hatte das Gef#252;hl, die Augen gerade erst geschlossen und noch gar nicht richtig geschlafen zu haben. Als er die Lider hob, sah er im ersten Moment nichts als undurchdringliche Dunkelheit, in der sich erst nach einigen Augenblicken verschwommene Schatten und schemenhafte Umrisse abzuzeichnen begannen. Es war mitten in der Nacht. Irgend etwas hatte ihn geweckt.

Mike hob m#252;de den Kopf und blickte nach links. In der Dunkelheit scheinbar endlos weit entfernt sah er Trautman, Singh und einen weiteren, nicht zu identifizierenden Schatten dasitzen. Sie unterhielten sich mit ged#228;mpften Stimmen. Mike l#246;ste die verknotete Liane um seine Brust, richtete sich auf und balancierte mit ausgestreckten Armen zu Trautman und Singh hin#252;ber. Erst als er sie fast erreicht hatte, erkannte er das dritte Mitglied der kleinen Runde, Serena. Trautman sah in strafend an, aber Mike kam ihm zuvor: »Ich konnte nicht schlafen«, sagte er. Er setzte sich zwischen Serena und Singh auf den Stamm und versuchte, unauff#228;llig nach einem festen Halt zu tasten. »Habt ihr irgend etwas von Annie erfahren?« Glaubst du mir eigentlich nicht?

beschwerte sich Astaroth. Mike ignorierte ihn.

»Nur, was du schon wei#223;t«, antwortete Trautman kopfsch#252;ttelnd. »Wie es aussieht, waren sie und die anderen auf einer Urlaubsreise. Ein Sturm hat ihr Schiff vom Kurs gebracht, und schlie#223;lich sind sie am Strand aufgelaufen die Yacht, die wir gefunden haben, war ihre. Sie sind insgesamt zu f#252;nft gewesen. Das M#228;dchen, ihr Vater, ihr Onkel, seine Frau und ein Matrose. Anscheinend sind sie in den gleichen Nebel geraten wie wir -und was danach passiert ist, kann ich nur raten. « Er seufzte. »Ich nehme an, sie sind von einem Saurier angegriffen worden. Ich hoffe zwar, da#223; ich mich irre, aber ich f#252;rchte, da#223; die anderen tot sind. « »Die Sch#252;sse, die wir geh#246;rt haben«, vermutete Mike. »Ja«, sagte Trautman. »Wenn es ein ebensolches Ungeheuer war wie das, das dich angegriffen hat, dann hat es sich von einem Gewehr nicht sonderlich beeindrucken lassen. «

»Sie sprach von Drachen«, erinnerte Serena. »Von mehreren Drachen. «

»Vielleicht waren es mehrere Saurier«, antwortete Trautman.

»Und wenn nicht?« Serena machte ein nachdenkliches Gesicht. »Ich meine: was, wenn es keine Saurier waren?«

»Aber auch keine Menschen?« Trautman verstand auf Anhieb, was Serena meinte - ganz im Gegensatz zu Mike, der die beiden verst#228;ndnislos ansah, bis Trautman fortfuhr: »Du meinst das... Wesen, das Chris zu sehen geglaubt hat. «

»Ich habe es nicht zu sehen geglaubt«, sagte eine Stim

me in der Dunkelheit hinter ihnen. Mike sah #252;ber die Schulter zur#252;ck und erkannte Chris, der ebenfalls aufgestanden war und sich zu ihnen gesellte. Er blickte alle Versammelten vorwurfsvoll an. »Ich habe es genau gesehen. Ich bin doch nicht verr#252;ckt oder leide unter Einbildungen. «

»Das behauptet auch niemand«, versicherte Trautman hastig. »Aber manchmal sieht man Dinge, die gar nicht da sind, wei#223;t du? Dazu mu#223; man nicht unbedingt verr#252;ckt sein. « Er wirkte ein bi#223;chen verlegen. »Vielleicht war es nur ein Schatten. « Ben kam, die verletzte Hand in einer wie zufallig wirkenden Geste hinter dem R#252;cken haltend, aus der Dunkelheit heran und suchte sich einen Platz, und es verging nicht einmal eine Sekunde, da erschien als letzter auch Juan. Er sagte nichts, aber man sah ihm an, da#223; er ebensowenig geschlafen hatte wie irgendeiner der anderen. Obwohl sie alle sehr m#252;de waren, w#252;rden sie wahrscheinlich in dieser Nacht ohnehin keine Ruhe finden. Trautman mu#223;te das wohl auch einsehen, denn er verzichtete auf eine entsprechende Ermahnung. »Es war kein Schatten«, wiedersprach Chris heftig. »Ich habe es ganz genau gesehen. Und was ist mit den Spuren? Seit wann tragen Schatten Schuhe?« »Also gut, also gut. « Trautman seufzte wieder. »Wenn es kein Saurier war und auch kein Mensch - was war es dann? Annies Drachen?«

»Vermutlich«, sagte Mike. »Fragt sich nur, was sie wirklich sind. «

»Ich f#252;rchte, das werden wir fr#252;h genug herausfinden«, murmelte Ben. »Wenn sie wirklich Annies Leute #252;berfallen haben, dann sind sie uns bestimmt nicht besonders wohlgesonnen. « Er schwieg eine Sekunde, in der er Serena eindringlich anblickte. »Ist dir mittlerweile eingefallen, wie wir wieder hier wegkommen?« »Jedenfalls ist jetzt klar, da#223; es nicht ihre Schuld ist, da#223; wir hier sind«, sagte Mike laut, ehe Serena antworten konnte.

»Ach?« fragte Ben lauernd. »Und wieso, Sir Lancelot?« Mike scho#223; einen b#246;sen Blick in seine Richtung ab, aber er mu#223;te pl#246;tzlich daran denken, was Astaroth ihm gerade #252;ber Ben erz#228;hlt hatte, und so fiel seine

Antwort um einiges sanfter aus, als wohl auch Ben selbst erwartet hatte. »Ich sage das nicht nur, um Serena zu verteidigen«, sagte er ruhig. Er deutete auf Annie, die eng zusammengerollt in der Astgabel lag und als einzige noch schlief. »Sie sind in denselben Nebel geraten wie wir. Und da war Serena nicht einmal in der N#228;he. «

Der Ast, auf dem sie sa#223;en, zitterte ganz sacht, und Mike hielt sich instinktiv ein wenig mehr fest, beachtete es aber ansonsten gar nicht, sondern fuhr, nun nicht mehr allein an Ben, sondern an alle gewandt fort: »Wahrscheinlich hat Serena recht -es ist nur eine Legende. Wenigstens was den Teil angeht, da#223; nur die K#246;nige von Atlantis diese Insel betreten k#246;nnen. Und wenn man auf normalem Weg hierherkommen kann, dann mu#223; es auch einen Weg geben, um wieder weg -« »Still!« Serena hob warnend die Hand. »H#246;rt ihr nichts?«

Erschrockene Stille breitete sich aus. Mike lauschte angespannt, doch er h#246;rte gar nicht, au#223;er den nat#252;rlichen Ger#228;uschen des Waldes. Aber in der n#228;chsten Sekunde f#252;hlte er etwas. Der Ast unter ihnen erzitterte wieder -und nicht nur der Ast. Der ganze Baum bebte. »Was... was ist das?« fl#252;sterte Chris. Seine Stimme war heiser vor Furcht.

Niemand antwortete, aber das Zittern und Beben nahm jetzt immer deutlicher zu, schlie#223;lich h#246;rten sie ein dumpfes Grollen und Rumoren, das wie ferner Gewitterdonner heranrollte. Es vergingen nur einige Sekunden, bis es zu einem wahren Tosen anschwoll und der Ast so heftig unter ihnen zu schwanken begann, da#223; sie sich mit aller Macht daran festklammern mu#223;ten, um nicht abgeworfen zu werden. »Um Gottes willen!« schrie Ben. »Was ist das?« »Keine Ahnung!« schrie Trautman zur#252;ck. »Haltet euch fest! Ganz egal, was passiert!«

Der L#228;rm schwoll jetzt so sehr an, da#223; er jedes andere Ger#228;usch verschluckte, und der ganze Wald schien zu schwanken wie ein Kornfeld im Sturm. Irgend etwas kam heran. Etwas Gewaltiges.

Als Mike es dann sah, war es im ersten Moment nur ein Schatten, aber ein Schatten von so ungeheuerlichen Ausma#223;en, da#223; man meinen konnte, eine gewaltige schwarze Flutwelle brandete unter ihnen durch den Dschungel. Erst als sie den Baum fast erreicht hatte, zerbrach sie in zahllose kleinere, aber nichtsdestotrotz immer noch riesige Schatten, und endlich erkannte er, worum es sich wirklich handelte. Es war eine Herde gewaltiger Tiere, die dicht an dicht durch den Dschungel stampfte und dabei wie eine lebende Lawine alles niederwalzte, was sich ihnen in den Weg stellte. Jedes einzelne der Tiere mu#223;te an die zehn Meter lang und sicher drei Meter hoch sein, und sie waren so massig, da#223; ein Elefant wie ein kleines Pony daneben gewirkt h#228;tte. Ihre K#246;rper waren mit gewaltigen Panzerplatten bedeckt, und die K#246;pfe, die in gebogenen, vogel#228;hnlichen Schn#228;beln endeten, trugen drei riesenhafte H#246;rner, die jedoch nicht seitlich, sondern direkt nach vorne gerichtet waren. Die Tiere mu#223;ten Tonnen wiegen. Trotzdem bewegten sie sich mit erstaunlicher Schnelligkeit. Der Baum erzitterte immer wieder unter gewaltigen Schl#228;gen, wenn einer der gepanzerten Giganten dagegenstie#223;, so da#223; sich Mike und die anderen mit aller Kraft festklammern mu#223;ten, um nicht abzurutschen. Ein Sturz in diese lebendige Lawine w#228;re der sichere Tod gewesen. Es waren unendlich viele Tiere. Es dauerte etwa eine halbe Stunde, bis es keine dichtgeschlossene, lebende Woge mehr war, die unter ihnen dahintrampelte, sondern nur mehr vereinzelte Tiere liefen, Nachz#252;gler, die der gro#223;en Herde folgten. Der L#228;rm und das Zittern und Sch#252;tteln ihres Baumes nahmen ein wenig ab.

»Mein Gott, was war das?« st#246;hnte Mike. Vorsichtig l#246;ste er die linke Hand von ihrem Halt, #252;berzeugte sich davon, da#223; der Baum nicht mehr versuchte, ihn wie ein bockendes Wildpferd abzuwerfen, und wagte es erst dann, sich vollends aufzusetzen. Mit einem raschen Blick in die Runde #252;berzeugte er sich davon, da#223; sie noch vollz#228;hlig waren. Auch Annie war mittlerweile aufgewacht und hatte sich wieder sch#252;tzend an Serena gedr#228;ngt, die sich ihrerseits an Trautman pre#223;te, der die beiden M#228;dchen mit seinen starken Armen festhielt.

»Triceratops«, antwortete Chris. »Das sind Triceratops. Keine Angst -es sind friedliche Pflanzenfresser. Sie h#228;tten uns nichts getan. «

»Ganz bestimmt nicht«, knurrte Ben. »Au#223;er da#223; sie uns platt wie die Flundern getrampelt h#228;tten. « »Aber es waren so viele«, murmelte Mike fassungslos. »Das m#252;ssen Hunderte gewesen sein. « »Wahrscheinlich eher Zehntausende«, korrigierte ihn Chris mit gewichtigem Gesichtsausdruck. »Sie sind in riesigen Herden gezogen, wie fr#252;her die B#252;ffel in Nordamerika. Und sie -«

»Ruhe!« zischte Trautman. »Da ist etwas!« Er beugte sich vor und starrte in die Dunkelheit hinunter. Mike tat es ihm gleich.

Unter ihnen trotteten noch immer einige Nachz#252;gler der gro#223;en Herde dahin, aber den gewaltigen Sauriern folgten andere, kleinere Schatten, sie sich viel schneller bewegten und in der Dunkelheit fast wie Menschen aussahen. Was diesen Eindruck noch unterstrich, waren die kleinen, aber sehr starken Lampen, die sie in den H#228;nden hielten, um den Weg vor sich abzuleuchten. Was Mike im Licht dieser Lampen allerdings sah, das machte den Eindruck, ein menschliches Wesen zu erblicken, so gr#252;ndlich zunichte, wie es #252;berhaupt nur ging.

Die Gesch#246;pfe waren eindeutig gr#246;#223;er als Menschen, sicherlich zwei Meter, wenn nicht mehr, und dabei von so schlankem Wuchs, da#223; sie noch gr#246;#223;er wirkten. Sie hatten zwei Arme, zwei Beine und einenKopf, aber damit h#246;rte die #196;hnlichkeit mit einem Menschen schon auf. Ihre Arme waren zu lang und endeten in nur dreifingrigen sehr schmalen H#228;nden, die zum Ausgleich allerdings #252;ber zwei gegeneinandergestellte Daumen verf#252;gten, was ihnen ein enormes Geschick verleihen mu#223;te. Ihre K#246;pfe waren rund und v#246;llig haarlos und wie der restliche K#246;rper von winzigen, blau und gr#252;n schimmernden Hornpailletten bedeckt, und sie wurden ganz von zwei riesigen gelben Augen beherrscht, die unter m#228;chtigen Knochenw#252;lsten herausblickten. Sie hatten breite, d#252;nnlippige M#252;nder und eine kaum sichtbare Nase, und sie verst#228;ndigten sich mit hohen schnatternden T#246;nen und etwas tieferen Zischlauten, die selbst durch das Dr#246;hnen der davonziehenden Herde noch deutlich zu verstehen waren. Einige von ihnen hielten lange metallene St#246;cke in den H#228;nden, deren Bedeutung Mike im ersten Augenblick nicht klar war. Doch dann sah er, wie eines der riesigen Tiere von seinem Weg abwich, um einige Bl#228;tter von einem niedergetrampelten Busch abzurei#223;en. Sofort richtete einer der Geschuppten seine Lampe auf den Triceratops und stie#223; einen zischenden Laut aus, und eines der anderen Wesen eilte hin und hob seinen Stab. Ein helles, elektrisches Knistern erklang, und ein blauer Lichtblitz l#246;ste sich vom Ende des Stabes und traf den gepanzerten Giganten. Der Triceratops grunzte erschrocken, drehte sich schwerf#228;llig wieder herum und setzte seinen Weg auf dem alten Kurs fort.

»Hirten!« murmelte Ben fassungslos. »Das... das sind Viehhirten! Diese Biester sind ihre Herde!« Er hatte sehr leise gesprochen -und trotzdem zu laut, denn eines der Gesch#246;pfe blieb pl#246;tzlich stehen und legte lauschend den Kopf auf die Seite. Mike und die anderen beobachteten mit angehaltenem Atem, wie es sich langsam einmal im Kreis drehte und dabei seine Lampe schwenkte. Der gelbe, sonderbar asymmetrisch geformte Lichtkreis tastete #252;ber zertrampelte B#252;sche und B#228;ume, blieb hier auf einem Schatten, da an einem Umri#223; h#228;ngen und wanderte nur langsam weiter. Mikes Herz begann vor Aufregung schneller zu schlagen. Wenn das Wesen auf die Idee kam, seine Lampe zu heben und in die Baumwipfel hinaufzuleuchten, dann mu#223;te es sie entdecken. Die Astgabel, in der sie Zuflucht gesucht hatten, war vollkommen kahl und bot nicht die mindeste Deckung.

Aber sie hatten noch einmal Gl#252;ck. Das Gesch#246;pf beendete seine Drehung, und da es nichts Auff#228;lliges gesehen hatte, kam es wohl zu dem Schlu#223;, sich get#228;uscht zu haben, denn es senkte seine Lampe wieder und schritt schneller aus, um zu seinen Kameraden und der Herde aufzuschlie#223;en. Trotzdem wagte es lange keiner von ihnen, sich zu r#252;hren oder etwas zu sagen. Erst als das Dr#246;hnen der davonziehenden Herde ebenso wie die blitzenden Lichter l#228;ngst im Wald hinter ihnen verschwunden war, richtete sich Mike wieder hoch und atmete erleichtert auf.

»Das war knapp«, murmelte er. »Das n#228;chste Mal beh#228;ltst du deine wissenschaftlichen Erkenntnisse f#252;r dich, bis jemand danach fragt, Ben, okay? Diese Wesen scheinen #252;ber verdammt gute Ohren zu verf#252;gen. « Er rechnete mit einer patzigen Antwort, aber sie kam nicht, und als er sich zu den anderen herumdrehte, sah er auch, warum.

Annie hatte sich in Trautmans Arme zu einem Ball zusammengerollt. Sie zitterte am ganzen Leib und wimmerte leise. Im ersten Moment hielt Mike es wirklich nur f#252;r ein Weinen, aber dann verstand er die Worte, die Annie immer und immer wieder schluchzte.

»Die Drachen!« sagte das M#228;dchen. »Die Drachen kommen. «

Mike hatte geglaubt, da#223; an Schlaf in dieser Nacht nicht mehr zu denken w#228;re, aber er t#228;uschte sich. Nachdem es ihnen gelungen war, Annie halbwegs zu beruhigen, diskutierten sie noch eine Weile #252;ber das Erlebte, aber schlie#223;lich verlangten ihre K#246;rper nachhaltig ihr Recht, und sie schliefen nacheinander ein. Mike erwachte als letzter, auch jetzt wieder mit dem Gef#252;hl, die Augen gerade erst zugemacht zu haben, aber zumindest nicht mehr so ersch#246;pft wie am vergangenen Abend. Es war bereits wieder warm, und es w#252;rde sicher nicht mehr lange dauern, bis es hei#223; wurde. Die Sonne stach ihm schon jetzt unangenehm grell in die Augen.

Noch immer ein wenig benommen, richtete er sich auf, rieb sich g#228;hnend #252;ber das Gesicht und sah sich um. Trautman und Singh hockten in einiger Entfernung beieinander und redeten. Mike zweifelte daran, da#223; sie in dieser Nacht #252;berhaupt ein Auge zugetan hatten. Ben hockte neben ihm auf dem Ast und betrachtete seine Umgebung. »Wo sind Serena und die anderen?« fragte Mike.

»Astaroth ist schon seit l#228;ngerer Zeit im Wald verschwunden«, erwiderte Ben. »Wahrscheinlich geht er ein paar Saurier erschrecken. Die anderen sind irgendwo. Sch#228;tze, sie suchen etwas E#223;bares. « Der Gedanke an etwas zu essen weckte Mikes Hunger. Sein Magen begann h#246;rbar zu knurren. Er schenkte Ben noch ein weiteres, schadenfrohes Grinsen, stand auf und begann vorsichtig den Baum hinunterzusteigen.

Jetzt im hellen Licht des neuen Tages, konnte er die Verheerung, die die vor#252;berziehende Triceratopsherde angerichtet hatte, erst richtig #252;berblicken. Der Wald sah aus, als w#228;ren zwei Dutzend Planierraupen nebeneinander hindurchgefahren, und das mindestens f#252;nfmal in jede Richtung. Das dichte Unterholz und Gestr#252;pp, das am Tag zuvor solche M#252;he bereitet hatte, war einfach verschwunden. Selbst kleinere B#228;ume waren niedergewalzt und zu S#228;gesp#228;nen zertrampelt worden. Nur die wirklich gro#223;en, massiven St#228;mme waren stehengeblieben, aber selbst sie zeigten deutliche Spuren der Giganten, die an ihnen vorbeigezogen waren: Der Baum, auf dem sie die Nacht verbracht hatten, hatte bis zu einer H#246;he von gut vier Metern keine Rinde mehr. Mike begl#252;ckw#252;nschte Trautman im nachhinein dazu, auf diesem luftigen Nachtlager bestanden zu haben. H#228;tten sie auf ebener Erde gelagert, dann w#228;ren sie jetzt wahrscheinlich nicht mehr am Leben. Die Herde hatte eine Bresche in den Wald geschlagen, auf der nichts mehr existierte und die wahrscheinlich erst in einem Jahrzehnt wieder bewachsen sein w#252;rde. Diese Erkenntnis f#252;hrte zu einer weiteren, die allerdings einige Augenblicke ben#246;tigte, um ganz in sein Bewu#223;tsein zu dringen -wenn diese Insel n#228;mlich gro#223; genug war, um eine solch gigantische Herde dieser Riesentiere zu beheimaten, dann konnte es sich nur um eine wirklich gewaltige Landmasse handeln -nicht nur um eine gro#223;e Insel, wie sie am Anfang noch vermutet hatten. Und das wiederum bedeutete, da#223; ihre Chancen, m#246;glichst schnell wieder von hier wegzukommen, noch viel schlechter standen, als Mike bisher vermutet hatte.

Der Gedanke war nicht unbedingt dazu angetan, ihn aufzumuntern. Also schob er ihn beiseite und schritt statt dessen schneller aus, um Serena zu finden. Er mu#223;te sich gute zwei-oder auch dreihundert Meter von ihrem Baum entfernen, ehe er wieder einen Bereich des Waldes betrat, der nicht zerst#246;rt worden war, und schlie#223;lich Serena fand.

Die Atlanterin kam ihm entgegen. Sie wirkte fr#246;hlich wie schon lange nicht mehr. Ihr Gesicht war ger#246;tet, und ihr Haar na#223; und dunkel: Mike nahm an, da#223; sie am Flu#223; gewesen war, um sich zu waschen und vielleicht etwas zu trinken. Au#223;erdem hielt sie eine sonderbar aussehende, dunkelrote Frucht in der Hand, von der sie immer wieder gro#223;e St#252;cke abbi#223; und sie gen#252;#223;lich kaute.

Der Anblick weckte Mikes Hunger schlagartig wieder. Sein Magen begann zu knurren, aber zugleich durchfuhr ihn auch ein riesiger Schrecken. »Serena!« rief er. »Bist du verr#252;ckt?« »Nein«, antwortete Serena fr#246;hlich. »Aber gleich satt. « Sie hielt ihm die Frucht hin. »Willst du auch ein St#252;ck. Es schmeckt k#246;stlich. «

Der Anblick der verlockenden Frucht lie#223; Mike das Wasser im Munde zusammenlaufen. Ganz impulsiv hob er die Hand, um danach zu greifen, sch#252;ttelte aber dann den Kopf und sagte: »Oder auch gleich tot. Was, wenn sie giftig ist?«

»Dazu schmeckt sie viel zu gut«, erwiderte Serena fr#246;hlich und bi#223; erneut herzhaft in die Frucht. »Au#223;erdem sterbe ich lieber heute an einer giftigen Frucht, als in ein paar Tagen j#228;mmerlich zu verhungern. « Sie l#228;chtelte, bi#223; zum dritten Mal in die Frucht und begann pl#246;tzlich herzhaft und mit vollem Mund zu lachen. »Nun nimm schon, Dummkopf«, sagte sie. »Ich kenne diese Fr#252;chte. Im Palast meiner Eltern wurden sie zu ganz besonderen Anl#228;ssen gereicht. Ich wei#223; nicht einmal, wie man sie nannte, aber sie waren sehr kostbar. Ich denke, mittlerweile wei#223; ich auch, warum. «

Jetzt gab es nat#252;rlich kein Halten mehr f#252;r Mike. Er ri#223; Serena die Frucht regelrecht aus den H#228;nden und bi#223; so hastig hinein, da#223; er sich beinahe verschluckt h#228;tte. Serena hatte keineswegs #252;bertrieben -die Frucht schmeckte einfach k#246;stlich, auch wenn ihr Geschmack mit nichts zu vergleichen war, was er je gegessen hatte. Mike vertilgte sie bis auf den letzten Kr#252;mel. Schlie#223;lich hielt er nur noch den Stiel und einen schmalen, mit dunklen K#246;rnern durchsetzten Kern in den H#228;nden. Sein Hunger war keineswegs gestillt, aber sein Magen hatte wenigstens aufgeh#246;rt zu knurren. »Das war gut«, sagte er und atmete tief durch. »Ich mu#223; sagen, deine Eltern hatten einen guten Geschmack. « Dann blickte er betroffen auf den abgenagten Kern in seiner Hand herab. »Oh«, fuhr er fort. »Jetzt habe ich dir alles wegge -«

»Das macht nichts«, unterbrach ihn Serena und machte eine Kopfbewegung in die Richtung, aus der sie gekommen war. »Dort hinten wachsen Hunderte davon. Was h#228;ltst du davon, wenn wir den anderen ein Fr#252;hst#252;ck mitbringen?«

Mike stimmte begeistert zu. Sie gingen ungef#228;hr hundert Meter zur#252;ck in den Wald, bis Serena stehenblieb und nach oben deutete. Mike folgte mit dem Blick ihrem ausgestreckten Arm. Die Fr#252;chte waren da, ganz wie Serena gesagt hatte, und es waren wirklich Hunderte. Dummerweise wuchsen sienicht an einem Busch, sondern an den #196;sten eines Baumes. Die untersten befanden sich etwa f#252;nfzehn Meter #252;ber dem Erdboden.

»Oh«, sagte Mike.

Serena lachte. »Wenn du Angst hast, dann warte hier unten«, sagte sie. »Ich klettere hoch und werfe sie dir zu. « Sie machte auch unverz#252;glich Anstalten, ihre Worte in die Tat umzusetzen, aber nat#252;rlich lie#223; Mike das nicht zu. Mit einer hastigen Bewegung hielt er Serena zur#252;ck und begann den Baum hinaufzuklettern. Ungef#228;hr auf halbem Wege begann er seine Ritterlichkeit bereits zu bedauern, und er war noch l#228;ngst nicht oben, da zitterten seine H#228;nde und Knie so heftig, da#223; er alle M#252;he hatte, #252;berhaupt noch weiterzuklettern. Aber nat#252;rlich lie#223; er sich nichts davon anmerken, sondern klettertetapfer weiter und erreichte schlie#223;lich, wenn auch schwei#223;gebadet, die #196;ste, an denen die Fr#252;chte wuchsen. Ihn schwindelte ein wenig, als er nach unten blickte.

»Wirf sie einfach herunter!« rief Serena. »Zwei f#252;r jeden m#252;#223;ten gen#252;gen. Sie sind sehr nahrhaft. « Mike nickte nerv#246;s, kroch auf H#228;nden und Knien auf einen kaum armdicken Ast hinaus und ri#223; unsicher ein paar Fr#252;chte ab. Er fragte sich immer verbl#252;ffter, wie um alles in der Welt Serena das Kunstst#252;ck fertiggebracht hatte, hier heraufzuklettern und die Frucht zu pfl#252;cken. Der Baum war nicht so hoch wie der, auf dem sie #252;bernachtet hatten, aber die glatte Rinde bot seinen H#228;nden und F#252;#223;en kaum Halt. Er war in Schwei#223; gebadet und zitterte am ganzen Leib, als er endlich wieder bei Serena angekommen war und festen Boden unter den F#252;#223;en sp#252;rte.

Serena hatte die Fr#252;chte auf einen Haufen gelegt und suchte nun etwas, um sie zu transportieren. Als sie mit einem gro#223;en, gr#252;n und gelb gestreiften Blatt in den H#228;nden zur#252;ckkam, raschelte es hinter ihnen in den B#252;schen und Astaroth tauchte auf. Er blieb erstaunt stehen, als er sah, was sie taten, und blickte dann erst Serena, dann Mike an. Ihr habt noch mehr geholt? fragte er. »Noch... mehr?« wiederholte Mike. Ein b#246;ser Verdacht begann in ihm aufzusteigen. »Wie meinst du das?« fragte er. Die Frage galt dem Kater, aber er sah Serena dabei an. Das M#228;dchen l#228;chelte noch immer, aber es wich seinem Blick jetzt aus.

He -sag blo#223;, du bist auf den Baum geklettert und hast sie gepfl#252;ckt! sagte Astaroth. Ich wu#223;te gar nicht, da#223; du so sportlich bist. »Nat#252;rlich bin ich auf den Baum geklettert, um... «

Mike brach mitten im Wort ab, runzelte die Stirn und sah Serena fragend an.

»Wie bist du an die Frucht gekommen?« wollte er wissen.

Serena grinste. »Ich habe Astaroth gebeten, sie mir zu holen«, antwortete sie. »Was denn sonst? Schlie#223;lich ist er eine Katze, und Katzen klettern gern auf B#228;ume, oder?«

Mike wu#223;te f#252;r den Moment nicht, ob er lachen oder w#252;tend werden sollte. Er entschied sich f#252;r Lachen, und sei es nur, um Serena nicht allzu deutlich zu zeigen, wie sehr er sich #252;ber ihren kleinen Streich #228;rgerte. Bei passender Gelegenheit, dachte er, w#252;rden sie sich einmal gr#252;ndlich #252;ber Serenas etwas sonderbaren Sinn f#252;r Humor unterhalten m#252;ssen. Schlie#223;lich h#228;tte er sich bei der Kletterpartie s#228;mtliche Knochen brechen k#246;nnen. Er beschlo#223; aber, f#252;r den Moment das Thema zu wechseln.

»Hat Trautman mit Annie gesprochen?« fragte er, w#228;hrend sie die Fr#252;chte auf das Blatt h#228;uften. »Ja«, best#228;tigte Serena. »W#228;hrend du geschnarcht hast, als wolltest du den ganzen Wald abs#228;gen. Aber er hat nicht viel Neues erfahren. Sie ist immer noch sehr verst#246;rt. Ich hoffe, sie kommt dar#252;ber hinweg. « »Wenigstens wissen wir jetzt, wo ihre Eltern sind«, antwortete Mike. »Und da#223; sie noch leben. « »Hoffentlich«, sagte Serena.

Mike hielt f#252;r einen Moment in seiner Arbeit inne und sah auf. »Wie meinst du das?«

»Sie hat zwar erz#228;hlt, da#223; die Drachen ihren Vater und die anderen weggeschleppt haben«, antwortete Serena, »aber nicht, da#223; sie sie am Leben gelassen haben, oder? Sie waren vielleicht nicht besonders begeistert davon, da#223; man auf sie geschossen hat. « Nat#252;rlich hatte Mike auch schon daran gedacht. »Sie werden sie bestimmt nicht #252;berw#228;ltigt haben, nur um sie dann umzubringen«, sagte er. »Das sind keine Tiere, Serena. Sie tragen Kleider und benutzen Werkzeuge. Es sind intelligente, denkende Wesen. « Das behauptet ihr Menschen von euch auch, sagte Astaroth.

»Vielleicht sollten wir versuchen, mit ihnen Kontakt aufzunehmen«, fuhr Mike unger#252;hrt fort. Serena fuhr so erschrocken zusammen, da#223; sie die Frucht, die sie gerade in den H#228;nden hielt, fallen lie#223;. »Nein!« sagte sie heftig.

Mike sah sie scharf an. »Wieso? Du wei#223;t etwas #252;ber sie, stimmt's? Du wei#223;t, was das f#252;r Gesch#246;pfe sind. « »Nein«, antwortete Serena. Dann zuckte sie mit den Schultern. »Jedenfalls nicht... nicht genau. « Sie sah Mike immer noch nicht an.

»Aha«, antwortete Mike. »Ich verstehe. Wieder eine Legende, wie?« Er ergriff Serena am Arm und zwang sie, ihn anzusehen.

»Ja«, gestand Serena. »Eigentlich nicht einmal das. Es ist nur eine Geschichte. «

»Und du wolltest sie uns nicht erz#228;hlen«, sagte Mike #228;rgerlich. »Weder gestern nachmittag, als Chris eines dieser Wesen sah, noch gestern nacht. « Serena machte sich mit sanfter Gewalt los. »Es ist mir heute morgen erst wieder eingefallen!« »Wie praktisch!« sagte Mike zornig. »Und wenn du dich jetzt nicht verplappert h#228;ttest, h#228;ttest du es auch gleich wieder vergessen, wie?«

Sie sagt die Wahrheit, sagte Astaroth. Und sie hatte ihre Gr#252;nde, es euch nicht zu erz#228;hlen. Jedenfalls nicht gleich.

»Und welche?« wollte Mike wissen. Obwohl Serena Astaroths Antwort nicht hatte h#246;ren k#246;nnen, schien sie Mikes Frage doch zu verstehen. Wahrscheinlich waren seine Gedanken im Moment nicht allzu schwer zu erraten. »Mein Vater hat mir einmal davon erz#228;hlt«, sagte sie. »Er sagte, es w#228;ren die Nachkommen der alten Herrscher dieser Welt. Die Wesen, denen dieser Planet geh#246;rt h#228;tte, w#228;re der Stern nicht vom Himmel gest#252;rzt. Und deshalb hassen sie uns. Sie h#228;tten sein k#246;nnen, was wir wurden. « »Und was ist daran so schlimm?« wollte Mike wissen.

»Da#223; wir nicht mit ihnen reden k#246;nnen«, antwortete Serena. »Mein Volk hat es versucht, aber sie wollten nicht mit uns sprechen. Sie hassen uns. Und sie sind furchtbar stark und sehr gef#228;hrlich. Mein Vater sagt, da#223;... da#223; sie uns besiegen w#252;rden, w#252;rden sie jemals den Weg in die richtige Welt finden. Ich war noch ganz klein, und ich habe immer gedacht, es w#228;re nur eine Geschichte, die er mir erz#228;hlt hat, um mich zu erschrecken. Aber jetzt... « »Stimmt das?« frage Mike Astaroth. Der Kater z#246;gerte einen Moment zu antworten. Ich f#252;rchte ja, sagte er dann. Man kann nicht mit ihnen reden. Wenn auch aus anderen Gr#252;nden, als sie meint. Mike verzichtete vorl#228;ufig darauf, den Kater nach der genauen Bedeutung dieser Worte zu fragen. Er war noch immer viel zu aufgebracht und trotz Astaroths Versicherungen ziemlich w#252;tend auf Serena. »Wir sollten diese Geschichte Trautman erz#228;hlen«, sagte er. »Und auch alles andere, was dir vielleicht gerade erst wieder eingefallen ist. «

Serena sagte nichts dazu, aber der betroffene Ausdruck auf ihrem Gesicht #252;berzeugte Mike, da#223; er mit seiner Vermutung ins Schwarze getroffen hatte. Er deutete auf die Fr#252;chte. »Die holen wir sp#228;ter«, sagte er. »Komm. «

Trautman h#246;rte sich Serenas Geschichte schweigend und mit undeutbarem Gesichtsausdruck an, und er sagte auch gar nichts dazu. Die anderen jedoch reagierten sehr heftig, und Chris geriet bei Serenas Erz#228;hlung geradezu aus dem H#228;uschen.

»Was sie h#228;tten werden k#246;nnen, wenn der Stern nicht vom Himmel gefallen w#228;re?« wiederholte er aufgeregt. »Serena, wei#223;t du eigentlich, was das bedeutet? Dein Vater hatte recht. Viel mehr, als er wahrscheinlich selbst geahnt hat. «

»Ah ja, unsere wandernde Encyclopaedia Britannica«, sagte Ben sp#246;ttisch. »Ich nehme an, du wei#223;t nat#252;rlich ganz genau, was diese Drachen sind?« »Ich glaube schon«, antwortete Chris, ohne auf Bens sp#246;ttelnden Tonfall einzugehen. »Ich habe einmal ein Buch dar#252;ber gelesen, wei#223;t du? Manche Forscher glauben, da#223; die Entwicklung der Dinosaurier noch weitergegangen w#228;re, wenn sie nicht ausgestorbenw#228;ren. #220;berleg doch mal der Homo sapiens hat nur eine Million Jahre gebraucht, um sich vom Affen zum Menschen zu entwickeln -«

»Alle nicht«, sagte Ben. »Einige haben es bis heute nicht geschafft. «

»-und sie sind vor f#252;nfundsechzig Millionen Jahren ausgestorben«, fuhr Chris unger#252;hrt fort. »Sie hatten f#252;nfundsechzigmal so lange Zeit wie wir. Sie h#228;tten sich einfach weiterentwickeln m#252;ssen!« »Zu diesen... Drachen?« fragte Juan. »Quatsch, Drachen«, antwortete Chris. »Dinosauroiden. Den Wesen, die wir gestern gesehen haben! Ich glaube, das sind die intelligenten Nachfahren der Dinosaurier. Und ich habe sie als erste gesehen!« f#252;gte er stolz hinzu.

»So furchtbar intelligent k#246;nnen sie aber nicht sein«, sagte Ben, »wenn sie sich die Zeit damit vertreiben, Jagd auf harmlose Schiffbr#252;chige zu machen. « Trautman machte eine verstohlene, warnende Handbewegung und sah gleichzeitig erschrocken in Annies Richtung. Aber das M#228;dchen sa#223; noch immer mit leerem Blick in der Astgabel und starrte ins Nichts. Wahrscheinlich hatte es gar nicht geh#246;rt, wor#252;ber sie redeten. Trotzdem senkte Trautman die Stimme, als er antwortete:

»Es ist nicht gesagt, da#223; sie schuld an dem sind, was passiert ist. Keiner von uns war dabei, oder? Es ist immerhin m#246;glich, da#223; Annies Leute auf sie zu schie#223;en begannen und sie sich nur verteidigt haben. « »Und warum sollten sie das tun?« fragte Chris. »Vielleicht aus Angst«, antwortete Trautman. »Leider reagieren die Menschen oft feindselig, wenn sie auf etwas treffen, was sie nicht kennen. Mike hat recht wir sollten wirklich versuchen, Kontakt mit ihnen aufzunehmen. «

»Und wenn Serena recht hat?« fragte Ben. »Was ist, wenn man wirklich nicht mit ihnen reden kann?« »Das werden wir herausfinden«, antwortete Trautman. »Ich f#252;rchte, wir haben sowieso keine andere Wahl. Schlie#223;lich k#246;nnen wir Annies Familie nicht einfach ihrem Schicksal #252;berlassen. Wir sollten bald aufbrechen. «

»Und wohin?« fragte Ben.

Trautman machte eine vage Geste. »Ich denke, es ist das kl#252;gste, wenn wir der Herde folgen. Vielleicht gelingt es uns, mit einem der Hirten Kontakt aufzunehmen. « »Bevor sie #252;ber uns herfallen, meinen Sie? « Ben deutete auf Chris. »Schon vergessen? Sie haben uns l#228;ngst bemerkt. Wahrscheinlich schleichen sie bereits in der Gegend

herum und #252;berlegen, wie sie uns am besten eine Falle

stellen k#246;nnen. «

Trautman lachte, auch wenn es nicht besonders am#252;siert klang. »Dein Mi#223;trauen in Ehren, Ben -aber glaubst du wirklich, da#223; diese Wesen es n#246;tig haben, uns eine Falle zu stellen? Ich sch#228;tze, da#223; ein einziger von ihnen stark genug ist, es mit uns allen aufzunehmen. « Ben wollte widersprechen, aber Trautman erkl#228;rte das Thema mit einer entsprechenden Handbewegung f#252;r beendet.

»Los jetzt«, sagte er. »Singh und ich werden versuchen, ein paar Waffen herzustellen. Vielleicht k#246;nnen wir einen Bogen bauen oder wenigstens einen Speer. « Er drehte sich zu Mike herum. »Mike, Chris und Astaroth, ihr k#246;nnt gehen und noch ein paar von diesen Fr#252;chten holen«, sagte er. »So viele ihr tragen k#246;nnt. Wir sind alle hungrig, und vielleicht finden wir so schnell keinen solchen Baum mehr. Sobald ihr zur#252;ck seid, brechen wir auf. «

Mike und Chris beeilten sich, Trautmans Aufforderung zu folgen. Begleitet von Astaroth, kletterten sie rasch wieder den Baum hinab und machten sich auf den Weg. Mike war noch immer verwirrt -ihm ging Astaroths Andeutung nicht aus dem Kopf. Was hatte er damit gemeint: Sie konnten nicht mit ihnen sprechen, aber aus ganz anderen Gr#252;nden, als Serena glaubt? Er bedauerte es jetzt, Trautman nichts davon erz#228;hlt zu haben, aber er sprach die Frage auch nicht laut aus. Astaroth lief keine zwei Meter neben ihm her, und er hatte seine Gedanken garantiert gelesen - das tat er praktisch immer, auch wenn er wu#223;te, wie wenig Mike dies mochte. H#228;tte er Mikes entsprechende Frage beantworten wollen, so h#228;tte er es l#228;ngst getan.

Stimmt, sagte Astaroth.

»W#252;rdest du mir denn wenigstens verraten, warum nicht?« maulte Mike. Chris sah ihn irritiert an, dann begriff er, da#223; Mike wieder mit dem Kater sprach, und sch#252;ttelte nur den Kopf. H#246;rst du gerne Musik? fragte Astaroth. »Musik? Sicher, aber -«

Auch gerne ganz schlechte? Ich meine die Art Musik, die wirklich in den Ohren weh tut? Bei der dir k#246;rperlich #252;bel wird?

»Selbstverst#228;ndlich nicht«, erwiderte Mike. »Aber was hat das mit den Dinoiden zu tun?«

»Dinosauroiden«, verbesserte ihn Chris betont. So ungef#228;hr ist es, ihre Gedanken zu lesen, antwortete Astaroth. Ich habe es versucht -was denkst du denn? Er sch#252;ttelte sich. Brrrr. Nicht noch einmal, danke. Sie denken nicht wie wir. Es ist so, als ob du eine Sprache h#246;rst, die dir weh tut. Das macht dir einen Knoten ins Gehirn, sag ich dir.

»Und das bedeutet automatisch, da#223; sie unsere Feinde sind?« fragte Mike zweifelnd.

Nein, antwortete Astaroth. Aber da#223; es sehr, sehr schwer ist, mit ihnen zu reden. Vielleicht ist es gar nicht m#246;glich.

»Das glaube ich nicht, bevor wir es nicht versucht haben«, sagte Mike.

»Ihr redet #252;ber die Dinosauroiden?« vermutete Chris.

Mike nickte. Er hatte es sich l#228;ngst abgew#246;hnt, alles, was er mit Astaroth besprach, umst#228;ndlich zu #252;bersetzen -das war auf die Dauer einfach zu kompliziert. Und die anderen hatten sich auch schon daran gew#246;hnt und verlangten es nicht mehr. Aber jetzt machte er eine Ausnahme und wiederholte ihr Gespr#228;ch noch einmal f#252;r Chris.

»Damit k#246;nnte er sogar recht haben«, sagte Chris. »Womit? Da#223; wir automatisch Feinde sind, nur weil wir nicht miteinander reden k#246;nnen?« Chris seufzte. »Ich f#252;rchte, so einfach ist es nicht«, sagte er. »Wir reden hier nicht einfach #252;ber ein anderes Volk, das nur zuf#228;llig nicht unsere Sprache spricht und ungewohnt aussieht. Sie sind keine Menschen, Mike. Sie sind nicht einmal Tiere, wie wir sie kennen. Sie sind die Nachfahren von Reptilien. Sie sind in einer v#246;llig anderen Welt aufgewachsen wie wir. Sie denken nach anderen Regeln. Sie haben andere Werte und sehen vieles anders als wir. Ihre K#246;rpersprache ist anders, ihre Reaktionen. Was f#252;r uns wichtig ist, kann f#252;r sie v#246;llig bedeutungslos sein und umgekehrt. Schon der winzigste Fehler kann eine Katastrophe heraufbeschw#246;ren. Schon etwas nicht zu tun kann falsch sein. « Er seufzte abermals. »Ich hoffe, da#223; ich mich irre, aber ich f#252;rchte, da#223; es unvorstellbar schwer sein wird, mit ihnen zu reden. «

Er ma#223; Astaroth mit einem fragenden Blick. Der Kater reagierte darauf nicht sichtbar, doch nach einigen Augenblicken h#246;rte Mike seine lautlose Stimme in seinen Gedanken. Erstaunlich. Wirklich erstaunlich. »Was?«

fragte Mike.

Na ja, er ist der J#252;ngste von euch, oder? Und trotzdem kommt er mir manchmal wie der Kl#252;gste vor. Sollte ich mich vielleicht geirrt haben und ihr werdet schlau geboren und immer d#252;mmer, je #228;lter ihr werdet? »Was sagte er?« fragte Chris.

»Da#223; du... recht haben k#246;nntest«, antwortete Mike z#246;gernd. Mittlerweile hatten sie den Waldrand erreicht und drangen hintereinander in das wieder dichtere Geb#252;sch ein. Sie hatten deutliche Spuren auf dem weichen Boden hinterlassen, so da#223; sich Mike keine Sorgen dar#252;ber machte, ob sie den Baum wiederfanden. Au#223;erdem ging Astaroth voraus, dem es wesentlich leichter fiel, sich durch das Unterholz zu quetschen. Aber pl#246;tzlich blieb der Kater stehen, so abrupt, da#223; Mike ihm versehentlich auf den Schwanz trat, was ihm normalerweise einen Krallenhieb eingetragen h#228;tte, zumindest aber eine Flut der #252;belsten Beschimpfungen. Jetzt schien Astaroth es nicht einmal zu bemerken. Er stand wie erstarrt da. Sein Fell war gestr#228;ubt, und sein Schwanz peitschte den Boden. »Was ist?« fragte Mike alarmiert. Ich... wei#223; nicht, antwortete Astaroth. Da vorne ist etwas. Aber ich kann nicht genau erkennen, was. Mike tauschte einen raschen Blick mit Chris, der ebenfalls stehengeblieben war. »Bleib zur#252;ck«, fl#252;sterte er, ehe er vorsichtig weiterging.

Nat#252;rlich blieb Chris nicht zur#252;ck, sondern folgte ihm, als er weiterschlich. Aber er verhielt sich sehr vorsichtig, so da#223; Mike nichts dazu sagte. Auf Zehenspitzen bewegte er sich weiter, blieb schlie#223;lichabermals stehen und bog vorsichtig die #196;ste des dornigen Busches zur Seite, hinter dem sie die Fr#252;chte zur#252;ckgelassen hatten. Wie es aussah, hatten sie bereits einen Abnehmer gefunden. Dicht vor Mike stand ein zweibeiniges, braun und sandfarben gestreiftes Gesch#246;pf, das wie eine viel kleinere Ausgabe des Raubsauriers aussah, der Mike gestern um ein Haar get#246;tet h#228;tte. Wie dieser bewegte er sich aufrecht auf zwei muskul#246;sen Hinterbeinen, hatte einen schlanken, sehr langen Schwanz und einen #252;bergro#223;en Kopf, aber seine Arme waren im Verh#228;ltnis zum K#246;per viel l#228;nger, und sie endeten in vierfingrigen, beinahe menschen#228;hnlich aussehenden H#228;nden. Und seine Tischmanieren lie#223;en zu w#252;nschen #252;brig. Der Saurier schmatzte und r#252;lpste, da#223; man es eigentlich meilenweit h#228;tte h#246;ren m#252;ssen. Mike fand es angebracht,sich zur#252;ckzuziehen. Doch dabei stolperte er #252;ber einige #196;ste, und trotz der Ger#228;usche, die der Saurier von sich gab, schien er ihn geh#246;rt zu haben und drehte sich herum. Und Mike begriff schlagartig, da#223; die Gr#246;#223;e eines Tieres nicht unbedingt etwas #252;ber seine Gef#228;hrlichkeit aussagen mu#223;te.

Der Saurier war allerh#246;chstens anderthalb Meter gro#223;, aber sein Kopf war so massig wie der eines Stieres, und in dem #252;bergro#223;en Maul wuchs ein wahrer Wald aus zentimeterlangen, nadelspitzen Z#228;hnen, die ganz eindeutig nicht nur dazu gedacht waren, Fr#252;chte zu zerrei#223;en. Seine H#228;nde b#252;#223;ten auf den zweiten Blick jede Menschen#228;hnlichkeit wieder ein, denn an den schlanken Fingern sa#223;en gut zehn Zentimeter lange, rasiermesserscharfe Krallen, und eine noch gr#246;#223;ere, gebogenen Klaue wuchs aus den mittleren seiner drei Zehen.

Seine Augen waren klein, b#246;se und von einer beunruhigenden Schl#228;ue erf#252;llt.

»Nicht bewegen!« fl#252;sterte Chris. »Um Gottes willen, Mike, beweg dich nicht! Und wenn, dann nur ganz, ganz langsam. «

Mike h#228;tte sich nicht einmal bewegen k#246;nnen, wenn er gewollt h#228;tte. Er war wie gel#228;hmt. »Was... was ist das?« fl#252;sterte er.

»Ein Raptor«, antwortete Chris. »Man nennt sie auch Schreckensklaue. Siehst du den gro#223;en Zeh?« Mike unterdr#252;ckte im letzten Moment den Impuls, zu nicken. »Sind sie... gef#228;hrlich?« fragte er. »Ich meine ... so gef#228;hrlich wie der Gro#223;e gestern?« »Der Allosaurier?« Chris gab einen Laut von sich, der wie ein verungl#252;cktes Lachen klang. »Du machst wohl Witze. «

Mike atmete erleichtert auf, und Chris f#252;gte hinzu: »Sie machen Jagd auf die gro#223;en Saurier. « »Oh«, sagte Mike. Er sp#252;rte, wie ihm der Schwei#223; ausbrach. Seine H#228;nde und Knie begannen immer st#228;rker zu zittern. »Und was... tun wir jetzt?« »Wir gehen«, antwortete Chris. »Aber ganz vorsichtig. Eine hastige Bewegung, und er greift an. Und achte darauf, wo du hingehst. Sie jagen meistens in Rudeln. « »Wie beruhigend«, murmelte Mike. Unendlich vorsichtig hob er den Fu#223; und versuchte einen Schritt r#252;ckw#228;rts zu machen, aber so behutsam die Bewegung auch war, sie war schon zu viel. Der Kopf der Schreckensklaue ruckte mit einer an einen Vogel erinnernden Bewegung herum. Er stie#223; einen heiseren, zischenden Laut aus. Seine schrecklichen hand#228;hnlichen Vorderklauen #246;ffneten und schlossen sich gierig. Mike erstarrte wieder. Vielleicht hatte Chris tats#228;chlich recht, und der Saurier w#252;rde ihn nicht angreifen, solange er sich nicht bewegte aber er konnte schlie#223;lich nicht ewig hier so stehen bleiben. Seine Muskeln begannen schon jetzt zu schmerzen. Noch ein paar Minuten, und er w#252;rde einen Krampf in den Beinen bekommen.

In diesem Moment scho#223; ein schwarzes Fellb#252;ndel zwischen seinen F#252;#223;en hindurch, raste auf den Saurier zu und schlug im buchst#228;blich allerletzten Moment einen Haken nach links. Der Raptor reagierte mit einer schier unglaublichen Schnelligkeit. Sein gewaltiges Maul schnappte nach Astaroth und verfehlte ihn nur um Haaresbreite, und die furchtbaren Krallen gruben tiefe Rinnen in den Boden, nur Millimeter hinter dem Kater. Mit einer Leichtigkeit, die Mike einem Wesen wie ihm niemals zugetraut h#228;tte, wirbelte er herum und raste hinter Astaroth her. Er bewegte sich mit gro#223;en, fast grotesk aussehenden Spr#252;ngen, aber sehr schnell. »Weg hier!« schrie Chris. Er wirbelte auf dem Absatz herum und zerrte Mike, der dem fl#252;chtenden Kater nachsah, mit sich. Mike sah gerade noch, wie Astaroth im vollen Lauf einen Baum hinaufrannte, und schickte ein Sto#223;gebet zum Himmel, da#223; der Raptor nicht ein ebensoguter Kletterer wie L#228;ufer war, dann schlossen sich die B#252;sche hinter ihnen.

Aber sie waren nicht allein. #220;berall rechts und links von ihnen raschelte und knackte es pl#246;tzlich im Geb#252;sch, und pl#246;tzlich waren Schatten da, die ihnen folgten. Chris verstand offenbar tats#228;chlich so viel von Dinosauriern, wie er immer behauptete -der Raptor war nicht allein gekommen. Es mu#223;te ein ganzes Rudel sein, das sich unbemerkt von hinten an sie angeschlichen hatte. H#228;tten sie auch nur noch ein paar Sekunden l#228;nger gez#246;gert, w#228;re es um sie geschehen gewesen. Mike und Chris brachen durch die dornigen B#252;sche und rannten wie nie zuvor im Leben, aber ihre Verfolger holten trotzdem auf. Sie warennoch immer nicht sichtbar, aber das Splittern von #196;sten und das Trappeln harter, klauenbewehrter F#252;#223;e auf dem Boden kam rasch n#228;her, und jetzt h#246;rten sie auch die Schreie der Tiere -schrille, heisere Rufe, mit denen sie sich zu verst#228;ndigen schienen.

Nebeneinander st#252;rmten sie auf den freien Bereich in der Triceratopsspur hinaus. Mike registrierte voller Entsetzen, da#223; Ben und Juan den Baum mittlerweile schon verlassen hatten und auch Trautman und die anderen auf dem Wege nach unten waren. »Ben! Juan!« Mike schrie, so laut er konnte, und winkte mit beiden Armen. »Haut ab! Zur#252;ck auf den Baum! Unser Fanclub ist im Anmarsch!« Die beiden Jungen, die ruhig dastanden und sich unterhielten, sahen bei seinem Schrei auf und blickten ihnen fragend entgegen. Pl#246;tzlich erscholl dicht hinter Mike ein splitterndes Ger#228;usch, und der Ausdruck auf den Gesichtern der beiden verwandelte sich schlagartig in pures Entsetzen. Juan und Ben fuhren auf der Stelle herum und rannten mit Riesens#228;tzen wieder zum Baum zur#252;ck.

Mike h#246;rte das H#228;mmern der F#252;#223;e n#228;her kommen und versuchte, noch schneller zu laufen. Im buchst#228;blich letzten Moment erreichten er und Chris den geschuppten Stamm des Riesenbaumes, und die Angst verlieh ihnen schier Fl#252;gel: Mike rannte den Baum regelrecht hinauf, und auch Chris entwickelte eine Geschicklichkeit, von der er normalerweise nicht einmal zu tr#228;umen gewagt h#228;tte. Erst als sie bereits drei oder vier Meter #252;ber dem Boden waren, wurde Mike ein wenig langsamer und wagte es auch, nach unten zu blicken. Es waren sieben oder acht Raptoren, die ihnen aus dem Wald heraus gefolgt waren, und zwei von ihnen krochen tats#228;chlich ungeschickt, aber sehr zielsicher am Baumstamm hinauf, wobei sie sich mit ihren riesigen Klauen in der schuppigen Rinde festklammerten und mit ihrer K#246;rperkraft wettmachten, was ihnen an Geschicklichkeit fehlen mochte.

Singh griff mit beiden H#228;nden zu und hievte erst ihn, dann Chris in die Astgabel empor, in die sie sich wieder zur#252;ckgezogen hatten, dann beugte er sich abermals nach vorne, hielt sich mit der linken Hand am Baumstamm fest und schwang mit der anderen einen unterarmdicken Ast. Als der erste Raptor in seine Reichweite kam, versetzte er ihm einen Hieb, der einem menschlichen Angreifer glattweg den Sch#228;del zerschmettert h#228;tte.

Der Raptor grunzte, hielt f#252;r einen Moment mit dem Klettern inne und sah Singh fast vorwurfsvoll an. Und kletterte weiter.

Singh versetzte ihm einen zweiten, noch heftigeren Schlag. Diesmal sch#252;ttelte der Saurier benommen den Kopf. Eine Sekunde sp#228;ter grub er erneut die Krallen in die Baumrinde und setzte seinen Weg fort. Singh fluchte, richtete sich wieder auf und ergriff seine improvisierte Keule mit beiden H#228;nden. Als der Sch#228;del der Schreckensklaue #252;ber dem Ast erschien, auf dem sie sa#223;en, schwang er seine Waffe mit beiden Armen und wollte sie dem Ungeheuer ins Gesicht schmettern. Aber der Saurier reagierte wieder mit unglaublicher Schnelligkeit. Seine Kiefer schlossen sich mit einem schnappenden Ger#228;usch, und pl#246;tzlich hielt Singh nur noch einen zersplitterten Stumpf in den H#228;nden, w#228;hrend der Rest des Kn#252;ppels zwischen den mahlenden Z#228;hnen des Raubsauriers verschwand. Singh verlor, durch die Wucht seines eigenen Hiebes nach vorne gerissen, die Balance, kippte zur Seite und fiel genau auf den Saurier. Und was seine Hiebe nicht zustande gebracht hatten, das schaffte sein Aufprall. Der Raptor stie#223; ein h#228;#223;liches Zischen aus, #246;ffnete das Maul und griff mit beiden Vorderl#228;ufen nach der Beute, die ihm freundlicherweise direkt in die Arme zu fallen schien. Da#223; er dazu seinen einzigen Halt loslassen mu#223;te, begriff er wohl eine Winzigkeit zu sp#228;t...

W#228;re die Situation nicht so todernst gewesen, dann h#228;tte Mike vielleicht laut aufgelacht. Das starre Reptiliengrinsen des Sauriergesichts verwandelte sich in einen Ausdruck von Verbl#252;ffung und dann fast komischen Entsetzens -und dann kippte der Raptor mit einem schrillen Quieken nach hinten und st#252;rzte in die Tiefe. Und nicht nur das. Seine haltlos wedelnden Vorderl#228;ufe rissen auch noch den zweiten Saurier mit, der sich knapp unter ihm befand.

Doch damit war die Gefahr keineswegs vor#252;ber. W#228;hrend Trautman und Juan Singh mit vereinten Kr#228;ften wieder in die Sicherheit der Astgabel hinaufzogen, beugte sich Mike vor und sah nach unten. Die beiden abgest#252;rzten Raptoren lagen nebeneinander am Boden und r#252;hrten sich nicht mehr, aber es gab noch weitere Tiere, die ihren Baum belagerten. Im Moment versuchte keines zu ihnen heraufzuklettern, aber fr#252;her oder sp#228;ter, das wu#223;te Mike, w#252;rden sie es tun, und einen gleichzeitigen Angriff von mehreren dieser Bestien w#252;rden sie kaum abwehren k#246;nnen. Im Grunde hatten sie auch den ersten nur durch Gl#252;ck abgeschlagen. »Das sieht nicht gut aus«, sagte Trautman d#252;ster. »Was sind das f#252;r Wesen?«

»Raptoren«, antwortete Chris. »Wahrscheinlich sind sie der Herde gefolgt, die wir gestern abend gesehen haben, aber ich sch#228;tze, da#223; sie auch mit anderer Beute vorliebnehmen. Sie geh#246;ren zur Gattung der Dromaeosaurier -das sind kleine, schnelle Fleischfresser. Sehr gef#228;hrlich und sehr schlau. Manche Wissenschaftler glauben, da#223; es die gef#228;hrlichsten #252;berhaupt waren. Sie haben selbst die ganz gro#223;en Saurier angegriffen und erlegt und... « Chris brach ab, blinzelte ein paarmal und sah verbl#252;fft in die Runde. Es war sehr still geworden, w#228;hrend er sprach, und die Aufmerksamkeit hatte sich von den Sauriern zu ihm verlagert. Alle blickten ihn b#246;se an.

»Was habt ihr denn?« fragte er. »Ihr k#246;nnt mir ruhig glauben! Sie haben selbst die Allosaurier gejagt, und man hat Skelette von Diplodocus gefunden, die -« »Chris«, sagte Trautman sanft. »Vielleicht ist es besser, wenn du jetzt den Mund h#228;ltst. « Chris sah ein bi#223;chen beleidigt drein, aber er war auch klug genug, Trautmans Rat zu beherzigen und sein restliches Wissen f#252;r sich zu behalten. »Die werden nicht aufgeben«, sagte Ben d#252;ster. »Verdammt, wie kommen wir jetzt hier weg?« Mike blickte eine ganze Weile wortlos zu den Sauriern hinab, die unruhig am Fu#223; des Baumes entlangschlichen. Einige von ihnen hatten damit begonnen, ihre beiden toten Kameraden aufzufressen, und f#252;r ein paar Sekunden klammerte sich Mike an die Hoffnung, da#223; das reichen k#246;nnte, um den Hunger der Raubtiere zu stillen. Aber er ahnte auch selbst, da#223; das nicht so war. Er hatte den Ausdruck nicht vergessen, den er in den Augen der Schreckensklaue gesehen hatte. Diese Tiere jagten und t#246;teten nicht nur aus Hunger. »Wo ist Astaroth?« fragte Serena pl#246;tzlich. »Ich wei#223; es nicht«, antwortete Mike. »Er ist auf einen Baum gefl#252;chtet. «

Serena starrte ihn aus gro#223;en Augen an. »Soll das hei#223;en, du hast ihn im Stich gelassen?« »Nun reg dich nicht auf!« sagte Ben. »Er ist eine Katze, schon vergessen? Er klettert bestimmt besser und schneller als diese Biester. Au#223;erdem haben sie im Moment eine weitaus bessere Beute. Ich glaube nicht, da#223; sie sich f#252;r einen z#228;hen alten Katzenbraten interessieren. «

»Wir m#252;#223;ten sie irgendwie ablenken«, sagte Trautman. »Aber wie?«

»He!« sagte Ben pl#246;tzlich. »Seht doch! Da!« Das letzte Wort hatte er geschrien. Und auch Mike ri#223; ungl#228;ubig die Augen auf, als er sah, was pl#246;tzlich aus dem Wald heraustrat, nicht einmal weit von der Stelle entfernt, an der die Raptoren erschienen waren. Es war ein Triceratops. Es war keiner der zehn Meter langen Giganten, die sie am vergangenen Abend gesehen hatten, sondern ein viel kleineres Tier, gerade so gro#223; wie ein Kalb, aber trotzdem schon mit der wuchtigen Panzerung und den riesigen H#246;rnern, die seiner Gattung eigen waren. Es bewegte sich langsam und irgendwie tolpatschig, aber trotzdem sehr zielsicher auf den Baum und die ihn belagernden Raptoren zu. Und hinter dem gewaltigen Knochenschild, der seinen Sch#228;del sch#252;tzte, hockte eine ein#228;ugige schwarze Katze. »Astaroth!« rief Serena laut. »Das ist Astaroth!« Mike blinzelte ein paarmal. Der Anblick war so phantastisch, da#223; er seinen Augen nicht traute. Aber das Bild blieb -aus dem Wald heraus n#228;herte sich ihnen ein junger Triceratops, der von niemand anders als Astaroth geritten wurde.

»Ist er... verr#252;ckt geworden?« keuchte Ben. »Was um alles in der Welt soll das? Sie werden ihn auffressen!« Die Erleichterung, die sich f#252;r einen Moment in Mike breitgemacht hatte, schlug in j#228;hes Entsetzen um. Der Anblick des Tieres, das in ganz offenbar freundlicher Absicht herankam, hatte ihn fast vergessen lassen, welche Gesch#246;pfe sie belagerten. Nat#252;rlich hatte Ben recht ihnen allen kam dieses Triceratopsbaby mit seinen gewaltigen H#246;rnern und den zentimeterdicken Panzerplatten wie ein Riese vor, aber f#252;r die Schreckensklauen war er wahrscheinlich nicht mehr als ein Appetithappen. Sie w#252;rden ihn samt seinem ein#228;ugigen Reiter einfach vertilgen und dann zur Tagesordnung #252;bergehen beziehungsweise der Hauptmahlzeit, die #252;ber ihnen auf dem Baum hockte.

Die Raptoren schienen wohl genau in diesem Moment zu dem gleichen Schlu#223; gekommen zu sein, denn sie wandten sich pl#246;tzlich wie auf ein unh#246;rbares Kommando hin um und n#228;herten sich dem Saurier: Sie bildeten einen weit auseinandergezogenen Halbkreis, der sich auf Astaroth und sein Reittier zubewegte, vermutlich, um sich hinter ihm zu schlie#223;en und ihrer Beute so jeden Fluchtweg abzuschneiden. »Astaroth!« schrie Mike aus Leibeskr#228;ften. »Lauf weg!« Reg dich nicht auf, antwortete Astaroths Stimme in seinen Gedanken. Mit den paar kleinen Kneifern werden wir schon fertig.

»Er mu#223; den Verstand verloren haben!« sagte Serena. »Sie werden ihn t#246;ten!«

»Das ist unsere Chance«, sagte Singh. »Schnell jetzt, solange sie abgelenkt sind!«

»Nein!« antwortete Serena. »Ich gehe nicht weg, ohne Astaroth -«

Singh ergriff sie grob an den Schultern. »Er pa#223;t schon auf sich auf«, unterbrach er sie. »Und selbst wenn nicht willst du, da#223; sein Opfer umsonst ist?« Serenas Augen f#252;llten sich mit Tr#228;nen. »Ich lasse ihn nicht allein«, sagte sie.

H#246;rt auf, euch zu streiten, sagte Astaroth. Und bleibt gef#228;lligst, wo ihr seid.

»Wartet!« sagte Mike. »Er hat irgend etwas vor. « Singh sah ihn fast b#246;se an. »Ja, sich auffressen zu lassen«, sagte er.

Doch das hatte Astaroth ganz und gar nicht vor. Mike blickte gebannt und mit klopfendem Herzen nach unten. Der Kreis der Raubsaurier hatte sich um den jungen Triceratops geschlossen und begann sich nun zusammenzuziehen. Das geh#246;rnte Tier war stehengeblieben und scharrte nerv#246;s mit den Vorderl#228;ufen. Es mu#223;te die N#228;he der Gefahr sp#252;ren. Nur noch Augenblicke, und die Raptoren w#252;rden gemeinsam #252;ber den jungen Saurier und seinen Reiter herfallen.

Pl#246;tzlich begann die Erde zu zittern. Ein dumpfes, dr#246;hnendes Stampfen erscholl, und im n#228;chsten Augenblick brach eine ungleich gr#246;#223;ere Ausgabe von Astaroths Reittier durch das Geb#252;sch, gefolgt von einer zweiten, dritten und vierten -schlie#223;lich war es fast ein Dutzend der gigantischen Saurier, die auf die gewaltsam geschaffene Lichtung herausmarschierten. »Die Alten!« sagte Chris. »Das m#252;ssen die Alten sein, die gekommen sind, um nach dem Kleinen zu suchen!« Niemand antwortete, aber Mike wu#223;te, da#223; Chris recht hatte -was dort auftauchte, das war zweifellos die Mutter des kleinen Sauriers, die zusammen mit einem Teil ihrer Verwandtschaft gekommen war, um nach ihrem Spr#246;#223;ling zu suchen. Und die Tiere erkannten sofort, in welcher Gefahr sich ihr Junges befand. Einer der gepanzerten Riesen stie#223; einen r#246;hrenden Schrei aus, und die ganze Kolonne verfiel unverz#252;glich in einen rasenden Galopp. Die m#228;chtigen Sch#228;del mit den t#246;dlichen H#246;rnern senkten sich, um die Raptoren aufzuspie#223;en.

Die kleinen Raubsaurier bewiesen jedoch, da#223; Mike sich nicht geirrt hatte, was die Einsch#228;tzung ihrerIntelligenz anging. Sie begriffen auf der Stelle, da#223; sie gegen diese #220;bermacht unm#246;glich bestehen konnten, und ergriffen die Flucht. Mit grotesk anmutenden, aber sehr schnellen Spr#252;ngen #252;berquerten sie die Lichtung und verschwanden im Unterholz auf der anderen Seite, noch ehe die heranst#252;rmenden Riesen auch nur die H#228;lfte der Strecke #252;berwunden und das Jungtier erreicht hatten. Die meisten hielten unverz#252;glich an und versammelten sich zu einem sch#252;tzenden Kreis um das Saurierjunge, aber zwei, drei besonders kr#228;ftige Tiere setzten ihren Weg noch fort und nahmen schlie#223;lich auf der gegen#252;berliegenden Seite der Lichtung Aufstellung. Ihre m#228;chtigen K#246;pfe bewegten sich unruhig, die H#246;rner waren drohend gesenkt, bereit, sich gegen alles zu wenden, was aus dem Wald herauskommen mochte. »Unglaublich!« fl#252;sterte Trautman. »Seht euch das an!

Als ob sie denken k#246;nnten! Das ist ein koordiniertes Verhalten! Und wir haben immer gedacht, sie w#228;ren nichts als stumpfsinnige Riesen gewesen!« Klar, kommentierte Astaroth. Das ist typisch f#252;r euch. Ihr glaubt, da#223; alles, was gr#246;#223;er ist als ihr, auch automatisch d#252;mmer sein mu#223;, wie? Alles, was kleiner ist, #252;brigens auch.

Die Saurier -allen voran ein besonders gro#223;es Exemplar, dessen eines abgebrochene Horn und zahllose Narben und Schrammen auf den Panzerplatten die Vermutung nahelegten, da#223; es sich um ein besonders altes, kampferprobtes Tier handelte, scharten sich immer enger um das Junge und bildeten so einen lebenden Schutzwall. Aus ihrem drohenden Gebr#252;ll war ein tiefes, beruhigendes Brummen geworden, das seine Wirkung auf das Junge auch nicht verfehlte. Der kleine Saurier h#246;rte auf zu zittern, und schon nach kaum einer Minute begann er wieder fr#246;hlich zwischen den Leibern der alten Tiere herumzutollen. Schlie#223;lich kehrte auch der Rest der Gruppe vom anderen Ende der Lichtung zur#252;ck, und nur wenige Minuten, nachdem sie gekommen waren, wandte sich die kleine Herde wieder um und trottete davon. Wenige Augenblicke sp#228;ter kletterte Astaroth zu ihnen herauf, setzte sich neben Serena auf den Ast und begann sich nach Katzenmanier zu putzen, als w#228;re #252;berhaupt nichts geschehen. »Das war wirklich Rettung in letzter Minute«, sagte Juan erleichtert. Er streckte die Hand aus und streichelte Astaroth fl#252;chtig #252;ber den Kopf, zog den Arm aber rasch wieder zur#252;ck, als der Kater ihm einen #228;rgerlichen Blick zuwarf. Astaroth mochte es nicht, wie ein Schmusetier behandelt zu werden. »Stimmt«, f#252;gte Ben hinzu. »Ich dachte schon, es w#228;re um uns geschehen. Du h#228;ttest wirklich keine Sekunde sp#228;ter kommen d#252;rfen. « Wunderbar, maulte Astaroth. Da rette ich euch den

Hals, und statt sich zu bedanken, beschwert er sich auch noch!

»Was sagt er?« fragte Ben.

»Da#223;... #228;h... du recht hast«, sagte Mike hastig. »Aber es ging nun einmal nicht schneller. « Astaroth warf ihm einen schr#228;gen Blick zu, und selbst Ben schien zu bemerken, da#223; Mike vielleicht nicht ganz das gesagt hatte, was Astaroth meinte, denn er wirkte ein bi#223;chen verlegen.

»Wie hat er das nur gemacht?« fragte Trautman. »Es war fast, als ob er mit den Tieren gesprochen h#228;tte!« »Ich wu#223;te gar nicht, da#223; er das kann«, f#252;gte Serena hinzu.

Ich auch nicht, sagte Astaroth knurrig. Und bevor ich gezwungen bin, noch mehr Dinge auszuprobieren, die ich eigentlich gar nicht kann, solltet ihr von hier verschwinden. Die Kneifer sind weg, aber ich w#252;rde mich nicht wundern, wenn sie wiederkommen. Die Biester sind n#228;mlich fast so stur wie ihr.

»Du hast recht«, sagte Mike. Er wandte sich an die anderen. »Verschwinden wir von hier, ehe sie zur#252;ckkommen. «

Sie hatten beschlossen, wenigstens f#252;r eine Weile der Spur der Herde zu folgen: zum einen, weil sie auf dem niedergewalzten Bereich weitaus schneller und m#252;heloser vorw#228;rtskommen w#252;rden als im dichtenUnterholz und auch sicher vor unliebsamen #220;berraschungen waren, zum anderen, weil sich in der N#228;he der Herde wohl am ehesten eine Gelegenheit finden w#252;rde, mit einem der Dinosauroiden Kontakt aufzunehmen. Mike war von dieser Idee noch immer wenig begeistert -ebenso wie Ben, Juan und vor allem Serena -, aber er hatte auch keinen besseren Vorschlag, und so belie#223; er es bei einem zweifelnden Gesichtsausdruck, enthielt sich aber ansonsten jeden Kommentars.

Wie #252;blich bildete Astaroth wieder die Vorhut. Er hatte Mikes entsprechende Bitte mit einem sp#246;ttischen Kommentar beantwortet, lief aber trotzdem ein gutes St#252;ck vor ihnen her und kam nur von Zeit zu Zeit zur#252;ck, um ihnen mitzuteilen, da#223; alles in Ordnung sei -die Herde bewegte sich weiter nach Norden, gefolgt und wohl auch gelenkt von ihren unheimlichen Hirten, und Mike und die anderen folgten ihrerseits ihnen. Sie hielten einen geh#246;rigen Abstand ein -weitaus mehr, als eigentlich n#246;tig gewesen w#228;re, um nicht gesehen zu werden. Aber keiner von ihnen wollte das Risiko eingehen, unversehens einem der eigentlichen Herren dieser Insel gegen#252;berzustehen. Nicht, solange sie nicht wu#223;ten, was sie wirklich von diesen Wesen zu halten hatten. So marschierten sie bis weit in den Nachmittag hinein, ehe Astaroth zur#252;ckkam und Mike dar#252;ber unterrichtete, da#223; die Herde angehalten hatte. Trautman schlug daraufhin vor, da#223; sie ebenfalls eine Rast einlegten, und da sie alle ersch#246;pft waren, protestierte niemand dagegen. Allerdings verlie#223;en sie die niedergetrampelte Saurierspur und suchten sich einen Lagerplatz im Wald, um nicht im letzten Moment doch noch entdeckt zu werden. Wahrscheinlich w#228;re es weitaus sicherer gewesen, wieder auf einen Baum zu steigen, aber dazu fehlte ihnen allen die Energie.

Mike war so m#252;de, da#223; er auf der Stelle einschlief, und als er die Augen wieder aufschlug, war die Sonne ein gutes St#252;ck weiter #252;ber den Himmel gewandert. Ihr zweiter Tag auf der Insel der Dinosaurier neigte sich bereits dem Ende entgegen.

Er war nicht von selbst erwacht. Bens Hand, die ihn wachger#252;ttelt hatte, lag noch auf seiner Schulter, und die andere hatte er erhoben und den Zeigefinger an die Lippen gelegt.

»Was -?« begann Mike, aber Ben winkte sofort ab. »Still!« fl#252;sterte er. »Da ist etwas!«

Mike blinzelte. »Was ist denn los?« murmelte er verschlafen. »Ziehen sie weiter?«

Ben deutete ihm mit beiden H#228;nden, leise zu sein. »Nein«, fl#252;sterte er. »Aber Astaroth ist nicht da. Und irgendwas schleicht durch das Geb#252;sch. « Mike richtete sich erschrocken auf. Er lauschte angestrengt, aber alles, was er h#246;rte, waren sein eigener Herzschlag und die

nat#252;rlichen Ger#228;usche des Waldes. »Etwas?" fl#252;sterte er.

»Was?«

»Keine Ahnung«, antwortete Ben. »Aber es ist besser, wenn wir nachsehen. Komm mit. « Vorsichtigdrangen sie in das Unterholz ein, das ihren Lagerplatz wie eine gr#252;ne Mauer umgab. #220;berall raschelte und knackte es, und ein paarmal schrak Mike zusammen, als er eine Bewegung oder einen davonhuschenden Schatten gewahrte, aber es waren nur ein paar kleinere Tiere, die vor ihnen flohen, oder der Wind, der mit den Bl#228;ttern spielte. Er wollte schon aufgeben und zu den anderen zur#252;ckgehen, als Ben pl#246;tzlich stehenblieb und ihn heftig zu sich winkte. »Was ist los?« fragte Mike. »Was hast du gefunden?« Anstelle einer Antwort deutete Ben wortlos auf den Boden vor sich. Mike eilte an seine Seite -und gab einen #252;berraschten Laut von sich. Ben hatte eine Spur entdeckt. Und obwohl Mike einen solchen Fu#223;abdruck erst einmal im Leben gesehen hatte, erkannte er ihn doch sofort wieder. Z#246;gernd lie#223; er sich neben Ben in die Hocke sinken und fuhr mit den Fingerspitzen #252;ber die R#228;nder des Fu#223;abdruckes, der in einer weichen Stelle im Waldboden zur#252;ckgeblieben war. »Sie waren hier«, sagte Ben d#252;ster. »Verdammt, wahrscheinlich sind sie sogar noch ganz in der N#228;he. Es w#252;rde mich nicht wundern, wenn sie uns selbst jetzt beobachten. « Mike antwortete nicht, aber er gab Ben recht - der Fu#223;abdruck, den er gefunden hatte, sah genau aus wie der, auf den sie gestern gesto#223;en waren: Der Abdruck eines Fu#223;es, der gr#246;#223;er war als der eines Menschen und anders geformt und der eine Art grober Sandale getragen haben mu#223;te. Es war die Spur eines Dinosauroiden; vielleicht sogar desselben, der sie schon gestern beobachtet hatte.

Unwillk#252;rlich hob er den Kopf und lie#223; seinen Blick in die Runde schweifen. Pl#246;tzlich war es ihm, als h#228;tten die B#252;sche Augen. Er f#252;hlte sich angestarrt, belauert und beobachtet, und das auf eine so intensive Art, da#223; sie ihm fast k#246;rperliches Unwohlsein bereitete. »Du hast recht«, sagte er leise. »Sie waren hier. « Er stand auf. »Wir m#252;ssen die anderen warnen. « »Ja. « Ben nickte, setzte dazu an, sich herumzudrehen, und blieb dann wieder stehen. Ein fragender Ausdruck erschien auf seinem Gesicht undverwandelte sich eine Sekunde sp#228;ter in #220;berraschung. »He, das ist doch... « Er machte einen Schritt zur Seite, b#252;ckte sich und zog etwas aus dem Geb#252;sch.

Mikes Augen weiteten sich in ma#223;loser Verbl#252;ffung, als er sah, was Ben gefunden hatte. Es war einGewehr. »He!« sagte Ben. »Wenn das keine #220;berraschung ist! Sieh nur, was unsere geschuppten Freunde uns hiergelassen haben!«

Mike war noch immer v#246;llig perplex. »Du... du meinst, die Sauriermenschen haben sie verloren?« fragte er z#246;gernd.

»Was denn sonst?« antwortete Ben. »Glaubst du, sie haben sie hiergelassen, um uns eine Freude zu machen?« Er drehte das Gewehr in den H#228;nden, #246;ffnete den Verschlu#223; und zog eine Grimasse. »Nur noch eine einzige Patrone drin«, stellte er fest. Er hob das Gewehr vor das Gesicht, roch an seinem Lauf und sagte: »Es stinkt nach Pulver. Aus dieser Waffe ist geschossen worden. Vor noch nicht allzu langer Zeit. « »Vielleicht geh#246;rt es Annies Leuten«, vermutete Mike.

Pl#246;tzlich war er sehr aufgeregt. »Das w#252;rde bedeuten, da#223; sie noch in der N#228;he sind. Komm -gehen wir zur#252;ck. Vielleicht erkennt Annie das Gewehr wieder. « Er unterstrich seine Aufforderung mit einer entsprechenden Handbewegung, drehte sich herum -und blieb wie angewurzelt wieder stehen.

Sie waren nicht mehr allein. Sein Gef#252;hl hatte ihn nicht getrogen. Sie waren beobachtet worden. Lautlos und unbemerkt war ein nur vage menschen#228;hnliches Gesch#246;pf hinter ihnen aufgetaucht, und noch w#228;hrend Mike fassungslos in das geschuppte Gesicht starrte, das aus gut zwei Metern H#246;he auf ihn herabblickte, trat ein zweiter, etwas gr#246;#223;erer Dinosauroide aus dem Unterholz und gesellte sich zu dem ersten. Mike war wie gel#228;hmt. Der Anblick, den die beiden Wesen boten, war einfach zu phantastisch. Gestern nacht, in der Dunkelheit und von der sicheren H#246;he des Baumes herab beobachtet, hatten die Gesch#246;pfe nur sonderbar gewirkt, und ein bi#223;chen erschreckend. Jetzt aber sah er, da#223; sie trotz aller scheinbarer Menschen#228;hnlichkeit nichts #228;hnelten, was er jemals gesehen hatte. Ihre Gesichter, die ganz von den #252;bergro#223;en, kalten Reptilienaugen beherrscht wurden, waren gleichzeitig h#228;#223;lich wie auch von einer merkw#252;rdigen Sch#246;nheit, der Blick der faustgro#223;en Augen zugleich kalt wie von einer verwirrenden Vielzahl fremdartiger Gef#252;hle und Empfindungen erf#252;llt. Die winzigen Hornpl#228;ttchen, die ihre Haut bedeckten, schimmerten wie sorgsam poliertes Metall, und die M#252;nder, die keine sichtbaren Lippen hatten und viel zu gro#223; waren, schienen die Sch#228;del zu spalten wie d#252;nne, sichelf#246;rmige Narben. Sie bewegten sich nicht wie Menschen oder die meisten Tiere, die Mike kannte, sondern mit harten, schnellen Rucken.

Pl#246;tzlich wu#223;te er, da#223; Astaroth recht hatte: Es war unm#246;glich, mit diesen Gesch#246;pfen zu reden. Sie waren

Kinder einer fremden, vollkommen anderen Sch#246;pfung, Wesen aus einem Universum, das mit dem der Menschen nicht das geringste zu tun hatte. Er mu#223;te wieder an das denken, was Serena gesagt hatte: Sie hassen uns, weil wir sind, was sie h#228;tten werden k#246;nnen. Mike registrierte eine Bewegung aus den Augenwinkeln und fuhr auf dem Absatz herum, aber da hatte Ben bereits das Gewehr in die H#246;he gerissen und legte auf die Dinosauroiden an.

Er f#252;hrte die Bewegung nicht zu Ende. Der Echsenmann reagierte blitzschnell. Mike sah nur einen rasenden Schatten und das Aufblitzen von regenbogenfarbigen Hornschuppen, und dann taumelte Ben mit einem #252;berraschten Schrei zur#252;ck, und das Gewehr flog im hohen Bogen davon. In der n#228;chsten Sekunde hatten die gewaltigen Pranken des Echsenmannes Ben ergriffen und rissen ihn m#252;helos vom Boden hoch, und Mike war felsenfest davon #252;berzeugt, im n#228;chsten Augenblick ebenfalls gepackt und wom#246;glich auf der Stelle get#246;tet zu werden.

Doch es kam anders. Das zweite riesige Gesch#246;pf streckte tats#228;chlich die Arme nach ihm aus, aber pl#246;tzlich wurde das Unterholz hinter ihm wie von einer Explosion auseinandergerissen, und ein ungeheuerlicher Schatten wuchs #252;ber ihnen empor. Ein Br#252;llen und Fauchen erklang, das den gesamten Wald zu ersch#252;ttern schien.

Der Dinosauroide reagierte wieder mit der gleichen phantastischen Schnelligkeit, die Mike gerade beobachtet hatte, doch diesmal war es zu langsam. Er fuhr herum und senkte gleichzeitig die Hand, vielleicht, um eine Waffe zu ziehen, aber da traf ihn ein fruchtbarer Schlag, der ihn von den F#252;#223;en ri#223; und meterweit durch die Luft fliegen lie#223;.

Auch Mike f#252;hlte sich von irgend etwas wie von einem Hammerschlag getroffen und zu Boden geschleudert.

Er fiel, rollte hilflos #252;ber den Boden und krachte mit solcher Wucht gegen einen Baumstamm, da#223; er f#252;r eine Sekunde nur bunte Sterne sah und keine Luft mehr bekam. Wieder drang dieses ungeheuerliche Br#252;llen und Kreischen in seine Ohren. Der Boden unter ihm zitterte. Er lag auf etwas Hartem, dessen scharfe Kanten schmerzhaft durch sein Hemd stachen. Als sich sein Blick kl#228;rte und er sich auf H#228;nde und Knie aufrichtete, da hatte der Allosaurier bereits den zweiten Echsenmann angegriffen. Es war das gleiche Tier, das gestern ihn selbst angegriffen hatte. Mike erkannte es ohne Zweifel wieder. Und sein Anblick l#228;hmte ihn ebenso wie gestern. Reglos sah er zu, wie der riesige Raubsaurier auf den Dinosauroiden eindrang. Seine gewaltigen Krallen hatten das Gesch#246;pf gepackt und rissen es ebenso m#252;helos in die H#246;he, wie dieses gerade Ben. Das f#252;rchterliche Maul #246;ffnete sich, um seine Beute zu verschlingen. »Mike! Das Gewehr!«

Bens Schrei ri#223; Mike endlich aus seiner Erstarrung. Verbl#252;fft senkte er den Blick und stellte fest, da#223; er genau auf das Gewehr gefallen war, das der Echsenmann Ben aus den H#228;nden geschlagen hatte. »MIKE!« Bens Stimme war nur noch ein hysterisches Kreischen. Der zweite Echsenmann hatte sich aufgerichtet und n#228;herte sich dem jungen Engl#228;nder. Er humpelte, aber er bewegte sich trotzdem noch immer mit unglaublicher Schnelligkeit. Mike hob das Gewehr, richtete den Lauf auf den Echsenmann und z#246;gerte noch einmal. Eine halbe Sekunde lang sa#223; er wieder vollkommen reglos, wie erstarrt da. Und dann, mit einem Ruck, ri#223; er die Waffe herum, richtete sie auf den Allosaurier und dr#252;ckte ab. Der R#252;ckschlag war so gewaltig, da#223; er ihm die Waffe aus den H#228;nden ri#223; und Mike r#252;cklings zu Boden fallen lie#223;. Aber noch w#228;hrend er fiel, sah er, wie die Kugel gegen den gepanzerten Sch#228;del des gigantischen Raubsauriers schlug und davon abprallte. Trotzdem tat der Schu#223; seine Wirkung. Der Saurier br#252;llte auf, lie#223; sein Opfer fallen und b#228;umte sich zu seiner ganzen Gr#246;#223;e von mehr als drei Metern auf. Sein Schwanz peitschte w#252;tend und zerfetzte das Unterholz hinter ihm. Die Krallen hieben in irrsinniger Wut in die Luft. Dann, ebenso pl#246;tzlich, wie es damit begonnen hatte, h#246;rte das Ungeheuerauf zu toben. Mit einem w#252;tenden Ruck fuhr er herum und starrte Mike an. #220;ber seinem linken Auge war eine tiefe, blutende Wunde zu erkennen; tief genug, die Bestie vor Schmerz w#252;tend zu machen, aber mehr auch nicht. Mike warf sich verzweifelt herum, ri#223; das Gewehr an sich und richtete es auf den Saurier. Er dr#252;ckte ab, ohne zu zielen, rasend schnell und mehrmals hintereinander. Ein helles, metallenes Klicken erscholl, und in Mikes Kopf hallten Bens Worte von vorhin wider: Nur noch eine Patrone drin.

Der Saurier machte einen einzigen, gewaltigen Schritt und war #252;ber Mike. Seine riesigen Kiefer #246;ffneten sich. Geifer und hei#223;er, nach F#228;ulnis stinkender Atem schlugen Mike ins Gesicht.

Als das Ungeheuer zupacken wollte, wurde es von einem knisternden blauen Blitz getroffen. Die Bestie br#252;llte, warf sich zur#252;ck und schrie erneut und noch lauter, als ein zweiter Blitz eine tiefe, rauchende Spur in seine Flanke ri#223;. Winzige, blaue Funken tanzten #252;ber seinen K#246;rper, sprangen knisternd von seinen Klauen und Z#228;hnen ab und hinterlie#223;en ein Muster winziger, rauchender L#246;cher in seinen Panzerplatten. Der dritte Blitz, der das Ungeheuer genau zwischen den Augen traf, lie#223; sein Br#252;llen verstummen. Die unstillbare Wut und Blutgier in seinen Augen machte einem Ausdruck abgrundtiefen Schmerzes Platz und dann vollkommener, endg#252;ltiger Leere. Der Saurier st#252;rzte wie ein gef#228;llter Baum auf die Seite und r#252;hrte sich nicht mehr.

F#252;r einen Moment war es Mike, als bliebe die Zeit stehen. Er begriff noch nicht ganz, da#223; er noch am Leben war, und noch viel weniger, warum. Verst#228;ndnislos starrte er den Saurier an und dann die beiden Echsenm#228;nner, die in angespannter Haltung vor dem gefallenen Giganten standen. In ihren H#228;nden lagen kleine, sonderbar aussehende Waffen, vor deren M#252;ndungen noch immer blaues elektrisches Feuer glomm. Es war Bens Stimme, die ihn wieder in die Wirklichkeit zur#252;ckri#223;. »Bravo«, sagte er leise. »Das war unsere einzige Patrone, du verdammter Narr!« Einer der beiden Echsenm#228;nner drehte sich zu ihm herum. Die Waffe in seiner Hand vollf#252;hrte die Bewegung mit und deutete nun auf Ben, dann, als er sich weiterbewegte, auf Mike, und f#252;r die Dauer eines Atemzuges war er davon #252;berzeugt, da#223; das gleiche, t#246;dliche Feuer, das den Saurier vernichtet hatte, nun auch ihn treffen w#252;rde. Aber dann begegnete er dem Blick des Echsenmannes. In seinen Augen war jetzt etwas Neues, etwas, was vorhin noch nicht darin gewesen war. Mike konnte nicht sagen, was es war, und dennoch glaubte er bei aller Fremdartigkeit pl#246;tzlich etwas Vertrautes in den gelben Reptilienaugen des Wesens zu erkennen.

Eine Ewigkeit, wie es ihm schien, stand das Gesch#246;pf da und blickte ihn an, und dann, ganz langsam, senkte es seine Waffe, wandte sich ruhig um und verschwand im Unterholz. Und nur einen Moment sp#228;ter folgte ihm auch der zweite Dinosauroide.

Trautman und dem Rest der Gruppe, die kaum zwei Minuten sp#228;ter, angelockt durch den L#228;rm und die Schreie, vollkommen atemlos bei ihnen anlangten, blieb angesichts des toten Dinosauriers nichts anderes #252;brig, als die Geschichte zu glauben, die Ben und Mike zu erz#228;hlen hatten. Sein Blick irrte immer wieder #252;ber den Leib des gest#252;rzten Riesen, als m#252;sse er sich unentwegt selbst davon #252;berzeugen, da#223; das, was er zu sehen glaubte, auch wahr war.

»Unglaublich«, murmelte Trautman dann. »Das... das r#252;ckt alles, was wir bisher erlebt haben, in ein v#246;llig anderes Licht, ist euch das klar? Sie haben uns die ganze Zeit #252;ber beobachtet. Sie wu#223;ten von Anfang an, da#223; wir hier sind. Wir haben geglaubt, wir w#228;ren allein, aber vermutlich haben wir keinen Schritt getan, von dem sie nichts wissen. «

»Und warum haben sie uns dann nicht l#228;ngst #252;berfallen und verschleppt, wie sie es mit Annies Leuten getan haben?« fragte Ben. Er wies mit einer Kopfbewegung auf das M#228;dchen. Annie hatte auf den Anblick des Sauriers ganz anders reagiert, als sie erwartet hatten: Er schien sie nicht im geringsten zu erschrecken. Ganz im Gegenteil sie hatte sich zu Singh und Juan gestellt, die den Kadaver des toten Kolosses untersuchten. »Keine Ahnung«, antwortete Trautman. »Allm#228;hlich komme ich zu dem Schlu#223;, da#223; wir #252;berhaupt nichts wissen. Vielleicht ist alles ganz anders, als wir glauben. «

»Und was soll das nun wieder bedeuten?« murrte Ben.

Er hatte wohl nicht mit einer Antwort gerechnet, und er bekam auch keine, und so wandte er sich auf der Suche nach einem anderen Opfer f#252;r seine miserable Laune an Mike und funkelte ihn an. »Du bist mir vielleicht ein Held!« sagte er. »Warum hast du nicht gleich auf mich geschossen? Wenn man Kindern eine Waffe in die Hand gibt - das mu#223; ja schief gehen. «

Richtig, sagte Astaroth. Wie gut, da#223; er das Gewehr nicht hatte. Mike setzte dazu an, Ben etwas#196;hnliches zu sagen, aber Trautman kam ihm zuvor. »Sei still, Ben«, sagte er. »Was h#228;tte er tun sollen?«

»Jedenfalls nicht unsere einzige Patrone verschwenden, um auf Gro#223;wildjagd zu gehen!« antwortete Ben erregt. »Sondern -«

»-auf den Dinosauroiden schie#223;en?« fiel ihm Chris ins Wort. Er tippte sich bezeichnend an die Stirn. »Prima Idee. Dann h#228;tte der Saurier zuerst den anderen Echsenmann und dann euch gefressen. « Bens Gesicht f#228;rbte sich langsam dunkelrot. »Du -« »Genug!« unterbrach ihn Trautman nun in scharfem Tonfall. »Chris hat recht. Mike hat das einzig Richtige getan. Er hat euch beide gerettet und die beiden fremden Wesen ebenfalls. Wahrscheinlich haben sie euch nur deshalb gehen lassen. «

»Aus lauter Dankbarkeit, wie?« h#246;hnte Ben. »Ich glaube eher, da#223; sie abgehauen sind, um mit Verst#228;rkung wiederzukommen. «

»Das haben sie wohl kaum n#246;tig«, erwiderte Trautman. Er blickte wieder den reglos daliegenden Saurier an.

»Mein Gott, was f#252;r eine furchtbare Waffe. Und du sagst, sie haben nur dreimal auf ihn geschossen?« Mike nickte. »Ja. Und ich glaube, der erste Schu#223; hat nicht einmal richtig getroffen, sonst w#228;ren vielleicht nur zwei Sch#252;sse n#246;tig gewesen. Ich habe so etwas noch nie gesehen. Die Dinger waren winzig

- kaum so gro#223; wie eine Pistole. «

»Und trotzdem haben sie diesen Giganten get#246;tet. « Trautman sch#252;ttelte sich.

»Nein«, sagte Singh in diesem Moment. »Haben sie nicht. «

Trautman richtete sich kerzengerade auf. »Wie?« »Er ist nur bewu#223;tlos«, antwortete Singh. »Aber keine Angst. Ich glaube, da#223; es noch sehr lange dauert, bis er wieder zu sich kommt. « »Das Ding... lebt noch?

« kr#228;chzte Ben. Er wurde bla#223;, und auch die anderen wichen ein kleines St#252;ck von dem reglos daliegenden Saurier zur#252;ck. »Nichts wie weg hier!«

Trautman machte eine beruhigende Geste. »Ja, der Meinung bin ich auch -aber aus anderen Gr#252;nden. Und wir sollten jetzt nicht die Nerven verlieren und in Panik geraten. « Er wandte sich an Mike. »In welcher Richtung sind sie verschwunden?« Mike deutete hinter sich. »Dorthin... glaube ich. « »Das ist die Richtung, in der die Herde zieht. « Trautman dachte einen Moment nach. »Das k#246;nnte passen. Und dazu das Gewehr... « Pl#246;tzlich streckte er die Hand aus, nahm Mike die ohnehin nutzlose Waffe ab und ging damit zu Annie. Mike hielt instinktiv den Atem an, als er sich neben dem M#228;dchen in die Hocke

sinken lie#223; und ihr das Gewehr entgegenstreckte. »Kennst

du das?« fragte er.

Annie betrachtete das Gewehr eine Sekunde lang stirnrunzelnd. Dann hellte sich ihr Gesicht auf, und sie nickte heftig. »Es geh#246;rt meinem Vater«, sagte sie. »Bestimmt?«

»Hier, sehen Sie«, sagte Annie und deutete auf die Initialen J. M., die in den Griff eingraviert waren. »James Mason. So hei#223;t mein Dad. « Sie sah zu Mike her#252;ber. »Hast du ihn damit erschossen?« Mike fing im letzten Moment Trautmans warnenden Blick auf. Offensichtlich glaubte Annie, da#223; er den Saurier erlegt hatte. Vielleicht war es besser, sie lie#223;en sie noch f#252;r eine Weile in diesem Irrtum. Da#223; das M#228;dchen so gar keine Furcht mehr zeigte, war unheimlich genug, aber er wu#223;te, da#223; das weniger mit Tapferkeit zu tun hatte als vielmehr mit der F#228;higkeit kleiner Kinder, einen Schrecken, der zu gro#223; war, um ihn zu ertragen, einfach zu verdr#228;ngen. »Es hat uns geholfen, ja«, antwortete er ausweichend. »Dann werdet ihr auch meinen Dad und die anderen befreien«, sagte Annie. »Ihr seid st#228;rker als die Drachen. «

»Wir werden es jedenfalls versuchen«, sagte Trautman. Er l#228;chelte aufmunternd. »Kein Angst. Wir finden sie schon. « Er richtete sich wieder auf und machte eine verstohlene Geste zu Serena. Die Atlanterin trat neben Annie, legte ihr den Arm um die Schultern und f#252;hrte sie ein kleines St#252;ck zur Seite; gerade weit genug, damit sie nicht mehr h#246;ren konnte, was sie redeten. Trotzdem senkte Trautman die Stimme, als er fortfuhr. »Das Gewehr geh#246;rt ihrem Vater. Das bedeutet, da#223; er wahrscheinlich noch

ganz in der N#228;he ist, ebenso wie die anderen. «

»Und?« fragte Ben mi#223;trauisch.

»Also haben wir eine Chance, sie zu finden«, antwortete Trautman. Ben wurde noch blasser, als er sowieso schon war. »Ich schlage vor, da#223; wir zum Flu#223; hinuntergehen und dort warten, bis es dunkel geworden ist«, schlug Trautman vor. »Und dann?« fragte Ben nerv#246;s.

»Die Herde kann nicht so weit vor uns sein«, sagte Trautman. »Mit ein bi#223;chen Gl#252;ck und entsprechender Vorsicht k#246;nnen wir uns ihnen vielleicht n#228;hern, ohne da#223; sie uns bemerken. Astaroth k#246;nnte vorausgehen und versuchen, Annies Familie aufzusp#252;ren. Glaubst du, da#223; du das schaffst?«

Die Frage war an den Kater gerichtet, der Mike auch prompt antwortete: Ob ich glaube, da#223; ich es schaffe? Will der mich beleidigen? Ohne mich w#228;rt ihr doch alle vollkommen aufgeschmissen gewesen! Ich schleiche mich quer durch ihr Lager und wieder zur#252;ck und klaue ihnen die Kronjuwelen, wenn es sein mu#223;, ohne da#223; sie es auch nur merken! Ob ich es schaffe! Das ist ja wohl eine Unversch#228;mtheit.

Eigentlich sollte ich nein sagen, damit ihr endlich einmal seht, wie weit ihr ohne mich kommt! Trautman sah Mike fragend an. »Was meint er?«

»Ja«, antwortete Mike.

»Dann machen wir es so«, bestimmte Trautman. »Wir haben noch eine gute Stunde, ehe es dunkel wird. Zeit genug, um den Flu#223; zu erreichen. Das Gel#228;nde ist dort zwar schwieriger, aber der Boden besteht aus Fels, so da#223; wir keine Spuren hinterlassen werden. « »He, nicht so schnell!« protestierte Ben. »Vielleicht sollten wir ja zur Abwechslung einmal dar#252;ber abstimmen, was wir tun. Ich halte es n#228;mlich nicht f#252;r eine gute Idee, diesen Ungeheuern auch noch nachzuschleichen. Wir sollten lieber machen, da#223; wir wegkommen!« Trautman seufzte tief. Er sch#252;ttelte den Kopf, aber bevor er antworten konnte, stie#223; der bewu#223;tlose Saurier ein leises Grollen aus. Einer der Hinterl#228;ufe zuckte. Ben wurde bla#223;. Er sagte nichts mehr, aber er hatte pl#246;tzlich auch nichts mehr dagegen, diesen Platz zu verlassen, so schnell es nur ging.

Die Sonne war l#228;ngst untergegangen, aber es wurde trotzdem nicht richtig dunkel. Sie hatten die vergangene Nacht im Wald verbracht, unter dessen dichtem Bl#228;tterdach es ohnehin niemals wirklich hell wurde, aber hier am Ufer des breiten Flusses schien es daf#252;r niemals richtig dunkel zu werden. Der Himmel war nicht schwarz, wie Mike und die anderen es gew#246;hnt waren, sondern von einem tiefen Indigoblau, und die Sterne strahlten viel heller als normal; sie wirkten wie kleine Scheinwerfer, die daf#252;r sorgten, da#223; man so weit und klar sehen konnte wie in einer wolkenlosen Vollmondnacht.

Nur da#223; es am Himmel #252;berhaupt keinen Mond gab. Mike sa#223; schon eine ganze Weile hier am Flu#223;ufer und zerbrach sich den Kopf dar#252;ber, ob nun tats#228;chlich Neumond oder ob auch dies ein weiteres R#228;tsel dieser geheimnisvollen Welt war, die sie betreten hatten und die

sich noch viel, viel mehr von der ihnen bekannten unterschied, als er vermutlich auch jetzt noch ahnte. Au#223;erdem beobachtete er einen Schatten, der #252;ber ihnen kreiste. Gegen das dunkle Blau des Himmelsgew#246;lbes hob er sich nur undeutlich ab, trotzdem aber klar genug, um ihn wiederzuerkennen. Es war das riesige Gesch#246;pf, das er am ersten Morgen gesehen hatte, noch vom Deck der NAUTILUS aus. Es #228;hnelte tats#228;chlich ganz vage einer Fledermaus, aber w#228;re es n#228;her gekommen, h#228;tte dieser Vergleich nicht lange standgehalten. Von Chris wu#223;te er, da#223; es ein Flugsaurier mit dem schier unaussprechlichen Namen Quetzalcoatlus war, ein riesiges, fast zehn Meter messendes Tier, das aber trotzdem nur Jagd auf Beute machte, die wesentlich kleiner als ein Mensch war. Das Ger#228;usch leichter Schritte drang in seine Gedanken und lie#223; ihn aufsehen. Irgendwie hatte er gesp#252;rt, da#223; es Serena war, noch ehe er sie erkannte. Er l#228;chelte, r#252;ckte ein St#252;ck zur Seite, und sie setzte sich auf den runden Felsen am Flu#223;ufer, auf dem er Platz genommen hatte. Serena sagte nichts. Eine ganze Weile sa#223;en sie in einem sonderbar wohltuenden, vertrauten Schweigen nebeneinander da und blickten auf den Flu#223; hinaus, dessen Wasser in der Nacht wie geschmolzenes Silber aussah. Manchmal bewegten sich gro#223;e, dunkle Umrisse darin, aber sie erschreckten Mike jetzt nicht mehr. Eine sonderbare Ver#228;nderung war mit ihm vorgegangen, seit sie am Nachmittag auf die beiden Dinosauroiden getroffen waren. W#228;hrend des ersten Tages hier hatte er praktisch

ununterbrochen Angst gehabt. Jetzt aber sp#252;rte er sie kaum noch. Es war, als beg#228;nne diese Welt, so fremdartig und bizarr sie auch sein mochte, unmerklich ihren Schrecken zu verlieren. Serena lehnte sich leicht gegen seine Schulter. »Ich frage mich, was wir noch alles entdecken werden«, sagte sie. »Das alles hier ist so... so phantastisch. « »Das sagst ausgerechnet du?« Mike lachte leise. »Ich glaube, deine Heimat w#228;re uns genauso phantastisch vorgekommen wie diese Insel hier. « »Vielleicht«, antwortete Serena. »Trotzdem ist es anders. Atlantis und eure Welt, das ist irgendwie dasselbe. Aber das hier ist... « Sie suchte nach den richtigen Worten und fand sie nicht. »Meine Eltern haben es mir als M#228;rchen erz#228;hlt, wei#223;t du? Und pl#246;tzlich bin ich mitten drin. Es ist ein komisches Gef#252;hl, wenn Legenden wahr werden. «

So wie die von Atlantis, dachte Mike. Laut sagte er: »Und? Hast du immer noch Angst davor?« »Diehabe ich nie gehabt«, behauptete Serena -ohne die mindeste Spur von #220;berzeugung. »Doch, die hattest du«, sagte Mike. »Ich habe den anderen nichts davon verraten. Aber du hattest panische Angst vor dem, was uns hier erwartet. Verr#228;tst du mir jetzt, warum? Ich meine, den Rest der Geschichte, den du bisher f#252;r dich behalten hast?« Er w#228;re nicht #252;berrascht gewesen, h#228;tte Serena weiter geleugnet, aber sie schwieg nur einige Zeit. Dann beugte sie sich vor, hob eine Handvoll kleiner Steinchen auf und begann sie in den Flu#223; zu werfen, jeden ein kleines St#252;ckchen weiter als den vorhergehenden. »Es hei#223;t, da#223; auf dieser Insel die Wahrheit regiert«, sagte sie. »Jeder begegnet sich selbst. «

Mike sah sie fragend an. »Die Wahrheit? Was soll das hei#223;en?«

Serena zuckte mit den Schultern. »Das wei#223; ich nicht. Ich erz#228;hle nur, was die Legende sagt. Nur wenige von denen, die sie betreten haben, haben sie jemals wieder verlassen. «

»Aber die K#246;nige von Atlantis schon. « »Sie mu#223;ten es«, sagte Serena.

Mike sah auf und r#252;ckte zugleich ein kleines St#252;ck von Serena fort, um ihr besser ins Gesicht sehen zu k#246;nnen. »Wie meinst du das?«

»Es war... Bedingung«, antwortete Serena. »Wer den Thron von Atlantis besteigen wollte, mu#223;te vorher hierherkommen. Und nur, wer den Weg zur#252;ck fand, war w#252;rdig, #252;ber Atlantis zu herrschen. « Es dauerte lange, bis Mike begriff, was Serenas Worte bedeuteten. »Bist du deshalb hierhergekommen?« fragte er.

Serena schwieg. Sie sah ihn nicht an, sondern fuhr fort, Steine ins Wasser zu werfen.

»Genau so ist es, nicht wahr?« fuhr Mike nach einer Weile fort. Er h#228;tte zornig werden m#252;ssen, aber irgendwie gelang es ihm nicht. »Du hast sofort gewu#223;t, um welche Insel es sich handelt. Gleich als du die K#252;ste gesehen hast. Deshalb mu#223;test du hierher. « Serena tat ihm pl#246;tzlich unendlich leid. Z#246;gernd hob er die Hand und ber#252;hrte ihre Wange.

»Atlantis existiert nicht mehr, Serena«, sagte er sanft.

»Es ist untergegangen, schon vor sehr, sehr langer Zeit. «

Serena schob seine Hand beiseite. »F#252;r dich vielleicht«, sagte sie. »Und f#252;r deine Freunde. F#252;r mich nicht. F#252;r mich ist es... erst gestern gewesen. Ich wollte das nicht, Mike. «

»Was?« fragte Mike. »#220;berleben?« »Nicht so«, antwortete Serena ernst. »Sie haben mir nicht gesagt, was mich erwartet. Ich wu#223;te nicht, da#223; ich... so lange schlafen w#252;rde. Und ich wu#223;te nicht, da#223; alles, was ich gekannt habe, nicht mehr da sein w#252;rde, wenn ich aufwache. «

»Nicht alles«, sagte Mike. »Astaroth ist noch da. Und die NAUTILUS. « »Astaroth!« Serena drehte mit einem Ruck den Kopf weg, aber sie tat es nicht schnell genug, um Mike nicht sehen zu lassen, da#223; sie gegen die Tr#228;nen ank#228;mpfen mu#223;te. »Er ist nur ein Tier. Ein kluges Tier und vielleicht der beste Freund, den ich je hatte. Ich liebe ihn, aber... ich war eine Prinzessin, Mike. Ich h#228;tte eine ganze Welt geerbt, und es gab so viele Menschen, die ich liebte und die mich liebten. Und alles, was mir geblieben ist, sind ein ein#228;ugiger Kater und ein Schiff. « »Und das haben wir dir weggenommen«, sagte Mike traurig.

»Darum geht es nicht«, sagte Serena leise. »Ihr k#246;nnt es haben. Ich kann ohnehin nichts damit anfangen. Es sei denn, es k#246;nnte mich nach Hause bringen. « »Und wenn es das kann?« fragte Mike. Serena sah ihn fragend an, und Mike fuhr pl#246;tzlich aufgeregt fort: »Es hat uns hierhergebracht, Serena, an einen Ort jenseits der Wirklichkeit. Wer wei#223;, was es noch alles vermag. Vielleicht kann es sogar den R#252;ckweg in deine Heimat finden. «

»Nein«, antwortete Serena traurig. »Glaub mir, das kann es nicht. Die NAUTILUS ist ein phantastisches Schiff. Das beste, das wir je gebaut haben. Ich habe keinen Witz gemacht -es h#228;tte wirklich eines Tages mir geh#246;rt, so wie es meinem Vater geh#246;rt hat, als er noch Herrscher #252;ber Atlantis war. Unsere Technik war der euren weiter #252;berlegen, als du dir auch nur vorstellen kannst. Aber die Zeit besiegen, Mike, das konnte sie nicht. H#228;tte sie es gekonnt, w#228;re ich jetzt nicht hier. Und ihr auch nicht«, f#252;gte sie nach einer unmerklichen Pause hinzu.

Aber so rasch war Mike nicht umzustimmen. Der Gedanke, einmal formuliert, begann sich selbst#228;ndig zu machen und lie#223; ihn nicht mehr los. »Vielleicht existiert Atlantis ja doch noch irgendwo«, sagte er. »Dieses Land hier liegt jenseits der Zeit. Das hier ist die Welt, wie sie h#228;tte werden k#246;nnen, w#228;ren die Saurier nicht ausgestorben. Vielleicht gibt es noch mehr solcher Orte. Vielleicht gibt es auch noch einen Ort, an dem Atlantis nicht untergegangen ist. Und vielleicht k#246;nnen wir ihn finden. «

»Ja, und vielleicht fliegen die Menschen eines Tages zum Mond oder bauen Maschinen, die das Denken f#252;r sie #252;bernehmen«, sagte Serena sp#246;ttisch. »La#223; es gut sein, Mike. Ich wei#223;, da#223; du mich tr#246;sten willst, und ich bin dir dankbar daf#252;r. Aber Atlantis ist untergegangen. Keine

Macht der Welt kann es wieder auferstehen lassen. «

Mike widersprach nicht mehr, obwohl Serena ihn keinesweg #252;berzeugt hatte. Irgendwann einmal, dachte er, w#252;rden sie es einfach versuchen. Sie hatten die Geheimnisse der NAUTILUS noch lange nicht vollst#228;ndig ergr#252;ndet. Nicht einmal Trautman hatte das, obwohl er fast sein ganzes Leben auf dem Schiff verbracht hatte. Vielleicht w#252;rde sie dieses Schiff tats#228;chlich eines Tages dorthin zur#252;ckbringen, wo es hergekommen war. Aber jetzt war nicht der Moment, dar#252;ber zu reden. Und ganz tief in sich war Mike nicht davon #252;berzeugt, da#223; er das wirklich wollte. Denn Atlantis wiederzufinden hie#223;e gleichzeitig, Serena zu verlieren. »Hat dein Vater dir auch erz#228;hlt, wie man wieder von hier wegkommt?« fragte er, um das Thema zu wechseln. Serena sch#252;ttelte traurig den Kopf. »Es gibt keinen bestimmten Weg zur#252;ck«, sagte sie. »Die Insel bestimmt, wen sie gehen l#228;#223;t und wen nicht. « Was soll das nun wieder bedeuten? dachte Mike. Aber bevor er dazu kam, die Frage laut auszusprechen, h#246;rte er abermals Schritte, und Trautman kam zu ihnen. Ein v#228;terliches L#228;cheln zeigte sich auf Trautmans Z#252;gen, als er Serena und ihn Arm in Arm so dasitzen sah. »Entschuldigt«, sagte er. »Ich wollte euch nicht st#246;ren. « »Das haben Sie nicht«, sagte Mike. Er r#252;ckte hastig ein kleines St#252;ck von Serena weg und w#228;re dabei fast von seinem steinernen Sitz gerutscht. Erst im letzten Moment und ziemlich ungeschickt fand er sein Gleichgewicht wieder. Trautman war diplomatisch genug, so zu tun, als h#228;tte er nichts davon bemerkt.

»Astaroth ist zur#252;ck«, sagte er. »Es wird Zeit. « Serena und Mike sprangen gleichzeitig auf die F#252;#223;e. »Zeit? Wof#252;r?«

»Was hat er entdeckt?« f#252;gte Serena hinzu. »Das Lager der Dinosauroiden«, antwortete Trautman. »Es ist nicht sehr weit entfernt. Drei, vier Meilen allerh#246;chstens. Wir k#246;nnten es in einer Stunde erreichen. Seht ihr den gro#223;en Baum dort?« Er wies auf einen verschwommenen Schatten, der sich bucklig #252;ber die schwarze Silhouette des Waldes erhob. »Es liegt gleich dahinter. Die Gefangenen sind dort. « »Annies Vater und die anderen?« fragte Mike. »Das konnte er nicht herausfinden«, erwiderte Trautman. »Aber es sind Menschen -also liegt die Vermutung nahe. Ich glaube nicht, da#223; es hier von Schiffbr#252;chigen nur so wimmelt. Leider«, f#252;gte er nach einer fast unmerklichen Pause, aber in deutlich besorgterem Tonfall hinzu, »hat er noch etwas herausgefunden. « »Und was?«

»Sie sind in der N#228;he der Herde, wie wir vermutet haben«, antwortete Trautman. »Aber es sind sehr viele. Dutzende, wenn nicht gar Hunderte, das konnte er nicht genau sagen. Und es sieht so aus, als ob sie die Gefangenen fortbringen wollen - noch in dieser Nacht. «

»Dann haben wir nicht mehr viel Zeit«, sagte Serena entschlossen.

Die Herde lag unter ihnen wie ein schwarzer, lebender Teppich. In der Nacht waren die einzelnen Tiere nicht mehr zu unterscheiden, so da#223; Mike nur ein gewaltiges Wogen und Gleiten wahrnahm, das die Ebene vom Flu#223;ufer auf der einen bis zum Horizont auf der anderen Seite bedeckte und aus dem ein best#228;ndiges Rumoren und Dr#246;hnen zu ihnen herauft#246;nte. Manchmal, wenn der Wind sich drehte, wurden diese Ger#228;usche lauter, und er trug den Geruch der Herde zu ihnen empor, der sehr durchdringend und sehr fremdartig, aber nicht unangenehm war. Die meisten Tiere schienen zu schlafen, aber hier und da bewegte sich doch ein kolossaler Schatten, schimmerte eine Hornplatte im Sternenlicht.

Mike sa#223; jetzt seit einer halben Stunde auf dem Ast und blickte auf die Triceratopsherde hinab, und er h#228;tte es noch stundenlang weiter tun k#246;nnen; der Anblick war bizarr, aber zugleich auch faszinierend. Es war eine Sache, von Chris zu h#246;ren, da#223; diese Gesch#246;pfe, von denen jedes einzelne doppelt so gro#223; wie ein ausgewachsener Elefantenbulle war und an die zehn Tonnen wiegen mu#223;te, in Herden von Tausenden #252;ber das Land zogen, aber eine ganz andere, es mit eigenen Augen zu sehen.

Zur Rechten, direkt vor und unter ihnen wogte die ungeheuerliche Masse der Herde, w#228;hrend zur Linken der Flu#223; wie ein silbernes Band durch die Nacht schnitt. Ein halbes Dutzend Lagerfeuer brannte am Ufer, und manchmal rissen die zuckenden Lichtreflexe der Flammen einen buckligen Schatten aus der Schw#228;rze; eines der sonderbar geformten Zelte, in denen die Hirten schliefen, die nicht an den Feuern sa#223;en und sich mit ihren schnatternden Stimmen unterhielten oder auf Wache um das Lager patroullierten. In einem dieser Zelte, so hatte Astaroth berichtet, befanden sich Annies Vater und seine drei Begleiter. Sie waren nicht einmal bewacht. Aber das war auch nicht n#246;tig. Das Zelt befand sich im Herzen des Lagers, und selbst, wenn sie es irgendwie h#228;tten verlassen k#246;nnen, ohne von den Dinosauroiden bemerkt zu werden, w#228;ren sie nicht sehr weit gekommen. Die Triceratopsherde bildete eine sicherere Barriere, als es jede Mauer oder jeder Zaun gekonnt h#228;tte. Und es gab absolut keinen Weg dorthin. Das ist wieder einmal typisch f#252;r euch, sagte eine sp#246;ttische Stimme in Mikes Gedanken. Was euch nicht auf Anhieb einf#228;llt, das geht eben nicht, wie? Phantasie ist hier gefragt, Improvisationstalent und vielleicht ein bi#223;chen Einsatz.

»Astaroth?« Mike fuhr aus seinen Gr#252;beleien hoch und sah sich aufmerksam um. »Bist du das?« Wer denn sonst? maulte der Kater. Wei#223;t du sonst noch jemanden, der st#228;ndig f#252;r euch die Drecksarbeit macht und sich daf#252;r auch noch verh#246;hnen l#228;#223;t? Nebenbei -k#246;nntest du mir vielleicht ein wenig zur Pfote gehen? Mike sah sich noch aufmerksamer um, konnte den Kater aber immer noch nirgends entdecken. Erst als er ein kl#228;gliches Miauen unter sich h#246;rte und den Blick senkte, sah er ihn. Astaroth klammerte sich einen halben Meter unter ihm an den Baumstamm und hatte offensichtlich alle M#252;he, sich festzuhalten. Der Stamm war an dieser Stelle fast spiegelglatt, und Mike hatte vorhin selbst bemerkt, da#223; sein Holz beinahe so hart wie Metall war. Offensichtlich hatte Astaroth seine bergsteigerischen F#228;higkeiten ein wenig #252;bersch#228;tzt, als er hier hatte hinaufsteigen wollen, statt auf der R#252;ckseite des Stammes, wo Mike und die anderen heraufgekommen waren.

Mike griff rasch nach unten, hob den Kater zu sich herauf und grinste sp#246;ttisch. »Probleme?« fragte er. Astaroth w#252;rdigte ihn nicht einmal einer Antwort. Hocherhobenen Hauptes ging er an ihm vor#252;ber und steuerte auf die anderen zu, und Mike folgte ihm. Trautman runzelte fragend die Stirn, als er Mikes immer noch anhaltendes Grinsen bemerkte, ging aber nicht weiter darauf ein.

»Astaroth!« sagte er erfreut. »Du bist zur#252;ck. Hast du einen Weg gefunden?«

Ja, antwortete Astaroth. Es m#252;#223;te gehen. Aber es ist nicht leicht -wenigstens nicht f#252;r euch. Mike #252;bersetzte seine jeweiligen Antworten -wobei er sich auf das Wesentliche beschr#228;nkte, was ihm den einen oder anderen #228;rgerlichen Blick des Katers und ein fl#252;chtiges L#228;cheln Trautmans eintrug. »Was hei#223;t nicht leicht? Die Wachen?« Nein, antwortete Astaroth. Sie passen auf, aber sie sind wie ihr - sie haben keine Phantasie. »Und was soll das hei#223;en?« erkundigte sich Trautman mi#223;trauisch.

Es gibt einen Weg, sagte Astaroth. Sie passen auf wie die Schie#223;hunde, aber an einer Stelle gibt es keine Wachen. Direkt am Flu#223;. Trautman #228;chzte. »Wie bitte?«

Sie bewachen das Ufer nicht, best#228;tigte Astaroth. Ich habe mich genau umgesehen. Das Wasser ist dort nicht besonders tief -wenigstens nicht f#252;r euch. Die Str#246;mung k#246;nnte ein Problem sein, aber mit ein bi#223;chen Gl#252;ck k#246;nnt ihr es schaffen. Es gibt eine Stelle, an der das Wasser fast bis an das Zelt heranreicht, in dem Annies Leute untergebracht sind. Wenn ihr durch den Flu#223; geht, kommt ihr ungesehen hin.

»Das ist doch nicht dein Ernst!« protestierte Ben. »Das Wasser ist eisig, und ein einziger Fehltritt, und es ist aus. «

Dann mu#223;t du eben zur Abwechslung einmal aufpassen, wohin du deine ungeschickten F#252;#223;e setzt, antwortete Astaroth patzig. Das #252;bersetzte Mike w#246;rtlich. Ben wollte auffahren, aber Trautman brachte ihn mit einer energischen Geste zum Schweigen. »Astaroth hat recht, f#252;rchte ich. Wir haben wahrscheinlich keine andere Wahl. Aber es w#228;re zu gef#228;hrlich, wenn wir alle gingen -und au#223;erdem v#246;llig sinnlos. « Er #252;berlegte einen Moment. »Singh und ich werden gehen«, sagte er dann. »Ihr anderen wartet hier. Sobald wir mit den Gefangenen zur#252;ck sind, mu#223; alles ganz schnell gehen. Sobald sie merken, da#223; ihre Gefangenen entflohen sind, werden sie wie die Teufel hinter uns her sein. «

»Ich komme auch mit«, sagte Mike. »Ganz bestimmt nicht«, erwiderte Trautman. »Du bleibst sch#246;n hier bei -« »Aber ich mu#223; mitkommen«, unterbrach ihn Mike. Er deutete auf den Kater. »Ich bin der einzige, der mit Astaroth sprechen kann. Und ihn braucht ihr. « Trautman bedachte ihn mit einem #228;rgerlichen Blick, aber er mu#223;te sich geschlagen geben. Mike hatte recht -ohne den Kater hatten sie nicht die geringste Chance, das richtige Zelt zu finden. Und ohne Mike konnten sie sich nicht mit Astaroth verst#228;ndigen. »Also gut«, sagte er seufzend. »Und um endlosen Diskussionen vorzubeugen - die anderen bleiben hier, ganz gleich, welche Gr#252;nde euch auch einfallen m#246;gen, mitkommen zu m#252;ssen. « Er stand auf. »Ben, du bleibst hier oben und beh#228;ltst das Lager und die Umgebung im Auge. Die anderen warten unten auf uns. Wir werden nicht viel Zeit haben, wenn wir zur#252;ckkommen. «

Ben hatte keineswegs #252;bertrieben -das Wasser war zwar nicht eisig, aber nach der Hitze des Tages und der lauen Nachtluft kam es Mike zumindest so vor, und die Str#246;mung war selbst hier am Ufer so stark, da#223; er mit aller Macht um sein Gleichgewicht k#228;mpfen mu#223;te und nur #228;u#223;erst behutsam einen Fu#223; vor den anderen setzte. Der Flu#223;grund war mit kn#246;cheltiefem Schlamm bedeckt, aber dazwischen gab es immer wieder runde, glattgeschliffene Steine, auf denen man leicht ausgleiten konnte - und ein einziger Fehltritt oder gar ein Sturz bedeuteten hier wirklich das Ende. Mikes Herz schlug so schwer, da#223; er es bis in die Fingerspitzen f#252;hlen konnte. Er zitterte vor K#228;lte am ganzen Leib, und der Weg schien kein Ende zu nehmen. Manchmal ber#252;hrte ihn etwas unter Wasser, kleine, glitschige K#246;rper, die rasch wieder davonhuschten und vermutlich viel mehr Angst vor ihm hatten als umgekehrt er vor ihnen und ganz bestimmt vollkommen harmlos waren, aber seine Phantasie machte nat#252;rlich die gr#228;#223;lichsten Monster daraus. Sie hatten das Lager der Dinosauriermenschen erreicht. Zur Rechten, unmittelbar #252;ber dem Ufer, erhob sich eine Barriere aus undurchdringlich ineinandergewachsenen B#252;schen und Wurzeln, aber dar#252;ber konnte Mike die buckligen Schatten der halbrunden Zelte erkennen, die die Echsenm#228;nner aufgestellt hatten, und den roten Widerschein ihrer Feuer. Durch das seidige Ger#228;usch des flie#223;enden Wassers drangen die Stimmen der Geschuppten: ein unheimliches, zischelndes Wispern und Keuchen, in dem er keine Regelm#228;#223;igkeit, keine Melodie erkennen konnte. Die Stimmen dieser Wesen waren so wie sie selbst: r#228;tselhaft, erschreckend und unvorstellbar fremd.

Es ist jetzt nicht mehr weit, sagte Astaroth. Dort vorne, die L#252;cke im Geb#252;sch - siehst du sie? Mike hielt als erstes nach dem Kater Ausschau, konnte ihn aber nicht entdecken. Astaroth war ihnen nicht ins Wasser gefolgt, sondern schlich geduckt und als unsichtbarer Schatten durch die B#252;sche am Ufer. Nach einer Weile gewahrte er aber die Bresche in der bisher schier undurchdringlichen, lebenden Mauer, die das Lager vom Flu#223; trennte, und nickte. Da ist ein kleiner Seitenarm, fuhr Astaroth fort. Nicht sehr tief, aber breit. An seinem Ende liegen zwei Zelte. Sie sind im rechten.

Mike blieb f#252;r einen Moment stehen, wartete, bis Singh und Trautman zu ihm aufgeholt hatten, und teilte ihnen im Fl#252;sterton mit, was er von Astaroth erfahren hatte. Die

beiden nickten, und Singh #252;bernahm kommentarlos die

F#252;hrung.

Nun befanden sie sich mitten im Lager der Dinosauroiden. Einige der unheimlichen Gesch#246;pfe, die in der Nacht, die ihre Gestalten zu flachen Schatten mit ruckhaften Bewegungen reduzierte, noch fremdartiger und bizarrer wirkten, waren so nahe, da#223; Mike meinte, nur den Arm ausstrecken zu m#252;ssen, um sie zu ber#252;hren. Er verstand nicht, warum sie nicht l#228;ngst gesehen worden waren: selbst in der Nacht mu#223;ten sich ihre Gestalten deutlich unter dem glasklaren Wasser abzeichnen, und au#223;erdem schlug sein Herz so laut, da#223; man es eigentlich meilenweit h#228;tte h#246;ren m#252;ssen. Mike w#228;re nicht #252;berrascht gewesen, w#228;ren die Echsenm#228;nner im n#228;chsten Moment alle gemeinsam aufgesprungen und #252;ber sie hergefallen, er war fast davon #252;berzeugt, da#223; es unweigerlich geschehen mu#223;te. Statt dessen erreichten sie unbehelligt das Ende des Flu#223;armes, und Trautman deutete mit einer Geste auf das rechte der beiden halbrunden Zelte, die sich kaum zwei Meter vom Wasser entfernt erhoben. Gleichzeitig warf er Mike einen fragenden Blick zu, den dieser mit einem Nicken beantwortete. Er betete, da#223; Astaroth sich nicht geirrt hatte. Wenn sie in das falsche Zelt eindrangen und sich unversehens einem Dinosauroiden gegen#252;bersahen, w#252;rden sie keine zweite Chance bekommen.

Wie Indianer, die sich an einen Feind anschlichen, robbten sie aus dem Wasser und n#228;herten sich der R#252;ckseite des Zeltes. Mike lauschte einen Moment mit angehaltenem Atem, ehe er es wagte, die H#228;nde nach der Zeltplane auszustrecken, um sie etwas anzuheben. Nichts. Er h#246;rte nicht den mindesten Laut, und drinnen war es dunkler als hier drau#223;en. Vermutlich schliefen die Gefangenen ebenso wie die meisten ihrer Bewacher. Mike schob den letzten Rest seiner Furcht beiseite, hob die Zeltplane -sie war so schwer, da#223; er einen Moment lang bef#252;rchtete, es nicht zu schaffen -weiter an und glitt beinahe lautlos darunter hindurch. Absolute Dunkelheit empfing ihn. Mike robbte noch ein St#252;ck weiter, bis er gegen ein Hindernis stie#223;, dann hielt er inne und lauschte. Er konnte h#246;ren, wie Trautman und Singh hinter ihm hereingekrochen kamen und sich die Zeltplane mit einem schweren Flapp wieder senkte und dann die gleichm#228;#223;igen Atemzuge von drei oder vier Menschen. Aber waren es tats#228;chlich nur drei oder vier? Und waren es wirklich nur menschliche Atemz#252;ge, die er h#246;rte?

Bevor seine #252;berreizte Phantasie endg#252;ltig die Oberhand gewinnen konnte, ber#252;hrte ihn eine Hand an der Schulter, und Trautmans Stimme fl#252;sterte unmittelbar neben seinem Ohr: »Der Eingang. Geh hin und halt die Augen offen!«

Das war zwar ein durchaus umsichtiger Gedanke, aber leider auch viel leichter gesagt als getan. Mike hatte mittlerweile vollends die Orientierung verloren. Er gehorchte Trautman und kroch auf gut Gl#252;ck los -mit dem Ergebnis, da#223; er irgendwo anstie#223; und L#228;rm verursachte.

Und die Reaktion blieb nicht aus. Die bisher gleichm#228;#223;igen Atemz#252;ge eines der Schl#228;fer ver#228;nderten sich pl#246;tzlich. Ein R#228;uspern und Schnauben erklang, und dann konnte Mike h#246;ren, wie sich jemand umst#228;ndlich aufsetzte. »Was ist denn los?« murmelte eine verschlafene und leicht ver#228;rgert klingende Stimme. »Matthew, bist du

- ?« »Keinen Laut!« sagte Trautman erschrocken. »Um Gottes willen, seien Sie still!«

Die Stimme verstummte tats#228;chlich, und f#252;r ungef#228;hr eine Sekunde wurde es absolut still. Dann raschelte etwas, und pl#246;tzlich durchschnitt ein wei#223;er, sehr heller Lichtstrahl die Dunkelheit und richtete sich direkt auf Trautmans Gesicht. Trautman zog eine Grimasse und hob hastig die Hand vor die Augen. »Machen Sie das Licht aus!« sagte er erschrocken. »Wollen Sie, da#223; sie uns erwischen?« Das Licht erlosch keineswegs, aber der Lichtstrahl lie#223; zumindest Trautmans Gesicht los, huschte einmal durch den Raum und richtete sich dann gegen die Decke. Mike sah jetzt, warum es ihm so schwergefallen war, die Zeltplane anzuheben. Sie bestand n#228;mlich keineswegs aus Stoff, sondern aus einem sonderbar grob anmutenden Leder -das zweifellos nichts anderes als Dinosaurierhaut war und somit viel dicker und schwerer als das Leder, das Mike kannte. Nachdem der B#228;rtige die Lampe gehoben hatte, wurde es schlagartig viel heller im Zelt. Mike blickte automatisch nach oben und erkannte, da#223; unter dem Zeltdach ein gebogener Spiegel aus kupferfarbenem Metall befestigt war, der das Licht der kleinen Lampe zur#252;ckwarf und zugleich im ganzen Raum verteilte: eine Anordnung, die mit einem Minimum an Aufwand f#252;r ein Maximum an Ergebnis sorgte.

Im Licht dieser erstaunlichen Lampe erkannte er vier niedrige, mit Stroh gedeckte Liegen, auf denen sich nun nacheinander drei M#228;nner und eine sehr junge Frau aufrichteten. Sie wirkten ziemlich verschlafen, und bis auf den b#228;rtigen Mann, der die Lampe hielt, schienen sie im allerersten Moment gar nicht zu begreifen, was sie sahen. Selbst dieser starrte Trautman nur mit offenem Mund an. »Mister Mason?« fragte Trautman hastig. Zwei der M#228;nner nickten, und Trautman wandte sich der Einfachheit halber an den, der die Lampe hielt. »Bitte stellen Sie jetzt keine #252;berfl#252;ssigen Fragen. Wir haben nicht viel Zeit. Wir sind hier, um Sie herauszuholen. «

Der B#228;rtige nickte und stellte nat#252;rlich doch sofort eine Frage: »Wer... wer sind Sie?« »Freunde Ihrer Tochter«, antwortete Trautman. »Annie?« Mason richtete sich mit einem Ruck vollst#228;ndig auf: »Was ist mit ihr? Ist sie gesund?« Trautman deutet ihm hastig, leiser zu sein. »Ihrer Tochter geht es gut«, antwortete er. »Wir bringen Sie zu ihr -wenn Sie ein bi#223;chen vorsichtiger sind, hei#223;t das. Nicht so laut. Und bitte, machen Sie das Licht aus!« Er wandte sich wieder an Mike. »Zum Ausgang, schnell. « Mike tat endlich, was Trautman ihm sagte, und kroch auf H#228;nden und Knien zur anderen Seite des Zeltes. Der Ausgang war mit einer schweren Zeltplane verschlossen, und es bereitete ihm einige M#252;he, sie so weit aufzuschieben, da#223; er hindurchsp#228;hen konnte. Aber er achtete streng darauf, da#223; kein verr#228;terischer Lichtstrahl nach drau#223;en fiel. Sekundenlang blickte er gebannt in die dunkelblaue Nacht hinaus, die das Zelt umgab, dann machte er eine beruhigende Geste in Trautmans Richtung.

»Wo ist sie?« fuhr Mason, der nat#252;rlich gar nicht daran dachte, die Lampe zu l#246;schen, aufgeregt fort. »Was ist mit meiner Tochter? Wo haben Sie sie gefunden?« »Sie ist ganz in der N#228;he«, antwortete Trautman. »Wir bringen Sie zu ihr. Wenn wir hier herauskommen, hei#223;t das. Was ist mit Ihnen? Sind Sie unverletzt? K#246;nnen Sie laufen?«

»Uns ist nichts passiert«, antwortete Mason. »Sie haben uns nichts getan, bisher wenigstens. Aber wo kommen Sie her. Wer - «

Mike h#246;rte nicht weiter zu, denn in diesem Moment erklang wieder Astaroths lautlose Stimme in seinen Gedanken. Ihr solltet euch lieber ein bi#223;chen beeilen, sagte der Kater. Es k#246;nnte sein, da#223; ihr gleich Besuch bekommt.

Mike fuhr bei diesen Worten so heftig zusammen, da#223; Trautman mitten im Wort verstummte und ihn aufmerksam ansah. »Was ist?« fragte er. »Hast du etwas entdeckt?«

Mike blickte noch eine Sekunde konzentriert nach drau#223;en, aber vor dem Zelt r#252;hrte sich immer noch nichts. Hastig lie#223; er die Zeltplane wieder zur#252;ckfallen, ging zur anderen Seite und sp#228;hte unter dem Rand der Plane hindurch. Das Wasser, durch das sie gekommen waren, lag scheinbar zum Greifen nahe vor ihm. Der Flu#223; glitzerte silbern im Sternenlicht, und zu beiden Seiten erhoben sich die schwarzen Umrisse der Dornenb#252;sche, die ihn flankierten, wie eine bizarre Burgmauer. Und dahinter...

Es mu#223;ten vier oder f#252;nf der Echsenm#228;nner sein, die durch das Wasser auf sie zugewatet kamen. Sie bewegten sich nicht sehr schnell, aber sehr zielstrebig. Und sie waren nicht allein. Mike mu#223;te zweimal hinsehen, um die Gesch#246;pfe zu erkennen, die sie begleiteten. Die Dinosauroiden hielten lange, geflochtene Leinen in den H#228;nden, an denen sie etwas wie eine verkleinerte Ausgabe der Raptoren f#252;hrten, die Mike und die anderen am vergangenen Abend angegriffen hatten. Die Tiere waren allerh#246;chstens so gro#223; wie ein Rebhuhn und sahen mit den viel zu gro#223; geratenen H#228;nden und F#252;#223;en beinahe tolpatschig aus -aber was sie taten, das war eindeutig: Sie hatten die K#246;pfe gesenkt und schn#252;ffelten emsig, und auch wenn es Mike fast unglaublich vorkam -sie schienen ihre Spuren selbst im Wasser deutlich verfolgen zu k#246;nnen.

»Hunde!« keuchte er erschrocken. »Sie haben Hunde!« »Hier gibt es keine Hunde«, antwortete Mason automatisch.

»Aber etwas, was den gleichen Zweck erf#252;llt«, antwortete Mike. Er fuhr herum und sprang mit einem Ruck auf die F#252;#223;e. »Sie haben unsere Spur gefunden! Dort kommen wir jedenfalls nicht mehr raus. « Trautman wandte sich mit erstaunlicher Ruhe an Mason. »Gibt es einen anderen Weg aus dem Lager?#220;berlegen Sie! Sie sind seit zwei Tagen hier!« »Wir sind keinen Schritt aus dem Zelt gekommen«, antwortete Mason. »Aber es gibt keinen anderen Weg, glauben Sie mir. «

Doch, den gibt es, sagte Astaroth. Schnell! Ich glaube, sie wissen jetzt, wo ihr seid. Beeilt euch! »Astaroth hat einen Weg gefunden!« sagte Mike. »Schnell jetzt! Raus hier!« »Und wohin?« fragte Trautman. Mike hatte schon dazu angesetzt, loszust#252;rmen, blieb jetzt aber abrupt wieder stehen. Trautman hatte recht. Astaroth war irgendwo drau#223;en, aber er hatte nicht die geringste Ahnung, wo. Wenn sie blindw#252;tig losst#252;rmten, w#252;rden sie nur den Dinosauroiden und ihren Hunden in die Arme laufen.

»Wer ist dieser Astaroth?« wollte Mason wissen. Wie auf ein Stichwort hin raschelte es in diesem Augenblick an der Zeltplane vor dem Ausgang, und Astaroth steckte sein ein#228;ugiges Katzengesicht zu ihnen herein. Wie lange soll ich eigentlich noch auf euch warten? erkundigte er sich. Oder wollt ihr vielleicht hierbleiben und eine Runde Karten mit den Fischgesichtern spielen?

»Das ist Astaroth«, sagte Trautman mit einer Geste auf den Kater.

Mason #228;chzte. »Eine Katze?« keuchte er. »Sie wollen, da#223; wir uns der F#252;hrung einer Katze anvertrauen? Das ist nicht Ihr Ernst!«

»Er ist ein Kater, keine Katze«, sagte Mike hastig.

»Au#223;erdem sieht er nur aus wie ein normaler Kater, keine Sorge. Er wei#223; genau, was er tut. « »Aber du anscheinend nicht, Junge«, sagte einer der beiden anderen M#228;nner kopfsch#252;ttelnd. »Ich werde ganz bestimmt nicht -«

»Sie k#246;nnen ja hierbleiben«, unterbrach ihn Trautman grob. »Wir verschwinden jetzt jedenfalls. Astaroth

- los. «

Selbst Mike war #252;ber Trautmans barschem Ton ein wenig erstaunt, denn das war normalerweise gar nicht seine Art. Aber normalerweise befanden sie sich auch nicht inmitten einer Armee von zwei Meter gro#223;en Dinosauriern und von Echsenwesen, die nahe daran waren, sie zu entdecken und gefangenzunehmen. Ohne weiter auf die Proteste des Mannes zu achten, verlie#223;en sie das Zelt und kauerten sich in der sch#252;tzenden Dunkelheit vor dem Eingang zusammen. Mike sah sich mit klopfendem Herzen um. Nur wenige Meter neben ihnen glomm die rote Glut eines vor noch nicht langer Zeit erloschenen Feuers in der Nacht, und er glaubte vage, ein paar langgestreckte Umrisse davor wahrzunehmen. Aber wenn es Dinosauroiden waren, so schliefen sie tief und fest. Wie es schien, hatten sie zumindest im Augenblick das Gl#252;ck gepachtet. Leider schien es nur so.

Hinter ihm verlie#223;en Trautman, Singh und die anderen das Zelt. Als letzter folgte Annies Vater, auch er vollkommen lautlos und auf H#228;nden und F#252;#223;en kriechend

-genauer gesagt, auf einer Hand und den Knien. In der anderen hielt er n#228;mlich noch immer die Lampe. Und sie war noch immer eingeschaltet. Mike hatte das Gef#252;hl, von einer eisigen Hand im Nacken ber#252;hrt zu werden. Der Lichtkegel der Lampe, in der Dunkelheit glei#223;end und grell wie einer der gro#223;en Scheinwerfer der NAUTILUS, strich #252;ber Trautman und Singh, blendete f#252;r einen Moment Mike und ri#223; kurz Astaroths schlichtweg entsetztes Katzengesicht aus der Dunkelheit, ehe Mason endlich begriff, was er tat, und die Lampe hastig ausschaltete. Nat#252;rlich war es zu sp#228;t. Einige der Schatten, die Mike bemerkt hatte, begannen sich tr#228;ge zu regen, und nur eine halbe Sekunde sp#228;ter h#246;rte er nun wirklich das, worauf er mit klopfendem Herzen die ganze Zeit gewartet hatte: einen schrillen, zischelnden Schrei, dessen Bedeutung ihm trotz all seiner Fremdartigkeit sofort klar war. »Los!« br#252;llte Trautman. »Lauft!«

Mike sprang mit einem Ruck auf die F#252;#223;e und st#252;rmte hinter Astaroth her, der vor ihnen im Zickzack durch das Lager scho#223; und ihnen den Weg wies. Die anderen folgten ihm dichtauf. Mike verschwendete keine Zeit damit, zu ihnen zur#252;ckzusehen, aber er h#246;rte sehr wohl, da#223; es nicht nur ihre Schritte waren, die die bisherige Stille des Lagers durchbrachen. Von der Sicherheit ihres Baumes aus beobachtet, hatte das Lager schon gro#223; ausgesehen. Jetzt schien es kein Ende zu nehmen. Astaroth scho#223; nach rechts, links, sprang einmal sogar mit einem gewaltigen Satz #252;ber ein erst halb erloschenes Feuer, und die Zelte flogen nur so an ihnen vor#252;ber, aber so schnell sie auch rannten, schienen sie trotzdem kaum von der Stelle zu kommen. Immer mehr und mehr Schatten erf#252;llten die Nacht, und bald hallte das Flu#223;ufer von den zischelnden Schreien der Echsenwesen wider. Der L#228;rm ihrer Flucht mu#223;te das gesamte Lager geweckt haben. Der einzige Grund, aus dem sie wahrscheinlich nicht schon in den ersten Sekunden eingeholt und #252;berw#228;ltigt wurden, war wohl, da#223; sie auch f#252;r komplette Verwirrung sorgten. Aber fr#252;her oder sp#228;ter, das wu#223;te Mike, w#252;rde ihre Flucht zu Ende sein.

Und als w#228;re das alles noch nicht genug, bemerkte Mike in diesem Moment etwas, was seine Sorge noch vertiefte. Astaroth bewegte sich nicht auf den Rand des Lagers zu, sondern im Gegenteil immer weiter vom Wald weg. Wohin um alles in der Welt brachte sie der Kater? Mike war pl#246;tzlich gar nicht mehr so sicher, da#223; Astaroth wirklich wu#223;te, was er tat. Als er es schlie#223;lich begriff, war es zu sp#228;t. Mit einem Male waren keine Zelte mehr rings um sie herum. Das Lager der Dinosauroiden lag hinter ihnen - aber sie befanden sich nicht im Wald. Nicht einmal wirklich im Freien... Mike versp#252;rte erneut einen eiskalten, l#228;hmenden

Schrecken, als ihm endg#252;ltig klar wurde, welchen Weg aus dem Lager heraus Astaroth gefunden hatte. Der Kater hatte sie direkt in die Triceratops-Herde gef#252;hrt!

Nicht alle Tiere schliefen. Die meisten waren wach und bewegten sich unruhig. Gewaltige, stachelgepanzerte K#246;pfe drehten sich in ihre Richtung, mi#223;trauische Blicke folgten ihnen, und Mike vernahm ein immer lauter werdendes Brummen und Rumoren, als erwache die ganze Herde gleich einem einzigen, gewaltigen Tier aus dem Schlaf. Und irgend etwas sagte ihm, da#223; sie nicht besonders erfreut auf die n#228;chtliche St#246;rung reagieren w#252;rden.

»Um Gottes willen!« keuchte Mason. Nat#252;rlich hatte auch er bemerkt, wo sie sich befanden, und Mike konnte trotz der Dunkelheit sehen, da#223; er leichenbla#223; geworden war. »Was - ?«

»Weiter!« unterbrach ihn Trautman. »Wir m#252;ssen weiter! Schnell!«

Aber Mason r#252;hrte sich nicht; ebensowenig wie seine drei Begleiter. »Das ist doch Wahnsinn!« keuchte er. »Sie werden uns tottrampeln!«

»Das werden sie nicht!« antwortete Trautman. »Aber wenn wir noch lange hier herumstehen, dann kriegen sie uns. « Er wies zur#252;ck auf das Lager, das sich mittlerweile in heller Aufregung befand. Dutzende, wenn nicht Hunderte der Echsenm#228;nner bewegten sich in ihre Richtung, und die Nacht hallte wider von ihren zischelnden Stimmen. Aber Mike fiel auch auf, da#223; sich die Dinoiden l#228;ngst nicht so schnell bewegten, wie sie es gekonnt h#228;tten. Entweder, dachte er, konnten sie in der Nacht nicht besonders gut sehen... oder sie hatten Angst, ihnen in die Herde hinein zu folgen. Er verscheuchte den Gedanken. »Uns geschieht nichts«, sagte er. »Astaroth wei#223;, was er tut. Keine Angst. «

Er wartete ein Sekunde lang darauf, da#223; Astaroths Stimme in seinen Gedanken diese Behauptung best#228;tigte, aber der Kater schwieg. Auch das trug nicht unbedingt dazu bei, Mikes Sorge zu mildern. Trotzdem wandte er sich mit einem Ruck um und ging voran, und tats#228;chlich folgten ihm die anderen, wenn auch z#246;gernd.

Tiefer und tiefer drangen sie in die gewaltige Herde ein. Sie trafen jetzt kaum mehr auf schlafende Tiere. Die allermeisten der geschuppten Giganten, denen sie begegneten, waren wach und verfolgten sie mit mi#223;trauischen Blicken, und zwei oder dreimal wurde auch zornig ein gepanzerter Sch#228;del in ihre Richtung gesch#252;ttelt. Mike konnte die Ver#228;rgerung der Tiere regelrecht sp#252;ren. Sie reagierten aggressiv auf die St#246;rung.

Sie dulden normalerweise keine Fremden in ihrer Mitte, sagte Astaroth unvermittelt. Er hatte wieder einmal Mikes Gedanken gelesen, aber diesmal war Mike fast froh dar#252;ber.

»Aber die Dinosauroiden -«

Betreten die Herde niemals, sagte Astaroth. Sie lenken und besch#252;tzen sie, aber sie gehen niemals hinein. Keine Angst, f#252;gte er hastig hinzu, als er sp#252;rte, wie Mike erschrak. Ich glaube, ich kann sie beruhigen. »Du kannst mit ihnen sprechen?« entfuhr es Mike #252;berrascht.

Nein, antwortete der Kater. Aber irgendwie... sp#252;re ich, was sie f#252;hlen. Und umgekehrt. Es ist kompliziert. Sie f#252;hlen eure Angst.

Mike verstand nicht wirklich, was der Kater damit meinte, aber er hatte das Gef#252;hl, da#223; der letzte Satz ungemein wichtig war. Doch er kam nicht dazu, Astaroth eine entsprechende Frage zu stellen, denn in diesem Moment trat Annies Vater neben ihn und legte ihm die Hand auf die Schulter.

»Sag mal -kannst du etwa wirklich mit diesem Kater sprechen?« fragte er ungl#228;ubig. Er hatte wohl geh#246;rt, was Mike gesagt hatte.

»Ich sagte doch, er sieht nur aus wie ein Kater«, antwortete Mike. »Sprechen ist vielleicht nicht das richtige Wort - aber wir k#246;nnen uns miteinander verst#228;ndigen, das ist richtig, ja. « »Na, dann will ich hoffen, da#223; dein Freund wei#223;, was er tut. «

»Keine Sorge«, versicherte Mike hastig. »Er bringt uns hier heraus. Bestimmt. «

Sie hatten sich mittlerweile so weit vom Flu#223; entfernt, da#223; sie nicht einmal mehr den Feuerschein des Lagers sehen konnten -allerdings auch sonst nichts. Rings um sie herum waren Tausende, vielleicht Zehntausende von gewaltigen, schwarzen Schatten. Mehr als einmal mu#223;ten sie sich unter den riesigen Sch#228;deln hindurchducken, und zwei-oder dreimal war Mike sogar gezwungen, auf H#228;nden und Knien unter dem Leib eines Triceratops hindurchzukriechen, weil es sonst einfach kein Durchkommen mehr gegeben h#228;tte. Er starb innerlich tausend Tode -aber das Unglaubliche geschah: Obwohl eine fl#252;chtige Bewegung der Giganten ausgereicht h#228;tte, sie zu zerquetschen, und obwohl er von Astaroth wu#223;te, da#223; die Tiere ziemlich ver#228;rgert #252;ber ihr Eindringen waren, taten sie ihnen nichts zuleide. Und trotzdem w#228;re es beinahe zur Katastrophe gekommen.

Sie hatten einen winzigen, freien Platz innerhalb der Herde erreicht und blieben einen Moment stehen, um sich zu orientieren, und es war Mason, der um ein Haar ihrer aller Ende herbeigef#252;hrt h#228;tte. Er war unmittelbar neben Mike stehengeblieben, sah sich eine Sekunde suchend um und schaltete schlie#223;lich seine Lampe ein. Der grelle Lichtstrahl huschte #252;ber den Boden, ri#223; schimmernde Reflexe aus den Schuppenpanzern eines Tieres und blieb schlie#223;lich an seinem Gesicht h#228;ngen. Der Triceratops knurrte w#252;tend, warf den Kopf in den Nacken und stie#223; dann ein markersch#252;tterndes Br#252;llen aus. Er blinzelte. Tr#228;nen liefen aus seinen Augen. Mason senkte erstaunt die Lampe, hob sie in der n#228;chsten Sekunde wieder und richtete sie auf ein zweites Tier, und das Ergebnis war noch dramatischer. Der geh#246;rnte Gigant prallte zur#252;ck, als h#228;tte er einen Schlag bekommen, und ri#223; dabei eines der anderen Tiere fast von den F#252;#223;en. Auch seine Augen f#252;llten sich schlagartig mit Tr#228;nen.

»Das Licht!« rief Trautman. »Mason, schalten Sie das Licht aus! Es macht sie rasend!« Mason reagierte sofort. Hastig senkte er die Lampe und schaltete sie in der n#228;chsten Sekunde vollends aus. Trotzdem beruhigten sich die Tiere nur langsam. Sie versuchten vor ihnen zur#252;ckzuweichen, aber es waren so viele, da#223; sie sich dabei gegenseitig behinderten. Das unruhige Grollen und Rumoren nahm zu, und Mike konnte regelrecht sp#252;ren, wie die Aggressivit#228;t der Tiere zunahm. Er h#228;tte es nun nicht mehr gewagt, sich so dicht an ihnen vorbeizudr#228;ngen, wie sie es bisher getan hatten.

Aber das war auch nicht n#246;tig. Vielleicht aus Furcht vor Masons Lampe, vielleicht, um die ungebetenen G#228;ste m#246;glichst schnell loszuwerden, begannen die stacheligen Riesen weiter und weiter vor ihnen zur Seite zu weichen, bis sie schlie#223;lich eine enge, aber deutlich sichtbare Gasse bildeten: eine Bewegung, die in ihrer Bedeutung zu eindeutig war, um noch Zufall sein zu k#246;nnen.

»Unglaublich!« fl#252;sterte Mason. »Als... als ob sie denken k#246;nnten!«

»Vielleicht k#246;nnen sie das«, antwortete Trautman ernst. »Auf jeden Fall sollten wir der Einladung folgen und machen, da#223; wir hier wegkommen. Und lassen Sie um Himmels willen Ihre Lampe aus, Mann! Das Licht scheint ihnen Schmerzen zu bereiten. « Z#246;gernd setzten sie sich in Bewegung. Es war ein unheimliches, fast furchteinfl#246;#223;endes Gef#252;hl, zwischen diesen tonnenschweren Giganten entlangzugehen. Die Reihen der Triceratops teilten sich vor ihnen, um ihnen Platz zu machen, aber Mike sp#252;rte auch, da#223; sich die lebende Mauer hinter ihnen sofort wieder schlo#223;, und zwar auf eine endg#252;ltige Weise. Wohin immer sie dieser Weg auch f#252;hren mochte, es gab kein Zur#252;ck. Nach einer Ewigkeit, wie es Mike vorkam, nahm die Anzahl der Tiere allm#228;hlich wieder ab, und endlich erreichten sie den Rand der Herde.

Und damit war das Ende ihrer Flucht gekommen. Nicht nur Mike begriff schlagartig, warum die Dinosauroiden sie nicht quer durch die Herde verfolgt hatten. Es war gar nicht n#246;tig gewesen. Sie warteten n#228;mlich hier auf sie.

Mike konnte ein entt#228;uschtes St#246;hnen nicht unterdr#252;cken, als er die gut zwanzig, wenn nicht drei#223;ig Dinosauroiden gewahrte, die in einer langen Reihe am Rande der Herde Aufstellung genommen hatten. Einige von ihnen f#252;hrten die kleinen »Hunde«-Saurier mit sich, die schon unten am Flu#223; ihre Spur aufgenommen hatten, und Mike sah auch, da#223; nicht wenige der Echsenwesen mit den kleinen, sonderbar geformten Pistolen bewaffnet waren, die die blauen Blitze verschossen. Sie standen v#246;llig reglos da und starrten sie an, und Mike war auch sicher, da#223; sie schon eine ganze Weile so dastanden und auf sie warteten. Wahrscheinlich, dachte er, haben sie die ganze Zeit auf uns gewartet und sich halb tot gelacht.

Was das Warten angeht, hast du recht, sagte Astaroth. Aber glaub mir, sie finden euch #252;berhaupt nicht komisch. »Das ist das Ende!« sagte Mason. »Verdammt, wenn ich nur eine Waffe h#228;tte!«

»Wozu?« fragte Trautman. »Um alles noch schlimmer zu machen?«

»Ich werde jedenfalls nicht kampflos aufgeben!« sagte Mason. »Noch einmal kriegen sie mich nicht. « Mike sp#252;rte, was er vorhatte, eine halbe Sekunde, ehe Annies Vater die Hand hob, aber seine Reaktion kam zu sp#228;t.

Mason schaltete die Lampe ein und richtete den grellwei#223;en Lichtstrahl direkt auf das Gesicht eines Triceratops, der halb zwischen ihnen und den wartenden Dinosauroiden stand.

Das Ergebnis #252;bertraf seine schlimmsten Erwartungen. Diesmal hatte Mason die Lampe nicht beil#228;ufig auf das Tier gerichtet, sondern regelrecht auf seine empfindlichen Augen gezielt, und das pl#246;tzliche Licht mu#223;te es halb wahnsinnig machen. Es br#252;llte, b#228;umte sich wie ein durchgehendes Pferd auf und fuhr dann herum, um vor dem grausamen Licht zu fliehen, das ihm solche Schmerzen bereitete. Und es floh in die einzige Richtung, die ihm blieb - direkt auf die Dinosauroiden zu!

Mason schrie triumphierend auf, richtete seine Lampe auf einen zweiten Triceratops und blendete auch ihn. Das Tier reagierte wie sein Vorg#228;nger, und noch bevor es ganz herumgefahren und losgest#252;rmt war, schwenkte Mason seine Lampe weiter und richtete sie auf ein drittes, viertes und f#252;nftes Tier, und er h#228;tte vermutlich noch weitergemacht, h#228;tte Mike nicht endlich seinen Schrecken #252;berwunden und ihm kurzerhand die Lampe aus der Hand geschlagen.

Aber das Ergebnis war auch so f#252;rchterlich genug. Nicht nur die Dreih#246;rner, die Mason geblendet hatte, sondern auch noch mindestens zehn, zw#246;lf weitere Tiere waren in Panik geraten und st#252;rmten, einer lebenden, unaufhaltsamen Lawine aus Knochen, Fleisch und Panzerplatten gleich, auf die Dinosauroiden zu. Und sie mochten plump aussehen, aber sie erreichten eine erschreckende Geschwindigkeit. Die Echsenm#228;nner spritzten in panischer Hast auseinander. »Bist du wahnsinnig geworden?« herrschte ihn Mason an. »Was f#228;llt dir ein?« Er wollte sich nach der Lampe b#252;cken, aber Mike war schneller. Hastig hob er sie auf und warf sie Singh zu, der sie geschickt auffing und unter seinem G#252;rtel verschwinden lie#223;. Mason machte einen Schritt in seine Richtung, blieb aber sofort wieder stehen, als er Singhs Blick begegnete.

»Was soll das?« fragte er. »Wir k#246;nnen -« »Ein paar von ihnen umbringen?« fiel ihm Trautman ins Wort. Sein Gesicht hatte sich vor Zorn verd#252;stert. »Langsam kommen mir Zweifel, ob wir Sie wirklich h#228;tten befreien sollen«, sagte er. »Was ist in Sie gefahren, Mann? Wollten Sie eine Panik in der Herde ausl#246;sen?«

»Warum nicht?« fragte Mason trotzig. »Auf diese Weise h#228;tten sie jedenfalls Besseres zu tun, als uns zu jagen. « In Trautmans Augen blitzte es zornig auf. »Also gut«, sagte er mit m#252;hsam beherrschter Stimme. »Wir reden sp#228;ter dar#252;ber. Der Schaden ist einmal angerichtet; sehen wir, da#223; wir das Beste daraus machen. « Und es wurde auch wirklich Zeit, da#223; sie wegkamen. Die Dinosauroiden waren zwar verschwunden, aber die Tiere in ihrer N#228;he wurden immer unruhiger. Der Boden zitterte unter dem w#252;tenden Stampfen und Trampeln der Kolosse, und das Knurren der Tiere klang nun eindeutig drohend. So schnell sie konnten, verlie#223;en sie die Herde endg#252;ltig und wandten sich nach S#252;den. Nat#252;rlich hatten die anderen nicht am Fu#223;e des gro#223;en Baumes auf sie gewartet, sondern kamen ihnen entgegen, lange ehe sie den Waldrand #252;berhaupt erreichten; allen voran Serena, auf deren Gesicht sich bei Mikes Anblick ein Ausdruck von solcher Erleichterung breitmachte, da#223; er f#252;r einen Moment fast die Gefahr verga#223;, in der sie noch immer schwebten. Sie rannte auf ihn zu und breitete im Laufen die Arme aus, wie um ihm um den Hals zu fallen, aber im allerletzten Moment besann sie sich dann doch eines anderen und blieb abrupt stehen. F#252;r eine Sekunde sah sie beinahe verlegen drein, aber da au#223;er Mike niemand etwas davon bemerkt zu haben schien, fing sie sich sofort wieder. »Wie ist es gelaufen?« fragte Ben. »Wo wart ihre so lange, und -«

»Annie!« Mason schrie so laut auf, da#223; man es weithin h#246;ren mu#223;te, und war mit ein paar gewaltigen S#228;tzen bei seiner Tochter und schlo#223; sie in die Arme. »Annie, du lebst! Und du bist gesund!« Er dr#252;ckte sie so heftig an sich, da#223; das M#228;dchen f#252;r einen Moment keine Luft mehr bekam, wirbelte sie ein paarmal im Kreis herum und setzte sie schlie#223;lich lachend zu Boden. »Gott im Himmel sei Dank, du lebst!«

»Wo wart ihr so lange?« fragte Ben noch einmal, und jetzt direkt an Mike gewandt. »Was hatte dieser L#228;rm zu bedeuten? Wir haben schon gedacht, sie h#228;tten euch erwischt. «

»Das h#228;tten sie auch fast«, antwortete Trautman an Mikes Stelle. Er warf Mason einen b#246;sen Blick zu. Die Schiffbr#252;chigen waren allesamt damit besch#228;ftigt, abwechselnd Annie zu umarmen und sich immer wieder aufs neue davon zu #252;berzeugen, da#223; das M#228;dchen tats#228;chlich unverletzt und wohlauf war. Die noch immer bedrohliche Lage, in der sie sich nach wie vor befanden, schienen sie vollkommen vergessen zu haben. „Was ist passiert?« fragte nun auch Serena. »Sp#228;ter. « Trautman sch#252;ttelte den Kopf und ging mit ein paar raschen Schritten zu Annies Familie hin#252;ber. Er r#228;usperte sich ein paarmal, mu#223;te Mason aber schlie#223;lich am Arm ergreifen, um seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. »Ich verstehe, da#223; Sie sich freuen, Ihre Tochter wiederzusehen«, sagte er »Aber wir haben jetzt wirklich keine Zeit daf#252;r. Wirm#252;ssen hier verschwinden. « Mason l#246;ste sich mit sichtlicher #220;berwindung von Annie und richtet sich auf. »Sie haben recht«, sagte er. »Und wohin?«

»Keine Ahnung«, gestand Trautman. »Aber hier k#246;nnen wir nicht bleiben. Sie werden ganz bestimmt bald hier auftauchen. «

»Das beste wird sein, wenn wir uns in den Wald zur#252;ckziehen«, sagte Mason. »Es ist nicht ungef#228;hrlich, aber dort k#246;nnen wir uns zumindest verstecken. Wir sind ihnen auf diese Weise immerhin ein paar Tage lang entkommen. « Er z#246;gerte einen Moment, dann fuhr er in verlegenem Tonfall fort: »Ich habe mich noch gar nicht bei Ihnen bedankt. Gestatten Sie, da#223; ich das nachhole. Ohne Sie w#228;ren wir diesen Ungeheuern niemals

entkommen. Wei#223; der Himmel, was sie uns noch angetan

h#228;tten. «

»Was haben sie Ihnen denn angetan?« fragte Serena. Mason sah die Atlanterin verwirrt, aber auch ein bi#223;chen feindselig an, w#228;hrend Mike Serena in Gedanken beipflichtete.

»Was ist das f#252;r eine Frage?« sagte Mason schlie#223;lich. »Sie haben uns verschleppt, oder nicht? Frag deine Freunde hier -schlie#223;lich haben sie uns befreit. Sie sind #252;ber uns hergefallen -«

»- nachdem Sie als erste auf sie geschossen haben«, fiel ihm Serena ins Wort. Sie deutete auf Annie. »Ich habe mit Ihrer Tochter gesprochen. Sie haben als erste auf sie geschossen. «

F#252;r einen Moment erschien ein Ausdruck von Betroffenheit auf Masons Gesicht, der aber dann sofort in Zorn umschlug. »Wir haben uns nur verteidigt!« behauptete er. »Was h#228;tten wir tun sollen? Sie sind pl#246;tzlich aufgetaucht, und wir mu#223;ten uns wehren! Was verstehst du schon davon?"

»Vielleicht mehr, als Sie jemals begreifen werden«, sagte Trautman.

Mason wandte sich mit einem Ruck zu ihm herum, aber in diesem Moment erklang Astaroths Stimme wieder in Mikes Kopf: Streitet euch ruhig weiter, sagte er. Ich sch#228;tze, ihr habt noch zwei Minuten, bis sie hier sind. »Sie kommen«, sagte Mike -und das reichte, um den aufkeimenden Streit auf der Stelle zu beenden. Ohne ein

weiteres Wort drangen sie in den Dschungel ein.

W#228;hrend der ersten halben Stunde kamen sie #252;berraschend gut voran. Sie folgten der Spur, die die Herde in den Wald geschlagen hatte, so da#223; sie trotz der fast vollkommenen Dunkelheit, die unter dem Bl#228;tterdach des Dschungels herrschte, ein rasches Tempo einschlagen konnten. Astaroth bildete jetzt nicht mehr die Vorhut, sondern lief ein St#252;ck hinter ihnen her, um sie rechtzeitig vor irgendwelchen Verfolgern warnen zu k#246;nnen. Der Himmel #252;ber dem Dschungel begann sich allm#228;hlich grau zu f#228;rben, als sie das Ende der Spur erreichten -genauer gesagt, einen Punkt, an dem sie in nahezu rechtem Winkel nach Westen abknickte, so da#223; sie stehenblieben und einen Moment dar#252;ber diskutierten, was sie tun sollten. Wenn sie der Spur weiter folgten, konnten sie zweifellos ihr Tempo halten, vielleicht sogar noch ein wenig steigern, jetzt, wo es bald hell wurde. Aber sie w#252;rden sich dann auch wieder von der K#252;ste entfernen und somit von ihrer einzigen Chance, diese Insel jemals wieder zu verlassen. Schlie#223;lich entschieden sie sich, das Risiko einzugehen und weiter nach S#252;den zu marschieren, auch wenn sie in dem dichten Unterholz viel langsamer vorankamen und zudem die Gefahr bestand, auf r#228;uberische Bewohner dieses Dschungels zu sto#223;en. Zumindest waren sie nicht mehr ganz wehrlos. Die Dinosauroiden hatten Mason und die anderen zwar entwaffnet, aber Mason hatte noch eine Anzahl loser Patronen in der Jackentasche gehabt, die sie entweder #252;bersehen oder nicht als das erkannt hatten, was sie darstellten. Trautman hatte das Gewehr damit geladen und es - zu Masons sichtlicher Entt#228;uschung -an Singh weitergegeben, der von ihnen allen vermutlich am besten mit einer Waffe umzugehen verstand. Mason hatte nichts dazu gesagt, aber Mike ahnte, da#223; die gro#223;e Auseinandersetzung zwischen ihm und Trautman noch bevorstand. Jetzt war es die gemeinsame Gefahr, die sie zusammenschmiedete, aber sobald sie in Sicherheit waren, w#252;rden sie Probleme mit Mason bekommen, da war er sicher. Mike hatte die Frage, wie um alles in der Welt sie die Eiswand hinunter und an Bord der in f#252;nfhundert Meter Entfernung wartenden NAUTILUS gelangen sollten, zwar bisher angstvoll vermieden, aber er wu#223;te auch, da#223; das ihre einzige Chance war. Selbst wenn sie den Dinosauroiden irgendwie entkommen sollten

- was logisch betrachtet so gut wie unm#246;glich war -, w#228;ren sie in dieser unheimlichen, urzeitlichen Welt gefangen. Aber dann ging die Sonne auf, und was sie im ersten hellen Licht des Tages sahen, das machtealle #220;berlegungen Mikes hinf#228;llig.

Sie hatten den Waldrand erreicht. Vor ihnen erstreckte sich eine weite, grasgewachsene Ebene, die auf einer Strecke von zwei- oder dreihundert Metern sanft anstieg und schlie#223;lich in einen Wald aus kahlen, versteinerten B#228;umen #252;berging, der sich wie ein #252;bergro#223;er Stacheldrahtverhau in beiden Richtungen erstreckte, so weit der Blick nur reichte.

»Aber das ist doch... v#246;llig unm#246;glich!« murmelte Mike.

»Das kann doch gar nicht sein!« »Was kann nicht sein?« Mason, der ebenso wie Mike und alle anderen #252;berrascht stehengeblieben war, deutete auf den toten Wald. »Wir sind durch diesen Wald hierhergekommen. «

»Wir auch«, best#228;tigte Mike. »Aber wir k#246;nnen ihn noch gar nicht erreicht haben. Wir waren h#246;chstens zwei Stunden unterwegs, und -« »Noch nicht einmal eine«, sagte Trautman. Auch er blickte den Wald am anderen Ende der Ebene ebenso fassungslos und verbl#252;fft an wie Mike. »Und vorgestern sind wir stundenlang marschiert. Irgend etwas stimmt hier nicht. «

»Mit dieser ganzen Insel stimmt etwas nicht, wenn Sie mich fragen«, sagte Mason. »Aber das wird nicht besser, wenn wir hier herumstehen. Hinter diesem Wald liegt die K#252;ste. Worauf warten wir?« »Sie werden erfrieren«, sagte Trautman. »Haben Sie vergessen, wie kalt es dort dr#252;ben ist?« »Immer noch besser, als aufgefressen zu werden«, antwortete Mason, »oder von diesen Ungeheuern umgebracht. Gehen wir!«

Niemand antwortete, und schlie#223;lich setzte sich Ben als erster -wenn auch sehr z#246;gernd -in Bewegung. Die anderen folgten seinem Beispiel, aber Mike las in ihren Gesichtern, da#223; sie sich ebensowenig wohl dabei f#252;hlten wie er selbst oder gar Serena. Auch er sp#252;rte immer deutlicher, da#223; hier irgend etwas nicht so war, wie es sein sollte. Sie h#228;tten nicht hier sein d#252;rfen. Sie waren Meilen um Meilen in diesen Dschungel eingedrungen und h#228;tten den ganzen Tag brauchen m#252;ssen, um den R#252;ckweg zu finden, vielleicht sogar mehr. Und das war es nicht allein. Es war... Er erkannte das Gef#252;hl wieder, einen winzigen Moment, bevor der Nebel aufkam. Es war das gleiche, mit Worten kaum zu beschreibende Gef#252;hl, das er an der K#252;ste gehabt hatte, als sie das erste Mal in den Nebel eindrangen, ein Gef#252;hl, als #252;berschritten sie eine unsichtbare Grenze, hinter der alles anders war. Abrupt blieb er stehen, und fast im gleichen Moment hielten auch alle anderen an.

Zwischen den toten B#228;umen #252;ber ihnen begann grauer Nebel zu wallen. Ein k#252;hler, feuchter Hauch wehte zu ihnen her#252;ber, und das Gef#252;hl der Unwirklichkeit wurde so intensiv, da#223; Mike schauderte. »Der Nebel!« fl#252;sterte Juan. »Das... das ist der gleiche Nebel, durch den wir gekommen sind. Das mu#223; der R#252;ckweg sein. Wir haben es geschafft! Wir -« Er brach mit einem Schrei ab, und auch Mike fuhr zusammen und hob erschrocken die H#228;nde. Zwischen den B#228;umen traten Gestalten hervor, gro#223;e, mit glitzernden Schuppen bedeckte Gestalten mit #252;bergro#223;en Augen und langen, schlanken Gliedern. Mike entdeckte sieben, acht, zehn der zweit Meter gro#223;en Echsenm#228;nner, ehe er es aufgab, sie zu z#228;hlen, und mit einem raschen Schritt zu den anderen zur#252;ckwich, die sich instinktiv zu einer engen Gruppe zusammengefunden hatten. Ohne da#223; er selbst sich der Bewegung bewu#223;t gewesen w#228;re, stellte er sich sch#252;tzend vor Serena. Singh hatte das Gewehr von der Schulter genommen und entsichert, aber er richtete die Waffe nicht auf die Dinosauroiden.

»Worauf warten Sie, Mann?« herrschte ihn Mason an. Er hatte seine Tochter hinter sich geschoben, aber Annie fuhr pl#246;tzlich herum und rannte zu Serena, um sich hinter ihr zu verbergen. »Schie#223;en Sie endlich!« »Um Gottes willen, Singh -nicht!« keuchte Trautman. »Eine falsche Bewegung, und wir sind tot!« Sein Blick huschte #252;ber die Reihe der reglos dastehenden Echsenm#228;nner, und Mike konnte regelrecht sehen, wie sich die Gedanken hinter seiner Stirn #252;berschlugen. Es waren mehr als ein Dutzend der hochgewachsenen, schuppigen Gestalten, denen sie gegen#252;berstanden. Selbst wenn sie genug Munition und mehr als nur ein Gewehr gehabt h#228;tten, h#228;tten sie wahrscheinlich keine Chance gehabt, einen Kampf mit ihnen zu bestehen. Aber Singh hatte auch gar nicht auf Masons Worte reagiert. Ganz im Gegenteil: Er senkte die Waffe noch weiter und richtete den Gewehrlauf nun ganz auf den Boden. Mike betete, da#223; die Dinosauroiden die Bedeutung dieser Geste verstanden.

»Verdammt, worauf warten Sie?« fragte Mason w#252;tend. »Wir m#252;ssen etwas tun!«

»Ja«, sagte Ben ruhig. »Vielleicht drehen Sie sich einmal um, Sie Schlaukopf. Die Kavallerie ist da. « Mason starrte ihn eine halbe Sekunde lang verst#228;ndnislos an, drehte sich dann wieder zum Wald herum und keuchte vor Schrecken. Seine Augen wurden gro#223;. Jedes bi#223;chen Farbe wich schlagartig aus seinem Gesicht.

Auch der Waldrand war nicht mehr leer. Das Geb#252;sch hatte sich geteilt, und was daraus hervorgetreten war, das war das ungeheuerlichste Gesch#246;pf, das Mike jemals zu Gesicht bekommen hatte. Es glich in etwa dem Allosaurier, aber es war viel gr#246;#223;er -Mike sch#228;tzte sein Gewicht auf mindestens zehn Tonnen und seine L#228;nge vom Kopf bis zur Schwanzspitze auf gute f#252;nfzehn Meter, wenn nicht noch mehr. Der Kopf, der wie der des Allosauriers #252;berproportional gro#223; und mit einem f#252;rchterlichen Gebi#223; ausgestattet war, hatte die Abmessung eines kleinen Bootes, und was Mike in den faustgro#223;en, dunklen Augen las, die aus mehr als sechs Metern H#246;he auf ihn herabblickten, das war ein Ausdruck von solcher Wildheit und Wut, da#223; er innerlich zusammenfuhr. Und obwohl es keinen Menschen auf der Welt gab, der ein Gesch#246;pf wie dieses jemals lebend zu Gesicht bekommen hatte, gab es wohl auch kaum jemanden, der es nicht sofort erkannt h#228;tte...

»Das... das ist ein Tyrannosaurus rex!« fl#252;sterte Chris. Allein bei dem Gedanken str#228;ubten sich Mike s#228;mtliche Haare, aber Chris' Stimme klang viel mehr bewundernd als erschrocken.

»Nein«, sagte Ben ruhig. »Das sind ein Dutzend Tyrannosaurier. «

Neben dem ersten Riesensaurier erschien ein zweiter, dritter, vierter... es mu#223;ten in Wahrheit weit mehr als ein Dutzend der gigantischen Tiere sein, die mit einer unheimlichen Lautlosigkeit hinter ihnen aus dem Dschungel hervortraten - und im Nacken jedes einzelnen dieser Kolosse sa#223; ein Dinosauroide. Und pl#246;tzlich begriff Mike, wie naiv ihre Hoffnung gewesen war, diesen Gesch#246;pfen tats#228;chlich entkommen zu k#246;nnen. Wahrscheinlich waren sie die ganze Zeit #252;ber hinter ihnen gewesen. So, wie sie sie von der ersten Minute seit ihrer Ankunft in diesem Land jenseits der Zeit beobachtet hatten. Und ganz pl#246;tzlich, ohne da#223; er einen Grund f#252;r dieses Wissen h#228;tte nennen k#246;nnen, aber auch ohne da#223; es nur den mindesten Zweifel daran gegeben h#228;tte, wu#223;te er noch etwas: Nichts war Zufall gewesen. Weder sein Zusammentreffen mit dem Allosaurier noch ihr Abenteuer mit den Raptoren, ja, nicht einmal ihre Flucht aus dem Lager. Sie waren gepr#252;ft worden. Und sie hatten diese Pr#252;fung nicht bestanden. »Das ist das Ende«, murmelte Mason. »Sie werden uns umbringen!«

»Nein!« Serena schrie pl#246;tzlich gellend auf und wirbelte auf der Stelle herum. »Sie wollen nur mich! Lauft! Bringt euch in Sicherheit! Ich halte sie auf!« Und damit rannte sie los und st#252;rmte den Dinosauroiden entgegen.

»Serena! Nein!« schrie Mike. Ohne nachzudenken, lief er hinter Serena her, aber obwohl er rannte, so schnell er nur konnte, holte er sie erst ein, als sie die Tyrannosaurier fast erreicht hatte. Mit einem Ruck ri#223; er sie an der Schulter zur#252;ck, aber er hatte seine eigene Kraft untersch#228;tzt: Die Bewegung brachte sie beide aus dem Gleichgewicht. Sie st#252;rzten. Mike sah einen riesigen, geschuppten Umri#223; aus den Augenwinkeln und warf sich instinktiv sch#252;tzend #252;ber Serena. Aneinander geklammert prallten sie gegen einen Fu#223;, der ein gutes St#252;ck l#228;nger war als Mike, und blieben benommen liegen. Z#246;gernd und mit jagendem Herzen hob Mike den Kopf. Das erste, was er sah, war eine Kralle, die unmittelbar vor seinem Gesicht aufragte und l#228;nger war als seine Hand, dann wanderte sein Blick an dem dazugeh#246;rigen Bein nach oben und blieb schlie#223;lich an einem ausdruckslosen Echsengesicht h#228;ngen. Irgend etwas daran kam ihm bekannt vor, aber er sagte sich selbst, da#223; das unm#246;glich war. F#252;r menschliche Augen sah ein Dinosauroide aus wie der andere.

Die Zeit schien stehenzubleiben. Mike sah aus den Augenwinkeln, wie Singh und auch Trautman versuchten, ihnen zu folgen, aber pl#246;tzlich l#246;ste sich einer der gigantischen Raubsaurier von seinem Platz am Waldrand und war mit nur zwei gewaltigen Schritten zwischen ihnen und Mike und Serena. Mike bemerkte es gar nicht richtig. Sein Blick war wie hypnotisiert auf das geschuppte Echsengesicht des Dinosauroiden #252;ber ihnen gerichtet. Er war unf#228;hig, einen klaren Gedanken zu fassen, ja, er konnte nicht einmal wirklich Furcht empfinden. Etwas im Blick dieser gro#223;en, nur scheinbar starren Reptilienaugen l#228;hmte ihn. Schlie#223;lich, nach Sekunden, die sich zu hundert Ewigkeiten gedehnt hatten, glitt der Echsenmann von seinem Platz im Nacken des riesigen Sauriers herunter, sprang dicht neben Mike und Serena zu Boden und streckte die Hand aus. Mike beobachtete vollkommen fassungslos, wie Serena ohne die mindeste Furcht danach griff und sich von dem fremdartigen Gesch#246;pf auf die F#252;#223;e helfen lie#223;.

Dann war er an der Reihe. Ein unheimliches, nie gekanntes Gef#252;hl durchstr#246;mte ihn, als er die kalte Schuppenhaut des Wesens ber#252;hrte. Von dem riesenhaften Gesch#246;pf ging eine Ruhe und ein Gef#252;hl derGeborgenheit aus, das in krassem Widerspruch zu seinem #196;u#223;eren stand. Er hatte keine Angst. Er wu#223;te pl#246;tzlich, da#223; es nicht den allermindesten Grund gab, Angst vor diesen Wesen zu empfinden. Ganz ruhig stand er auf und trat einen Schritt zur#252;ck und an Serenas Seite. Keiner von ihnen sprach. Dies war nicht der Moment f#252;r Worte.

Jetzt verging wirklich eine geraume Weile, in der sie nur dastanden und den Dinosauroiden ansahen, der ihren Blick ruhig erwiderte. Und w#228;hrend er das tat, ver#228;nderte sich abermals etwas in Mike. Schon einmal hatte er gesp#252;rt, wie falsch der Eindruck war, den sie alle von dieser Welt gehabt hatten, aber nun sp#252;rte er es nicht nur, nun wu#223;te er es. Der scheinbare Ausdruck von Fremdartigkeit, von Feindschaft, den er bisher in den Augen der Echsenm#228;nner zu sehen geglaubt hatte, war das Gegenteil

-er stand einem Wesen gegen#252;ber, das unglaublich alt war, auf eine Art und Weise, die sich dem menschlichen Begreifen entzog. Er blickte in die Augen eines Gesch#246;pfes, das in vollkommenem Einklang mit sich und der Natur lebte, einer denkenden Kreatur, deren Volk sechzigmal so lange wie die Menschen Zeit gehabt hatte, seinen Platz im gro#223;en Plan der Natur zu finden. Da#223; es auf dieser Insel kein Zeichen von Technik oder irgendeiner der Menschen vergleichbaren Kultur gab, war kein Zeichen von R#252;ckst#228;ndigkeit, sondern einer tiefen Bescheidenheit, die Teil der Natur der Dinosauroiden sein mu#223;te - vielleicht hatten diese Wesen irgendwann einmal, vor undenklichen Zeiten, den gleichen Weg beschriften wie die Menschen, aber wenn, dann hatten sie schon vor fast ebensolanger Zeit begriffen, da#223; er falsch war. Sie brauchten diese Wesen nicht zu f#252;rchten. Die Dinosauroiden wu#223;ten nicht einmal, was das Wort Feindschaft bedeutete. Ein zweiter Echsenmann gesellte sich zu ihnen. Auch er kam Mike auf sonderbare Weise bekannt vor und dann sah er, da#223; er ganz leicht humpelte, und wu#223;te, woher er diese beiden kannte. Es waren die Dinosauroiden, die Ben und er vor dem Allosaurier gerettet hatten jedenfalls hatte er geglaubt, dies zu tun. Der neu hinzugekommene Echsenmann hielt das Gewehr in den H#228;nden, das Singh bisher getragen hatte. Einen Moment lang blieb er reglos stehen, sah erst Mike, dann Serena durchdringend an -und dann zerbrach er die Waffe ohne die mindeste sichtbare Anstrengung in zwei H#228;lften, die er fallen lie#223;.

Mike l#228;chelte. Vielleicht w#252;rden sie niemals mit diesen Wesen sprechen k#246;nnen, aber es gab Gesten, die wohl #252;berall im Universum und bei allen denkenden Kreaturen verstanden wurden, und das, was der Dinosauroide getan hatte, geh#246;rte dazu.

»Ich... ich glaube, ich habe euch verstanden«, sagte Mike. Und der Dinosauroide schien wohl auch ihn zu verstehen, denn obwohl sein Gesicht nicht in der Lage dazu war, schienen seine Augen doch f#252;r einen Moment so etwas wie ein L#228;cheln auszudr#252;cken. Dann drehte er sich herum und ging zu seinem bizarren Reittier zur#252;ck, und auch der zweite Echsenmann stieg wieder auf den R#252;cken seines Riesensauriers hinauf. Und ebenso lautlos, wie sie erschienen waren, wandten sich die geschuppten Kolosse um und verschwanden wieder im Wald.

Mike stand noch lange da und sah ihnen nach, und selbst, als Serena ihn schlie#223;lich an der Schulter ber#252;hrte, fiel es ihm schwer, in die Wirklichkeit zur#252;ckzukehren. Er war pl#246;tzlich nicht mehr sicher, da#223; es so etwas wie eine absolute Wirklichkeit #252;berhaupt gab.

»Warum... warum hast du das getan?« fragte Serena. Sie wirkte sehr verst#246;rt.

»Was?« fragte Mike.

»Du bist mir nachgekommen, obwohl... obwohl du glauben mu#223;test, da#223; es dein Tod ist«, antwortete Serena. »Warum hast du das getan?« Mike h#228;tte antworten k#246;nnen, da#223; er einfach Angst um sie gehabt hatte, und das w#228;re die Wahrheit gewesen, und er h#228;tte auch antworten k#246;nnen, da#223; er eigentlich gar nicht nachgedacht hatte, sondern einfach blindlings losgest#252;rmt war, und auch das w#228;re die Wahrheit gewesen, aber statt dessen sagte er: »Weil du dich geirrt hast, Serena. Ebenso wie deine Vorfahren. « »Geirrt? Wieso?«

»Ihr habt geglaubt, da#223; sie uns Menschen hassen, weil wir alles sind, was sie jemals h#228;tten werden k#246;nnen?«

Mike sch#252;ttelte l#228;chelnd den Kopf. »Es ist genau anders herum, Serena. Ich glaube, ich kenne jetzt das Geheimnis dieser Insel. Sie sind alles, was wir vielleicht irgendwann einmal werden k#246;nnen. Sie hassen uns nicht, Serena. Sie wissen nicht einmal, was dieses Wort bedeutet. « »Das verstehe ich nicht«, murmelte Serena. Mike lachte. »Irgendwann wirst du es verstehen«, sagte er.

Und damit legte er Serena den Arm um die Schultern, drehte sich herum, und sie gingen langsam zu den anderen zur#252;ck. Hinter ihnen begann der Nebel dichter zu werden, der sie zur#252;ck zur NAUTILUS und in ihre Welt bringen w#252;rde, von der er nun wu#223;te, da#223; sie nicht die einzig wirkliche, sondern vielleicht nur eine von zahllosen anderen war. Und vielleicht nicht einmal die beste.