"Das Meeresfeuer" - читать интересную книгу автора (Хольбайн Вольфганг)WOLFGANG HOHLBEIN KAPIT#196;N NEMOS KINDER DAS MEERESFEUER UEBERREUTER Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufhahme Hohlbein, Wolfgang: Kapit#228;n Nemos Kinder / Wolfgang Hohlbein. - Wien: Ueberreuter Das Meeresfeuer. –1995 ISBN 3-8000-2412-8 J 2214/1 Alle Rechte vorbehalten Umschlagillustration von Doris Eisenburger Copyright (C) 1995 by Verlag Carl Ueberreuter Printed in Germany 1357642 Thema Science Fiction und Phantasie. Au#223;erdem erhielt dieser Titel 1983 den »Phantasie-Preis der Stadt Wetzlar« und den »Preis der Leseratten«. In der Reihe »Kapit#228;n Nemos Kinder« bisher erschienen: Die Vergessene Insel Das M#228;dchen von Atlantis Die Herren der Tiefe Im Tal der Giganten Das Meeresfeuer Die Schwarze Bruderschaft Weitere B#228;nde in Vorbereitung. Nur unter gr#246;#223;ten Vorsichtsma#223;nahmen gehen Mike, Serena und Trautman an Land. Trotzdem werden sie von Kapit#228;n Winterfeld erkannt und verfolgt. Der Kapit#228;n hat einen ungeheuerlichen Plan. Er will einen Vulkan auf dem Meeresboden sprengen – eine Klimakatastrophe f#252;r die ganze Welt. Daf#252;r braucht er die Nautilus, das ber#252;hmte Unterseeboot, auf dem Mike und seine Freunde unterwegs sind. Wieder einmal geraten sie in die Gefangenschaft des Kapit#228;ns. Sie wissen: Wenn Winterfeld den Vulkan sprengt, dann werden auch die Menschen an Bord des Schiffes sterben. Wie k#246;nnen sie das verhindern? Erst in letzter Minute scheint Rettung m#246;glich, auch diesmal ist der Kater Astaroth eine gro#223;e Hilfe. Es war Nacht, aber der Hafen und ein Teil der dahinterliegenden Stadt war trotzdem taghell erleuchtet. Der Himmel loderte hell im Widerschein der zahllosen Br#228;nde, die an tausend Stellen zugleich aufgeflammt zu sein schienen, und immer wieder zerrissen grelle Explosionen das Bild; turmhohe Feuers#228;ulen, die pl#246;tzlich gleich j#228;h ausbrechenden Vulkanen aus dem Boden schossen, Tr#252;mmer und Flammen und schwarzen Qualm in den Himmel schleuderten und die Erde zum Erbeben brachten. Die H#228;user und Lagerschuppen, die sich an der Hafenmauer reihten, waren l#228;ngst zu schwarzen Ruinen verkohlt, und auf dem Wasser triebbrennendes #214;l, dessen Flammen an den geschw#228;rzten R#252;mpfen des Schiffswracks leckten, die die Kaimauer s#228;umten. Niemand versuchte mehr, die Br#228;nde zu l#246;schen. Wer das Chaos #252;berlebt hatte, hatte sein Heil in der Flucht gesucht, so da#223; sich das Feuer ungehindert ausbreiten konnte. Vor der s#252;dlichen Hafenausfahrt trieb der ausgegl#252;hte Rumpf eines Zerst#246;rers, des einzigen Kriegsschiffes, das der Stadt Schutz versprochen hatte. Es hatte dieses Versprechen nicht halten k#246;nnen. Der Angriff war zu pl#246;tzlich erfolgt, und selbst wenn der Tod nicht so warnungslos zugeschlagen h#228;tte, h#228;tte das kleine Schiff kaum eine Chance gegen den grauen Stahlgiganten gehabt, der j#228;h aus der Nacht aufgetaucht war und Tod und Feuer auf die Stadt und ihre Verteidiger schleuderte. Es war Mike unm#246;glich, den Blick von dem furchtbaren Bild zu wenden. Wie alle anderen Besatzungsmitglieder der NAUTILUS stand er seit Minuten vollkommen reglos da und verfolgte voll gebanntem Entsetzen die schrecklichen Szenen, die sich auf dem runden Glasschirm vor ihnen abspielten. Das Bild war farbig, aber vollkommen lautlos, was das Geschehen noch erschreckender zu machen schien. »Kein Zweifel«, sagte Trautman. Seine Stimme klang flach und irgendwie fremd in Mikes Ohren. »Das ist die LEOPOLD. Sie haben den Namen #252;bermalt und die Nationalit#228;tskennzeichen entfernt, aber ich erkenne sie wieder. « Er schlo#223; die Augen, atmete schwer ein und wandte sich dann mit einer sehr m#252;de wirkenden Bewegung an Serena. »Bitte schalte es ab. « Die Atlanterin gehorchte schweigend. Ihre Hand ber#252;hrte eine Taste neben dem gl#228;sernen Rechteck, auf dem sich der lautlose Weltuntergang abspielte, und der Schirm wurde grau. Auch Serena war sehr bla#223;. Der Schrecken, mit dem sie das gerade Beobachtete erf#252;llte, war ihr deutlich anzusehen. »Unglaublich!« murmelte Ben. Er deutete auf die Glasfl#228;che. »Dieser Apparat ist... vollkommen unvorstellbar. Und diese Bilder sind wirklich echt. Es passiert wirklich? Kein Trick?« »Es »Aber wie kann man etwas sehen, was an einem anderen Ort –« fuhr Ben fort, aber Trautman unterbrach ihn sofort und in so scharfem Ton, da#223; Ben zusammenfuhr: »Das ist jetzt »Das sind alle Bilder, die ich euch zeigen kann«, antwortete Serena. »Drei Tage sp#228;ter hat ein Schiff, das genauso aussieht wie das, das wir gerade gesehen haben, einen franz#246;sischen Frachter vor der K#252;ste von Schottland versenkt. Und gestern wurde der SOS-Ruf eines deutschen Zerst#246;rers aufgefangen, der von einem unbekannten Angreifer berichtete. « Sie zuckte mit den Schultern, drehte sich wieder zu dem Instrumentenpult herum und begann mit den Fingerspitzen #252;ber die Glasscheibe zu fahren, die ihnen gerade diese furchtbaren Bilder gezeigt hatte. »Wahrscheinlich ist das noch lange nicht alles, aber imMoment herrscht im #196;ther ein solches Chaos, da#223; man nicht genau sagen kann, wer gerade wen vernichtet. « Sie warf Mike einen Blick zu. »Und ihr glaubt, Mike zog es vor, nichts dazu zu sagen, aber Ben antwortete in einem Ton, als m#252;sse er sich verteidigen: »Was erwartest du? Es herrscht Krieg. Ich finde das auch nicht gut, aber –« »Ben!« Trautman unterbrach das Gespr#228;ch mit einer befehlenden Handbewegung. »Das reicht!« Ben funkelte ihn herausfordernd an, aber Trautman schien nicht geneigt, sich auf eines der zwischen ihnen beinahe schon #252;blichen Wortduelle einzulassen. Er bedachte den jungen Engl#228;nder nur mit einem letzten, strafenden Blick und wandte sich dann wieder an Serena. »Kannst du mir die Punkte auf der Karte zeigen, an denen die LEOPOLD gesichtet wurde?« »Ich denke schon... «, antwortete Serena z#246;gernd, »... wenigstens ungef#228;hr. « W#228;hrend die beiden zu dem gro#223;en Tisch unter dem Fenster gingen, auf dem sich ein unglaubliches Sammelsurium von Seekarten, nautischen Tabellen, Atlanten und B#252;chern stapelte, trat Ben wieder anden Apparat heran, der ihnen gerade die schrecklichen Bilder vom #220;berfall der LEOPOLD auf die Hafenstadt gezeigt hatte. Mike fiel ein, da#223; sie nicht einmal wu#223;ten, um welche Stadt es sich handelte; geschweige denn, um welches Land. In dem kurzen Moment, in dem der Zerst#246;rer im Bild gewesen war, bevor ihn die erste Breitseite der LEOPOLD traf und in ein flammenspeiendes Wrack verwandelte, hatte er geglaubt, die Insignien der deutschen Kriegsmarine zu erkennen. Aber ganz sicher war er nicht. Wahrscheinlich hatte er sich get#228;uscht – Winterfeld mochte ein Pirat und Meuterer sein, aber er war trotzdem ein »Unglaublich. Das... das ist das Phantastischste, was ich jemals gesehen habe!« Bens Stimme ri#223; Mike f#252;r einen Moment aus seinen Gedanken. Er hatte ein bi#223;chen M#252;he, seinen Worten zu folgen, und man mu#223;te das seinem Gesicht wohl ziemlich deutlich ansehen, denn Ben deutete heftig gestikulierend auf den Bildapparat und fuhr in aufgeregtem Ton fort: »Das Ding da meine ich. So etwas... h#228;tte ich nicht f#252;rm#246;glich gehalten! Ich frage mich, was f#252;r #220;berraschungen dieses Schiff noch f#252;r uns bereith#228;lt!« Mike zuckte nur mit den Schultern. Er war von dem, was sie gerade gesehen hatten, noch immer zutiefst ersch#252;ttert, und es irritierte ihn ein wenig, da#223; Ben sich so gar nicht davon beeindruckt zeigte, sondern vielmehr wieder seiner Begeisterung f#252;r die technischen Ger#228;tschaften der NAUTILUS fr#246;nte. Aber irgendwie konnte er ihn auch verstehen. Es war jetzt etwa anderthalb Jahre her, da#223; sie auf einer einsamen, auf keiner Karte verzeichneten Insel auf die legend#228;re NAUTILUS gesto#223;en waren, die leibhaftige, echte NAUTILUS, das Schiff des sagenumwobenen Kapit#228;n Nemo, von dem sogar Mike bis zu diesem Zeitpunkt annahm, da#223; er gar nicht wirklich existiert hatte, sondern nur eine Sagengestalt war. Aber Kapit#228;n Nemo war keine Sagengestalt. Kapit#228;n Nemo – der eigentlich Prinz Dakkar hie#223; und ein indischer Edelmann gewesen war – war niemand anderer als Mikes Vater. Er hatte seinen Sohn unter einem falschen Namen und dem Schutz einer falschen Identit#228;t in einem vornehmen Londoner Internat untergebracht, um ihn vor den Nachstellungen seiner Feinde zu sch#252;tzen, und diese Tarnung hatte auch gute zehn Jahr lang gehalten. Nicht einmal Mike selbst hatte gewu#223;t, wer er wirklich war, bis zu jenem schicksalhaften Tag im Dezember 1913, an dem er und f#252;nf seiner Freunde von niemand anderem als dem Kapit#228;n desselben Schiffes, das gerade vor ihren Augen eine ganze Stadt vernichtet hatte, entf#252;hrt worden waren. Winterfeld hatte ihn nicht nur #252;ber seine Identit#228;t aufgekl#228;rt, sondern ihm auch mehr oder weniger freiwillig den Weg zum Versteck der NAUTILUS gewiesen. Es war sein Plan gewesen, sich die NAUTILUS anzueignen. Der Plan war fehlgeschlagen – Mike, sein indischer Leibw#228;chter und Diener Gundha Singh und seine Freunde waren zusammen mit der NAUTILUS entkommen, begleitet von Trautman, dem letzten #252;berlebenden Besatzungsmitglied der NAUTILUS. Das alles lag jetzt mehr als ein Jahr zur#252;ck. Seither war kaum ein Tag vergangen – vor allem nicht, seit Serena, die atlantischePrinzessin und Letzte ihres Volkes, an Bord gekommen war –, an dem sie nicht eine neue #220;berraschung erlebten, auf ein neues Wunder stie#223;en, mit dem dieses unglaubliche Schiff aufzuwarten hatte. Das Schiff war viel mehr als nur ein phantastisches Unterseeboot. Es war das Verm#228;chtnis der Atlanter, das Nonplusultra ihrer Technik, die der der Menschen des beginnenden zwanzigsten Jahrhunderts um Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte voraus gewesen sein mu#223;te. Und trotzdem hatte er manchmal das Gef#252;hl, da#223; sie in Wahrheit noch nicht einmal richtig angefangen hatten, seine Geheimnisse zu entr#228;tseln. »Vor allem m#246;chte ich wissen, warum sie erst jetzt damit herausr#252;ckt!« fuhr Ben fort, als er endlich einsah, da#223; er von Mike wohl keine Antwort bekommen w#252;rde. »Stell dir nur vor: Man kann Dinge betrachten, die sich an einem anderen Ort abspielen, vielleicht in der n#228;chsten Stadt oder sogar am anderen Ende der Welt. Wei#223;t du, was diese Erfindung f#252;r die Welt bedeuten w#252;rde? Wei#223;t du, was sie f#252;r jeden zu haben. « »Du bist ja verr#252;ckt«, sagte Chris, der j#252;ngste der vier Jungen, die neben Singh, Trautman und Serena zur Besatzung der NAUTILUS geh#246;rten. Aber Ben war nicht mehr zu bremsen. Seine eigene Idee gefiel ihm viel zu gut. »Aber es geht noch weiter!« sagte er begeistert. »Man k#246;nnte Geld damit verdienen! Millionen, sage ich euch! Die Leute w#252;rden daf#252;r »Aber sicher!« Ben nickte heftig. »In jeder Zeitung sind Annoncen, oder? #220;berleg doch – du stellst zum Beispiel Fahrr#228;der her oder Seife. Statt eine Anzeige, in der du daf#252;r wirbst, in der Zeitung drucken zu lassen, zeigst du deine Fahrr#228;der oder deine Seife jedem und preist sie an. Millionen von Menschen auf der ganzen Welt k#246;nnten sie dann bei dir direkt bestellen!« »Und daf#252;r sollen sie dann auch noch bezahlen?« fragte Juan grinsend. Ben sch#252;ttelte heftig den Kopf. »Das w#252;rden die tun, die die Anzeigen aufgeben. Das ist #252;berhaupt die Idee! Man k#246;nnte einen Film bringen und zwischendurch vielleicht zwei oder drei Pausen, in denen dann Werbung gemacht werden kann! Wir m#252;ssen dieses Ger#228;t haben! Wir werden reich, sage ich euch!« »Jetzt ist er v#246;llig #252;bergeschnappt«, seufzte Chris. Auch Mike konnte ein Grinsen kaum noch unterdr#252;cken. Ben fuhr fort, seine v#246;llig unsinnige Idee auszuschm#252;cken, aber Mike h#246;rte nicht mehr hin. Statt dessen trat er nach einigen Augenblicken schweigend an den Tisch, auf dem Trautman mittlerweile eine gut anderthalb Quadratmeter messende Seekarte ausgebreitet hatte. Damit sie sich nicht wieder aufrollte, hatte er ihre R#228;nder mit B#252;chern beschwert. Im Moment war er damit besch#228;ftigt, einige rot markierte Punkte, die er offensichtlich nach Serenas Angaben eingezeichnet hatte, mit einem Lineal miteinander zu verbinden. Er war noch nicht ganz fertig damit, aber das bisherige Ergebnis sah ziemlich abenteuerlich aus, eine vollkommen willk#252;rliche Zickzacklinie, die keinem erkennbaren Kurs folgte, sondern sich im Gegenteil mehrfach selbst kreuzte und #252;berschnitt. »Das ergibt #252;berhaupt keinen Sinn«, sagte Trautman kopfsch#252;ttelnd. Er sah kurz zu Serena auf. »Bist du sicher, da#223; es jedesmal die LEOPOLD war?« »Ziemlich«, antwortete Serena. »Die Beschreibung trifft eigentlich nur auf zu. Und ich habe es ein paarmal nachgepr#252;ft. « »Deshalb hast du auch so lange gewartet, um es uns zu sagen«, murmelte Mike. Serena sah fast ein bi#223;chen schuldbewu#223;t drein. »Nicht nur«, sagte sie. »Es h#228;tte wenig Sinn gehabt, zu fr#252;h Alarm zu geben, nicht? Wie Ben sagte: Es herrscht Krieg. Im Augenblick schie#223;t dort drau#223;en so ziemlich jeder auf jeden. Es ist schwer, aus all diesen Informationen die richtigen herauszufinden. « »Aber das alles ergibt #252;berhaupt keinen Sinn!« sagte Trautman erneut und mit einem noch heftigeren Kopfsch#252;tteln. »Seht euch das nur an!« Er deutete nacheinander auf die Punkte, die er in die Karte eingezeichnet hatte. Mike bemerkte erst jetzt, da#223; er neben jedem einige Worte oder auch nur Zahlenkombinationen notiert hatte. »Ein franz#246;sischer Frachter. Hier eine englische Fregatte, dort ein Nachschubdepot des Kaiserreiches! Ein schwedischer Tanker und da ein deutscher Frachter! Ich kann einfach kein System darin erkennen!« »Ja. « Serena seufzte. »Ich kenne Kapit#228;n Winterfeld zwar kaum, aber wi#223;t ihr, nach allem, was ich in den letzten Tagen herausgefunden habe, k#246;nnte man beinahe glauben, da#223; er ganz allein dem Rest der Welt den Krieg erkl#228;rt h#228;tte. « Vielleicht waren diese Worte sogar als Scherz gemeint, um die gedr#252;ckte Stimmung ein wenig zu mildern, die sich in den letzten Minuten im Salon der NAUTILUS breitgemacht hatte. Aber niemand lachte. Ganz im Gegenteil wirkten alle pl#246;tzlich sehr betroffen. Dabei konnten sie zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht ahnen, Die Jagd auf die LEOPOLD begann noch in derselben Stunde. Wie sich zeigte, befanden sie sich nicht einmal weit von der Stelle entfernt, an der Winterfelds Schiff das letzte Mal gesichtet worden war. Sie rechneten nicht ernsthaft damit, die LEOPOLD dort noch anzutreffen, aber irgendwo Die NAUTILUS erreichte die bezeichnete Position kurz vor Mitternacht. Um nicht entdeckt zu werden – aber auch, weil das Schiff unter Wasser beinahe doppelt so schnell fahren konnte wie #252;ber Wasser –, hatten sie einen Gro#223;teil der Strecke tauchend zur#252;ckgelegt, und Trautman war extrem vorsichtig, als sie schlie#223;lich wieder nach oben kamen: Der Turm der NAUTILUS durchbrach die Wasseroberfl#228;che gerade weit genug, da#223; sie den Ausstieg #246;ffnen konnten. Erst als Singh, der nach oben geklettert war, meldete, da#223; sie allein waren, tauchte das Schiff ganz auf. Mike verstand diese Vorsichtsma#223;nahmen nur zu gut. Es war sehr wichtig, da#223; die NAUTILUS nicht gesehen wurde. Sie war zwar jedem anderem Schiff auf der Welt #252;berlegen und konnte im Notfall einfach tauchen und so jedem denkbaren Verfolger eine lange Nase drehen, aber ihr zuverl#228;ssigster Schutz war noch immer der Umstand, da#223; niemand von ihrer Existenz wu#223;te. Wenn sich erst einmal herumsprach, da#223; das m#228;rchenhafte Schiff Kapit#228;n Nemos tats#228;chlich existierte, dann w#252;rde eine weltweite Hetzjagd auf die NAUTILUS beginnen, der sie auf Dauer nicht entkommen konnten. W#228;hrend des letzten Jahres hatten sie sich zumeist in einsamen Gegenden der Weltmeere aufgehalten, weitab von allen bekannten Schiffahrtsrouten. Hier und jetzt aber befanden sie sich in einem der dichtbefahrensten Gebiete der Meere. Der Erste Weltkrieg tobte seit einem guten Jahr, und er hatte auch vor dem Ozean nicht haltgemacht. Deutsche, britische und franz#246;sische Schiffe hatten sich gerade vor den K#252;sten Englands schon mehr als ein Gefecht geliefert, und jeder, der hier drau#223;en war, w#252;rde den Ozean sehr aufmerksam beobachten. Aber im Augenblick waren sie allein. Viel zuverl#228;ssiger als ihre Augen #252;berzeugten sie die technischen Ger#228;tschaften der NAUTILUS davon, da#223; es im Umkreis mehrerer Meilen kein anderes Schiff gab. Und die K#252;ste war fast zehn Meilen entfernt. Selbst mit dem besten Fernglas w#252;rde man das Schiff, das mit ausgeschalteten Lichtern auf dem Wasser trieb, nicht mehr ausmachen k#246;nnen. Und trotzdem... eine schwache, aber nagende Beunruhigung blieb. Es war das erste Mal, da#223; sie seit ihrer Flucht aus England zur#252;ck in diesen Teil der Welt kamen, und keinem von ihnen war sonderlich wohl dabei. Mike war Singh auf das Deck der NAUTILUS hinauf gefolgt und stand fr#246;stelnd in dem schneidenden Wind, der #252;ber das Meer strich. Es war kalt, und es gab au#223;er der Schw#228;rze der Nacht hier oben absolut nichts zu sehen. Trotzdem war er nicht der einzige, der heraufgekommen war. In einiger Entfernung bemerkte er Chris, der neben Singh stand und leise mit ihm sprach, und jetzt polterten hinter ihm Schritte auf der eisernen Treppe, die nach oben f#252;hrte. Er drehte sich herum und erkannte Juan. Auf seiner Schulter hockte ein struppiger schwarzer Schatten: Astaroth, der ein#228;ugige Kater, der zusammen mit Serena an Bord gekommen war. Vermutlich, dachte Mike, wird es nicht mehr lange dauern, bis auch Ben und Trautman heraufkommen. Sie befanden sich jetzt seit mehr als einer Woche fast ununterbrochen unter Wasser, und so bequem und sicher die NAUTILUS auch sein mochte – auf die Dauer hatte man an Bord das Gef#252;hl, eingesperrt zu sein, gefangen in einem st#228;hlernen Sarg, der Hunderte von Metern unter der Meeresoberfl#228;che dahintrieb. Sie nutzten jede M#246;glichkeit, an Deck zu gehen, die frische Luft zu atmen und vor allem den freien Himmel #252;ber sich zu sp#252;ren. Manchmal fragte sich Mike, wie lange sie dieses Leben wohl noch f#252;hren w#252;rden. Als sie die NAUTILUS gefunden hatten, da hatten sie Trautman mit M#252;he und Not davon abbringen k#246;nnen, das Schiff zu zerst#246;ren, denn er war der Meinung gewesen, da#223; es eine zu gro#223;e Gefahr darstellte, sollte es irgendwann einmal in falsche H#228;nde geraten. Nat#252;rlich hatten sie dieses Ansinnen emp#246;rt abgelehnt, aber mittlerweile war Mike nicht mehr so sicher wie damals, da#223; das richtig gewesen war. Der gro#223;e Krieg, von dem sie nur manchmal h#246;rten, w#228;hrend sie sich in den entlegensten Winkeln der Welt herumgetrieben hatten, schien Trautmans Worte auf grausame Weise zu best#228;tigen. Die ganze Welt war verr#252;ckt geworden. Wenn dieses Schiff tats#228;chlich einmal in die H#228;nde einer der Kriegsparteien fallen sollte ... nein, der Gedanke war zu schrecklich, um ihn zu Ende zu verfolgen. Er trat einen Schritt beiseite, damit Juan aus dem schmalen Ausstieg heraustreten konnte. Astaroth sprang mit einem Satz von seiner Schulter herunter und verschmolz mit der Farbe der Nacht, als er an Mike vor#252;berhuschte, und Juan atmete h#246;rbar auf. Der Kater wog gute zw#246;lf Pfund, und Mike wurde den Verdacht nicht los, da#223; er es sich einzig angew#246;hnt hatte, es sich dann und wann auf der Schulter eines der Jungen bequem zu machen und diesen als Reittier zu mi#223;brauchen, weil er genau »Gibt es irgend etwas Neues?« fragte Juan. Was soll es hier schon Neues geben? dachte Mike. Sie befanden sich mitten auf dem Meer, zehn Seemeilen von der n#228;chsten K#252;ste entfernt. »Nein«, antwortete er. »Wir sind allein. « Er drehte sich herum, vergrub fr#246;stelnd die H#228;nde in den Jackentaschen und lie#223; seinen Blick #252;ber die Wasseroberfl#228;che schweifen. Im fahlen Mondlicht wirkte der Ozean vollkommen flach und vollkommen schwarz, wie eine Ebene aus Teer. Die NAUTILUS bewegte sich zwar sanft im Rhythmus der Wellen, aber sie waren jetzt schon so lange an Bord des Schiffes, da#223; sie das l#228;ngst nicht mehr bemerkten. »Ich frage mich, was wir hier wollen«, murmelte er. »Warten«, antwortete Juan. »Darauf, da#223; er das n#228;chste Mal zuschl#228;gt. « Sein Gesicht verd#252;sterte sich, als er Mikes Blick begegnete. »Ich finde es genauso furchtbar wie du, aber ich f#252;rchte, wir haben keine andere Wahl. « Mike sagte nichts. Und was auch? Der Gedanke war so schrecklich wie einfach: Sie hatten keine Ahnung, wo die LEOPOLD das n#228;chste Mal zuschlagen w#252;rde. Alles, was sie tun konnten, war, abzuwarten, bis sie wieder ein Schiff versenkte oder einen Hafen in Brand scho#223;, um dann mit voller Kraft hinterherzufahren und zu versuchen, Winterfeld einzuholen. Serena sa#223; unten am Funkger#228;t und lauschte aufmerksam in den #196;ther hinaus, so da#223; sie schon auf den leisesten SOS-Ruf reagieren konnten. Mike war sogar sicher, da#223; sie Winterfeld auf diese Weise finden w#252;rden. Aber die Vorstellung, da#223; sie tatenlos abwarten mu#223;ten, bis er wieder zuschlug – und das bedeutete nichts anderes, als da#223; dann wieder Menschen sterben w#252;rden –, machte ihn krank. »Ich verstehe das einfach nicht«, murmelte er. »Er mu#223; vollkommen den Verstand verloren haben. So wie es aussieht, greift er wahllos Schiffe und H#228;fen an, ganz gleich welcher Nationalit#228;t. « »Und sogar welche, deren L#228;nder gar nicht in den Krieg verwickelt sind«, f#252;gte Juan hinzu. »Trotzdem – ich glaube nicht, da#223; er einfach verr#252;ckt geworden ist. Er folgt einem Plan. Und wir werden schon herausfinden, welchem. Ich bin bestimmt der letzte, der Winterfeld verteidigen w#252;rde, aber er ist weder verr#252;ckt noch ein gewissenloser M#246;rder. Er hat irgend etwas vor. Und es mu#223; etwas Gro#223;es sein, sonst w#252;rde er nicht ein solches Risiko eingehen. « Mike schwieg. Es h#228;tte eine Menge gegeben, was er h#228;tte antworten k#246;nnen, aber im Grunde gab er Juan sogar recht. Winterfeld hatte sie gejagt, sie entf#252;hrt und gefangengenommen, er hatte sich der Meuterei und des Hochverrates schuldig gemacht, nur um in den Besitz der NAUTILUS zu gelangen, und trotzdem hatte er das Schiff schlie#223;lich wieder aufgegeben, um das Leben seiner Besatzung zu retten. Und mit einem Male bet#228;tigte sich dieser Mann als gemeiner Pirat und Seer#228;uber? Das pa#223;te einfach nicht zusammen. Er sch#252;ttelte den Gedanken ab und drehte sich herum, so da#223; sein Blick in Richtung K#252;ste ging, die in der Nacht allerdings nicht einmal zu erahnen war. Aber auch Juan sah eine ganze Weile versonnen in dieselbe Richtung, und Mike glaubte zu erraten, was hinter seiner Stirn vorging. »Wir sind gar nicht weit von deiner Heimat entfernt«, sagte er, nachdem sie eine Weile schweigend nebeneinander dagestanden hatten. »Hast du eigentlich niemals daran gedacht, wieder nach Hause zu gehen?« Juan zuckte mit den Schultern. Er sah ihn nicht an, aber auf seinem Gesicht erschien ein trauriges L#228;cheln. »Nach Hause?« Er sch#252;ttelte den Kopf. »Was soll ich dort, Mike? Das »– hat vermutlich noch nicht einmal gemerkt, da#223; ich weg bin«, fiel ihm Juan ins Wort. Seine Stimme klang bitter, und in seinen Augen war ein harter Glanz erschienen, der Mike erschreckte. Er hatte Juan niemals danach gefragt, was zwischen ihm und seinen Eltern wirklich vorgefallen war, ehe er nach England und ins Internat kam, und er fragte ihn auch jetzt nicht. Wenn Juan es ihm erz#228;hlen wollte, w#252;rde er es irgendwann schon von sich aus tun. »Wir k#246;nnen nicht ewig auf der NAUTILUS bleiben«, sagte er statt dessen. »Alles, was wir bis jetzt erlebt haben, war ein gro#223;es Abenteuer, aber es wird nicht ewig so weitergehen. Trautman hat recht, wei#223;t du? Die Welt ist noch nicht reif f#252;r die NAUTILUS. Irgendwann werden wir sie aufgeben m#252;ssen. « »La#223; das nicht Serena h#246;ren«, sagte Juan mit einem angedeuteten L#228;cheln. Er wurde sofort wieder ernst. »Du hast recht. Aber ich will nicht dar#252;ber nachdenken. Noch nicht. Wir werden eine L#246;sung finden, aber im Moment... «Er f#252;hrte den Satz nicht zu Ende, sondern seufzte nur tief und fuhr dann in ver#228;ndertem Tonfall fort: »Au#223;erdem haben wir jetzt wirklich Wichtigeres zu tun. Wir m#252;ssen diesen Verr#252;ckten aufhalten, bevor er noch mehr Schaden anrichtet. « »Ja«, best#228;tigte Mike, und hinter ihnen sagte eine wohlbekannte Stimme: »Warum eigentlich?« Sie drehten sich beide zugleich herum und sahen Ben an, der so leise hinter ihnen aufgetaucht war, da#223; sie ihn nicht geh#246;rt hatten. Der sp#246;ttische Blick, mit dem er Juan ma#223;, machte klar, da#223; er zumindest einen Teil ihres Gespr#228;ches mit angeh#246;rt hatte. »Wie meinst du das?« fragte Mike. »So wie ich es sage«, antwortete Ben. »Warum eigentlich? Ich meine, die Tatsache, da#223; Winterfeld uns seinerzeit gehen lie#223;, verpflichtet uns doch nicht automatisch, die Welt jetzt vor diesem Verr#252;ckten in Schutz zu nehmen, oder? Im Grunde geht uns die Sache nichts an. Es ist nicht unsere Schuld, wenn er sich mit der ganzen Welt anlegt. Wir k#246;nnten einfach unserer Wege gehen. Irgendeiner wird ihn schon erwischen. « »Ja«, sagte Juan. »Und diese Art zu denken ist genau der Grund, aus dem die Welt so ist, wie sie ist. « »Was gef#228;llt dir daran nicht?« stichelte Ben. »Kriege hat es immer gegeben, und es wird sie immer geben. Und–« Da Mike der einzige war, der die lautlose Stimme des Katers verstehen konnte, teilte er den anderen mit, was Astaroth ihm gesagt hatte. Einige Sekunden lang starrten sie alle gebannt in die Dunkelheit vor dem Bug der NAUTILUS hinaus, aber auch Mike und den anderen erging es nicht besser als Ben zuvor. Zumindest so weit sie sehen konnten, war der Ozean vollkommen leer. »Der Kater spinnt!« sagte Mike schlie#223;lich. »Da ist gar nichts. Au#223;erdem h#228;tten es die Ortungsger#228;te gezeigt. Es gibt im Umkreis von f#252;nf Meilen kein Schiff. « »Was stimmt nicht mit ihm?« erkundigte sich Mike. Mike bedachte den Kater mit einem angemessen b#246;sen Blick, gab das Geh#246;rte aber doch rasch an die anderen weiter. Singh blickte nur noch einen Moment in die Dunkelheit hinaus, dann wandte er sich um und rannte im Laufschritt zur#252;ck zum Turm. Nicht einmal zwei Minuten sp#228;ter konnten sie h#246;ren, wie die Maschinen der NAUTILUS tief unter ihren F#252;#223;en zu rumoren begannen. Das Schiff hob sich weiter aus dem Wasser, und dann flammten zwei riesige Scheinwerfer an seinem Bug auf, die wie leuchtende, halb meilenlange Finger in die Nacht hinaustasteten. »Da!« Juan schrie auf und deutete nach rechts. »Seht doch!« Das Licht des Scheinwerfers hatte ein winziges Boot erfa#223;t, das in einer Entfernung von zwei- oder dreihundert Metern von der NAUTILUS auf den Wellen trieb. Es hatte kein Segel und auch sonst keinen sichtbaren Antrieb, und sie konnten auch keine Spur einer Besatzung erkennen, aber es war da, ganz wie Astaroth gesagt hatte. Langsam nahm die NAUTILUS Fahrt auf und glitt auf das kleine Boot zu. In dem Schiff r#252;hrte sich nichts, obwohl es jetzt von beiden Scheinwerfern erfa#223;t und in glei#223;ende Helligkeit getaucht war. Mike war nicht sehr wohl dabei – in der Nacht mu#223;te das Licht meilenweit zu sehen sein. Ganz bestimmt waren sie in diesem Moment bereits entdeckt worden. Es dauerte einige Minuten, bis Trautman das riesige Schiff behutsam neben das kleine Boot bugsiert hatte, so da#223; sie endlich einen Blick in sein Inneres werfen konnten. Mike erschrak, als er die gekr#252;mmte Gestalt sah, die auf dem nackten Holz lag. Es war ein Mann in einer blauen, zerfetzten Uniform. Sein Gesicht und sein Haar waren voller Blut, und obwohl seine Augen offenstanden, schien er sie nicht wahrzunehmen, denn er reagierte nicht, als Juan ihm etwas zurief. Mike wartete, bis das Boot nahe genug war, dann sprang er mit einem Satz vom Deck der NAUTILUS hinunter und neben den Verletzten. Das kleine Boot #228;chzte unter seinem Aufprall, und ein Knirschen erscholl, das Mike zusammenzucken lie#223;. Er bemerkte erst jetzt, da#223; das Boot kaum mehr als ein Wrack war, das eigentlich gar nicht mehr h#228;tte schwimmen d#252;rfen: Die Planken waren von Flammengeschw#228;rzt. #220;berall im Rumpf g#228;hnten gro#223;e, ausgefranste L#246;cher, und er stand fast kn#246;cheltief im Wasser. Hastig kniete er neben dem Mann nieder, aber nun, da er ihn von nahem sah, wagte er es fast nicht, ihn zu ber#252;hren. Der Mann war schwer verletzt. Nicht nur sein Gesicht, sondern seine ganze Uniformjacke war dunkel von seinem eigenen Blut. Der Mann war offensichtlich angeschossen worden. Jemand hatte auf dieses Boot gefeuert. Und nicht nur einmal. »Was ist mit ihm?« rief Ben. »Lebt er noch?« Wahrscheinlich war sein Gewicht zus#228;tzlich zu viel f#252;r das winzige Schiffchen. Ben machte Anstalten, zu ihm herunterzuklettern, aber in diesem Moment tauchte Singh wieder auf und hielt ihn mit einer wortlosen Geste zur#252;ck. Ben trat gehorsam beiseite, und der Inder kletterte mit der ihm eigenen Leichtigkeit zu Mike und dem Verletzten ins Boot. Es sank sp#252;rbar tiefer ins Wasser, und Mike richtete sich nerv#246;s auf. Das Boot sank nun tats#228;chlich und sehr rasch. Sie mu#223;ten sich beeilen. Wie alle an Bord war Mike mittlerweile ein ausgezeichneter Schwimmer geworden, aber das Wasser war eiskalt, und er versp#252;rte wenig Lust auf ein mittern#228;chtliches Bad. Singh untersuchte den Mann fl#252;chtig, dann hob er ihn ohne sichtliche Anstrengung auf die Arme und kletterte wieder auf das Deck der NAUTILUS hinauf. Mike folgte ihm, wenn auch viel langsamer, so da#223; Juan schlie#223;lich die Hand ausstreckte und ihm half – keine Sekunde zu fr#252;h, wie sich zeigte. Kaum hatte Mike die NAUTILUS wieder betreten, da legte sich das Boot auf die Seite und ging binnen Sekunden unter. Ben blickte mit finsterem Gesicht die Stelle an, an der es gesunken war. »Mist!« sagte er. »Jetzt erfahren wir vielleicht nicht, wo er hergekommen ist!« »Das Boot war leer«, antwortete Mike. »Es h#228;tte uns sowieso nicht weitergeholfen. « »Hast du seine Uniform erkannt?« fragte Ben. Mike sch#252;ttelte den Kopf, und Ben machte ein triumphierendes Gesicht. »Aber ich. Der Mann ist Engl#228;nder. « »Die Vermutung liegt nahe«, sagte Juan spitz, »wenn man vor der englischen K#252;ste kreuzt. « »Das war eine »Schlie#223;t die Luke!« rief Trautman. »Es ist m#246;glich, da#223; jemand die Scheinwerfer gesehen hat. Wir tauchen besser wieder. « Wie sich zeigte, waren Trautmans Bef#252;rchtungen keineswegs #252;bertrieben gewesen. Offenbar beobachtete man von der K#252;ste aus tats#228;chlich sehr aufmerksam den Ozean. Es verging keine Stunde, da tauchten gleich zwei Zerst#246;rer der britischen Kriegsmarine #252;ber ihnen auf, die das Meer in weitem Umkreis mit Scheinwerfern und Leuchtraketen absuchten. Mike und die anderen verfolgten die Aktion vom Salon der NAUTILUS aus. Durch das riesige, runde Aussichtsfenster konnten sie die Schatten der beiden Kriegsschiffe #252;ber sich deutlich erkennen. Die NAUTILUS war drei#223;ig Meter gesunken und dann zur Ruhe gekommen. Trautman hatte die Maschinen abgeschaltet, so da#223; sie kein verr#228;terisches Ger#228;usch mehr verursachten, und sie hatten das Licht im Salon gel#246;scht. Trotzdem war Mike nicht sehr wohl in seiner Haut. Die beiden Schiffe kreuzten wie riesige, st#228;hlerne Raubfische #252;ber ihnen, und allein die Schnelligkeit, mit der sie erschienen waren, bewies, da#223; sie keineswegs zufallig hier waren. Irgend etwas war hier geschehen, und Mike war fast sicher, da#223; es mit dem Verletzten zu tun hatte, den sie geborgen hatten. Ein Ger#228;usch von der T#252;r her ri#223; ihn aus seinen #220;berlegungen. Trautman betrat den Salon, machte aber kein Licht, sondern ging zum Fenster und ber#252;hrte eine gro#223;e Taste daneben, woraufhin sich eine gewaltige Irisblende vor dem mannsgro#223;en runden Bullauge schlo#223;. Erst dann schaltete er das Licht ein. Offenbar war auch er nicht hundertprozentig davon #252;berzeugt, da#223; sie von oben aus Sie hatten den Verletzten in eine der leerstehenden Kabinen des f#252;r eine viel gr#246;#223;ere Besatzung gedachten Schiffes gebracht, und Trautman war bisher bei ihm geblieben. Er sch#252;ttelte besorgt den Kopf. »Serena k#252;mmert sich um ihn, aber ich bef#252;rchte das Schlimmste«, sagte er. »Er hat sehr viel Blut verloren. Es ist ein kleines Wunder, da#223; er #252;berhaupt noch lebt. Der Mann mu#223; dringend zu einem Arzt. « »Ja, ja«, sagte Ben ungeduldig. »Aber hat er etwas gesagt? Haben Sie irgend etwas von ihm erfahren?« Trautman antwortete nicht sofort, sondern trat an den Tisch und beugte sich wieder #252;ber die Karten. Er nahm einen roten Stift zur Hand und f#252;gte eine weitere Markierung hinzu; diesmal unmittelbar an der K#252;ste, vor der sie lagen. »Er ist immer noch bewu#223;tlos«, sagte er dann. »Und das wird er wohl auch bleiben, f#252;rchte ich. Aber er phantasiert, und ich habe seine Brieftasche gefunden. « Er legte den Stift aus der Hand und zog eine angesengte Brieftasche aus der Jacke. Die Jungen traten neugierig n#228;her, als er sie #246;ffnete. »Der Mann war Zeugmeister auf einem britischen Munitionstransporter«, sagte er. »Zeugmeister?« erkundigte sich Chris. »So eine Art Lagerverwalter«, sagte Ben. An Trautman gewandt und in fragendem Ton fuhr er fort: »Auf einem Munitionstransporter, sagen Sie?« Trautman nickte. »Ich wei#223; nicht genau, was passiert ist, aber er phantasiert von Feuer und Sch#252;ssen und von einem Piratenschiff... ich wette, es war Winterfeld. Ich verstehe nur nicht, warum. « »Wahrscheinlich geht ihnen langsam die Munition aus«, sagte Juan. »Es ist nur logisch, wenn er einen Munitionstransporter #252;berf#228;llt. « »Aber bestimmt keinen allen anderen Richtungen w#228;re er den Engl#228;ndern in die Arme gelaufen. Wenn wir uns beeilen und ein bi#223;chen Gl#252;ck haben, holen wir ihn noch vor Sonnenaufgang ein. « »Ja, vermutlich k#246;nnten wir das«, sagte Trautman. »Aber wir m#252;ssen uns jetzt vor allem um den Verletzten k#252;mmern. Der Mann mu#223; zu einem Arzt, oder er stirbt uns unter den H#228;nden. Wir m#252;ssen ihn an Land bringen. « Er deutete zur Decke hinauf. »Sobald die Schiffe abgezogen sind, laufen wir die K#252;ste an. « »Und Winterfeld entkommt!« sagte Ben. »F#252;r diesmal, ja«, gestand Trautman. »Mir gef#228;llt der Gedanke auch nicht, aber wir haben keine Wahl. « »Und wenn wir auftauchen?« schlug Mike vor. »Und uns den Engl#228;ndern stellen?« fragte Juan. »Du bist verr#252;ckt. « »Nat#252;rlich nicht«, verteidigte sich Mike. »Aber wir k#246;nnten in zwei oder drei Meilen Entfernung auftauchen, den Verletzten in das Rettungsboot legen und eine Signalrakete abfeuern. Wir sind l#228;ngst wieder getaucht und meilenweit weg, ehe sie da sind. « Trautman dachte einen Moment ernsthaft #252;ber diesen Vorschlag nach, aber dann sch#252;ttelte er doch den Kopf. »Es k#246;nnte funktionieren«, sagte er, »aber das Risiko ist zu gro#223;. Au#223;erdem habe ich noch einen anderen Grund, um an Land zu gehen. Wir m#252;ssen mehr #252;ber Winterfeld und die LEOPOLD erfahren. Solange wir nicht einmal wissen, was er vorhat, haben wir auch keine gro#223;e Chance, seine Pl#228;ne zu durchkreuzen. Ich will ein paar Zeitungen besorgen, und mich ein wenig umh#246;ren. « Er hob bes#228;nftigend die Hand, als Ben erneut protestieren wollte, und deutete mit der anderen auf seine Karte. »Bisher hat er niemals zweimal hintereinander am gleichen Ort zugeschlagen«, sagte er. »Und es lagenimmer ein oder zwei Tage zwischen den #220;berf#228;llen. Wir haben noch ein wenig Zeit. « »Und wenn wir ihn aus den Augen verlieren?« fragte Ben. »Die Gefahr, da#223; das passiert, ist viel gr#246;#223;er, wenn wir blindlings drauflosst#252;rmen«, erwiderte Trautman. Er deutete wieder auf seine Karte. »Das alles hier hat einen Sinn, Ben. Ich wei#223; noch nicht, welchen, aber es gibt ihn. Ein paar Stunden, die wir richtig investieren, ersparen uns vielleicht eine tagelange Suche. « Er schlo#223; das Thema mit einer entsprechenden Handbewegung ab. »Geht auf eure Posten. Sobald die beiden Schiffe weg sind, laufen wir die K#252;ste an. Mike – vielleicht gehst du und hilfst Serena?« Mike brauchte keine zweite Aufforderung. Die Stimmung im Salon war so gedr#252;ckt, da#223; er froh war, ihr entfliehen zu k#246;nnen. Rasch verlie#223; er den Raum, lief die kurze Treppe zum darunterliegenden Deck hinab, auf dem die Mannschaftskabinen untergebracht waren, und betrat die Kaj#252;te, ohne anzuklopfen. Der schwerverletzte Mann lag in der untersten der beiden #252;bereinanderliegenden Kojen, die einen Gro#223;teil des vorhandenen Raumes einnahmen. Trautman und Singh hatten ihm die zerfetzte Uniform ausgezogen und ihn verbunden, so gut es ging. Aber die Mittel, die sie an Bord der NAUTILUS zur Verf#252;gung hatten, waren beschr#228;nkt. Sie hatten bald herausgefunden, da#223; das untergegangene Volk der Atlanter, das dieses Schiff gebaut hatte, auch #252;ber ein erstaunliches medizinisches Wissen verf#252;gt haben mu#223;te – jeder Arzt der Welt h#228;tte vermutlich sehr viel daf#252;r gegeben, auch nur einen Teil der Medikamente zu besitzen, #252;ber die die Bordapotheke des Schiffes verf#252;gte. Seit sie an Bord gekommen waren, war keiner von ihnen krank geworden, und sie hatten eine Anzahl von Tinkturen und Salben entdeckt, die kleinere Verletzungen und Schrammen mit nahezu phantastischer Schnelligkeit heilen lie#223;en. Aber dieser Mann hatte keine kleine Schramme, und er hatte auch keinen Schnupfen. Er war lebensgef#228;hrlich verletzt, und bei allen Wundern, die die NAUTILUS bereithielt – sie hatten keinen Arzt an Bord. Der Mann bot einen bemitleidenswerten Anblick. Seine Schulter war dick verbunden, aber der wei#223;e Stoff hatte sich bereits wieder dunkel gef#228;rbt. Sein ganzer K#246;rper war mit Schwei#223; bedeckt, und er zitterte ununterbrochen. Serena stand am Kopfende der Liege und k#252;hlte seine Stirn mit einem Tuch, das sie ab und zu in eine Schale mit frischem Wasser tauchte. Als Mike eintrat, sah sie nur kurz auf und sch#252;ttelte traurig den Kopf. »Ich kann nichts f#252;r ihn tun. Er hat hohes Fieber. « Mike trat schweigend neben sie und legte ihr den Arm um die Schulter. Normalerweise mochte Serena das nicht, obwohl sie ahnen mu#223;te, welche Gef#252;hle Mike f#252;r sie hegte, und Mike fast sicher war, da#223; sie sie insgeheim ein wenig erwiderte. Aber es war eine Geste reiner Freundschaft, die ihr Trost spenden sollte, und das schien sie zu f#252;hlen, denn sie streifte seinen Arm nicht ab. »Ich f#252;hle mich so hilflos«, sagte sie leise. »Ich habe ihm ein Medikament gegeben, das das Fieber ein wenig senkt, aber das ist auch alles, was ich f#252;r ihn tun kann. Wenn ich meine Kr#228;fte noch h#228;tte! Ich k#246;nnte ihn in f#252;nf Minuten heilen!« Serena spielte damit auf die schier an Zauberei grenzenden F#228;higkeiten an, die Teil des magischen Erbes gewesen waren, das ihre Eltern ihr als letzter Prinzessin von Atlantis mitgegeben hatten. Mike hatte am eigenen Leib erlebt, wozu sie in der Lage gewesen war – sie hatte ihn nur fl#252;chtig ber#252;hrt, und die Verletzungen, die er beim Kampf um die NAUTILUS davongetragen hatte, waren praktisch vor seinen Augen verschwunden. Aber die Macht, Wunden zu heilen, war eben nur ein Teil dieses Erbes gewesen. Der andere, viel gef#228;hrlichere Teil h#228;tte sie alle um ein Haar ins Verderben gerissen, und so hatte sie schlie#223;lich freiwillig auf diese Kr#228;fte verzichtet. *) Sie hatte es nie laut gesagt, aber es waren Momente wie diese, in denen Mike ahnte, wie gro#223; der Verlust wirklich war, den sie erlitten hatte. »Wir bringen ihn zu einem Arzt«, sagte Mike. Er bem#252;hte sich, aufmunternd zu klingen, aber er sp#252;rte, da#223; es nicht gelang. Trotzdem fuhr er fort: »Es ist nicht weit zur K#252;ste. Er wird es schon schaffen. « »Wenn er den Morgen noch erlebt, ja. « Serenas Stimme zitterte. Mike sah, da#223; sie f#252;r einen Moment mit den Tr#228;nen k#228;mpfte. »Ich verstehe eure Welt nicht«, sagte sie. »Du hast mir so viel davon erz#228;hlt, aber das, was ich sehe, das... das ist das genaue Gegenteil. « »Wie meinst du das?« fragte Mike. »Ihr behauptet, da#223; mein Volk untergegangen ist, weil es seine eigenen Kr#228;fte nicht mehr beherrschen konnte und nicht im Einklang mit sich und der Natur leben konnte –«, antwortete Serena. »He, das habe Astaroth!« sagte Mike laut. Serena blickte irritiert auf, und Astaroth antwortete schnippisch: »Schlu#223; jetzt!« sagte Mike noch einmal und in noch sch#228;rferem Ton. »Mir ist wirklich nicht nach Witzen zumute, Astaroth. « Tats#228;chlich schwieg Astaroth, w#228;hrend Serena sich aus Mikes Umarmung l#246;ste und das Tuch, mit dem sie die Stirn des Verletzten k#252;hlte, wieder ins Wasser tauchte. »Ihr bringt ihn morgen fr#252;h an Land?« fragte sie. »Sobald wir von hier wegkommen«, best#228;tigte Mike. »Es gibt einen kleinen Hafen, ganz in der N#228;he. Zumindest auf der Karte sieht er so aus, als k#246;nnten wir ohne allzu gro#223;es Risiko dort an Land gehen. « »Ich komme mit«, sagte Serena. »Davon wird Trautman nicht sehr begeistert sein«, erwiderte Mike. »Du wei#223;t, was –« »Ich kenne den Unsinn, den er gerne redet«, unterbrach ihn Serena. »Ich bin ein M#228;dchen, und M#228;dchen d#252;rfen sich nicht in Gefahr begeben, ich wei#223;. Noch so eine Verr#252;cktheit von euch. « »War es bei euch denn anders? « fragte Mike. Serena legte dem Fiebernden das feuchte Tuch wieder auf die Stirn und nickte. »Wir haben keinen Unterschied zwischen M#228;nnern und Frauen gemacht. Und wei#223;t du, was? Bei uns sind die Frauen auch nicht reihenweise umgekommen, weil sie sich in Situationen begeben hatten, die »Und warum tust du es nicht selbst?« fragte Mike. Er konnte sich lebhaft vorstellen, wie Trautman auf diesen Vorschlag reagieren w#252;rde, und er versp#252;rte wenig Lust auf eine m#246;gliche Diskussion. »Weil so etwas »Geh und rede mit ihm«, bat es. »Er soll sich beeilen. Ich wei#223; nicht, ob er bis zum Morgen durchh#228;lt. Und ich habe keine gro#223;e Lust, einen Toten an Land zu bringen. « »Also gut«, seufzte Mike. »Ich kann es ja wenigstens versuchen. « Er verlie#223; die Kabine, aber er war kaum drau#223;en auf dem Gang, als ihm Ben entgegenkam. Er wirkte sehr aufgeregt. »Ist Serena da drin?« fragte er. Mike nickte. »Ja. Warum? Was ist passiert?« Ben wollte einfach an ihm vor#252;berst#252;rmen, aber Mike vertrat ihm hastig den Weg. »Was willst du von ihr?« »Ich mu#223; noch einmal mit ihr #252;ber dieses Mike versetzte ihm einen Sto#223; vor die Brust, der ihn einen Schritt zur#252;ckstolpern und erschrocken mitten im Wort verstummen lie#223;. W#252;tend sch#252;ttelte Mike die Faust vor Bens Gesicht. »Wenn du nicht sofort verschwindest, verpasse ich dir eine blutige Nase!« versprach er. »Untersteh dich, Serena mit diesem Unsinn zu bel#228;stigen!« Ben war vollkommen verwirrt. Er war einen guten Kopf gr#246;#223;er als Mike und um einiges kr#228;ftiger, wie sich in zahllosen freundschaftlichen Balgereien immer wieder best#228;tigt hatte. Trotzdem widersprach er nicht, sondern blinzelte nur irritiert auf Mike herab. »Was... was ist denn in dich gefahren?« murmelte er. »Was hast du denn gegen ein gutes Gesch#228;ft einzuwenden?« »Du hast mich verstanden«, grollte Mike. »La#223; Serena mit diesem Quatsch in Ruhe, oder es kracht!« Und damit lief er an Ben vorbei und machte sich auf den R#252;ckweg zum Salon. Zu Mikes nicht geringer #220;berraschung war Trautman keineswegs dagegen, Serena mit an Land zu nehmen. Er war schon von selbst auf den Gedanken gekommen, da#223; Serena wohl als einzige in der Lage war, sich um den Verletzten zu k#252;mmern, und so kam es, da#223; sie mit dem ersten Licht des Tages zu dritt in einem der beiden Beiboote der NAUTILUS sa#223;en und in den Hafen von Glengweddyn ruderten. Der Ort, der so winzig war, da#223; er auf den meisten Karten nicht einmal wiederzufinden gewesen w#228;re, lag in einer kleinen Felsenbucht, die den Hafen nicht nur wie ein nat#252;rliches Bollwerk vor der See und den St#252;rmen sch#252;tzte, sondern ihn auch f#252;r jedes Schiff, das gr#246;#223;er als ein Fischkutter war, unpassierbar machte. Das Wasser war so flach, da#223; sie bis auf seinen Grund sehen konnten, und die hoch aufragenden Felsen auf beiden Seiten der Einfahrt hatten es der NAUTILUS erm#246;glicht, bis auf weniger als eine halbe Meile an die K#252;ste heranzufahren, ehe sie in das Boot umsteigen mu#223;ten. Und als h#228;tte sich die Natur entschlossen, ihnen noch eine weitere Hilfe zu gew#228;hren, war mit der D#228;mmerung dichter Nebel aufgekommen, der das Schiff auch vor jeder zuf#228;lligen Entdeckung sch#252;tzte: Alles, was weiter als zweihundert Yards von der K#252;ste entfernt war, lag hinter einer undurchdringlichen grauen Wand verborgen. »Also, denkt daran«, sagte Trautman, als sie sich der niedrigen Kaimauer n#228;herten. »Wir haben den Mann drau#223;en auf dem Meer gefunden. Das Boot trieb im Nebel, und wir haben keine Ahnung, wo er herkommt oder wer er ist. Und Serena – stell keine Fragen, und tu nichts, von dem du nicht sicher bist, da#223; wir es auch t#228;ten. « Serena nickte. Sie gab sich M#252;he, sich nichts anmerken zu lassen, aber sie war sehr nerv#246;s. Mit Ausnahme einiger einsamer, weitab von aller menschlichen Zivilisation liegender Inseln war dies das erste Mal, da#223; Serena an Land ging, und somit auch das erste Mal, da#223; sie eine f#252;r sie vollkommen neue und fremdartige Welt betrat. Er h#228;tte sich gew#252;nscht, da#223; es unter etwas weniger dramatischen Umst#228;nden geschehen w#228;re. Andererseits, versuchte er sich selbst zu beruhigen, was sollte schon gro#223; passieren? Sie w#252;rden den Verletzten zu einem Arzt bringen, ihre Geschichte erz#228;hlen und wieder verschwinden, noch ehe jemand auf die Idee kommen konnte, ihnen zu viele neugierige Fragen zu stellen. Wenigstens war das die Theorie. Aber irgend etwas sagte ihm, da#223; es nicht so einfach sein w#252;rde. Au#223;erdem war es viel zu sp#228;t, sich jetzt noch Sorgen zu machen. Sie hatten jetzt den Kai erreicht, und sie waren auch bereits gesehen worden. Drei M#228;nner in einfacher, grober Kleidung eilten ihnen entgegen.Einer warf Mike ein Tau zu, das dieser geschickt auffing und an einer #214;se am Bug des Schiffes befestigte, die beiden anderen beugten sich neugierig vor und versuchten, einen Blick ins Innere des Bootes zu erhaschen. »Ahoi!« rief einer der M#228;nner. »Wer seid ihr denn?« »Und was treibt ihr bei diesem Nebel drau#223;en auf See? Noch dazu in dieser Nu#223;schale?« f#252;gte der andere hinzu. »Wir haben einen Verletzten an Bord«, antwortete Trautman. W#228;hrend Mike das Boot vert#228;ute, stand er auf und deutete auf die Gestalt zu seinen F#252;#223;en. Sie hatten den Verwundeten so dick in Decken und eine wasserdichte Plane gewickelt, da#223; nur noch sein Gesicht sichtbar war. »Gibt es hier einen Arzt?« »Doc Hanson«, antwortete einer der M#228;nner. »Aber der wird jetzt noch schlafen, f#252;rchte ich. Was ist passiert?« »Dann sollte jemand gehen und ihn wecken«, erwiderte Trautman. »Und m#246;glichst schnell. Den Mann hat es wirklich schlimm erwischt. F#252;r Erkl#228;rungen ist jetzt keine Zeit. « Mike kam die ruppige Art, auf die Trautman die neugierigen Fragen der M#228;nner abblockte, ein wenig gewagt vor – aber sie tat ihren Dienst. Einer der drei drehte sich auf der Stelle herum und hastete davon, w#228;hrend die beiden anderen Trautman dabei halfen, den Verletzten so behutsam wie m#246;glich aus dem Boot zu heben. Auch Serena und Mike verlie#223;en das Boot, hielten sich aber ein wenig im Hintergrund. Serena hatte ein einfaches, grobes Kleid angezogen, und ihr schulterlanges blondes Haar verbarg sich unter einem schwarzen Tuch, das sie weit ins Gesicht gezogen hatte. Aber ihr Blick huschte sehr aufmerksam in die Runde, und obwohl sie sich bem#252;hte, m#246;glichst unbeteiligt dreinzusehen, konnte Mike ihre Aufregung fast k#246;rperlich f#252;hlen. Dabei stellte ihre Umgebung eigentlich eher eine Entt#228;uschung dar. Ein einziger Blick in die Runde hatte Mike klargemacht, warum Glengweddyn auf so gut wie keiner Karte zu finden war: Es war ein Kaff, das den Namen Irgendwie hatte er das Bed#252;rfnis, sich bei Serena zu entschuldigen. »Es sieht nicht #252;berall so aus wie hier«, sagte er in fast verlegenem Tonfall. »Das hier ist ein sehr kleiner Ort, wei#223;t du?« »Ich finde es... interessant«, antwortete Serena. Offenbar wollte sie h#246;flich sein. »So etwas hat es bei uns nicht gegeben. « Aber wenn Glengweddyn auch zu den Orten geh#246;ren mochte, deren Namen gr#246;#223;er waren als die dazugeh#246;rige Stadt, so hatte es doch eines mit den meisten St#228;dten auf der Welt gemeinsam: Seine Bewohner waren nicht nur sehr hilfsbereit, sondern auch sehr neugierig. Es vergingen keine f#252;nf Minuten, bis sich die Stra#223;e langsam zu f#252;llen begann. Ein gutes Dutzend Menschen umlagerte Trautman und die beiden M#228;nner, die den Verletzten trugen, und auch Mike und Serena sahen sich pl#246;tzlich im Mittelpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit. Wahrscheinlich, dachte er, verirrt sich so selten ein Schiff in diesen Hafen, da#223; jeder Fremde hier eine kleine Sensation darstellt. Dann entdeckte er etwas, was ihn #252;berraschte. Inmitten der kleinen Menschenmenge, die sie umlagerte, stand ein Mann. Er war ein gutes St#252;ck gr#246;#223;er als die meisten anderen, tadellos frisiert (auch das unterschied ihn von den struppigen und zum Gro#223;teil stoppelb#228;rtigen Gestalten) und vor allem: Er trug nicht die #252;bliche, grobe Arbeitskleidung,sondern eine dunkelblaue Marineuniform, auf deren #196;rmeln goldene Offiziersstreifen blitzten. Er stand einfach da und blickte ihn an, und er tat es auf eine Art, die Mike nicht gefiel. Unauff#228;llig versuchte er an Trautmans Seite zu gelangen und raunte ihm zu: »Sehen Sie nicht hin – aber da ist ein Offizier. « Trautman sah nat#252;rlich durchgehen mochte. »Ich sehe ihn«, fl#252;sterte er. »Und?« »Das gef#228;llt mir nicht«, antwortete Mike. »Er tr#228;gt die gleiche Uniform wie der Verletzte. Was macht ein Offizier der Royal Navy in einem Kaff wie diesem?« Trautman zuckte mit den Schultern – und dann tat er etwas, was Mike schier den Atem stocken lie#223;: Er wandte sich um und trat direkt auf den Offizier zu. »Sir!« sagte er. »Gut, da#223; ich Sie treffe. Sie k#246;nnen mir sicher weiterhelfen. Mein Name ist Trautman. Das da –« Er deutete auf Mike und Serena. »– sind meine Enkel, Mike und Sally. Wir haben diesen Mann heute nacht in einem Boot auf dem Meer treibend aufgefunden, und mir scheint, er geh#246;rt zur Navy. Er trug eine Uniform wie Ihre. Vielleicht vermissen Sie ihn schon?« Eine Sekunde lang spiegelte sich nichts als blankes Mi#223;trauen auf dem Gesicht des Offiziers. Aber dann trat er n#228;her, warf einen fl#252;chtigen Blick auf den Verletzten und sch#252;ttelte den Kopf. »Er mu#223; von der HARRISON sein«, sagte er. »Nein, ich kenne ihn nicht. Aber ich wei#223;, woher er kommt. « Er sah auf, l#228;chelte entschuldigend und salutierte nachl#228;ssig, als er sich wieder direkt an Trautman wandte. »Bitte entschuldigen Sie meine Unh#246;flichkeit, Sir. Mein Name ist Stanley. Kapit#228;n Mark Stanley von der HMS GRISSOM. Ich danke Ihnen im Namen Seiner Majest#228;t, da#223; Sie den Mann gerettet haben. Was hat er f#252;r Verletzungen?« Etwas an der Art, auf die er diese Frage stellte, gefiel Mike nicht, und Trautman mu#223;te es wohl ganz #228;hnlich ergehen, denn er z#246;gerte eine Winzigkeit, ehe er antwortete: »Ich verstehe nichts davon, Sir. Aber ich glaube, man hat auf ihn geschossen. « »Ja, das denke ich auch«, antwortete Stanley. »Er sieht nicht gut aus. Ein Wunder, da#223; er noch lebt. Wo bleibt dieser Arzt?« Er sah sich suchend um, dann rief er mit erhobener Stimme: »Sparks!« Es verging nur eine Sekunde, dann dr#228;ngte sich ein Mann in der blauen Uniform der Kriegsmarine durch die Menge, deren Aufmerksamkeit sich mittlerweile v#246;llig auf den Offizier und Trautman konzentriert hatte. Er war ebenso gro#223; und tadellos gekleidet wie Stanley, hatteaber deutlich weniger Streifen auf dem #196;rmel. Wahrscheinlich sein Adjutant, dachte Mike. Der Mann nahm vor Stanley Aufstellung und salutierte zackig. »Sir?« »H#228;ngen Sie sich ans Funkger#228;t«, antwortete Stanley. »Sie sollen den Arzt herschicken. Wir haben hier einen Verletzten. « Sparks eilte mit Riesenschritten davon, und Stanley drehte sich wieder herum und sagte: »Nichts gegen den Arzt der guten Leute hier, aber ich denke, da#223; sich unser Doktor ein wenig besser auf die Behandlung von Schu#223;verletzungen versteht. « Wie auf ein Stichwort hin kam in diesem Moment der Mann zur#252;ck, den Trautman nach dem Arzt geschickt hatte. Er war nicht allein. In seiner Begleitung befand sich ein #228;lterer Mann mit sch#252;tterem Haar, der noch einen Morgenmantel trug und vollkommen verschlafen wirkte. Trotzdem mu#223;te er Stanleys Worte geh#246;rt haben, denn er spie#223;te ihn mit Blicken regelrecht auf. Aber er enthielt sich jedes Kommentares, sondern beugte sich nur wortlos #252;ber den Verletzten und sch#252;ttelte den Kopf, als Trautman Anstalten machte, die Decke beiseite zu schlagen, in die er eingewickelt war. »Hier kann ich #252;berhaupt nichts f#252;r ihn tun«, sagte er. »Bringt ihn in mein Haus. Aber vorsichtig. « Trautman und die beiden M#228;nner, die ihm schon zuvor geholfen hatten, hoben den Verletzten behutsam auf und trugen ihn zu einem der schmalbr#252;stigen, alten H#228;user. Es ging durch einen dunklen Korridor in ein kleines, auf einen Hinterhof hinausgehendes Zimmer, das, wie es schien, zugleich als Wartewie auch als Behandlungszimmer diente. Es gab eine Anzahl ungepolsterter St#252;hle, die sich an der Wand neben der T#252;r aufreihten, einen unordentlichen Schreibtisch und einige mit Medikamenten, T#246;pfen, Flaschen und allerlei #228;rztlichen Instrumenten vollgestopfte Schr#228;nke. In der Mitte des Raumes stand ein gewaltiger Tisch mit einer makellos polierten Metallplatte, auf die die beiden M#228;nner den Verletzten legten. Mike hatte nie zuvor eine Arztpraxis wie diese gesehen. Was vielleicht daran lag, da#223; er nie zuvor bei einem Mikes Augen wurden gro#223;, als er das #252;ber dem Schreibtisch h#228;ngende Diplom erblickte: Dr. vet. Marcus Hanson. Hanson war kein Arzt. Jedenfalls keiner f#252;r »#196;h... Trau –« begann er und verbesserte sich hastig. »Gro#223;vater?« Trautman reagierte erst mit ungef#228;hr einer Sekunde Verz#246;gerung, was nicht nur Mike auffiel. Auch Stanley sah auf, und wieder erschien dieser sonderbare, halb nachdenkliche, halb mi#223;trauische Blick in seinen Augen. Er sagte nichts. »Ja?« fragte Trautman. Mike deutete schweigend auf das Diplom, und auch Trautman wurde ein wenig bla#223; um die Nase. Offenbar verstand er jetzt, warum Stanley es pl#246;tzlich so eilig gehabt hatte, seinen Schiffsarzt hierherzubeordern. Aber auch Hanson war der kurze Zwischenfall nicht entgangen. Er hatte mittlerweile die Decke von der Schulter des Verletzten entfernt und die Wunde einer ersten fl#252;chtigen Musterung unterzogen. Jetzt sah er eindeutig ver#228;rgert auf. »Falls es jemanden interessiert«, sagte er scharf, »ich habe in meinem Leben wahrscheinlich mehr Schu#223;wunden behandelt, als Sie alle zusammen je gesehen haben. Die Leute hier in der Gegend sind ganz versessen darauf, auf streunende Hunde und Katzen zu schie#223;en, und manchmal erwischen sie dabei auch die ihrer Nachbarn oder gleich die Nachbarn selbst. Ich kann es nat#252;rlich auch lassen und auf den Arzt vom Schiff warten. « Stanley schien die Ver#228;rgerung des Arztes #228;u#223;erst am#252;sant zu finden. Er sch#252;ttelte l#228;chelnd den Kopf und deutete eine Verbeugung an. »Es liegt mir fern, an Ihren F#228;higkeiten zu zweifehl, Doc«, sagte er. »Bitte, tun Sie Ihre Arbeit. « Hanson bedachte ihn mit einem weiteren, zorngeladenen Blick, aber dann beugte er sich wieder #252;ber den Verletzten. »Das ist eine ziemlich #252;ble Schu#223;wunde«, sagte er. »Aber sie ist ausgezeichnet versorgt worden. « Er sah auf und blickte Trautman an. »Haben Sie das getan?« »Das war Sally«, antwortete Trautman. »Sie hat sich um ihn gek#252;mmert, so gut es ging. Wir sind einfache Fischer, wir haben keine Erfahrung in – « »Aber das war hervorragende Arbeit«, unterbrach ihn Hanson. »Besser h#228;tte ich es auch nicht gekonnt. « Er wandte sich an Serena. »Du hast diesem Mann das Leben gerettet, wei#223;t du das? Wieso kannst du so etwas?« Mike hielt instinktiv den Atem an, aber Serena erwies sich als ausgezeichnete Schauspielerin. Mit perfekt gemimter Verbl#252;ffung sah sie den Arzt an und sch#252;ttelte den Kopf. »Ich wei#223; nicht«, sagte sie und brachte es sogar fertig, einen kindlich naiven Ton in ihre Stimme zu zaubern. »Ich habe einfach getan, was mir richtig erschien. Habe ich etwas falsch gemacht?« »Um Gottes willen, nein!« sagte Hanson hastig. »Du hast eine Adernkompresse angelegt, die Wunde ges#228;ubertund den Arm stillgelegt. Du mu#223;t ein Naturtalent sein. Du solltest #196;rztin werden, wei#223;t du das?« Serena l#228;chelte geschmeichelt, und Hanson wandte sich nach einem letzten, beinahe bewundernden Blick wieder seinem Patienten zu. »Puh«, fl#252;sterte Mike. »Das war knapp. Sag jetzt besser nichts mehr. « Serena ma#223; ihn mit einem vollkommen verst#228;ndnislosen Blick. Als Hanson nach einem Skalpell griff, sog sie scharf die Luft ein. »Was hat er mit dem Messer vor?« keuchte sie – so laut, da#223; alle im Raum die Worte h#246;ren mu#223;ten. »Keine Angst, junge Dame«, sagte Hanson l#228;chelnd. »Ich tue deinem Patienten nichts. Ich mu#223; nur die Wunde ein wenig aufschneiden, damit der Eiter abflie#223;en kann. Ich bin sicher, er merkt es nicht einmal. « »Aber man schneidet doch einen Menschen, der krank ist, nicht auf!« sagte Serena entsetzt. »Das ist barbarisch! Da, wo ich herkomme –« »Wo kommst du denn her?« fragte Stanley in so beil#228;ufigem Ton, da#223; Serena um ein Haar geantwortet h#228;tte. Aber Trautman war schneller. »Aus Wilshire, K#228;pt'n Stanley. « Stanley ma#223; ihn mit einem nachdenklichen Blick. »Wilshire, so«, sagte er. »Das kenne ich. Aber das liegt nicht unbedingt am Meer. « »Die beiden sind nur zu Besuch auf meinem Schiff«, antwortete Trautman nerv#246;s. »Mein Sohn und meine Schwiegertochter haben mit der Seefahrerei nichts am Hut. Aber die beiden haben sich gew#252;nscht, einmal ein paar Wochen mit mir auf Fischfang zu gehen, und in diesem Jahr haben ihre Eltern es zum ersten Mal erlaubt. « »Mitten im Schuljahr?« fragte Stanley. Er sch#252;ttelte den Kopf. »Nun, es geht mich nichts an, aber ich finde es nicht sehr verantwortungsbewu#223;t von Ihnen, mit zwei Kindern an Bord in einem Kriegsgebiet zu kreuzen, Kapit#228;n Trautman. « »Wir haben vom Krieg bisher nicht viel bemerkt«, sagte Mike. »Ich sch#228;tze, die Navy hat uns gut besch#252;tzt. « Stanley l#228;chelte, aber Mike war nicht ganz sicher, ob das nicht nur als Anerkennung f#252;r seine Schlagfertigkeit gemeint war. Er hatte das Gef#252;hl, da#223; der Mann ihm kein Wort glaubte. »Wie hei#223;t denn euer Schiff?« fragte Stanley. »Es ist die NAUT –«, begann Mike, bi#223; sich auf die Unterlippe und verbesserte sich hastig: »Die NAUTIC STAR. Aber eigentlich ist es gar kein richtiges Schiff. Nur ein kleiner Kutter. « »Soso. « Stanley nickte. »Und ihr fischt damit hier vor der K#252;ste. Eigentlich h#228;ttet ihr mein Schiff sehen m#252;ssen. Die GRISSOM kreuzt drau#223;en vor der K#252;ste, nur ein paar Meilen entfernt. « Er wandte sich an Trautman. »Sind Sie aus #246;stlicher Richtung gekommen?« »Aus Westen«, antwortete Trautman, und Stanley sch#252;ttelte abermals den Kopf. »Seltsam. Sie h#228;tten der GRISSOM genau vor den Bug laufen m#252;ssen. Sie ist kaum zu #252;bersehen, wissen Sie. « »Vielleicht... vielleicht liegt es am Nebel«, sagte Trautman. »Er war wirklich schlimm. Man konnte sozusagen die Hand vor den Augen nicht sehen. « Er lachte unecht. »Ich hoffe, wir finden unser Schiff #252;berhaupt wieder. Es liegt drau#223;en vor Anker. Ich wollte nicht damit in den Hafen einlaufen. Die NAUTIC STAR ist nicht gro#223;, aber sie hat einen ziemlichen Tiefgang. « »Selbstverst#228;ndlich werde ich Sie und Ihre Enkel zu Ihrem Schiff zur#252;ckbringen lassen«, sagte Stanley. »Aber vorher m#252;ssen Sie mir die Ehre erweisen, mich auf die GRISSOM zu begleiten und dort mit mir zu essen. Das ist das mindeste, was ich Ihnen als Dank schulde. Immerhin haben Sie einem Matrosen der Royal Navy das Leben gerettet. Und ihr beiden –« Er drehte sich zu Mike und Serena um und l#228;chelte noch breiter. »– m#246;chtet doch bestimmt einmal ein richtiges Kriegsschiff aus der N#228;he sehen, oder?« »Ich f#252;rchte, dazu haben wir keine Zeit«, sagte Trautman rasch. »Wir m#252;ssen weiter. Wir haben eine Verabredung, die wir einhalten m#252;ssen. Wir haben schon viel zuviel Zeit verloren. Man wird in Sorge sein, wenn wir nicht p#252;nktlich kommen. Sie haben es ja selbst gesagt – die Gegend hier ist nicht besonders sicher. « »Ich kann Sie mit der GRISSOM ein St#252;ck begleiten«, sagte Stanley. Trautman winkte ab. »Das ist sehr freundlich, aber nicht n#246;tig. Wer h#228;tte schon Interesse daran, einem kleinen Fischerboot etwas zu tun. « Mike fand, da#223; er sich mit jedem Wort, das er sagte, weniger glaubhaft anh#246;rte. Er wurde immer nerv#246;ser, und Stanley machte sich nun gar nicht mehr die M#252;he,seine wahren Gef#252;hle zu verbergen. Aber zu Mikes #220;berraschung verzichtete er darauf, weiter in Trautman zu dringen, sondern zuckte nur mit den Schultern. »Ganz wie Sie w#252;nschen«, sagte er. »Aber dann darf ich Sie wenigstens noch nach drau#223;en begleiten. « Mike hatte damit gerechnet, da#223; sie sofort zum Boot gehen w#252;rden, aber Trautman wandte sich nach rechts und steuerte auf den Kolonialwarenladen zu, blieb aber nach einigen Schritten wieder stehen, da die L#228;den noch immer geschlossen waren. Er wirkte entt#228;uscht, was Stanley mit einem fl#252;chtigen L#228;cheln quittierte. »Ja, die Provinz«, sagte er sp#246;ttisch. »Seit ich hierhergekommen bin, wei#223; ich endlich, was man unter einem »Das ist wirklich nicht n#246;tig«, unterbrach ihn Trautman hastig. »Wir haben alles, was wir brauchen, vielen Dank. Ich wollte mir nur einige Zeitungen beschaffen. Wir sind jetzt seit zwei Wochen auf See, wissen Sie, und da ist man ganz begierig auf eine neue Zeitung. « Sie #228;nderten ihre Richtung und gingen nun wirklich auf das Boot zu, das von einer Gruppe M#228;nnern interessiert betrachtet wurde. Stanley folgte ihnen beharrlich. Er lachte wieder. »Sie w#228;ren sowieso entt#228;uscht worden«, sagte er. »Die neueste Zeitung, die Sie hier bekommen, d#252;rfte ein halbes Jahr alt sein. Aber wenn Sie an etwas Bestimmtem interessiert sind – vielleicht kann ich Ihnen Auskunft geben?« Seine Augen wurden schmal, und sein Blick war nun eindeutig lauernd. Mike w#252;nschte sich, sie h#228;tten Astaroth mitgenommen. Der Kater hatte auch mitkommen wollen, aber Trautman war der Meinung gewesen, da#223; es zu ungew#246;hnlich sei, auch noch in Begleitung einer Katze an Land zu kommen. Ein Fehler, wie sich im nachhinein herausstellte. Aufgefallen waren sie Stanley sowieso. Und der Kater h#228;tte seine Gedanken lesen und Mike mitteilen k#246;nnen, was dieser Mann »Oh, ich will nichts Bestimmtes wissen«, antwortete Trautman. »Ich bin einfach nur neugierig. Das hei#223;t – Trautman verneinte. »Nein. Wir haben uns immer dicht an der K#252;ste gehalten. Unser Schiff ist nicht hochseet#252;chtig, wie Sie ja wissen. Was sollte mir denn aufgefallen sein?« Stanley zuckte mit den Achseln. »Wenn Sie es gesehen h#228;tten, w#252;#223;ten Sie, wovon ich rede. « Sie hatten mittlerweile das Wasser erreicht. Die M#228;nner, die auf dem Kai standen, machten ihnen bereitwillig Platz, und Trautman kletterte als erster in das Boot hinunter. Stanley blickte ihm neugierig nach. »Eine interessante Konstruktion«, sagte er. »Was f#252;r eine Art Boot ist das? So etwas habe ich noch nie gesehen. « »Das ist... #228;h... ein Erbst#252;ck meines Vaters«, sagte Trautman. Er versuchte zu lachen, aber es wirkte so wenig #252;berzeugend wie alles andere, was er bisher getan hatte. »Der alte Herr hatte eine Vorliebe f#252;r verr#252;ckte Sachen. Es sieht interessant aus, aber es schwimmt nicht sehr gut. Bei jeder gr#246;#223;eren Welle mu#223; man Angst haben, da#223; es kentert. « Stanley nickte, aber er tat es auf eine Art, der man ansah, da#223; er sich seinen Teil dabei dachte. Doch er sagte nichts mehr, sondern trat beiseite, um Serena vorbeizulassen. Mike machte sich als letzter daran, ins Boot zu steigen. Dabei drehte er sich herum, und sein Blick fiel auf die Gruppe von drei oder vier M#228;nnern unten an der Stra#223;e, die er vorhin schon bemerkt hatte. Er erstarrte. Es war vielleicht nur eine Sekunde, da#223; er das Gesicht eines der M#228;nner deutlich sah, aber diese winzige Zeitspanne war mehr als ausreichend, um ihn zu erkennen. Er trug die gleiche Art einfacher, grober Kleidung, die hier #252;blich zu sein schien. Sein graues Haar war unter einer schwarzen M#252;tze verborgen und der untere Teil seines Gesichtes lag hinter einem schwarzen Wollschal, vorgebend, es vor dem schneidenden Wind zu sch#252;tzen, der vom Meer her wehte, in Wahrheit aber wohl eher, um den sauber gezwirbelten Kaiser-Wilhelm-Bart zu verdecken. Mike wu#223;te, da#223; er sich hinter dem Schal verbarg. Er hatte sich dieses Gesicht zu deutlich eingepr#228;gt, um es jemals wieder zu vergessen. Aber als Mike ebenfalls wieder in dessen Richtung blickte, war er verschwunden. Und mit ihm die drei anderen M#228;nner. »Mike!« sagte Trautman scharf. »Komm schon! Wir m#252;ssen los!« Mike erwachte aus seiner Erstarrung und fuhr herum. Er sprang mit einem Satz ins Boot, und noch w#228;hrend er um sein Gleichgewicht k#228;mpfte, l#246;ste Trautman bereits mit fliegenden Fingern das Tau, das das Boot am Ufer hielt. »Sir!« sagte Stanley scharf. »Auf ein Wort noch!« Trautman ignorierte ihn. Hastig warf er das Tau #252;ber Bord, griff nach einem der Ruder und versuchte, das Boot damit von der Kaimauer abzusto#223;en. »Trautman!« sagte Stanley. »Bleiben Sie, wo Sie sind!« Das war keine Bitte mehr, sondern ganz eindeutig ein Befehl. Jede Spur von Freundlichkeit war aus Stanleys Stimme verschwunden. Mike griff rasch nach dem zweiten Ruder, stemmte es gegen die Kaimauer und dr#252;ckte mit aller Kraft. Jetzt bewegte sich das Boot schneller, aber noch immer nicht schnell genug. Stanley hatte wohl eingesehen, da#223; sie seinem Befehl nicht freiwillig folgen w#252;rden, denn er beugte sich vor und versuchte, eines der Ruderbl#228;tter zu packen. Serena sprang auf und fuhr ihm mit den Fingern#228;geln #252;ber den Handr#252;cken. Stanley zog die Hand mit einem zornigen Schrei wieder zur#252;ck, und endlich kamen sie frei. Das Boot glitt tr#228;ge drei, vier Yards von der Kaimauer fort und begann sich auf der Stelle zu drehen, als Mike das Ruder ins Wasser tauchte. »Trautman, das ist ein Befehl!« donnerte Stanley. »Kommen Sie zur#252;ck!« Mike ruderte wie wild. Das Boot drehte sich scheinbar auf der Stelle und richtete den stumpfen Bug auf die Hafenausfahrt und den Nebel, der noch immer wie eine graue Wand davor aufragte. Trautman war nach hinten gehastet und hatte die Plane beiseitegeschlagen, unter der sich der Au#223;enbordmotor des Bootes verbarg. Stanley schrie ihnen ein weiteres Mal zu, dazubleiben, aber seine Worte gingen im Ger#228;usch des erwachenden Motors unter. Nur wenige Sekunden sp#228;ter begann das Wasser hinter dem Heck des Bootes zu brodeln, und sie schossen pfeilschnell auf die Hafenausfahrt und die offene See zu. Der Nebel verschluckte sie wie eine weiche, wei#223;e Wand, aber das Gef#252;hl der Sicherheit, auf das Mike wartete, stellte sich nicht ein. Er ertappte sich dabei, wie er sich immer wieder umdrehte und in das wogende Grau hinter dem Boot zur#252;ckblickte, und er erwartete jeden Augenblick, einen Verfolger dort auftauchen zu sehen. Was nat#252;rlich nicht geschehen w#252;rde. Das Boot war viel schneller als jedes Schiff, und der Nebel gab ihnen zus#228;tzlichen Schutz. »Das war knapp!« sagte Trautman. Auch er sah sich immer wieder um, was Mike klarmachte, da#223; auch er sich nicht sicher f#252;hlte. »Es tut mir leid«, sagte Mike kleinlaut. »Ich... ich wollte das nicht sagen. Aber als ich Winterfeld erkannt habe –« »Bist du sicher, da#223; er es war?« fragte Trautman. »Ganz sicher«, best#228;tigte Mike. Er hatte ihn allerh#246;chstens eine Sekunde gesehen, aber es gab #252;berhaupt keinen Zweifel – der Mann in der schwarzen Jacke war Winterfeld gewesen. »Ich wei#223;, ich h#228;tte mich beherrschen sollen, aber –« »Es ist nicht deine Schuld«, unterbrach ihn Trautman. »Stanley h#228;tte uns sowieso aufgehalten. Der Mann ist mi#223;trauisch. Und er ist nicht dumm. Er hat uns kein Wort geglaubt. Keine Angst – er wird uns nicht einholen. Bevor sein Schiff hier ist, sind wir l#228;ngst meilenweit weg. « Er bem#252;hte sich, optimistisch zu klingen, aber sein Gesichtsausdruck war sehr ernst. »Was mir Sorgen bereitet, ist Winterfeld«, sagte er. »Was macht er hier?« »Ich frage mich vielmehr, was diese »Aber es kann nicht stimmen«, widersprach Serena. »Nicht wenn sie beide hier sind. « Trautmans Gesicht verd#252;sterte sich noch weiter. »Ja«, murmelte er. »Das scheint mir auch so. Aber keine Sorge – wir werden es herausfinden, sobald wir wieder auf der NAUTILUS sind. Und wir –« Auch Trautman schien das Ger#228;usch zu beunruhigen, denn er erh#246;hte ihr Tempo. Die Sicht betrug vielleicht zehn oder f#252;nfzehn Meter. Sie waren viel zu schnell, um irgendeinem Hindernis, das unversehens vor ihnen auftauchen mochte, noch rechtzeitig auszuweichen. Mike schickte ein Sto#223;gebet zum Himmel, da#223; ihre Flucht nicht an einem Riff oder einer Sandbank enden mochte, die sie auf dem Weg hierher #252;bersehen hatten. Aber er beruhigte sich damit, da#223; Trautman ein ausgezeichneter Steuermann war, der wu#223;te, was er tat. Sie liefen auf kein Riff, und es vergingen auch nur noch einige wenige Sekunden, bis der Nebel ein wenig auflockerte. Die grauen Schwaden l#246;sten sich nicht ganz auf, aber sie konnten wenigstens wieder etwas weiter sehen. Was Mike allerdings Der Nebel lichtete sich weiter, und endlich sahen sie die NAUTILUS. Das Tauchboot befand sich noch eine gute Meile entfernt, und Mike registrierte voller Entsetzen, da#223; die Turmluke offen stand und sich die gesamte Besatzung an Deck aufhielt. Er begann zu schreien und mit beiden Armen zu gestikulieren, obwohl er selbst wu#223;te, wie wenig das nutzte. Sie waren viel zu weit entfernt, um geh#246;rt zu werden. Erf#252;llt von einem Gef#252;hl der Furcht, das einer Panik nahe kam, blickte er wieder zu ihrem Verfolger. Das Schnellboot war weiter zur#252;ckgefallen, aber nun sah er etwas, was ihm bisher entgangen war: Das Schnellboot war nicht nur ein Schnellboot – es war zugleich auch ein Kanonenboot. Auf dem Vorderdeck befand sich ein bisher unter einer Segeltuchplane verborgenes Gesch#252;tz, das nun von zwei M#228;nnern hastig freigelegt wurde. Mike zweifelte, da#223; sie bei dem Tempo, mit dem das Schiff durch die Wellen pfl#252;gte, einen gezielten Schu#223; abgeben konnten, aber allein der Anblick der Kanone, die sich auf sie richtete, lie#223; sein Herz schneller schlagen. Er sah wieder zur NAUTILUS hin#252;ber. Dort hatte man gottlob mittlerweile ebenfalls ihre Verfolger bemerkt. Singh und die anderen hasteten mit gewaltigen Schritten auf den Turm zu, und es verging nicht einmal eine Minute, bis das Wasser hinter dem Heck der NAUTILUS zu sprudeln begann. Offensichtlich hatte Singh zumindest nicht den Fehler begangen, die Maschinen ganz abzustellen. Ein dumpfer Knall wehte #252;ber das Meer, und nur einen Augenblick sp#228;ter scho#223; eine zwanzig Meter hohe Wassers#228;ule rechts von ihnen in die H#246;he. Der Schu#223; lag daneben, aber er zeigte Mike auch, da#223; ihre Verfolger entschlossen waren, sie unter allen Umst#228;nden aufzuhalten; koste es, was es wolle. Trautman fluchte erneut und versuchte, noch mehr Geschwindigkeit aus dem Motor herauszuholen, aber die kleine Maschine war an den Grenzen ihrer Leistungsf#228;higkeit angelangt. Das Kanonenboot feuerte ein zweites Mal. Diesmal schlug die Granate beunruhigend nahe bei ihrem Boot ein, aber das war wohl nur ein Zufall – der n#228;chste Treffer lag wieder weit vor ihnen im Wasser. Und der vierte Schu#223; noch weiter. Und dann hatte Mike das Gef#252;hl, von einer eisigen Hand ber#252;hrt zu werden. »Gro#223;er Gott!« fl#252;sterte er. »Sie feuern auf die NAUTILUS!« Wie um seine Worte zu best#228;tigen, gab die Kanone des Schnellbootes einen weiteren Schu#223; ab. Die Explosion zerri#223; die Wasseroberfl#228;che nur wenige Meter vom Heck der NAUTILUS entfernt. Das ganze Schiff schwankte. Aber auch Singh hatte die Gefahr erkannt. Die NAUTILUS setzte sich in Bewegung. Die n#228;chste Granate verfehlte sie wieder um weit mehr als hundert Meter, und dann stellten die M#228;nner auf dem Schnellboot das Feuer ein; wahrscheinlich, weil sie begriffen hatten, da#223; ein gezielter Schu#223; bei ihrem Tempo nicht m#246;glich war, und sie nicht genug Munition hatten, um auf einen Zufallstreffer hoffen zu k#246;nnen. »H#228;lt sie einen direkten Treffer aus?« fragte Mike nerv#246;s. »Ich hoffe«, antwortete Trautman. »Aber keine Angst – sie erwischen uns nicht. « Die NAUTILUS war mittlerweile herumgeschwenkt und hatte mehr Fahrt aufgenommen. Sie war jetzt fast so schnell wie sie selbst und wurde immer noch schneller, und eine einzige, aber gr#228;#223;liche Sekunde lang mu#223;te sich Mike mit aller Macht gegen den Gedanken wehren, da#223; Singh und die anderen vielleicht in Panik geraten waren und sie hier zur#252;cklie#223;en. Nat#252;rlich war das unvorstellbar. Singh w#252;rde sie niemals im Stich lassen, das wu#223;te er. Er hatte irgend etwas vor – aber es vergingen endlose Sekunden, bis Mike begriff, was. Die NAUTILUS lief nun genau vor ihnen her. Sie wurde jetzt wieder langsamer; nicht viel, aber doch genug, da#223; sich der Zwischenraum zwischen ihr und dem heranrasenden Boot allm#228;hlich wieder verringerte. Und endlich verstand er Singhs Plan – und es str#228;ubten sich ihm schier die Haare. Das Beiboot war normalerweise in einer eigens daf#252;r geschaffenen Aussparung im Heck der NAUTILUS untergebracht, die nun direkt vor ihnen lag – allerdings auch genau zwischen den beiden gewaltigen Schrauben, die das Schiff antrieben. Offensichtlich wollte Singh, da#223; Trautman das Boot genau in diese Aussparung hineinsteuerte, so da#223; sie praktisch in voller Fahrt zur NAUTILUS #252;berwechseln und unter Deck gehen konnten. Und da die NAUTILUS immer noch beinahe so schnell war wie ihr Verfolger, w#252;rden sie auf diese Weise keine wertvolle Zeit verlieren. Der Plan war gar nicht schlecht – leider aber auch lebensgef#228;hrlich. Ein einziger Fehler Trautmans, und sie w#252;rden die Aussparung verfehlen und gegen die Heckflosse prallen oder von den Schrauben zerfetzt werden. Nerv#246;s sah er zu ihrem Verfolger zur#252;ck. Der Abstand zwischen ihnen und dem Schnellboot war wieder gewachsen. Vielleicht befanden sie sich sogar schon au#223;er Schu#223;weite. Trotzdem sah Mike noch keinen Grund, aufzuatmen. Sie hatten nur eine einzige Chance. »Schaffen Sie es?« fragte er gepre#223;t. Trautman l#228;chelte nerv#246;s. »Keine Angst«, sagte er – in einem Ton, der ganz dazu angetan war, das gegenteilige Gef#252;hl in Mike auszul#246;sen. »Aber haltet euch fest. Es k#246;nnte ein bi#223;chen wackelig werden!« Mike und Serena klammerten sich am Bootsrand fest, w#228;hrend sie auf die NAUTILUS zuschossen. Ihr Tempo kam ihm pl#246;tzlich gar nicht mehr so viel geringer als das des Unterseebootes vor – ganz im Gegenteil. Auf dem letzten St#252;ck schien die NAUTILUS regelrecht auf sie zuzuspringen. Mike spannte instinktiv alle Muskeln im Leib an, w#228;hrend sie zwischen den beiden gewaltigen Schaumbergen, die die Schrauben aufwirbelten, hindurchjagten. Er konnte den rasenden, so t#246;dlich schnell drehenden Stahl hinter dem sprudelnden Wasser erkennen und glaubte sogar den Luftzug zu sp#252;ren, den die rotierenden Schrauben verursachten, dann waren sie dazwischen hindurch – und das Boot glitt mit schier unglaublicher Pr#228;zision in den eisernen Hafen, der im Heck der NAUTILUS eingelassen war, und ber#252;hrte fast sanft den Rumpf des Schiffes. Ein dumpfes Klacken erscholl, als die magnetischen Halterungen einrasteten. »Schnell jetzt!« schrie Trautman. »An Deck!« Mike sprang als erster aus dem Boot, fuhr herum und streckte Serena die Hand entgegen, um ihr zu helfen. Sie ignorierte diese, war mit einer Bewegung an ihm vorbei und rannte mit gewaltigen S#228;tzen auf den Turm der NAUTILUS und die offenstehende Luke zu. Der hintere Einstieg war verschlossen, und ihnen w#252;rde keine Zeit bleiben, ihn zu #246;ffnen. »Lauf!« schrie Trautman. »Wir haben kei –« Der Rest des Satzes ging in einem ungeheuren Dr#246;hnen und Krachen unter. Mike f#252;hlte sich wie von einer unsichtbaren Hand gepackt und mit grausamer Wucht auf das metallene Deck der NAUTILUS geschleudert. Er sp#252;rte den Schmerz kaum, aber eine Sekunde lang mu#223;te er mit aller Macht gegen die Bewu#223;tlosigkeit k#228;mpfen, die seine Gedanken umschlingen wollte. Rings um ihn herum schien die Welt in St#252;cke zu brechen. Das Dr#246;hnen und Krachen wollte nicht aufh#246;ren, und Mike f#252;hlte sich gleichzeitig von eisigem Wasser durchn#228;#223;t und von einem hei#223;en Luftzug getroffen. Funken stoben. Es roch nach verbranntem Metall. Trautman ri#223; ihn auf die F#252;#223;e und zerrte ihn einfach mit sich, w#228;hrend er auf den Turm zuhetzte. Sie waren getroffen worden, das war klar, aber er hatte keine Ahnung, wie schwer. W#228;hrend er die Leiter zum Einstieg hinaufkletterte, halb von Trautman gezogen, versuchte er zum Heck der NAUTILUS zur#252;ckzublicken. Eine schwarze Rauchwolke hatte die Heckflosse und das Beiboot eingeh#252;llt. Mike konnte nicht erkennen, welchen Schaden der Treffer angerichtet hatte. Er hoffte nur, da#223; der Stahl der NAUTILUS tats#228;chlich so hart und unzerst#246;rbar war, wie sie immer angenommen hatten. Immer noch halb benommen, kletterte er in den Turm hinab und wartete auf Trautman, der hastig den Einstieg #252;ber sich verriegelte. »Singh!« schrie er. »Tauchen! Kurs aufs offene Meer und tauchen! Sofort!« Trautman hatte kaum die ersten Stufen der nach unten ins Schiff f#252;hrenden Treppe hinter sich gebracht, da antwortete Singhs Stimme aus der Tiefe: »Es geht nicht! Irgend etwas ist besch#228;digt!« Trautman erstarrte. F#252;r einen Herzschlag machte sich Panik auf seinem Gesicht breit, dann fuhr er herum und trat an das fast mannshohe Steuerrad, das einen Gro#223;teil der Turmkammer beanspruchte. Pl#246;tzlich wirkte er ganz ruhig. Auf einen Wink hin l#246;ste Mike den H#246;rer der Sprechanlage von der Wand, die die Turmkammer mit dem Salon zwei Stockwerke unter ihnen verband, und reichte ihn ihm, w#228;hrend er selbst bereits nach dem Ruder griff. Singhs Stimme, die verzerrt aus dem kleinen Trichter drang, schien vor Panik fast #252;berzukippen. »Irgend etwas stimmt nicht!« schrie der Inder. »Alle Ger#228;te sind in Ordnung, aber sie will einfach nicht tauchen. Der Treffer mu#223; irgend etwas besch#228;digt haben!« »Ganz ruhig«, antwortete Trautman. Er atmete h#246;rbar ein, schlo#223; f#252;r eine Sekunde die Augen und deutete Mike dann mit einer Kopfbewegung, an eines der beiden gro#223;en Bullaugen zu treten und die Umgebung im Auge zu behalten. »Ich #252;bernehme die Steuerung von hier aus«, sagte Trautman. »Keine Angst – sie kriegen uns nicht. Wir sind immer noch doppelt so schnell wie sie. « »Ja«, sagte Mike, ehe Singh antworten konnte. »Aber daf#252;r sind sie doppelt so viele wie wir. « Trautman blinzelte, drehte den Kopf in seine Richtung – und wurde bleich, als sein Blick an Mike vorbei auf das Meer fiel. Die NAUTILUS hatte ihren Kurs abermals ge#228;ndert, so da#223; das Schnellboot nun nicht mehr direkt hinter ihnen lag und sie den Verfolger sehen konnten. Er war nicht mehr allein. Hinter dem Schnellboot war ein zweites, ungleich gr#246;#223;eres Schiff aufgetaucht, das mit voller Kraft auf sie zulief. In leuchtenden, wei#223;en Buchstaben war an seinem Bug der Name HMS GRISSOM aufgemalt. »Wo zum Teufel sind die so schnell hergekommen?« murmelte Mike fassungslos. »Das sieht ja fast so aus, als h#228;tten sie auf uns gewartet. « »Ja – oder auf jemand anderen«, sagte Trautman nachdenklich. Er blickte den englischen Zerst#246;rer noch eine Sekunde lang an, dann gab er sich einen Ruck und wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem offenen Meer vor der NAUTILUS zu. »Aber das nutzt ihnen auch nichts«, sagte er. »Stanley wird sich gleich verdammt wundern, wie schnell ein Schiff sein kann. « Er griff wieder nach dem Trichter der Sprechanlage. »Singh – ich brauche alle Kraft, die die Maschinen hergeben. Wir wollen unseren britischen Kollegen doch einmal zeigen, was das Wort »Das wirst du wissen, wenn es passiert«, antwortete Trautman. Er klang jetzt wieder nerv#246;s. Aufmerksam beobachtete Mike den Zerst#246;rer, der sichtbar hinter ihnen zur#252;ckzufallen begann, warf aber trotzdem ab und zu einen Blick nach vorne. Nach ein paar Sekunden bemerkte er etwas, was ihn verwirrte: Trautman hatte den Kurs abermals ge#228;ndert und steuerte das Schiff nun wieder parallel zur K#252;ste, statt das offene Meer anzulaufen, wie Mike erwartet hatte. Er sah wieder zur GRISSOM zur#252;ck – und im selben Augenblick begriff er voller Entsetzen, was Trautman gemeint hatte. Der Zerst#246;rer fiel immer schneller zur#252;ck, jetzt, wo die NAUTILUS mehr und mehr Fahrt aufnahm, aber abgesehen von seiner Gr#246;#223;e und Schnelligkeit gab es noch einen Unterschied zwischen dem Zerst#246;rer und dem Kanonenboot, das sie zuerst verfolgt hatte: Die GRISSOM verf#252;gte #252;ber wesentlich mehr Gesch#252;tze, und sie waren von gr#246;#223;erem Kaliber und hatten eine sehr viel gr#246;#223;ere Reichweite. Mikes Herz schien einen Schlag zu #252;berspringen, als er sah, wie sich zwei der Gesch#252;tzt#252;rme langsam in ihre Richtung drehten. »Trautman!« kr#228;chzte er. »Ich wei#223;«, antwortete Trautman, ohne aufzusehen. »Aber wir schaffen es, keine Angst. « Vom Deck der GRISSOM stiegen zwei wei#223;e Rauchwolken auf. Augenblicke sp#228;ter h#246;rte Mike ein schrilles Heulen, das rasend schnell n#228;her kam. Einer der beiden Sch#252;sse verfehlte die NAUTILUS um fast eine viertel Meile, aber die zweite Granate explodierte so nahe, da#223; das Schiff sich #228;chzend auf die Seite legte und eine gewaltige Woge den Turm #252;bersp#252;lte. Mike hielt sich hastig am T#252;rrahmen fest, w#228;hrend Trautman mit verbissener Kraft das Steuerruder umklammert hielt. Schritte polterten die Treppe herauf. Ben stolperte mit angstverzerrtem Gesicht in den Turm und w#228;re beinahe gegen Trautman geprallt, h#228;tte Mike ihn nicht im letzten Moment zur#252;ckgerissen. »Was ist passiert?« stammelte Ben. »Wieso – o Gott!« Seine Augen wurden gro#223;, als er die GRISSOM erblickte. »Das ist das Ende!« »Keine Angst«, sagte Trautman. »Wir m#252;ssen noch eine Salve #252;berstehen, dann sind wir in Sicherheit. Wir schaffen es!« Er deutete mit einer Kopfbewegung zur K#252;ste. Nicht weit vor ihnen erhob sich ein gewaltiger Felsen, der ein gutes St#252;ck weit ins Meer hineinragte. Offenbar hatte er vor, die NAUTILUS nahe genug an diesen Felsen heranzusteuern, um ihn als Schutz zwischen sich und die GRISSOM zu bringen. Und der Plan konnte aufgehen, dachte Mike. Bis der Zerst#246;rer den Felsen erreicht und umrundet hatte, waren sie au#223;er Schu#223;weite. Und wenn sie erst einmal auf offener See und in Sicherheit waren, konnten sie sich in aller Ruhe um die Sch#228;den k#252;mmern, die die NAUTILUS davongetragen hatte. »Wenn wir nur w#252;#223;ten, was kaputt ist!« st#246;hnte Mike. Pl#246;tzlich erschrak er und fuhr zu Ben herum. »Haben wir ein Leck?« »Nein«, antwortete Ben. »Das d#228;mliche Ding taucht einfach nicht, das ist alles!« »Wahrscheinlich ist nur das Tiefenruder verklemmt«, sagte Trautman. »Eine Kleinigkeit. Sobald wir in Sicherheit sind – Das letzte Wort hatte er geschrien, aber es ging trotzdem fast im Dr#246;hnen der Explosion unter, die das Meer nur wenige Meter vor der NAUTILUS auseinanderri#223;. Mike und Ben wurden von den F#252;#223;en und gegeneinander geschleudert, als sich die NAUTILUS wie ein waidwundes Tier aufb#228;umte und dann mit einem ungeheuren Krachen wieder ins Wasser zur#252;ckfiel. Als Mike sich benommen aufrichtete, hatten sie den Felsen fast erreicht. Zwei oder drei Sekunden lang sah er nichts als eine m#228;chtige graue Wand, die so nahe vor dem Fenster vor#252;berglitt, da#223; er auf das Scharren von Metall wartete und auf das schreckliche Ger#228;usch berstender Rumpfplatten. Trautman ging ein ungeheures Risiko ein, das Schiff so nahe an dem Hindernis vorbeizusteuern – aber jede Sekunde, die sie gewannen, konnte buchst#228;blich #252;ber Leben und Tod entscheiden. Und der furchtbare Schlag, auf den sie warteten, blieb aus. Pl#246;tzlich war der Felsen nicht mehr da, sondern wieder offenes Meer, und die NAUTILUS schien wie ein von der Kette gelassener Jagdhund loszuspringen und – Der Anblick war so grotesk, da#223; Mike vollkommen fassungslos das riesige, graugestrichene Kriegsschiff ansah, das nicht einmal eine halbe Meile vor ihnen lag. »Gro#223;er Gott!« fl#252;sterte Trautman. Auch er schien vollkommen gel#228;hmt zu sein. F#252;r einen endlosen Augenblick stand er einfach da und starrte das Schiff an, dann begann er wie besessen am Ruder zu drehen und griff mit der anderen Hand nach dem Sprechger#228;t. Aber irgendwie schaffte es Trautman. Weder Mike noch Ben –und wahrscheinlich nicht einmal Trautman selbst – h#228;tten hinterher sagen k#246;nnen, wie es ihm gelungen war, aber der t#246;dliche Zusammensto#223; blieb aus. Die NAUTILUS wurde langsamer. Der Bug tauchte tief in die sch#228;umende See ein und schwenkte dabei wieder herum, und schlie#223;lich kam das Schiff zur Ruhe–keine zwanzig Meter vor dem Kreuzer entfernt und jetzt parallel zu ihm liegend, so da#223; der Bug mit dem Rammsporn wieder auf das offene Meer hinauswies. Ihre Lage kam Mike wie eine b#246;se Ironie des Schicksals vor. Die Freiheit lag in Fahrtrichtung vor ihnen, nur wenige hundert Meter und einige Minuten entfernt, aber ebensogut h#228;tten sie sich auch im Zentrum der britischen Kriegsflotte befinden k#246;nnen. Der Kreuzer hatte s#228;mtliche Gesch#252;tze auf die NAUTILUS gerichtet, und Mike war sicher, da#223; sie das Feuer er#246;ffnen w#252;rden, wenn sich das Schiff auch nur r#252;hrte. Und aus dieser geringen Distanz »Moment mal«, sagte Ben pl#246;tzlich. »Das... das gibt es doch nicht!« »Was?« fragte Mike. Ben begann pl#246;tzlich mit beiden H#228;nden zu gestikulieren. »Bist du denn blind?« rief er. »Siehst du das etwa nicht? Das ist ein Mikes Augen weiteten sich ungl#228;ubig, w#228;hrend sein Blick #252;ber die Flanke des gewaltigen Schiffes glitt, das neben ihnen lag. Er starrte die Flagge mit dem wei#223;en Balkenkreuz auf schwarzem Grund an, und dann die Uniformen der Matrosen, die hinter den Gesch#252;tzen oder mit angelegten Gewehren an der Reling standen, und er wu#223;te, da#223; Ben recht hatte – aber er weigerte sich f#252;r einen Augenblick einfach noch, es zu glauben. »Das... das darf doch nicht wahr sein!« jammerte Ben. »Vermutlich gibt es in der ganzen deutschen Flotte nur einen Kapit#228;n, der wahnsinnig genug ist, direkt die englische K#252;ste anzulaufen, und wir laufen ausgerechnet ihm in die Arme. « Pl#246;tzlich wurde er noch blasser, als er ohnehin schon war. Mit einer entsetzten Bewegung fuhr er zu Trautman herum. »Fahren Sie los!« keuchte er. »Mein Gott, Trautman, wissen Sie, was passiert, wenn die GRISSOM hier auftaucht?! Sie... sie werden auf der Stelle #252;bereinander herfallen, und wir sind mitten zwischen ihnen! Wir werden in St#252;cke geschossen!« Trautman sah ihn nur traurig an. Sein Gesicht war grau geworden, und pl#246;tzlich sah er unendlich m#252;de und alt aus. Er r#252;hrte sich nicht, und er r#252;hrte auch das Ruder nicht an. Es w#228;re auch zu sp#228;t gewesen. Die HMS GRISSOM und das Schnellboot tauchten hinter dem Felsen auf. Mike hielt den Atem an. Nichts geschah. Weder das deutsche Schiff noch die GRISSOM er#246;ffnete das Feuer. Der Zerst#246;rer kam langsam n#228;her, begleitet von dem kleinen Kanonenboot, das sich nun wieder aus seinem Windschatten l#246;ste und direkt auf die NAUTILUS zufuhr. S#228;mtliche Gesch#252;tze der GRISSOM waren auf die NAUTILUS gerichtet. Auf die NAUTILUS – nicht etwa auf das deutsche Schiff. Und auch dessen Kanonen blieben weiter auf sie gerichtet, statt auf den Erzfeind einzuschwenken, wie Ben und Mike eigentlich erwartet hatten. Nicht einmal die Soldaten, die hinter der Reling des Kreuzers standen, bewegten sich. »He!« murmelte Mike. »Da... da stimmt doch was nicht!« Trautman schwieg noch immer. Aber auf seinem Gesicht war ein ungl#228;ubiger Ausdruck erschienen. Wortlos sahen sie zu, wie sich das Schnellboot n#228;herte, die NAUTILUS einmal umkreiste und dann ganz in der N#228;he des Turmes zur Ruhe kam. In seinem Bug erschien eine hochgewachsene, in eine dunkelblaue Marineuniform gekleidete Gestalt, die ein Megaphon in den H#228;nden hielt. »Ahoi, Kapit#228;n Trautman – oder wie immer Sie hei#223;en m#246;gen!« rief er. »Gestatten Sie, da#223; ich an Bord komme?« W#228;hrend die Besatzung des Schnellbootes eine Planke herbeischaffte, #252;ber die Stanley trockenen Fu#223;es auf das tiefer gelegene Deck der NAUTILUS gelangen konnte, #246;ffnete Trautman die Turmluke und kletterte als erster ins Freie – sehr langsam und mit erhobenen H#228;nden, was Mike im allerersten Moment ein wenig dramatisch vorkam. Aber als er ihm nach einigen Augenblicken folgte und einen Blick zur Reling des Zerst#246;rers emporwarf, da empfand er Trautmans Vorsicht als gar nicht mehr so #252;bertrieben. Zum ersten Mal sah er, wie viele Gewehre sich auf die NAUTILUS gerichtet hatten – er z#228;hlte sie nicht, aber es mu#223;ten weit #252;ber hundert sein. Und obwohl die Soldaten mit sprichw#246;rtlich preu#223;ischer Disziplin dastanden und sich nicht r#252;hrten, konnte er ihre Nervosit#228;t regelrecht f#252;hlen. Die Situation hatte etwas von der Lage eines Mannes an sich, der mit beiden F#252;#223;en in einer Sch#252;ssel voller Benzin steht und eine brennende Zigarette in der Hand h#228;lt. Ein winziger Fehler, vielleicht nur eine unbedachte Bewegung, und ihnen w#252;rde keine Zeit mehr bleiben, sie zu bereuen. Nach und nach kamen auch die anderen an Deck – Ben, Juan, Chris, Singh und schlie#223;lich als letzte Serena, dicht gefolgt von Astaroth und Isis, der kleinen schwarzwei#223;en Katze, die sie von ihrem Abenteuer auf dem Meeresgrund mitgebracht hatten. Niemand sprach. Selbst Astaroth, der normalerweise keine Gelegenheit auslie#223;, eine geh#228;ssige Bemerkung anzubringen, schwieg jetzt. Alle blickten Stanley mit steinernem Gesicht entgegen. Die Soldaten hatten den provisorischen Laufsteg mittlerweile befestigt. Ein halbes Dutzend mit Gewehren bewaffneter M#228;nner war auf das Deck der NAUTILUS heruntergekommen und hatte im Halbkreis rings um sie herum Aufstellung genommen, aber Stanley selbst z#246;gerte sonderbarerweise noch, das Schnellboot zu verlassen. Sein Blick irrte immer wieder zwischen der NAUTILUS und dem deutschen Kreuzer hin und her, als warte er auf etwas oder jemanden. Und er mu#223;te auch nicht mehr lange warten. Nach kaum einer Minute durchdrang das Ger#228;usch eines Motors die fast unheimliche Stille, die sich #252;ber dem Tauchboot ausgebreitet hatte, und dann kurvte eine kleine Barkasse um den Kreuzer herum und hielt unmittelbar neben Stanleys Schnellboot an. Mike beobachtete mit wachsender Verbl#252;ffung, wie ein halbes Dutzend deutscher Soldaten auf das Kanonenboot #252;bersetzte und sich von dort aus zu ihren englischen Kollegen gesellte. Als letzter setzte ein hochgewachsener, b#228;rtiger Mann in der Uniform eines Kapit#228;ns zu Stanley #252;ber. Die beiden tauschten einige knappe Worte und betraten dann gemeinsam die NAUTILUS. »Was um alles in der Welt bedeutet das?« murmelte Ben fassungslos. »Was hat er mit diesem Deutschen zu tun?« Trautman gebot ihm mit einer raschen Geste, zu schweigen. Er blickte den beiden Offizieren gebannt entgegen. Sie kamen nebeneinander n#228;her, fast im Gleichschritt, und obwohl sie sich so un#228;hnlich waren, wie es nur ging – Stanley eine schlanke, drahtige Erscheinung mit dem typischen Aussehen und Gehaben eines britischen Gentleman, der Deutsche ein wahrer Kolo#223;, gut einen Kopf gr#246;#223;er als Stanley und mit einem Gesicht, auf dem ein Lachen einfach unvorstellbar erschien, strahlten sie doch beide dieselbe Art von Autorit#228;t und Kompetenz aus. Nur etwas, auf das Mike wartete, fehlte: Zwischen den M#228;nnern war nicht die mindeste Feindschaft. Mike wiederholte in Gedanken die Frage, die Ben gerade gestellt hatte: Was Stanley und sein riesenhafter Begleiter kamen heran und blieben in zwei Schritten Abstand stehen. Stanley salutierte sp#246;ttisch, w#228;hrend der Deutsche Mike und die anderen nur aufmerksam und aus mi#223;trauisch funkelnden Augen ansah. »Kapit#228;n Trautman«, begann Stanley, nachdem Trautman seinen Gru#223; mit einem angedeuteten Kopfnicken erwidert hatte. »Ich sagte doch, da#223; ich darauf bestehe, Sie und Ihre Enkelkinder zum Dinner auf mein Schiff mitzunehmen. Wu#223;ten Sie nicht, da#223; man die Einladung eines britischen Offiziers nicht ausschl#228;gt?« »Ihr Humor ist unangebracht«, sagte Trautman. Er deutete auf die Soldaten, die mit angelegten Gewehren einen Halbkreis um sie bildeten, und dann auf den Deutschen. »Was geht hier vor? Haben wir etwas verpa#223;t? Ist der Krieg beendet?« »Zumindest f#252;r Sie – ja«, antwortete Stanley, noch immer in freundlichem Ton, aber jetzt nicht mehr l#228;chelnd. »Aber bitte verzeihen Sie meine Unh#246;flichkeit. Darf ich vorstellen: Kapit#228;nleutnant Brockmann, kommandierender Offizier des kaiserlichen Zerst#246;rers HALLSTADT. Die GRISSOM kennen Sie ja bereits. Wo ist der Rest Ihrer Besatzung, wenn ich fragen darf?« »Wir sind vollz#228;hlig versammelt«, antwortete Trautman. »Sie l#252;gen«, behauptete Brockmann. »Das sind doch nur ein paar Kinder. « Trautman zuckte gleichm#252;tig mit den Schultern. »Wenn Sie sich selbst davon #252;berzeugen wollen, bitte sch#246;n«, sagte er. »Die NAUTILUS steht Ihnen zur Verf#252;gung. Ich glaube ohnehin nicht, da#223; ich Sie daran hindern kann, sie zu durchsuchen. « »Das ist richtig«, erkl#228;rte Stanley l#228;chelnd. Er machte eine knappe Handbewegung. Zwei seiner M#228;nner und auch zwei der deutschen Soldaten h#228;ngten sich ihre Gewehre #252;ber die Schultern und kletterten hintereinander zur Turmluke hinauf, um im Inneren des Schiffes zu verschwinden. »Was geht hier #252;berhaupt vor?« fragte Trautman. »Was soll das alles bedeuten? Wieso schie#223;en Sie auf uns? Ich verlange eine Erkl#228;rung!« Stanley lachte erneut. »Sie haben Ihren Humor immer noch nicht verloren«, stellte er fest. »Das ist gut. Nat#252;rlich werde ich Ihnen Rede und Antwort stehen aber zuerst lassen Sie mich ein paar Fragen stellen, einverstanden?« »Zuallererst m#246;chte ich wissen, was dieser Deutsche hier zu suchen hat!« sagte Ben. Er deutete herausfordernd auf Brockmann, der mit unbewegtem Gesicht dastand. »Wir sind hier in britischen Gew#228;ssern. Was sucht ein deutsches Schiff hier? Noch dazu ein »Immer mit der Ruhe, mein Junge«, sagte Stanley. »Ich kann dir versichern, da#223; Kapit#228;nleutnant Brockmann mit vollem Wissen und Billigung der Queen und der britischen Regierung hier ist. Du bist Brite?« »Ja«, antwortete Ben. »Aber ich bin seit ein paar Minuten nicht mehr sicher, ob ich wirklich stolz darauf sein soll. « Stanley nahm auch das mit einem L#228;cheln hin. Er musterte aufmerksam die Gesichter der anderen. Schlie#223;lich blieb sein Blick an Singh h#228;ngen. »Inder, nehme ich an. « Singh antwortete nicht, aber das hatte Stanley wohl auch nicht wirklich erwartet, denn er setzte seine Musterung fort und wandte sich an Juan. »Wie ist dein Name, mein Junge?« »Juan«, antwortete Juan. »Juan de Perodesta. « »Spanier also. « Stanley nickte und ma#223; Trautman mit einem nachdenklichen Blick. »Trautman... « sagte er gedehnt. »Das klingt, als w#228;ren Sie ein Landsmann von Mister Brockmann. Da haben wir ja eine richtige multinationale Mannschaft, wie? Und da sage noch einmal jemand, da#223; verschiedene V#246;lker nicht friedlich zusammenarbeiten k#246;nnen. « Als n#228;chstes kam Serena an die Reihe. »Und du, meine Kleine?« Er hob rasch die Hand. »La#223; mich raten – das blonde Haar, ein sehr h#252;bsches Gesicht... Schweden? Norwegen?« »Ich komme aus Atlantis«, antwortete Serena. »Falls Sie wissen, wo das liegt. « Stanley blinzelte, starrte Serena eine Sekunde lang verbl#252;fft an und lachte schlie#223;lich wieder. »In der Tat«, sagte er, »eine wirklich erstaunliche Mannschaft haben Sie da, Mister Trautman. Aber irgendwie pa#223;t sie auch zu Ihrem Schiff. Sie haben diesen Kolo#223; tats#228;chlich nur mit einer Besatzung aus einer Handvoll Kinder gesteuert?« »Was f#252;r eine Art von Schiff ist das #252;berhaupt?« fragte Brockmann. »Ich habe so eine Konstruktion noch nie gesehen. « »Das glaube ich Ihnen gerne«, sagte Serena. Mike versuchte sie mit einem fast verzweifelten Blick zum Schweigen zu bringen, aber sie bemerkte es nicht. »Es stammt aus meiner Heimat. « »A ja, aus Atlantis, ich verstehe«, sagte Stanley l#228;chelnd. »Was f#252;r eine dumme Frage – deswegen ist es auch ein Unterseeboot, nicht wahr? Verraten Sie mir, unter welcher Flagge Sie fahren, Mister Trautman, und wie Ihr Schiff hei#223;t?« »Unter keiner Flagge«, sagte Trautman. »Und das Schiff hei#223;t NAUTILUS. « »NAUTILUS, originell«, sagte Stanley. Er l#228;chelte erneut, aber nur f#252;r ungef#228;hr eine halbe Sekunde, dann gefror das L#228;cheln regelrecht auf seinem Gesicht. Mit einem Ausdruck vollkommener Fassungslosigkeit starrte er erst Trautman an, dann fuhr er herum und sah sich wild um, so, als erwarte er im n#228;chsten Moment etwas Ungeheuerliches zu erblicken. »Etwa »Sie haben es erraten«, antwortete Trautman. Er seufzte leise, als er Mikes entsetzten Blick bemerkte. »Er h#228;tte es sowieso herausgefunden«, sagte er. »Tut mir leid, aber es ist aus. « »Die NAUTILUS?« Stanley schien immer noch nicht fassen zu k#246;nnen, was er sah und h#246;rte. »Kapit#228;n Nemos Schiff! Unglaublich! Dann... dann existiert es wirklich. Es ist nicht nur eine Legende!« Kopfsch#252;ttelnd wandte er sich an Brockmann, der die ganze Zeit schweigend und mit vollkommen unbewegter Miene zugeh#246;rt hatte. Dabei hatte der eine Satz, den er in akzentfreiem Englisch gesprochen hatte, bewiesen, da#223; er Stanleys Sprache ausgezeichnet beherrschte und jedes Wort verstanden haben mu#223;te. Die Selbstbeherrschung, die dieser Mann an den Tag legte, war Mike beinahe unheimlich. »Jetzt wird mir einiges klar«, sagte Stanley kopfsch#252;ttelnd. »Kein Wunder, da#223; wir Sie so lange vergeblich gesucht haben. Wenn auch nur die H#228;lfte von dem stimmt, was man sich #252;ber dieses Schiff erz#228;hlt, dann mu#223; es zu wahren Wunderdingen f#228;hig sein. « Mit einem pl#246;tzlichen Ruck drehte er sich wieder zu Trautman herum. Seine Augen wurden schmal. »Sie haben mir nicht etwa einen falschen Namen genannt, Mister Trautman? Oder sollte ich Sie besser Trautman l#228;chelte. »Nein. Ich bin nicht Nemo. Er ist schon lange tot. Und jetzt w#228;re ich Ihnen wirklich dankbar, wenn Sie mir endlich erkl#228;ren w#252;rden, was das alles hier zu bedeuten hat! Wieso schie#223;en Sie auf uns? Was soll diese Hetzjagd? Wir haben Ihnen nichts getan. Das einzige, was wir uns haben zuschulden kommen lassen, war, Ihren Seemann zu retten. Ist das neuerdings ein Verbrechen?« »Nein«, antwortete Stanley. Sein L#228;cheln erlosch wie abgeschaltet. Seine Stimme wurde hart. »Ich werde diesen Umstand selbstverst#228;ndlich erw#228;hnen. Vielleicht wird er Ihnen ja vor Gericht angerechnet. « »Vor Gericht? Was soll das hei#223;en?« fragte Mike. »Das soll hei#223;en, da#223; ihr alle zusammen Gl#252;ck habt, da#223; wir nicht mehr zu Kapit#228;n Nemos Zeiten leben«, sagte Brockmann an Stanleys Stelle. »Damals h#228;tte man euch kaum den Proze#223; gemacht, sondern euch kurzerhand erschossen. « »Den Proze#223;?! Aber was sollen wir denn getan haben?« »Wie w#228;re es mit Mord?« schlug Stanley vor. »Piraterie? Brandstiftung? Diebstahl... wahrscheinlich habe ich noch das eine oder andere vergessen, aber ich denke, f#252;r den Moment sollte das gen#252;gen. « »Wie bitte?« #228;chzte Ben. »Sind Sie verr#252;ckt? Wen sollen wir ermordet haben?« »Es reicht, mein Junge«, sagte Stanley, der nun #252;berhaupt nicht mehr freundlich klang, nicht einmal mehr geduldig. »Ich habe das Gef#252;hl, du h#228;ltst das Ganze hier immer noch f#252;r ein gro#223;es Abenteuer, wie? Aber es ist kein Spiel. Das ist es niemals gewesen. « Er straffte sich und drehte sich zu Trautman herum. Seine Stimme wurde sachlich. »Kapit#228;n Trautman, ich verhafte Sie und Ihre Besatzung im Namen Seiner Majest#228;t und des deutschen Kaisers wegen fortgesetzter Piraterie, Mord und Brandschatzung in mindestens siebenunddrei#223;ig F#228;llen. Ihr Schiff ist beschlagnahmt. Ich hoffe, Sie leisten keinen Widerstand. « Angesichts des knappen Dutzends Gewehre, das noch immer auf sie gerichtet war, empfand Mike den letzten Satz als l#228;cherlich. Aber Stanley schien ihn vollkommen ernst zu meinen, und auch Trautman sah nicht so drein, als am#252;siere er sich. »Das alles ist ein gewaltiger Irrtum, Kapit#228;n Stanley«, sagte er. »Bitte h#246;ren Sie mir f#252;nf Minuten zu. « »Man wird Ihnen weitaus l#228;nger zuh#246;ren, Mister Trautman«, sagte Stanley. »Aber nicht hier und nicht jetzt. Sie werden ausreichend Gelegenheit haben, sich zu rechtfertigen. « »Sie begehen einen furchtbaren Fehler, Stanley«, sagte Trautman. »Nein«, sagte Brockmann. »Wir haben nichts von alledem getan«, antwortete Trautman. »Aber wir wissen, wer es war. Wir sind aus demselben Grund hier wie Sie, Herr Kapit#228;nleutnant. Und ich glaube, wir sind dem Mann, den Sie jagen, ganz dicht auf den Fersen. Aber wenn Sie uns jetzt verhaften und die Suche abbrechen, dann entkommt er. Und die Verantwortung f#252;r das n#228;chste Schiff, das er versenkt, oder die n#228;chste Stadt, die er in Brand schie#223;t, tragen Sie dann. « Brockmann war keinerlei Reaktion anzumerken, aber Stanley sah tats#228;chlich ein wenig verunsichert drein. Er sagte nichts, blickte Trautman aber pl#246;tzlich sehr nachdenklich an. »Ich flehe Sie an!« sagte Trautman. »Ich verlange nicht, da#223; Sie uns laufen lassen, aber setzen Sie wenigstens die Suche fort. Wir k#246;nnen Ihnen dabei helfen. « »Darauf wette ich«, sagte Stanley sp#246;ttisch, aber Trautman blieb ernst. Seine Stimme wurde fast beschw#246;rend. »Die NAUTILUS hat eine viel gr#246;#223;ere Chance, die LEO-POLD zu finden, als Ihre Schiffe!« sagte er. »Schicken Sie eine Besatzung an Bord. Zwanzig, drei#223;ig – so viele Ihrer Soldaten, wie Sie wollen! Was k#246;nnen wir schon tun? Ein alter Mann und eine Handvoll Kinder!« Tats#228;chlich schien Stanley einen Moment ernsthaft #252;ber diesen Vorschlag nachzudenken. Aber bevor er antworten konnte, fragte Brockmann: »Von welchem Schiff haben Sie gerade gesprochen? Die LEOPOLD?« »Ich sehe, der Name sagt Ihnen etwas«, erwiderte Trautman. »Ja. Es war Kapit#228;n Winterfeld, der dies alles getan hat. Nicht wir. Ich kann es beweisen. « Brockmann schwieg, aber Stanley wirkte pl#246;tzlich noch nachdenklicher, als er sich an seinen deutschen Offizierskollegen wandte. »Verzeihen Sie mir meine Neugier, Herr Kapit#228;nleutnant – aber k#246;nnte es sein, da#223; es da etwas gibt, was ich wissen sollte?« »Nein«, antwortete Brockmann. Er war vielleicht ein tadelloser Offizier, dachte Mike, aber kein besonders #252;berzeugender L#252;gner. Trotzdem fuhr er fort: »Ein Bluff, mehr nicht. Es gab da einen... Zwischenfall, vor einem Jahr, das ist richtig. Aber ein deutscher Offizier w#252;rde so etwas nie tun. Daf#252;r lege ich meine Hand ins Feuer. « »Eine Hand wird kaum reichen«, sagte Ben. »Wir haben gesehen, wozu Winterfeld in der Lage ist. « Er deutete rasch hintereinander auf die GRISSOM und die HALLSTADT. »Die LEOPOLD ist ein Schlachtschiff, Herr Brockmann. K#246;nnen Sie sich vorstellen, was sie mit Ihren beiden Schiffen macht, wenn Sie wirklich das Pech haben, sie zu finden?« Brockmann schwieg. Sein Gesicht blieb unbewegt, aber die Jungen konnten regelrecht sehen, wie es hinter seiner Stirn arbeitete. Aber schlie#223;lich sch#252;ttelte er wieder den Kopf. »Nein«, sagte er. »Das ist absurd. « »Immerhin«, schlug Stanley vor, »k#246;nnten wir die Suche noch eine Weile fortsetzen. Wir bringen sie auf Ihr Schiff und lassen eine Mannschaft auf der NAUTILUS zur#252;ck. Die GRISSOM k#246;nnte dem urspr#252;nglichen Plan folgen und sich vor der Hafeneinfahrt auf die Lauer legen. Was haben wir schon zu verlieren?« »Meine Befehle lauten anders«, sagte Brockmann stur. Ben lachte ganz leise. »Pa#223;t auf«, sagte er, »jetzt fangen sie gleich doch an, sich gegenseitig die K#246;pfe einzuschlagen. Ich wette, die beiden #252;berlegen schon angestrengt, wie sie sich die NAUTILUS jeweils allein unter den Nagel rei#223;en k#246;nnen. « Er hatte laut genug gesprochen, damit Brockmann und Stanley seine Worte verstehen konnten.Brockmann musterte ihn nur k#252;hl, w#228;hrend Stanley zu Mikes #220;berraschung pl#246;tzlich nickte. »Das k#246;nnte in der Tat ein Problem werden«, sagte er. »Aber ich denke, wir finden auch daf#252;r eine L#246;sung. Sobald wir die NAUTILUS in einen Hafen geschleppt und sie alle den Beh#246;rden #252;bergeben haben, hei#223;t das. « Er machte eine unwillige, befehlende Geste. »Abf#252;hren!« Sie wurden an Bord des deutschen Kreuzers gebracht, und obwohl man sie mit ausgemachter H#246;flichkeit behandelte, wurden sie gr#252;ndlich nach Waffen durchsucht und einzeln eingesperrt, jeder f#252;r sich in eine winzige, vollkommen leere Kabine, in der es nicht einmal einen Stuhl gab, sondern nur ein Bett und einen am Boden verschraubten Tisch. Die T#252;r hatte innen keine Klinke, und das runde Fenster war sorgsam mit einer Sperrholzplatte verschlossen. Das Licht kam aus einer nackten Gl#252;hbirne, die unter einem ziemlich stabil aussehenden Drahtgitter unter der Decke angebracht war. Im Vorbeigehen hatte Mike bemerkt, da#223; die Unterk#252;nfte der anderen auch nicht anders aussahen. Offensichtlich war das Schiff daf#252;r vorbereitet gewesen, Gefangene aufzunehmen. Leider hatten sie nur die Falschen erwischt. Mike h#228;tte vor Entt#228;uschung und Wut heulen k#246;nnen. Er machte sich nicht einmal besonders gro#223;e Sorgen wegen der Anschuldigungen, die Stanley vorgebracht hatte. Sie waren einfach l#228;cherlich – wenn man ihnen nur die Gelegenheit dazu gab, w#252;rden sie beweisen k#246;nnen, da#223; sie nichts mit den #220;berf#228;llen auf Schiffe und H#228;fen zu tun hatten. Sp#228;testens wenn die LEOPOLD das n#228;chste Mal zuschlug, w#252;rde selbst Brockmann eingestehen m#252;ssen, da#223; sie das falsche Wild erlegt hatten. Aber das bedeutete auch, da#223; Winterfeld weiter ungest#246;rt sein Unwesen treiben und weitere Verbrechen begehen konnte. Und da#223; weitere Menschen sterben w#252;rden. Aber das war l#228;ngst nicht alles. Mike hatte den Gedanken zwar bisher erfolgreich verdr#228;ngt, doch nun, als er allein mit sich und seinen d#252;steren Gr#252;beleien war und mi#223;mutig auf der harten Pritsche hockte, kam er wieder, und diesmal gelang es ihm nicht mehr, die Augen davor zu verschlie#223;en: Sie w#252;rden die NAUTILUS verlieren. Selbst wenn sie ihre Unschuld beweisen konnten und alle Anschuldigungen fallengelassen wurden, w#252;rde man ihnen das Schiff wegnehmen. Sie hatten sich l#228;nger als ein Jahr erfolgreich vor dem Rest der Welt versteckt, weil sie alle ganz genau gewu#223;t hatten, was geschehen w#252;rde, sollte die Existenz der NAUTILUS jemals bekannt werden. Sie w#252;rden ihnen das Schiffwegnehmen, und als Mike an diesem Punkt seiner #220;berlegungen angelangt war, da war er pl#246;tzlich auch gar nicht mehr so sicher, da#223; man sie Mike war der Verzweiflung nahe. Es war nicht das erste Mal, da#223; er sich in einer scheinbar ausweglosen Lage befand, aber er hatte das ungute Gef#252;hl, da#223; sie diesmal nicht nur doch erreicht: ihnen die NAUTILUS wegzunehmen. Auf diese Weise verging eine Stunde, dann eine zweite. Mike schrak irgendwann kurz aus seinen Gedanken hoch und stellte fest, da#223; sich der Boden unter ihm zu bewegen begonnen hatte. Das Schiff hatte Fahrt aufgenommen, und nun w#252;rde es nicht mehr lange dauern, bis sie irgendeinen englischen Hafen erreichten. Doch es sollte anders kommen. Mike konnte nicht sagen, wie lange er so dasa#223; und sich seine Zukunft in den schw#228;rzesten Farben ausmalte, aber pl#246;tzlich begann sich etwas im gleichm#228;#223;igen Schaukeln des Schiffes zu ver#228;ndern, und zugleich klang das Ger#228;usch der Maschinen anders. Mike fuhr erschrocken hoch, als pl#246;tzlich ein schrilles nervt#246;tendes Ger#228;usch durch seine Kabine gellte. Das Heulen der Alarmsirene. Irgend etwas Unvorhergesehenes war passiert. Mike sprang auf, rannte zur T#252;r und begann mit den F#228;usten gegen den Stahl zu h#228;mmern. Aber der L#228;rm ging im Heulen der Sirene unter, und selbst wenn man ihn geh#246;rt h#228;tte, h#228;tte vermutlich niemand darauf reagiert. Irgend etwas Schreckliches ging dort drau#223;en vor, das wu#223;te er. Die Sirene h#246;rte nach einer Minute auf zu gellen, aber daf#252;r h#246;rte er jetzt andere, kaum weniger beunruhigende Ger#228;usche, die ged#228;mpft durch den zentimeterdicken Stahl der W#228;nde drangen: Schreie, das immer lauter werdende Dr#246;hnen der Schiffsmotoren, die hastigen Schritte schwerer Stiefel und Befehle, die gerufen wurden – und dann etwas, was ihn wie unter einem elektrischen Schlag zusammenfahren lie#223;: ein dumpfes, dreifaches Krachen, dessen Echo das ganze Schiff zum Vibrieren brachte. Es war noch nicht lange her, da hatte er dieses Ger#228;usch schon einmal geh#246;rt, wenn auch aus gr#246;#223;erer Entfernung. Die Gesch#252;tze der HALLSTADT hatten das Feuer er#246;ffnet. Mikes Gedanken begannen sich zu #252;berschlagen. Das Schiff feuerte. Aber worauf? Weshalb? Hatte Ben am Ende recht behalten, und die beiden Kriegsschiffe lieferten sich nun einen verbissenen Kampf um die NAUTILUS? Die HALLSTADT erbebte wie unter einem Hammerschlag, allerdings eines Hammers, der nicht viel kleiner als das Schiff selbst sein konnte und von Poseidon selbst gef#252;hrt wurde. Ein trommelfellzerrei#223;endes Kreischen und Dr#246;hnen marterte Mikes Ohren und lie#223; ihn mit einem Schrei zur#252;cktaumeln. Eine Sekunde sp#228;ter wurde er von den F#252;#223;en gefegt und prallte so heftig gegen die R#252;ckwand der Kabine, da#223; er buchst#228;blich Sterne sah, aber erst, als das Schiff zum dritten Mal wie eine gigantische Glocke zu dr#246;hnen begann und er das Kreischen von zerrei#223;endem Metall h#246;rte, begriff er wirklich, was geschah. Sie waren getroffen worden. Die GRISSOM hatte das Feuer erwidert, und ihre Gesch#252;tzmannschaften schienen zu halten, was man sich #252;ber britische Kanoniere erz#228;hlte. Das Schiff zitterte und bebte, legte sich so weit auf die Seite, da#223; Mike erneut zu Boden geworfen wurde. Auch die Gesch#252;tze der HALLSTADT feuerten jetzt wieder, aber Mike z#228;hlte nur zwei Sch#252;sse, dann wurden sie abermals getroffen. Und diesmal mu#223;te es wohl eine volle Breitseite der GRISSOM sein, die in Rumpf und Deck des deutschen Kreuzers einschlug. Die n#228;chsten Minuten wurden zu einem Alptraum, der einfach kein Ende nehmen wollte. Treffer auf Treffer sch#252;ttelte die HALLSTADT. Das Kreischen von zerberstendem Metall, der L#228;rm der Explosionen, die Schreie und die furchtbaren St#246;#223;e, die den Boden unter ihm wie ein bockendes Pferd hin und her springen lie#223;en, vereinigten sich zu einem schier unvorstellbaren Chaos. Mike lag gekr#252;mmt in einer Ecke seiner Kabine und hatte beide H#228;nde gegen die Ohren gepre#223;t, aber es nutzte nichts. Er schien den L#228;rm weniger zu h#246;ren, als vielmehr mit dem ganzen K#246;rper wahrzunehmen. Die Luft war pl#246;tzlich stickig und hei#223;, er h#246;rte das Prasseln von Flammen und sp#252;rte den stechenden Geruch von gl#252;hendem Metall. Er hatte Angst wie nie zuvor in seinem Leben. Und dann, ganz pl#246;tzlich, h#246;rte es auf. Die letzte Explosion verklang, und eine fast unheimliche, atemlose Stille breitete sich #252;ber dem Schiff aus. Trotzdem blieb Mike noch eine volle Minute reglos am Boden liegen, ehe er es schlie#223;lich wagte, sich ganz langsam aufzurichten. In seinen Ohren dr#246;hnte es, und der Brandgeruch war so intensiv geworden, da#223; er den Hustenreiz kaum mehr unterdr#252;cken konnte. Mindestens eine der Granaten mu#223;te in unmittelbarer N#228;he eingeschlagen sein. Das Schiff brannte, das war klar. Und es hatte eine deutliche Schlagseite. Vielleicht, dachte Mike, sinkt es bereits, und er w#252;rde hier drinnen j#228;mmerlich ertrinken, eingesperrt in ein Gef#228;ngnis, das unversehens zur Todeszelle geworden war. Z#246;gernd trat er an die T#252;r und r#252;ttelte ein paarmal daran. Sie r#252;hrte sich nicht. Die HALLSTADT war wahrscheinlich kaum noch mehr als ein brennendes Wrack, aber er war immer noch gefangen. Zumindest konnte er jetzt wieder etwas h#246;ren. Das Rauschen und Klingen in seinen Ohren verebbte ganz allm#228;hlich, und er begriff jetzt, da#223; es niemals still gewesen war. Im Gegenteil: Durch die T#252;r drangen Schreie und andere schreckliche Ger#228;usche zu ihm, und dazwischen h#246;rte er immer wieder Sch#252;sse, auch ein paarmal das H#228;mmern eines Maschinengewehrs, was bewies, da#223; der Kampf noch lange nicht vorbei war. Mike fragte sich, was mit den anderen geschehen war. Sie waren alle auf demselben Korridor untergebracht worden. Der Gedanke, da#223; einer seiner Freunde vielleicht nicht mehr lebte, machte ihn ganz krank. Was f#252;r ein Wahnsinn! dachte er. Und das alles nur wegen eines Mike wich automatisch bis an die gegen#252;berliegende Wand zur#252;ck, als er h#246;rte, wie der Riegel drau#223;en zur#252;ckschoben wurde. Eine Woge stickiger, hei#223;er Luft und flackernder Feuerschein fielen in die Kabine, so da#223; er die beiden M#228;nner, die zu ihm hereinkamen, im ersten Moment nur als schattenhafte Umrisse erkennen konnte. Dann packte ihn einer der beiden grob am Arm und stie#223; ihn derb vor sich her auf den Gang hinaus. Das erste, was Mike bewu#223;t wahrnahm, nachdem er die Kabine verlassen hatte, war Serena. Sie war zwar bleich vor Schreck, und ihr Gesicht war voller Ru#223;, aber sie war unverletzt. Mike wollte erleichtert auf sie zutreten, aber der Mann, der ihn aus der Kabine gezerrt hatte, hielt ihn mit einer #228;rgerlichen Bewegung zur#252;ck, so da#223; Mike es bei einem L#228;cheln in Serenas Richtung belie#223;, ehe er sich herumdrehte und in die entgegengesetzte Richtung sah. Der Korridor bot einen furchterregenden Anblick. Irgend etwas brannte und verbreitete flackernde r#246;tliche Helligkeit und eine erstickende Hitze. In der Decke g#228;hnte ein fast metergro#223;es Loch, aus dem eine z#228;he Fl#252;ssigkeit tropfte, die auf dem gl#252;henden Boden darunter zu Dampf verzischte, und hinter dem wallenden Rauch konnte Mike die reglosen Gestalten von zwei Soldaten erkennen, die am Boden lagen. S#228;mtliche T#252;ren standen offen. Er entdeckte Singh, Chris, Ben, Juan und schlie#223;lich Trautman, der von einem Mann grob aus seiner Gef#228;ngniszelle gezerrt wurde. Alle sahen zutiefst entsetzt aus, aber trotzdem begriff Mike, da#223; ein kleines Wunder geschehen war – keiner von ihnen war ernsthaft verletzt worden. Das Benehmen der bewaffneten M#228;nner, die sie aus ihren Kabinen zerrten, lie#223; keinen Zweifel daran aufkommen, da#223; sie noch immer Gefangene waren. Einer von ihnen hatte Singh, der wohl versucht hatte, sich zu wehren, mit einem Kolbensto#223; zu Boden geschleudert, die anderen trieben sie jetzt mit vorgehaltenen Gewehren zusammen. #220;berhaupt – sie Sie wurden grob den Gang entlang und dann die eiserne Treppe zum Oberdeck des Schiffes hinaufgetrieben, und wohin Mike auch sah, erblickte er #252;berall neue Spuren von immer gr#246;#223;erer Zerst#246;rung. Es schien buchst#228;blich keinen Meter an Bord des Kreuzers zu geben, der nicht inMitleidenschaft gezogen worden war. #220;berall brannte es, #252;berall erblickte er verbogenes, zerrissenes Metall, und er sah Dutzende von Verletzten, vielleicht auch Toten. In Mikes Hals sa#223; ein bitterer, harter Klo#223;, und er k#228;mpfte mit den Tr#228;nen. Obwohl dieser entsetzliche Krieg seit anderthalb Jahren tobte und allm#228;hlich die ganze Welt in Brand zu setzen schien, hatten sie bisher doch so gut wie nichts davon selbst miterlebt. Sicher, sie hatten die schrecklichen Nachrichten aus allen Teilen der Welt aufmerksam verfolgt, aber sie hatten es aus Nichts von alledem war Wirklichkeit. Es gab auf diesem Schiff keine Helden, keine tapferen Krieger und heroische Taten, und wahrscheinlich gab es sie nirgendwo, auf keinem Schlachtfeld der Welt und in keinem Krieg. Es gab nur Tod, Grauen und vollkommen sinnlose, blindw#252;tige Zerst#246;rung. Mike war zutiefst ersch#252;ttert und von einem Entsetzen gepackt, das er sich vor ein paar Minuten noch nicht einmal hatte vorstellen k#246;nnen. Sie kamen an einigen toten deutschen Matrosen vorbei, und er empfand nicht wirkliche Trauer bei ihrem Anblick, sondern ein Gef#252;hl, das er selbst nicht richtig einzuordnen imstande war. Es war so... so sinnlos. Diese M#228;nner hier hatten vielleicht selbst Familien gehabt und zwei-, drei-, viermal solange gelebt wie er – und waren in nur einer einzigen Sekunde ausgel#246;scht worden. Auch das Deck des Kriegsschiffes bot keinen anderen Anblick: Die HALLSTADT brannte lichterloh. Das hintere Drittel des Schiffes schien vollkommen in Flammen zu stehen, und die Hitze war fast unertr#228;glich. Der Himmel #252;ber ihnen war schwarz von Qualm. In den Br#252;ckenaufbauten g#228;hnten zahllose, schwarz umrandete L#246;cher, aus denen Flammen und Rauch quollen. Es war ein wahres Wunder, da#223; das Schiff nicht schon l#228;ngst gesunken war. Die GRISSOM hat tats#228;chlich ganze Arbeit geleistet, dachte Mike bitter. Wie es aussah, hatte Brockmanns Schiff nicht die geringste Chance gehabt – obwohl es ein gutes St#252;ck gr#246;#223;er und wohl auch besser bewaffnet gewesen war als der englische Zerst#246;rer. Dann gingen sie an den Ruinen der brennenden Br#252;cke vorbei, und als Mikes Blick auf das Meer auf deranderen Seite des Schiffes hinausfiel, sah er etwas, was alle seine #220;berlegungen hinf#228;llig machte: die HMS GRISSOM. Sie lag keine hundert Meter von der HALLSTADT auf der Seite und sank. Das Meer war ringsum mitTr#252;mmerst#252;cken und brennendem #214;l bedeckt. Zahllose Matrosen befanden sich im Wasser und versuchten verzweifelt von dem sinkenden Wrack wegzuschwimmen, um nicht von seinem Sog mit in die Tiefe gerissen zu werden. Trotzdem verharrte Mikes Blick nur eine Sekunde auf dem sinkenden Zerst#246;rer und den verzweifelt um ihr Leben schwimmenden Matrosen, denn hinter der GRISSOM war noch ein weiteres Schiff aufgetaucht. Es war weitaus gr#246;#223;er als die GRISSOM und schien nur aus Panzerplatten und starrenden Gesch#252;tzen zu bestehen, und obgleich sowohl der Name als auch die Hoheitskennzeichen sorgsam #252;bermalt worden waren, gab es wohl keinen in der kleinen Gruppe, der es nicht sofort erkannt h#228;tte. Es war die LEOPOLD. Mike hatte sich geirrt. Alles war ganz anders. Nicht Stanley und Brockmann waren #252;bereinander hergefallen, sondern der Feind, den sie eigentlich gemeinsam hatten bek#228;mpfen wollen, in einem Moment der Unachtsamkeit #252;ber sie. Bens Prophezeiung, was geschehen w#252;rde, wenn die beiden Schiffe auf Winterfelds Schlachtkreuzer trafen, war grausame Realit#228;t geworden. Auch die LEOPOLD war besch#228;digt: Hier und da flackerten vereinzelte Br#228;nde, und aus dem Heck des Schiffes quoll eine fettige, schwarze Wolke, die sich mit der brodelnden Rauchdecke #252;ber dem Meer vermischte. Aber das waren im Grunde nur Nadelstiche, die diesen Giganten nicht wirklich beeindrucken konnten. Mike blieb kaum Zeit, seinen neuerlichen Schreck zu verarbeiten. Hinter ihnen h#228;mmerten schwere Schritte auf dem Metall des Decks, und als Mike sich herumdrehte, gewahrte er niemand anderen als Kapit#228;n Winterfeld selbst, der in Begleitung eines halben Dutzend Bewaffneter auf sie zukam. Die M#228;nner waren auf dieselbe abenteuerliche Weise gekleidet wie die, die Mike und die anderen an Deck gebracht hatten, aber Winterfeld trug jetzt wieder seine Paradeuniform, die aussah, als k#228;me sie frisch aus der Reinigung. Mike fiel allerdings auf, da#223; ihr Tr#228;ger sorgsam alle milit#228;rischen Rangabzeichen und vor allem die Insignien seines Landes entfernt hatte. »Winterfeld!« sagte Trautman. Er wollte einen Schritt auf Winterfeld zu machen, wurde aber sofort von seinen Bewachern daran gehindert. »Ich h#228;tte mir denken k#246;nnen, da#223; Sie dahinterstecken. Nur Sie sind zu einem solchen Verbrechen f#228;hig!« Winterfeld sah den wei#223;haarigen Steuermann der NAUTILUS eine Sekunde lang mit einem sonderbaren Ausdruck an. Dann gab er den beiden M#228;nnern, die Trautman hielten, einen Wink, woraufhin diese ihn loslie#223;en. »Glauben Sie mir – ich habe das nicht gerne getan«, sagte er leise. »O nein, sicher nicht«, antwortete Trautman. »Die Trauer steht Ihnen deutlich ins Gesicht geschrieben. « Winterfeld seufzte. Trautmans Worte schienen ihn nicht zu ver#228;rgern, sondern vielmehr mit Trauer zu erf#252;llen, was Mike verwirrte. »Ich kann Ihre Gef#252;hle verstehen, Herr Trautman«, sagte er ruhig. »Wir werden sp#228;ter hinl#228;nglich Gelegenheit haben, #252;ber alles zu reden. Vielleicht werden Sie dann auch mich verstehen. Aber im Moment haben wir Wichtigeres zu tun. « Er trat an ihm vorbei und musterte die anderen reihum. Sein Blick blieb auf Mikes Gesicht h#228;ngen. »Es freut mich, dich wiederzusehen, mein Junge«, sagte er. »Ihr seid alle unversehrt, hoffe ich?« »Mich freut es nicht«, antwortete Mike zornig. »Und ich will nicht mit Ihnen reden, Sie... Sie M#246;rder!« Winterfeld fuhr leicht zusammen, sagte aber nichts, sondern wandte sich an Serena. »Unsere kleine Prinzessin ist auch noch dabei, wie ich sehe«, sagte er. »Das ist gut. Ich hoffe, du hast dich mittlerweile ein wenig in unserer Welt zurechtgefunden?« Serena funkelte ihn nur ha#223;erf#252;llt an, und Winterfelds L#228;cheln wirkte pl#246;tzlich ein wenig verkrampft. »Ich hoffe auch, du hast mittlerweile gelernt, dein Temperament zu z#252;geln, junge Dame«, fuhr er fort. »Ich habe die Umst#228;nde unseres letzten Zusammentreffens nicht vergessen. Ich wei#223;, wozu du f#228;hig bist. Aber ich habe entsprechende Vorkehrungen getroffen, sei gewi#223;. « Mike begriff, was Winterfeld meinte. Er hatte keine Ahnung, da#223; Serena l#228;ngst nicht mehr im Besitz ihrer Zauberkr#228;fte war! Und wie sollte er auch? Als sie das letzte Mal zusammengetroffen waren, da hatte Serena um ein Haar sein Schiff vernichtet, nur Kraft ihrer Gedanken! Winterfeld schien Serenas Schweigen als Zustimmung zu werten, denn er setzte das Gespr#228;ch nicht fort – zumal in diesem Moment eine weitere Gruppe seiner Soldaten #252;ber das Deck herankam, die eine riesenhafte, in eine zerfetzte und angesengte Uniform gekleidete Gestalt vor sich hertrieb. Mike erkannte Brockmann kaum wieder. Der Kapit#228;nleutnant war verletzt. Er hatte den rechten Arm angewinkelt und zog das Bein nach, und sein Gesicht und seine Schulter waren voller Blut. Er musterte Winterfeld mit blankem Ha#223;. »Herr Brockmann!« Winterfeld trat Brockmann entgegen und salutierte. Brockmann r#252;hrte sich nicht. Er starrte Winterfeld nur weiter aus brennenden Augen an. »Sie sind verletzt, wie ich sehe«, fuhr Winterfeld fort. »Das bedauere ich. Sie werden sofort #228;rztlich versorgt, sobald wir auf meinem Schiff sind. « »Danke, ich verzichte«, antwortete Brockmann. Seine Stimme bebte. Auch die Selbstbeherrschung dieses Mannes hatte Grenzen. »Ich lege keinen Wert darauf, Hilfe von Piraten und M#246;rdern zu bekommen. « »Sie entt#228;uschen mich, Herr Kapit#228;nleutnant«, sagte Winterfeld kopfsch#252;ttelnd. »F#228;llt es Ihnen so schwer, eine Niederlage hinzunehmen? Wenn es Sie tr#246;stet – Sie hatten keine Chance. Nicht mit diesem Schiff. « »Das war keine Niederlage«, antwortete Brockmann. »Das war Mord. Ich lehne es ab, mit Ihnen zu reden. « »Aber, Herr Brockmann«, sagte Winterfeld kopfsch#252;ttelnd. »Ich bitte Sie! Sie sind Soldat wie ich. Mu#223; ich Sie daran erinnern, da#223; Sie selbst vor nicht einmal zwei Monaten eine franz#246;sische Fregatte versenkt haben. Die Zahl der Opfer belief sich, wenn ich mich richtig erinnere, auf –« »Ich verbitte mir diesen Vergleich«, unterbrach ihn Brockmann scharf. »Wir sind im Krieg. Aber das hier war ein Akt der Piraterie!« »Das ist Auffassungssache«, antwortete Winterfeld achselzuckend. »Nun, wir werden auch dar#252;ber noch ausgiebig diskutieren k#246;nnen. Im Moment ist leider keine Zeit daf#252;r. Ist Ihr Erster Offizier noch am Leben?« »Ich glaube ja«, antwortete Brockmann. »Warum? Wollen Sie ihn ertr#228;nken lassen?« Winterfeld nahm die Provokation hin, ohne mit der Wimper zu zucken. »Bitte lassen Sie ihn suchen, und #252;bergeben Sie ihm das Kommando #252;ber Ihr Schiff«, sagte er. Er machte eine Geste auf das Meer hinaus.»Meine M#228;nner werden ihm dabei behilflich sein, die #220;berlebenden der GRISSOM zu bergen. Die HALLSTADT ist zwar man#246;vrierunf#228;hig, aber sie wird nicht sinken. Und sobald wir einen ausreichenden Sicherheitsabstand erreicht haben, werde ich ihr Hilfe schicken. Sie werden mich auf die LEOPOLD begleiten m#252;ssen, f#252;rchte ich. « »Und wenn ich mich weigere?« fragte Brockmann. Winterfeld sch#252;ttelte tadelnd den Kopf. »Sie sind nicht in der Situation, sich zu weigern«, sagte er. »Ich schlage Ihnen einen Handel unter Offizieren und Ehrenm#228;nnern vor. Ich verzichte darauf, dieses Wrack endg#252;ltig zu versenken, und Sie geben mir Ihr Ehrenwort, mich zu begleiten und keinen Fluchtversuch zu unternehmen. « Er ma#223; Brockmann mit einem langen, nachdenklichen Blick. »Einverstanden?« »Habe ich eine andere Wahl?« fragte Brockmann. »Kaum«, antwortete Winterfeld. »Also?« »Sie haben mein Wort«, sagte Brockmann zornig. »Aber nur, weil –« Winterfeld unterbrach ihn mit einer Geste, mit der er Brockmanns Bewacher gleichzeitig befahl, ihn loszulassen. Der riesenhafte Mann schwankte, aber er hielt sich aus eigener Kraft auf den F#252;#223;en. »Also gut, meine Herren«, sagte Winterfeld, wandte sich kurz zu Serena um und verbeugte sich sp#246;ttisch. »Und meine Dame, selbstverst#228;ndlich. Gehen wir. Wir haben noch einen weiten Weg vor uns. « Eine knappe halbe Stunde, nachdem man sie an Bord der LEOPOLD gebracht hatte, nahm das Schiff wieder Fahrt auf, und kurz darauf wurden Mike und Trautman zu Winterfeld gebracht. Die Kabine, in der sie gemeinsam untergebracht waren, hatte keine Fenster, so da#223; sie keinen Blick nach drau#223;en werfen konnten, aber Mike war kein bi#223;chen #252;berrascht, als sie auf das Deck hinaustraten und sahen, da#223; das Schlachtschiff wieder Kurs auf das offene Meer genommen hatte – und da#223; die NAUTILUS ihnen folgte. Das Tauchboot war mit einigen dicken Tauen und einer Ankerkette mit fast mannsgro#223;en, st#228;hlernen Gliedern an der LEOPOLD befestigt, und obwohl der Anblick Mike einen tiefen Stich versetzte, beruhigte er ihn auch zugleich ein wenig, denn er bewies, da#223; Winterfelds M#228;nner nicht in der Lage waren, das Schiff zu steuern. Winterfeld erwartete sie in der Kapit#228;nskaj#252;te, unmittelbar hinter der Br#252;cke. Mike war nicht zum ersten Mal hier, aber er erkannte den Raum trotzdem kaum wieder. Die ehedem so pedantisch aufger#228;umte Kabine hatte sich in ein Chaos verwandelt. Ein zweiter Tisch war hereingeschafft worden, auf dem sich Karten, B#252;cher und Hunderte von eng beschriebenen Bl#228;ttern stapelten, das Bild des deutschen Kaisers und die dazu passende Fahne, die die Wand hinter Winterfelds Schreibtisch geziert hatten, waren verschwunden und hatten weiteren Karten und gro#223;formatigen Diagrammen und Bl#228;ttern mit mathematischen Formeln und Berechnungen Platz gemacht, und auch Winterfelds Schreibtisch brach schier unter der Last von noch mehr Karten, B#252;chern und Diagrammen zusammen. Der Anblick verwirrte Mike. Er hatte damit gerechnet, da#223; es hier nicht mehr so aussehen w#252;rde wie bei seinem letzten Besuch – aber Winterfelds Kabine sah ganz und gar nicht so aus wie die Kommandozentrale eines Er erlebte eine zweite #220;berraschung, als wenige Sekunden nach ihrem Eintreffen die T#252;r erneut ge#246;ffnet wurde und mehrere von Winterfelds Soldaten Kapit#228;nleutnant Brockmann und seinen englischen Kollegen Stanley hereinf#252;hrten. Brockmann humpelte jetzt viel mehr als vorhin, aber er hatte eine saubere Jacke an, und die Platzwunde in seinem Gesicht war behandelt worden. Sein Arm hing in einer Schlinge. Offensichtlich hatte sein Stolz doch nicht so weit gereicht, da#223; er es ablehnte, von Winterfelds#196;rzten behandelt zu werden. Stanley war unverletzt, aber sein Gesichtsausdruck war ebenso finster wie der des Deutschen. Beide M#228;nner nahmen auf einen Wink Winterfelds hin wortlos Platz. Auf einen zweiten Wink hin verlie#223;en die Soldaten den Raum wieder. »Nun, meine Herren«, begann Winterfeld, an die beiden Offiziere gewandt, »ich hoffe, Sie hatten Gelegenheit, sich ein wenig zu sammeln. Die #252;berlebenden Matrosen der GRISSOM wurden an Bord der HALLSTADT gebracht?« Die Frage galt Brockmann, der sie mit einem nur angedeuteten Nicken beantwortete. Sein Gesicht war wie aus Stein. Er hatte sich jetzt wieder vollkommen in der Gewalt. Aber hinter der Maske scheinbarer Gelassenheit brodelte es, das konnte Mike ganz deutlich erkennen. Seine unverletzte Hand umklammerte die Lehne des Stuhles mit solcher Kraft, als versuche er sie zu zerbrechen. »Wir haben mittlerweile einen entsprechenden Funkspruch abgesetzt«, fuhr Winterfeld fort, als er nach ein paar Sekunden begriff, da#223; Brockmann nicht antworten w#252;rde. »Man wird sich um die M#228;nner k#252;mmern. In Anbetracht der Umst#228;nde denke ich, da#223; man die Besatzung der HALLSTADT wohl auf freien Fu#223; setzen wird. Und wenn nicht... nun, wir wissen, wie ausgesucht h#246;flich die Briten mit Kriegsgefangenen umgehen, nicht wahr? Sie brauchen sich also keine Sorgen um Ihre M#228;nner zu machen, Herr Brockmann. « »Da w#228;re ich nicht so sicher«, sagte Stanley. »Zumindest, was »Aber, aber!« Winterfeld hob die Hand und sch#252;ttelte ein paarmal den Kopf. »Ich mu#223; Sie doch bitten, Mister Stanley. Drohungen helfen uns hier nicht weiter. Wir sollten uns wie zivilisierte Menschen benehmen. « »Zivilisierte Menschen«, antwortete Stanley gepre#223;t, »bet#228;tigen sich nicht als Piraten und M#246;rder. « »Und daf#252;r halten Sie mich?« Winterfeld wirkte ehrlich verletzt. »Nun, ich kann es Ihnen nicht einmal ver#252;beln, wie die Dinge liegen. Aber ich kann Ihnen versichern, da#223; ich weder das eine noch das andere bin. « »Ach?« fragte Stanley. »Und was sonst?« »Wir sind hier, damit ich Ihnen die Situation erkl#228;ren kann«, antwortete Winterfeld. »Ich bitte Sie, mir einfach f#252;nf Minuten zuzuh#246;ren. Ich bin sicher, hinterher sehen Sie einiges anders. « Wieder wartete er einige Sekunden lang vergeblich auf eine Antwort, dann drehte er sich halb in seinem Sessel herum und wandte sich direkt an Mike. »Ich bin froh, da#223; dir und deinen Freunden nichts geschehen ist«, sagte er. »Es ist ziemlich lange her, da#223; wir uns begegnet sind, aber wenn mich meine Erinnerung nicht t#228;uscht, dann wart ihr damals mehr auf dem Schiff. Wo ist dieser junge Franzose – wie war doch gleich sein Name?« »Andr#233;«, antwortete Mike automatisch. »Er ist nicht mehr bei uns. « »Ich hoffe doch stark, da#223; ihm nichts zugesto#223;en ist«, sagte Winterfeld, und seltsam – es klang wirklich ehrlich. »Nein«, antwortete Mike. »Andr#233; ist –« Er fing im letzten Moment Trautmans warnenden Blick auf und fuhr nach einer Pause fort: »– in Sicherheit. An einem Ort, der ihm besser gefiel als die NAUTILUS. « Winterfeld l#228;chelte. »An einem jener geheimnisvollen Orte, die ihr zweifellos mittlerweile mit der NAUTILUS besucht habt«, sagte er. »Habt ihr Atlantis gefunden?« Mike sah aus den Augenwinkeln, wie Stanley ihn anstarrte. So ruhig er konnte, sagte er: »Nein. « »Und wenn es so w#228;re, w#252;rdest du es mir nicht sagen, nehme ich an«, f#252;gte Winterfeld hinzu. »Nun, das #252;berrascht mich nicht. Unsere letzte Begegnung ist ja unter nicht so besonders guten Umst#228;nden verlaufen, nicht wahr?« »Also kennt ihr euch doch«, sagte Stanley bitter. »Ja«, antwortete Winterfeld. »Allerdings tun Sie Mike und seinen Freunden unrecht, Kapit#228;n. Wir sind keineswegs Verb#252;ndete oder auch nur Freunde. Ganz im Gegenteil. Aber dazu sp#228;ter. « Er stand mit einem Ruck auf und trat an eine der Karten, die die Wand hinter seinem Schreibtisch zierten. Zwei, drei Augenblicke lang stand er reglos da, dann sagte er, ohne sich zu ihnen herumzudrehen: »Meine Herren – was halten Sie von diesem Krieg?« Stanley blinzelte verwirrt. Brockmann zuckte nicht einmal mit der Wimper, und nach einigen weiteren, von unbehaglichem Schweigen erf#252;llten Sekunden drehte sich Winterfeld nun doch herum und sah die beiden Offiziere nachdenklich an. »Ich mache nicht nur Konversation«, sagte er. »Ich frage Sie, was sie zu dem sagen, was gerade in Europa geschieht. Gef#228;llt es Ihnen?« »Was soll diese Frage?« fragte Stanley. »Nat#252;rlich nicht. « »Aber Sie sind doch daran beteiligt«, antwortete Winterfeld l#228;chelnd. »Ich bin Soldat«, erwiderte Stanley. »Kein Politiker. « »0 ja, nat#252;rlich«, sagte Winterfeld sp#246;ttisch. »Und Sie tun, was man Ihnen sagt, nicht wahr? Genau wie mein gesch#228;tzter Kamerad Brockmann, nehme ich an. F#252;r Kaiser und Vaterland, wenn es sein mu#223;, bis in den Tod. Wie viele britische Schiffe haben Sie versenkt, Brockmann? Zwei? Drei? Und Sie, Stanley – wie viele Kameraden haben Sie verloren?« »Die mitgerechnet, die Winterfeld seufzte. Mit einem wortlosen Kopfsch#252;tteln wandte er sich an Mike. »Und du?« fragte er. »Wie meinen Sie das?« fragte Mike. »Wie ich es sage«, antwortete Winterfeld. »Vermutlich habt ihr, du und deine Freunde, bisher wenig direkt von diesem Krieg mitbekommen, aber ich denke, ihr seid alt genug, um euch den Rest vorstellen zu k#246;nnen. Was sagst du zu diesem Die Art, auf die Winterfeld das letzte Wort aussprach, irritierte Mike. Es h#246;rte sich an wie etwas Obsz#246;nes. »Ich halte ihn f#252;r Wahnsinn. Und f#252;r ein Verbrechen«, antwortete er. Winterfeld l#228;chelte. »Sehen Sie, meine Herren«, sagte er, nun wieder an Stanley und Brockmann gewandt. »Dieser Junge ist »Wie bitte?« Stanley ri#223; ungl#228;ubig die Augen auf. »Sie haben mich richtig verstanden«, sagte Winterfeld. »Sie sind meine Gefangenen, aber ein Wort von Ihnen gen#252;gt, und Sie sind frei. Unter der Bedingung, da#223; Sie mir helfen. « »Helfen?« fragte Stanley, nunmehr total verwirrt. »Wobei?« Winterfeld antwortete nicht gleich, sondern sah sie alle vier der Reihe nach und sehr ernst an, ehe er sagte: »Den Krieg zu beenden. « Ein paar Sekunden lang herrschte absolute Stille. Man h#228;tte die ber#252;hmte Stecknadel fallen h#246;ren k#246;nnen. Stanley, Brockmann und auch Mike starrten Winterfeld an, und Stanley auf eine Art, als zweifelte er ernsthaft an Winterfelds Verstand – was er wahrscheinlich in diesem Moment auch tat. Nur Trautman wirkte viel mehr erschrocken als #252;berrascht. Und sehr nachdenklich. Sein Blick glitt #252;ber die #252;berall aufgeh#228;ngten Karten und Tabellen, und Mike konnte regelrecht sehen, wie es hinter seiner Stirn zu arbeiten begann. Auch Mike war im ersten Augenblick perplex. Was Winterfeld sagte, h#246;rte sich tats#228;chlich schlichtweg verr#252;ckt an, und in gewissem Sinne war er es sicherlich auch – aber auf der anderen Seite kannte Mike Winterfeld auch zu gut, um wirklich zu glauben, da#223; der Mann einfach den Verstand verloren hatte. Er konnte sich nicht im Ernst einbilden, nur mit diesem Schiff allein den Krieg beenden zu k#246;nnen. Die LEOPOLD war eine gewaltige Vernichtungsmaschine, und was er tat, bedeutete f#252;r die unmittelbar Betroffenen sicherlich dasEnde – aber f#252;r die am Krieg beteiligten Nationen war es nicht mehr als ein #196;rgernis. Genau das sprach Stanley dann schlie#223;lich auch aus: »Sie m#252;ssen #252;bergeschnappt sein«, sagte er. »Was haben Sie vor? Solange abwechselnd deutsche und britische Schiffe zu versenken, bis beide Nationen vor Ihnen kapitulieren?« »Nein«, antwortete Winterfeld ruhig. »Ich bin kein Narr, Kapit#228;n Stanley, auch wenn Sie mich daf#252;r zu halten scheinen. Mir ist klar, da#223; ich fr#252;her oder sp#228;ter gestellt und besiegt werden w#252;rde, w#252;rde ich so weitermachen wie bisher. Das habe ich nicht vor. Tats#228;chlich war der Angriff auf Ihre beiden Schiffe der letzte kriegerische Akt, zu dem ich gezwungen war. Wenn Sie so wollen, dann war Ihre Missionerfolgreich: Ab dem heutigen Tage wird es keine #220;berf#228;lle mehr geben. Ich habe, was ich wollte. « »Die NAUTILUS«, vermutete Trautman. Winterfeld nickte. »Unter anderem – ja. Mein Angebot gilt selbstverst#228;ndlich auch f#252;r Sie und Ihre Begleiter, Herr Trautman: Sagen Sie mir Ihre Unterst#252;tzung zu und geben Sie mir Ihr Ehrenwort, und Sie sind frei. « »Unterst#252;tzung wobei?« wollte Stanley wissen. Winterfeld l#228;chelte. »Sie entt#228;uschen mich erneut, Mister Stanley«, sagte er. »Sie erwarten nicht im Ernst, da#223; ich Ihnen meine Pl#228;ne offenbare, bevor ich wei#223;, wo Sie stehen?« »Nein«, antwortete Stanley. »Ebensowenig wie Sie mein Ehrenwort als Offizier erwarten, bevor ich wei#223;, was Sie vorhaben. « Diesmal lachte Winterfeld laut. »Ich sehe ein, die Situation ist verzwickt«, sagte er. »Ein klassisches Patt, sozusagen. Aber ich erwarte Ihre Entscheidung auch nicht sofort. Denken Sie in Ruhe #252;ber folgendes nach: Wie w#252;rden Sie sich entscheiden, wenn Sie die Wahl h#228;tten, entweder Ihrem K#246;nig und Ihrem Diensteid zu folgen und diesen Wahnsinn weiter mitzumachen oder beide zu verraten und den Krieg daf#252;r zu beenden. « »Das ist unm#246;glich!« behauptete Stanley. »Wie wollen Sie das bewerkstelligen?« »Wie gesagt – das kann ich Ihnen im Moment noch nicht sagen«, antwortete Winterfeld. »Aber glauben Sie mir – ich kann es. Und ich werde es tun, ob mit ihrer oder ohne Ihre Hilfe. Und das gleiche gilt f#252;r euch. « Er wandte sich nun wieder direkt an Mike. »Meine Ingenieure haben mir versichert, da#223; sie binnen k#252;rzester Zeit lernen werden, mit der NAUTILUS umzugehen. Aber es w#228;re einfacher mit eurer Hilfe. Und ihr habt mein Ehrenwort, da#223; ihr das Schiff zur#252;ckbekommt und frei seid, sobald alles vorbei ist. « »Sie m#252;ssen verr#252;ckt sein!« sagte Stanley. »Ich weigere mich, Ihnen weiter zuzuh#246;ren. « »Das brauchen Sie auch nicht«, antwortete Winterfeld. »Wie gesagt – ich erwarte Ihre Entscheidung nicht sofort. Wir haben vier Tage Zeit, bis wir unser Ziel erreichen. Solange gebe ich Ihnen Bedenkzeit. Selbstverst#228;ndlich werden Sie behandelt, wie es einem Offizier zukommt. « Er rief die Wachen herein, die Stanley und Brockmann hinausf#252;hrten. Auch Trautman und Mike erhoben sich, aber als Mike die Kabine verlassen wollte, rief Winterfeld ihn zur#252;ck. Mike z#246;gerte. Ihm war nicht wohl dabei, mit Winterfeld allein zu sein. Er tauschte einen fragenden Blick mit Trautman, aber als dieser nickte, blieb er stehen und sah Winterfeld fragend an. Winterfeld schwieg, bis sich die T#252;r hinter Mike wieder geschlossen hatte, dann sagte er: »Bitte setz dich, Mike. « Mike z#246;gerte erneut. Da war pl#246;tzlich etwas in Winterfelds Blick, was ihn erschreckte. Aber er gehorchte, und nachdem er sich wieder gesetzt hatte, nahm auch Winterfeld wieder auf seinem Stuhl auf der anderen Seite des Schreibtisches Platz. »Ich m#246;chte, da#223; du eines wei#223;t, Mike«, fuhr Winterfeld fort. »Was immer auch passieren mag und wie immer ihr euch auch entscheidet, dir und deinen Freunden wird nichts geschehen. « Aber das war nicht alles, was Winterfeld ihm sagen wollte, das sp#252;rte Mike, ebenso deutlich, wie er sp#252;rte, da#223; Winterfelds Worte ehrlich gemeint waren, nicht nur so dahingesagt, sondern ein Versprechen, das er unter allen Umst#228;nden einhalten w#252;rde. Er antwortete nicht, aber damit schien Winterfeld auch gar nicht gerechnet zu haben. »Warum haben Sie uns dann #252;berhaupt erst gefangengenommen?« fragte Mike. Winterfeld l#228;chelte sanft. »Mir kam es eher vor, als h#228;tte ich euch »Er ist tot«, antwortete Winterfeld leise. Mike fuhr zusammen. »Tot?« keuchte er. »Aber wie... ich meine, das... das kann doch gar nicht sein... Er... « Seine Gedanken drehten sich wild im Kreis. Er wu#223;te, da#223; Winterfeld die Wahrheit sagte – Trotzdem war ihm ganz klar, was geschehen war: Winterfeld war ein Deserteur. Er hatte vor mehr als einem Jahr zusammen mit seinem Schiff und dem Gro#223;teil seiner Besatzung den Befehl verweigert und sowohl dem deutschen Kaiserreich als auch dem Krieg den R#252;cken gekehrt, und nat#252;rlich machte nun jeder Kapit#228;n des Kaiserreiches Jagd auf ihn. Vermutlich stand sein Kopf ganz oben auf der Wunschliste des deutschen Kaisers, gleich unter dem des britischen K#246;nigs. »Aber... aber wieso?« stammelte er. »Das... das kann doch gar nicht sein!« »Es war ein Zufallstreffer«, fuhr Winterfeld leise fort. »Wir haben sie in St#252;cke geschossen, noch ehe sie die zweite Salve abfeuern konnten. Nur eine einzige Granate hat uns getroffen. Sie verletzte mich, und sie t#246;tete Paul. « Mike k#228;mpfte mit aller Macht gegen die Tr#228;nen. »Er hat deinen Namen genannt, Mike«, sagte Winterfeld. »Ich mu#223;te ihm etwas versprechen, und ich werde dieses Versprechen halten. Ich habe ihm geschworen, da#223; dir und deinen Freunden kein Leid geschieht. Und da#223; die NAUTILUS nicht in falsche H#228;nde ger#228;t. Deshalb habe ich euch befreit. « »Dann wu#223;ten Sie die ganze Zeit, wo wir waren?« fragte Mike. »Nicht die ganze Zeit«, antwortete Winterfeld. »Aber seit ein paar Wochen, ja. « Er l#228;chelte traurig. »Ich wei#223;, ihr habt gedacht, da#223; ihr mich verfolgt. « »Dabei haben »Und das sind Sie?« fragte Mike. »Warum nicht? Jemand mu#223; es tun. Und ich bin in der Lage dazu. « »Und wie?« »Das kann und will ich dir nicht verraten«, antwortete Winterfeld. »Noch nicht. Aber bald. Und ich bitte dich, #252;ber dieselbe Frage nachzudenken, die ich Stanley gestellt habe. Ob du mir glaubst oder nicht – versuch dir einfach vorzustellen, da#223; ich tats#228;chlich die Macht h#228;tte, diesen Krieg zu beenden, und dann entscheide. « Er gab sich einen Ruck und sprach lauter und mit ver#228;nderter Stimme weiter. »Du kannst jetzt gehen. Ich habe euch einen Teil des Schiffes zugewiesen, in dem ihr euch frei bewegen k#246;nnt. Ich wei#223;, da#223; ihr mein Vertrauen nicht ausnutzen werdet. « Die Nachricht von Pauls Tod versetzte sie alle in tiefe Best#252;rzung. Selbst Ben, der fr#252;her keine Gelegenheit ausgelassen hatte, Paul wegen seiner Herkunft und Nationalit#228;t zu h#228;nseln, wurde f#252;r eine Weile sehr ruhig, und als Mike genauer hinsah, erkannte er, da#223; er mit den Tr#228;nen k#228;mpfte. Schlie#223;lich war es Stanley, der als erster das Schweigen brach. Brockmann und er waren zu den anderen gebracht worden. »Das w#228;re wenigstens eine Erkl#228;rung«, sagte er. »Wof#252;r?« wollte Mike wissen. Auch er k#228;mpfte pl#246;tzlich mit den Tr#228;nen. Vorhin, als Winterfeld ihm die Hiobsbotschaft #252;berbracht hatte, da hatte er sich noch halbwegs in der Gewalt gehabt. Aber jetzt, nachdem er es selbst erz#228;hlt hatte, kostete es ihn all seine Kraft, #252;berhaupt zu sprechen. »Daf#252;r, da#223; er offensichtlich den Verstand verloren hat«, antwortete Stanley. »Er w#228;re nicht der erste, der daran zerbricht, ein Kind zu verlieren. Noch dazu, wo ein Schiff seines eigenen Landes f#252;r dessen Tod verantwortlich ist. « Er sah Brockmann an und wartete offensichtlich auf eine Zustimmung, aber der deutsche Kapit#228;n sch#252;ttelte nach einigen Augenblicken den Kopf. »Das glaube ich nicht«, sagte er. Stanley legte den Kopf schief. »So?« fragte er sp#246;ttisch. »Und warum nicht, wenn ich fragen darf? Sind Sie der Meinung, da#223; ein deutscher Offizier sich keine Gef#252;hle erlauben darf?« Brockmann wollte auffahren, aber Trautman machte eine rasche, beruhigende Geste. »Bitte, meine Herren«, sagte er. »Es nutzt gar nichts, wenn wir uns jetzt streiten. D#252;rfte ich vorschlagen, da#223; wir einen Waffenstillstand schlie#223;en, bis das alles hier vorbei ist?« Brockmann nickte, w#228;hrend Stanley seinen deutschen Kollegen noch eine Sekunde lang aus brennenden Augen anstarrte, ehe auch er sich zu einem Nicken durchrang. »Sie machen es sich zu leicht, Stanley«, fuhr Brockmann schlie#223;lich fort. »Ich kenne Winterfeld von fr#252;her. Er ist nicht so. Dieser Mann ist einer der beherrschtesten und diszipliniertesten Soldaten, die ich je kennengelernt habe. Ansonsten h#228;tte man ihm auch kaum das Kommando #252;ber die LEOPOLD anvertraut. « »Was nicht unbedingt eine weise Entscheidung war«, konnte sich Stanley nicht verkneifen, hinzuzuf#252;gen. »Immerhin ist er mit dem Stolz der kaiserlichen Marine auf und davon, wenn ich richtig informiert bin. « »Ja, das ist er«, gestand Brockmann unger#252;hrt. »Und niemand hat bis heute begriffen, warum. Winterfeld ist nicht verr#252;ckt. Er mu#223;te wissen, da#223; er fr#252;her oder sp#228;ter gestellt werden w#252;rde. Und das gilt immer noch. Er hat uns besiegt, aber auf die Dauer kann er nicht davonkommen. « »Und wenn er recht hat?« fragte Serena. Alle sahen das M#228;dchen verwirrt oder sp#246;ttisch an, aber Serena nickte nur heftig mit dem Kopf und wiederholte ihre Frage: »Und wenn er nun recht hat? Was, wenn er wirklich in der Lage ist, diesen Krieg zu beenden?« »Das ist v#246;llig unm#246;glich«, sagte Brockmann. »Wieso?« wollte Serena wissen. »Sie haben es doch selbst gesagt – er ist bestimmt nicht einfach verr#252;ckt. Jedenfalls nicht verr#252;ckter als ihr alle. Was, wenn er etwas wei#223;, was sonst au#223;er ihm niemand wei#223;. Wenn er eine Entdeckung gemacht hat? Irgendeine Erfindung, die ihn unverwundbar macht?« Trautman l#228;chelte. »Ich glaube, ich wei#223;, worauf du hinaus willst, Serena«, sagte er. »Aber so funktioniert das bei uns nicht. Er hat bestimmt keine neue Superwaffeoder etwas #196;hnliches entdeckt. So etwas bastelt man nicht in einem Jahr auf einem Schiff auf hoher See zusammen. « »Aber was kann er dann vorhaben?« fragte Juan. Er schien nicht ganz so sehr davon #252;berzeugt zu sein, da#223; Serena Unsinn redete, wie alle anderen, Trautman eingeschlossen. Mit einem fragenden Blick wandte er sich an Stanley und Brockmann. »Was wissen Sie #252;ber ihn? Sie haben ihn immerhin gemeinsam gejagt – und das will schon etwas hei#223;en, in diesen Zeiten? Was hat er getan?« »Das wi#223;t ihr doch genau«, antwortete Stanley heftig. »Er ist ein Pirat und M#246;rder. Er hat ein Dutzend Schiffe versenkt oder gekapert und fast ebenso viele H#228;fen in Schutt und Asche gelegt. « Stanley zog nur eine Grimasse, aber nach ein paar Sekunden sagte Brockmann nachdenklich. »Sprengstoff. « Nicht nur Juan sah den Kapit#228;n mit neuem Schrecken an. »Wie?« Brockmann nickte ein paarmal und warf einen Blick in die Runde. »Die Schiffe, die er gekapert hat, waren ausnahmslos Munitionstransporter«, best#228;tigte er. »Und in mindestens drei der deutschen K#252;stenst#228;dte, die er angegriffen hat, befanden sich Munitionslager. Die LEOPOLD hat sie sturmreif geschossen, aber anschlie#223;end haben seine M#228;nner gro#223;e Munitions-und Sprengstoffvorr#228;te erbeutet. Ich nehme an, so war es auch in den betroffenen St#228;dten an der britischen K#252;ste?« Die Frage galt Stanley, der jedoch nur mit Schweigen und einem steinernen Gesichtsausdruck darauf reagierte. Schlie#223;lich lachte Brockmann leise. »Sie verraten mir keine Staatsgeheimnisse«, sagte er. »Glengweddyn ist alles andere als ein verschlafenes Nest, Stanley. Haben Sie wirklich gedacht, wir w#252;#223;ten nicht, da#223; in den umliegenden Bergen eines der gr#246;#223;ten Munitionslager an diesem K#252;stenabschnitt verborgen ist?« »Stimmt das?« fragte Trautman. Stanley nickte widerwillig. »Ja«, sagte er. »Aber selbst wenn – was hei#223;t das schon? Was glauben Sie, hat er vor? Er mu#223; zigtausend Tonnen Sprengstoff erbeutet haben, aber was nutzt ihm das schon?« »Das wissen wir noch nicht«, antwortete Trautman. »Aber ich sch#228;tze, wir sind auf der richtigen Spur. « Er blickte einige Sekunden lang nachdenklich zu Boden. »Sind Ihnen die Karten in seiner Kabine aufgefallen und all diese Berechnungen und Tabellen?« Stanley nickte. »Sicher. Und?« »Sie gefallen mir nicht«, sagte Trautman. »Ich k#246;nnte nicht sagen, wieso, aber etwas daran macht »Wir brauchen Astaroth«, sagte Ben. »Wen?« fragte Stanley. »Astaroth«, sagte Ben noch einmal. »Unseren Bordkater. « Stanleys Augen wurden gro#223;. »Den... »Also, noch einmal zur#252;ck zu Winterfeld«, fuhr Trautman fort. »Wir wissen, da#223; er #252;ber einen gewaltigen Vorrat an Sprengstoff verf#252;gt und da#223; seine Kabine voll ist mit Seekarten und mathematischen Berechnungen. Was k#246;nnte das bedeuten?« »Was wohl?« fragte Stanley sp#246;ttisch. »Vielleicht will er ja den Nordpol sprengen. « Die Worte waren als Scherz gemeint, aber niemand lachte. Brockmann sah ihn eine Sekunde lang eindeutig erschrocken an, und Stanleys L#228;cheln gefror zu einer Grimasse. »Den Pol vielleicht nicht, aber irgend etwas anderes«, sagte Trautman in das unbehagliche Schweigen hinein. »Aber was? Wir fahren tats#228;chlich nach Norden, nicht wahr? Was g#228;be es dort, was Einflu#223; auf den Verlauf des gesamten Krieges h#228;tte, wenn man es zerst#246;rt?« »Nichts«, sagte Stanley. »Rein gar nichts, glauben Sie mir. Wir k#246;nnen #252;berlegen bis zum Sankt Nimmerleinstag – die Antwort ist immer dieselbe: Winterfeld ist verr#252;ckt geworden. « »Ich wollte, ich k#246;nnte Ihnen glauben«, seufzte Trautman. »Aber irgend etwas sagt mir, da#223; es nicht so einfach ist. « Mike h#246;rte nicht mehr hin. Das Gespr#228;ch begann sich im Kreise zu drehen, und das w#252;rde es auch noch eine geraume Weile weiter tun, denn sie versuchten etwas im Grunde Unm#246;gliches: Antworten zu finden auf Fragen, die sie noch nicht kannten. Das Interesse, das f#252;r kurze Zeit in ihm aufgeflammt war, war wohl nur so etwas wie ein Strohhalm gewesen, an den sein Verstand sich klammerte, um sich nicht dem gewaltigen Schmerz stellen zu m#252;ssen, der wie ein Abgrund unter seinen Gedanken lauerte. Er f#252;hlte sich wie erschlagen, so leer, als w#228;re mit Paul tats#228;chlich ein St#252;ck von ihm gestorben. Nach einer Weile stand er auf und setzte sich auf die Kante des am weitesten von den anderen entfernten Bettes. Er wollte allein sein. Trotzdem versp#252;rte er ein Gef#252;hl von Dankbarkeit, als Serena nach einiger Zeit zu ihm kam. Sie setzte sich wortlos, und sie streckte ebenso wortlos die Hand nach seiner aus und hielt sie fest. Es machte den Schmerz nicht weniger schlimm, aber irgendwie half es ihm, ihn besser zu ertragen. »Du trauerst um deinen Freund«, stellte Serena schlie#223;lich fest. Mike nickte wortlos. »Er mu#223;... ein sehr guter Mensch gewesen sein, wenn du ihn so geliebt hast«, fuhr Serena stockend fort. Mike nickte wieder. Er sagte noch immer nichts. Seine Kehle war wie zugeschn#252;rt. »Obwohl er Winterfelds Sohn war«, f#252;gte Serena hinzu, und diesmal klang sie sehr nachdenklich. »Das verstehe ich nicht. Wie kann der Sohn deines Feindes zugleich dein »Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun«, antwortete Mike. »Au#223;erdem ist Winterfeld nicht wirklich unser Feind. « Serena machte gro#223;e Augen. »Nach allem, was er getan hat?« »Ich wei#223;, es klingt verr#252;ckt«, antwortete Mike, »aber er ist trotzdem nicht unser »Weil es viel leichter ist, jemanden zu bek#228;mpfen, den man ha#223;t«, sagte Mike. »Aber das kann ich nicht. Winterfeld hat versprochen, uns gehen zu lassen, und ich bin sicher, da#223; er sein Wort h#228;lt. Er ist von dem #252;berzeugt, was er tut, und gerade das macht ihn so gef#228;hrlich. « »Ich glaube nicht, da#223; ich das verstehe«, sagte Serena. »Ihr seid sonderbar. Manchmal kommt ihr mir so wild und barbarisch vor, da#223; ich beinahe Angst vor euch bekomme. Und dann wieder seid ihr so kompliziert... « Mike l#228;chelte matt. Es waren Momente wie diese, die ihn immer wieder daran erinnerten, da#223; Serena nur so aussah wie ein ganz normales dreizehn- oder vierzehnj#228;hriges M#228;dchen. Aber das war sie eben nicht. Sie stammte aus einer Welt, die mit der, in der Mike und die anderen geboren und aufgewachsen waren, nicht viel gemein hatte. »Was verstehst du nicht?« fragte er. »Alles«, sagte Serena. Sie klang ein bi#223;chen hilflos. »Zum Beispiel diese... diese »Das spielt #252;berhaupt keine Rolle«, antwortete Mike. »Wei#223;t du, eine richtige Freundschaft h#228;lt ein Leben lang. Und man kann sich auch fast ein Leben lang nicht sehen, ohne da#223; es etwas daran #228;ndern w#252;rde. Hast du denn gar keine Freunde gehabt?« »In Atlantis?« Serena sch#252;ttelte den Kopf. »Ich war eine Prinzessin«, erinnerte sie ihn, und es klang ein wenig, als h#228;tte Mikes Frage sie beleidigt. »Alle haben mich verehrt, aber niemand h#228;tte es gewagt, mich als seine »Dann hast du vielleicht das Wichtigste, was es im Leben eines Menschen gibt, niemals kennengelernt«, sagte Mike ernst. »Was?« fragte Serena. »Um einen Menschen trauern zu m#252;ssen, wie du jetzt? Was ist daran so wichtig? Dir bricht beinahe das Herz. « »Aber auch das geh#246;rt dazu«, antwortete Mike. »Wenn es so ist, dann bin ich froh, da#223; ich nie Freunde hatte«, sagte Serena. Im ersten Moment erschreckten diese Worte Mike – aber pl#246;tzlich l#228;chelte er. »Aber die hast du doch l#228;ngst«, sagte er. »So?« Serena klang ehrlich verbl#252;fft. »Wie meinst du das?« »Was ist mit Astaroth?« fragte Mike. »Und Trautman und Singh und Chris und Juan – und selbst Ben? Wir sind doch deine Freunde. Und das werden wir auch immer bleiben, ganz egal, was passiert. « »Das ist... etwas anderes«, behauptete Serena. »Du hast gesagt, da#223; Freunde –« »– zum Beispiel f#252;reinander einstehen«, unterbrach sie Mike. »Hast du das etwa nicht getan? Was war auf der Insel der Dinosaurier? Warst du etwa nicht bereit, dein eigenes Leben zu opfern, um uns zu retten?*« Serena schwieg verwirrt. Aber nach einigen Sekunden sagte sie wieder: »Das war etwas anderes. « »Das war es nicht«, antwortete Mike. »Aber auch das wirst du noch einmal verstehen. « Sie sprachen nicht weiter, sondern sa#223;en einfach in vertrautem Schweigen nebeneinander da, und was Mike vorhin schon einmal gesp#252;rt hatte, das empfand er jetzt erneut und noch viel intensiver: Es linderte den Schmerz nicht, wenn jemand da war, der ihn teilte. Aber es machte es leichter, ihn zu ertragen. Sehr viel leichter sogar. Die Zeit strich tr#228;ge dahin. Die ersten beiden Tage ihrer Gefangenschaft brachten sie fast ununterbrochen zusammen zu, und nat#252;rlich diskutierten sie immer wieder #252;ber Winterfelds geheimnisvollen Plan. Aber schlie#223;lich kamen sie wieder darauf, was Trautman eigentlich schon am ersten Tag auf den Punkt gebracht hatte: Sie konnten nichts gegen Winterfeld unternehmen, solange sie nicht wu#223;ten, was er vorhatte. Erst am vierten und somit – Winterfelds eigenen Worten zufolge – letzten Tag ihrer Reise wurden sie das erste Mal wieder an Deck gelassen. Es war sehr kalt. Sie waren ununterbrochen nach Norden gefahren, und da die LEOPOLD auch ein sehr schnelles Schiff war, hatten sie in dieser Zeit ein geh#246;riges St#252;ck Weg zur#252;ckgelegt. Brockmann hatte gemeint, da#223; sie sich allm#228;hlich dem Polarkreis n#228;hern mu#223;ten, und zumindest der erste Blick, den Mike auf das Meer warf, als er geb#252;ckt in den eisigen Wind hinaustrat, der #252;ber das Deck der LEOPOLD strich, schien ihm recht zu geben: Der Himmel war grau und hing niedrig, und er kam Mike vor wie eine Platte aus massigem Blei, die jemand #252;ber die Welt gest#252;lpt hatte. Die Sonne sah aus wie ein daraufgemalter gelber Klecks, der kaum Licht und #252;berhaupt keine W#228;rme verstrahlte, und selbst vom Wasser schien ein eisiger Hauch aufzusteigen. Die Aufbauten der LEOPOLD waren mit einem wei#223;en Schimmer bedeckt, und hier und da hatte sich sogar Eis gebildet. Im Norden, noch weit entfernt, glitzerte eine wei#223;e Linie, wo eigentlich der Horizont sein sollte. Wenn man ganz genau hinsah, konnte man eine Anzahl winziger dunkler Punkte davor erkennen, die wie Perlen auf einer unsichtbaren Schnur hintereinander aufgereiht waren. Ihre Begleiter lie#223;en ihnen Zeit, sich umzusehen, gestatteten aber nicht, da#223; sie stehenblieben, so da#223; sie schon nach wenigen Augenblicken wieder zur#252;ck ins Innere des Schiffes traten und die Treppe zur Br#252;cke hinaufgingen. Trotzdem reichte das f#252;r Mike, festzustellen, da#223; die NAUTILUS noch immer im Schlepptau hinter dem Kriegsschiff lag. Der Anblick gab ihm einen tiefen, schmerzhaften Stich. Die Rettung war so nahe und trotzdem unerreichbar. Winterfeld erwartete sie wie #252;blich in seiner Kabine, und er war nicht allein. Als sie eintraten, stand er zusammen mit zweien seiner M#228;nner #252;ber eine riesige Karte gebeugt da, die seinen ganzen Schreibtisch beanspruchte. Mike warf einen neugierigen Blick darauf, aber was er sah, verwirrte ihn v#246;llig. »Ah, unsere G#228;ste!« begr#252;#223;te sie Winterfeld – mit einem L#228;cheln und in einem fr#246;hlichen Ton, der der Situation #252;berhaupt nicht angemessen schien. Er nickte den beiden M#228;nnern zu seiner Rechten zu, woraufhin diese schweigend die Kabine verlie#223;en. »Bitte, sucht euch irgendwo einen Platz«, sagte er. »Und verzeiht das Durcheinander. Ich hasse nichts so sehr wie Unordnung, aber leider sind wir hier ein wenig eingeschr#228;nkt, was Platz angeht. « Keiner von ihnen r#252;hrte sich – au#223;er Serena, die sich suchend umsah und dann kurzerhand einen Stapel Papier von einem Stuhl fegte, um sich darauf niederzulassen. Winterfeld sah sie einen Moment lang stirnrunzelnd an, zuckte aber dann nur die Achseln und fuhr im selben fr#246;hlichen Ton fort: »Nun, ich hoffe, die Bedenkzeit, die ich Ihnen gew#228;hrt habe, hat ausgereicht. Sind Sie zu einem Schlu#223; gekommen?« »Ja«, sagte Stanley b#246;se. »N#228;mlich zu dem, da#223; Sie komplett verr#252;ckt sind, Winterfeld. Aber dazu h#228;tte ich keine vier Tage gebraucht. « »Denken Sie ebenso?« Winterfeld nahm die Beleidigung sichtlich unger#252;hrt hin und wandte sich an Brockmann. »Nicht ganz«, antwortete der deutsche Kapit#228;n. »Aber die Antwort auf die Frage, ob ich mit Ihnen gemeinsame Sache gegen mein Vaterland machen will, lautet nein – wenn es das ist, was Sie wissen wollen. « Winterfeld seufzte. »Es tut mir leid, wenn Sie es so sehen«, sagte er. »Die Wahrheit ist, da#223; ich weder gegen unser noch gegen das Land unseres britischen Kameraden vorgehen will oder gegen irgendein anderes. Mein einziger Feind ist der Wahnsinn, der im Augenblick von der ganzen Welt Besitz ergriffen hat. Und Sie, Herr Trautman, und Ihre Freunde?« Trautman z#246;gerte, sofort zu antworten. Sein Blick glitt wieder #252;ber die aufgeh#228;ngten Karten und Tabellen, und er sah pl#246;tzlich wieder besorgt und erschrocken drein wie beim ersten Mal, als sie hiergewesen waren. Vor allem die gro#223;e Karte, die auf Winterfelds Schreibtisch lag, schien ihn zu beunruhigen. Mike fragte sich, ob er darin vielleicht mehr sah als er und die anderen. »Wenn ich wirklich w#252;#223;te, da#223; Sie diesen Krieg beenden k#246;nnten, w#252;rde ich zustimmen«, sagte er schlie#223;lich. »Aber das kann niemand. Auch Sie nicht. « »Und wenn ich es Ihnen beweise?« fragte Winterfeld. Trautman sch#252;ttelte den Kopf. »Ich glaube, ich wei#223;, was Sie vorhaben«, sagte er. »Es wird nicht funktionieren, glauben Sie mir. « Mike blickte Trautman aus gro#223;en Augen an, und auch auf den Gesichtern der anderen spiegelten sich#220;berraschung und Unglauben. »Sie wissen, was er vorhat?« fragte Stanley. Trautman ignorierte ihn. »Seien Sie vern#252;nftig, Winterfeld«, sagte er. »Es kann nicht funktionieren – und selbst wenn, hie#223;e es, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben. « »Wovon zum Teufel reden Sie #252;berhaupt?« fuhr Stanley auf. »Sie wissen, was dieser Kerl vorhat? Wenn es so ist, wieso haben Sie es uns nicht gesagt? Machen Sie am Ende doch gemeinsame Sache mit ihm?« Trautman wollte antworten, aber Winterfeld unterbrach ihn mit einer Geste und wandte sich selbst an Stanley. »Ich mu#223; Sie noch einmal bitten, die Form zu wahren, Kapit#228;n Stanley«, sagte er, nun nicht mehr so freundlich wie bisher. »Sie werden gleich alles erfahren. Aus keinem anderen Grund sind wir schlie#223;lich hier. Aber zuerst m#246;chte ich noch die anderen befragen. « Mikes Herz begann schneller zu klopfen, als sich Winterfelds Blick nun auf ihn konzentrierte. Der Kapit#228;n der LEOPOLD sagte nichts, aber das war auch gar nicht n#246;tig. Mike hatte das Gespr#228;ch, das sie vor vier Tagen gef#252;hrt hatten, nicht vergessen. »Ich kann es nicht«, sagte er leise. »Ich kann meine Freunde nicht verraten. « »Du w#252;rdest ihr Leben damit retten«, sagte Winterfeld ernst. »Sagten Sie nicht, da#223; uns nichts passieren w#252;rde?« Winterfeld l#228;chelte, aber es war kein fr#246;hliches L#228;cheln. »Ich sagte, da#223; euch »Vielleicht h#228;tten Sie endlich die G#252;te, uns mitzuteilen, was Sie #252;berhaupt vorhaben«, sagte Stanley scharf. Winterfeld l#228;chelte wieder. »Selbstverst#228;ndlich. Obwohl ich mich ein wenig wundere, da#223; Sie nicht schon von selbst darauf gekommen sind. Herr Trautman jedenfalls hat es offensichtlich begriffen. Ich werde die Welt zwingen, den Krieg zu beenden. Auf eine ganz einfache Art und Weise. Im Grunde haben Sie mir vorgemacht, wie es geht. « »Wir?« fragte Stanley. Brockmann sah Winterfeld nur schweigend an, aber auch in seinem Gesicht arbeitete es. Er blickte immer wieder zu der Karte vor Winterfeld, und Mike war jetzt fast sicher, da#223; er ebenso wie Trautman begriffen hatte, wovon Winterfeld sprach. »Sie«, best#228;tigte Winterfeld und deutete auf Brockmann und Stanley. »Sie beide entstammen feindlichen Nationen. Sie sind Soldaten zweier L#228;nder, die im Krieg miteinander liegen – und doch haben Sie sich zusammengetan, um gegen einen gemeinsamen Feind vorzugehen, nicht wahr?« »Ich verstehe«, sagte Stanley sp#246;ttisch. »Sie wollen eine Flotte von Piratenschiffen aufbauen, die Europa bedroht. Wer hilft Ihnen noch dabei? Dschingis-Khans Horden? Oder vielleicht die Marsmenschen?« »Ich hoffe, das ist nicht der vielger#252;hmte englische Humor«, sagte Winterfeld. »Wenn ja, wird er hoffnungslos #252;bersch#228;tzt. Aber um Ihre Frage zu beantworten: Nein, das habe ich nicht vor. Aber ich werde diesen Wahnsinnigen in Europa einen Feind gegen#252;berstellen, der sie zwingt, zusammenzuarbeiten. Ob sie es wollen oder nicht. Glauben Sie mir – in wenigen Tagen schon wird niemand mehr auch nur daran denken, auf seinen Nachbarn zu schie#223;en. « »Und wieso nicht?« fragte Stanley. »Weil jedermann in Nordeuropa dann damit besch#228;ftigt sein wird, irgendwie am Leben zu bleiben«, antwortete Trautman an Winterfelds Stelle. Er deutete auf die Karte. »Sehen Sie sich die Karte an, Stanley. Erkennen Sie sie?« Stanley trat neugierig n#228;her an den Schreibtisch heran, musterte die Karte einige Sekunden lang und sch#252;ttelte dann den Kopf. »Nein«, sagte er. »Nun, das erstaunt mich nicht«, sagte Winterfeld. Er l#228;chelte Trautman zu. »Ebensowenig, wie es mich erstaunt, da#223; Trautmans Miene verd#252;sterte sich. Er schwieg. »Was ist das f#252;r eine Karte?« fragte Stanley. »Eine Seekarte«, antwortete Winterfeld. »Aber keine von der Art, mit der Sie normalerweise umgehen m#252;ssen, Mister Stanley. Sie zeigt den Meeresgrund. Ungef#228;hr dort, wo wir uns jetzt befinden – genauer gesagt, dort, wo wir in gut zwei Stunden sein werden. Ich selbst verf#252;ge #252;ber #228;hnliche Karten, auch wenn ich zugeben mu#223;, da#223; sie nicht ann#228;hernd so pr#228;zise sind. Aber sie best#228;tigt die Richtigkeit meiner Berechnungen. Mit Hilfe dieser Karte und der NAUTI-LUS bin ich in der Lage, mein Vorhaben durchzuf#252;hren. « »Welches Vorhaben?« fragte Stanley. »Ganz Europa zu vernichten«, sagte Trautman leise. Winterfeld sagte nichts, aber Stanley fuhr wie unter einem Hieb zusammen, und selbst Brockmann verlor f#252;r eine Sekunde seine Beherrschung und richtete sich kerzengerade auf. Einer der Soldaten, die sie in die Kabine begleitet hatten, griff nach seinem Gewehr, aber Winterfeld machte eine rasche, beruhigende Geste. Brockmann entspannte sich wieder. »Sie #252;bertreiben, Herr Trautman«, sagte er ruhig. »Ich gebe zu, da#223; es hart wird. Mit gewissen Opfern mu#223; gerechnet werden, aber –« »Keineswegs«, antwortete Winterfeld. »Es ist sogar ganz einfach, Herr Kollege. Ich erkl#228;re es Ihnen gerne. « Er legte die gespreizten Finger der Linken auf die Karte und deutete mit der anderen Hand hinter sich, wo eine zweite, normale Seekarte hing, die die gesamte n#246;rdliche Hemisph#228;re zeigte. »Ich mu#223; ein wenig ausholen, aber keine Sorge, es dauert nicht lange. Die Idee ist im Grunde ganz simpel. Ich bin nicht der erste, der darauf kommt. Aber vielleicht der erste, der die M#246;glichkeiten hat, sie in die Tat umzusetzen. « Er legte eine kurze Pause ein und fuhr dann in etwas leiserem Ton fort. »Ich nehme an, jeder hier im Raum wei#223;, was der Golfstrom ist, n#228;mlich eine warme Meeresstr#246;mung, die irgendwo vor der K#252;ste S#252;damerikas beginnt, den Atlantik #252;berquert und die gesamte afrikanische und nordeurop#228;ische K#252;ste mit warmer Luft versorgt. Niemand wei#223; bis heute genau, wo der Golfstrom entsteht, oder gar, warum, aber Tatsache ist, da#223; diese warme Luft seit Zehntausenden von Jahren f#252;r das europ#228;ische Klima verantwortlich ist. « »Wieso?« fragte Ben. »Nun, wenn du einmal einen Blick auf den Globus wirfst, dann wirst du feststellen, da#223; es in Nordeuropa eigentlich w#228;rmer ist, als es sein d#252;rfte«, antwortete Winterfeld. »Und zwar viel w#228;rmer. « »Also, mir kommt es die meiste Zeit ziemlich kalt vor«, antwortete Ben. Winterfeld l#228;chelte fl#252;chtig. »Aber das ist es nicht«, antwortete er. »Im Gegenteil. Der Norden Deutschlands, zum Beispiel, liegt etwa auf dem gleichen Breitengrad wie Moskau, und dort ist es die meiste Zeit »Nicht im mindesten«, antwortete Winterfeld unger#252;hrt. »Sehen Sie, es ist im Grunde ganz simpel. Das Seegebiet, dem wir uns n#228;hern, ist n#228;mlich zum Gro#223;teil daf#252;r verantwortlich, da#223; der Golfstrom #252;berhaupt so weit reicht. Eigentlich m#252;#223;te er irgendwo vor der afrikanischen K#252;ste auf den Kontinentalsockel treffen und dort auseinanderbrechen. Da#223; er es nicht tut, liegt an »Wir sind hier am Polarkreis, Mister Stanley. Und das bedeutet, da#223; eisige Luft aus dem Norden herbeistr#246;mt und das Wasser abk#252;hlt. Sie wissen, was mit Wasser geschieht, das kalt wird?« »Es gefriert«, sagte Chris. »Ja, das stimmt«, antwortete Winterfeld. »Aber zuerst einmal wird es »Bl#246;dsinn«, sagte Ben. »Eis schwimmt oben, oder?« »Eis ja«, best#228;tigte Winterfeld. »Kaltes Wasser, nein. So wie warme Luft nach oben steigt, weil sie leichter ist als kalte, so ist kaltes Wasser schwerer als warmes. Und hier geschieht nun etwas, was in dieser Form und Gr#246;#223;e auf der ganzen Welt einmalig sein d#252;rfte: Die kalte Polarluft k#252;hlt das warme Wasser, das der Golfstrom herantr#228;gt, rasend schnell ab. Es beginnt zu sinken, und zwar durch die warmen Wasserschichten in der Tiefe hindurch und sehr schnell. Auf diese Weise entsteht ein Sog, eine Art Wasserfall im Meer, wenn du so willst. Hier, an der Meeresoberfl#228;che, sp#252;rt man kaum etwas davon, aber schon hundert Meter tiefer toben Gewalten, die jedes Schiff zerrei#223;en w#252;rden. « »Au#223;er der NAUTILUS«, sagte Trautman. »Au#223;er der NAUTILUS«, best#228;tigte Winterfeld. »Zumindest hoffe ich das. « »Und Sie haben vor, diesen Sog zu unterbrechen?« Ben sch#252;ttelte zweifelnd den Kopf. »Dazu d#252;rfte nicht einmal die NAUTILUS ausreichen. « »Sie nicht«, sagte Winterfeld, »aber etwas, was ich dort unten auf dem Meeresgrund entdeckt habe. Ich habe die ganze Zeit vermutet, da#223; es dort ist, aber diese Karte hier gibt mir die Gewi#223;heit, da#223; es existiert. « »Und was?« fragte Ben. »Ein Vulkan«, antwortete Trautman. »Ein gewaltiger, unterseeischer Vulkan. « Ben keuchte. »Und Sie wollen ihn –« »Zum Ausbruch bringen, ja«, unterbrach ihn Winterfeld. »Deshalb also die #220;berf#228;lle«, murmelte Brockmann. »Dazu haben Sie all diesen Sprengstoff gebraucht. « »Mehr als hunderttausend Tonnen«, best#228;tigte Winterfeld. »Ich habe insgesamt sieben Schiffe, die bis unter das Deck mit Sprengstoff beladen sind. Wenn ich sie auf den Meeresboden versenke und exakt im selben Moment sprenge, wird der Vulkan ausbrechen. « »Das kann nie und nimmer funktionieren«, sagte Stanley #252;berzeugt. »Der Vulkan wird ausbrechen – und? Das Wasser wird warm und dann wieder kalt. Sie haben es selbst gesagt – vom Pol str#246;mt ununterbrochen kalte Luft herbei. Vielleicht wird es zwei Tage lang k#228;lter in Europa, aber –« »Er hat recht, Stanley«, unterbrach ihn Trautman leise. »Sie verstehen immer noch nicht. « Er deutete mit einer m#252;den Geste auf die Karte. »Es reicht vollkommen, den Sog einmal zu unterbrechen. Und selbst wenn nicht – es w#252;rde k#228;lter. »Und?« fragte Stanley verst#228;ndnislos. »Sie haben nicht zugeh#246;rt, mein lieber Freund«, sagte Winterfeld l#228;chelnd. »Der Trick ist, da#223; es hier »Und damit der Golfstrom abrei#223;en«, fl#252;sterte Brockmann. »Europa w#252;rde eine neue Eiszeit erleben. « »Ja«, best#228;tigte Winterfeld. »Ich ma#223;e mir nicht an, die Welt umbauen zu k#246;nnen. Fr#252;her oder sp#228;ter wird die Natur die alte Ordnung wiederherstellen, dessen bin ich sicher. « »Es wird ein sehr langer und sehr kalter Winter werden – nach meinen Berechnungen zwischen f#252;nf und f#252;nfzehn Jahren. Nicht l#228;nger. Aber das ist lange genug, um diesen Irrsinn zu beenden. « »Wissen Sie eigentlich, was Sie da reden?« fragte Trautman. Seltsamerweise war seine Stimme ohne jeden Vorwurf. Er klang einfach nur m#252;de – und so, als wisse er genau, wie wenig seine Worte nutzen konnten. »Sie sprechen vom Ende unserer Zivilisation. Zumindest in der Form, wie wir sie kennen. Keine Nation in Europa kann eine Eiszeit #252;berstehen, selbst wenn sie »Und wenn?« fragte Winterfeld. »Welches Recht zum #220;berleben hat eine Zivilisation, deren ganzes Streben darin besteht, immer neue und immer schrecklichere Waffen zu erfinden, mit der sie sich noch schneller selbst ausl#246;schen kann?« »Und welches Recht haben Sie, #252;ber das Schicksal von Millionen Menschen zu entscheiden?« fragte Serena. Winterfeld starrte sie an, aber Serena hielt seinem Blick ruhig stand, und schlie#223;lich war es Winterfeld, der das stumme Duell verlor. Mit einem Ruck senkte er den Blick. »Mein Entschlu#223; steht fest«, sagte er. »Ich werde diesen Krieg beenden, so oder so. Ihr k#246;nnt mir dabei helfen und mit ziemlicher Sicherheit mit dem Leben davonkommen oder es nicht tun und mit gro#223;er Wahrscheinlichkeit sterben. « Er atmete h#246;rbar ein, sah wieder auf und blickte herausfordernd von einem zum anderen. »Ich wiederhole mein Angebot ein letztes Mal«, sagte er. »In zwei Stunden erreichen wir die Position der anderen Schiffe, und morgen fr#252;h, bei Sonnenaufgang, beginnen wir damit, sie zu versenken. Es ist eure Entscheidung, ob ihr dann in einem Rettungsboot der LEO-POLD sitzen und vor dem Vulkan fliehen werdet oder an Bord der NAUTILUS. « »So ganz verstanden habe ich das alles nicht«, gestand Chris, als sie wieder zur#252;ck in ihrer Kabine waren. »Das... das kann doch alles #252;berhaupt nicht wahr sein. « »Ich f#252;rchte doch«, antwortete Trautman d#252;ster. Er hatte damit begonnen, wie ein gefangener Tiger in der Kabine auf und ab zu gehen, und er sah Chris auch nicht an, als er ihm antwortete, sondern starrte kopfsch#252;ttelnd ins Leere. Selbst seine H#228;nde bewegten sich unentwegt, als k#246;nnte er sie nicht mehr still halten. »Ich habe geahnt, da#223; er etwas Verr#252;cktes vorhat, schon als ich die Karten an seinen W#228;nden gesehen habe. Aber das –« »Ist vollkommener Unsinn!« behauptete Stanley. »Kein Mensch auf der Welt ist in der Lage, eine neue Trautman hielt in seinem ruhelosen Herumgehen inne und sah Stanley fast feindselig an. »Sie haben doch geh#246;rt, was er gesagt hat«, sagte er. »Sind Sie wirklich so dumm, oder haben Sie einfach nur Angst davor, zuzugeben, da#223; er recht haben k#246;nnte?« »Vielleicht gelingt es ihm ja nicht, eine neue Eiszeit heraufzubeschw#246;ren, «, sagte Brockmann, »aber auf jeden Fall wird er eine unvorstellbare Katastrophe hervorrufen, bei der Tausende von Menschen ums Leben kommen k#246;nnen. Wir m#252;ssen ihn aufhalten. « »Ein famoser Plan«, sagte Stanley h#228;misch. »Und wie?« »Das wei#223; ich nicht«, gestand Brockmann. »Aber irgendwie »Wir k#246;nnten zum Schein auf sein Angebot eingehen«, schlug Juan vor. »Ihr habt geh#246;rt, was er gesagt hat. Er braucht die NAUTILUS. Und ich glaube ihm kein Wort, wenn er behauptet, selbst damit zurechtzukommen. « »Winterfeld ist seit drei#223;ig Jahren Seemann«, sagte Brockmann. »Das spielt keine Rolle«, antwortete Juan #252;berzeugt. »Die NAUTILUS ist mit nichts zu vergleichen, was Sie kennen. Sie ist viel komplizierter als irgendein anderes Schiff auf der Welt. Er braucht uns. Wenn das nicht so w#228;re, w#252;rde er sich keine solche M#252;he geben, uns zur Mitarbeit zu #252;berreden. « Trautman sch#252;ttelte den Kopf. »Ich f#252;rchte, ich mu#223; dich entt#228;uschen, Juan«, sagte er. »Sicherlich wird er die NAUTILUS niemals so beherrschen wie wir. Aber das mu#223; er auch nicht. Er mu#223; nur ein einziges Mal auf den Meeresgrund hinuntertauchen – und das ist sogar relativ einfach. Vergi#223; nicht, da#223; die NAUTILUS sich zum Gro#223;teil selbst steuert. « »Dann ist es um so wichtiger, da#223; jemand von uns an Bord ist!« sagte Ben. »Juan hat recht – wir gehen zum Schein auf sein Angebot ein, und im richtigen Moment –« »Winterfeld ist kein Dummkopf«, unterbrach ihn Mike. »Er wird ganz genau damit rechnen und entsprechende Vorkehrungen treffen. « »Das stimmt«, sagte Brockmann. »Na wunderbar«, sagte Stanley. »Dann k#246;nnen Sie uns ja vielleicht auch sagen, wie wir diesen Verr#252;ckten aufhalten?« Brockmann w#252;rdigte ihn keiner Antwort. Er sp#252;rte wohl, da#223; Stanleys Feindseligkeit nicht ihm galt, sondern nur ein Ausdruck seiner Hilflosigkeit war. Und trotz allem, was Stanley ununterbrochen versicherte, wu#223;te er wohl im Grunde ganz genau, da#223; Winterfelds Vorhaben »Aber er nicht nur einige wenige, sondern Tausende. In meiner Welt w#228;re das unvorstellbar gewesen. W#228;re es so schlimm, sie daran zu hindern?« »Auf diese Weise, ja«, antwortete Trautman ernst. »Wenn geschieht, was Winterfeld hofft, w#228;re nicht nur der Krieg beendet. Millionen Menschen w#252;rden erfrieren und verhungern, Serena. Unsere Kultur mag weit entwickelt sein, aber sie ist auch sehr empfindlich. Manchmal reicht schon ein einziger harter Winter, um die Versorgung eines Landes zusammenbrechen zu lassen. Eine einzige schlechte Ernte f#252;hrt bereits zu Hungersn#246;ten, und manchmal kostet ein einziges Unwetter schon Hunderte von Menschenleben. Wir halten uns nur zu gerne f#252;r die Herren der Welt, aber die Wahrheit ist, da#223; wir den Naturgewalten kaum weniger ausgesetzt sind als unsere Vorfahren. « »Sie w#252;rden nicht aufh#246;ren, sich zu bek#228;mpfen«, sagte Mike. »Die Menschen w#252;rden nicht mehr aufeinander schie#223;en, weil man es ihnen befiehlt. Aber sie w#252;rden es tun, weil sie Hunger haben. Selbst wenn Winterfeld Erfolg hat, macht er alles nur noch schlimmer. Es gibt nur eine andere Art von Krieg – nicht mehr Nation gegen Nation, sondern Nachbar gegen Nachbar und Bruder gegen Bruder. Auch wenn er recht hat und es nur f#252;nf Jahre dauert – Europa w#252;rde hinterher nicht mehr existieren. « Serena sah ihn an. Sie antwortete nicht, aber Mike konnte regelrecht sehen, wie es hinter ihrer Stirn zu arbeiten begann. Sie wirkte pl#246;tzlich sehr traurig, aber da war noch etwas anderes in ihrem Blick, etwas, was Mike seltsam ber#252;hrte und ihn mit einem Gef#252;hl der Scham erf#252;llte, das er im ersten Moment nicht verstand. Es war nicht das erste Mal, da#223; er sich fragte, wie Serena seine Welt wirklich sah. Sie waren jetzt so lange zusammen, da#223; er manchmal zu vergessen begann, was Serena Ungef#228;hr eine Stunde vor Sonnenuntergang erreichte die LEOPOLD die Position, an der die anderen Schiffe auf sie warteten. Es waren sieben vollkommen unterschiedliche Schiffe – zwei gewaltige Frachter, die beinahe die Abmessungen der LEOPOLD selbst hatten, aber auch eine Anzahl kleinerer Schiffe, alle deutscher, britischer und franz#246;sischer Abstammung. Winterfeld hatte sie wieder aus ihrer Unterkunft holen lassen, empfing sie aber jetzt nicht in seiner Kabine, sondern an Deck. Angesichts der K#228;lte und des schneidenden Windes hatten sie sich alle in die warmem Felljacken geh#252;llt, die ihnen Winterfelds Soldaten ausgeh#228;ndigt hatten, und auch ihre Bewacher waren der Witterung angemessen gekleidet. Nur Winterfeld selbst trug nichts als eine wei#223;e Paradeuniform, von der er, ebenso wie von allen anderen Kleidungsst#252;cken, die er besa#223;, seine milit#228;rischen Rangabzeichen entfernt hatte. Er mu#223;te in dem d#252;nnen Stoff erb#228;rmlich frieren, aber er lie#223; sich nichts davon anmerken, sondern empfing sie in tadelloser Haltung und stand fast eine Minute vollkommen reglos da, w#228;hrend sein Blick aufmerksam #252;ber das Gesicht jedes einzelnen glitt. Und schon ein einziger Blick in seine Augen machte Mike klar, da#223; ihre Diskussion von soeben vollkommen sinnlos gewesen war: Es h#228;tte #252;berhaupt keinen Zweck, Winterfeld bel#252;gen zu wollen. Er w#252;rde es sofort erkennen. »Nun?« begann er. »Haben Sie sich entschieden? Mister Stanley?« »Gehen Sie zum Teufel«, sagte Stanley grob. Winterfeld l#228;chelte, deutete ein Achselzucken an und wandte sich an seinen deutschen Kameraden, um ihm dieselbe Frage zu stellen. Von ihm bekam er erst gar keine Antwort. Er ging auch darauf mit keinem Wort ein, sondern drehte sich zu Trautman herum. »Ich hoffe, Sie sind etwas vern#252;nftiger als meine gesch#228;tzten Kollegen«, sagte er. »Bitte bedenken Sie, da#223; Sie nicht nur #252;ber »Als »Nein«, sagte Serena, ehe Trautman antworten konnte. »Diese Aufgabe werde ich #252;bernehmen. « Mike starrte sie ungl#228;ubig an. Ein Gef#252;hl, das beinahe an Entsetzen grenzte, begann sich in ihm breitzumachen. F#252;r einen Moment weigerte er sich einfach, zu glauben, was er geh#246;rt hatte. Und auchdie anderen blickten Serena mit einer Mischung aus #220;berraschung, Staunen und Erschrecken an. Selbst Winterfeld verlor f#252;r einen Augenblick seine Fassung. »Wie?« fragte er. »Ich werde die NAUTILUS steuern«, wiederholte Serena. »Unter der Bedingung, da#223; Sie mir Ihr Ehrenwort geben, da#223; Mike und den anderen nichts geschieht. « »Nie und nimmer!« sagte Mike impulsiv. »Das lasse ich nicht zu! Nicht du!« Und das war das Falscheste, was er in diesem Moment #252;berhaupt hatte sagen k#246;nnen. Er begriff es im selben Moment, in dem er die Worte aussprach, aber es war zu sp#228;t. Winterfelds Blick wanderte von ihm zu Serena und wieder zur#252;ck, und Mike konnte regelrecht sehen, wie es hinter seiner Stirn »Dein Angebot freut mich, aber ich f#252;rchte, ich kann es nicht annehmen. « »Wieso?« fragte Serena. »Weil ich dir nicht traue«, antwortete Winterfeld offen. »Siehst du, ich wei#223; sehr wohl, was du bist – und wozu du »Was?« machte Mike #252;berrascht. »Ich? Niemals!« »O doch«, antwortete Winterfeld. »Du wirst es tun, weil du das Leben deiner Freunde retten willst. « Er trat einen Schritt zur Seite und deutete auf die kleine Flotte, die in einer Reihe neben der LEOPOLD lag. »Es ist alles vorbereitet. Alles, was ich von dir verlange, ist, ein einziges Mal mit der NAUTILUS auf den Meeresgrund hinabzutauchen. Sobald wir zur#252;ck sind, #252;bergebe ich euch euer Schiff, und ihr k#246;nnt euch in Sicherheit bringen. Deine Freunde werden inzwischen hier auf uns warten. « »Und wenn ich mich weigere?« fragte Mike herausfordernd. Winterfeld zuckte gleichm#252;tig mit den Schultern. »Das wirst du nicht«, sagte er. »Und selbst wenn – es w#252;rde nichts #228;ndern. Die Schiffe werden in zehn Stunden, von jetzt an gerechnet, versenkt und gesprengt – ob die NAUTILUS zur#252;ckkehrt oder nicht. Deine Freunde w#252;rden sich dann allerdings in einem kleinen Rettungsboot wiederfinden, von dem ich, ehrlich gesagt, nicht glaube, da#223; es die Katastrophe heil #252;bersteht. Du siehst also, es liegt ganz bei dir. « »Das ist Erpressung«, sagte Mike. »Wenn du es so nennen willst. « Winterfeld zuckte abermals mit den Schultern. »Ich nenne es ein Gesch#228;ft. Und nun w#252;rde ich vorschlagen, da#223; wir nicht noch mehr kostbare Zeit verlieren, sondern uns an die Arbeit machen. « »Jetzt?« fragte Mike #252;berrascht. »Warum nicht? Es gibt keinen Grund mehr, l#228;nger zu warten. Im Gegenteil. Unsere Zeit ist reichlich knapp. « Mikes Gedanken #252;berschlugen sich – obwohl er im Grunde bereits wu#223;te, da#223; ihm gar keine andere Wahl mehr blieb, als auf Winterfelds Forderung einzugehen. Verzweifelt wandte er sich an Serena. »Warum hast du das getan?« fragte er. »Er h#228;tte uns niemals zwingen k#246;nnen, ihm zu helfen!« »Aber das kann er doch auch jetzt noch nicht«, antwortete Serena verwirrt. »Wo ist denn der Unterschied?« »Der Unterschied ist«, sagte Winterfeld, »da#223; dein Freund jetzt auf jeden Fall #252;berleben wird. Ich glaube, ihr w#228;rt in der Lage gewesen, alle zusammen in den Tod zu gehen, nur um mich aufzuhalten, aber nun... « »Das k#246;nnen wir immer noch!« sagte Ben entschlossen. »Nein«, widersprach Winterfeld. »Ihr vielleicht – aber er nicht. Und genau aus diesem Grund wird er mir helfen. « Er wandte sich mit einem grausamen L#228;cheln wieder an Mike. »Oder?« fragte er. »Ich m#252;#223;te mich sehr in dir t#228;uschen, wenn du wirklich mit dem Wissen weiterleben k#246;nntest, schuld am Tod deiner Freunde zu sein. « »Sie... Sie Ungeheuer«, sagte Trautman. »Ich dachte bisher, da#223; Sie vielleicht verr#252;ckt sind, aber trotzdem noch einen Funken Anstand im Leib haben. Aber ich scheine mich get#228;uscht zu haben. « »Ja, das scheint wohl so«, sagte Winterfeld gelassen. »Also – gehen wir. « Trotz allem war es ein beruhigendes und sehr wohltuendes Gef#252;hl, wieder an Bord der NAUTILUS zu sein. Wie seine Freunde hatte Mike die letzten anderthalb Jahre zum gr#246;#223;ten Teil auf dem Tauchboot verbracht, und das Schiff war f#252;r ihn die Heimat geworden, die er niemals gehabt hatte. Das leise Surren der Motoren, das Rauschen des Wassers, das am st#228;hlernen Rumpf der NAUTILUS vorbeiglitt, und das best#228;ndige leise Knistern und Knacken, mit dem das Schiff auf den allm#228;hlich ansteigenden Wasserdruck reagierte, das waren f#252;r ihn vertraute Ger#228;usche, mit denen das Schiff ihn nach tagelanger Abwesenheit zu begr#252;#223;en schien. Nicht einmal Winterfelds M#228;nner, die allgegenw#228;rtig zu sein schienen, konnten daran etwas #228;ndern. Ganz langsam glitt die NAUTILUS in die Meerestiefe hinab. Vor dem gro#223;en Aussichtsfenster war noch ein blasser Schimmer von dunkelgr#252;nem Licht zu sehen, der aber allm#228;hlich schw#228;cher wurde. Das Schiff n#228;herte sich den Bereichen des Meeres, in die das Sonnenlicht nicht mehr hinuntertraf. Unter ihnen lag nichts als ein schwarzer, Tausende von Metern tiefer Abgrund, in dem ewige Nacht herrschte – aber keineswegs Ruhe. Noch merkte man es dem Schiff nicht an, aber die Werte, die Mike auf den Instrumenten des Kontrollpultes ablas, machten ihm klar, da#223; Winterfelds Theorie stimmte – sie n#228;herten sich einem Bereich, in dem ein enormer Sog herrschte. Rings um sie herum st#252;rzte das Wasser regelrecht in die Tiefe. Und die Gewalt dieser unterseeischen Str#246;mung nahm rasch zu. Mike machte sich keine Sorgen um die NAUTILUS – sie waren schon auf viel heftigere Str#246;mungen und Wirbel gesto#223;en und w#252;rden auch damit fertig werden – aber er begann zu ahnen, da#223; Winterfelds Plan, so verr#252;ckt er ihm auch immer noch vorkam, vielleicht aufgehen mochte. Zumindest ein Nein, daran wollte er lieber gar nicht erst denken. Mike l#246;ste seinen Blick kurz von den Steuerinstrumenten und sah Astaroth an. Der ein#228;ugige schwarze Kater hatte es sich auf seinem Scho#223; bequem gemacht und schnurrte wohlig; vor allem, weil Mike von Zeit zu Zeit eine Hand von den Kontrollinstrumenten l#246;ste und ihn zwischen den Ohren kraulte. Von Astaroths penetranter Weigerung, sich wie ein Haustier behandeln und Das »Wie meinst du das?« Mike starrte den Kater #252;berrascht an. Zwei der M#228;nner neben ihm sahen auf und runzelten verwirrt die Stirn, denn Mike hatte die Worte laut ausgesprochen, so da#223; er hastig und noch lauter hinzuf#252;gte: »Wenn du das noch einmal machst, fliegst du runter. Ich lasse mich nicht bei#223;en. « Mike fuhr erschrocken auf und blickte in Winterfelds Gesicht. Er hatte nicht gemerkt, da#223; der Kapit#228;n der LEOPOLD hinter ihm aufgetaucht war. Erschrocken fragte er sich, ob und wieviel dieser von seinem stummen Zwiegespr#228;ch mit Astaroth mitbekommen hatte – und ob er gar Verdacht gesch#246;pft haben k#246;nnte, da#223; der Kater mehr war als das, wonach er aussah. Winterfeld sch#252;ttelte den Kopf und seufzte. »Der Kater scheint dich vermi#223;t zu haben«, meinte er. »Meine Leute sagen, da#223; er sich wie toll geb#228;rdet hat. Sie wollten ihn schon #252;ber Bord werfen. Ich m#246;chte nur wissen, was ihr alle an diesem h#228;#223;lichen Tier findet. « »Er geh#246;rt eben zu uns«, sagte Mike rasch. Ebenso rasch wandte er seine Konzentration wieder den Instrumenten vor sich zu. »Wir sind schon sehr tief«, sagte er. »Es kann nicht mehr lange dauern. Sie sollten mir allm#228;hlich sagen, wohin ich #252;berhaupt fahren soll. « »Einfach nur nach unten«, antwortete Winterfeld. »Wenn meine Karten stimmen, m#252;ssen wir uns unmittelbar #252;ber dem Vulkan befinden. Aber ich mu#223; sichergehen. Wenn die Schiffe nicht pr#228;zise im Krater explodieren, ist alles umsonst. « Mike ersparte es sich, darauf zu antworten. Es hatte keinen Sinn, mit Winterfeld zu diskutieren. Einen Moment lang spielte er ernsthaft mit dem Gedanken, den Kurs der NAUTILUS ganz unmerklich zu #228;ndern. Hier unten herrschte stockfinstere Nacht. Sie konnten eine halbe Meile an dem Vulkan vorbeifahren, den Winterfeld auf dem Meeresgrund vermutete, ohne ihn auch nur zu sehen. Und wenn er nicht fand, wonach er suchte, gab er seinen verr#252;ckten Plan vielleicht auf. Das #252;berraschte Mike nicht im mindesten. Man konnte gegen Winterfeld sagen, was man wollte – er war trotz allem ein Mann von Ehre. Immer tiefer und tiefer glitten sie in das Meer hinab. Der Sog wurde nun so stark, da#223; die NAUTILUS sp#252;rbar zu zittern begann, und die Motoren dr#246;hnten lauter, da sie sich st#228;rker gegen die Str#246;mung stemmten, die das Schiff mit sich in die Tiefe rei#223;en wollte. Winterfeld sagte jetzt nichts mehr, aber er stand die ganze Zeit hinter Mike und beobachtete sehr aufmerksam, was dieser tat, und nach einer Weile gesellten sich noch zwei von seinen Ingenieuren hinzu, die sich eifrig Notizen machten oder in aufgeregtem Fl#252;sterton miteinander sprachen. Mike sch#228;tzte, da#223; auf diese Weise eine gute halbe Stunde verging. Sie hatten den Meeresboden nun fast erreicht und somit eine Tiefe, die auch f#252;r die NAUTILUS beinahe die Grenzen dessen darstellte, was sie aushalten konnte. Auch Winterfeld zollte den F#228;higkeiten der NAUTILUS geb#252;hrenden Beifall. »Phantastisch!« sagte er. »Das ist ... unglaublich, wei#223;t du das eigentlich? Jedes auch nur vorstellbare Unterseeboot w#228;re schon bei einem Bruchteil dieses Wasserdrucks einfach zermalmt worden. Ich glaube, so etwas k#246;nnen wir selbst in hundert Jahren noch nicht bauen!« »Wenn Sie mit Ihrem Plan Erfolg haben, k#246;nnen wir es vielleicht nie«, sagte Mike bitter, aber Winterfeld schien die Worte #252;berhaupt nicht geh#246;rt zu haben. »Und ein Volk, das so etwas Unglaubliches bauen konnte, mu#223;te untergehen«, fuhr er fort. »Ich finde es wirklich bedauerlich, da#223; mir nicht mehr Zeit bleibt, mich mit deiner kleinen Freundin zu unterhalten. Ich h#228;tte gerne mehr #252;ber Atlantis erfahren. Ich nehme an, du wei#223;t mittlerweile alles dar#252;ber, was es zu wissen gibt?« »Dies und das«, antwortete Mike einsilbig. Die Neugier in Winterfelds Worten war nicht gespielt, aber er hatte keine Lust, sich zu unterhalten, als w#228;re nichts geschehen, w#228;hrend sie dabei waren, den Weltuntergang vorzubereiten. »Ich verstehe«, sagte Winterfeld. »Du willst nicht mit mir reden. Das tut mir sehr leid. Ich h#228;tte es vorgezogen, wenn du verstehst, warum ich das alles tue. « Mike sah nun doch von seinen Instrumenten auf und direkt in Winterfelds Gesicht. »Das kann ich nicht verstehen«, sagte er. »Niemand kann das. Bitte, Herr Winterfeld – #252;berlegen Sie es sich noch einmal. Auch Paul h#228;tte das nicht gewollt, dessen bin ich sicher. « Winterfelds Gesicht verd#252;sterte sich. Aber nicht aus Zorn, wie Mike im allerersten Moment glaubte, sondern vor Trauer und Schmerz. »Paul«, antwortete er nach einigen Sekunden sehr leise und ohne Mike anzusehen, »wollte auch nicht sterben. Niemand hat ihn gefragt, was er »Wissen sie, da#223; Sie sie alle zum Tode verurteilt haben? Interessiert es Sie auch nicht, was »Sie werden nicht sterben«, antwortete Winterfeld. »Wof#252;r h#228;ltst du mich? Sie alle werden rechtzeitig in Sicherheit gebracht werden – bis auf einige wenige, die mich freiwillig begleiten. Ich bin kein M#246;rder. « Es dauerte einen Moment, bis Mike klar wurde, was diese Worte bedeuteten. »Moment mal«, sagte er. »Soll das hei#223;en, da#223; –« »Ich selbst an Bord der LEOPOLD sein werde, wenn das Schiff sinkt, ja«, unterbrach ihn Winterfeld. »Es ist notwendig. « »Das bedeutet Ihren Tod«, sagte Mike. »Ja«, antwortete Winterfeld unger#252;hrt. »Aber er wird nicht umsonst sein. Ein Menschenleben mehr oder weniger – was bedeutet das schon, angesichts dessen, was ich erreichen werde?« Tats#228;chlich hatte Mike Winterfeld noch nie so nahe am Rande seiner Selbstbeherrschung erlebt wie in diesem Moment. Und vielleicht h#228;tte er sie wirklich vollends verloren, h#228;tte sich nicht in genau diesem Augenblick einer der beiden Ingenieure umgewandt und auf das Fenster gedeutet. »Dort!« sagte er. »Seht!« Aller Aufmerksamkeit wandte sich dem Aussichtsfenster zu. Die Dunkelheit au#223;erhalb der NAUTILUS war nicht mehr vollkommen. Tief unter ihnen gl#252;hte ein mattes, rotes Licht mit verschwommenen R#228;ndern in dem hier und da kleine gelbe Funken wie leuchtende Insektenaugen zu sehen waren. »Der Vulkan!« sagte der Ingenieur. »Dort ist er. Genau, wo wir berechnet haben!« Auch Winterfeld drehte sich zum Fenster herum. Er hatte sich jetzt wieder v#246;llig in der Gewalt. Einige Sekunden lang blickte er konzentriert nach drau#223;en, dann sch#252;ttelte er ganz langsam den Kopf. »Nein, nicht genau«, sagte er. »Sehen Sie auf Ihre Karten. Es gibt eine Abweichung. Nicht viel, aber sie ist da. Vielleicht eine halbe Seemeile oder zwei. « Die beiden M#228;nner sahen gehorsam auf ihre Seekarten und verglichen die Angaben darauf mit den Werten, die Mikes Instrumente lieferten. Schlie#223;lich nickten sie verbl#252;fft. »Das stimmt«, sagte der, der den Vulkan entdeckt hatte. »Aber wie konnten Sie das wissen? Es ist praktisch unm#246;glich – « »Weil ich nicht blind bin«, unterbrach ihn Winterfeld. »Sehen Sie dort, ein St#252;ck hinter dem Krater. Sehen Sie das Licht?« Selbst Mike, der eigentlich #252;ber recht scharfe Augen verf#252;gte, mu#223;te dreimal hinsehen, um den winzigen dunkelroten Punkt zu erkennen, den Winterfeld ausgemacht hatte. Auf einen Wink Winterfelds hin #228;nderte er Kurs und Geschwindigkeit der NAUTILUS, so da#223; sie sich nun darauf zubewegten – und zugleich nat#252;rlich auf den Vulkankrater. Sie passierten ihn in so geringer Entfernung, da#223; Mike und die anderen einen Blick direkt in den Krater hineinwerfen konnten. Es war ein Anblick, den er nie im Leben wieder v#246;llig vergessen sollte. Obwohl ihm seine Instrumente verrieten, da#223; sie mehr als f#252;nfhundert Meter #252;ber dem Krater waren, bebte und zitterte die NAUTILUS unter der Gewalt des hochschie#223;enden hei#223;en Wassers, und sie konnten ein leises, aber ungemein machtvolles Dr#246;hnen und Rumpeln h#246;ren, das von #252;berallher zugleich zu kommen schien. Es war, als h#228;tte er einen Blick unmittelbar in die H#246;lle geworfen. Unter ihnen brodelte und zischte es, wo rotgl#252;hende Lava auf Wasser traf und es in Dampf verwandelte. Der Krater war unvorstellbar gro#223;; Mike h#228;tte die NAUTILUS bequem hineinsteuern und ein paar Runden darin drehen k#246;nnen, und oben, auf der Erdoberfl#228;che, h#228;tte er einen ansehnlichen Berg abgegeben. Hier unten jedoch war er nur einer von vielen. Der rote Punkt, den Winterfeld entdeckt hatte, entpuppte sich beim N#228;herkommen als zweiter, etwas kleinerer Vulkankrater, und hinter diesem erhob sich ein dritter und vierter – es war eine ganze Kette unterseeischer Vulkane, auf die sie gesto#223;en waren. »So ist das also«, murmelte Winterfeld. »Jetzt verstehe ich es endlich. « »Was?« fragte Mike. »Die Vulkane«, antwortete Winterfeld, ohne seinen Blick vom Fenster zu l#246;sen. »Es ist ein doppelter Effekt. Sie m#252;ssen seit Zehntausenden von Jahren aktiv sein. Verstehst du nicht? So, wie kaltes Wasser sinkt, steigt hei#223;es rasch nach oben! Das Wasser, das mit der Lava in Ber#252;hrung kommt, wird sofort zu Dampf, der in die H#246;he schie#223;t, und neben ihm st#252;rzt das kalte Wasser nach unten. Auf diese Weise entsteht ein unvorstellbarer Sog! Kein Wunder, da#223; der Golfstrom um die halbe Welt reicht! Das Wasser wird hier regelrecht nach unten gerissen!« »Ja, aber wohin verschwindet all dieses Wasser?« fragte Mike. Winterfeld schwieg einen Moment. »Fahr ein St#252;ck nach rechts«, sagte er. »Und etwas tiefer. « Mike gehorchte, aber vorsichtig. Die NAUTILUS zitterte und stampfte jetzt ununterbrochen, und er hatte die Leistung der Motoren fast bis zum Maximum erh#246;ht, um #252;berhaupt ihre Position zu halten. Was er vorhin #252;ber diesen Sog gedacht hatte, stimmte nicht. Er war hundertmal st#228;rker, als sie alle angenommen hatten, selbst Winterfeld und seine Techniker. Mike war gar nicht mehr so sicher, da#223; das Schiff diesen tobenden Naturgewalten noch lange widerstehen w#252;rde. Trotzdem sank die NAUTILUS allm#228;hlich tiefer. Mike bem#252;hte sich, einen respektvollen Abstand zu der Kette von Licht und hei#223;en Dampf speienden Bergen zur Linken zu halten, aber das Schaukeln des Schiffes nahm noch mehr zu. Als sie schlie#223;lich den Meeresgrund erreichten, liefen die Maschinen mit aller Kraft. Mikes Augen hatten sich mittlerweile an die d#252;sterrote Helligkeit drau#223;en gew#246;hnt, so da#223; er ihre Umgebung erkennen konnte. Was er sah, versetzte ihn in Erstaunen, aber es lie#223; ihn auch erschauern. Es war nicht das erste Mal, da#223; er den Meeresboden mit eigenen Augen sah, nicht einmal in einer solchen Tiefe – aber er hatte noch nie etwas wie das erblickt. Unter ihnen war nichts als nackter, schimmernder Fels. Es gab keinen Kr#252;mel Sand, keinen Schlick, kein Leben, nur Steine und Felsen, die allesamt sonderbar rund und wie glattpoliert aussahen – und genau das waren sie auch. Der ungeheure Sog, der hier unten herrschte, hatte alle scharfen Kanten abgeschliffen und jede gr#246;#223;ere Erhebung eingeebnet. Der Anblick war ungemein deprimierend. Die Meere waren die Wiege des Lebens, aber hier gab es nichts, nichts au#223;er Wasser und r#246;tlichem Licht und tobender Bewegung. Unter der NAUTILUS breitete sich eine #246;de Mondlandschaft aus, auf der es niemals Leben gegeben hatte und niemals geben w#252;rde. »Dort vorne!« sagte Winterfeld. »Siehst du es?« Mike nickte. Diesmal hatte er es im selben Moment entdeckt wie Winterfeld: Nicht mehr sehr weit vor ihnen h#246;rte der Meeresboden einfach auf. Der schimmernde Fels brach ab, und wo der Meeresgrund sein sollte, g#228;hnte nur ein gewaltiger, schwarzer Abgrund. »Vorsichtig jetzt«, sagte Winterfeld. Die Warnung w#228;re nicht n#246;tig gewesen. Mike drosselte die Geschwindigkeit der NAUTILUS immer mehr, bis sie sich fast nur noch im Schrittempo bewegten. Und schlie#223;lich mu#223;te er den Schub der Motoren sogar umkehren, um das Schiff auch nur auf der Stelle zu halten. Der Sog war jetzt so gewaltig, da#223; er selbst das hundert Meter lange Unterseeboot einfach mit sich gerissen h#228;tte, h#228;tten die Maschinen sich nicht dagegengestemmt. Unmittelbar #252;ber der Kante hielten sie an. Und f#252;r lange, endlose Sekunden wurde es sehr still im Salon der NAUTILUS. Der Anblick war ungeheuerlich. Unter ihnen g#228;hnte die gigantischste Schlucht, die Mike jemals gesehen hatte. Der Fels st#252;rzte so weit in die Tiefe, da#223; man nirgendwo einen Boden h#228;tte erkennen k#246;nnen, und der gegen#252;berliegende Rand des Abgrundes war so weit entfernt, da#223; sie ihn nicht einmal mehr sehen konnten. Selbst der Grand Canyon war gegen diese Schlucht nicht mehr als ein k#252;mmerlicher Ri#223;. »Da hast du die Antwort auf deine Frage«, sagte Winterfeld. Seine Stimme klang fast bewundernd. »Das Wasser mu#223; diesen Schacht gegraben haben«, sagte er. »Mein Gott, es mu#223; Millionen von Jahren gedauert haben!« Es fiel Mike nicht leicht, Winterfelds Gedanken zu folgen – aber vielleicht lag das eher daran, da#223; ihn der Anblick, der sich ihnen bot, einfach erschlug. Was sie sahen, war ein Flu#223; im Meer, eine gewaltige Rinne, die das Wasser, das von der Meeresoberfl#228;che herabst#252;rzte, im Laufe von Jahrmillionen in den Meeresboden gegraben hatte und durch die es mit unvorstellbarer Gewalt davonscho#223;. Mike wagte sich nicht vorzustellen, was gesch#228;he, wenn die NAUTILUS in »Das fragen Sie noch?« Mike deutete nach drau#223;en. »Sie glauben doch nicht im Ernst, da#223; Sie Ihren Plan jetzt noch durchf#252;hren k#246;nnen? Aller Sprengstoff der Welt reicht nicht aus, um das Zu seiner #220;berraschung l#228;chelte Winterfeld. »Du bist wirklich hartn#228;ckig«, sagte er. »Das gef#228;llt mir. Aber du freust dich zu fr#252;h. Ich habe etwas in dieser Art erwartet. Ich war nur nicht sicher. Aber jetzt bin ich es. « Er wandte sich wieder zu seinen Ingenieuren um. »Ich hoffe, Sie haben alles notiert, meine Herren?« »Selbstverst#228;ndlich«, antwortete einer der beiden. »Aber es w#228;re sicher n#252;tzlich, wenn wir diesen Kanal genauer untersuchen k#246;nnten. Ist das m#246;glich?« Die letzte Frage galt Mike, der sie sofort und mit einem entschiedenen Kopfsch#252;tteln beantwortete. »Niemals«, sagte er. »Die Str#246;mung w#252;rde das Schiff in St#252;cke rei#223;en. Bestenfalls w#252;rde sie uns bis in die hintere Mongolei bef#246;rdern. « Der Mann wirkte entt#228;uscht. »Das ist schade«, sagte er. »Aber nicht zu #228;ndern«, f#252;gte Winterfeld hinzu. »Die vorhandenen Daten m#252;ssen eben reichen. Im Grunde best#228;tigen sie sowieso nur unsere bisherige Vermutung. Mike – wir k#246;nnen auftauchen. Ich habe genug gesehen. « Mike steuerte die NAUTILUS rasch einige hundert Meter von der Felskante weg und somit aus der schlimmsten Str#246;mung hinaus. Aber er wandte sich noch einmal an Winterfeld, ehe er das Boot aufsteigen lie#223;. »Verstehen Sie denn immer noch nicht, da#223; es vorbei ist?« sagte er. »Dieser Kanal mu#223; – zig Kilometer breit sein und wahrscheinlich mehr als eine Meile tief. Aller Sprengstoff der Welt reicht nicht aus, ihn zu zerst#246;ren. « »Ich habe auch nicht vor, ihn zu sprengen«, antwortete Winterfeld. »Und was dann?« Winterfeld beantwortete diese Frage nicht, aber Astaroth tat es: »Wie bitte?« keuchte Mike entsetzt. f#252;gte Astaroth hinzu. Winterfeld blinzelte. »Ich habe nichts gesagt«, sagte er. Sein Blick tastete mi#223;trauisch #252;ber Mikes Gesicht. sagte Astaroth #252;berfl#252;ssigerweise. »Ich... ich war nur erschrocken«, stammelte Mike, und Astaroth sagte: »Weil... weil es doch so sinnlos ist«, sagte Mike. »Ich meine, Sie... Sie opfern sich vollkommen umsonst. Und das Leben Ihrer Begleiter ebenfalls. « »Und wenn?« fragte Winterfeld. »Hast du etwa Angst um mein Wohlergehen?« »Nein«, sagte Mike. »Ich hatte Sie nur f#252;r kl#252;ger gehalten, das ist alles. « Er wartete Winterfelds Reaktion diesmal nicht ab, sondern wandte sich wieder dem Instrumentenpult zu. Wenige Augenblicke sp#228;ter begann die NAUTILUS auf der Stelle zu drehen und stieg wieder aufw#228;rts. Sie hatten die Meeresoberfl#228;che wieder erreicht, aber Mike kam es vor, als w#228;re ihnen die Dunkelheit gefolgt; und das in gleich zweifacher Hinsicht. Die Sonne war l#228;ngst untergegangen, und auch Mike f#252;hlte sich von einer Art k#246;rperloser Finsternis erf#252;llt, die ihn zugleich mutlos wie fast rasend vor Zorn machte. Das schlimmste von allem war vielleicht das Gef#252;hl der Hilflosigkeit. Es war beileibe nicht das erste Mal, da#223; er und die anderen in einer scheinbar ausweglosen Situation waren – aber diesmal war sie eben nicht nur Die NAUTILUS legte neben der LEOPOLD an. Winterfeld befahl ihm nicht, von Bord zu gehen, aber er erhob auch keinen Einspruch, als Mike den Salon verlie#223; und sich auf den Weg nach oben machte.Obwohl bereits tiefste Nacht herrschte, war das Deck der LEOPOLD fast taghell erleuchtet. #220;berallwaren gro#223;e Scheinwerfer aufgebaut, und Mike bemerkte zu seiner #220;berraschung, da#223; der Gro#223;teil der Besatzung offenbar damit besch#228;ftigt war, s#228;mtliche T#252;ren und Fenster des Schiffes wasserdicht zu verschlie#223;en. Dutzende von M#228;nnern schwei#223;ten gro#223;e Stahlplatten vor die Fenster der Br#252;cke, #252;berall h#228;mmerte, klang und blitzte es. Der Sinn dieser hektischen Aktivit#228;t wurde Mike rasch klar: Winterfeld hatte tats#228;chlich vor, das Schiff zu versenken und dabei zumindest mit einem Teil der Besatzung an Bord zu bleiben. Daher versiegelten sie das Schiff, so gut es ging. Mike bezweifelte allerdings die Wirksamkeit dieser Ma#223;nahmen, Winterfeld machte sich wohl trotz allem keine rechte Vorstellung von dem ungeheuren Wasserdruck, der einige tausend Meter unter der Meeresoberfl#228;che herrschte. Die Stahlplatten, die seine M#228;nner vor die Fenster schwei#223;ten, w#252;rden zerrei#223;en wie d#252;nnes Papier, lange, ehe sie den Meeresgrund erreicht hatten. Serena, Trautman und die anderen warteten trotz der bei#223;enden K#228;lte an Deck der LEOPOLD auf ihn, und seine Stimmung mu#223;te wohl auch deutlich auf seinem Gesicht abzulesen sein, denn Trautman empfing ihn mit den Worten: »Was ist passiert?« Mike erz#228;hlte, was sie auf dem Meeresgrund gefunden hatten, und auch Trautmans Gesicht verd#252;sterte sich. »Das ist schlimm«, sagte er, als Mike mit seinem Bericht zu Ende gekommen war. »Wenn es ihm tats#228;ch lich gelingt, die Schiffe direkt in die Vulkankrater zu lenken, k#246;nnte er eine Kettenreaktion ausl#246;sen. « »Sie haben den Canyon nicht gesehen«, sagte Mike. »Er ist gigantisch. Aller Sprengstoff der Welt w#252;rde nicht ausreichen, ihn zu versch#252;tten. « »Wahrscheinlich nicht«, sagte Trautman. »Aber der Ausbruch eines unterseeischen Vulkans vielleicht doch – wenn er gewaltig genug ist. « Er wandte sich mit einem fragenden Blick an Brockmann. »K#246;nnte der Sprengstoff ausreichen, um einen Vulkanausbruch hervorzurufen?« Brockmann zuckte nur mit den Schultern. »Ich bin kein Ozeanologe«, sagte er. »Aber Soldat«, gab Ben scharf zur#252;ck. »Sie sollten sich mit Sprengstoff auskennen, oder?« »M#246;glich ist alles«, antwortete Brockmann. »Vielleicht ja, vielleicht nein – in ein paar Stunden werden wir es wissen. « »Ach, und das ist alles, was Sie dazu zu sagen haben?« Stanley schnaubte. »Na ja, was habe ich auch erwartet?« Brockmann setzte zu einer w#252;tenden Entgegnung an, besann sich aber dann im letzten Moment eines besseren und belie#223; es bei einem geringsch#228;tzigen Verziehen der Lippen. Vielleicht wollte er auch nurden anderen nicht die Genugtuung bieten, sich in aller #214;ffentlichkeit mit Stanley zu streiten – sie waren n#228;mlich keineswegs allein. Ein knappes Dutzend von Winterfelds Soldaten umgab sie in einem weiten Halbkreis, und die M#228;nner beobachteten sie sehr aufmerksam. Und genau in diesem Moment gesellte sich auch Winterfeld selbst zu ihnen. »Der Augenblick des Abschieds ist gekommen«, sagte er. »Uns bleibt nicht mehr sehr viel Zeit, deshalb will ich es kurz machen: Sie k#246;nnen jetzt wieder an Bord der NAUTILUS gehen. Diese M#228;nner hier –« Er deutete auf die Soldaten, die sie bewachten. »– werden Sie begleiten und daf#252;r sorgen, da#223; Sie nicht versuchen, mich aufzuhalten. Morgen fr#252;h bei Sonnenaufgang werden die M#228;nner Ihnen Ihre Waffen #252;bergeben; Sie sind dann frei. Habe ich Ihr Ehrenwort, da#223; Sie sie bei n#228;chster Gelegenheit in einem neutralen Land von Bord gehen lassen?« Trautman nickte. »Selbstverst#228;ndlich. Aber ich flehe Sie an, Winterfeld, #252;berlegen Sie es –« Winterfeld unterbrach ihn mit einer herrischen Geste, sagte aber in fast sanftem Ton: »Es ist sinnlos, #252;ber das Unvermeidliche zu diskutieren, Herr Trautman. Mein Entschlu#223; steht fest, und keine Macht der Welt kann mich noch davon abbringen. Die Zukunft wird zeigen, wer von uns recht hatte. « »Sie wollen wirklich das Leben von Millionen Menschen aufs Spiel setzen?« fragte Mike. Winterfeld l#228;chelte traurig. »Ich will es Niemand r#252;hrte sich. Ein sehr sonderbares Gef#252;hl breitete sich in Mike aus. Er sollte jetzt erleichtert sein –immerhin waren sie nicht nur mit dem Leben davongekommen, sondern auch wieder frei, aber das genaue Gegenteil war der Fall: Er f#252;hlte sich noch niedergeschlagener als bisher, und das Gef#252;hl von Hilflosigkeit war so intensiv geworden, da#223; es fast k#246;rperlich weh tat. Es mu#223;te doch irgend etwas geben, was sie wohl oder #252;bel anschlie#223;en mu#223;te. Winterfeld blieb reglos und mit starrem Gesicht stehen und sah ihnen nach. Die Soldaten, die sie bisher bewacht hatten, schlossen sich ihnen an: Zwei der Bewaffneten betraten als erste die schmale Planke, die zum Deck der NAUTILUS hinunterf#252;hrte, w#228;hrend die anderen dar#252;ber wachten, da#223; sie auch tats#228;chlich taten, was Winterfeld ihnen befohlen hatte. Ihre Waffen deuteten zwar nicht direkt auf Mike und die anderen, aber sie hielten sie griffbereit in den H#228;nden, und Mike zweifelte nicht daran, da#223; sie sie einsetzen w#252;rden, wenn es sein mu#223;te. Mike war nicht der letzte, der die LEOPOLD verlie#223;. Sie durften nur einzeln von Bord gehen, und hinter Mike warteten noch Serena und Brockmann. Die schmale Planke vibrierte heftig unter seinen Schritten, so da#223; er die Arme ausbreitete, um das Gleichgewicht zu halten, und den Blick starr nach vorne richtete – immerhin lag das Deck der NAUTILUS gute f#252;nfzehn Meter unter dem des gewaltigen Kriegsschiffes, und Mike war nicht schwindelfrei. Und um ein Haar w#228;re er dann doch noch ins Wasser gefallen, denn er hatte die Entfernung zur NAUTILUS noch nicht zur H#228;lfte #252;berwunden, als pl#246;tzlich die Maschinen der LEOPOLD ansprangen. Mike fuhr erschrocken zusammen, als das ganze Schiff zu zittern begann. Mit heftig rudernden Armen und schneller, als vielleicht gut war, hastete er die letzten Meter dahin und legte das letzte St#252;ck zum Deck des Unterseebootes hinab schlie#223;lich mit einem gewagten Sprung zur#252;ck. Prompt glitt er auf dem feuchten Metall aus und w#228;re gest#252;rzt, h#228;tte ihn Trautman nicht aufgefangen. »Was ist denn jetzt los?« fragte Mike erschrocken. Er sah nach oben. Serena und Brockmann waren ihm nicht gefolgt, sondern standen an der Reling und z#246;gerten, die jetzt heftig zitternde Planke zu betreten. »Sie haben die Maschinen angelassen«, sagte Stanley. »Keine Sorge – das Zittern h#246;rt gleich wieder auf. Ich nehme an, sie verlegen die Flotte noch ein kleines St#252;ck. Du hast es ja selbst gesagt – sie m#252;ssen eine oder zwei Meilen weiter nach Norden. « Das war sicher die Wahrheit, und eigentlich h#228;tte diese Erkl#228;rung Mike beruhigen m#252;ssen, aber sie tat es nicht. Ganz im Gegenteil – pl#246;tzlich hatte er ein sehr ungutes Gef#252;hl. Irgend etwas w#252;rde passieren, das sp#252;rte er ganz deutlich. Da war irgend etwas, was sie #252;bersehen oder vergessen hatten, und es war etwas ungemein Wichtiges. Mike hat bis zu diesem Moment niemals an Vorahnungen geglaubt, aber von diesem Tage an tat er es. Er sah Stanley noch einen Moment lang zweifelnd an, dann wandte er sich wieder um und blickte zu Serena und Brockmann hoch. Der deutsche Kapit#228;n machte gerade Anstalten, mit einem entschlossenen Schritt auf die Planke hinauszutreten. Einer der M#228;nner, die Serena und ihn bewachten, streckte den Arm aus, um ihn zur#252;ckzuhalten – und Brockmann packte ihn blitzschnell, brachte ihn mit einem Ruck aus dem Gleichgewicht und schleuderte ihn #252;ber Bord. Der Mann st#252;rzte kreischend in die Tiefe und schlug dicht neben der NAUTILUS ins Wasser, aber noch bevor er versank, hatte Brockmann einen zweiten Soldaten gepackt und #252;ber Bord geschleudert, dann wirbelte er herum und verschwand mit einem gewaltigen Satzaus Mikes Sichtfeld. #220;berraschte Schreie und die Ger#228;usche eines heftigen Kampfes drangen zu ihnen herab. Und praktisch im selben Moment st#252;rzte sich Stanley auf die beiden Soldaten, die zusammen mit ihnen auf dem Deck der NAUTILUS standen. Der Angriff kam vollkommen #252;berraschend. Die M#228;nner hatten nicht einmal Gelegenheit, ihre Waffen zu heben – Stanley ri#223; sie mit weit ausgebreiteten Armen von den Beinen, begrub den einen unter sich und setzte ihn mit einem gewaltigen Faustschlag schachmatt. Der zweite wollte sich aufrappeln und seine Waffe heben, aber da war Singh schon #252;ber ihm, ri#223; ihm das Gewehr aus der Hand und versetzte ihm einen Sto#223;, der ihn zum zweiten Mal zu Boden schickte. Als er sich diesmal wieder aufrichtete, blickte er in den Lauf seiner eigenen Waffe. »Nein!« keuchte Mike. »Seid ihr verr#252;ckt geworden? Serena ist noch dort oben!« Aber es war zu sp#228;t. Mike wollte die Planke wieder hinaufst#252;rmen, doch er kam nicht einmal zwei Schritte weit. Pl#246;tzlich erschienen zwei Soldaten am oberen Ende des Steges, und Mike reagierte ganz instinktiv und warf sich zur Seite. Dicht hintereinander krachten zwei Sch#252;sse. Die Kugeln bohrten sich genau dort in das Holz, wo er gerade noch gestanden hatte. Zu einem dritten Schu#223; kamen die M#228;nner nicht, denn Stanley und Singh hatten die erbeuteten Waffen gehoben und erwiderten das Feuer. Winterfelds Soldaten zogen sich hastig zur#252;ck. Doch sie gaben keineswegs auf. Mike beobachtete voller Entsetzen, wie sich das obere Ende der Laufplanke hob – und dann #252;ber Bord gesto#223;en wurde. Mit einem gewaltigen Platschen st#252;rzte der Laufsteg ins Wasser. Die einzige Verbindung zur LEOPOLD existierte nicht mehr. »Serena!« keuchte Mike. »Um Gottes willen – Serena!« Von der Atlanterin war nichts zu sehen. Die Schreie und der Kampfl#228;rm auf dem Deck der LEOPOLD hielten an, und jetzt h#246;rten sie wieder Sch#252;sse – aber weder von Serena noch von Brockmann zeigte sich auch nur eine Spur. Mike fuhr zornig zu Stanley herum. »Warum haben Sie das getan?« fuhr er ihn an. »Jetzt wird er Serena bestimmt nicht mehr gehen lassen!« »Und wir haben eine Chance, ihn aufzuhalten«, antwortete Stanley in kaum weniger scharfem Ton. Seine Augen funkelten kampflustig. Offenbar verstand er gar nicht, warum Mike ihn angriff. Wahrscheinlich war er sogar noch stolz auf das, was er getan hatte. »Verdammt, wir sollten etwas tun, statt hier herumzustehen und zu jammern!« Mike ballte zornig die F#228;uste. »Sie –« »La#223; ihn, Mike«, unterbrach ihn Trautman. »Er hat recht. Und es ist nicht seine Schuld. Immerhin war es Brockmann, der als erster angegriffen hat. « Er sch#252;ttelte seufzend den Kopf. »Wenn wir jemandem Vorw#252;rfe machen m#252;ssen, dann h#246;chstens mir. Ich h#228;tte wissen m#252;ssen, da#223; Brockmann nicht einfach tatenlos zusieht, was geschieht. « Mikes Blick glitt verzweifelt an der LEOPOLD hinauf. Das Schiff wuchs wie ein Berg aus Stahl #252;ber ihnen empor. Nirgends gab es eine M#246;glichkeit hinaufzukommen. Was sie sahen, war eine senkrechte, un#252;bersteigbare Wand. Das hie#223; – nicht ganz. »Astaroth!« rief er laut. »Wo bist du?« »Ich habe jetzt wirklich keine Zeit f#252;r deine Scherze, Astaroth«, sagte Mike ungeduldig. »Ich brauche deine Hilfe. Wie viele M#228;nner sind noch unten im Schiff?« »Drei?« wiederholte Mike ungl#228;ubig. »Aber vorhin –« Mike erkl#228;rte Trautman rasch, was er von Astaroth erfahren hatte, worauf dieser Singh und Stanley anwies, die Waffen zu senken und die beiden deutschen Soldaten freizugeben. Singh gehorchte sofort, Stanley erst nach ein paar Sekunden. Aber die beiden M#228;nner machten tats#228;chlich keine Anstalten, Widerstand zu leisten. »Also gut«, fuhr Mike fort. »Geht nach unten. Die NAU-TILUS ist seeklar. Taucht auf zwanzig Meter und bleibt in der N#228;he. « »Und du?« fragte Trautman mi#223;trauisch. Mike deutete nach vorne, zum Bug der NAUTILUS, der unmittelbar neben dem des viel gr#246;#223;eren Kriegsschiffes lag. Es gab Mike l#228;chelte matt. »Stimmt. Aber hast du eine bessere Idee?« Er wartete Chris' Antwort nicht ab, sondern fuhr mit erhobener Stimme fort: »Ihr bleibt in der N#228;he. Falls die LEOPOLD Fahrt aufnehmen sollte, folgt ihr mir. M#246;glicherweise m#252;#223;t ihr Serena und mich aus dem Wasser fischen, falls wir #252;ber Bord springen. Astaroth wird euch sagen, was zu tun ist. « Es war Chris, der den rettenden Einfall hatte. »Wir nehmen ihn mit in den Steuerraum«, sagte er. »Ich male ein Bild von der LEOPOLD – und Astaroth zeigt uns, wo ihr euch befindet, an welcher Seite und ob vorne oder hinten. Kann er das?« »Er kann es«, sagte Mike, der keinen besonderen Wert darauf legte, sich wieder einen von Astaroths endlosen Monologen #252;ber die geistige Verfassung der menschlichen Spezies im allgemeinen und der einzelnen Besatzungsmitglieder im besonderen anzuh#246;ren. »Also los!« Er drehte sich um und begann auf den Bug der NAUTILUS zuzulaufen, so schnell, da#223; weder Trautman noch einer der anderen auch nur eine Gelegenheit bekam, ihn zur#252;ckzuhalten – und vor allem so schnell, da#223; Und das war es. Die straff gespannte Kette vibrierte und zitterte unter seinen H#228;nden und F#252;#223;en, und der Stahl war so schl#252;pfrig, da#223; er kaum Halt daran fand. Dazu kam, da#223; die Kette keineswegs Er hatte die H#228;lfte der Strecke hinter sich gebracht, als er doch nach unten sah – und direkt in Singhs Gesicht blickte, der keine anderthalb Meter unter ihm an der Ankerkette heraufkletterte. »Singh!« rief er erschrocken. »Was f#228;llt dir ein?!« Singh antwortete nicht darauf – und Mike sparte es sich, Singh Vorw#252;rfe zu machen oder ihm gar den Befehl zum Umkehren zu geben. Das eine w#228;re sinnlos, und das andere w#252;rde er ignorieren. Singh war nun einmal neben allem anderen auch sein Leibw#228;chter, und er w#252;rde ihn nie in einer solch gef#228;hrlichen Situation allein lassen, wie sie nun an Bord der LEOPOLD herrschte. Und wenn Mike ganz ehrlich zu sich war, dann war er im Grund sogar sehr froh, nicht allein zu sein. Immerhin war er drauf und dran, ein Kriegsschiff mit einer Besatzung von Hunderten von Soldaten zu entern. »Wo ist Winterfeld?« fragte Mike. »Und vor allem Serena?« Mike seufzte, sagte aber nichts mehr. Astaroth war nun einmal unverbesserlich. Mike konzentrierte sich darauf, Hand #252;ber Hand weiter an der Kette emporzuklettern. Sie hatten den allergr#246;#223;ten Teil der Strecke geschafft, als pl#246;tzlich ein so harter Ruck durch die Kette lief, da#223; Mike um ein Haar den Halt verloren h#228;tte. Im letzten Moment klammerte er sich fest, und auch Singh blieb nur mit M#252;he dort, wo er war. Die Kette zitterte und bebte immer st#228;rker – und begann nach oben zu gleiten. Ein eiskalter Schrecken durchfuhr Mike, als er begriff, was das bedeutete. Die LEOPOLD hatte begonnen, die Anker einzuholen! Entsetzt blickte er nach oben. Sie wurden jetzt viel schneller hochgezogen, als sie hatten klettern k#246;nnen, und am Ende dieses Weges wartete eine t#246;dliche Gefahr aufsie – n#228;mlich die vergleichsweise winzige #214;ffnung, durch die die Ankerkette eingeholt wurde! Noch ein paar Augenblicke, und er w#252;rde einfach abgestreift werden oder von der starken Winde mit nach innen gezogen und zerquetscht. Neben ihm erreichte Singh auf dieselbe Weise die Reling. Der Inder sah sofort, in welcher Gefahr Mike schwebte. Blitzschnell griff er zu, umfing Mikes H#252;fte und hielt ihn fest, w#228;hrend er sich nur noch mit einer Hand an der Reling festklammerte. Die Anstrengung war selbst f#252;r den muskul#246;sen Sikh-Krieger fast zu viel. Sein Gesicht verzerrte sich vor Anstrengung, w#228;hrend er Mike langsam wieder in die H#246;he schob. »Schnell!« keuchte er. »Haltet Euch... fest – Ich kann Euch... nicht mehr lange... !« Die schiere Todesangst gab Mike noch einmal zus#228;tzliche Kraft. Mit einer letzten, verzweifelten Anstrengung zog er sich in die H#246;he, purzelte ungeschickt #252;ber die Reling und schlug auf der anderen Seite auf dem st#228;hlernen Deck der LEOPOLD auf. Sofort sprang er wieder in die H#246;he, griff seinerseits nach Singhs Handgelenken und half nun ihm, in Sicherheit zu gelangen. Anschlie#223;end sa#223;en sie fast eine Minute lang keuchend nebeneinander. Mike wurde schwarz vor Augen, und w#228;re da trotz allem nicht noch immer die nagende Sorge um Serena gewesen, h#228;tte er jetzt vermutlich aufgegeben. Sie waren gerade erst an Bord des Schiffes, und schon waren sie dem Tod nur um Haaresbreite entronnen. M#252;de wandte Mike den Kopf, und was er sah, lie#223; ihn abermals schaudern. Unmittelbar neben ihnen rollte sich die Ankerkette klirrend auf einer gewaltigen Winde auf. H#228;tte er einen Sekundenbruchteil sp#228;ter reagiert oder Singh ihm nicht im letzten Augenblick eine Warnung zugerufen, dann w#228;re er jetzt vielleicht schon unter Tonnen von geschmiedetem Stahl begraben... »Weiter!« sagte Singh. Er erhob sich, zog Mike mit einem kraftvollen Ruck auf die F#252;#223;e und deutete zum Heck der LEOPOLD. Die Sch#252;sse hatten aufgeh#246;rt, aber auf dem Schiff herrschte trotzdem noch ein heilloses Chaos. Von #252;berallher gellten Schreie, und sie sahen Dutzende von M#228;nnern, die in schierer Panik durcheinanderhasteten. Auf der anderen Seite des Schiffes, dort, wo Astaroths Worten nach der Kutter angelegt hatte, schien ein wahrer Tumult ausgebrochen zu sein. Irgend etwas war nicht so, wie es sein sollte. Mike blieb wie angewurzelt stehen. Irgendwo auf dem Achterdeck der LEOPOLD brannte es. Pl#246;tzlich fiel ihm auch noch mehr auf: Der st#228;hlerne Boden unter seinen F#252;#223;en zitterte und bebte noch immer – und er war nicht mehr gerade! Und endlich begriff er wirklich. Der Ruck, der Singh und ihn beinahe in die Tiefe geschleudert hatte, war nicht nur das Einziehen der Ankerkette gewesen. Was sie gesp#252;rt hatten, das war Singh mu#223;te wohl im selben Moment wie er begriffen haben, da#223; hier etwas nicht stimmte, denn er fuhr wortlos herum und packte den n#228;chstbesten Matrosen am Arm. »Was geht hier vor?« herrschte er den Mann an. »Wir sinken!« keuchte der Matrose in Todesangst. Er versuchte sich loszurei#223;en, aber Singh hielt ihn mit eisernem Griff fest. »Das Schiff sinkt!« keuchte er immer wieder. »Wir m#252;ssen von Bord! Schnell!« »Was ist passiert?« fragte Mike noch. Aber der Mann wu#223;te es entweder nicht, oder die Angst war zu viel. Er zerrte und ri#223; mit aller Kraft an Singhs Armen, und schlie#223;lich gab Mike dem Inder einen Wink, ihn loszulassen. Blitzschnell war er wieder auf den F#252;#223;en und rannte davon. »Serena!« schrie Mike verzweifelt. »Wo bist du?!« Und zu seinem Erstaunen bekam er sogar Antwort – wenn auch nicht von der Atlanterin. Pl#246;tzlich war Astaroths Stimme wieder in seinem Kopf: »Der Maschinenraum!« sagte Mike. »Singh, sie ist im Maschinenraum! Bei Winterfeld! Komm!« Sie rannten los. Dutzende von Matrosen kamen ihnen entgegen, aber die M#228;nner, die noch vor einer viertel Stunde ohne zu z#246;gern auf sie geschossen h#228;tten, schienen jetzt nicht einmal mehr Notiz von ihnen zu nehmen. Jedermann an Bord versuchte in verzweifelter Angst den Kutter zu erreichen. Und diese Angst war nicht unbegr#252;ndet. Die Neigung des Bodens hatte sp#252;rbar zugenommen, und Mike glaubte auch zu sehen, da#223; das Schiff bereits tiefer im Wasser lag. Die LEOPOLD sank tats#228;chlich – und sie sank sehr schnell. Das verwirrte Mike, aber er war auch viel zu aufgeregt, um weiter dar#252;ber nachzudenken. Serena war irgendwo tief unter ihnen, und wenn sie tats#228;chlich in der N#228;he des Maschinenraumes war, dann hatten sie noch weniger Zeit, als er bisher geglaubt hatte. Er war nicht einmal sicher, da#223; sie #252;berhaupt noch ausreichte – was immer im Rumpf der LEOPOLD explodiert war, mu#223;te ein gewaltiges Leck in das Schiff gerissen haben. Es sank immer schneller. Dicht vor Singh st#252;rmte er durch eine T#252;r, sah eine abw#228;rts f#252;hrende Treppe und rannte sie auf gut Gl#252;ck hinunter. Auch hier kamen ihnen M#228;nner entgegen, die in kopfloser Panik fl#252;chteten, so da#223; sich Mike und Singh ihren Weg manchmal mit Gewalt freik#228;mpfen mu#223;ten. Die Luft wurde immerschlechter, und Mike roch jetzt Flammen und Rauch und hei#223;es #214;l. Hier und da waren die metallenen W#228;nde so hei#223;, da#223; sie sich verbrannt h#228;tten, h#228;tten sie sie ber#252;hrt. Endlich nahm der Menschenstrom ab, der ihnen entgegenkam. Der Boden hatte jetzt eine so starke Neigung, da#223; Mike manchmal M#252;he hatte, nicht auszugleiten, und auch die Hitze nahm immer mehr zu. Rauch erf#252;llte die Luft und lie#223; Singh und ihn husten, und ganz fl#252;chtig kam ihm zu Bewu#223;tsein, wie absurd es w#228;re, in einem sinkenden Schiff zu verbrennen. »Dort!« Singh deutete durch den wirbelnden Qualm nach vorne. »Der Maschinenraum!« Mike konnte nichts Derartiges erkennen, aber er vertraute auf Singhs Orientierungssinn und stolperte hinter ihm her, und tats#228;chlich erreichten sie nach wenigen Schritten den Durchgang zum Maschinenraum. Die gewaltigen Motoren des Schiffes liefen noch immer. Diesmal war es Mike, der ihr Ziel als erster ausmachte. Mit gewaltigen Spr#252;ngen hetzte er zwischen den dr#246;hnenden Maschinenungeheuern hindurch. Er schrie jetzt ununterbrochen Serenas Namen, aber der L#228;rm der Motoren verschluckte seine Stimme. Daf#252;r h#246;rte er jedoch etwas anderes, und obwohl er nicht wu#223;te, was dieser Laut zu bedeuten hatte, jagte er ihm einen eisigen Schauder #252;ber den R#252;cken: Ein dumpfes, lang nachhallendes Dr#246;hnen, das sich immer und immer wiederholte und aus allen Richtungen zugleich zu kommen schien, als schl#252;gen hundert unsichtbare Riesen mit gewaltigen H#228;mmern auf den Rumpf der LEOPOLD ein – oder als schl#252;gen gewaltige st#228;hlerne T#252;ren hinter ihnen zu ... »Gro#223;er Gott!« keuchte Mike. »Die Schotten! Sie schlie#223;en sich!« Und genau das war es: Wie jedes moderne Schiff verf#252;gte die LEOPOLD #252;ber gewaltige, st#228;hlerne T#252;ren, die im Falle eines Wassereinbruchs daf#252;r sorgen sollten, da#223; nicht das ganze Schiff #252;berflutet wurde – und die sich offenbar automatisch schlossen. Das Schiff verwandelte sich in genau diesem Moment in ein Labyrinth aus Hunderten von luft-und wasserdicht verschlossenen Kammern und G#228;ngen und in eine t#246;dliche Falle, in der sie vielleicht vor dem eindringenden Wasser sicher waren, aus dem es aber auch kein Entkommen mehr gab. Mike beobachtete entsetzt, wie sich eine gewaltige Stahlplatte vor die T#252;r zu schieben begann, auf die Singh und er zurannten. Er legte noch einmal Tempo zu, #252;berwand die letzten Meter mit einem einzigen, verzweifelten Satz und sprang durch den zufallenden Eingang. Ungeschickt schlug er auf dem Boden auf, w#228;lzte sich auf den R#252;cken und sah, wie Singh imbuchst#228;blich allerletzten Moment durch die #214;ffnung hechtete. Hinter ihm schlug das Panzerschott mit einem dumpfen, dr#246;hnenden Laut zu. Es war ein Ger#228;usch, als schl#246;sse sich ein gu#223;eiserner Sargdeckel #252;ber ihnen. »Bravo«, sagte eine wohlbekannte Stimme. Mike wandte den Blick – und sah sich Winterfeld gegen#252;ber. Der Kapit#228;n der LEOPOLD stand keine zwei Meter neben ihm und sagte mit einem sonderbaren L#228;cheln: »Das war eine reife Leistung. Ich h#228;tte nicht gedacht, da#223; du es schaffst. « Nach einer Sekunde des Z#246;gerns f#252;gte er hinzu: »Aber es war nicht besonders klug, mit Verlaub gesagt. « Mike stand auf. Winterfeld war nicht allein. Neben ihm stand eine zitternde, leichenblasse Serena, die Mike aus angsterf#252;llten Augen ansah – und trotzdem begriff er sofort, da#223; das, was er in ihren Augen las, nicht die Angst vor Winterfeld war. Winterfeld folgte seinem Blick und l#228;chelte abermals. »Ihr beide scheint wirklich aneinanderzuh#228;ngen«, sagte er sp#246;ttisch. »Was haben Sie ihr getan?« fragte Mike. »Wenn Sie ihr –« »Bitte!« Winterfeld hob abwehrend die H#228;nde. »Ich wollte das nicht. Es tut mir sehr leid. « »Wieso?« fragte Mike. »Was ist mit ihm? Wo ist er?« »Er ist tot«, sagte Winterfeld ruhig. »Dieser verdammte Narr hat sich selbst in die Luft gesprengt. Ich wei#223; nicht wie, aber irgendwie mu#223; er herausgefunden haben, wo die Z#252;nder f#252;r die Sprengladungen sind, die ich habe legen lassen, um die LEOPOLD zu versenken. Er hat sie ausgel#246;st. « »Wie?« murmelte Mike verwirrt. »Sie meinen, er... er hat sich selbst in die Luft gesprengt?« »Ja«, best#228;tigte Winterfeld. »Vielleicht hat er gehofft, meine Pl#228;ne damit zunichte machen zu k#246;nnen. Aber ich mu#223; dich entt#228;uschen, wenn du das jetzt auch glaubst. Wir sinken zwar zu fr#252;h, aber das macht keinengro#223;en Unterschied. Die Str#246;mung wird die LEOPOLD so oder so in den Vulkankrater tragen. « #220;ber ihnen fielen weitere Panzert#252;ren ins Schlo#223;. Das dumpfe Dr#246;hnen der Riesenh#228;mmer hielt an, und pl#246;tzlich war die Angst da. Sie sprang Mike wie ein Raubtier an, das bisher geduldig in dem Schatten gelauert und auf seine Beute gewartet hatte. »Es tut mir leid, Mike«, sagte Winterfeld. »Ich wollte das nicht, aber so, wie es aussieht, werde ich jetzt wohl doch nicht allein auf den Meeresgrund sinken. « »Aber wir... wir sind doch hier sicher«, stammelte Mike. Er deutete mit einer fahrigen Geste auf die st#228;hlernen W#228;nde. »H#246;ren Sie doch! Die Schotten schlie#223;en sich. Wir sind zwar gefangen, aber das Wasser kann nicht herein!« Seine Stimme bebte. Er stie#223; die Worte fast atemlos hervor, wie etwas, von dem er sich nur verzweifelt genug einreden mu#223;te, da#223; es die Wahrheit war, um es auch dazu zu machen. »Wir werden sterben, Mike«, sagte Serena leise. »Das werden wir nicht!« antwortete Mike heftig. »Hab keine Angst. Trautman wird uns herausholen. Wir haben genug Luft f#252;r ein paar Stunden, und sobald wir auf dem Meeresgrund sind, kann die NAUTILUS an der LEOPOLD andocken und uns –« »Nein, Mike, das haben wir nicht«, unterbrach ihn Winterfeld. »Das Schiff sinkt. Ich habe berechnet, da#223; es f#252;nfzehn Minuten brauchen wird, um den Meeresgrund zu erreichen. Und genau auf diese Frist sind auch die Zeitz#252;nder eingestellt, die mit dem Sprengstoff in den Lader#228;umen gekoppelt sind. « »Aber Sie haben sie nicht ausgel#246;st!« protestierte Mike. »L#252;gen Sie mich nicht an! Das konnten Sie gar nicht! Alles ist viel zu schnell gegangen!« »Das ist wahr«, sagte Winterfeld traurig. »Aber es war auch nicht n#246;tig. Als Brockmann die Sprengladungen gez#252;ndet hatte, wurden sie automatisch aktiviert. Die Z#252;nder sind so konstruiert, da#223; sie sich von selbst sch#228;rfen, sobald die Lader#228;ume der LEOPOLD unter Wasser stehen. « Er atmete h#246;rbar ein. »In f#252;nfzehn Minuten erreichen wir den Meeresgrund, und sp#228;testens eine Minute danach wird die LEOPOLD gesprengt. « F#252;r einige Sekunden herrschte vollkommene Stille. Rings um sie herum tobte ein wahrer H#246;llenl#228;rm – und trotzdem war es zugleich still, auf eine Weise, die Mike dieses Schweigen fast wie etwas k#246;rperlich Anwesendes empfinden lie#223;. Vielleicht, #252;berlegte Mike, ist es das, was man unter dem Wort Dann aber sah er wieder in Serenas Gesicht, und in ihren Augen entdeckte er die Furcht, die er in sich selbst vermi#223;te, Furcht – und Zorn, den er im ersten Moment nicht verstand. Aber dann begriff er, wogegen sich dieser Zorn richtete – n#228;mlich gegen das Schicksal selbst, ein Schicksal, das sich einen wahrhaft grausamen Scherz mit ihr erlaubt hatte, denn es hatte ihr ein zweites Leben geschenkt, nur um es ihr nach mehr als einem Jahr wieder wegzunehmen. Mike versp#252;rte noch immer keine Angst, aber pl#246;tzlich empfand er ein so tiefes Gef#252;hl von Mitleid, da#223; er einfach nicht anders konnte, als auf sie zuzutreten und sie in die Arme zu schlie#223;en. Winterfeld, der ihnen zusah, verstand die Bedeutung dieser Geste wohl vollkommen falsch, denn er sagte sehr mitf#252;hlend: »Es tut mir wirklich leid. Das... das war das letzte, was ich wollte, bitte glaubt mir. « Ohne Serena loszulassen oder Winterfeld anzusehen, antwortete Mike: »Es wird nicht besser, wenn Sie immer wieder dasselbe sagen. « Aber er glaubte Winterfeld. Das Mitgef#252;hl und die Schuld in seiner Stimme waren nicht geheuchelt. »Wie lange noch?« fragte Singh. Winterfeld klappte den Deckel seiner Taschenuhr auf und sah auf das Zifferblatt. »Noch zehn Minuten. Vielleicht zw#246;lf. Ich wei#223;, es ist ein schwacher Trost, aber es wird schnell gehen. Ich glaube nicht, da#223; ihr etwas sp#252;ren werdet. « »Und Sie werden nie erfahren, ob Ihr Plan aufgegangen ist«, sagte Mike. »Das wird er«, behauptete Winterfeld #252;berzeugt. »Ich werde diesen Krieg beenden, so oder so. Selbst wenn wir zu weit abgetrieben w#252;rden und die LEOPOLD wirkungslos explodierte, werden die anderen Schiffe ausreichen. Ich... ich habe es vorhin nicht gesagt, um dich nicht noch mehr zu entmutigen, aber das, was wir auf dem Meeresgrund gefunden haben, #252;bertrifft alle meine Erwartungen. « »Die Vulkane?« »Der Vulkan«, berichtigte ihn Winterfeld. »Es ist nur eine einzige gewaltige Lavaader mit mehreren Kratern. Ich bin sicher, da#223; der Ausbruch eines einzigen ausreicht, um eine Kettenreaktion hervorzurufen. Eines der Schiffe wird treffen. « »Torpediert?« antwortete Mike laut. Winterfeld runzelte die Stirn, und Serena sah ihn fragend an. »Astaroth?« »Ja«, antwortete Mike laut. »Was hat er gesagt?« fragte Serena aufgeregt. »Da#223; wir vielleicht noch eine Chance haben«, antwortete Mike. Pl#246;tzlich war er so aufgeregt, da#223; er nicht mehr stillstehen konnte. »Was geht hier vor?« fragte Winterfeld mi#223;trauisch. »Wovon redet ihr eigentlich?« Bevor Mike antworten konnte, drang ein dumpfes Grollen und Rumoren an ihr Ohr, und nur einen Augenblick sp#228;ter sch#252;ttelte es die LEOPOLD so heftig, da#223; sich Serena instinktiv an Mike festklammerte und dieser M#252;he hatte, #252;berhaupt auf den Beinen zu bleiben. »Was war das?« fragte Winterfeld erschrocken. »Das«, antwortete Mike in beinahe fr#246;hlichem Ton, »war eines Ihrer Sprengstoffschiffe. Das vierte, um genau zu sein. Und die anderen erwischt die NAUTILUS auch noch. « »Die NAUT –« Winterfeld stockte mitten im Wort. Seine Augen wurden gro#223;. »Das Schiff ist nicht ganz wehrlos«, sagte Mike. »Anscheinend haben Sie das vergessen – oder haben Ihnen Ihre Ingenieure nicht gesagt, da#223; die NAUTILUS Torpedos an Bord hat?« Pl#246;tzlich grinste er. »Ich h#228;tte nicht gedacht, da#223; man die Teufelsdinger irgendwann einmal nutzbringend einsetzen kann. Aber es funktioniert. « Das Grollen einer weiteren Explosion drang zu ihnen, noch lauter und noch n#228;her diesmal – und f#252;r Mikes Geschmack schon ein bi#223;chen zu nahe. Das sechste und letzte Schiff schlie#223;lich mu#223;te sich in unmittelbarer N#228;he der LEOPOLD befunden haben. Das Krachen der Explosion schien Mikes Trommelfelle zu zerrei#223;en, und die Ersch#252;tterung war so gewaltig, da#223; sie alle von den F#252;#223;en gefegt wurden. Der Boden lag merklich schr#228;ger, als Mike sich wieder aufrichtete, und seine Ohren klingelten. Winterfelds Gesicht hatte alle Farbe verloren. Er hatte sich die Stirn angeschlagen und blutete aus einer Platzwunde #252;ber dem linken Auge, aber das schien er nicht einmal zu bemerken. »Das nutzt euch alles nichts«, sagte er. »Mein Kompliment – ich habe Trautman wohl untersch#228;tzt. « »Das scheint Ihnen ja #246;fter zu passieren«, sagte Mike. Winterfeld fuhr unbeeindruckt fort: »Mein Plan wird trotzdem aufgehen. « Er sah auf die Uhr. »Noch sieben Minuten!« »Und?« fragte Serena. »Die NAUTILUS hat noch gen#252;gend Torpedos. « »Trautman wird es nicht wagen, auf die LEOPOLD zu schie#223;en«, behauptete Winterfeld. »Damit wird er euch auch umbringen. Und das tut er nicht. « Das schlimme ist, dachte Mike, da#223; er damit vermutlich recht hat. Ganz egal, welche Folgen es hatte – Trautman w#252;rde niemals dieses Schiff torpedieren, solange sie an Bord waren. Auf die unbemannten Sprengstoffschiffe zu feuern war eine Sache, aber er w#252;rde niemals die LEOPOLD torpedieren. Es sei denn... Langsam drehte er sich zu Serena herum und sah sie an. Die Atlanterin sagte nichts, und auch Mike schwieg, aber f#252;r einen Moment war es fast, als k#246;nnte Serena seine Gedanken lesen. Sie wu#223;te, was Mike plante, und sie beantwortete seine lautlose Frage mit einem ebenso wortlosen Nicken. »Astaroth«, sagte Mike laut. »Mach Trautman klar, da#223; wir nicht mehr am Leben sind. Wenn er denkt, da#223; wir schon tot sind, wird er die LEOPOLD vernichten. « Winterfeld keuchte vor #220;berraschung und Zorn, und Astaroth antwortete: »Die NAUTILUS!« fl#252;sterte Mike ungl#228;ubig. »Das... das ist die NAUTILUS!« Er hatte recht – der st#228;hlerne Riesenspeer, der die LEOPOLD getroffen hatte, war nichts anderes als die NAUTILUS selbst. Trautman mu#223;te das Schiff auf volle Geschwindigkeit beschleunigt und die LEOPOLD gerammt haben. Und das so zielsicher und mit solcher Wucht, da#223; der Rammsporn des Unterseebootes den gepanzerten Rumpf glatt durchschlagen hatte. »Unm#246;glich!« keuchte Winterfeld. »Das... das kann gar nicht sein! Das ist ganz und gar unm#246;glich!« »Da!« schrie Singh pl#246;tzlich. »Das Wasser kommt! Schon wurde aus dem Rinnsal ein Strom und dann ein sprudelnder Wasserfall, der sich an der NAUTILUS vorbei in die Maschinenhalle ergo#223;. Mike griff nach Serenas Hand und zerrte sie hinter sich her, so schnell er nur konnte. Hinterher wurde ihm klar, da#223; sie kaum mehr als eine Minute gebraucht haben konnten, um die NAUTILUS zu erreichen, aber es war eine Minute ohne Ende. Aus dem Wasserfall wurde ein rei#223;ender Katarakt, der sich br#252;llend und sprudelnd in die Halle ergo#223; und sie mit eisiger Gischt #252;bersch#252;ttete. Sie kamen mit jedem Schritt langsamer voran. Das Wasser war unvorstellbar kalt, und es warf sich Serena und ihm mit immer gr#246;#223;erer Gewalt entgegen. Schlie#223;lich trat Singh hinter sie und versuchte sie vorw#228;rtszuschieben, aber nicht einmal seine Kr#228;fte reichten dazu aus. Irgendwie gelang es ihnen zwar, auf den F#252;#223;en zu bleiben, aber sie kamen nicht mehr von der Stelle. Wahrscheinlich w#228;re es um sie geschehen gewesen, w#228;re nicht in genau diesem Moment die Turmluke der NAUTILUS aufgeflogen und h#228;tte Ben ihnen nicht ein Seil zugeworfen. Mike griff blindlings danach. Mit aller Gewalt klammerte er sich daran fest, und hinter ihm griffen auch Serena und Singh nach dem rettenden Seil, das genau in diesem Moment mit einem Ruck straff gezogen wurde. Ben mu#223;te das Tau wohl an einer Winde befestigt haben, denn sie wurden nur so auf die NAUTILUS zugerissen. Mike prallte gegen den st#228;hlernen Rumpf der NAUTILUS. Aber er lie#223; das Seil nicht los, so da#223; er weitergezerrt wurde. Erst als die st#228;hlerne Treppe zum Turm hinauf vor ihm lag, l#246;ste er seinen Griff und nutzte den Schwung, den er noch immer hatte, um auf die F#252;#223;e zu springen und sich zu Serena herumzudrehen. Die Atlanterin war jedoch schon aus eigener Kraft auf die F#252;#223;e gekommen und war mit einem Sprung an ihm vorbei, und keine halbe Sekunde sp#228;ter folgte ihr Singh, wobei er Mike einfach am Kragen ergriff und mit sich zerrte. Erst als sie den Turm erreicht hatten und Serena bereits die Treppe hinunterpolterte, lie#223; Singh Mike wieder los. Aber Mike folgte ihnen nicht sofort, sondern wandte sich noch einmal um, um zu Winterfeld zur#252;ckzusehen. Was er sah, das lie#223; ihn vor Schrecken einen Moment erstarren. Winterfeld stand unter der aus den Angeln gerissenen T#252;r und starrte zu ihnen her#252;ber. Sein Gesicht war voller Blut, und obwohl der Boden der Maschinenhalle eine starke Schr#228;glage hatte, reichte ihm dasWasser bereits bis zu den Knien, und es stieg in jeder Sekunde h#246;her. #220;berall bildeten sich Strudel und sch#228;umende Wirbel, und auf der Wasseroberfl#228;che tanzten metallene Tr#252;mmer. Wahrscheinlich war es bereits jetzt unm#246;glich, die NAUTILUS noch zu erreichen, ohne zu ertrinken oder von den gef#228;hrlichen Metallst#252;cken t#246;dlich verletzt zu werden. Trotzdem bildete Mike mit den H#228;nden einen Trichter vor dem Mund und schrie, so laut er nur konnte: »Winterfeld! Kommen Sie her!« »Niemals!« br#252;llte Winterfeld zur#252;ck. Seine Stimme war schrill und drohte #252;berzuschnappen, die Stimme eines Wahnsinnigen. »Ich werde Erfolg haben! Ihr habt keine Chance! Jetzt werdet ihr alle sterben, ihr Narren!« Mike wollte antworten, aber Ben packte ihn grob am Arm und zerrte ihn herum. »Das hat doch keinen Sinn!« schrie er. »Er will nicht h#246;ren, begreif das doch! Und er hat recht – wir werden alle draufgehen, wenn wir noch lange hier herumstehen! Das Schiff sinkt wie ein Stein!« Nat#252;rlich hatte Ben recht. Es ging buchst#228;blich um Sekunden. Und selbst wenn Winterfeld h#228;tte h#246;ren wollen, w#228;re es wahrscheinlich l#228;ngst zu sp#228;t gewesen. Das Wasser str#246;mte immer st#228;rker und schneller herein. Kein Mensch auf der Welt konnte durch diese sprudelnde H#246;lle schwimmen. Und trotzdem drehte er sich noch einmal herum. Das Wasser reichte dem Kapit#228;n der LEOPOLD jetzt bis zur Brust, und es umsp#252;lte ihn mit solcher Wucht, da#223; er sich mit beiden H#228;nden am T#252;rrahmen festklammern mu#223;te, um nicht von den F#252;#223;en gerissen zu werden. Es war so, wie Ben gesagt hatte – Winterfeld Der Salon der NAUTILUS bot einen ungewohnten Anblick, denn er war voller Menschen. Nicht nur die gesamte Besatzung des Tauchbootes, sondern auch die Soldaten der LEOPOLD und Stanley dr#228;ngelten sich um Trautman und Juan, die mit verbissenen Gesichtern und hektischen Bewegungen an den Kontrollen arbeiteten. Schon auf dem Weg hier herunter hatte Mike geh#246;rt, wie die Maschinen der NAUTILUS wieder ansprangen und mit voller Kraft arbeiteten. Jetzt hatte sich ihr Ger#228;usch in ein gewaltiges Dr#246;hnen und Brausen verwandelt, das beinahe jeden anderen Laut verschluckte. Das Schiff zitterte heftig unter Mikes F#252;#223;en, und er h#246;rte einen schrecklichen, mahlenden Laut, der ihm einen Schauer #252;ber den R#252;cken trieb. Noch ungew#246;hnlicher als die Anzahl der Personen hier drinnen war allerdings der Ausdruck auf Trautmans Gesicht – es war nackte Angst. Etwas stimmte hier nicht. »Was ist los?« fragte Mike. Trautman antwortete nicht, sondern hantierte weiter an den Kontrollinstrumenten, und auch Juan sah nur einmal kurz auf, aber Chris sagte: »Wir sitzen fest. « »Versuchen Sie es!« sagte Stanley #252;berfl#252;ssigerweise. »Wenn das, was das M#228;dchen sagt, stimmt, dann geht es um Sekunden. « Offensichtlich hatte Serena bereits erz#228;hlt, was geschehen w#252;rde, wenn die LEOPOLD den Meeresgrund ber#252;hrte. »Ich tue ja, was ich kann«, antwortete Trautman. »Die Maschinen laufen schon mit aller Kraft. Wenn ich sie noch weiter hochjage, explodieren sie! Es geht einfach nicht! Wir h#228;ngen fest!« Mikes Blick glitt durch das gro#223;e Aussichtsfenster nach drau#223;en. Die NAUTILUS hatte sich ein St#252;ck zur#252;ck bewegt, so da#223; vor dem runden Fenster nun wieder das Wasser des offenen Ozeans sichtbar war – aber er sah auch die gewaltige Flanke der LEOPOLD, die wie ein st#228;hlerner Berg vor ihnen aufragte. Also wird Winterfeld letzten Endes doch triumphieren, dachte er. Ob sein wahnsinniger Plan nun doch aufging oder nicht – sie w#252;rden alle gemeinsam sterben, denn so phantastisch und widerstandsf#228;hig die NAUTILUS auch war, die Explosion der zigtausend Tonnen Sprengstoff, die in den Lagerr#228;umen der LEOPOLD lagen, w#252;rde nicht einmal sie #252;berstehen. »Wieviel Zeit haben wir noch?« fragte Stanley nerv#246;s. »Zwei Minuten«, murmelte Trautman. »Allerh#246;chstens drei, dann haben wir den Meeresboden erreicht. « Pl#246;tzlich sah er auf und starrte Mike stirnrunzelnd an. »Was hat Winterfeld #252;ber die Z#252;nder gesagt?« fragte er. Mike war verwirrt. »Z#252;nder?« »Die an den Sprengladungen«, antwortete Trautman ungeduldig. »Welcher Art sind sie? Schnell!« »Ich wei#223; nicht«, murmelte Mike. »Er hat gar nichts... was soll das denn #252;berhaupt?« »Sind es Zeitz#252;nder, oder reagieren sie auf den Wasserdruck?« »Wasserdruck«, sagte Mike. »Sie reagieren darauf. « »Dann haben wir vielleicht eine Chance«, antwortete Trautman. »Juan, gib alle Kraft auf die H#246;henruder. Wir tauchen auf!« W#228;hrend Juan tat, was Trautman ihm befohlen hatte, tauschte Mike einen vollkommen verst#228;ndnislosen Blick mit Serena. Die junge Atlanterin schien ebensowenig zu verstehen wie er, was Trautmans Frage zu bedeuten hatte. Stanleys Gesicht jedoch hellte sich auf. »Genial!« sagte er. »Wenn Sie es schaffen, die LEOPOLD aufzuhalten, gewinnen wir Zeit. Vielleicht genug, um loszukommen!« Und jetzt endlich verstand Mike. Die Sprengladungen wurden ausgel#246;st, sobald die LEOPOLD eine bestimmte Tiefe erreicht hatte. Vielleicht reicht die Kraft der NAUTILUS ja, das Schiff festzuhalten. Und solange sie ihre Tiefe hielten – oder vielleicht sogar ein wenig aufstiegen –, w#252;rden die Z#252;nder nicht reagieren. Aber es war nur eine Theorie. Diesmal, so schien es, hatten sie die M#246;glichkeiten der NAUTILUS #252;bersch#228;tzt. Mike las es auf Trautmans Gesicht, noch ehe er die Worte aussprach. »Sinnlos«, fl#252;sterte Trautman niedergeschlagen. »Wir sinken weiter. Nicht mehr ganz so schnell, aber noch immer schnell genug. Wir haben allerh#246;chstens eine Minute gewonnen. « Mike unterdr#252;ckte ein entt#228;uschtes St#246;hnen. Er sah nach drau#223;en und versuchte den Meeresboden zu erkennen, aber unter ihnen war nichts als Schw#228;rze. Pl#246;tzlich sog Stanley scharf die Luft ein. »Die Torpedos!« sagte er. Trautman blickte auf. »Was soll damit sein?« »Sie funktionieren doch noch, oder?« Trautman nickte. »Sicher! Aber was soll's? Soll ich die LEOPOLD torpedieren? Dann fliegen wir mit in die Luft. « »Sie funktionieren nach demselben Prinzip wie unsere Torpedorohre, oder?« fragte Stanley. Trautman nickte abermals, und der Kapit#228;n fuhr in aufgeregtem Tonfall fort: »Sie werden mit Pre#223;luft abgefeuert! Verstehen Sie nicht? Schie#223;en Sie mit leeren Rohren! Vielleicht reicht der R#252;cksto#223;, um uns loszurei#223;en!« Eine Sekunde lang starrte Trautman den Engl#228;nder verbl#252;fft an, dann fuhr er herum. »Schnell! Rohr eins und zwei mit Pre#223;luft fluten! Sofort feuern!« Juans H#228;nde h#228;mmerten mit solcher Wucht auf die Schalter herunter, als wollte er sie zerbrechen. Ein scharfes Zischen erklang, und schon wenige Sekunden sp#228;ter erzitterte die gesamte NAUTILUS. Ein Schwall silberner Luftblasen sprudelte am Fenster vor#252;ber, und Mike konnte sp#252;ren, wie sich das Schiff ein St#252;ck r#252;ckw#228;rts bewegte. Sein Aufatmen wurde von einem schrecklichen Kreischen und Schrillen beendet, mit dem das Schiff wieder zur Ruhe kam, aber Trautman schrie sofort: »Juan! Noch einmal!« Juan gehorchte. Es dauerte einige Sekunden, bis sie die Torpedorohre wieder mit Pre#223;luft gef#252;llt hatten, die normalerweise dazu diente, die t#246;dlichen Geschosse abzufeuern, dann erzitterte die NAUTILUS ein zweites Mal, und wieder verschwand das Meer auf der anderen Seite des Fensters hinter einem silbernen Vorhang aus Perlen. Als er auseinandertrieb, konnte Mike den Meeresgrund sehen. Die schwarze Mondlandschaft aus kahlem Fels und sprudelndem Wasser schien regelrecht zu ihnen heraufzuspringen. Es konnte jetzt nur noch wenige Augenblicke dauern, bis sie aufschlugen. Aber er sah auch noch etwas. Nur ein kleines St#252;ck unter den beiden ineinander verkeilten Schiffen brach der Meeresboden j#228;h ab und ging in einen abgrundtiefen, schwarzen Schlund #252;ber. Der Kanal, den sie bei ihrem ersten Tauchgang entdeckt hatten. Und auch wenn die Kraft der NAUTILUS nicht reichte, den Sturz des gewaltigen Kriegsschiffes aufzuhalten, so reichte sie doch aus, seinen Kurs zu #228;ndern. Mike begriff ganz pl#246;tzlich, da#223; sie nicht auf dem Meeresgrund aufschlagen w#252;rden – sie bewegten sich direkt auf den Abgrund zu! Serena trat neben ihn und ergriff seine Hand. Mike umklammerte ihre Finger so fest, da#223; es ihr weh tun mu#223;te, aber Serena l#228;chelte nur. »Noch einmal!« sagte Trautman. »Wir schaffen es. Ich kann es f#252;hlen. Wir kommen frei, Juan!« Alles schien gleichzeitig zu geschehen. Die Torpedorohre der NAUTILUS entluden sich ein drittes Mal, und den Bruchteil einer Sekunde, bevor der sprudelnde Luftstrom die LEOPOLD ihren Blicken entzog, konnte Mike sehen, wie die NAUTILUS regelrecht aus dem Loch herauskatapultiert wurde, in dem sie bisher gefangen gewesen war. Das Schiff machte einen regelrechten Satz nach hinten und war frei. Und die LEOPOLD explodierte. Es war, als w#228;re tausend Meter unter dem Meer eine zweite, glei#223;end helle Sonne aufgegangen. Ein unvorstellbar greller Blitz l#246;schte die ewige Dunkelheit vor dem Fenster aus. Mike schrie auf und schlug sch#252;tzend die H#228;nde vor die Augen. Fast im selben Moment traf ein ungeheuerlicher Schlag die NAUTILUS, der sie alle von den F#252;#223;en fegte. Das Schiff #252;berschlug sich. Der Boden wurde pl#246;tzlich zur Decke und umgekehrt, aber noch bevor sie st#252;rzen und sich dabei verletzen konnten, richtete sich die NAUTILUS wieder auf und kippte dann auf die Seite. Der Meeresgrund vor dem Fenster machte einen Salto, sprang ihnen entgegen – und war verschwunden. Pl#246;tzlich war unter ihnen nichts mehr. Das letzte, was Mike von der LEOPOLD sah, war ein Regen aus brennenden, rotgl#252;henden Metalltr#252;mmern, der in kilometerweitem Umkreis auf den Meeresboden herabfiel. Das Schiff war explodiert, aber zu fr#252;h. Vielleicht durch einen Zufall, vielleicht durch einen Fehler, den Winterfelds Ingenieure bei der Konstruktion der Z#252;nder begangen hatten, vielleicht sogar ausgel#246;st durch die Druckwelle, die die Torpedorohre der NAUTILUS hervorgerufen hatten. Es spielte keine Rolle. Die LEOPOLD war explodiert, lange bevor sie den Meeresgrund und damit die d#252;nne Basaltdecke #252;ber der Lavaader erreichen konnte, und Winterfelds Plan war fehlgeschlagen. Die gro#223;e Katastrophe, die er hatte heraufbeschw#246;ren wollen, w#252;rde nicht eintreten. Mike arbeitete sich m#252;hsam in die H#246;he, b#252;ckte sich zu Serena und #252;berzeugte sich davon, da#223; auch sie unverletzt war, dann wandte er sich zu Trautman und den anderen um. Die meisten hockten noch mit benommenen Gesichtern am Boden und schienen ein bi#223;chen erstaunt zu sein, da#223; sie #252;berhaupt noch lebten, aber Trautman stand bereits wieder an den Kontrollinstrumenten, und Mike konnte h#246;ren, wie sich das Ger#228;usch der Motoren erneut ver#228;nderte. Irgend etwas stimmte nicht. Auf Trautmans Gesicht hatte sich ein Ausdruck der Erleichterung breitgemacht, aber nur f#252;r wenige Sekunden. Pl#246;tzlich war der Schreck wieder da, ebensogro#223; wie zuvor. Seine Finger huschten immer hektischer #252;ber die Kontrollinstrumente. »Was... was ist los?« fragte Mike. »Die Str#246;mung«, antwortete Trautman gepre#223;t. »Ich komme nicht los. Die Str#246;mung hat uns ergriffen. « Mike sah ihn sekundenlang wortlos an, dann drehte er sich wieder zum Fenster und blickte hinaus. Er erblickte nichts als Schw#228;rze. Der Meeresboden war abermals verschwunden, aber Mike wu#223;te auch, da#223; er jetzt im Grunde schon »Ich glaube schon«, antwortete Trautman. »Wir waren schon tiefer, ohne da#223; etwas passiert w#228;re. Aber ich komme nicht frei. Die Str#246;mung ist einfach zu stark. « Stanley antwortete irgend etwas, aber Mike h#246;rte gar nicht mehr hin. Er blickte in die brodelnde Schw#228;rze vor dem Fenster hinaus. Serena trat erneut neben ihn, aber als sie diesmal nach seinen Fingern greifen wollte, hob er die Hand und legte den Arm um ihre Schulter, und als er ihre warme Ber#252;hrung sp#252;rte, durchstr#246;mte ihn ein Gef#252;hl von Sicherheit und Trost, das die Furcht vor dem, was er sah, ausl#246;schte. »Was geschieht jetzt?« fragte Serena leise. Mike wu#223;te es nicht. »Ich wei#223; es nicht«, sagte er leise. »Wohin immer dieser Mahlstrom f#252;hrt, wir werden mitgerissen. Aber keine Angst. Wir werden es schaffen. Ich bin ganz sicher.« Serena sah ihn zweifelnd an, und zu seiner eigenen #220;berraschung sp#252;rte Mike pl#246;tzlich, wie ein zuversichtliches Gef#252;hl in ihm aufstieg. Es waren nicht nur leere Worte. Sie wu#223;ten weder, wohin sie dieser Flu#223; unter dem Meer trug, noch, was sie dort erwartete, aber er war pl#246;tzlich vollkommen sicher, da#223; am Ende alles gut werden w#252;rde. Und er hatte immer noch keine Angst. Jetzt nicht mehr und vielleicht #252;berhaupt nie wieder im Leben. Sie hatten die Welt vor einer unvorstellbaren Katastrophe gerettet, und das allein z#228;hlte – auch wenn es au#223;er ihnen nie irgend jemand erfahren w#252;rde. Es vergingen noch einige Sekunden, dann schaltete Trautman die Motoren ab, deren Kraft ohnehin wirkungslos verpuffte, und Mike und alle anderen konnten sp#252;ren, wie die Str#246;mung endg#252;ltig nach dem Schiff griff und es immer schneller und schneller mit sich zu rei#223;en begann, hinab in die Tiefen einer Welt, die zwar Teil ihrer eigenen und trotzdem so fremd und phantastisch war, da#223; seine Vorstellungskraft nicht einmal ausreichte, sich vorzustellen, was sie erwarten mochte. Aber was immer es auch war – er hatte keine Angst davor. Und wovor, dachte Mike, sollte er sich auch f#252;rchten? Er war nicht allein, und bei ihm waren die besten und treuesten Verb#252;ndeten, die sich ein Mensch nur w#252;nschen konnte: seine Freunde. * siehe Band 3 »Die Herren der Tiefe« * siehe Band 4 »Im Tal der Giganten« |
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