"Die Stadt unter dem Eis" - читать интересную книгу автора (Хольбайн Вольфганг)WOLFGANG HOHLBEIN KAPIT#196;N NEMOS KINDER DIE STADT UNTER DEM EIS UEBERREUTER Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme Hohlbein, Wolfgang: Kapit#228;n Nemos Kinder / Wolfgang Hohlbein. - Wien : Ueberreuter Die Stadt unter dem Eis. – 2000 ISBN 3-8000-2626-0 J 2434/1 Alle Urheberrechte, insbesondere das Recht der Vervielf#228;ltigung, Verbreitung und #246;ffentlichen Wiedergabe in jeder Form, einschlie#223;lich einer Verwertung in elektronischen Medien, der reprografischen Vervielf#228;ltigung, einer digitalen Verbreitung und der Aufnahme in Datenbanken, ausdr#252;cklich vorbehalten. Umschlag von Doris Eisenburger Gesetzt nach der neuen Rechtschreibung Copyright 2000 by Verlag Carl Ueberreuter, Wien Printed in Austria 1357642 Ueberreuter im Internet: www.ueberreuter.de In der Reihe »Kapit#228;n Nemos Kinder« bisher erschienen: Die Vergessene Insel Das M#228;dchen von Atlantis Die Herren der Tiefe Im Tal der Giganten Das Meeresfeuer Die Schwarze Bruderschaft Die Stadt unter dem Eis Weitere B#228;nde in Vorbereitung. Ein Notruf aus Gr#246;nland schreckt die Besatzung der Nautilus auf. Eine Gruppe von Forschern scheint in Schwierigkeiten zu sein. Mit einem Hundeschlitten machen sich Mike und Trautman zu dem Ort auf, von dem der Notruf gesendet wurde, und kommen zum 'Berg der Geister', wie die Inuit ihn nennen. Als sie in den eisbedeckten Berg eindringen, machen sei eine atemberaubenden Entdeckung ... die sie alle vernichten kann. »Das lerne ich nie!« Chris sch#252;ttelte den Kopf, zog eine Grimasse und blickte niedergeschlagen auf das Blatt, das auf dem Pult vor ihm lag. Es war nur eines von zahlreichen Bl#228;ttern, die er im Laufe der letzten beiden Stunden mit seiner winzigen, gestochen scharfen Handschrift bedeckt hatte. Leider war das, »Wer wird denn so schnell aufgeben?«, fragte Ben sp#246;ttisch. »Du musst nur ein paar Jahre flei#223;ig #252;ben. Ich habe es schlie#223;lich auch gelernt.« Chris schob den Kopfh#246;rer nach hinten und sah Ben #228;rgerlich an. »Werde ich dann auch so wie du?«, fragte er spitz. »Ich meine, wenn ja, dann verzichte ich lieber darauf.« Ganz gegen seine normale Gewohnheit ging Ben nicht auf die Provokation ein, sondern lachte nur meckernd, drehte sich auf dem Absatz herum und verlie#223; den Salon. Mike blickte ihm stirnrunzelnd nach. Ben war schon den ganzen Tag ausgezeichneter Laune. Und wenn Ben guter Laune war, dann war das f#252;r den Rest der Besatzung immer ein Grund, ganz besonders vorsichtig zu sein. »Ich lerne das nie«, sagte Chris noch einmal. »Und wozu #252;berhaupt? Kein Mensch benutzt heute noch das Morsealphabet! Wozu gibt es schlie#223;lich Funk?« Oder glaubst du, all die kleinen Fischerboote und K#252;stenschoner k#246;nnen sich teure Funkger#228;te leisten?« »In ein paar Jahren bestimmt«, maulte Chris. Trotzdem schob er die Kopfh#246;rer wieder in die richtige Position, lauschte konzentriert und malte einige weitere Buchstaben auf seinen Block. Mike warf einen neugierigen Blick #252;ber seine Schulter. Neuer Buchstabensalat, mehr nicht. Chris schien wirklich enorme Schwierigkeiten zu haben, das Morsealphabet zu verstehen. »Vielleicht solltest du eine Pause machen«, schlug Mike vor. »Gute Idee«, knurrte Chris. »Ich schlage vor, so ungef#228;hr zehn Jahre.« Mike grinste, antwortete aber nicht. Er konnte den J#252;ngsten der NAUTILUS ja verstehen. Auch ihm war es seinerzeit alles andere als leicht gefallen, das Morsealphabet zu lernen. Er schlug dem J#252;ngeren aufmunternd auf die Schulter, drehte sich herum und ging ebenfalls aus dem Salon. Die NAUTILUS lag seit zwei Tagen still an der Meeresoberfl#228;che, weil Trautman und Singh wieder einmal an den Maschinen herumbastelten. Seit ihrer Flucht aus Lemura taten sie das fast ununterbrochen, was au#223;er ihnen an Bord niemand so richtig verstand. Die atlantischen Ingenieure hatten das Schiff nicht nur von Grund auf #252;berholt, sondern auch in wesentlichen Teilen verbessert. Die Maschinen der NAUTILUS waren jetzt viel leistungsf#228;higer als noch vor ein paar Monaten. Es gab keinen Grund, st#228;ndig daran herumzuschrauben. Mike blieb unschl#252;ssig stehen und schloss den obersten Knopf seines Hemdes. Es war kalt. Ein eisiger Luftzug strich durch den Gang. Vermutlich war Ben an Deck gegangen und hatte wie #252;blich die Luke offen gelassen. Sie waren nur knapp f#252;nfzig Seemeilen von der isl#228;ndischen K#252;ste entfernt und die Temperaturen drau#223;en lagen nicht weit #252;ber null. Mike wandte sich um und stieg die Wendeltreppe zum Maschinendeck hinunter. Schon von weitem h#246;rte er ein anhaltendes H#228;mmern und Klingen. Trautman und Singh standen #252;ber einem halb auseinander gebauten Maschinenblock und arbeiteten umdie Wette, ganz wie Mike erwartet hatte. Der Maschinenraum bot einen Anblick des Chaos. #220;berall lagen Einzelteile, Schrauben, Dr#228;hte, Werkzeuge und tausend andere Dinge herum und die Gesichter der beiden waren so #246;lverschmiert, dass Mike im allerersten Moment fast Schwierigkeiten hatte, sie auseinander zu halten. »Hallo, Mike!«, begr#252;#223;te ihn Trautman. »Was tust du hier?« »Dasselbe wollte ich Sie auch gerade fragen«, sagte Mike. »Und nicht erst seit heute. Funktionieren die Maschinen nicht richtig?« »Besser denn je.« Trautman fuhr sich mit dem Handr#252;cken #252;ber die Stirn und hinterlie#223; dabei einenweiteren schmierigen #214;lfleck, sodass er jetzt fast aussah wie ein alter Indianerh#228;uptling, der sich noch einmal entschlossen hatte auf den Kriegspfad zu gehen. »Das ist es ja gerade.« »Aha«, sagte Mike. »Ihr nehmt die Motoren der NAUTILUS auseinander, weil sie zu gut funktionieren.« »Weil wir nicht von Maschine, die jemals gebaut worden ist. Aber so etwas habe ich noch nicht gesehen. Die alten Atlanter m#252;ssen uns technisch um Jahrhunderte voraus gewesen sein.« »Das wussten wir doch schon immer«, sagte Mike. »Nicht, dass sie so weit waren«, entgegnete Trautman kopfsch#252;ttelnd. »Wir haben nicht einmal eine »Und das bedeutet, dass wir sie auch nicht reparieren k#246;nnten, sollte es notwendig sein«, f#252;gte Singh hinzu. »Jetzt verstehe ich«, sagte Mike. »Deshalb macht ihr sie gleich kaputt.« Trautman blickte ihn einen Moment lang verbl#252;fft an, dann lachte er schallend, schlug Mike auf die Schulter und setzte zu einer Antwort an. Doch er kam nicht dazu. Vor der T#252;r wurden hastige Schritte laut und dann st#252;rzte Ben herein, vollkommen au#223;er Atem und mit rot gefrorenem Gesicht. »Weg!«, keuchte er. »Wir m#252;ssen ... weg!« Sein Atem ging so schnell, dass er kaum sprechen konnte. Er musste gerannt sein wie der Teufel. »Jetzt beruhige dich erst einmal«, sagte Trautman. »Was ist passiert?« »Ein Schiff!«, japste Ben. »Ein Schiff kommt!« Von einer Sekunde auf die andere wurde Trautman todernst. »Was f#252;r ein Schiff?« »Ein... deutsches Kriegsschiff«, antwortete Ben atemlos. »Es h#228;lt direkt auf uns zu! Ich glaube, sie haben uns gesehen!« »Verdammt!« Trautman wirbelte auf dem Absatz herum. »In die Zentrale! Los!« Hintereinander st#252;rmten sie aus dem Maschinenraum und die Treppe hinauf. Mike st#252;rzte dicht hinter Trautman und Singh in den Salon und ein einziger Blick aus dem riesigen Bullauge, das fast die H#228;lfte der rechten Wand einnahm, lie#223; sein Herz schneller schlagen. Ben hatte Recht gehabt. Nur ein paar Meilen entfernt stampfte ein riesiges, graugestrichenes Unget#252;m durch die Wellen. Es musste ein Kreuzer sein, vielleicht sogar ein kleines Schlachtschiff, denn sein Deck starrte nur so vor Gesch#252;tzen und das wei#223; umrandete Kreuz an seinem Bug lie#223; keinen Zweifel an seiner Nationalit#228;t aufkommen. »Alle Mann auf Tauchstation!«, schrie Trautman. »Ben! Sind die Luken dicht?« Ben nickte und Trautman begann wie ein tollw#252;tig gewordener Pianist auf sein Instrumentenpult einzuh#228;mmern. Singh war mit einem Satz neben ihm und tat es ihm gleich. Mike dachte voller neuem Unbehagen an die halb auseinander gebaute Maschine, die er gerade unten gesehen hatte, aber die Motoren der NAUTILUS sprangen sofort an. Das metallene Deck unter seinen F#252;#223;en begann zu zittern und f#252;r einen kurzen Moment flackerte das Licht. Mike sah wieder zu dem Kriegsschiff hinaus. Es war bereits deutlich n#228;her gekommen und es hatte seine Geschwindigkeit offensichtlich stark erh#246;ht. Die M#228;nner an Bord des Schiffes mussten sie gesehen haben. Und Mike hatte das sehr sichere Gef#252;hl, dass sie nicht in freundlicher Absicht kamen. Sie hatten schon zu viele unangenehme Erfahrungen mit Vertretern der kaiserlichen deutschen Kriegsmarine gemacht, als dass er ihnen noch traute. »Das schaffen wir nicht!«, fl#252;sterte Ben. »Sie sind in zwei Minuten hier!« »Abwarten«, sagte Trautman. »Singh?« Der Inder nickte. Trautman und er bet#228;tigten ein paar Schalter. Die Maschinen tief im Rumpf der NAUTILUS heulten auf – und dann st#252;rzte das Wasser regelrecht vor dem Fenster in die H#246;he. Mike klammerte sich erschrocken an einem Regal fest und auch Ben w#228;re um ein Haar gest#252;rzt, als die NAUTILUS pl#246;tzlich wie ein Stein in die Tiefe sank. Das Licht flackerte. Das ganze Schiff zitterte und st#246;hnte wie ein lebendes Wesen und auf Trautmans Pult wechselten etliche Lichter ihre Farbe von gr#252;n zu rot. Offensichtlich belastete Trautman das Schiff bis an seine Grenzen. Doch so schlimm es auch war, es dauerte nur wenige Minuten. Mike konnte sp#252;ren, dass die NAUTILUS bereits langsamer wurde. Nach einer oder zwei weiteren Minuten h#246;rten sie v#246;llig auf zu sinken und das Schiff schwebte lautlos im Wasser. Vor dem Bullauge war jetzt nichts mehr als vollkommene Schw#228;rze. »Achtzig Meter«, seufzte Trautman. »Das sollte reichen. Himmel, das war verdammt knapp! Wie konnte das passieren?« »Sie haben uns wahrscheinlich zuf#228;llig entdeckt«, sagte Ben. »Ich nehme an, dass sie auf Patrouillenfahrt waren und –« »Das meine ich nicht!«, unterbrach ihn Trautman in #228;rgerlichem Ton. »Wieso hat sie niemand gesehen? Ich habe eindeutig angeordnet, dass immer jemand an den Ortungsger#228;ten Wache halten muss, solange die NAUTILUS aufgetaucht ist! Verdammt noch mal, wisst ihr eigentlich, was alles h#228;tte passieren k#246;nnen? Wenn der Kapit#228;n des Kreuzers uns f#252;r ein englisches U-Boot gehalten h#228;tte, dann h#228;tte er vermutlich zuerst geschossen und dann die Tr#252;mmer aus dem Wasser gefischt um nachzusehen, was er getroffen hat!« Sein Blick wanderte von einem zum anderen. »Also? Wer hatte Wache?« Mike senkte betreten den Blick und auch Ben schien pl#246;tzlich etwas furchtbar Interessantes auf dem Boden zwischen seinen Schuhen entdeckt zu haben, w#228;hrend Chris, der noch immer am Funkger#228;t sa#223;, nach Kr#228;ften versuchte unsichtbar zu werden. »Also gut«, grollte Trautman. »Wir kl#228;ren das sp#228;ter. Aber glaubt blo#223; nicht, die Sache w#228;re damit erledigt. Singh, wir gehen auf Nordkurs. Hundertf#252;nfzig Meilen mit voller Kraft. Ich hoffe, unseren schie#223;w#252;tigen kaiserlichen Freunden ist es dort zu kalt!« »Da ... stimmt etwas nicht«, sagte Singh pl#246;tzlich. »Etwas –« Er kam nicht weiter. In der endlosen D#228;mmerung drau#223;en glomm pl#246;tzlich ein winziger, gelboranger Funke auf, der im Bruchteil einer einzigen Sekunde zu einer brodelnden Feuerkugel heranwuchs, die unmittelbar neben der NAUTILUS zu lodern schien. Ein gewaltiger Donnerschlag erklang und nur einen Moment sp#228;ter erbebte das Schiff wie unter einem gewaltigen Hammerschlag. Abgesehen von Trautman und Singh, die sich am Kontrollpult festklammerten, wurden alle von den F#252;#223;en gerissen und kugelten haltlos durcheinander. Die gesamte NAUTILUS legte sich auf die Seite und richtete sich schwerf#228;llig wieder auf. »Mein Gott!«, keuchte Mike, w#228;hrend er sich wieder hochrappelte. »Was war das?« »Eine Wasserbombe«, antwortete Trautman. »Die schie#223;en auf uns! Sie m#252;ssen vollkommen wahnsinnig geworden sein!« Wie um seine Worte noch zu best#228;tigen, flammte eine zweite Feuerkugel im Meer auf; diesmal aber so weit entfernt, dass die NAUTILUS nur sacht erzitterte. »Wasserbomben?«, stammelte Ben. »Aber ... aber warum denn? Wir haben keinen Streit mit dem Kaiserreich!« Trautman zog den Kopf zwischen die Schultern, als die NAUTILUS unter einer dritten, diesmal wieder n#228;heren Explosion erzitterte. »Sag das denen da!«, antwortete er mit einer Kopfbewegung zur Decke. »Singh! Volle Kraft voraus!« Die NAUTILUS nahm Fahrt auf. Noch zweimal erbebte das Schiff unter den Druckwellen explodierender Wasserbomben, dann waren sie aus der Gefahrenzone heraus und Trautman atmete erleichtert auf. »Das war knapp«, sagte er noch einmal. Die T#252;r flog auf und Serena und Juan st#252;rzten herein. »Was ist passiert?«, keuchten beide wie mit einer Stimme. »Jemand schie#223;t auf uns«, antwortete Ben. »Offenbar sind wir in der Gegend hier nicht sehr beliebt.« »Jemand schie#223;t auf uns?«, wiederholte Juan ungl#228;ubig. »Wer?«, fragte Serena. Trautman machte eine rasche Handbewegung. »Jetzt nicht«, sagte er. »Wir m#252;ssen m#246;glichst schnell von hier weg. Singh – Kurs Nordnordwest. Volle Kraft voraus!« Sie brauchten vier Stunden, um die hundertf#252;nfzig Seemeilen zur#252;ckzulegen, die Trautman als Sicherheitsabstand zu dem deutschen Kreuzer als n#246;tig erachtete – ein Bruchteil der Zeit, die ihr Verfolger f#252;r dieselbe Strecke brauchen w#252;rde. Mike verbrachte fast die gesamte Zeit in seiner Kabine und irgendwann schlief er sogar ein. Als er erwachte, lag ein pelziges Gewicht auf seiner Brust und das Erste, was er sah, war Astaroths einziges gelb gl#252;hendes Auge, das ihn aus wenigen Zentimetern Abstand anstarrte. »Was soll das?«, murmelte Mike schlaftrunken. »Willst du mich umbringen? Irgendwann werde ich aufwachen und feststellen, dass ich tot bin, weil du mich im Schlaf erstickt hast.« Mike war noch nicht wach genug, um einem so komplizierten Gedankengang zu folgen. Benommen setzte er sich auf und schwang die Beine vom Bett. Astaroth wurde mehr oder weniger unsanft von seiner Brust heruntergeschleudert und landete mit typischer Katzengeschicklichkeit auf allen vier Pfoten. Trotzdem schenkte er Mike einen beleidigten Blick. »Was willst du eigentlich?«, fragte Mike, w#228;hrend er ein G#228;hnen unterdr#252;ckte und sich mit beiden H#228;nden #252;ber die Augen rieb. »Essen?«,fragteMikemisstrauisch.»WerhatheuteK#252;chendienst?« schadenfroh. Mike stand auf und begann sich anzuziehen. »Ist er immer noch sauer wegen der Wache?« »In den Tang gebissen?« dem herum, was sich auf ihren Tellern befand. Trautman begr#252;#223;te ihn mit einem wortlosen Nicken und deutete auf den einzigen noch freien Platz. Mike setzte sich, warf aber vorher noch einen raschen Blick aus dem Fenster. Die NAUTILUS war aufgetaucht und lag jetzt wieder reglos an der Wasseroberfl#228;che. Trotzdem konnte er drau#223;en nicht viel sehen. Die Sonne war untergegangen und der Himmel war so bew#246;lkt, dass so gut wie keine Sterne sichtbar waren. Eine Weile war nur das Klappern des Bestecks zu h#246;ren, dann r#228;usperte sich Trautman vernehmlich. »Ich m#246;chte mich noch bei euch entschuldigen«, sagte er. »Ich war vorhin vielleicht ein bisschen heftig. Es tut mir Leid, dass ich die Beherrschung verloren habe. Aber seine Pflichten auf der Wache zu vernachl#228;ssigen ist wirklich eine der schlimmsten Verfehlungen an Bord eines Schiffes. Ihr habt ja gesehen, was passieren kann.« Wieder kehrte f#252;r endlose Sekunden ein betretenes Schweigen ein. Dann r#228;usperte sich Chris und sagte: »Ich war es.« Trautman runzelte die Stirn. »Was?« »Es war meine Wache«, gestand Chris niedergeschlagen. »Wenn ich die Instrumente im Auge behalten h#228;tte, h#228;tte ich das Schiff bestimmt fr#252;h genug bemerkt. Aber ich war ... abgelenkt.« Trautman schwieg, dann sagte er #252;berraschend sanft: »Ich werde dir jetzt keine Standpauke halten, wenn du das erwartest. Du hast ja erlebt, was geschehen kann. Denk das n#228;chste Mal daran.« »Bestimmt«, versprach Chris. Pl#246;tzlich l#228;chelte Trautman. Er griff nach seinem L#246;ffel, schob sich eine gewaltige Portion Essen in seinen Mund und kaute. Einmal. Sein L#228;cheln gefror. Ganz langsam senkte er den L#246;ffel, kaute noch einmal und schluckte die ganze Portion dann mit sichtlicher M#252;he herunter. »Stimmt irgendetwas mit dem Essen nicht?«, fragte Ben. »Nein, nein«, antwortete Trautman hastig. »Es ist ganz ausgezeichnet. Wirklich. Wenn man bedenkt, dass du erst seit f#252;nf Jahren versuchst das Kochen zu lernen, ist es sogar hervorragend ... Chris, darf ich fragen, was dich auf der Wache so sehr abgelenkt hat?« Chris hob seinen L#246;ffel, roch daran und warf Ben einen schiefen Blick zu. »Ich habe versucht, das Morsealphabet zu lernen«, sagte er. »Aber hast du das nicht schon vor Wochen?«, fragte Trautman interessiert. Er beugte sich vor und schob dabei ganz zuf#228;llig seinen Teller so weit von sich, wie es ging. »Ich dachte, ein bisschen praktische #220;bung tut mir ganz gut«, antwortete Chris. »Deshalb habe ich einfach den Fernverkehr abgeh#246;rt.« »War etwas Interessantes dabei?« Chris schob seinen Teller von sich, ging zum Funkpult und kam mit den voll gekritzelten Zetteln wieder, die Mike schon vorhin gesehen hatte. »Ich f#252;rchte, nein«, sagte er. »Ich habe alles so aufgeschrieben, wie Sie es mir gezeigt haben, aber es ist nur Unsinn dabei herausgekommen. Sehen Sie selbst.« Trautman griff nach den Zetteln, bl#228;tterte sie durch und sch#252;ttelte ein paar Mal l#228;chelnd den Kopf. Dann erlosch sein L#228;cheln und an seiner Stelle machte sich ein #252;berraschter Ausdruck auf seinen Z#252;gen breit. »Das ist sehr seltsam«, murmelte er. »Das ist Norwegisch. Ein ziemlich seltener Dialekt, aber ich kenne ihn.« »Und Sie k#246;nnen das lesen?«, fragte Chris aufgeregt. »Ja und nein«, erwiderte Trautman kopfsch#252;ttelnd. »Das meiste kann ich entziffern... Aber es ergibt trotzdem keinen Sinn.« Pl#246;tzlich wirkte er sehr aufgeregt. Er sprang hoch, lief mit den Zetteln in der Hand zum B#252;cherregal und rief #252;ber die Schulter zur#252;ck: »R#228;umt den Tisch frei! Ich brauche Platz!« Nicht nur Mike hatte es pl#246;tzlich sehr eilig, seinem Befehl zu folgen. Nur Ben r#252;hrte sich nicht, sondern stopfte weiter L#246;ffel um L#246;ffel in sich hinein. »Aber ihr seid doch noch gar nicht fertig mit dem Essen!«, beschwerte er sich. »Die Wissenschaft geht vor«, sagte Juan. »Au#223;erdem tut allen ein Fastentag dann und wann ganz gut«, f#252;gte Serena hinzu. »In meiner Heimat war das so #252;blich, glaub mir. Zu gutes Essen ist auf die Dauer nicht gesund.« »Deshalb sind die Atlanter wahrscheinlich auch ausgestorben«, maulte Ben. »Aber gut, wenn du meinst ... Trotzdem – jetzt habe ich ein schlechtes Gewissen. Wenn ihr wollt, #252;bernehme ich morgen noch einmal freiwillig den K#252;chendienst.« Niemand antwortete. Trautman arbeitete zwei Stunden, aber danach sah der Salon aus, als h#228;tten Dschingis Khans Hordenzwei Wochen lang darin gew#252;tet: #220;berall lagen B#252;cher herum und lose Bl#228;tter, voll gekritzelte Notizzettel und Stifte, Radiergummis und zerkn#252;llte Papierkugeln. Niemand nahm auch nur Notiz davon. Sie alle waren viel zu aufgeregt. Trautman hatte es tats#228;chlich geschafft. »Es ist ein Notruf«, sagte er schlie#223;lich. Er wirkte ersch#246;pft, aber zufrieden. »So?«, machte Ben zweifelnd. Er beugte sich ein wenig vor und sah #252;ber Trautmans Schulter auf denkleinen Zettel hinab, auf dem die #220;bersetzung allm#228;hlich Gestalt angenommen hatte. »F#252;r mich sieht es immer noch aus wie Buchstabensalat.« »Es ist ein sehr alter Code«, antwortete Trautman. »Es scheint sich um eine Gruppe von Forschern zu handeln, die in Schwierigkeiten geraten sind. Das hier –«, er tippte mit dem Zeigefinger auf eine Reihe von Buchstaben und Zahlen, »– sind ziemlich genaue Koordinaten. Ich sch#228;tze, dass wir zwei Tage brauchen werden, um dorthin zu kommen.« »Wohin?«, fragte Juan. »Gr#246;nland.« »Gr#246;nland?« Ben sah nicht begeistert aus. »Es ist ein Notruf«, wiederholte Trautman in leicht tadelndem Tonfall. »Wir m#252;ssen darauf reagieren, das schreibt das internationale Seerecht vor. Und ich w#252;rde es auch tun, wenn es nicht so w#228;re. Jemand ist in Schwierigkeiten und braucht Hilfe.« Er reichte Singh seinen Zettel. »Singh, w#252;rdest du bitte den Kurs berechnen?« Der Inder ging wortlos zu den Kontrollinstrumenten. W#228;hrend er tat, was Trautman ihm aufgetragen hatte, sagte Ben noch einmal: »Gr#246;nland.« »Das ist ziemlich weit«, sagte Juan und Chris f#252;gte hinzu: »Und kalt.« »Was wird das?«, fragte Trautman. »Eine Meuterei? Habt ihr mir nicht zugeh#246;rt? Ich sagte doch wohl deutlich genug: Es ist ein Notruf. Ihr w#252;rdet doch auch erwarten, dass man euch zu Hilfe kommt, wenn ihr in Schwierigkeiten w#228;rt, oder?« F#252;r einen kurzen Moment breitete sich ein betretenes Schweigen im Salon aus. Der Einzige, der bisher nichts gesagt hatte, war Mike. Er sah Trautman nur sehr nachdenklich an. Er konnte das Gef#252;hl nicht begr#252;nden, aber er war fast sicher, dass Trautman ihnen etwas sehr Wichtiges verschwieg. Als h#228;tte er seine Gedanken gelesen, sah Trautman f#252;r einen Moment auf und blickte ihm direkt ins Gesicht. Er wirkte nerv#246;s. »Kurs liegt an«, sagte Singh knapp, bevor Mike eine entsprechende Frage stellen konnte. »Dann sollten wir losfahren«, meinte Trautman. »Halbe Kraft voraus. Wir brauchen noch ein wenig Zeit, um die Motoren wieder komplett zusammenzusetzen. Die Gew#228;sser dort sind schwierig. Ich m#246;chte nicht mit einem halb auseinander gebauten Schiff zwischen treibenden Eisbergen man#246;vrieren.« Mike sah aus den Augenwinkeln, dass Ben erneut zum Widerspruch ansetzte, aber Singh kam ihm zuvor: »Ich schlage trotzdem vor, dass wir etwas schneller fahren«, sagte er. »Wieso?« Aller Aufmerksamkeit wandte sich dem Inder zu. Singh blickte stirnrunzelnd auf seine Instrumente hinab und fuhr fort: »Wir bekommen Gesellschaft. Sieht so aus, als ob unsere deutschen Freunde nicht so schnell aufgeben.« »Das Kriegsschiff?«, fragte Ben. »Ja«, antwortete Singh. »Es h#228;lt genau auf uns zu. Aber keine Sorge.« Er hob beruhigend die Hand, ehe sie auch nur Zeit fanden, richtig zu erschrecken. »Sie werden Stunden brauchen, bis sie hier sind.« »Sie d#252;rften #252;berhaupt nicht wissen, wo wir sind!«, protestierte Ben. »Das ist unm#246;glich!« »Trotzdem ist es so«, sagte Singh achselzuckend. »Vielleicht haben sie irgendein neues ... Ortungssystem entwickelt.« »Mit dem sie uns auf eine Entfernung von hundertf#252;nfzig Seemeilen entdecken k#246;nnen?« Ben sch#252;ttelte den Kopf: »Unm#246;glich.« »Da ist noch etwas«, murmelte Singh. »Ich kann es nicht genau erkennen, aber es scheint sich ... um ein weiteres Schiff zu handeln.« »Es »Merkw#252;rdig«, murmelte er. Dann zuckte er mit den Schultern. »Aber das ist jetzt egal. Wir laufen die halbe Strecke mit voller Kraft und gehen dann wieder auf halbe Geschwindigkeit. Das sollte reichen, um sie endg#252;ltig abzuh#228;ngen. Also los – alle auf eure Posten. Wir haben noch einen weiten Weg vor uns!« Die K#252;ste schimmerte wie eine Wand aus poliertem, milchigem Glas. Die Sonne war gerade aufgegangen und ihre Strahlen brachen sich auf dem schimmernden Eis und lie#223;en Millionen goldener und wei#223;blauer Lichtreflexe aufwirbeln. Die Wand erhob sich drei Meter senkrecht vor der NAUTILUS aus dem Meer und erstreckte sich in beide Richtungen, so weit der Blick reichte. »Beeindruckend«, sagte Mike. »Man kommt sich irgendwie winzig vor, meint ihr nicht?« Ben, der neben ihm und Serena auf dem Verandadeck der NAUTILUS stand, warf ihm einen Blick zu. »Ich komme mir vor allem kalt vor«, maulte er. Mike seufzte. »Das k#246;nnte daran liegen, dass diese ganze K#252;ste aus Eis besteht«, sagte er. »Hat man dir schon einmal gesagt, dass du ein furchtbar unromantischer Mensch bist?« Ben grinste. »Mehrmals. Aber das #228;ndert nichts daran, dass ich schon halb erfroren bin. Ich gehe jetzt nach unten und lasse euch zwei Turtelt#228;ubchen allein. Passt nur auf, dass ihr nicht aneinander festfriert – wenigstens nicht in einer Position, die euch peinlich sein k#246;nnte.« Er lachte, drehte sich herum und kletterte die kurze Eisenleiter zum Turm der NAUTILUS empor. Mike sah ihm nach, bis er im Inneren des Schiffes verschwunden war, dann sch#252;ttelte er den Kopf. »Bl#246;dmann.« Aber er grinste, als er das sagte, und als er sich wieder zu Serena herumdrehte, entdeckte er auch in ihren Augen ein sp#246;ttisches Funkeln. Mike fragte sich, ob sie Bens Bemerkung einfach nur komisch fand oder sich genau wie er #252;ber das Wort Dann drehte sich Serena wieder herum und sah zur Eisk#252;ste hin#252;ber und der Moment war vorbei. Sp#228;ter, dachte Mike. Er w#252;rde es ihr sp#228;ter sagen. Bald. Ganz bestimmt. Mike zog es vor, nicht darauf zu antworten. Astaroth hatte ja Recht – aber im Moment war wirklich nicht der richtige Augenblick f#252;r eine Liebeserkl#228;rung. Auch wenn Serena in ihrer wei#223;en Felljacke wirklich ganz entz#252;ckend aussah ... »Es ist unglaublich«, sagte Serena. »Ich war schon einmal hier, wei#223;t du? Aber damals ... sah es ganz anders aus. Dieses Land war von W#228;ldern und fruchtbaren Wiesen und S#252;mpfen bedeckt.« »Ich wei#223;«, antwortete Mike. »Daher kommt der Name. Die alten Wikinger nannten diese Insel Gr#252;nland, wegen ihrer gr#252;nen K#252;sten. Jetzt ist hier alles tot. Ich frage mich, was hier passiert ist.« »Das, was Winterfeld mit der ganzen Welt vorhatte«, sagte eine Stimme hinter ihnen. Mike drehte sich erschrocken herum und entdeckte Trautman, der in eine dicke Pelzjacke geh#252;llt und in gef#252;tterten Stiefeln vom Turm heruntergeklettert kam. Obwohl er erst seit einigen Sekunden im Freien war, glitzerten in seinem wei#223;en Bart bereits Eiskristalle. »Die vorherrschende Meinung ist, dass der Golfstrom seine Richtung ge#228;ndert hat«, fuhr er fort, w#228;hrend er n#228;her kam. Die schwere Kleidung, die er trug, lie#223; seine Bewegungen ungelenk und schwerf#228;llig erscheinen. »Dadurch blieb der Zustrom von warmer Luft aus den Tropen aus. Gleichzeitig kam immer mehr kalte Luft aus dem Norden, vom Polarkreis her. Es dauerte wahrscheinlich nur ein paar Dutzend Jahre, bis die ganze Insel buchst#228;blich eingefroren war. Dasselbe w#228;re mit einem gro#223;en Teil von Europa geschehen, h#228;tte Winterfeld mit seinem wahnsinnigen Plan Erfolg gehabt.« »Aber das haben wir ja gottlob verhindert«, sagte Mike. »Wie kommen Sie ausgerechnet jetzt wieder auf Winterfeld? Er ist seit Jahren tot.« Trautman zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung«, sagte er. »Vielleicht weil wir auf dieses deutsche Kriegsschiff gesto#223;en sind ... Ich hatte gehofft, dass wir sie endg#252;ltig los w#228;ren.« »Das sind wir auch«, behauptete Mike. »Es war bestimmt nur ein Zufall.« Er deutete zur K#252;ste. »Was haben Sie jetzt vor? Wollen wir anlegen und die Eiswand hinaufsteigen?« Die Worte waren nat#252;rlich nur scherzhaft gemeint. Die Eisk#252;ste war mehr als f#252;nfzig Meter hoch und so glatt wie poliertes Glas. Selbst eine Fliege h#228;tte M#252;he gehabt, sie hinaufzuklettern. »Das w#228;re zu gef#228;hrlich«, ging Trautman auf Mikes Bemerkung ein. »Diese Eisberge sind nicht so stabil, wie sie aussehen. Ich m#246;chte nicht mit der NAUTILUS vor der K#252;ste liegen, wenn gerade zehnoder zwanzigtausend Tonnen Eis davon abbrechen. Wir m#252;ssen einen anderen Weg suchen.« Sein Blick glitt #252;ber die gewaltige Barriere aus Eis, als suche er nach etwas ganz Bestimmtem. »Senden sie den Notruf immer noch aus?«, fragte Serena. Trautman nickte, ohne den Blick von der Eisk#252;ste zu nehmen. »Wir sind nicht sehr weit von seiner Quelle entfernt ... vielleicht f#252;nfzig, sechzig Kilometer weit im Landesinneren. Genau in dieser Richtung.« Er hob den Arm und deutete in gerader Linie #252;ber den Bug der NAUTILUS hinaus. »Leider ist es unm#246;glich, in direkter Richtung dorthin zu gelangen.« »Geht jetzt nach unten, ihr beiden«, fuhr Trautman nach einer Weile fort. »Wir tauchen bald wieder.« »Wohin?« »Es gibt eine kleine Siedlung, ungef#228;hr hundert Meilen von hier entfernt«, erkl#228;rte Trautman. »Vielleicht finden wir dort einen Weg, an Land zu kommen.« »Hier leben Menschen?«, fragte Serena #252;berrascht. »Eine kleine norwegische Handelsstation«, best#228;tigte Trautman. »Ich wei#223; nicht einmal ihren Namen. Hat auch keinen Zweck, ihn sich zu merken. Er wechselt n#228;mlich alle paar Jahre.« »Wieso?« »Weil sich die Norweger, die D#228;nen und die Inuit noch immer nicht dar#252;ber einigen k#246;nnen, wem dieses Land nun eigentlich geh#246;rt«, seufzte Trautman. »Die Inuit sind die Eingeborenen hier, wisst ihr? Die meisten nennen sie Eskimos, aber sie selbst m#246;gen diesen Namen eigentlich nicht. Sie sind ein sehr stolzes Volk.« »Aber wenn es Eingeborene gibt«, sagte Serena, »dann ist doch ganz klar, wem das Land geh#246;rt!« Trautman seufzte erneut. »Leider sehen die Norweger und die D#228;nen das etwas anders«, sagte er. »Und einige andere Nationen auch. Gr#246;nland verf#252;gt #252;ber ungeheure Bodensch#228;tze. Das macht dieses Land sehr interessant. W#228;re das Klima hier nicht so schlecht, h#228;tte sich l#228;ngst eine der gro#223;en Nationen entschlossen es sich unter den Nagel zu rei#223;en. Aber das ist im Moment nicht unser Problem. Kommt.« Er drehte sich um und ging mit steifen Schritten zum Turm zur#252;ck. Serena und Mike folgten ihm nach kurzem Z#246;gern. Trautman wartete, bis sie an ihm vorbei in den Turm geklettert waren, dann stieg er #252;ber die kleine Leiter noch einmal nach oben und schloss die schwere Luke. Mike trat unbehaglich von einem Fu#223; auf den anderen, als seine Zehen zu kribbeln begannen. Nach den sch#228;tzungsweise zwanzig Grad unter null, die drau#223;en geherrscht hatten, kam es ihm hier drinnen nicht nur warm, sondern regelrecht hei#223; vor. Trotzdem hatte er das Gef#252;hl, dass sich seine Finger und Zehen in Eiskl#246;tze verwandelt h#228;tten. Vorsichtig zog er mit den Z#228;hnen die Handschuhe aus, rieb die H#228;nde aneinander und blies hinein. Es half nicht viel. Seine Finger waren vollkommen gef#252;hllos. Sie folgten Trautman nach unten. Serena ging zu ihrer Kabine, um die schwere Pelzjacke auszuziehen, w#228;hrend Mike Trautman in den Salon folgte. Singhs Gesichtsausdruck nach zu schlie#223;en hatte der Inder bereits auf sie gewartet. Und er schien keine guten Neuigkeiten zu haben. »Gut, dass ihr kommt«, sagte er. »Sind alle Luken dicht?« Trautman nickte. »Warum?« »Wir m#252;ssen verschwinden«, antwortete Singh. »Sie sind schon wieder da.« »Das deutsche Kriegsschiff?«, fragte Trautman ungl#228;ubig. »Sie m#252;ssen gefahren sein, bis ihre Kessel gegl#252;ht haben«, best#228;tigte Singh. »Ich sch#228;tze, sie sind in einer Stunde hier.« »Aber sie k#246;nnen unm#246;glich von uns wissen!«, protestierte Mike. »Warum sagst du das nicht ihnen?«, fragte Singh sp#246;ttisch. »Ich verstehe es ja auch nicht. Aber sie halten genau auf uns zu. Sollen wir warten, bis sie hier sind, um sie zu fragen, wie sie es gemacht haben?« Trautman reagierte ungewohnt heftig auf Singhs kleinen Scherz. Er machte eine zornige Bewegung und schnauzte den Inder regelrecht an: »H#246;r mit dem Unsinn auf. Wir tauchen auf zehn Meter ... oder besser auf zwanzig. Sofort.« Singh blinzelte #252;berrascht und tauschte einen fragenden Blick mit Mike, aber der konnte nur wortlos mit den Schultern zucken. Trautmans Benehmen passte immerhin zu seinem komischen Verhalten w#228;hrend der letzten beiden Tage. Je mehr sie sich ihrem Ziel n#228;herten, desto nerv#246;ser wurde er. Keiner von ihnen antwortete und so ging Trautman zum Tisch und begann eine Karte auszubreiten. »Hier ist die Handelsstation«, sagte er nach kurzem Suchen. »Ungef#228;hr f#252;nfzig Kilometer weit im Landesinneren. Sie liegt an einem Fluss.« »Ein Fluss?« Mike trat neugierig n#228;her und warf einen Blick auf die Karte. »Aber der ist doch bestimmt zugefroren.« »Umso besser«, sagte Trautman. »Wir k#246;nnen zumindest unter dem Eis hindurchtauchen. Dem kaiserlichen Zerst#246;rer d#252;rfte das schwer fallen. Genau so machen wir es.« »Genau so machen wir sprang mit einem Satz auf den Tisch hinauf, um sich auf Trautmans Karte zu einem pelzigen Ball zusammenzurollen. »Wir fahren mit der NAUTILUS den Fluss hinauf«, antwortete Trautman unwillig. »Singh und ich werden von Bord gehen und im Ort eine Ausr#252;stung kaufen.« »Was f#252;r eine Ausr#252;stung?«, erkundigte sich Ben. Trautman verdrehte die Augen. »Was man eben so braucht«, antwortete er. »Schlitten, Hunde, ein Zelt ... muss ich eigentlich alles zehnmal erkl#228;ren?« Ben machte ein verwirrtes Gesicht. Trautman hatte bisher noch nicht der Einzige, dem Trautmans ver#228;ndertes Verhalten aufgefallen war. »Und wof#252;r brauchen wir diese Ausr#252;stung?«, fragte Ben betont. »Hast du vergessen, weshalb wir hier sind?« »Keineswegs«, antwortete Ben. »Ich meine nur: Wenn Sie in die Stadt gehen, k#246;nnen Sie doch auch dort Bescheid geben, damit sie eine Rettungsaktion organisieren.« »Ich verstehe sowieso nicht, wieso Sie nicht schon l#228;ngst auf den SOS-Spruch reagiert haben«, f#252;gte Juan hinzu. Trautman sah einen Moment lang regelrecht best#252;rzt drein. Dann sagte er: »Vielleicht h#246;ren sie diese Frequenzen nicht regelm#228;#223;ig ab. Oder sie haben sie nicht verstanden, genau wie Chris.« Das klang nicht nur nach einer Ausrede, dachte Mike, es war eine; und nicht einmal eine besonders originelle. Mike war sicher, dass sie Trautman erst genau in diesem Augenblick eingefallen war. Chris hatte den norwegischen Dialekt f#252;r Kauderwelsch gehalten. Das war noch verst#228;ndlich. Aber die Stadt, #252;ber die sie sprachen, war eine Die NAUTILUS glitt unter einem Himmel aus erstarrtem Wei#223; dahin. Singh hatte die Leistung der Motoren so weit gedrosselt, dass das Schiff praktisch im Schritttempo den Fluss hinauffuhr. Trotzdem lag auf dem Gesicht des Inders ein Ausdruck allerh#246;chster Konzentration. Mike beneidete ihn nicht um seine Aufgabe. Dank der hoch entwickelten Technik der alten Atlanter lie#223; sich die NAUTILUS viel leichter navigieren als ein herk#246;mmliches Schiff, aber der zugefrorene Fluss, unter dessen Oberfl#228;che sie entlangfuhren, war kaum tief genug, um dem Schiff Platz zu bieten. Unter dem Kiel war manchmal buchst#228;blich nur noch eine Handbreit Wasser und der Turm kollidierte immer wieder mit dem fast meterdicken Eispanzer, der den Fluss bedeckte. Wenn das geschah, dann hallten dumpfe Schl#228;ge durch den Schiffsrumpf, fast als h#228;tte sich das ganze Boot in eine gewaltige Glocke verwandelt, und Mike fuhr jedes Mal erschrocken zusammen. Er wusste zwar, dass dem Schiff keine Gefahr drohte. Trotzdem machte ihn das anhaltende Dr#246;hnen und H#228;mmern in zunehmendem Ma#223;e nerv#246;s. Und offensichtlich nicht nur ihn. Sie alle waren im Salon zusammengekommen und sie alle waren schweigsam und sehr unruhig. Pl#246;tzlich ver#228;nderte sich das Motorenger#228;usch: Es wurde leiser und verstummte schlie#223;lich ganz. Die NAUTILUS zitterte noch einmal, dann ert#246;nte ein fast unheimliches Knirschen, als das Schiff auf den Flussgrund hinabsank und zur Ruhe kam. »Sind wir da?«, fragte Ben #252;berfl#252;ssigerweise. Singh nickte knapp. »Wenn der Fluss nicht zugefroren w#228;re, k#246;nntest du erkennen, was in der Hafenkneipe auf der Speisekarte steht.« Ben lachte leise, aber Trautman sagte: »Das ist gar keine schlechte Idee, Singh – das Periskop.« Der Inder z#246;gerte einen Moment, in dem er Trautman mehr als nur zweifelnd anblickte, dann aber zuckte er nur schweigend mit den Schultern und f#252;hrte seinen Befehl aus. Es vergingen nur einige Sekunden, dann ert#246;nte ein dumpfes Krachen, als das Periskop gegen die Eisdecke #252;ber ihnen krachte. »Noch einmal«, sagte Trautman. »Aber –« »Noch einmal, habe ich gesagt!« Diesmal z#246;gerte Singh sp#252;rbar l#228;nger, seinen Worten Folge zu leisten, aber schlie#223;lich f#252;hrte er den Befehl aus. Das dumpfe Krachen ert#246;nte ein zweites, drittes und viertes Mal, ehe es dem Periskop endlich gelang, die Eisdecke auf dem Fluss zu durchsto#223;en. Auf einem winzigen Bildschirm unmittelbar vor Singh erschien ein Abbild dessen, was die kleine Kamera oben am Periskopende auffing; und das nicht nur in Farbe und dreidimensional, sondern auch noch weitaus detaillierter, als ein menschliches Auge es gesehen h#228;tte. Nicht zum ersten Mal empfand Mike einen heftigen Schauer von Ehrfurcht, w#228;hrend er das Wirken atlantischer Technik betrachtete. »Das habe ich mir gedacht«, sagte Trautman d#252;ster. »Was?« Trautman tippte mit dem Zeigefinger auf einen Punkt auf dem Bildschirm. »Der Wagen da – seht ihr ihn?« Mike nickte. Der Wagen war deutlich zu erkennen, obwohl er in einer schmalen L#252;cke zwischen zwei der einfachen Geb#228;ude stand. Einem menschlichen Auge – noch dazu bei der momentan herrschenden Dunkelheit – w#228;re er vermutlich verborgen geblieben, aber die Restlichtverst#228;rker der Kamera entrissen der D#228;mmerung jedes noch so winzige Detail. Es war ein sehr seltsames Fahrzeug: Ein dunkelgr#252;n gespritzter Pritschenwagen, der vorne zwei R#228;der, hinten aber breite Ketten hatte, vermutlich, um sich auf Eis und Schnee besser fortbewegen zu k#246;nnen. »Das ist ein Horch 34/4«, fuhr Trautman mit finsterem Gesicht fort. »Eine Spezialanfertigung, die nur von der deutschen Kriegsmarine benutzt wird. Da stimmt was nicht.« »Die Deutschen?«, fragte Ben. »Hier? Steht Norwegen denn auf der Seite der Deutschen?« »Nein«, antwortete Trautman. »Das ist es ja, was mir nicht gef#228;llt. Norwegen geh#246;rt zu den neutralen Staaten, die sich aus dem Krieg heraushalten. Und dann auch noch dieser Zerst#246;rer, der uns aufgelauert hat ...« Er sch#252;ttelte nachdenklich den Kopf, dann richtete er sich mit einem Ruck auf und fuhr lauter und in ver#228;ndertem Tonfall fort: »Wir #228;ndern unseren Plan. Singh, du bleibst hier und h#228;ltst Augen und Ohren auf. Wenn irgendetwas Seltsames passiert, dann bringst du die NAUTILUS von hier weg. Ich gehe allein an Land.« »Das kommt #252;berhaupt nicht in Frage«, sagte Ben. »Ich glaube nicht, dass »Aber er hat Recht«, mischte sich Mike ein. »Warum soll Singh Sie nicht begleiten? Es ist viel zu gef#228;hrlich, allein zu gehen.« »Ich will kein unn#246;tiges Aufsehen erregen«, antwortete Trautman. »Wenn es hier wirklich deutsche Soldaten gibt, dann f#228;llt Singh als Inder sofort auf.« »Dann komme ich mit«, sagte Ben. »Kannst du Deutsch?«, fragte Trautman. Er nickte, als Ben nicht antwortete. »Siehst du? Es ist wirklich das Beste, wenn ich allein gehe.« »Dann begleite »Gef#228;hrlich wird es allerh#246;chstens, wenn mich einer von euch begleitet«, widersprach Trautman. Aber er war chancenlos. Mike hatte n#228;mlich die Wahrheit gesagt: Es kam immer wieder einmal vor, dass einer von ihnen zu einer gefahrvollen Unternehmung aufbrechen musste, und sie hatten recht schnell begriffen, dass es dabei eine eiserne, #252;berlebensnotwendige Grundregel gab: Niemals, unter gar keinen Umst#228;nden allein zu gehen. »Also gut«, seufzte Trautman schlie#223;lich. »Mike kann mitkommen. Und Singh, ich meine es ernst: Wenn du auch nur einen Schatten siehst, der dir nicht geheuer vorkommt, dann verschwindest du von hier. Wir finden euch schon irgendwie wieder.« »Wie kommen wir an Land?«, fragte Mike. »Wie wohl?« Trautman zuckte mit den Achseln und sah ihn auf eine Weise an, die Mike sich mit einem Male unbehaglich f#252;hlen lie#223;. H#228;tte er es nicht besser gewusst, h#228;tte er geschworen, ein schadenfrohes Glitzern in seinen Augen zu sehen. »Wie man von einem getauchten Unterseeboot eben an Land geht. Gl#252;cklicherweise haben die Einheimischen ein paar L#246;cher ins Eis geschlagen, um zu angeln oder sonst was zu tun.« Es dauerte ein paar Sekunden, ehe Mike wirklich begriff, was Trautman meinte. Seine Augen wurden gro#223;. »Schwimmen?«, kr#228;chzte er. »Sie wollen ... schwimmen?« »Aber das Wasser ist Wie sich herausstellte, boten die schweren Taucheranz#252;ge mehr als nur einen gewissen Schutz. Tats#228;chlich sp#252;rte Mike die K#228;lte nicht einmal, w#228;hrend er zusammen mit Trautman die NAUTILUS verlie#223; und #252;ber den steinigen Flussgrund marschierte. Die L#252;cke im Eis, von der Trautman gesprochen hatte, war einen knappen halben Kilometer vom Schiff entfernt, aber sie brauchten eine Weile, um sie zu finden. Sie konnten es nicht wagen, auch nur Taschenlampen zu benutzen, denn sie waren zu nahe an der Stadt. H#228;tte jemand auch nur zuf#228;llig in Richtung Fluss gesehen, h#228;tte ihm der Lichtschein auffallen k#246;nnen, der unter dem Eis herumgeisterte. So brauchten sie – obwohl sie sich beeilten – eine gute halbe Stunde, um an Land zu kommen, und dann noch einmal zehn Minuten, um die schweren Anz#252;ge auszuziehen und mit Schnee zu bedecken, damit sie nicht gefunden wurden. Danach wurde die K#228;lte wirklich grausam. Schon bevor sie den halben Weg zur Stadt zur#252;ckgelegt hatten, w#252;nschte Mike sich fast in den Fluss und seinen w#228;rmenden Anzug zur#252;ck, und als sie sich endlich dem kleinen Hafen n#228;herten, da war jedes Gef#252;hl aus Mikes Fingern und Zehen gewichen. Sie hatten die w#228;rmsten Kleider angezogen, die sie an Bord der NAUTILUS gefunden hatten, aber auf »Das da vorne scheint die Hafenkneipe zu sein«, sagte Trautman. »Oder das, was man hier daf#252;r h#228;lt. Am besten gehen wir dorthin.« Wohin auch sonst? dachte Mike. Sie konnten kaum an irgendeiner T#252;r klopfen und behaupten, sie h#228;tten den Bus verpasst. Zitternd vor K#228;lte sah er sich um. Der Hafen bot einen beinahe unheimlichen Anblick. Die H#228;user waren klein, ausnahmslos einst#246;ckig und hatten winzige Fenster, die mit schweren h#246;lzernen L#228;den gesichert waren. Mit Ausnahme dessen, was Trautman f#252;r die Hafenkneipe hielt, brannte nirgendwo Licht. Aber es war auch nicht richtig dunkel, denn s#228;mtliche Geb#228;ude waren mit einer dicken Eisschicht bedeckt, die das Licht von Mond und Sternen reflektierte. Und auch die wenigen Boote, die im Hafen lagen, boten ein unheimliches Bild: Sie waren festgefroren, Segel und Tauwerk wei#223; #252;berzuckert, sodass manche wie bizarre Eisskulpturen aussahen, kaum noch etwas von Menschenhand Geschaffenes. Was die eigentliche Stadt anging, so war Mike auf Vermutungen angewiesen. In dem grauen D#228;mmerlicht verschmolzen die Geb#228;ude zu einem einzigen, verschwommenen Umriss. Aber er glaubte nicht, dass der Ort mehr als tausend Einwohner hatte. Wahrscheinlich weniger. Und das war ein weiteres Problem. In einem Ort dieser Gr#246;#223;e musste jeder Fremde auffallen wie ein bunter Hund. Aber sie hatten ja nicht vor, lange zu bleiben. Gerade als Mike glaubte, in der n#228;chsten Sekunde mitten im Schritt erstarren zu m#252;ssen, erreichten sie die Hafenkneipe und traten ein. Drinnen war es warm, d#252;ster und stickig, genau wie Mike erwartet hatte, aber nicht ann#228;hernd so voll, wie er angenommen hatte. Die Einrichtung des Raumes war einfach. Die Theke bestand aus einer Anzahl gro#223;er F#228;sser, #252;ber die ein langes Brett gelegt worden war, und dasselbe galt in kleinerem Ma#223;stab f#252;r Tische und St#252;hle. Der Raum h#228;tte Platz f#252;r drei#223;ig oder vierzig Personen geboten, aber nur an zwei Tischen sa#223;en einige M#228;nner und tranken etwas. Hinter der Theke lungerte ein finster aussehender, mehr als zwei Meter gro#223;er Eskimo – »Wie freundlich«, murmelte Mike, fing dann aber einen warnenden Blick Trautmans auf und schluckte den Rest seiner Bemerkung hinunter. Es war wahrscheinlich auch kl#252;ger. Man musste nicht wie Astaroth Gedanken lesen k#246;nnen, um zu begreifen, dass hier irgendetwas nicht in Ordnung war. Der Wirt war nicht der Einzige, der sie ganz offensichtlich nicht gerne sah. Auch das halbe Dutzend M#228;nner, das an den zwei Tischen sa#223;, war still geworden; Mike konnte ihre feindseligen Blicke regelrecht sp#252;ren. »Nicht so laut«, zischte Trautman. »Hier stimmt irgendetwas nicht. Ich will herausfinden, was es ist.« Mike probierte vorsichtig an seinem Bier und stellte #252;berrascht fest, wie gut es schmeckte: s#252;#223; und auf eine angenehme Weise k#252;hl. Trautman hob warnend die linke Augenbraue. »Pass mit dem Zeug auf«, murmelte er. »Ich »Ich wei#223;«, erwiderte Trautman. »Aber nicht dieses. Es schmeckt wie Fruchtsaft, aber es hat fast so viel Alkohol wie Schnaps. Also sei vorsichtig.« Wie um Mike zu verh#246;hnen, trank er selbst einen gewaltigen Schluck aus seinem Becher, verzog genie#223;erisch das Gesicht und lehnte sich zur#252;ck. Er griff in die Tasche, f#246;rderte eine Pfeife zutage und begann sie umst#228;ndlich zu stopfen. Mike war erstaunt. Er hatte Trautman seit Jahren nicht rauchen sehen. Die Zeit verstrich tr#228;ge. Mike nippte dann und wann vorsichtig an seinem Bier, w#228;hrend Trautman gem#252;tlich seine Pfeife paffte und rasch hintereinander gleich drei Becher des hochprozentigen Getr#228;nks leerte. Nach vielleicht zehn Minuten stand einer der anderen G#228;ste auf und ging. Trautman blickte ihm nach, sagte aber nichts. Als der Wirt den vierten Becher Bier brachte, sprach Trautman ihn an: »Auf ein Wort, guter Mann.« Mike registrierte #252;berrascht, dass Trautman nun die deutsche Sprache benutzte. Er selbst verstand Deutsch, sprach aber nicht flie#223;end genug, um damit durchzukommen. An Bord der NAUTILUS redeten sie prinzipiell englisch, weil sich die Besatzung aus den unterschiedlichsten Nationalit#228;ten zusammensetzte. So hatte Mike fast vergessen, dass Deutsch ja eigentlich Trautmans Muttersprache war.Zu seiner #220;berraschung antwortete der Inuit in derselben Sprache, wenn auch mit einem schweren Akzent. »Was kann ich f#252;r Sie tun, mein Herr?« Trautman l#228;chelte. »Nicht so f#246;rmlich! Ich habe nur ein paar Fragen an Sie. Mein junger Freund hier und ich –«, er deutete mit dem Pfeifenstiel auf Mike, »– ben#246;tigen ein Quartier f#252;r die Nacht und das eine oder andere Ausr#252;stungsst#252;ck. Ich hatte gehofft, dass Sie uns dabei vielleicht behilflich sein k#246;nnten ... gegen entsprechende Bezahlung, versteht sich.« Der Wirt blickte ihn zweifelnd an. Trautman l#228;chelte noch breiter, griff in die Jackentasche und f#246;rderte eine wei#223;e Perle zutage. »Ich nehme nicht an, dass Sie englische Pfund oder deutsche Mark akzeptieren, und mit einheimischer W#228;hrung kann ich nicht dienen. W#228;re diese Perle als Bezahlung f#252;r unsere Getr#228;nke und ein Nachtlager angemessen?« Der Inuit griff mit spitzen Fingern nach der Perle und tat so, als ob er sie abf#228;llig begutachtete, hatte sich aber nicht weit genug in der Gewalt, um das Funkeln in seinen Augen zu unterdr#252;cken. Die Perle, die Trautman ihm gegeben hatte, war vermutlich mehr wert als sein ganzer Laden. An Bord der NAUTILUS gab es ganze Kisten voll davon. Wenn man nur tief genug tauchte, konnte man sie vom Meeresboden aufheben wie Bl#228;tter nach einem Herbststurm im Wald. »Und nat#252;rlich f#252;r einen Schlitten samt Hunden, Ausr#252;stung und Lebensmittel f#252;r eine Woche«, f#252;gte Trautman hinzu. Wieder starrte der Wirt ihn sekundenlang durchdringend an. Nach Trautmans ersten Worten hatte er ihn vermutlich f#252;r einen Dummkopf gehalten, den er leicht #252;bers Ohr hauen konnte. Jetzt tat er das nicht mehr. Aber vermutlich witterte er immer noch ein verdammt gutes Gesch#228;ft, denn schlie#223;lich nickte er. »Ich habe ein Zimmer, aber es ist einfach.« »Wir sind nicht anspruchsvoll«, antwortete Trautman. »Was ist mit der Ausr#252;stung?« »Mein Cousin vermietet manchmal seinen Schlitten«, antwortete der Wirt. »Ich k#246;nnte ihn fragen.« »Es w#228;re mir lieber, wenn wir ein Gespann kaufen k#246;nnten«, erwiderte Trautman, erntete aber nur ein entschiedenes Kopfsch#252;tteln. »Niemand hier verkauft seinen Schlitten«, sagte der Wirt. »Und noch weniger seine Tiere. Aber mein Cousin ist ein guter Hundef#252;hrer. Er bringt Sie sicher ans Ziel. Wohin wollen Sie denn?« »Das ... wei#223; ich selbst noch nicht genau«, antwortete Trautman ausweichend. »Lassen Sie mich mit Ihrem Cousin reden. Wo finden wir ihn?« »Ich lasse ihn holen, gleich morgen fr#252;h. Heute ist es zu sp#228;t. Sie k#246;nnen morgen mit ihm fr#252;hst#252;cken, wenn Sie wollen.« »Also gut«, seufzte Trautman. »Dann bringen Sie uns noch einen letzten Schlummertrunk und danach zeigen Sie uns das Zimmer.« »Das w#252;rde ich mir an Ihrer Stelle dreimal #252;berlegen«, sagte eine Stimme hinter Mike. Trautman und er drehten sich gleichzeitig herum und blickten in ein rundliches, vor K#228;lte ger#246;tetes Gesicht, das sie unter einer schwarzen Schirmm#252;tze hervor anl#228;chelte. Keiner von ihnen hatte auch nur geh#246;rt, dass ein weiterer Gast das Lokal betreten hatte. Daf#252;r schien der Neuank#246;mmling zumindest einen Teil ihrer Unterhaltung mitbekommen zu haben, wie seine Worte bewiesen. »Sie wollen nicht wirklich in dieser verwanzten Bude schlafen, oder?«, fuhr er fort. Er jagte den Wirt mit einer Handbewegung davon, setzte sich unaufgefordert und streckte Trautman die Hand #252;ber den Tisch entgegen. »Gestatten: Vom Dorff. Freiherr Ludeger Vom Dorff.« Trautman ignorierte seine Hand und sah ihn nur misstrauisch an. Vom Dorff l#228;chelte unersch#252;tterlich weiter, zog die Hand aber nach ein paar Sekunden wieder zur#252;ck. »Ich muss mich wohl f#252;r meine Unh#246;flichkeit entschuldigen«, sagte er. »Ich war einfach zu #252;berrascht, endlich wieder einmal Worte in meiner Muttersprache zu h#246;ren, dass ich dar#252;ber wohl meine gute Erziehung vergessen habe. Aber ich konnte es nicht zulassen, dass Sie diesem Halsabschneider auf den Leim gehen, Herr ...?« »Trautstein«, antwortete Trautman. »Kapit#228;n Trautstein. Das ist Mike. Er arbeitet f#252;r mich.« »Mike? Das ist kein deutscher Name.« »Er kommt aus Neuseeland«, antwortete Trautman. »Ich habe ihn in einer Kaschemme in Hongkong aufgelesen«, sagte Trautman. »Damals konnte er nicht einmal lesen und schreiben, geschweige denn sich daran erinnern, wo er herkommt und wer seine Eltern sind.« »Und da haben Sie sich seiner angenommen«, stellte Vom Dorff fest. »Nun, das ist genau die Gesinnung, die man von einem deutschen Kapit#228;n erwarten sollte. Apropos Kapit#228;n ... Ich habe Ihr Schiff gar nicht im Hafen gesehen.« »Das liegt vielleicht daran, dass es nicht im Hafen ist«, antwortete Trautman unfreundlich. »Wieso haben Sie den Wirt einen Halsabschneider genannt?« »Weil er es ist«, behauptete Vom Dorff. »Ich hoffe doch, Sie haben ihn nicht f#252;r diese Giftbr#252;he bezahlt, die er Ihnen vorgesetzt hat?« Er wartete Trautmans Antwort gar nicht ab, sondern herrschte den Wirt in einer Sprache an, die Mike nicht verstand. Der Mann kam z#246;gernd zur#252;ck und starrte ihn trotzig an, griff aber nach einigen Augenblicken trotzdem in die Tasche und zog die Perle hervor, die Trautman ihm gegeben hatte. Vom Dorff nahm sie ihm weg, drehte sie einen Moment lang zwischen den Fingern und legte sie dann vor den v#246;llig #252;berraschten Trautman auf die Tischplatte. »Ein wunderbares St#252;ck«, sagte er. »Sie sollten vorsichtiger mit Ihrem Eigentum sein, Herr Trautstein. Glauben Sie mir, diese Eskimos sehen nur aus wie halbwegs zivilisierte Menschen. Aber unter dem Schmutz auf ihren Gesichtern sind sie immer noch die primitiven Wilden, die sie immer schon gewesen sind. Und ich f#252;rchte, das werden sie auch f#252;r immer bleiben.« »Aber ich kann den Mann sonst nicht bezahlen«, sagte Trautman. Vom Dorff grinste. »Wenn Sie gestatten, erledige ich das. Und ich besorge Ihnen und Ihrem Freund auch ein vern#252;nftiges Nachtlager.« »Ich wei#223; nicht, ob ich das annehmen kann«, sagte Trautman. »Sie sind ein vollkommen Fremder. Warum tun Sie das?« »Wir sind Landsleute«, sagte Vom Dorff in leicht #252;berraschtem Ton. »F#252;r mich ist es eine Ehrensache, einem Landsmann zu helfen, der in Not ist.« »Wie kommen Sie darauf, dass wir in Not sind?« »Niemand, der seine f#252;nf Sinne noch beisammen hat, kommt freiwillig nach Sadsbergen«, grinste Vom Dorff. Dann lachte er, zog ein paar M#252;nzen aus der Tasche und warf sie auf den Tisch, w#228;hrend er aufstand. »Kommen Sie, Kapit#228;n. Ich habe richtiges Bier zu Hause. Deutsches Bier. Sie m#246;gen das doch, oder?« Vom Dorffs Haus lag am anderen Ende der Stadt, was aber trotzdem nur einen Fu#223;marsch von zehn Minuten bedeutete. Sadsbergen war wirklich eine kleine Stadt. Sie bestand nur aus einigen Dutzend kleiner, fast #228;rmlicher H#252;tten und befand sich fest im Griff des Winters. Nur in den wenigsten H#228;usern brannte Licht und sie trafen keinen einzigen Menschen, obwohl es noch nicht einmal zehn Uhr war. H#228;tte der Wind nicht dann und wann das Bellen eines Hundes herangetragen, h#228;tte man glauben k#246;nnen, in einer Geisterstadt zu sein. Oder in einer Stadt, deren Bewohner vor irgendetwas Angst hatten. Als sie sich Vom Dorffs Haus n#228;herten, ber#252;hrte ihn Trautman verstohlen am Arm und machte eine Kopfbewegung nach oben. Mikes Blick folgte der Geste und er entdeckte etwas, was wirklich nicht in eine kleine Inuit-Siedlung am Ende der Welt passte: Das vom Eis verkrustete Gespinst einer Antenne. Hastig senkte er den Blick wieder. Dass mit Vom Dorff etwas nicht stimmte, war ihm l#228;ngst klar. Aber der Deutsche musste jetzt nicht unbedingt merken, dass sie es gemerkt hatten. Sie betraten das Haus und Mike erlebte eine #220;berraschung. Drinnen war es nicht nur behaglich warm und #252;berraschend hell, das Haus war regelrecht luxuri#246;s eingerichtet. Von einem offenen Kamin, in dem ein Feuer prasselte, bis hin zu antiken M#246;beln gab es alles, was das Herz begehrte. »Erstaunlich!«, sagte Trautman, w#228;hrend er sich aus seiner Jacke zu sch#228;len begann. Vom Dorff klatschte in die H#228;nde, worauf sich eine Seitent#252;r #246;ffnete und ein einfach gekleideter Inuit eintrat, der Trautman und Mike aus den Jacken half. »Manchmal ist es regelrecht peinlich«, gestand Vom Dorff mit einem Grinsen, das seine Worte L#252;gen strafte. »Aber ich gestehe, dass ich einen gewissen Luxus auch genie#223;e. Das Kaiserreich sorgt eben f#252;r seine Bediensteten.« »Das Kaiserreich?« »Oh, ich verga#223; ...« Vom Dorff deutete mit einer Geste auf eine kleine Sitzgruppe am Kamin. »Ich bin der hiesige Handelsattach#233;. Nicht dass es hier viel zu handeln g#228;be, wenigstens im Moment noch nicht, aber in Berlin ist man wohl der Meinung, dass deutscher Gesch#228;ftssinn auch im hintersten Winkel der Welt noch pr#228;sent sein sollte.« Trautman sagte nichts dazu, sondern setzte sich und auch Mike nahm am Kamin Platz. Nach der K#228;lte drau#223;en war das Feuer nicht nur wohltuend, sondern wirkte auch fast augenblicklich einschl#228;fernd. Mikes Glieder wurden schwer und er hatte pl#246;tzlich M#252;he, die Augen offen zu halten. Vom Dorffs Hausdiener hatte ihre Sachen weggebracht und kam nun zur#252;ck. Vom Dorff gab ihm in seiner Muttersprache und scharfem Ton Anweisungen, dann wandte er sich wieder an Trautman. »Ich habe Ewata aufgetragen, das G#228;stezimmer herzurichten. Aber nun, bis es so weit ist, Herr Trautstein, verraten Sie mir, was Sie in diese ungastliche Gegend treibt – wenn Sie mir meine Neugier verzeihen.« »Dasselbe wie Sie«, antwortete Trautman. »Gesch#228;fte.« »Wollen Sie eine Eisfabrik er#246;ffnen?«, grinste Vom Dorff. Trautman blieb ernst. Sekundenlang blickte er Vom Dorff durchdringend an, dann zuckte er mit den Achseln, als w#228;re er innerlich zu einem Entschluss gelangt, und sagte: »Warum eigentlich nicht. Ich denke, Sie sind ein Ehrenmann, sodass ich Ihnen vertrauen kann.« Er griff in die Tasche, zog einen Beutel heraus, von dem Mike wusste, dass er mehr als hundert der gleichen Perlen enthielt, mit denen er vorhin im Lokal bezahlt hatte, und reichte ihn Vom Dorff. Der deutsche Handelsattach#233; riss erstaunt die Augen auf, nachdem er einen Blick in den Beutel geworfen hatte. »Sie verstehen, dass ich gez#246;gert habe?«, fragte Trautman. »Und ob«, antwortete Vom Dorff. »Das ist ... ein Verm#246;gen. Aber verzeihen Sie mir die Frage, Kapit#228;n – was bringt Sie auf die abenteuerliche Idee, diese Perlen an einem Ort wie diesem verkaufen zu k#246;nnen? « »Der Krieg«, antwortete Trautman. »Der Krieg?« Trautman hob die Schultern. »Es sind unsichere Zeiten, Herr Vom Dorff. Ich verf#252;ge leider nicht #252;ber ein gutes Schiff. Jedenfalls #252;ber keines, das gut genug w#228;re, um sich damit in gef#228;hrliche Gew#228;sser zu wagen. Und im Augenblick sind Das normale Leben muss weitergehen, auch wenn Krieg herrscht.« Vom Dorff schwieg einige Sekunden, in denen er Trautman mit unverhohlenem Misstrauen musterte. Mike verstand auch nicht wirklich, warum Trautman ihm diese komplizierte Geschichte auftischte. Es war nicht das erste Mal, dass sie gezwungen waren zu l#252;gen, aber gerade Trautman hatte ihm immer wieder eingetrichtert, dass eine L#252;ge umso glaubhafter wurde, je n#228;her sie an der Wahrheit blieb. Und das, was Trautman gerade erz#228;hlt hatte, hatte nun wirklich d#228;nischen Kaufmann vor, sie zu erwerben. Er schlug Sadsbergen als Treffpunkt vor. Fragen Sie mich nicht, warum.« »Ich verstehe«, sagte Vom Dorff. »Und Sie haben auch nicht gefragt, warum. Stattdessen ziehen Sie es vor, gewisse Steuern und Abgaben zu umgehen. Und den Zoll.« »Ich ziehe es vor, lebendig wieder nach Hause zu kommen, statt einem englischen Unterseeboot vor die Torpedorohre zu laufen«, antwortete Trautman. »Diese Irren schie#223;en doch auf alles, was sich bewegt!« Pl#246;tzlich grinste er. »Au#223;erdem werde ich selbstverst#228;ndlich die hier #252;blichen ... »Wollen Sie mich bestechen?«, fragte Vom Dorff. »Ja«, antwortete Trautman. Mikes Herz setzte f#252;r einen Schlag aus. Vom Dorff starrte Trautman einige Sekunden lang an, dann sch#252;ttelte er wortlos sechs der schweren wei#223;en Perlen aus dem Beutel heraus und lie#223; sie in seiner Jackentasche verschwinden. »Seien Sie meine G#228;ste, bis Ihr ... Gesch#228;ftsfreund eintrifft«, sagte er. »Wann wird er kommen?« »In zwei oder drei Tagen«, antwortete Trautman. »Hierher?« Vom Dorff legte den Kopf auf die Seite. »Ich bin zuf#228;llig Zeuge Ihres Gespr#228;chs mit dem Gastwirt geworden.« »Oh, das Gespann.« Trautman deutete auf Mike. »Wie gesagt, haben wir noch etwas Zeit. Ich habe Mike versprochen, mit ihm eine Fahrt mit dem Hundeschlitten zu machen. Sie wissen doch, wie Jungen in diesem Alter sind.« »Das gro#223;e Abenteuer, ich verstehe. Aber Sie sollten vorsichtig sein. Dieses Land ist gef#228;hrlich. Ich habe schon von F#228;llen geh#246;rt, in denen Menschen zehn Kilometer von einer gro#223;en Stadt entfernt verhungert oder erfroren sind. In diesem einen Punkt stimme ich dem Mann zu: Sie sollten nicht allein dort hinausgehen. Wenn Sie wollen, besorge ich Ihnen einen wirklich zuverl#228;ssigen F#252;hrer. M#246;chten Sie zu einem bestimmten Ort?« Trautman sch#252;ttelte den Kopf. »Dann stelle ich eine Route f#252;r Sie zusammen«, sagte Vom Dorff. »Auch wenn man es nicht glaubt, aber es gibt sogar hier ein paar Flecken, die durchaus sehenswert sind.« »Das ist sehr freundlich von Ihnen«, sagte Trautman. »Aber reden wir morgen eingehender dar#252;ber. Mike und ich sind ziemlich m#252;de. Die Reise hierher war recht anstrengend.« »Vor allem zu Fu#223;«, f#252;gte Vom Dorff hinzu. Trautman ignorierte die Bemerkung ebenso, wie er Vom Dorffs bisherige Fragen #252;ber sein Schiff ignoriert hatte. Stattdessen hob er die Hand vor den Mund und g#228;hnte demonstrativ. »Ja, Sie haben Recht«, sagte Vom Dorff. »Es ist sp#228;t geworden. Wir k#246;nnen ja morgen beim Fr#252;hst#252;ck weiterplaudern.« Er stand auf. Trautman und Mike erhoben sich ebenfalls und folgten ihm ins obere Stockwerk, wo sich das kleine, aber gem#252;tlich eingerichtete G#228;stezimmer befand. Vom Dorff verabschiedete sich wortreich von ihnen und ging. Kaum waren sie allein, wandte sich Mike aufgeregt an Trautman. »Was um alles in der Welt –« Trautman machte eine erschrockene Geste, still zu sein, und Mike stockte einen Moment und fuhr nach einem nerv#246;sen Blick zur T#252;r leiser fort:»– haben Sie sich dabei gedacht? Warum erz#228;hlen Sie einen solchen Unsinn? Wir sind doch keine Schmuggler!« »Und er ist kein Handelsattach#233;«, sagte Trautman. »Soll er mich ruhig f#252;r einen Kriegsgewinnler halten. Auf diese Weise sch#246;pft er wenigstens keinen Verdacht.« »Verdacht?« »Irgendetwas stimmt hier nicht«, sagte Trautman. »Nicht mit diesem angeblichen Handelsattach#233; und nicht mit dieser ganzen Stadt.« »Das Funkger#228;t.« »Unter anderem«, sagte Trautman. Dann deutete er auf das Bett. »Versuch ein paar Stunden zu schlafen. Wir m#252;ssen vielleicht fr#252;h raus.« Ohne Mikes Reaktion abzuwarten, ging er zu dem Stuhl, auf dem Vom Dorffs Bediensteter ihre Jacken abgelegt hatte, und begutachtete sie fl#252;chtig. Sein Gesicht verd#252;sterte sich. »Ja, das habe ich mir gedacht«, grollte er. »Sie haben unsere Taschen durchw#252;hlt.« »Wundert Sie das?«, fragte Mike. »Es war ja schon fast peinlich, wie sehr Sie mit den Perlen angegeben haben.« »Stimmt«, sagte Trautman. »Aber hinter den Perlen ist er bestimmt nicht her. Sonst h#228;tte er die nicht genommen, mit denen ich ihn bestochen habe. Warum sollte er sich mit einem halben Dutzend zufrieden geben, wenn er alle haben k#246;nnte?« »Ich verstehe das sowieso nicht«, antwortete Mike. »Ich meine: Ich wei#223; nicht viel #252;ber das deutsche Kaiserreich, aber ich dachte immer, deutsche Beamte w#228;ren unbestechlich.« »Niemand ist wirklich unbestechlich«, sagte Trautman #252;berzeugt. »Aber du hast Recht: Vom Dorff hat die Perlen nicht aus Habgier genommen, sondern nur, um seine Rolle perfekt zu spielen. Ich frage mich blo#223;, welche es eigentlich ist ... Aber das werde ich herausfinden.« Mike setzte sich auf die Bettkante. »Wo wir schon einmal dabei sind«, sagte er. »Warum sind »Wie meinst du das?« »Sie wissen, wovon ich spreche«, antwortete Mike. »Ich wollte nichts sagen, solange die anderen dabei waren, aber irgendetwas war an diesem Funkspruch, wor#252;ber Sie bisher nicht gesprochen haben, habe ich Recht?« Trautmans Miene verfinsterte sich. »Woher willst du wissen ...«, begann er. »Wenn man sich so lange kennt wie wir, merkt man, wenn den anderen etwas bedr#252;ckt«, sagte Mike schnell. »Irgendetwas hat Sie erschreckt. Warum verraten Sie mir nicht, was es ist?« Trautman schwieg. Aber dann sch#252;ttelte er den Kopf. »Diesmal irrst du dich gewaltig«, behauptete er. »Wir gehen nur einem Hilferuf nach, das ist alles.« »Sie haben doch gerade selbst gesagt, dass hier etwas nicht stimmt!« »Und dabei bleibe ich auch«, sagte Trautman. »Irgendwo, nicht einmal sehr weit entfernt von hier, morst jemand seit Tagen verzweifelt um Hilfe. Vielleicht sogar schon l#228;nger. Und hier in dieser Stadt scheint niemand auch nur etwas davon zu wissen – obwohl direkt #252;ber uns eine riesige Antenne steht. Ich denke schon, dass man da auf die Idee kommen kann, dass etwas nicht stimmt.« Er Au#223;erdem war er Als er erwachte, war es noch dunkel. Trotzdem war Trautman schon auf und hantierte leise im Zimmer herum. Als Mike sich aufrichtete und verschlafen in die Runde blinzelte, hielt er in seinem Tun inne. Mike unterdr#252;ckte ein G#228;hnen. »Wie sp#228;t ist es?« »Gleich sechs«, antwortete Trautman. »Hast du gut geschlafen?« Mike setzte sich umst#228;ndlich auf und stellte benommen fest, dass Trautman nicht nur schon wach und in geradezu unversch#228;mt guter Stimmung war, sondern offensichtlich auch schon einen Morgenspaziergang unternommen hatte. An seinen Stiefeln klebte noch Schnee, der allm#228;hlich zu einer Pf#252;tze zwischen seinen F#252;#223;en schmolz. »Wo sind Sie gewesen?«, fragte Mike. »Ich habe mich ein wenig umgesehen«, antwortete Trautman. »Au#223;erdem habe ich mit Kanuat gesprochen.« »Ka– wer?«, fragte Mike. Trautman grinste. »Kanuat«, wiederholte er. »Der Cousin des freundlichen Gastwirts von gestern Abend ... hast du es schon vergessen oder war das Bier doch zu stark?« Mike warf ihm einen #228;rgerlichen Blick zu, sagte aber nichts. Er hatte tats#228;chlich leichte Kopfschmerzen und einen schlechten Geschmack im Mund – wahrscheinlich das, was die Erwachsenen einen Kater nannten. »Nein«, grummelte er. »Ich wundere mich nur #252;ber die Uhrzeit, zu der Sie Verhandlungen f#252;hren.« »Das hat Kanuat auch«, sagte Trautman. »Aber ich konnte ihn bes#228;nftigen.« »Ach ja?«, sagte Mike. »Niemand ist unbestechlich, wie?« »Ich habe einen Ruf zu verlieren«, sagte Trautman sp#246;ttisch, wurde aber sofort wieder ernst. »Er erwartet uns in zwei Stunden. Au#223;erdem habe ich mich ein wenig in der Stadt umgesehen. Der Wagen ist verschwunden.« »Welcher Wagen?« »Den wir vom Schiff aus gesehen haben«, erkl#228;rte Trautman. »Jemand hat sich sogar ziemlich gro#223;e M#252;he gegeben, die Spuren zu verwischen. Anscheinend m#246;chte er nicht, dass wir auf gewisse Gedanken kommen.« »Was f#252;r Trautman zuckte mit den Achseln. »Deutschland und #214;sterreich f#252;hren immerhin gegen einen gro#223;en Teil der restlichen Welt Krieg. Die anderen Regierungen w#228;ren wahrscheinlich nicht allzu begeistert, wenn sie herausfinden w#252;rden, dass die deutsche Marine hier eine Art St#252;tzpunkt aufbaut.« »Tut sie das denn?« »Ich habe Spuren von mindestens drei weiteren Fahrzeugen gefunden«, antwortete Trautman. »Und die Kaianlagen sind viel zu gro#223; f#252;r einen so winzigen Ort. Wenn der Fluss eisfrei ist, kann der Hafen einen ausgewachsenen Kreuzer aufnehmen.« Mike sah ihn ein wenig verunsichert an. »Glauben Sie, das hat etwas mit dem Hilferuf zu tun?« »Ich hoffe nicht«, sagte Trautman ernst. »Ich habe keine Lust, in irgendeine Spionagegeschichte verwickelt zu werden.« »Dann sollten wir vielleicht so schnell wie m#246;glich von hier verschwinden«, sagte Mike. »Das werden wir«, versicherte Trautman. »In zwei Stunden, sobald Kanuat seinen Hundeschlitten bereit hat.« »Und warum nicht fr#252;her?« »Es wird erst in anderthalb Stunden hell«, sagte Trautman. »Au#223;erdem m#252;ssen wir uns noch eine Geschichte f#252;r unseren Freund Vom Dorff ausdenken. Ich bin jetzt sicher, dass er kein Kaufmann ist.« »Warum sagen Sie ihm nicht einfach die Wahrheit?«, fragte Mike. »Eine fantastische Idee«, antwortete Trautman s#228;uerlich. »Am besten #252;bergeben wir ihm dann gleich die NAUTILUS. Ich bin sicher, dass uns die Deutschen daf#252;r einen Orden verleihen. Kurz bevor sie uns erschie#223;en.« Mike stand nun wirklich auf, ging zum Waschtisch und tauchte vorsichtig die Fingerspitzen in das Wasser in der Sch#252;ssel aus feinstem Porzellan. Es war eiskalt. Entschieden zu kalt, um sich damit zu waschen, beschloss Mike. »Das gef#228;llt mir alles nicht«, sagte er. »Ich meine: Wenn das hier eine geheime Milit#228;rgeschichte ist, dann wird dieser Vom Dorff uns bestimmt nicht einfach herumlaufen lassen. Nicht einmal, wenn er uns f#252;r Schmuggler h#228;lt.« »Kaum«, best#228;tigte Trautman. »Andererseits k#246;nnen sie nicht nach Belieben Leute verschwinden lassen. So etwas f#228;llt auf. Und au#223;erdem warten wir ja noch auf unseren »Und Sie trauen diesem Kanuat?«, fragte Mike. »Irgendjemandem muss man vertrauen, oder?«, erwiderte Trautman. Er lauschte einen Moment, dann deutete er zur T#252;r. »Wie es scheint, ist unser Gastgeber schon wach. Die Leute hier stehen wirklich fr#252;h auf ... das ist nicht gut.« »Wieso?« »Ich wollte noch einmal hinunter zum Hafen«, antwortete Trautman. »Ich habe versucht mit der NAUTILUS zu sprechen, aber sie antworten nicht.« »Kein Wunder, um diese Zeit«, sagte Mike. »Sie werden noch schlafen.« »Das glaubst du doch selbst nicht«, erwiderte Trautman. »Wie ich Singh kenne, wird er am Funkger#228;t #252;bernachten, solange wir hier sind.« Er griff in die Tasche und zog das winzige Sprechfunkger#228;t hervor, mit dem er mit der NAUTILUS in Kontakt treten konnte. Allein um in Besitz dieser Technik zu gelangen, #252;berlegte Mike, w#252;rde wahrscheinlich die gesamte deutsche Kriegsmarine Jagd auf sie machen. Die englische, franz#246;sische, amerikanische und alle anderen #252;brigens auch. Trautman dr#252;ckte die Sprechtaste und auf dem Ger#228;t leuchtete ein winziges, rotes L#228;mpchen auf. Mehr aber auch nicht. »Ich verstehe das nicht«, murmelte er. »Vielleicht st#246;rt das Eis den Empfang?« »Kaum«, antwortete Trautman. »Dazu m#252;sste es schon zwanzigmal so dick sein.« Drau#223;en auf der Treppe wurden Schritte laut. Hastig schaltete Trautman das Sprechger#228;t aus und lie#223; es in der Tasche verschwinden. Er hatte es kaum getan, da wurde die T#252;r ge#246;ffnet. Vom Dorff trat ein. Von h#246;flichem Anklopfen schien er nicht besonders viel zu halten. »Guten Morgen!«, sagte er fr#246;hlich. »Wie ich sehe, bin ich nicht der einzige Fr#252;haufsteher. Das trifft sich gut. Haben Sie einen Spaziergang gemacht, Kapit#228;n Trautstein?« Er blickte demonstrativ auf Trautmans nasse Schuhe herab. Mike vermochte den Ausdruck auf seinem Gesicht nicht zu deuten, aber er war genauso sonderbar wie die Wahl seiner Worte oder sein Verhalten. »Ich konnte nicht schlafen«, antwortete Trautman. »Und da haben Sie die Gelegenheit genutzt, sich das Nachtleben von Sadsbergen anzusehen.« Vom Dorff lachte. »Ich hoffe, Sie waren nicht allzu entt#228;uscht. Sind Sie hungrig? Ich hoffe doch. Ich habe n#228;mlich bereits das Fr#252;hst#252;ck vorbereiten lassen. Und wir haben eine Menge zu besprechen.« Die Frage Was der angebliche Handelsattach#233; als Fr#252;hst#252;ck bezeichnet hatte, entpuppte sich als ein wahrer Festschmaus, dessen blo#223;er Anblick Mike das Wasser im Munde zusammenlaufen lie#223;. Er stellte allerdings auch fest, dass der Tisch f#252;r f#252;nf Personen gedeckt war. »Sie erwarten noch G#228;ste, Herr Vom Dorff?«, fragte Trautman. Anstelle einer direkten Antwort klatschte Vom Dorff zweimal in die H#228;nde, worauf sich eine T#252;r #246;ffnete und zwei hoch gewachsene, muskul#246;se M#228;nner in dunkelblauen Marineuniformen hereinkamen. »Darf ich vorstellen, Kapit#228;n Trautstein? Kapit#228;nleutnant Hansen und Berghoff. Die beiden sind gute alte Freunde von mir, die gestern Abend eingetroffen sind. Es war zu sp#228;t, um Sie zu wecken, sonst h#228;tte ich sie selbstverst#228;ndlich schon fr#252;her vorgestellt.« »Kapit#228;nleutnant?« Trautman tat perfekt so, als m#252;sse er sowohl #252;ber die Bedeutung dieses Wortes als auch #252;ber die Uniformen der beiden nachdenken. Nat#252;rlich wusste er genau, was beides bedeutete, ebenso wie Mike. »Sie vermuten richtig«, sagte Hansen. »Die PRINZ FERDINAND ist ein Zerst#246;rer der kaiserlichen Kriegsmarine. Ebenso wie das Schiff meines Kollegen Berghoff. Sie liegen beide vor der K#252;ste, nur eine Wegstunde mit dem Handelsschlitten von hier entfernt.« Es gelang Trautman nicht ganz, sein Erschrecken #252;ber diese Er#246;ffnung zu verbergen, aber Vom Dorff deutete sie ganz offensichtlich falsch. W#228;hrend sich Hansen und Berghoff setzten, hob er beruhigend die H#228;nde und sagte: »Nur keine Sorge, mein lieber Kapit#228;n, wir sind sehr weit vom deutschen Kaiserreich und seinen Gesetzen entfernt. Und unsere Kriegsschiffe haben wahrlich Besseres zu tun, als Jagd auf einen kleinen Schmuggler zu machen.« »Und warum sind Sie dann hier – wenn ich fragen darf?« »Es geht Sie zwar nichts an«, antwortete Hansen in einem Ton, der sehr viel freundlicher war als die Wahl seiner Worte, »aber ich will es Ihnen trotzdem verraten. Vielleicht k#246;nnen Sie uns ja sogar behilflich sein. Kapit#228;nleutnant Berghoff und ich waren auf der Jagd nach einem britischen Spionageschiff, das sich in diesen Gew#228;ssern herumtreiben soll. Sie haben nicht zuf#228;llig etwas ... sagen wir: »Was verstehen Sie unter ungew#246;hnlich?«, wollte Trautman wissen. »H#228;tten Sie dieses Schiff gesehen, w#252;ssten Sie, was wir meinen«, sagte Berghoff. »Da Sie es nicht wissen, haben Sie es offensichtlich auch nicht gesehen.« Jetzt hatte Mike M#252;he, sich seine wahren Gef#252;hle nicht anmerken zu lassen. Es hatte eine Weile gedauert, aber dann wurde ihm schlagartig klar, dass die beiden Marineoffiziere von nichts anderem als der NAUTILUS sprachen. Die PRINZ FERDINAND war genau das Schiff, auf das sie schon vor zwei Tagen getroffen waren und das so warnungslos das Feuer auf sie er#246;ffnet hatte. Und jetzt tauchte der Zerst#246;rer ausgerechnet hier wieder auf. Das konnte kein Zufall mehr sein. »Aber wir m#246;chten Sie nicht mit hoher Politik langweilen«, sagte Vom Dorff. »Greifen Sie doch zu, mein lieber Kapit#228;n. W#228;hrend wir essen, kann ich Ihnen vielleicht ein paar Vorschl#228;ge unterbreiten, wie Sie die Wartezeit bis zum Erscheinen Ihres Gesch#228;ftspartners interessant gestalten k#246;nnen.« Sie griffen zu, und obwohl sich Mike in der Gesellschaft der beiden Offiziere alles andere als wohl f#252;hlte, fr#252;hst#252;ckte er doch mit gro#223;em Genuss. Vom Dorff verstand zu leben, das musste man ihm lassen. Mike hatte seit Monaten nicht mehr so gut gegessen. »Ich habe mir #252;brigens die Freiheit genommen, bereits ein Schlittengespann f#252;r Sie und Ihren jungen Freund zu organisieren«, sagte Vom Dorff nach einer Weile. »Sie wollen Mike doch noch immer die Sch#246;nheiten der gr#246;nl#228;ndischen Natur zeigen?« Trautman nickte schweigend und Mike beugte sich tiefer #252;ber seinen Teller. Vom Dorff fuhr fort: »Es hat wenig Sinn, einfach aufs Geratewohl loszufahren, wissen Sie? Und es w#228;re gef#228;hrlich. Wie es der Zufall will, besitze ich eines der besten Gespanne der Stadt. Ich stelle es Ihnen gerne zur Verf#252;gung – zusammen mit zuverl#228;ssigen M#228;nnern, die auf Sie aufpassen.« »Das ist wirklich nicht n#246;tig«, sagte Trautman, aber Vom Dorff sch#252;ttelte den Kopf. »Ich f#252;rchte, das ist es doch«, widersprach er. »Ich habe Sie ja gewarnt, den Eingeborenen nicht zu vertrauen. Es ist leider bereits in der ganzen Stadt bekannt, dass Sie ein beachtliches Verm#246;gen mit sich herumtragen. Ich w#252;rde ungern die Nachricht bekommen, dass man Sie und Ihren jungen Freund mit durchschnittenen Kehlen in einem Hinterhof gefunden hat.« »Jetzt #252;bertreiben Sie aber!«, protestierte Mike. Trautman warf ihm einen warnenden Blick zu und auch Berghoff lie#223; seine Gabel sinken und sagte dann: »Ich f#252;rchte, das tut er nicht. Du bist noch sehr jung, Michael. Als ich in deinem Alter war, hatte ich auch noch Flausen im Kopf. Ich dachte, dass alle Menschen gleich w#228;ren und es keine minderwertigen oder besseren V#246;lker g#228;be. Aber glaube mir, so ist es nicht.« Mike starrte den Kapit#228;nleutnant fassungslos an. Einige Sekunden lang weigerte er sich zu glauben, was er da h#246;rte. Berghoff schien seinen Blick jedoch mit Interesse zu verwechseln, denn er fuhr fort: »Diese Menschen hier sind anders als wir. Sie sind primitive Wilde, denen ein Menschenleben nichts gilt. Du darfst ihnen niemals vertrauen. Sie l#228;cheln uns an, aber hinter diesem L#228;cheln hassen sie uns.« Mike wusste genau, dass seine folgenden Worte ein Fehler waren. Aber er konnte sich einfach nicht zur#252;ckhalten. »Vielleicht liegt das daran, dass Sie mit einem Kriegsschiff hergekommen sind«, sagte er. »Ich w#228;re auch nicht sehr freundlich, wenn Besucher ihre Kanonen auf mich richten w#252;rden.« »Mike!«, keuchte Trautman. Berghoff l#228;chelte jedoch nur und machte eine bes#228;nftigende Geste: »Lassen Sie nur. Wie ich bereits sagte: Er ist noch jung und hat das Recht, so zu denken. Sorgen Sie nur daf#252;r, dass er alt genug wird, um seine Meinung zu #228;ndern.« »Dann m#252;sste ich schon tausend Jahre alt werden!«, sagte Mike. »Und selbst dann nicht.« Er sprang so heftig auf, dass sein Stuhl nach hinten flog und beinahe umgefallen w#228;re. W#252;tend riss er seine Jacke von der Lehne, fuhr herum und rannte aus dem Haus. Es war hell geworden, w#228;hrend sie fr#252;hst#252;ckten, aber kein bisschen w#228;rmer. Ein eisiger Wind fauchte Mike entgegen und schnitt wie mit Messern in sein ungesch#252;tztes Gesicht, sodass er hastig den Kopf senkte und den Pelzkragen seiner Jacke hochschlug. Trotzdem sah er, dass der Platz vor dem Haus nicht mehr leer war. Neben den beiden Hundeschlitten, von denen Hansen gesprochen hatte, standen drei schwere Kettenfahrzeuge im Halbkreis, alle drei mit dem wei#223; umrandeten Kreuz der deutschen Wehrmacht verziert. Mike entdeckte auf Anhieb ungef#228;hr ein Dutzend Marinesoldaten in wei#223;en Pelzjacken, nahm aber an, dass die beiden Kapit#228;ne sehr viel mehr M#228;nner mitgebracht hatten. Von den Einwohnern Sadsbergens war niemand zu sehen. Es verging eine geraume Weile, bis Trautman nachkam. »Na«, sagte er, »hast du dich wieder beruhigt?« »Es tut mir Leid«, sagte Mike zerknirscht. »Aber mir sind die Nerven durchgegangen. Der Kerl ist unm#246;glich! Das kann er doch nicht wirklich so meinen!« »Ich f#252;rchte doch«, antwortete Trautman. »Mach dir keine Vorw#252;rfe. Wahrscheinlich h#228;tte ich an deiner Stelle auch nicht anders reagiert.« »Dann sind Sie mir nicht b#246;se?«, fragte Mike. »B#246;se? Warum sollte ich?« Trautman sch#252;ttelte den Kopf. »Im Gegenteil. Was du getan hast, war vielleicht sogar ganz gut.« »Wieso?«, fragte Mike verwirrt. Trautman kn#246;pfte seine Jacke zu und ging langsam los. Mike folgte ihm. Sie schwiegen, bis sie an den Wagen und ihrer Besatzung vorbei waren, dann fuhr Trautman fort: »Ich habe Vom Dorff und die beiden anderen einigerma#223;en beruhigt. Sie denken, du bist jung und ein bisschen naiv. Ich habe gesagt, dass ich zusammen mit dir einen langen Spaziergang machen werde, um in Ruhe mit dir zu reden. Vor einer Stunde erwarten sie uns nicht zur#252;ck. Das gibt uns Zeit, noch einmal mit Kanuat zu reden. Ich m#246;chte lieber in der Lage sein, m#246;glichst schnell von hier zu verschwinden.« Mike erging es nicht anders. Trotzdem fragte er: »Warum?« »Bist du blind?«, fragte Trautman. »Du glaubst doch nicht, dass die beiden Offiziere nur hergekommen sind, um mit Vom faul.« Er drehte im Gehen den Kopf und warf einen Blick zu Vom Dorffs Haus und den davor abgestellten Kettenfahrzeugen zur#252;ck, dann griff er in die Tasche und zog das Sprechger#228;t heraus. Er versuchte mehrmals Kontakt mit der NAUTILUS aufzunehmen, aber er bekam keine Antwort. Mike war nicht #252;berrascht, als Trautman wie zuf#228;llig seine Schritte in Richtung Hafen lenkte. Dorffzufr#252;hst#252;cken!SiehabeneinehalbeArmeemitgebracht.«»Unseretwegen?«»Bestimmtnicht«, sagte Trautman.»Irgendetwasisthier Der zugefrorene Fluss kam ihm jetzt, im hellen Licht der Morgensonne, sehr viel breiter vor als vergangene Nacht und er sah auch, dass die Eisdecke l#228;ngst nicht so massiv und geschlossen war, wie er geglaubt hatte. Das Eis wies zahlreiche Risse auf und war hier und da sogar zu Schollen zerbrochen. Und das war einigerma#223;en seltsam, fand Mike. Sie hatten diese Eisdecke vergangene Nacht von unten gesehen und da war ihnen nicht der winzigste Riss aufgefallen. Pl#246;tzlich blieb Trautman stehen und riss ungl#228;ubig die Augen auf. Mike sah in dieselbe Richtung, aber es dauerte ein paar Sekunden, bis auch er sah, was Trautman entdeckt hatte – und sein bodenloses Erschrecken verstand. Auch vor dem gemauerten Kai war das Eis zu Schollen und unz#228;hligen St#252;ckchen zerborsten. Zwei der eisverkrusteten Schiffe lagen ein wenig schr#228;g im Wasser, weil sie von einem riesigen, eisernen Turm zur Seite gedr#252;ckt worden waren. Auf der Mike und Trautman zugewandten Seite prangten ein wei#223; umrandetes Kreuz und die Beschriftung »U32«. »Das ... das ist ...«, stammelte Mike. »Ein deutsches Unterseeboot«, sagte Trautman d#252;ster. »Jetzt verstehe ich so manches.« »So?«, sagte Mike. »Ich nicht.« »Das muss Berghoffs Schiff sein«, sagte Trautman. »Kein Wunder, dass die NAUTILUS nicht mehr da ist. Ich hoffe nur, Singh hat das Schiff noch rechtzeitig weggebracht, ehe sie entdeckt wurden.« »Bestimmt«, sagte Mike. »Sonst w#228;re dieses Boot nicht hier.« »Und wir wahrscheinlich schon verhaftet oder erschossen«, f#252;gte Trautman hinzu. »Lass uns verschwinden. Am besten gleich.« Mike widersprach nicht. Der Turm des Unterseebootes, der nur einen Steinwurf von ihnen entfernt aus dem Wasser ragte, war weitaus kleiner als der der NAUTILUS, von dem technischen Unterschied ganz zu schweigen. Trotzdem erf#252;llte ihn der Anblick mit beinahe panischer Angst. Es war nicht die wirkliche Gefahr, die dieses Schiff ausstrahlte, auch wenn sie gewiss nicht zu untersch#228;tzen war. Schlimmer war das, was dieses Schiff versinnbildlichte. Den Krieg. Seit die Irrfahrt der NAUTILUS und ihrer zusammengew#252;rfelten Besatzung begonnen hatte, befand sich ein Gro#223;teil der Welt in einem blutigen Krieg. Mike wusste nicht einmal genau, worum es dabei ging, denn bisher war es ihnen mehr oder weniger erfolgreich gelungen, ihm zu entgehen. Sie waren mehr alseinmal in den sinnlosen Schlagabtausch hineingezogen worden, den Deutschland und #214;sterreich mit dem Rest der Welt f#252;hrten, aber im Gro#223;en und Ganzen kannten sie nicht einmal seinen genauen Verlauf. Jetzt schien es ihm, als h#228;tte der Albtraum sie endlich eingeholt. Und dieser Gedanke machte ihm furchtbare Angst. W#228;hrend er Trautman folgte, sah er mehrmals zum Unterseeboot zur#252;ck, und es erschien ihm jedes Mal unheimlicher und bedrohlicher. Sie gingen nicht wieder in die Hafenkneipe, wie Mike erwartet hatte, sondern direkt zu Kanuat, der zwar ebenfalls am Hafen lebte, aber am anderen Ende. Weder Trautman noch Mike sprachen in dieser Zeit auch nur ein einziges Wort, sondern hingen jeder ihren eigenen d#252;steren Gedanken nach. Immerhin sahen sie jetzt nicht nur deutsche Soldaten, sondern endlich auch ein paar Einheimische. Und zumindest sie entsprachen genau dem, was Mike erwartet hatte. Es waren zumeist kleine, st#228;mmige Gestalten mit wettergegerbten Gesichtern und leicht mongolischen Z#252;gen, die Felljacken und –hosen und gef#252;tterte Handschuhe und Stiefel trugen. Was er nicht erwartet hatte, das war die fast offene Feindseligkeit, die ihnen entgegenschlug. Die Blicke, die die Inuit ihnen zuwarfen, meistens dann, wenn sie glaubten, dass sie es nicht bemerkten, waren misstrauisch und in mehr als einem Fall auch regelrecht w#252;tend. Einmal erlebte er es sogar, dass eine Mutter ihr Kind von der Stra#223;e holte und die Haust#252;r zuschlug, als sie vorbeigingen. »Was ist denn hier los?«, fragte Mike. »Was hast du denn erwartet?« Trautman lachte bitter. »Sie haben gesehen, dass wir aus Vom Dorffs Haus gekommen sind. Vermutlich glauben sie, dass wir zu ihm geh#246;ren.« »Der kaiserliche Handelsattach#233; scheint hier nicht sonderlich beliebt zu sein«, vermutete Mike. »Das sind Besatzungstruppen nie«, sagte Trautman. Er seufzte. »Ich hoffe nur, wir k#246;nnen wenigstens Kanuat davon #252;berzeugen, dass wir nichts mit Vom Dorff und seinen Scherzen zu tun haben.« Wie sich herausstellte, waren seine Bef#252;rchtungen nicht ganz grundlos. Kanuat wohnte in einer H#252;tte, die genau so #228;rmlich war wie der allergr#246;#223;te Teil der anderen Geb#228;ude, die Sadsbergen bildeten, aber einen niedrigen Anbau hatte, in dem die Schlitten und vor allem die Hunde untergebracht waren. Trautman begr#252;#223;te ihn in gebrochenem Norwegisch, wechselte dann aber wieder zu Deutsch und wandte sich an Mike. »Kanuat spricht Deutsch«, sagte er. »Ihr k#246;nnt euch also unterhalten.« Kanuat, der f#252;r einen Angeh#246;rigen seines Volkes #252;berraschend hoch gewachsen und schlank war, musterte abwechselnd Trautman und Mike und seine Blicke waren kaum freundlicher als die, denen sie auf der Stra#223;e begegnet waren. »Ich wei#223;, dass wir zu fr#252;h sind«, begann Trautman. »W#228;re es m#246;glich, dass wir etwas eher aufbrechen? « »Warum?«, erkundigte sich Kanuat misstrauisch. »Mike ist ungeduldig«, antwortete Trautman ausweichend. »Er kann es kaum noch erwarten. Ich habe ihm diese Fahrt seit einem Jahr versprochen.«»Dann kann er auch noch zwei Stunden l#228;nger warten«,antwortete Kanuat abweisend.Vorbereitungen treffen. Und die»IchHundemusssind nochgewissenicht gef#252;ttert.« Trautman runzelte die Stirn. »Was ist los mit Ihnen, Kanuat? Heute Morgen waren wir uns doch noch einig. Wollen Sie mehr Geld?« »Ich habe Ihnen den #252;blichen Preis genannt«, sagte Kanuat. Seine Stimme klang fast ver#228;chtlich. »Ich will, was mir zusteht, nicht mehr und nicht weniger.« »Worum geht es dann?« »Ich wusste nicht, wer ihr seid«, antwortete Kanuat offen. »Ihr wart bei Vom Dorff.« »Wir haben nichts mit ihm zu tun«, sagte Trautman. »Ich wiederhole mein Angebot: Wir kaufen Ihr Gespann f#252;r das Zehnfache des normalen Preises. Und Sie bekommen es zur#252;ck, sobald wir wieder hier sind.« Einige Sekunden lang dachte Kanuat #252;ber diesen Vorschlag nach, aber dann sch#252;ttelte er wieder den Kopf. »Was nutzt mir Geld, wenn ich tot bin? Ich fahre euch, wohin ihr wollt, und habe mit allem anderen nichts zu tun. Und jetzt k#246;nnt ihr mir helfen, den Schlitten fertig zu machen. Ich versorge inzwischen die Hunde.« Trautman setzte dazu an, zornig zu widersprechen, besann sich dann aber eines Besseren und wandte sich einem der gro#223;en geflochtenen Hundeschlitten zu, die aufrecht an die R#252;ckwand der H#252;tte gelehnt dastanden. Mike h#228;tte ihm ja gerne geholfen, wusste aber nicht so recht, was er tun sollte, sodass er sich unschl#252;ssig im Raum umsah. Kanuat war mittlerweile zu den Hunden gegangen und begann sie zu f#252;ttern. Es waren wirklich prachtvolle Tiere. W#228;hrend der kurzen, aber heftigen Unterhaltung hatten sie sich vollkommen still verhalten, sodass sich Mike ihrer Anwesenheit gar nicht richtig bewusst gewesen war, und auch jetzt gaben sie nicht den mindesten Laut von sich, beobachteten Mike aber sehr aufmerksam. Die Tiere #228;hnelten einer Mischung aus Sch#228;ferhunden und W#246;lfen, waren aber etwas kleiner und hatten ein dichtes, halb langes Fell und Augen von intensiv blauer Farbe. »Das sind Huskys«, sagte Kanuat, als h#228;tte er seine Gedanken gelesen. »Sie sind sehr intelligent und auch sehr zutraulich. Du kannst sie ruhig streicheln, wenn du m#246;chtest.« Das lie#223; sich Mike nicht zweimal sagen. Er liebte Tiere und allein der Anblick der acht gro#223;en Hunde lie#223; sein Herz h#246;her schlagen. W#228;hrend der Inuit die Hunde f#252;tterte, spielte Mike ausgelassen mit den Tieren, die gerade nicht an der Reihe waren. Auf diese Weise vergingen gute zwanzig Minuten, in denen Trautman mehr schlecht als recht den Schlitten anspannte und Kanuat die Ausr#252;stung zusammentrug, die sie ben#246;tigten – eine erstaunliche Menge #252;brigens, wenn man bedachte, dass sie blo#223; eine Strecke von siebzig oder achtzig Kilometern vor sich hatten. »Wir brauchen noch Salz«, sagte Kanuat. »Bitte gehen Sie ins Haus und holen Sie es. Der Beutel steht direkt neben dem Herd.« »Salz? Wir haben nicht vor, zum Nordpol zu fahren.« Kanuat sch#252;ttelte den Kopf. »Besser, auf alles vorbereitet zu sein. Man ger#228;t schnell in einen Schneesturm oder eine andere gef#228;hrliche Situation.« Trautman sah nicht besonders #252;berzeugt drein, widersprach aber nicht mehr, sondern wandte sich zur T#252;r. »Ihr habt mir noch gar nicht gesagt, wohin ihr wollt«, sagte Kanuat, kaum dass sie allein waren. »Spielt das denn eine Rolle?«, fragte Mike ausweichend. Wenn Trautman dem Inuit ihr Ziel nicht verraten hatte, dann hatte er vielleicht seine Gr#252;nde daf#252;r. Au#223;erdem wusste er gar nicht genau, wo ihr Ziel lag. Die Koordinaten, die Trautman genannt hatte, bedeuteten ihm nicht mehr als eine Kombination sinnloser Ziffern und Buchstaben. »Wir k#246;nnen nicht nach Norden«, sagte Kanuat. »Die Deutschen gestatten es nicht. Und Kanuat wollte antworten, doch in diesem Moment flog die T#252;r auf und Trautman st#252;rzte herein. Er befand sich in heller Aufregung. »Mike!«, keuchte er. »Wir m#252;ssen weg! Schnell! Sie kommen! Vom Dorff und ein halbes Dutzend Soldaten! Wir –« Die T#252;r flog ein zweites Mal auf und diesmal so heftig, dass sie Trautman im R#252;cken traf und ihn nach vorne taumeln lie#223;. Nur mit M#252;he fand er sein Gleichgewicht wieder und wirbelte herum. Es war zu sp#228;t. Zwei, drei Soldaten dr#228;ngten in den Raum, dicht gefolgt von Vom Dorff und Berghoff. Kanuat richtete sich drohend zu seiner vollen Gr#246;#223;e auf und hob die linke Hand, und wie auf ein unh#246;rbares Kommando hin sprangen auch s#228;mtliche Hunde auf und fletschten drohend die Z#228;hne. »Kanuat, nicht!«, sagte Trautman hastig. »Das geht Sie nichts an!« Der Inuit rief seine Hunde zur#252;ck und Vom Dorff machte ein anerkennendes Gesicht. »Das ist sehr vern#252;nftig von Ihnen, Herr Trautstein«, sagte er. »Es t#228;te mir wirklich Leid, wenn ich meinen M#228;nnern befehlen m#252;sste, die Hunde zu erschie#223;en. Es sind wirklich ganz au#223;ergew#246;hnlich sch#246;ne Tiere.« Trautman funkelte ihn an. »Was soll das?«, fragte er. »Was f#228;llt Ihnen ein, sich so aufzuf#252;hren?« Vom Dorff l#228;chelte, trat einen Schritt zur#252;ck und lie#223; seinen Blick nachdenklich #252;ber das Hundegespann und das vorbereitete Gep#228;ck schweifen. »Wollen Sie einen Ausflug machen, Kapit#228;n?«, fragte er. »Ich h#228;tte Sie wirklich f#252;r vern#252;nftiger gehalten. Sie entt#228;uschen mich. Ich hatte Sie doch eindringlich gewarnt, sich nicht mit diesen Wilden einzulassen, oder?« »Ich glaube, das ist meine Entscheidung«, sagte Trautman. »Leider nicht«, erwiderte Vom Dorff. »Sie k#246;nnen nat#252;rlich gehen, wohin Sie wollen, aber zuvor werden wir uns noch einmal unterhalten m#252;ssen, f#252;rchte ich. Wenn Sie und Ihr junger Freund also so freundlich w#228;ren uns zu begleiten? Sie m#246;chten doch nicht, dass Unbeteiligte zu Schaden kommen, oder?« Die Drohung in seinen Worten war un#252;berh#246;rbar. Mike sah aus den Augenwinkeln, wie sich Kanuats Gesicht noch weiter verd#252;sterte. Aber die Gegenwart der Soldaten, deren Gewehre auf ihn und seine Hunde gerichtet waren, hielt ihn davon ab, etwas Un#252;berlegtes zu tun. »Also gut«, grollte Trautman. »Aber Sie sind mir eine Erkl#228;rung schuldig.« »Seltsam«, l#228;chelte Vom Dorff, »aber genau dasselbe wollte ich gerade zu Ihnen sagen.« Er machte eine befehlende Geste zur T#252;r. Sein L#228;cheln erlosch wie abgeschaltet. »Kommen Sie!« Begleitet von seinen Soldaten verlie#223;en sie das Haus. Drau#223;en warteten drei weitere M#228;nner auf sie und auf der anderen Stra#223;enseite war eine ganze Gruppe Inuit zusammengelaufen, die aufmerksam zu ihnen her#252;berblickten und tuschelten. Mike verstand mit jeder Sekunde weniger, was hier vorging. Sie waren Vom Dorffs Gefangene, das war klar, aber er konnte sich nicht erkl#228;ren, woher dieser pl#246;tzliche Sinneswandel kam. Und es schien ein ziemlich drastischer Sinneswandel zu sein, denn als Mike auch nur ein kleines bisschen langsamer ging, als es seinem Bewacher recht war, stie#223; ihm dieser so derb den Gewehrlauf in den R#252;cken, dass er vor Schmerz die Z#228;hne zusammenbiss. »Lassen Sie das«, sagte Trautman. »Es gibt keinen Grund, grob zu werden.« »Da haben Sie Recht.« Vom Dorff warf dem Soldaten einen mahnenden Blick zu, fuhr aber nach einer Sekunde und an Trautman gewandt fort: »Vorausgesetzt nat#252;rlich, dass Sie vern#252;nftig bleiben.« Trautman presste zornig die Lippen aufeinander, ersparte sich aber jede Antwort und Mike seinerseits zog es vor, seine Schritte ein wenig zu beschleunigen. Sie gingen weiter am Hafen entlang, die Strecke zur#252;ck, die sie gekommen waren. Die Stra#223;e war jetzt von sehr viel weniger Inuit ges#228;umt als vorhin; trotzdem glaubte Mike die angstvollen Blicke regelrecht zu f#252;hlen, die ihnen folgten. Der Anblick des Unterseebootes hatte ihn mit Unbehagen erf#252;llt, aber das lag wohl gr#246;#223;tenteils an ihm selbst. Die deutschen Soldaten jedoch verbreiteten eindeutig Furcht. Sie hatten ungef#228;hr den halben Weg zu Vom Dorffs Haus zur#252;ckgelegt, als Trautman f#252;r einen Moment im Schritt stockte; wahrscheinlich nicht einmal lange genug, damit es Vom Dorff und seinen M#228;nnern auffiel. Mike jedoch bemerkte es sehr wohl und im gleichen Moment fiel ihm auch der Grund daf#252;r auf: Nur ein kleines St#252;ck vor ihnen befand sich eine zweite Gruppe deutscher Soldaten. Sie bewegten sich langsamer als sie, denn sie zogen zwei hoch beladene Schlitten hinter sich her und Mikes Herz machte einen entsetzten Sprung in seiner Brust, als er sah, was darauf lag. Trautman fiel unauff#228;llig ein wenig zur#252;ck, bis sie nebeneinander hergingen. »Verdammt!«, fl#252;sterte er. »Sie haben die Taucheranz#252;ge gefunden! Das h#228;tte nicht passieren d#252;rfen!« »Und was tun wir jetzt?«, fragte Mike ebenso leise. Trautman deutete ein Achselzucken an, ging wieder ein wenig schneller – und trat dem Mann vor sich ohne Vorwarnung in die Kniekehle. Der Soldat stie#223; einen #252;berraschten Laut aus und fiel nach vorne. Trautman wirbelte mit einer Bewegung herum, die man einem Mann seines Alters niemals zugetraut h#228;tte, packte den zweiten Soldaten an der Schulter und riss ihn herum. Noch bevor der Mann richtig begriff, wie ihm geschah, schmetterte ihm Trautman die linke Faust ins Gesicht und riss ihm mit der anderen Hand das Gewehr von der Schulter. Mike registrierte eine Bewegung aus den Augenwinkeln und reagierte ganz instinktiv. Als der dritte Soldat heranst#252;rmte, trat er einen halben Schritt zur Seite, verlagerte sein K#246;rpergewicht auf das linke Bein und knickte leicht in der H#252;fte ein; ein Trick, den ihm Singh gezeigt hatte. Der Soldat prallte im vollen Lauf gegen ihn und Mike versuchte nicht, den Aufprall abzufangen, sondern lie#223; sich im Gegenteil noch weiter zur Seite kippen, krallte beide H#228;nde in die Jacke des Mannes und f#252;hrte seine begonnene Drehung noch schneller weiter. Der Soldat verlor pl#246;tzlich den Boden unter den F#252;#223;en, segelte in hohem Bogen #252;ber Mikes Schultern und erreichte unsanft den Boden. Als Mike wieder zu Trautman sah, hatte dieser Vom Dorff von hinten gepackt und den linken Arm um seinen Hals geschlungen. In der anderen Hand hielt er das erbeutete Gewehr, dessen M#252;ndung er so fest unter Vom Dorffs Kinn dr#252;ckte, dass der Deutsche M#252;he hatte, Luft zu holen. »Wie gesagt, Herr Vom Dorff«, sagte Trautman, »es gibt keinen Grund, grob zu werden. Vorausgesetzt, dass Sie vern#252;nftig bleiben.« »Sie ... sind ja verr#252;ckt!«, keuchte Vom Dorff. »Damit erreichen Sie gar nichts! Geben Sie auf und ich verspreche Ihnen, dass ich den Vorfall vergessen werde!« Mike konnte ihm nicht einmal so heftig widersprechen, wie er es gerne getan h#228;tte. Die drei Soldaten hatten sich mittlerweile wieder hochgerappelt, der eine mit heftig blutender Nase und leeren H#228;nden zwar, aber die beiden anderen mit angelegten Gewehren. Und aus nicht einmal drei#223;ig Metern Entfernung st#252;rmten noch vier weitere Soldaten heran. Nichts davon schien Trautman jedoch zu beeindrucken. Er dr#252;ckte das Gewehr noch ein wenig fester unter Vom Dorffs Kinn und lachte. »Ich denke doch, im Moment bin ich am Dr#252;cker, und das sogar wortw#246;rtlich. Pfeifen Sie Ihre Leute zur#252;ck!« »Und wenn nicht?«, fragte Vom Dorff. »Wollen Sie mich erschie#223;en? Das glaube ich nicht.« Einen Moment lang sah Trautman regelrecht betroffen aus, aber dann erschien auf seinem Gesicht ein nur noch grimmigerer Ausdruck. Er nahm das Gewehr herunter und hielt den Lauf dann unmittelbar an Vom Dorffs Ohr. »Was halten Sie von einem geplatzten Trommelfell?«, fragte er. »Das hinterl#228;sst zwar keine bleibenden Sch#228;den, aber ich habe geh#246;rt, es soll sehr, sehr schmerzhaft sein.« Vom Dorff wurde sichtbar blasser. Zwei, drei Sekunden lang #252;berlegte er, dann hob er die linke Hand und gab den Soldaten einen Wink. »Es ist gut. Tut, was der Mann sagt, und nehmt die Waffen herunter.« Die M#228;nner gehorchten, wenn auch z#246;gernd. Mike sah, dass sich einer von ihnen herumdrehte und hastig davonst#252;rzte. »Sehr vern#252;nftig«, sagte Trautman. »Und jetzt werden wir gehen. Niemand wird uns folgen, haben Sie verstanden? Sobald Mike und ich in Sicherheit sind, lassen wir Sie frei, darauf haben Sie mein Wort.« »In Sicherheit?« Vom Dorff lachte hart. »Sie sind ja verr#252;ckt. Wir sind Tausende von Kilometern von jeder »Lassen Sie das unser Problem sein«, sagte Trautman. »Vorw#228;rts!« Er drehte Vom Dorff grob herum und versetzte ihm einen Sto#223;, der ihn auf die Kaimauer zustolpern lie#223;. »Damit kommen Sie nicht durch«, beharrte Vom Dorff. »Sp#228;testens wenn Berghoff oder Hansen hier auftauchen, ist es vorbei. Oder glauben Sie etwa, dass die beiden R#252;cksicht auf mich nehmen?« Statt zu antworten versetzte Trautman Vom Dorff einen neuerlichen Sto#223;, der ihn noch weiter auf die Kaimauer zubef#246;rderte. Die Oberfl#228;che des zugefrorenen Flusses lag einen guten Meter unter ihnen, sodass sie springen mussten. Das Eis knisterte bedrohlich unter ihrem Gewicht, aber es hielt. »Wo wollen Sie denn hin, um Himmels willen?«, keuchte Vom Dorff. »Da drau#223;en ist nichts als Eis und K#228;lte! Selbst wenn Sie uns entkommen, sind Sie sp#228;testens morgen fr#252;h tot!« Mike glaubte jedoch mittlerweile zu wissen, was Trautman vorhatte. Das Gel#228;nde auf der anderen Seite des Flusses war zerkl#252;ftet und uneben. Wenn es ihnen gelang, dorthin zu kommen, hatten sie eine gute Chance, denn in diesen eisverkrusteten Felsen und Schluchten konnten ihre Verfolger weder Automobile noch Hundeschlitten einsetzen. Bis zur K#252;ste waren es allerh#246;chstens drei oder vier Stunden Fu#223;marsch. Und wenn sie sie erst einmal erreicht hatten, w#252;rde es ihnen bestimmt auch gelingen, Kontakt mit der NAUTILUS aufzunehmen. Sie bewegten sich rasch auf das Eis hinauf. Vom Dorff sagte jetzt nichts mehr und er versuchte auch auf keine andere Weise ihnen Schwierigkeiten zu bereiten oder sie aufzuhalten. Allerdings sah er immer wieder nerv#246;s zum Ufer zur#252;ck und schlie#223;lich begriff Mike, dass er es vermutlich ebenso eilig hatte wie sie, das andere Ufer zu erreichen. Seine Bemerkung, Hansen und Berghoff betreffend, schien durchaus berechtigt zu sein. Und nat#252;rlich schafften sie es nicht. Auf dem spiegelglatt zugefrorenen Fluss war es unm#246;glich, zu rennen, sodass sie nicht ann#228;hernd so rasch vorw#228;rts kamen, wie n#246;tig gewesen w#228;re. Sie hatten kaum ein Drittel des Flusses #252;berquert, als Bewegung unter die Soldaten am Ufer kam. Immer mehr und mehr M#228;nner tauchten auf und dann sah Mike mit einem Gef#252;hl kalten Entsetzens, wie gleich drei Hundeschlitten auf den Fluss hinabgelassen wurden. »Geben Sie doch auf!«, keuchte Vom Dorff. »Sie machen es nur schlimmer, begreifen Sie das nicht?« Statt auf seinen Rat zu h#246;ren, beschleunigte Trautman seine Schritte nur noch, auch wenn er dadurch Gefahr lief, auf dem spiegelglatten Eis zu st#252;rzen. Nur noch einige wenige Augenblicke, bis sich das erste Gespann in Bewegung setzte, fast unmittelbar gefolgt von den beiden anderen. Mike erschrak, als er sah, wie schnell die Soldaten trotz allem waren. Pl#246;tzlich tauchte ein viertes Gespann hinter ihnen auf. Es bewegte sich in spitzem Winkel auf sie zu und war wesentlich schneller als die drei anderen Verfolger. Der Mann, der im Heck des Schlittens stand, trug auch nicht die gleiche Art von Kleidung. Nach ein paar Sekunden erkannte ihn Mike. Es war Kanuat. Der Inuit jagte mit seinem Gespann in unglaublich hohem Tempo an den Soldaten vorbei, korrigierte seinen Kurs ein wenig und lie#223; seine Peitsche knallen. Auf diese Weise brauchte er kaum eine Minute, bis er auf Rufweite heran war. »Springt auf!«, schrie er. »Ich kann nicht anhalten!« Mike fuhr ein eisiger Schrecken durch die Knochen, als er sah, wie schnell der Hundeschlitten heranfegte. Sie w#252;rden nur eine einzige Chance haben, auf das Gespann aufzuspringen. Und er wagte es nicht einmal, sich vorzustellen, was passierte, wenn dieses Vorhaben nicht gelang. Trautman versetzte Vom Dorff einen Sto#223;, der ihn auf das Eis st#252;rzen und hilflos davonschlittern lie#223;, und begann gleichzeitig zu rennen. Auch Mike beschleunigte seine Schritte, so weit er es nur wagte. Trotzdem war Kanuats Gespann noch immer ungleich schneller als er. Trautman war der Erste, der den Sprung wagte. Er landete erstaunlich geschickt auf dem Schlitten, fiel auf die Seite und streckte trotzdem sofort die Hand in Mikes Richtung aus. Mike raffte all seinen Mut zusammen, stie#223; sich ab und sprang mit aller Kraft. Er merkte sofort, dass er sich versch#228;tzt hatte. Der Schlitten war zu schnell und er hatte auf dem glatten Untergrund nicht genug Schwung holen k#246;nnen. Es gelang ihm zwar, Trautmans ausgestreckte H#228;nde zu ergreifen, aber er verfehlte den Schlitten und prallte mit grausamer Wucht auf das Eis. Trautman zerrte ihn unbarmherzig zu sich heran, krallte schlie#223;lich die Hand in seinen G#252;rtel und zog ihn mit einem Ruck auf den Schlitten hinauf. Mike rollte sich keuchend auf den R#252;cken, blinzelte die Tr#228;nen weg und versuchte sich aufzurichten. »Das war knapp«, keuchte Trautman. »Bist du in Ordnung?« »Ja«, antwortete Mike gepresst. »Ich muss wahrscheinlich in Zukunft nur aufpassen, dass ich mir nicht dauernd selbst auf die H#228;nde trete.« Trautman grinste, setzte sich vorsichtig auf und sah zum Ufer zur#252;ck. Ihre Verfolger waren weiter zur#252;ckgefallen, legten aber allm#228;hlich an Tempo zu. »Keine Angst!«, rief Kanuat. »Sie holen uns nicht ein!« Tats#228;chlich handhabten die Soldaten die Schlitten nicht einmal ann#228;hernd so geschickt, wie es der Inuit tat. Kanuat stand hoch aufgerichtet auf einem sonderbar anmutenden Gestell am Heck des geflochtenen Schlittens. Obwohl sie mit halsbrecherischer Geschwindigkeit dahinrasten, hielt er sich mit nur einer Hand fest. Mit der anderen lie#223; er immer wieder die Peitsche knallen, ohne dass die geflochtene Schnur die R#252;cken der Tiere vor ihnen allerdings auch nur ein einziges Mal ber#252;hrte. Ihre Verfolger hatten in dieser Hinsicht allerdings weniger Hemmungen. Das Bellen der Hunde klang immer schriller und gequ#228;lter und das Ergebnis lie#223; auch nicht lange auf sich warten. Einer der Schlitten begann pl#246;tzlich zu schlingern. Die Hunde heulten schrill auf, dann stellte sich das Gespann quer und zerbarst pl#246;tzlich, als w#228;re es von einer Kanonenkugel getroffen worden. Tr#252;mmer und Soldaten flogen in alle Richtungen davon, w#228;hrend sich die Hunde losrissen und ihr Heil in der Flucht suchten. »Diese Narren!«, schrie Kanuat. »Hoffentlich brechen sie sich die H#228;lse!« Zumindest das hatten die Besatzungen der beiden anderen Gespanne wohl nicht vor, denn sie wurden nun deutlich langsamer. Zuerst fiel das eine zur#252;ck und wenige Augenblicke sp#228;ter gab auch das zweite Gespann die Verfolgung auf. Sie waren gerettet. Zumindest f#252;r den Augenblick. Kanuat nahm ein wenig Tempo zur#252;ck, hielt aber keineswegs an, als sie das jenseitige Flussufer erreichten, sondern wechselte nur auf einen etwas westlicheren Kurs und fuhr noch beinahe eine Stunde lang weiter. Weder er selbst noch Trautman oder Mike sprachen in dieser Zeit auch nur ein einziges Wort. Endlich wurde das Gespann langsamer. Sie glitten #252;ber eine schneebedeckte Ebene, auf der sich niedrige Felsformationen mit weiten, leeren Eisfl#228;chen abwechselten, auf denen der Wind immer neue bizarre Formen aus pulverfeinem Schnee erschuf und wieder auseinander riss. Kanuat lenkte das Gespann auf eine dieser Felsformationen zu, hielt an und sprang mit einem federnden Satz vom Schlitten. »Steigt ab«, sagte er. »Wir rasten hier.« Mike und Trautman gehorchten, doch Trautman schien von der Unterbrechung der Fahrt nicht begeistert. »Jetzt schon?«, sagte er. »Wir sind noch sehr nahe an der Stadt, meinen Sie nicht?« »Ein Sturm zieht auf«, erwiderte Kanuat. »Niemand wird uns verfolgen. Helft mir das Zelt aufzubauen. Rasch!« Mike sah den Inuit zweifelnd an und warf dann einen Blick in den Himmel. #220;ber ihnen war nicht eine einzige Wolke zu sehen und der Wind hatte w#228;hrend der letzten Minuten sogar deutlich an Kraft verloren. Trotzdem tat Mike, was Kanuat verlangt hatte. Unter der Anweisung des Inuit errichteten sie ein kleines, aus kunstvoll zusammengen#228;hten Fellst#252;ckchen bestehendes Zelt, das sich in den Windschatten der Felsen schmiegte. Als sie fertig waren, schirrte Kanuat die Hunde ab. Die Tiere stie#223;en ein erleichtertes Kl#228;ffen aus und verschwanden wie der Blitz. »Wollen Sie sich nicht um sie k#252;mmern?«, fragte Mike. Kanuat sch#252;ttelte den Kopf. »Sie geben schon auf sich selbst Acht«, sagte er, »besser, als ich es k#246;nnte. Du magst Tiere sehr, wie?« Als er dies sagte, erschien zum ersten Mal, seit Mike ihn kannte, ein fl#252;chtiges L#228;cheln auf seinem Gesicht. Er wurde jedoch sofort wieder ernst und deutete auf das Zelt. »Geht hinein. Der Sturm bricht gleich los.« Mike sah erneut in den Himmel. Der Anblick hatte sich nicht ver#228;ndert und der Wind war nun fast ganz zum Erliegen gekommen. Er widersprach jedoch nicht, sondern kroch gehorsam in das Zelt. Nachdem Kanuat und Trautman ihm gefolgt waren, war es drinnen so dr#252;ckend eng, dass Mike das Gef#252;hl hatte, kaum noch richtig atmen zu k#246;nnen. Das Zelt war eindeutig nur f#252;r eine Person gedacht, nicht f#252;r drei. »Wir sind noch gar nicht dazu gekommen, uns f#252;r Ihre Hilfe zu bedanken«, sagte Trautman. »Ich hoffe, Sie bekommen nicht zu viel #196;rger. Vom Dorff wird nicht sehr begeistert von dem sein, was Sie getan haben.« »Das spielt keine Rolle mehr«, sagte Kanuat. Sein Gesicht blieb vollkommen ausdruckslos. »Es war schon um mich geschehen, als sie euch bei mir entdeckt haben. Sie verzeihen keinen Verrat.« »Das tut mir Leid«, sagte Trautman betroffen. »Das wollten wir nicht.« »Ich wei#223;«, antwortete Kanuat. »Machen Sie sich keine Vorw#252;rfe. Es war meine Entscheidung, mich mit euch einzulassen. Ich h#228;tte es nicht tun m#252;ssen.« »Und warum haben Sie es dann getan?«, fragte Mike. »Die Feinde der Deutschen sind unsere Verb#252;ndeten«, antwortete Kanuat. »Nicht alle Deutschen sind schlecht«, sagte Trautman. »Das wei#223; ich«, sagte Kanuat. »Aber die, die hier sind, sind es. Ich h#228;tte euch nicht geholfen, h#228;tte ich geglaubt, dass ihr wie sie seid.« »Entschuldigen Sie«, murmelte Mike. Ein pl#246;tzlicher Windsto#223; traf das Zelt und lie#223; sie alle verstummen. Trautman warf einen #228;ngstlichen Blick zum Eingang, aber Kanuat zeigte sich vollkommen unbeeindruckt. »Sie hatten mir eine Bezahlung versprochen«, sagte er, an Trautman gewandt. »Ich brauche sie jetzt.« Trautman wirkte ein wenig #252;berrascht, griff aber trotzdem unter seine Jacke und zog die Perlen hervor. Mit spitzen Fingern nahm er eine der Perlen heraus, z#246;gerte aber, sie Kanuat zu geben. »Verstehen Sie mich nicht falsch«, sagte Kanuat. »Es geht nicht um mich. Ich kann f#252;r lange Zeit nicht wieder nach Hause zur#252;ck. Vielleicht Jahre. Ich muss meine Familie versorgen.« Trautman nickte. Dann lie#223; er die Perle wieder in den Beutel zur#252;ckfallen, schn#252;rte ihn zu und wog das ganze S#228;ckchen nachdenklich in der Hand. »Das geh#246;rt Ihnen«, sagte er, »wenn Sie uns zu unserem Ziel und sicher wieder zur#252;ck zur K#252;ste bringen.« Zum ersten Mal hatte sich Kanuat nicht in der Gewalt. Auf seinem Gesicht erschien ein Ausdruck ma#223;loser Verbl#252;ffung. Allerdings nicht die Spur von Gier – obwohl Trautman ihm ein wahres Verm#246;gen in Aussicht gestellt hatte. Trotzdem z#246;gerte er nach dem Beutel zu greifen. »Wohin wollt ihr?«, fragte er. »Genau wei#223; ich es selbst nicht«, gestand Trautman. »Ich kenne nur die L#228;ngen- und Breitengrade. Aber es kann nicht sehr weit von hier sein.« »Ich kenne mich mit diesen Angaben aus«, sagte Kanuat. Trautman nannte ihm die Positionsangaben und Kanuat #252;berlegte einen Augenblick. »Der Berg der Geister«, sagte er. Dann sch#252;ttelte er den Kopf. »Das ist unm#246;glich. Niemand geht dorthin. Und niemand, der es bisher versucht hat, ist je zur#252;ckgekommen.« »Wie denn, wenn es noch nie jemand versucht hat?«, fragte Mike impulsiv. Kanuat sah ihn irritiert an, aber Trautman fuhr fort, ehe er antworten konnte. »Wir m#252;ssen dorthin. Wenn Sie uns nicht begleiten wollen, habe ich Verst#228;ndnis daf#252;r. Bringen Sie uns, so weit es geht, und erkl#228;ren Sie uns den Weg.« Er reichte Kanuat den Beutel. »Die Perlen k#246;nnen Sie trotzdem behalten.« »Es geht nicht darum«, antwortete Kanuat – was ihn allerdings nicht daran hinderte, den Beutel in Blitzesschnelle in der Tasche verschwinden zu lassen. »Niemand geht dorthin. Dieser Ort ist verflucht. B#246;se Geister leben dort. Es ist kein Platz f#252;r Menschen.« »Wir glauben nicht an Geister«, sagte Trautman sanft. »Weder an b#246;se noch an gute.« »Sie sprechen wie alle wei#223;en M#228;nner, die hierher kommen und glauben, #252;ber unser Land und unser Leben bestimmen zu k#246;nnen«, antwortete Kanuat. »Im letzten Sommer waren schon einmal M#228;nner wie Sie hier. Auch sie haben #252;ber unsere Legenden gelacht. Wir haben sie gewarnt, zum Berg der Geister zu gehen, aber sie haben nicht auf uns geh#246;rt. Niemand hat sie je wieder gesehen.« »M#228;nner wie ich?«, wollte Trautman wissen. Er tauschte einen raschen Blick mit Mike. »Erz#228;hlen Sie mir von ihnen!« »Es waren viele«, sagte Kanuat. »Mehr als zwanzig. Sie hatten eine Menge Ausr#252;stung und Waffen und Fahrzeuge mit Ketten und Kufen. Das alles hat ihnen nichts genutzt.« »Und was hat Vom Dorff dazu gesagt?« »Nichts.« Kanuat machte ein abf#228;lliges Ger#228;usch. »Er ist feige. Sie waren zu viele, als dass er es gewagt h#228;tte, sich gegen sie zu stellen.« »Was genau wollten sie hier?«, fragte Trautman. »Sie sagten, sie w#228;ren gekommen, um die Geheimnisse unseres Landes zu ergr#252;nden«, antwortete Kanuat. »Also eine wissenschaftliche Expedition.« »Aber als wir ihnen unsere Geheimnisse erz#228;hlten, da haben sie nicht auf uns geh#246;rt«, fuhr Kanuat unbeeindruckt fort. »Sie haben dar#252;ber gelacht und gesagt, wir w#228;ren abergl#228;ubische Wilde. Genau wie ihr.« »Ich lache nicht«, sagte Trautman ernst. »Ich wei#223;, dass es Dinge auf der Welt gibt, die wir nicht erkl#228;ren k#246;nnen. Aber nicht alles, was wir nicht verstehen, muss auf das Wirken von Geistern und Zauberei zur#252;ckzuf#252;hren sein.« »Und nicht alles, was ihr euch zurechterkl#228;rt und mit eurer Wissenschaft begr#252;ndet, muss wahr sein«, gab Kanuat zur#252;ck. Er machte eine unwillige Geste. »Ich muss jetzt nach den Hunden sehen. Ich bin gleich zur#252;ck.« Mike sah ihm nachdenklich hinterher. In den wenigen Minuten, in denen sie geredet hatten, war der Wind tats#228;chlich zu einem regelrechten Sturm geworden, sodass Kanuats Gestalt schon nach wenigen Schritten von wei#223;em Schneegest#246;ber verschluckt wurde. Mike schloss hastig den Eingang hinter ihm und wandte sich dann an Trautman. »Eine wissenschaftliche Expedition«, sagte er. »Das m#252;ssen die M#228;nner sein, die den SOS-Spruch abgesetzt haben.« Trautman nickte. Er schwieg. »Sie wirken nicht besonders #252;berrascht«, fuhr Mike fort. »Irgendjemand muss ja schlie#223;lich den Morseapparat bedient haben«, antwortete Trautman lahm. »Oder glaubst du vielleicht an Geister?« »Sie wissen irgendetwas #252;ber diese Expedition«, behauptete Mike. »Sie wussten es schon, bevor wir hierher kamen, habe ich Recht?« Trautman schwieg beharrlich weiter, aber sein Schweigen war im Grunde schon Antwort genug. Der Sturm steigerte sich innerhalb der n#228;chsten Minuten zu einem ausgewachsenen Orkan, der das Zelt und seine drei Insassen gute drei Stunden lang beutelte. Kanuat blieb so lange drau#223;en, dass Mike sich Sorgen um ihn zu machen begann, und kaum war er zur#252;ck, da fing der Orkan erst richtig an zu toben. Sein Heulen wurde so laut, dass eine Unterhaltung ganz und gar unm#246;glich wurde. Kanuat nutzte die Zeit, die der Orkan sie zur Unt#228;tigkeit verdammte, zu dem wahrscheinlich einzig Vern#252;nftigen: Er rollte sich auf dem Boden zusammen und schlief. Mike betrachtete ihn mit einer Mischung aus Erstaunen und Neid. Er h#228;tte eine Menge darum gegeben, dasselbe tun zu k#246;nnen, aber er war viel zu sehr damit besch#228;ftigt, dem Heulen des Sturmes zu lauschen und Angst zu haben. Endlich h#246;rte der Sturm auf und Kanuat #246;ffnete wie auf Kommando die Augen und setzte sich auf. »Es wird Zeit«, sagte er. »Wir haben noch einen weiten Weg vor uns.« Ohne ein weiteres Wort verlie#223; er das Zelt. Mike und Trautman tauschten einen #252;berraschten Blick, dann folgten sie ihm. Der Anblick, der sich drau#223;en bot, war im ersten Augenblick ein Schock. Die Felsen hatten sie vor der #228;rgsten Wut des Sturmes besch#252;tzt; trotzdem war das Zelt beinahe unter Schnee begraben, der Mike eisig in den Nacken rieselte, als er ins Freie kroch. Der Wind hatte ihre Ausr#252;stung in weitem Umkreis #252;ber das Eis verteilt und selbst den schweren Schlitten ergriffen und gute f#252;nfzig Meter weit fortgeschleudert. Von den Hunden war keine Spur mehr zu sehen. Als Kanuat jedoch nur einmal schrill auf den Fingern pfiff, tauchten sie wie aus dem Nichts auf und sprangen freudig kl#228;ffend an ihm hoch. Sie brauchten fast eine halbe Stunde, um ihre Ausr#252;stung zusammenzusuchen und die Hunde wieder einzuspannen. »Falls ihr noch etwas essen wollt, erledigt das jetzt«, sagte Kanuat, als sie fertig waren und aufsteigen wollten. »Wir halten bis Einbruch der Dunkelheit nicht mehr an.« »Dann bringen Sie uns doch zum Berg der Geister?«, fragte Mike hoffnungsvoll. Kanuat sch#252;ttelte den Kopf. »Ich bringe euch bis zur gro#223;en Ebene«, sagte er. »Von dort aus k#246;nnt ihr den Berg in einem Tagesmarsch erreichen. Ich werde eine Woche auf euch warten. Nicht l#228;nger.« Kanuat machte seine Worte wahr und hielt bis zum Einbruch der D#228;mmerung nicht mehr an. Doch obwohl die Fahrt Stunde um Stunde dauerte, schien die Zeit wie im Fluge zu vergehen. Die schweigende Pracht der gr#246;nl#228;ndischen Landschaft zog Mike schon bald in ihren Bann, sodass ihm gar nicht richtig bewusst wurde, wie viele Meilen sie zur#252;cklegten. Die Landschaft, durch die sie fuhren, war n#228;mlich alles andere als langweilig. Gewaltige, vom Wind leer gefegte Ebenen wechselten sich mit fantasievollsten Felsformationen oder sanften D#252;nen ab, tief eingeschnittenen T#228;lern oder kleinen, zugefrorenen Seen und Bachl#228;ufen. Und sie sahen auch eine erstaunliche Anzahl von Tieren, mit denenMike in dieser erstarrten wei#223;en #214;dnis nun wirklich zu allerletzt gerechnet h#228;tte: V#246;gel, Schneehasen und Polarf#252;chse, aber auch Robben und streunende Hunde und einmal sogar in gro#223;er Entfernung einen wei#223;en Flecken, von dem Trautman behauptete, es handelte sich um einen Eisb#228;ren. Kanuat sagte nichts dazu, #228;nderte den Kurs des Gespanns aber ein wenig, sodass sie dem Tier, oder was immer es sein mochte, nicht n#228;her kamen. Bald danach tauchte vor ihnen ein verschwommener Umriss am Horizont auf. Es war der Berg der Geister, wie Kanuat ihnen erkl#228;rte, und je n#228;her sie ihm kamen, desto mehr glaubte Mike zu verstehen, warum die Eingeborenen diesen Berg mit so vielen Legenden und unheimlichen Geschichten umgeben hatten. Er bot wirklich einen bizarren Anblick. Bedachte man die gro#223;e Entfernung, in der sie sich noch befanden, musste er aber wahrhaft gigantisch sein. Allerdings war er keineswegs Teil eines Bergmassivs, wie sie sich #252;berall am Horizont erhoben, sondern ragte ganz allein aus einer riesigen, vollkommen leeren Ebene empor und auch seine Form war sehr sonderbar: Das Eis, das ihn #252;ber und #252;ber bedeckte, hatte alle Kanten und Winkel abgerundet, trotzdem wirkte er auf Mike eher wie eine zyklopische Burg als wie ein nat#252;rlich entstandenes Objekt; eine Burg mit unz#228;hligen T#252;rmen und Zinnen, Erkern und Vorspr#252;ngen, Giebeln und Winkeln. Als das Blau des Himmels allm#228;hlich zu verblassen begann, hielt Kanuat an und schlug das Nachtlager auf. »Das ist also der Berg der Geister«, begann Trautman, als sie mit dem Abendessen fertig waren. Mike war sehr m#252;de und er nahm an, dass es Trautman und Kanuat auch nicht anders erging. Trotzdem machte noch keiner von ihnen Anstalten, schon ins Zelt zu kriechen. Allein der Gedanke an die dr#252;ckende Enge, die sie dort drinnen erwartete, lie#223; Mike schaudern. »Warum nennt ihr ihn so?«, fuhr Trautman fort, als der Inuit auch nach einer Weile nicht auf seine Worte reagierte. »Doch bestimmt nicht nur, weil er so seltsam aussieht.« »Wartet ab«, antwortete Kanuat. »Die Geister kommen, wenn es dunkel ist.« Trautman zog viel sagend die linke Augenbraue hoch, belie#223; es dann aber bei einem Achselzucken und deutete auf die gewaltige Ebene, die vor ihnen begann und sich bis zum Berg der Geister erstreckte. »Wie weit ist es noch bis zum Berg? Bestimmt zehn Meilen.« »F#252;nfzehn«, korrigierte ihn Kanuat seelenruhig. »Ihr k#246;nnt es in vier oder f#252;nf Stunden schaffen, wenn ihr euch beeilt. Ich werde hier auf euch warten.« »Auf Mike sah ihn verwirrt an. »Wie?« »Ich habe dar#252;ber nachgedacht«, antwortete Trautman. Er wich seinem Blick aus, w#228;hrend er sprach. »Es gibt keinen Grund, aus dem wir uns alle in Gefahr begeben sollten. Du wirst hier bei Kanuat bleiben und warten, bis ich zur#252;ck bin.« »Das kommt #252;berhaupt nicht in Frage!«, protestierte Mike. »Eine sehr weise Entscheidung«, meinte Kanuat. »Und eine, #252;ber die ich lange nachgedacht habe«, f#252;gte Trautman hinzu. Er machte eine Handbewegung, mit der er Mike das Wort abschnitt, ehe er es #252;berhaupt ergreifen konnte. »Es geht nicht nur darum, dass ich mich um dich sorge, Mike«, sagte er. »Jedenfalls ist das nicht der einzige Grund. Ich brauche dich als R#252;ckendeckung.« »Das ist doch nichts als eine Ausrede!«, behauptete Mike. »Stimmt«, gestand Trautman unger#252;hrt. »Aber es ist auch die Wahrheit. Ich wei#223; nicht, was mich dort dr#252;ben erwartet. Vielleicht nichts, vielleicht aber auch eine Gefahr, mit der ich nicht aus eigener Kraft fertig werde. In diesem Fall brauche ich dich.« »Und wie soll ich Ihnen helfen, wenn ich nicht einmal in der N#228;he bin?!« Mike war nahe daran, loszuschreien. Trautman zog das Sprechger#228;t aus der Tasche. »Wir k#246;nnen damit in Verbindung bleiben«, sagte er. »Wenn mir irgendetwas zusto#223;en sollte, rufe ich dich. Und sollte mir etwas zusto#223;en, dann wird Kanuat dich zur K#252;ste bringen. Von dort aus kannst du mit der NAUTILUS in Kontakt treten.« »Aber das ist doch alles Unsinn!«, begehrte Mike auf. »Ich kann ebenso gut « Er brach ab. Ein unheimliches, dumpfes Heulen und Dr#246;hnen erklang und er brauchte nicht einmal eine Sekunde, um die Quelle dieses Ger#228;uschs zu identifizieren: Es kam vom Berg der Geister. Schauderndsah er in diese Richtung und erlebte eine zweite, r#228;tselhafte #220;berraschung. Der Berg war keineswegs in der Dunkelheit versunken, wie die Gipfel und Grate des Massivs dahinter. Ganz im Gegenteil schien der gesamte Berg wie unter einem unheimlichen inneren Feuer zu gl#252;hen. »Die Geister z#252;rnen«, sagte Kanuat. »Sie m#246;gen es nicht, wenn Menschen in ihr Reich eindringen.« »Ich w#252;rde sagen, es ist eine Art Nordlicht«, sagte Trautman. »Vielleicht auch der Mond, der sich auf all diesen Kanten und Vorspr#252;ngen bricht. Das Ding dort hat so viele Facetten und Winkel, dass er wie ein riesiger Kronleuchter wirkt.« Weder Kanuat noch Mike antworteten darauf. Mike sah nur schweigend weiter #252;ber die Ebene. Trautmans Erkl#228;rung entsprach ja vielleicht sogar der Wahrheit, aber das nahm dem Anblick nichts von seiner unheimlichen Wirkung. Und es war schon gar keine Erkl#228;rung f#252;r das unheimliche Dr#246;hnen und Wummern, das der Wind noch immer herantrug. »Morgen zu dieser Zeit wei#223; ich, was da dr#252;ben los ist«, sagte Trautman. »Wenn Sie dann noch am Leben sind«, f#252;gte Kanuat hinzu. Wider Erwarten schlief Mike in der Nacht ausgezeichnet und wurde erst wach, als ihn Kanuat unsanft r#252;ttelte. Trautman war bereits damit besch#228;ftigt, in aller Hast ihre Ausr#252;stungsgegenst#228;nde auf den Schlitten zu laden. Mike registrierte verschlafen, dass die Sonne gerade aufgegangen war. »Lassen Sie das!«, sagte Kanuat, an Trautman gewandt. »Daf#252;r ist keine Zeit!« Er versetzte Mike einen unsanften Schubs, der ihn mehr auf den Schlitten hinauffallen als – klettern lie#223;, sprang selbst auf sein Gestell und gestikulierte Trautman ungeduldig zu, sich zu beeilen. »Aber was ist denn #252;berhaupt –?«, begann Mike. Der Rest seiner Frage ging in einem #252;berraschten Keuchen unter, als Kanuat den Schlitten mit einem solchen Ruck losfahren lie#223;, dass sowohl er als auch Trautman zur#252;ckgeschleudert wurden. Nur mit M#252;he gelang es ihm, sich #252;berhaupt auf dem Schlitten zu halten. Mit M#252;he rappelte er sich hoch, klammerte sich irgendwo fest und drehte sich vorsichtig herum. Ihr Lagerplatz und das Zelt waren schon ein gutes St#252;ck zur#252;ckgefallen. Dahinter, sicher noch zwei oder drei Meilen entfernt, aber rasch n#228;her kommend, stoben drei gewaltige Schneewolken empor. Mike konnte etwas Dunkles am Fu#223; jeder Wolke erkennen, mehr aber auch nicht. »Vom Dorff«, sagte Trautman d#252;ster. »Das sind die Wagen, die wir in der Stadt gesehen haben! Verdammt! Ich h#228;tte wissen m#252;ssen, dass sie nicht so einfach aufgeben!« »Keine Sorge«, antwortete Kanuat grimmig. »Sie kriegen uns nicht. Eure Maschinen k#246;nnen es nicht mit einem guten Hundeschlitten aufnehmen!« Mike h#228;tte viel darum gegeben, den Optimismus mit dem Inuit teilen zu k#246;nnen. Die drei Wagen waren bereits ein gutes St#252;ck n#228;her gekommen. Und im Gegensatz zu Kanuats Huskys kannten diese Fahrzeuge keinerlei Ersch#246;pfung oder M#252;digkeit. Immerhin schien Kanuat das auch zu begreifen, denn er schwang seine Peitsche noch heftiger und korrigierte den Kurs des Gespanns, sodass sie sich jetzt nicht mehr entlang der niedrigen Felsformation bewegten, in deren Schutz sie die Nacht verbracht hatten, sondern direkt hinaus auf die freie Eisfl#228;che. »Kanuat!«, schrie Mike. »Was tun Sie? Da drau#223;en holen sie uns in ein paar Minuten ein!« Kanuat antwortete nicht, sondern spornte seine Hunde zu noch gr#246;#223;erem Tempo an und Trautman machte eine unwirsche Geste. »Lass ihn!«, sagte er. »Er wird schon wissen, was er tut.« Mike konnte nur noch beten, dass es so war. Ihm selbst kam es jedenfalls nicht so vor. Auch die Wagen #228;nderten ihren Kurs entsprechend, und kaum waren sie auf dem Eis, da legten sie geh#246;rig an Tempo zu. Auf dem glatten Untergrund fanden ihre breiten Ketten genug Halt, um immer noch weiter zu beschleunigen. Sie holten so schnell auf, dass es nur noch Minuten dauern konnte, bis sie heran waren. Und dann war einer der drei Wagen einfach verschwunden. Die Wolke aus brodelndem Schnee, die seinen Weg markierte, hing noch eine Sekunde lang in der Luft und trieb dann langsam auseinander, aber der Wagen war buchst#228;blich wie vom Erdboden verschluckt. »Was ist passiert?«, keuchte Trautman. »Wo ist er geblieben?« Kanuat lachte. »Das hier ist ein zugefrorener See«, antwortete er. »Das Eis taut nie ganz auf, aber es ist an manchen Stellen auch nicht sehr dick. Automobile sind schwer. Hundeschlitten sind leicht!« Mike war ersch#252;ttert. Weder der Wagen noch die M#228;nner, die darin gesessen waren, tauchten wieder auf. Und ihm war auch klar, dass die M#228;nner in dem eisigen Wasser keine #220;berlebenschance hatten. Umgekehrt h#228;tten sie vermutlich keine Hemmungen gehabt, Trautman und ihn umzubringen, aber das spielte keine Rolle. Sowohl Mike als auch allen anderen an Bord der NAUTILUS war ein Menschenleben heilig. Ganz gleich, wem es geh#246;rte und was derjenige damit anfing. Ein peitschender Knall riss ihn aus seinen Gedanken. Nicht sehr weit vor ihnen spritzte das Eis auf, aber es vergingen noch einmal einige Sekunden, bis Mike wirklich begriff, was geschah. Die Soldaten schossen auf sie! Kanuat steuerte das Gespann nach rechts, links, wieder nach rechts und wieder nach links. Die Wagen hinter ihnen h#252;teten sich, die Man#246;ver nachzuvollziehen, denn die Fahrer argw#246;hnten wahrscheinlich zu Recht, dass der Inuit sie auf d#252;nnes Eis locken wollte. Sie waren auch langsamer geworden, denn das Schicksal ihrer Kameraden hatte den Fahrern drastisch genug vor Augen gef#252;hrt, auf welch d#252;nnem Eis sie sich bewegten – und das im wortw#246;rtlichen Sinne. Auch Mike war alles andere als wohl in seiner Haut. Vermutlich war es nur Einbildung, aber er glaubte ein immer deutlicheres Knirschen zu h#246;ren, das direkt aus dem Eis unter ihm drang. Au#223;erdem kamen die Wagen noch immer n#228;her, wenn auch nicht mehr ganz so schnell. Und die M#228;nner schossen auch noch immer auf sie. Auch wenn die Sch#252;tzen praktisch keine Chance hatten, das wild hin und her schlingernde Gespann zu treffen, bestand doch immer noch die Gefahr eines Zufallstreffers. Einer der beiden Wagen brach pl#246;tzlich auf einer Seite ins Eis ein. Eine gewaltige Kaskade wei#223;er Splitter und glitzernder Wassertropfen stob hoch, doch gerade als Mike schon glaubte, dass auch dieser Wagen im Eis verschwinden m#252;sse, grub sich das Fahrzeug auf wirbelnden Ketten selbst wieder aus und setzte die Verfolgung fort. Der zweite Wagen war w#228;hrenddessen schon bedenklich nahe gekommen. Und schlie#223;lich geschah das, was Mike insgeheim schon die ganze Zeit #252;ber bef#252;rchtet hatte: Wieder krachte ein Schuss, aber diesmal prallte die Kugel nicht harmlos vom Eis ab. Stattdessen heulte einer der Hunde schrill auf und brach in vollem Lauf zusammen und das brachte das gesamte Gespann durcheinander. Zwei, drei weitere Hunde stie#223;en zusammen, Leinen zerrissen, Holz zerbrach, dann #252;berschlug sich das gesamte Gespann, Mike, Trautman und Kanuat wurden in verschiedene Richtungen davongeschleudert. Als sich Mikes Blick wieder kl#228;rte, bot das Eis einen Anblick der Verw#252;stung. Kanuats Schlitten war vollkommen zerst#246;rt. Die Hunde hatten sich losgerissen und rannten aufgeregt kl#228;ffend und z#228;hnefletschend hin und her und Kanuat selbst kroch auf H#228;nden und Knien #252;ber das Eis, um zu den verwundeten Tieren zu gelangen. Auch Trautman schien einigerma#223;en glimpflich davongekommen zu sein, denn er richtete sich nur ein paar Meter entfernt von Mike auf. Was er sah, als er den Kopf in die andere Richtung drehte, erfreute Mike hingegen viel weniger. Die beiden Wagen waren heran. Der eine bremste nur ein kurzes St#252;ck hinter Trautman ab, w#228;hrend der andere sie auf wirbelnden Ketten umkreiste, um ihnen jeden Fluchtweg abzuschneiden. Vorsichtig richtete Mike sich auf und tastete mit spitzen Fingern #252;ber seinen K#246;rper, als m#252;sse er sich auf diese Weise davon #252;berzeugen, dass er sich auch tats#228;chlich nichts gebrochen hatte. Die T#252;ren des Kettenfahrzeuges hinter ihm flogen auf und vier mit Gewehren bewaffnete Soldaten sprangen ins Freie. Mike ignorierte sie, drehte sich herum und humpelte auf Kanuat zu. »Was ist mit dem Hund?«, fragte er. Kanuat kniete neben dem reglos daliegenden Hund und streichelte mit steinernem Gesicht seinen Kopf. Mike wollte die Frage wiederholen, aber dann begriff er: Der Hund war tot. Die Kugel hatte ihn zwar nur gestreift, aber ganz offensichtlich hatte er sich bei dem Sturz das Genick gebrochen. Hinter ihnen knirschten schwere Stiefel auf Schnee und eine ihnen allzu bekannte Stimme sagte: »Wie r#252;hrend. Der Anblick bricht mir das Herz.« Mike hob w#252;tend den Kopf und starrte in Vom Dorffs Gesicht. Er ersparte es sich, irgendetwas zu sagen, aber sein Blick musste so zornerf#252;llt sein, dass Vom Dorff ihm nur wenige Sekunden lang standhielt, ehe er sich mit einem Achselzucken umwandte. Zwei seiner M#228;nner hatten Trautman gepackt und stie#223;en ihn grob zwischen sich her. Trautmans Unterlippe und Nase bluteten. »Kapit#228;n Trautman«, sagte Vom Dorff kopfsch#252;ttelnd. »Ich muss schon sagen, Sie stellen meine Geduld auf eine harte Probe.« Trautman starrte sein Gegen#252;ber finster an. »Ich wei#223; nicht, wovon Sie reden«, sagte er. »Mein Name ist #252;brigens Traut Vom Dorff machte ein Gesicht, als h#228;tte er auf ein Pfefferkorn gebissen. »Ich bitte Sie!«, sagte er.»Beleidigen Sie nicht zu allem #220;berfluss noch meine Intelligenz, indem Sie sich ein so dummes Pseudonym zulegen. Ich habe Ihnen von Anfang an nicht geglaubt, m#252;ssen Sie wissen. Und sp#228;testens seit wir Ihre wirklich erstaunlichen Taucherausr#252;stungen gefunden haben, sollten wir doch wohl mit diesem peinlichen Spiel aufh#246;ren. Sie sind Kapit#228;n Trautman, der Steuermann und Kommandant der NAUTILUS, und du –«, er drehte sich wieder zu Mike herum, »– bist Mike, der Sohn des legend#228;ren Kapit#228;n Nemo ... oder sollte ich lieber sagen: Prinz Dakkar?« »Woher ... wissen Sie das?«, fragte Mike fassungslos. Vom Dorff grinste. »Ich wei#223; noch eine Menge mehr. Vielleicht werde ich deine Fragen sogar beantworten, aber nicht jetzt und schon gar nicht an diesem ungastlichen Ort.« »Warum haben Sie uns nicht gleich verhaftet, wenn Sie so genau wussten, wer wir sind?«, fragte Trautman. »Sagen wir, aus Neugier«, antwortete Vom Dorff. »Es interessierte mich doch sehr, den wahren Grund Ihres Hierseins zu erfahren. Und um ehrlich zu sein, hatte ich die Hoffnung, vielleicht sogar die legend#228;re NAUTILUS selbst zu Gesicht zu bekommen.« »Beziehungsweise in Ihre Gewalt«, vermutete Mike. »O bitte, prinzliche Durchlaucht«, sagte Vom Dorff sp#246;ttisch. »Wir wollen doch weiter wie zivilisierte M#228;nner miteinander reden, oder?« »Warum benehmen Sie sich dann nicht wie einer?«, fragte Mike giftig. Vom Dorff l#228;chelte weiter, aber er wirkte jetzt ein bisschen gequ#228;lt. Er schien etwas sagen zu wollen, belie#223; es dann aber bei einem Achselzucken und winkte zwei weitere Soldaten herbei, die Kanuat in die Mitte nahmen. Das Eis, auf dem sie standen, begann pl#246;tzlich sachte zu zittern. Mike h#246;rte ein leises, aber durchdringendes Knirschen, das direkt aus dem Boden unter ihren F#252;#223;en drang, und er war wohl nicht der Einzige, dem dieses Ger#228;usch auffiel. Auch Vom Dorff sah sich nerv#246;s um und deutete dann auf die Wagen. Offenbar hatte er es jetzt sehr eilig, den zugefrorenen See wieder zu verlassen. »Lassen Sie Kanuat gehen«, bat Trautman. »Er hat nichts mit unserem Streit zu tun.« »Den Eindruck hatte ich aber nicht«, antwortete Vom Dorff. »Aber ich werde ein gutes Wort f#252;r ihn einlegen, wenn es Sie beruhigt. Schon aus purem Eigennutz. Schlie#223;lich muss ich in Sadsbergen bleiben und weiter mit diesen Leuten zusammenleben, auch wenn Berghoff und Hansen schon lange wieder fort sind.« Wieder zitterte das Eis unter ihren F#252;#223;en und diesmal war das knirschende Ger#228;usch sehr viel lauter. Mike hatte ein sehr unheimliches Gef#252;hl – fast so, als ob irgendetwas Riesiges, Schweres sich dicht unter ihnen bewegte. Und mit einem Mal kamen ihm Kanuats Geschichten #252;ber Geister und uralte G#246;tter gar nicht mehr so l#228;cherlich vor wie noch am vergangenen Abend. »Auf die Wagen!«, befahl Vom Dorff. »Es wird Zeit, dass wir von hier wegkommen!« Er hatte kaum ausgesprochen, da erbebte das Eis ein drittes Mal unter ihren F#252;#223;en; und diesmal so heftig, dass Mike und die anderen um ein Haar zu Boden geworfen worden w#228;ren. Aus dem knirschenden Ger#228;usch wurde ein immer lauter und lauter werdendes Krachen und Splittern und dann hob das Eis sich tats#228;chlich unter ihren F#252;#223;en! »Was –?!«, begann Vom Dorff. Ein ungeheures Krachen und Bersten schnitt ihm das Wort ab. Kaum zwei Meter vor ihnen zersplitterte das Eis, als w#228;re es von Thors Hammer getroffen worden, und dann brach etwas wahrhaft Gigantisches, metallisch Gl#228;nzendes von unten durch das Eis. Vom Dorff, Mike und alle anderen wurden einfach von den F#252;#223;en gerissen und davongeschleudert. Metall rieb sich knirschend an Eis, w#228;hrend sich der gro#223;e Metallkoloss weiter und weiter in die H#246;he schraubte. Wasser spritzte auf, scharfkantige Eisbrocken flogen wie kleine, gef#228;hrliche Geschosse durch die Luft und das Eis zerbrach ringsum zu gro#223;en und kleinen Schollen. Die beiden Kettenwagen kippten auf die Seite und versanken rasch im eisigen Wasser. Ihre Besatzungen retteten sich mit verzweifelten Spr#252;ngen auf das Eis hinauf, wobei die meisten nicht einmal Gelegenheit fanden, ihre Waffen mitzunehmen. Nach kaum einer halben Minute war alles vorbei. Das Eis h#246;rte auf, sich klirrend aneinander zu reiben oder krachend zu kleinen St#252;cken zu zerbersten. Hier und da bewegte sich noch das Wasser, aber von den beiden Kettenfahrzeugen war keine Spur mehr zu sehen und Vom Dorffs Soldaten lagen auf dem Eis, die meisten waffenlos und mit durchn#228;ssten Kleidern, und alle vollkommen entsetzt angesichts des riesigen gr#252;n schimmernden Metallturmes, der sich #252;ber ihnen erhob. Selbst Mike musste eingestehen, dass der Turm der NAUTILUS aus dieser Perspektive betrachtet einen Ehrfurcht gebietenden Anblick bot. Dendeutschen Soldaten blieb kaum Zeit, ihre #220;berraschung zu #252;berwinden. Die schwere Luke auf dem Turm flog auf und Juan, Ben und Singh dr#228;ngten ins Freie. Alle drei waren mit Gewehren bewaffnet, die sie drohend auf Vom Dorff und seine Soldaten richteten. Vorsichtig stand Mike auf und balancierte #252;ber das zerbrochene Eis zu Trautman hin#252;ber. Er und Kanuat hatten sich ein St#252;ck weit von den Soldaten entfernt und der Inuit wirkte vollkommen fassungslos. Als Mike ihn ansprach, reagierte er nicht einmal, sondern starrte die NAUTILUS nur weiter mit offenem Mund und ungl#228;ubig aufgerissenen Augen an. »Lass ihn«, sagte Trautman. Dann wandte er sich an Vom Dorff. »Bitte tun Sie jetzt nichts Un#252;berlegtes«, sagte er. »Es hat schon zu viele Tote gegeben.« Vom Dorff starrte ihn hasserf#252;llt an, wandte sich dann aber gehorsam an seine M#228;nner und gab einen entsprechenden Befehl. Von dem Dutzend M#228;nnern hatte ohnehin nur ein einziger nach seiner Waffe gegriffen. Jetzt legte er sie hastig wieder zur Seite und hob die H#228;nde auf Schulterh#246;he. »Das ... das ist die NAUTILUS«, murmelte Vom Dorff fassungslos. Trautman nickte. »Sie hatten sich doch gew#252;nscht, sie zu sehen, oder? Man sollte vorsichtig mit dem sein, was man sich w#252;nscht. Manchmal geht es schneller in Erf#252;llung, als einem selbst lieb ist.« Vom Dorff schien seine Worte gar nicht zu h#246;ren. Er starrte die NAUTILUS unverwandt weiter an und der Ausdruck auf seinem Gesicht war kaum weniger fassungslos als der auf Kanuats. »Die NAUTILUS«, murmelte er immer wieder. »Es gibt sie wirklich!« »Nat#252;rlich gibt es sie«, sagte Mike. »Sonst w#228;ren wir kaum hier, oder? Aber das bringt mich zu einer anderen Frage: Woher wussten Sie eigentlich so viel #252;ber uns?« Der Deutsche riss sich mit gro#223;er M#252;he vom Anblick des gewaltigen Unterseebootes los und sah ihn an. »Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich dir diese Frage beantworte?«, fragte er. »Ich f#252;rchte, ich muss darauf bestehen«, sagte Mike, aber Vom Dorff lachte nur. »Und was willst du tun, wenn ich mich weigere? Mich in siedendes #214;l tauchen oder mir die Fingern#228;gel herausrei#223;en lassen?« »Ich denke, das eine oder andere wird mir schon einfallen«, sagte Mike. Nat#252;rlich hatte er nichts dergleichen vor. Wozu auch? Eine einzige Begegnung mit Astaroth reichte aus und der Deutsche hatte keine Geheimnisse mehr. »H#246;rt mit dem Unsinn auf!«, rief Ben vom Turm der NAUTILUS herab. »Wir m#252;ssen weg! Das deutsche U-Boot ist auf dem Weg hierher! Kommt an Bord.« Auf Vom Dorffs Gesicht erschien die Andeutung eines triumphierenden L#228;chelns, aber es sollte nicht f#252;r lange sein. »K#246;nnen Sie mit der gt;U37lt; in Verbindung treten?«, fragte Trautman. Vom Dorff nickte und Trautman fuhr in sehr ernstem, fast beschw#246;rendem Tonfall fort: »Dann rufen Sie sie zur#252;ck. Denn wenn uns Berghoff zu nahe kommt, dann schie#223;en wir die gt;U37lt; in St#252;cke, das schw#246;re ich Ihnen!« Vom Dorff presste die Lippen aufeinander. Unsicher sah er Trautman an, dann wieder die NAUTILUS und schlie#223;lich nickte er. »Ich hoffe, Sie meinen es auch so«, sagte Trautman. »Denken Sie wenigstens an die M#228;nner an Bord der gt;U37lt;. Glauben Sie mir, wir werden uns wehren, wenn Sie uns dazu zwingen. Und gegen dieses Schiff h#228;tte nicht einmal eine ganze Flotte eine Chance. Mike, Kanuat – kommt!« Mike trat gehorsam neben Trautman, aber Kanuat r#252;hrte sich nicht von der Stelle. Er starrte immer noch das Schiff an. Mike bezweifelte, dass er von dem ganzen Gespr#228;ch auch nur ein einziges Wort mitbekommen hatte. »Sie brauchen keine Angst zu haben«, sagte er. »Das ist nur ein Schiff. »Sie k#246;nnen nicht hier bleiben«, pflichtete ihm Trautman bei. Gleichzeitig deutete er auf Vom Dorff. Der angebliche Handelsattach#233; sch#252;rzte nur ver#228;chtlich die Lippen, sagte aber nichts dazu. Sie brauchten trotzdem noch eine ganze Weile, bis sie den Inuit dazu #252;berreden konnten, ihnen zu folgen. Aber schlie#223;lich balancierten sie nebeneinander #252;ber das Gewirr zerbrochener Eisschollen auf die NAUTILUS zu. Die NAUTILUS begann zu tauchen, noch bevor Ben die Luke #252;ber ihren K#246;pfen ganz geschlossen hatte. Eine Linie silbergr#252;nen, sprudelnden Wassers stieg an den beiden mannsgro#223;en Bullaugen des Turmes empor und schlug wenige Augenblicke sp#228;ter #252;ber dem Schiff zusammen. Nur Sekunden sp#228;ter blieb auch das Tageslicht #252;ber ihnen zur#252;ck. Die NAUTILUS sank sehr schnell. »Das wurde aber auch Zeit!«, maulte Ben, nachdem er von der Leiter gesprungen war. »Ich dachte schon, ihr wollt den Kerl zum Kaffeeklatsch einladen!« »Das alles w#228;re nicht n#246;tig gewesen«, antwortete Mike scharf. »Aber als wir heute Morgen zum Hafen kamen, da wart ihr nicht da.« »Schluss jetzt!«, mischte sich Trautman ein. »Wer ist am Ruder?« »Serena und Chris«, antwortete Singh. »Ich l#246;se sie ab.« Er ging, ohne Trautmans Antwort abzuwarten, und Trautman wandte sich nun an Ben. »Mir ist klar, dass ihr wegmusstet«, sagte er. »Aber was ist mit den Sprechger#228;ten? Wieso habt ihr uns nicht wenigstens gewarnt?« »Das wollten wir«, antwortete Juan an Bens Stelle. »Aber sie funktionieren nicht.« »So wie einiges andere auch«, f#252;gte Ben hinzu. Er zuckte mit den Schultern. »Irgendetwas stimmt hier nicht. Je weiter wir diesen Fluss hinauffahren, desto mehr unserer Bordsysteme fallen aus. Irgendetwas hier st#246;rt unsere Systeme.« »Gehen wir nach unten«, sagte Trautman. Er wirkte sehr besorgt, streckte aber trotzdem die Hand aus, als Ben an ihm vorbeigehen wollte. »Ich habe mich noch gar nicht bedankt«, sagte er. »Das war ziemlich mutig, was ihr gerade getan habt. Immerhin war da oben ein Dutzend bewaffneter M#228;nner.« »Die haben sich doch vor Angst fast in die Hosen gemacht«, grinste Ben. »Au#223;erdem h#228;tten sie euch bestimmt nicht gehen lassen, wenn wir sie h#246;flich darum gebeten h#228;tten.« Trautman lachte. Als sie sich umdrehen wollten, um #252;ber die Treppe ins Innere der NAUTILUS hinabzusteigen, gab er Mike einen verstohlenen Wink und deutete auf Kanuat. Der Inuit war ihnen zwar gehorsam ins Schiff gefolgt, stand nun aber wieder stocksteif und wie gel#228;hmt da und starrte aus dem Bullauge. Sie waren mittlerweile so tief getaucht, dass drau#223;en nur noch ein tr#252;bgraues Zwielicht herrschte. Mike nickte unmerklich und blieb zur#252;ck. Erst als alle anderen den Turm verlassen hatten und sie allein waren, trat er neben Kanuat und sprach ihn an. »Es gibt wirklich keinen Grund, Angst zu haben«, sagte er. »Das hier ist nur ein Schiff.« »Sind wir ... unter Wasser?«, fragte Kanuat stockend. Er starrte unverwandt weiter aus dem Bullauge. »Sehr tief«, best#228;tigte Mike. »Und wir werden wahrscheinlich noch tiefer tauchen. Das hier ist ein Unterseeboot.« »Wie das der Deutschen?«, fragte Kanuat. »Viel besser«, antwortete Mike. Erst danach begriff er, dass er Kanuats Frage vollkommen falsch verstanden hatte. Und seine Antwort nicht besonders klug gewesen war. »Ihr seid auch nicht besser als sie«, sagte der Inuit leise. »Ihr habt mich nur benutzt, um euren Feinden zu schaden.« »Das ist nicht wahr!«, protestierte Mike. »Wir haben Ihnen gesagt, warum wir hier sind, und das ist die Wahrheit! Wir suchen die M#228;nner, die vergangenen Sommer hier waren.« »Warum?« »Weil sie in Not sind«, antwortete Mike. »Sie haben um Hilfe gerufen und wir haben diesen Ruf geh#246;rt und sind gekommen.« »Und das soll ich glauben?«, fragte Kanuat. »Ich soll glauben, dass ihr euer Leben und euer Schiff riskiert, um Menschen zu helfen, die ihr nicht einmal kennt?« So ganz konnte Mike das ja selbst nicht glauben, zumal er mittlerweile davon #252;berzeugt war, da#223; Trautman sehr viel mehr #252;ber die verschollene Expedition wusste, als er zugab. Trotzdem nickte er. »Sie haben doch das Gleiche getan gestern Morgen.« Kanuat starrte ihn an. Er sagte nichts. »Was ... ist eigentlich mit Ihren Hunden?«, fragte Mike z#246;gernd. »Ihnen wird nichts geschehen«, antwortete Kanuat. Sein Gesicht verd#252;sterte sich. Vermutlich dachte er an das Tier, das Vom Dorffs Soldaten erschossen hatten. Trotzdem fuhr er fort: »Sie sind kl#252;ger als wir Menschen. Sie finden allein nach Hause.« »Das ist gut«, sagte Mike erleichtert. »Und jetzt kommen Sie mit. Ich stelle Sie den anderen vor. Und danach zeige ich Ihnen das Schiff, wenn Sie wollen.« Kanuat wirkte nicht besonders begeistert. Einige Sekunden lang blieb er noch stehen, aber dann folgte er Mike die Wendeltreppe hinunter und Mike f#252;hrte ihn zum Kontrollraum. Auf halber Strecke kam ihnen Serena entgegen. Mike hob die Hand und winkte ihr zu. Nat#252;rlich hatte er erwartet, dass sie sich freuen w#252;rde, ihn wieder zu sehen. Aber nicht, dass sie einen erleichterten Schrei ausstie#223;, losrannte und ihm so st#252;rmisch um den Hals fiel, dass er beinahe von den F#252;#223;en gerissen worden w#228;re. Und schon gar nicht damit, dass sie ihm einen herzhaften Kuss auf die Lippen dr#252;ckte. »Mike! Ich bin ja so froh, dass dir nichts passiert ist!« Mike l#246;ste sich mit einiger M#252;he aus Serenas Umarmung und sah sie #252;berrascht an. Serena ihrerseits wich einen halben Schritt von ihm zur#252;ck und sah pl#246;tzlich ein bisschen verlegen drein, so als w#228;re ihr erst jetzt richtig klar geworden, was sie getan hatte. Schlie#223;lich war es Mike, der die peinliche Situation als Erster #252;berwand. »Es war ziemlich knapp, aber uns ist nichts passiert«, sagte er. »Au#223;er dass ich noch nie im Leben so gefroren habe.« »Ich habe die Heizung schon h#246;her gestellt«, sagte Serena und blinzelte ihm sp#246;ttisch zu. Dann deutete sie auf einen Punkt hinter Mike. »Das ist Kanuat? Genau so habe ich ihn mir vorgestellt.« Mike drehte sich ein wenig verwirrt herum und sah, dass Kanuat einige Schritte zur#252;ckgeblieben war. Er hatte sich in die Hocke herabgelassen und streichelte Astaroth, der schnurrend – und ganz und gar gegen seine normale Art seine Flanke an Kanuats Beinen rieb. »Ja«, sagte er #252;berrascht. »Aber woher wei#223;t du von ihm?« »Von Astaroth«, antwortete Serena. »Er hat –?« »– die ganze Zeit #252;ber eure Gedanken gelesen«, best#228;tigte Serena. »Nat#252;rlich. Warum glaubst du eigentlich, dass wir genau im richtigen Moment aufgetaucht sind? Bestimmt nicht rein zuf#228;llig!« »Und wieso hat er dann nicht geantwortet, als ich ihn gerufen habe?«, fragte Mike scharf. »Gehen wir nach unten«, sagte Serena. »Wir m#252;ssen wirklich schnell von hier weg. Dieses andere U-Boot kommt ziemlich schnell n#228;her. Ich glaube nicht, dass Trautman scharf darauf ist, in eine ausgewachsene Seeschlacht verwickelt zu werden.« Sie gingen zu dritt weiter, wobei Kanuat allerdings viel eher Astaroth folgte als ihnen. Als sie im Kontrollraum ankamen, bot sich Mike ein Anblick von scheinbar heillosem Chaos. Trautman, Singh und Juan standen gemeinsam am Kontrollpult und h#228;mmerten wie besessen auf Schalter und Kn#246;pfe ein und Mike fiel erst jetzt auf, wie unruhig das Maschinenger#228;usch der NAUTILUS geworden war und wie stark das Schiff zitterte. »Was ist los?«, fragte Mike alarmiert. »Die gt;U37lt;?« Trautman sch#252;ttelte den Kopf, ohne den Blick vom Kontrollpult zu nehmen. »Nein. Vom Dorff hat sein Versprechen wohl eingel#246;st. Sie haben sich zur#252;ckgezogen. Es ist irgendetwas mit diesem See. Die Maschinen spielen verr#252;ckt.« »Die G#246;tter m#246;gen keine Schiffe«, sagte Kanuat. »Ihr solltet mit eurer Technik nicht hier sein. Die Geister haben die Wagen der Deutschen vernichtet. Sie werden auch euer Schiff vernichten.« Ben bedachte den Inuit mit einem Blick, der sehr deutlich machte, was er von dieser Erkl#228;rung hielt, aber Trautman sah den Inuit eine Sekunde lang sehr nachdenklich an und wandte sich dann an Singh. »Wann hat das angefangen?« »Die St#246;rungen?« Singh #252;berlegte einen Moment. »Kurz nachdem ihr von Bord gegangen seid. Aber so schlimm ist es erst geworden, seit wir in den See eingelaufen sind.« »Und euch dem Berg der Geister gen#228;hert habt«, schloss Trautman. »Das kann kein Zufall mehr sein. K#246;nnen wir in den Fluss zur#252;ck, ohne mit der gt;U37lt; zusammenzutreffen?« »Kein Problem«, sagte Juan. »Sie ist l#228;ngst an uns vorbei und auf der anderen Seite des Sees.« Trautman blinzelte. »Wie?« »Es ist so«, best#228;tigte Juan. »Ich wei#223; nicht, warum, aber die St#246;rungen scheinen nur die NAUTILUS zu betreffen. Oder der Kommandant des deutschen U-Bootes ist lebensm#252;de und vollkommen verr#252;ckt.« »Ich glaube, dass er weder das eine noch das andere ist«, sagte Trautman. »Aber gut, dar#252;ber denken wir sp#228;ter nach. Wir fahren zur#252;ck in den Fluss. Und noch etwas. Ben?« »Ja?« Trautman z#246;gerte eine Sekunde. Als er weitersprach, erschien fast so etwas wie ein verlegenes Grinsen auf seinem Gesicht. »Ich h#228;tte es zwar vor zwei Tagen selbst nicht f#252;r m#246;glich gehalten, dass ich diese Frage stelle, aber ... hast du zuf#228;llig noch etwas von deiner Suppe #252;brig?« Das Allerschlimmste blieb ihnen erspart: Serena hatte wohl vorausgesehen, dass sie halb verhungert zur#252;ckkehren w#252;rden, und eine warme Mahlzeit vorbereitet, bevor Ben zu einem weiteren heimt#252;ckischen Angriff auf ihre Geschmacksnerven ansetzen konnte. Sie brauchten eine halbe Stunde, um die NAUTILUS wieder in den zugefrorenen Fluss zu man#246;vrieren und an einer halbwegs gesch#252;tzten Stelle auf Grund zu setzen. Danach versammelten sie sich alle zu einer ausgiebigen Mahlzeit. Vor allem Mike langte kr#228;ftig zu. Hinterher war er satt, fror aber noch immer erb#228;rmlich. Er h#228;tte viel f#252;r eine hei#223;e Dusche gegeben oder auch nur eine Stunde, in der er sich in seine weichen Kissen in seinem Bett kuscheln konnte, aber Trautman bestand darauf, zuerst einmal ihr weiteres Vorgehen zu besprechen. »Die Situation ist ernster, als ihr vielleicht ahnt«, begann er. »Wir m#252;ssen zu diesem Berg. Und das schnell.« »Und ich dachte, wir h#228;tten gerade unseren Hals riskiert, um Sie von da wegzuholen«, sagte Ben s#228;uerlich. »Das habt ihr«, gestand Trautman. »Und daf#252;r bin ich euch auch sehr dankbar. Aber du scheinst nicht richtig begriffen zu haben, was gerade in diesem See wirklich passiert ist. Die NAUTILUS w#228;re um ein Haar in Seenot geraten und dieses l#228;cherliche Unterseeboot schippert in aller Ruhe an uns vorbei, als w#228;re nichts geschehen!« »Und was ist so schlimm daran?« Ben klang ein bisschen beleidigt. »Was immer in diesem Berg der Geister ist«, antwortete Trautman ernst, »es ist eine gewaltige Kraft. Eine Kraft, die immerhin in der Lage ist, ein Schiff wie die NAUTILUS in Gefahr zu bringen. Und wie es aussieht, sind Berghoff und seine Freunde gerade auf dem Weg, um das Geheimnis dieser Kraft zu l#246;sen. Wollt ihr das?« Niemand antwortete, aber alle mit Ausnahme Kanuats – sahen sich betroffen an. »Vielleicht ist es ja nur Zufall«, sagte Chris. »Ein verlockender Gedanke«, antwortete Trautman. »Aber ich f#252;rchte, auch nicht mehr. Ich habe mich die ganze Zeit #252;ber gefragt, was die Deutschen hier eigentlich wollen. Immerhin ist Sadsbergen eine norwegische Stadt. Selbst das deutsche Kaiserreich braucht einen triftigen Grund, um die Souver#228;nit#228;t eines anderen Staates zu verletzen.« »Und Sie glauben, es w#228;re dieser Berg?« »Etwas in diesem Berg«, sagte Trautman. Er wandte sich an Kanuat. »Wann sind die Deutschen gekommen?« Der Inuit war bisher intensiv damit besch#228;ftigt gewesen, Astaroth zu streicheln, der sich auf seinem Scho#223; zu einem Ball zusammengerollt hatte und lautstark schnurrte. Trotzdem war er ihrem Gespr#228;ch offenbar aufmerksam gefolgt, denn er antwortete sofort: »Vor drei Jahren.« »Und wie oft kommt eines ihrer Schiffe?« »Die, die unter Wasser fahren, oft«, antwortete Kanuat. »Vielleicht f#252;nf-, sechsmal im Jahr. Vielleicht mehr. Wir sehen sie nicht immer.« Trautman seufzte. »So viel zu deiner Idee, Chris. Ich f#252;rchte, hier geht etwas sehr Gro#223;es vor. Aber nichts besonders Gutes.« »Und was wollen Sie tun?«, fragte Juan. »Was ich von Anfang an tun wollte«, erwiderte Trautman. »Wir m#252;ssen zu diesem Berg. Und jetzt haben wir mehr Grund dazu denn je.« Seinen Worten folgte ein fast betretenes Schweigen und zumindest in Mikes Fall auch ein Gef#252;hl eisigen Entsetzens. Allein der Gedanke, noch einmal in diese Ein#246;de hinauszugehen, lie#223; ihn noch mehr frieren. Nachdenklich sah er Kanuat an. Der Eskimo schien voll und ganz auf Astaroth konzentriert zu sein und erneut fiel Mike auf, wie vollkommen untypisch sich der Kater verhielt. Normalerweise betrachtete er es selbst als weit unter seiner W#252;rde, sich wie ein Haustier streicheln zu lassen; ganz zu schweigen davon, sich auf dem Scho#223; eines Menschen zusammenzukuscheln. Mike versp#252;rte ein Gef#252;hl ehrlichen Mitleids mit dem Inuit, und als h#228;tte dieser seine Gedanken gelesen, hob er in diesem Moment den Blick und sah ihm direkt in die Augen. Ein angedeutetes, trauriges L#228;cheln erschien auf seinem Gesicht und erlosch beinahe sofort wieder. »Wir k#246;nnen auf keinen Fall zur#252;ck in diesen See«, sagte Juan entschieden. »Die Situation vorhin war gef#228;hrlicher, als euch vielleicht bewusst war. Ich bin nicht sicher, ob die NAUTILUS dieser Belastung noch einmal standh#228;lt. Dass Berghoff sich zur#252;ckgezogen hat, war pures Gl#252;ck. H#228;tte die gt;U37lt; uns angegriffen, h#228;tte sie eine gute Chance gehabt, uns zu besiegen.« »Also bleibt uns nur der Weg #252;ber das Eis«, seufzte Trautman. »Nicht dass ich mich darauf freue, aber ich sehe keine andere M#246;glichkeit ...« Er sah Kanuat an. »Ich wei#223;, dass ich kein Recht habe, Sie darum zu bitten, aber besitzen Sie noch einen zweiten Schlitten?« »Sie werden uns erneut jagen«, sagte Kanuat, »und vielleicht noch einen Hund t#246;ten.« »Nicht, wenn sie nicht wissen, dass wir noch da sind«, antwortete Trautman. »Die NAUTILUS wird hinaus aufs offene Meer fahren und ein bisschen Haschmich mit Hansens PRINZ FERDINAND spielen. Das lenkt Vom Dorff bestimmt genug ab. Aber es ist Ihre Entscheidung. Ich will nicht, dass Sie noch einen Ihrer Freunde verlieren.« »Ich werde sie alle verlieren, wenn wir die Deutschen nicht verjagen«, sagte Kanuat leise. »Das werden Sie nicht«, sagte Mike bestimmt. »Wir werden Ihnen helfen.« »Wie wollt ihr in die Stadt kommen?«, erkundigte sich Kanuat. »So wie das erste Mal.« Trautman deutete auf Singh. »Singh und ich werden Vom Dorff einen kleinen Besuch abstatten und f#252;r ein wenig Verwirrung sorgen. Genug jedenfalls, um dir Gelegenheit zu bieten, in dein Haus zu gelangen und den zweiten Schlitten zu holen.« »Das ist gef#228;hrlich.« »Alles, was wir hier tun, ist gef#228;hrlich«, sagte Trautman. »Au#223;erdem haben wir einen guten Grund, Vom Dorff zu besuchen. Er hat etwas, was uns geh#246;rt. Wir w#252;rden wirklich ungern auf die beiden Taucheranz#252;ge verzichten – ganz davon abgesehen, dass sie den Deutschen nicht in die H#228;nde fallen d#252;rfen. Und drittens m#252;ssen wir ihn doch schlie#223;lich davon #252;berzeugen, dass wir auch wirklich von hier verschwinden, nicht wahr?« »Vom Dorff ist nicht dumm«, gab Kanuat zu bedenken. »Er ist schlecht, aber nicht dumm.« »Ich wei#223;«, sagte Trautman. Seltsamerweise l#228;chelte er jedoch dabei. »Aber das macht nichts. Einen intelligenten Gegner zu #252;berlisten ist manchmal leichter als einen dummen.« »Wann brechen wir auf?«, fragte Mike. Trautman sah ihn nachdenklich an und sch#252;ttelte den Kopf. »Wir brechen #252;berhaupt nicht auf«, sagte er betont. »Wirf einmal einen Blick in den Spiegel. Du siehst aus wie der Tod auf Latschen. Du wirst dich jetzt gr#252;ndlich ausschlafen. Singh und ich besuchen heute Abend Vom Dorff. Danach sehen wir weiter.« Genau so geschah es. Mike tat das, worauf er sich schon die ganze Zeit #252;ber gefreut hatte, und nahm eine lange und sehr hei#223;e Dusche und aus der Stunde, die er sich anschlie#223;end aufs Ohr legen wollte, wurden deren etliche. Er erwachte erst, als ein sp#252;rbares Zittern durch den Rumpf der NAUTILUS ging und die Motoren wieder zu ihrem monotonen Summen erwachten. Verschlafen setzte er sich auf. Ein m#252;des Blinzeln auf die Uhr zeigte ihm, dass er viele Stunden im Bett gelegen hatte. Drau#223;en musste es mittlerweile l#228;ngst wieder dunkel geworden sein. Trotzdem war er noch immer so m#252;de, dass er sich auf der Stelle wieder h#228;tte zur#252;cksinken lassen und weiterschlafen k#246;nnen. Er hatte jedoch keine Zeit dazu. Irgendetwas stimmte nicht. Die metallenen Planken unter seinen F#252;#223;en zitterten zu heftig und das Motorenger#228;usch klang unregelm#228;#223;ig und stotternd. Mike zog sich an, verlie#223; die Kabine und schlurfte in Richtung Salon, wobei er ununterbrochen g#228;hnte. Trotz der langen, hei#223;en Dusche vom vergangenen Abend fror er noch immer. Er w#252;rde mit Trautman und den anderen reden m#252;ssen, damit ihre n#228;chsten Abenteuer wieder in der Karibik stattfanden. Abgesehen von Ben, der vermutlich in der Komb#252;se war und einen neuen Mordanschlag vorbereitete, fand er die komplette Besatzung der NAUTILUS im Salon. Trautman und Singh trugen dunkle, eng anliegende Kleidung und hatten beide nasse Haare und Trautman machte ein ziemlich niedergeschlagenes Gesicht. Wie es aussah, hatte Mike das Spannendste verpasst. Aber nicht unbedingt das Erfolgreichste. »Was ist passiert?«, fragte er neugierig. »Hallo, Mike.« Trautman nickte ihm fl#252;chtig zu. »Wir haben Kanuats Schlitten geholt und die Hunde.« »Sie sind hier?«, fragte Mike #252;berrascht. »An Bord?« »Im vorderen Laderaum«, best#228;tigte Trautman. »Es war gar nicht so einfach, sie an Bord zu bekommen. Offenbar haben nicht nur die Inuit etwas gegen moderne Technik, sondern auch ihre Hunde.« »Warum machen Sie dann so ein miesepetriges Gesicht?«, fragte Mike. Er setzte sich. Etwas klapperte, als er die Papiere auf dem Tisch zur Seite schob, um die Ellbogen aufzust#252;tzen. Unter dem Wust von Karten und Notizzetteln kam ein lackiertes, mit kunstvollen Buchstaben und Ziffern verziertes Brett zum Vorschein, aber Mike beachtete es in diesem Moment kaum. »Unsere Anz#252;ge.« Trautman seufzte tief. »Wir haben Vom Dorffs Haus buchst#228;blich auf den Kopf gestellt. Der arme Kerl wird eine Woche brauchen, um wieder halbwegs aufzur#228;umen. Die Anz#252;ge waren nicht da. Berghoff oder Hansen m#252;ssen sie mitgenommen haben.« Das war ein schwerer Schlag. Die beiden Taucheranz#252;ge waren unbeschreiblich kostbar. Es gab an Bord der NAUTILUS zwar noch mehr der plump aussehenden Anz#252;ge, die es ihren Tr#228;gern erm#246;glichten, sich selbst in mehreren tausend Metern Wassertiefe frei zu bewegen, aber es war unm#246;glich, Ersatz f#252;r die beiden zu beschaffen, die die Deutschen erbeutet hatten. Die Fabrik, in der sie hergestellt worden waren, war vor zehntausend Jahren in Schutt und Asche gesunken. »Ein Grund mehr, zu diesem Berg zu gehen und nachzusehen, was sie dort treiben«, sagte Mike d#252;ster. »Ich nehme an, wir sind auf dem Weg dorthin?« »Ja. Und wir haben wenig Zeit. Vom Dorff hat ja bereits bewiesen, dass die NAUTILUS ihm nicht ganz unbekannt ist. Wenn wir zu sp#228;t drau#223;en vor der K#252;ste auftauchen, k#246;nnte er Verdacht sch#246;pfen.« »Wir bringen euch so nahe wie m#246;glich an den Berg heran«, f#252;gte Singh hinzu. »Aber viel n#228;her als gestern wird es kaum sein.« Mike begann nachdenklich mit dem Brett zu spielen, das er unter den Papieren gefunden hatte. In einem sanft geschwungenen Viertelkreis im oberen Drittel des Brettes waren die verschn#246;rkelten Buchstaben des Alphabets aufgereiht, darunter die Ziffern 0 bis 9. Zu beiden Seiten davon und etwas gr#246;#223;er standen die Worte »Ja« und »Nein«. Das St#252;ck Holz war ein Ouija-Brett, ein – nach Mikes #220;berzeugung – albernes Spielzeug, das bei Seancen und Geisterbeschw#246;rungen benutzt wurde. Mittels eines kleineren, angespitzten Holzst#252;ckchens, mit dem man auf die entsprechenden Buchstaben deuten konnte, vermochte man mit diesem Brett angeblich Botschaften aus dem Totenreich zu empfangen. #220;berfl#252;ssig zu erkl#228;ren, was Mike davon hielt. Er fragte sich nur, was dieses Brett #252;berhaupt auf dem Schiff zu suchen hatte. Vielleicht hatte Kanuat es mitgebracht. Zuzutrauen war es ihm, so abergl#228;ubisch wie der Inuit war. Mike verjagte den Gedanken und stand auf. »Dann ziehe ich mich vielleicht besser um«, sagte er. »Wozu?«, fragte Trautman. »Ich gehe allein. Es ist viel zu gef#228;hrlich.« »Das Thema hatten wir doch schon einmal, oder?«, seufzte Mike. »Ja – und ich habe mich schon einmal falsch entschieden«, antwortete Trautman energisch. »Du w#228;rest um ein Haar ums Leben gekommen. Das Risiko werde ich nicht noch einmal eingehen. Du bleibst hier und damit basta.« Wenn Trautman diesen ganz bestimmten Ton anschlug, das wusste Mike, dann hatte Widerspruch absolut keinen Zweck. Mike versuchte es auch erst gar nicht mehr. Stattdessen wandte er sich kommentarlos um, verlie#223; den Salon und ging in seine Kabine, um sich umzuziehen. Keine f#252;nf Minuten sp#228;ter betrat er den vorderen Laderaum und traf auf Kanuat und seine Hunde. Und auf Serena. »Dachte ich es mir«, sagte sie kopfsch#252;ttelnd. »Ich nehme an, du bist in voller Wintermontur hier erschienen, um dich von Trautman zu verabschieden.« Mike #252;berh#246;rte den bei#223;enden Spott in Serenas Stimme ganz bewusst. »Ich denke nicht daran, Trautman allein gehen zu lassen«, sagte er ernst. »Er verschweigt uns etwas, Serena. Ich verwette meine rechte Hand, dass Trautman wei#223;, was ihn auf diesem angeblichen Berg der G#246;tter erwartet.« »Selbst wenn es so ist«, antwortete Serena. »Dann sollten wir seinen Wunsch respektieren. Wenn er nicht dar#252;ber reden will, ist das seine Sache.« »Das ist es nicht«, widersprach Mike. »Nicht, wenn er sich damit in Gefahr begibt. Er wei#223;, was ihn dort erwartet. Du hast seinen Blick nicht gesehen, als er #252;ber die verschollene Expedition gesprochen hat. Aber ich. Glaub mir: Trautman hat furchtbare Angst. Ich wei#223; nicht, wovor, aber ich wei#223;, dass ich ihn ganz bestimmt nicht allein lassen werde. Au#223;erdem braucht ihr mich dort drau#223;en. Ich bin der Einzige, der mit Astaroth Kontakt aufnehmen kann. Vielleicht brauchen wir ja dringend eure Hilfe.« »Das ist nicht fair«, sagte Serena. »Stimmt.« Mike deutete auf den Schlitten. »Hilfst du mir jetzt oder verpetzt du mich?« »Du solltest diese Entscheidung nicht von ihr verlangen«, mischte sich Kanuat ein. Er trat an seinen Schlitten und schlug eine der Felldecken zur#252;ck, die darauf lagen. »Du verlangst, dass sie einen Freund hintergeht. Das ist wirklich nicht fair.« »Aber doch nur, um ihn zu retten!« »Ich sage doch, es ist nicht fair.« Kanuat zeigte Mike eines seiner seltenen L#228;cheln und machte gleichzeitig eine einladende Geste. »Trautman ist nicht »Das ist Haarspalterei«, maulte Serena. »Ich gehe jetzt, bevor ihr beiden noch auf die Idee kommt, eine Sprache zu erfinden, in der es das Wort L#252;ge nicht gibt. Und lass dir ja nicht einfallen, dich umbringen zu lassen oder so was. Wenn du zur#252;ckkommst und tot bist, rede ich kein Wort mehr mit dir.« Und damit drehte sie sich um und rannte regelrecht aus dem Laderaum. Kanuat blickte ihr kopfsch#252;ttelnd nach, setzte dazu an, etwas zu sagen, und deutete dann nur wortlos auf den Schlitten. Mike gehorchte ebenso wortlos. Er quetschte sich zwischen die fest zusammengeschn#252;rten B#252;ndel und S#228;cke, und Kanuat breitete die Decke #252;ber ihn aus. Es wurde vollkommen dunkel, aber Mike widerstand der Versuchung, die Decke ein kleines St#252;ck anzuheben, um hinaussehen zu k#246;nnen. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis Trautman kam. Er hatte scharfe Augen, denen nicht die geringste Kleinigkeit entging. Sehr lange musste er sich auch nicht mehr gedulden. Es mochten allerh#246;chstens f#252;nf Minuten vergangen sein, als er Trautmans Stimme und die Stimmen mehrerer anderer Personen h#246;rte. »Wir m#252;ssen uns beeilen«, sagte Trautman. »Ben, Juan – ihr helft Kanuat und mir den Schlitten auszuladen. Und danach verschwindet ihr wie der Blitz. Ich habe Singh instruiert, auf der Stelle zu tauchen. Ihr solltet euch besser beeilen, wenn ihr keine nassen F#252;#223;e bekommen wollt!« F#252;r eine ganze Weile h#246;rte Mike nichts au#223;er einem anhaltenden Rumpeln und Klappern, dann wurde es pl#246;tzlich sehr kalt und gleich darauf konnte Mike sp#252;ren, wie der Schlitten hochgehoben wurde. »Verdammt, ist das Ding schwer!«, schimpfte Ben. »Was nehmt ihr denn da mit? Betonbrocken?« »Essen f#252;r drei Tage«, antwortete Kanuats Stimme aus einer anderen Richtung. »Und Fleisch f#252;r die Hunde.« Der Schlitten schaukelte immer heftiger, dann wurde er mit einem so harten Ruck aufgestellt, dass Mike die Z#228;hne schmerzhaft aufeinander klapperten. »Geschafft!«, keuchte Ben. »Ein bisschen Hilfe w#228;re nicht schlecht gewesen. Das Ding wiegt ja eine Tonne! Wo ist #252;berhaupt Mike? Immer wenn es Arbeit gibt, ist der Herr nicht da.« Er lachte. »Aber Serena ist ja auch nicht zu sehen. Wahrscheinlich turteln die beiden wieder.« »Halt die Klappe«, sagte Juan in gutm#252;tigem Ton. »Du bist ja nur eifers#252;chtig.« »Auf Mike? Pah!« »H#246;rt auf«, sagte Trautman streng. »Macht, dass ihr an Bord kommt. Der Kurs ist festgelegt. Singh soll zwei Tage vor der K#252;ste kreuzen. Wenn ihr dann nichts von mir h#246;rt, wartet nicht auf mich.« »Wie bitte?«, fragte Ben. »Ihr habt mich verstanden«, antwortete Trautman grob. »Geht an Bord. Singh hat seine Instruktionen.« »Aber –« »Helfen Sie mir die Hunde anzuspannen«, bat Kanuat. »Wir m#252;ssen an einen sicheren Ort. Das Eis hier ist sehr d#252;nn.« Mike #252;berlegte einen Moment, ob er aus seinem Versteck herauskriechen sollte. Seine Arme und Beine waren von der unbequemen Position, in der er dalag, schon ganz taub und er bekam unter der schweren Decke kaum noch Luft. Aber wahrscheinlich war es besser, wenn er noch eine Weile in Deckung blieb; wenigstens bis die NAUTILUS nicht mehr in der N#228;he war. Trautman brachte es fertig und rief das Schiff noch einmal zur#252;ck. Mike hatte nicht vergessen, was er gerade gesagt hatte: Er konnte h#246;ren, wie Trautman und Kanuat die Hunde einschirrten, und gerade, als er sein Versteckspiel aufgeben wollte, zog Kanuat mit einem Ruck die Decke zur#252;ck und sagte: »Genug gefaulenzt. Steh auf und hilf uns ein bisschen.« Trautman riss ungl#228;ubig die Augen auf, dann verfinsterte sich sein Gesicht vor Zorn. »Was bedeutet das? «, fragte er. »Das ist –« »Meine Schuld«, unterbrach ihn Kanuat. »Es war meine Idee, ihn mitzunehmen.« »Nein«, sagte Mike. »Es war meine Idee.« »Das dachte ich mir«, sagte Trautman. »So respektiert ihr also meine W#252;nsche.« »Wir lassen unsere Freunde nun einmal nicht im Stich.« Trautman schnaubte. »Du hast ja keine Ahnung, wovon du #252;berhaupt redest«, sagte er. »Ich h#228;tte gro#223;e Lust, die NAUTILUS zur#252;ckzurufen und dich mit einem Tritt in den Hintern wieder an Bord zu bef#246;rdern.« »Aber leider funktionieren die Sprechger#228;te immer noch nicht«, antwortete Mike. »Und au#223;erdem haben wir f#252;r so etwas keine Zeit. Wenn das alles hier vorbei ist, k#246;nnen Sie mich meinetwegen zu sechs Wochen Dreckschrubben verdonnern oder mir zwei Jahre K#252;chendienst aufbrummen. Aber jetzt verschwenden wir nur kostbare Zeit.« »Leider hast du damit sogar Recht«, grollte Trautman. »Aber bilde dir jetzt blo#223; nicht ein, dass #252;ber die Angelegenheit schon das letzte Wort gesprochen worden ist. Mach Platz!« Er schubste Mike beiseite, um zu ihm auf den Schlitten zu steigen. Kanuat nahm seinen Platz im Heck des Gespanns ein und lie#223; die Peitsche knallen. Der Hundeschlitten setzte sich in Bewegung. Sie befanden sich wieder auf dem zugefrorenen See, allerdings ein gutes St#252;ck weiter vom Berg der Geister entfernt als am vergangenen Morgen. Mike sch#228;tzte, dass zwischen ihnen und dem bizarren Eisgebilde mindestens f#252;nfundzwanzig Kilometer lagen. Er wusste nicht genau, wie sp#228;t es war, aber vermutlich w#252;rden sie den Gro#223;teil der Nacht brauchen, um den erstarrten See zu #252;berqueren. Trautman war nicht in der Stimmung f#252;r ein Gespr#228;ch und Kanuat konzentrierte sich ganz auf die Steuerung des Schlittens; eine Aufgabe, die nicht so einfach war, wie es im ersten Moment schien. Das Eis war an manchen Stellen gef#228;hrlich d#252;nn. Mike h#246;rte mehr als einmal ein gef#228;hrliches Knirschen und Knistern aus der Eisfl#228;che dringen, #252;ber die die Hunde dahinschossen, und Kanuat schlug keinen direkten Kurs ein, sondern ein scheinbar willk#252;rliches Hin und Her. Eine gute halbe Stunde fuhren sie auf diese Weise schweigend dahin, dann h#246;rten sie mal wieder dieses unheimliche Dr#246;hnen und Poltern, das sie schon in ihrer ersten Nacht auf dem Eis aus dem Berg der G#246;tter vernommen hatten. Diesmal h#246;rte es jedoch nicht auf, sondern nahm allm#228;hlich an Lautst#228;rke zu und auch seine Frequenz wurde schneller. Es war jetzt fast ein Stampfen, ein noch immer unheimlicher Laut, der Mike aber trotzdem auf sonderbare Weise bekannt vorkam. Es klang #228;hnlich wie das Ger#228;usch riesiger, geheimnisvoller Maschinen, die irgendwo tief unter der Erde auf Hochtouren liefen. Dann ... geschah etwas Seltsames. Mike konnte #252;ber die gro#223;e Entfernung nicht genau sagen, was, aber f#252;r einige Augenblicke hatte er das verr#252;ckte Gef#252;hl, dass der gesamte Berg sich ... Pl#246;tzlich drang ein unheimliches, intensives blaues Licht aus dem Berg. In der Nacht erschien es doppelt grell, sodass Mike f#252;r eine Sekunde geblendet die Augen schloss und sch#252;tzend beide H#228;nde vor das Gesicht hob. »Was ... ist das?«, murmelte Trautman erschrocken. Mike nahm die H#228;nde herunter und sah zuerst ihn an, ehe er wieder zu dem Berg hin#252;berblickte. Das kalte, blauwei#223;e Licht spiegelte sich auf Trautmans Gesicht und lie#223; jede noch so winzige Linie, jede Narbe und jede Falte #252;berdeutlich hervortreten. Es sah regelrecht gespenstisch aus. Das Licht, das aus dem Berg strahlte, war jetzt nicht mehr ganz so glei#223;end. Trotzdem sah der Berg aus, als h#228;tte er sich in einen riesigen, lodernden Stern verwandelt. Das Eis gl#252;hte von innen heraus in kaltem Feuer. »Was ist das?«, fragte Trautman noch einmal. »Vor zwei Tagen h#228;tte ich noch gesagt, der Zorn der Geister«, antwortete Kanuat. »Jetzt bin ich nicht mehr sicher.« Mike sah den Inuit irritiert an. Die Geschehnisse der letzten beiden Minuten h#228;tten beinahe dazu gef#252;hrt, dass Der unheimliche Effekt hielt noch einige Minuten an, dann begann das Licht allm#228;hlich zu verblassen und auch die beunruhigenden Ger#228;usche nahmen rasch an Intensit#228;t ab. Nicht einmal zehn Minuten, nachdem es begonnen hatte, war alles vorbei. Der Berg war wieder in der Nacht verschwunden und die Dunkelheit kam Mike jetzt doppelt so tief vor. »Wie oft passiert das?«, fragte er leise. »Das wei#223; niemand«, antwortete Kanuat. »Keiner von uns hat sich dem Berg jemals so weit gen#228;hert.« »Aber du tust es jetzt«, sagte Trautman. »Warum? Um uns zu helfen?« »Euch?« Kanuat sch#252;ttelte heftig den Kopf. »Euer Streit interessiert mich nicht. Er geht mich nichts an. Es kann mir gleich sein, ob ihr ihn gewinnt oder verliert, denn gleich, welche Seite nun siegt, ihr werdet ihn an einem anderen Ort und zu einer anderen Zeit doch fortsetzen. Ich will meinem Volk helfen. Vielleicht gehen die Deutschen fort, wenn ihr Geheimnis keines mehr ist.« »Dann glaubst du auch nicht mehr, dass es sich um das Wirken von Geistern handelt?«, fragte Trautman. »Ihr nennt es Wissenschaft und wir Magie«, antwortete Kanuat. »Wo ist der Unterschied?« »Vielleicht hast du Recht«, murmelte Trautman. »Vielleicht ist es gar keiner.« Kanuat lachte. »In f#252;nf Stunden geht die Sonne auf«, sagte er. »Dann werden wir die Antwort wissen.« Abweichend von Kanuats Sch#228;tzung erreichten sie den Berg der Geister eine Stunde vor Sonnenaufgang, sodass sie notgedrungen eine Zwangspause einlegen mussten, ehe sie mit seiner Erforschung beginnen konnten. Keiner von ihnen war sehr b#246;se dar#252;ber. Kanuat spannte die Hunde aus, die sich sofort auf dem Eis zusammenrollten und einschliefen, und auch der Inuit selbst streckte sich auf dem blanken Boden aus und schloss die Augen. Mike beneidete ihn fast darum. Auch er sp#252;rte jede Meile, die sie zur#252;ckgelegt hatten, in den Knochen, aber er h#228;tte niemals einfach die Augen zumachen und schlafen k#246;nnen; nicht in unmittelbarer N#228;he dieses Berges. Trautman schien es ebenso zu ergehen. Da ihnen das Eis zu kalt war, hatten sie sich nebeneinander auf die Kante des Schlittens gesetzt und die Beine ausgestreckt, und obwohl keiner von ihnen sprach, reichte ein einziger Blick in Trautmans Gesicht, um Mike klarzumachen, dass ihn die N#228;he des Berges mit derselben Furcht erf#252;llte wie ihn. Dabei sah er aus der N#228;he betrachtet fast wie ein ganz normaler Eisberg aus. Seine bizarre Form war nur aus gro#223;er Entfernung zu erkennen und das geheimnisvolle Leuchten hatte ebenso aufgeh#246;rt wie die unheimlichen Laute. Trotzdem ... Irgendetwas war hier nicht so, wie es sein sollte. Es war nichts, was er h#228;tte h#246;ren oder sehen k#246;nnen, aber etwas, das fast k#246;rperlich greifbar war. Es war, als ob in diesem Eis noch etwas w#228;re, etwas, was hinaus wollte. Und irgendwie hatte er das Gef#252;hl, dass es nichts Gutes war. »Du sp#252;rst es auch, nicht wahr?«, fragte Trautman nach einer Weile. Mike nickte. »Ja ... Meinen Sie nicht, dass es jetzt allm#228;hlich Zeit w#228;re, mir zu verraten, warum wir wirklich hier sind?« »Um nach den Mitgliedern der verschollenen Expedition zu suchen.« »Und das ist wirklich alles?«, fragte Mike. »Ja«, antwortete Trautman kurz angebunden. Er stand auf, ging ein paar Schritte und blieb wieder stehen. Trotz der herrschenden Dunkelheit konnte Mike sehen, wie nerv#246;s er war. Er wiederholte seine Frage nicht, sondern erhob sich ebenfalls, um an Trautmans Seite zu treten. Als er ihn fast erreicht hatte, glomm irgendwo links von ihnen ein mildes gelbes Licht auf. Trautman hob erschrocken die Hand und legte den Zeigefinger der anderen #252;ber die Lippen. Mike erstarrte f#252;r einen Moment mitten im Schritt, aber er registrierte trotzdem, dass Kanuat hinter ihnen die Augen aufschlug und sich rasch und lautlos erhob. Offenbar hatte er doch nicht so tief geschlafen, wie es den Anschein gehabt hatte. Zu dritt bewegten sie sich in die Richtung, aus der der Lichtschein kam. Als sie ihn umkreist hatten,erlebten sie eine #220;berraschung. Die Eisfl#228;che setzte sich auf der anderen Seite des Berges nicht direkt fort. Vielmehr standen sie pl#246;tzlich am Rande eines lang gestreckten, tiefen Risses, auf dessen Grund Wasser schimmerte. »Eine warme Quelle?«, fragte er stirnrunzelnd. Kanuat sagte gar nichts und Trautman sch#252;ttelte den Kopf. »Wir sind hier nicht in Island«, sagte er. »Au#223;erdem m#252;sste das Wasser dann noch viel w#228;rmer sein.« »Dieser Fluss verschwindet im Berg«, sagte Kanuat und machte eine entsprechende Geste. »Seht.« Tats#228;chlich m#252;ndete der Riss in der Eisdecke in zwei-oder dreihundert Metern Entfernung in einer Art aus Eis gebildeter Tunnel#246;ffnung, die tiefer in den Berg der Geister hineinf#252;hrte. Von dort kam auch das Licht, das sie hierher gelockt hatte. Mike konnte seinen Ursprung jedoch immer noch nicht genau identifizieren, denn er lag tief unter der Wasseroberfl#228;che. Und er Mike hielt erschrocken die Luft an, als der Lichtschein f#252;r einen Moment wie eine suchende Hand in ihre Richtung tastete, sodass das Eis, auf dem sie alle drei standen, pl#246;tzlich von innen heraus aufzugl#252;hen schien. Dann aber glitt der Lichtstrahl weiter und verschwand unter dem Eis. Und dann glaubte Mike einen riesigen Schatten zu sehen, der durch die Tiefe des Wassers vor ihnen glitt. Das Eis unter ihren F#252;#223;en vibrierte, als etwas Gigantisches, Schwarzes vor#252;berglitt, dann verblasste auch der letzte Lichtschein. »Was ... war das?«, murmelte Mike. »Ich wei#223; es nicht«, sagte Kanuat. »Und ich glaube, ich will es gar nicht wissen«, f#252;gte Trautman hinzu. »Irgendetwas ist aus dem Berg herausgekommen, so viel steht fest.« Mike sah nachdenklich nach rechts. Nachdem der Lichtschein erloschen war, war der Tunneleingang wieder in der Dunkelheit verschwunden. Trotzdem hatte er sich seine Lage genau eingepr#228;gt. »Ich glaube, da war ein schmaler Streifen am Rand, an dem man entlanggehen kann«, sagte er. »Warum sehen wir uns nicht ein bisschen um?« »Meinetwegen«, sagte Trautman. »Aber seid blo#223; vorsichtig.« Als ob diese Warnung n#246;tig gewesen w#228;re! Sie bewegten sich langsam auf den Berg zu. Der Weg war weiter, als sie geglaubt hatten, sodass es zu d#228;mmern begann, bis sie den Eistunnel erreichten. Und auch er war gr#246;#223;er, als Mike angenommen hatte. Der Zenit des aus glitzerndem Wei#223; gebildeten Halbrunds befand sich sicher f#252;nfzehn Meter #252;ber ihren K#246;pfen und die H#246;hle, die dahinter in den Berg hineinf#252;hrte, musste gro#223; genug sein, um gleich zwei Schiffe von den Abmessungen der NAUTILUS aufzunehmen. Das Licht, das von au#223;en hineindrang, reichte nicht aus, um sie ganz zu #252;berblicken, aber Mike glaubte zumindest eine schimmernde wei#223;e Wand an ihrem Ende zu sehen. Eis. Was denn auch sonst? »Gehen wir hinein?«, fragte er. Trautman z#246;gerte. »Das gef#228;llt mir nicht«, sagte er. »Ich habe kein gutes Gef#252;hl.« »Es ist nur eine H#246;hle.« »Ja.« Trautman seufzte. »Wahrscheinlich hast du Recht. Ich werde wohl langsam alt.« Sie gingen weiter. Wie Mike es vorausgesehen hatte, gab es am Ufer des Sees, der sich im Inneren des Berges gebildet hatte, einen gut zwei Meter breiten, vollkommen leeren Streifen, auf dem sie bequem entlanggehen konnten. Dann und wann blieben Trautman oder auch Mike stehen und tauchten die Finger ins Wasser. »Das ist seltsam«, murmelte Trautman. »Es ist immer noch warm«, sagte Mike. Trautman nickte. »Es wird immer w#228;rmer, je weiter wir kommen. Wirklich sonderbar.« Vielleicht ist es doch eine hei#223;e Quelle, dachte Mike. Wenn sie tief genug unter Wasser lag, konnte das Quellwasser schon weit genug abgek#252;hlt sein, bis es die Oberfl#228;che erreichte, um nicht mehr zu kochen. Und dass Island als das Land der hei#223;en Quellen bekannt war, musste ja nicht bedeuten, dass es in Gr#246;nland Im gleichen Ma#223;e, in dem sie sich dem Ende der H#246;hle n#228;herten, stieg die Sonne drau#223;en h#246;her, sodass es ganz allm#228;hlich auch hier drinnen heller wurde. Mike sah seine Vermutung best#228;tigt: Die H#246;hle f#252;hrte zwei-oder dreihundert Meter weit in den Berg hinein und endete dann vor einer Wand aus massivem Eis. Im Grunde konnten sie es sich sparen, bis zu ihrem Ende zu gehen. Trotzdem taten sie es. Trautman blieb dicht vor der zerschundenen wei#223;en Barriere stehen, legte den Kopf in den Nacken und lie#223; seinen Blick aufmerksam #252;ber die Wand gleiten. »Wonach suchen Sie?«, fragte Mike. Statt zu antworten legte Trautman die flache Hand an die Wand und schloss die Augen. »Das ist seltsam«, murmelte er. »Was?«, fragte Mike. Da er wieder keine Antwort bekam, trat er kurz entschlossen neben Trautman an die Wand und tat das Gleiche wie er. »Es sieht aus wie Eis«, sagte er in #252;berraschtem Ton. »Aber es f#252;hlt sich nicht so an.« Er konnte jedoch nicht sagen, wie sich das vermeintliche Eis anf#252;hlte. Auf jeden Fall wie nichts, was er jemals gef#252;hlt hatte. »Sp#252;rst du es?«, fl#252;sterte Trautman. »Konzentrier dich!« Mike wusste nicht genau, worauf Trautman eigentlich hinauswollte, aber er schloss gehorsam die Augen und tat, was er verlangt hatte. Im ersten Moment f#252;hlte er nichts au#223;er K#228;lte und der schon fast unnat#252;rlichen Gl#228;tte des wei#223;en Materials; wie Glas und trotzdem vollkommen anders. Dann ... Etwas ... vibrierte. Tief unter der glatten K#228;lte des angeblichen Eises pochte eine unterd#252;ckte, aber gewaltige Kraft. Als schl#252;ge im Inneren des Berges ein gigantisches eisernes Herz, das im Moment vielleicht noch schlief, aber bald erwachen w#252;rde. »Wir sollten von hier verschwinden«, sagte Trautman. »Hier geht es sowieso nicht weiter.« »Und wer sagt uns, dass es einen anderen Eingang gibt?« »Niemand«, antwortete Trautman und drehte sich herum. Mit einem Male schien er es sehr eilig zu haben, die H#246;hle wieder zu verlassen. Trotzdem beherrschte er sich und ging den Weg, den sie gekommen waren, mit gemessenen Schritten zur#252;ck. Aber Mike war sicher, dass er am liebsten gerannt w#228;re. Pl#246;tzlich blieb Trautman wieder stehen und hob die Hand. »Ruhig!«, zischte er. »Da ist etwas!« Mike sah sich alarmiert um – und h#228;tte um ein Haar fast aufgeschrien. Noch vor wenigen Minuten hatten sie vor der Eiswand gestanden und sie waren allein gewesen. Jetzt standen f#252;nf oder sechs M#228;nner in wei#223;en Felljacken da. Au#223;erdem hatten sie Gewehre in den H#228;nden, mit denen sie in ihre Richtung zielten ... Stimmen auf. Mike konnte nicht genau verstehen, was die M#228;nner schrien, aber er begriff immerhin, dass sie ihnen in deutscher Sprache nachbr#252;llten, und es geh#246;rte nicht besonders viel Fantasie dazu, sich den Rest zusammenzureimen. Vor allem nicht mehr, als sie zu schie#223;en begannen. »Stehen bleiben!«, br#252;llten drei, vier Stimmen gleichzeitig hinter ihnen. »Sofort anhalten!« »Den Teufel werden wir tun!«, keuchte Trautman. »Rennt, was ihr k#246;nnt!« Das musste er weder Mike noch Kanuat eigens sagen. Die Soldaten schossen immer heftiger. Einige Kugeln verfehlten sie so knapp, dass Mike das h#228;ssliche Ger#228;usch h#246;ren konnte, mit dem sie durch die Luft zischten. Die deutschen Soldaten waren vielleicht keine besonders guten Sch#252;tzen, aber es war nur eine Frage der Zeit, bis sie durch einen reinen Zufall getroffen wurden. Es passierte, als sie den Ausgang fast erreicht hatten. Trautman, der nur wenige Schritte vor ihm herst#252;rmte, taumelte einmal kurz und griff sich mit der Hand an den linken Oberarm. Mike sah, wie Blut zwischen Trautmans Fingern hindurchquoll und seine Jacke dunkel f#228;rbte. »Trautman!«, keuchte er. »Sind Sie –!« »Das ist nur ein Kratzer!«, schrie Trautman zur#252;ck. »Lauft weiter!« Endlich waren sie im Freien, st#252;rmten nach links und waren f#252;r einen Moment wenigstens aus dem Schussfeld der Soldaten heraus. Vor ihnen lag jetzt wieder ein Gewirr von Eisbrocken und -spalten, in dem es ihnen vielleicht m#246;glich war, ihren Verfolgern zu entgehen. Trotz seiner Verletzung st#252;rmte Trautman so schnell voran, dass Mike und Kanuat M#252;he hatten, Schritt zu halten. Aber Mike machte sich nichts vor: Trautman blutete heftig. Selbst wenn er nicht wirklich schwer verletzt war, w#252;rde ihn der Blutverlust rasch schw#228;chen. Sie brauchten einen Ort, an dem sie sich vor den deutschen Soldaten verstecken konnten. Mittlerweile hatten auch die Soldaten den Tunnel verlassen und er#246;ffneten wieder das Feuer. Das Gel#228;nde gab ihnen einigerma#223;en Deckung, sodass die meisten Sch#252;sse harmlos vor#252;berpfiffen, aber zwei-oder dreimal spritzten auch in unangenehmer N#228;he Splitter aus dem Eis. Dazu kam, dass sie immer wieder auf dem glatten Eis ausrutschten und hinfielen. Aber sie konnten es nicht wagen, langsamer zu werden. »Da oben!« Kanuat deutete auf eine Stelle vielleicht zehn oder f#252;nfzehn Meter #252;ber ihnen, an der ein gezackter Riss die Eiswand spaltete. Dahinter schimmerte Tageslicht. Wenn sie es schafften, dort hinaufzukommen, hatten sie vielleicht eine Chance. Mike tauschte einen bezeichnenden Blick mit Kanuat. Der Inuit nickte unmerklich. Sie st#252;rmten los, nahmen Trautman in die Mitte und beschleunigten ihre Schritte noch weiter, so gut es auf dem immer steiler werdenden Eis #252;berhaupt m#246;glich war. Trautman keuchte vor Schmerz, tat aber trotzdem sein M#246;glichstes. Auf dem letzten St#252;ck wurde der Weg so steil, dass sie beinahe auf H#228;nden und Knien kriechen mussten. Aber die schiere Todesangst gab ihnen die Kraft, es irgendwie zu schaffen. Oben angekommen waren sie so ersch#246;pft, dass sie sich f#252;r einen Moment zu Boden sinken lassen mussten, um zu Atem zu kommen. Trautman presste die Hand auf seinen verletzten Arm und biss die Z#228;hne zusammen. Er sagte nichts, aber sein Gesicht war mittlerweile fast grau geworden und trotz der K#228;lte war sein Gesicht schwei#223;nass. »Wie geht es Ihnen?«, fragte Mike. Trautman verzog das Gesicht zu etwas, was ein L#228;cheln sein sollte. »Ich habe mich selten besser gef#252;hlt«, sagte er. »Warum fragst du?« »H#246;rt auf zu reden!« Kanuat deutete nach unten. »Sie kommen. Wir m#252;ssen weiter!« »Ich schaffe es nicht«, sagte Trautman. »Lasst mich hier. Ich versuche sie aufzuhalten.« »Unsinn!«, widersprach Mike. »Ich bin nicht mitgekommen, um Sie im Stich zu lassen, sondern um Ihnen zu helfen.« »Aber du hilfst mir nicht, wenn du dich auch gefangen nehmen l#228;sst!«, antwortete Trautman. »Schlagt euch zur K#252;ste durch. Ihr m#252;sst die NAUTILUS finden. Und dann sagst du Singh, dass genau das passiert ist, wovor wir uns seit f#252;nf Jahren gef#252;rchtet haben. Er wei#223; dann schon, was zu tun ist.« »Also doch«, sagte Mike. »Sie haben die ganze Zeit #252;ber –« »Das ist jetzt wirklich nicht der Moment, Mike!« Das Schlimme ist, dass er Recht hat, dachte Mike. In jeder Beziehung. Jetzt war weder der Moment f#252;r Erkl#228;rungen noch konnten sie Trautman mitnehmen. Er wurde immer schw#228;cher. Ihre Verfolger w#252;rden sie binnen weniger Minuten einholen. »Haut schon ab!«, schnappte Trautman. »Macht euch keine Sorgen um mich! Sie werden mir nichts tun. Vom Dorff kann es sich gar nicht leisten, mich umzubringen. Nicht bevor ich ihm verraten habe, was ihr wisst. Und das werde ich ganz bestimmt nicht tun!« Wie um seine Worte noch zu unterstreichen, erschien in diesem Augenblick der Kopf des ersten deutschen Soldaten #252;ber der Eiskante. Kanuat boxte ihm auf die Nase. Der Mann schrie auf, lie#223; seinen Halt los und kippte nach hinten. Zur Antwort krachte unten eine ganze Salve Gewehrsch#252;sse und Kanuat zog hastig den Kopf ein. »Weg hier!« Mike z#246;gerte noch einen letzten Moment, aber dann sah er endlich ein, dass sie nichts mehr f#252;r Trautman tun konnten. Hastig sprang er auf und folgte Kanuat. Trotzdem hatte er das Gef#252;hl, dass er einen guten Freund im Stich gelassen hatte. Der Spalt f#252;hrte ungef#228;hr f#252;nfzehn Meter tief in den Eisberg hinein und auf der anderen Seite wieder hinaus. Statt des erwarteten Gewirrs aus Kanten und rei#223;enden Spitzen befand sich vor ihnen eine schr#228;ge, vollkommen glatte Fl#228;che, #252;ber die sie wie auf einer von der Hand der Natur modellierten Rutschbahn in die Tiefe schlittern konnten. Unten angekommen sprangen sie sofort wieder auf die F#252;#223;e und hetzten weiter. Mike sah mit klopfendem Herzen #252;ber die Schulter zur#252;ck. Der Felsspalt, aus dem sie herausgekommen waren, blieb leer. Entweder es war Trautman tats#228;chlich gelungen, ihre Verfolger aufzuhalten, oder sie hatten die Jagd abgebrochen und gaben sich mit einem Gefangenen zufrieden. Zu seiner Erleichterung h#246;rte er jedoch auch keine weiteren Sch#252;sse. Trotzdem rannten sie noch eine ganze Weile weiter, ehe sie es zum ersten Mal wagten, anzuhalten. Mike lie#223; sich schwer atmend auf einen Eisklotz sinken, w#228;hrend Kanuat trotz der kr#228;ftezehrenden Hetzjagd noch geradezu unversch#228;mt frisch wirkte. »Haben wir es geschafft?«, keuchte Mike. »F#252;r den Moment«, sagte Kanuat. »Aber sie werden nicht aufgeben. Wir sind noch nicht in Sicherheit.« »Ich brauche einen Moment Ruhe«, presste Mike hervor. Sein Herz raste, als wollte es jeden Moment aus seinem Hals herausspringen. »Sind wir ... weit von deinem Schlitten entfernt?« Kanuat sah sich einen Moment unschl#252;ssig um, ehe er antwortete. »Ehrlich gesagt wei#223; ich es nicht«, gestand er. »Sie haben sich verirrt?« Das stimmt, dachte Mike niedergeschlagen. In dem Gewirr bizarr geformter Eisstrukturen und Spalten war es wahrscheinlich vollkommen unm#246;glich, sich nicht zu verirren. »Der Schlitten w#252;rde uns sowieso nichts nutzen«, murmelte er. »Sie w#252;rden uns sofort sehen, wenn wir uns auf das Eis hinauswagen.« Er sah Kanuat Verzeihung heischend an. »Es tut mir Leid.« »Was?« »Dass wir Sie in diese Situation gebracht haben«, sagte Mike. »Sie h#228;tten auf Ihre innere Stimme h#246;ren und uns davonjagen sollen. Wir hatten kein Recht, Sie um Hilfe zu bitten.« »Es war meine Entscheidung«, antwortete Kanuat. »Au#223;erdem ist es sinnlos, einmal gemachte Fehler zu bejammern.« Mike war ein bisschen entt#228;uscht. Er hatte gehofft, dass Kanuat ihm heftiger widersprechen w#252;rde. Stattdessen fuhr der Inuit fort: »Es muss einen Weg in diesen Berg hinein geben. Jetzt, da wir wissen, dass es ihn gibt, werden wir ihn auch finden.« »Wenn die Deutschen uns nicht vorher einfangen.« Mike stand auf. »Aber Sie haben Recht. Je eher wir mit der Suche anfangen, desto –« Der Boden unter ihm gab nach. Das vermeintlich massive Eis, auf das er den Fu#223; setzte, erwies sich als kaum fingerdicke Schicht, die unter seinem Gewicht wie Glas zersplitterte. Darunter kam ein gut metergro#223;er, kreisrunder Schacht zum Vorschein, der im steilen Winkel in eine bodenlose Tiefe hinabf#252;hrte. Mike schrie auf, warf sich in einer verzweifelten Bewegung zur#252;ck und griff nach irgendeinem Halt. Kanuat seinerseits griff mit beiden H#228;nden zu, bekam im buchst#228;blich allerletzten Moment Mikes Handgelenk zu fassen – und machte die Katastrophe damit komplett. Kanuat war alles andere als ein Schw#228;chling, aber auf dem spiegelglatten Boden fand er einfach nicht den Halt, der notwendig gewesen w#228;re, um Mike aufzufangen. Statt seinen Sturz zu bremsen, wurde er ebenfalls aus dem Gleichgewicht gerissen und st#252;rzte zusammen mit ihm hilflos in die Tiefe. Der Aufprall h#228;tte zweifellos ihr Ende bedeutet, w#228;re der Schacht bis zum Ende so senkrecht verlaufen wie oben. Seine Neigung nahm jedoch mehr und mehr ab, sodass sie bald mehr durch die R#246;hre schlitterten als st#252;rzten, und am Ende gab es nur noch eine sanfte Neigung. Der Schacht endete in weniger als einem halben Meter H#246;he in einer senkrechten Wand aus Stein. Statt des t#246;dlichen Aufpralls, auf den Mike gefasst war, plumpsten sie nur unsanft zu Boden. Trotzdem blieb Mike fast eine Minute lang reglos liegen und lauschte in sich hinein. Es dauerte eine Weile, bis er sich eingestand, noch am Leben zu sein. Vorsichtig #246;ffnete er die Augen, richtete sich behutsam auf und sah sich um. Im ersten Moment war er dann doch nicht mehr sicher, noch am Leben zu sein; oder doch zumindest nicht mehr bei klarem Verstand. Was er sah, war so unglaublich, dass es ebenso gut aus einem Traum h#228;tte stammen k#246;nnen. Sie befanden sich in einer riesigen, ganz aus bl#228;ulich schimmerndem Eis bestehenden H#246;hle, deren Decke an ihrem h#246;chsten Punkt sicher hundert oder mehr Meter #252;ber ihnen war. Und diese H#246;hle war keineswegs leer. Rings um sie herum erhoben sich m#228;chtige, uralte Geb#228;ude aus gewaltigen Steinquadern. Ihre Architektur war unheimlich, durch und durch fremd und bizarr und doch auf sonderbare Weise vertraut. Viele der Geb#228;ude glichen wuchtigen Steinpyramiden, aber es gab auch T#252;rme, gewaltige, quadratische Bauten und Geb#228;ude von einer Form, die er nicht einmal in Worte fassen konnte, geschweige denn schon einmal gesehen hatte. Und trotzdem hatte er das unheimliche Gef#252;hl, dass ihm diese Stadt nicht fremd war. »Bei den Geistern des Nordwinds«, fl#252;sterte Kanuat ersch#252;ttert. »Was ist das?« Statt zu antworten – was er ohnehin nicht wirklich gekonnt h#228;tte – stand Mike ganz auf und sah sich ein zweites Mal um. Die riesigen, rechteckigen Steinquadern, aus denen die Geb#228;ude bestanden, mussten jeder f#252;r sich mindestens eine Tonne wiegen und waren von unheimlicher, dunkelgr#252;ner Farbe. Fr#252;her einmal mussten ihre Oberfl#228;chen kunstvoll gearbeitete Reliefs und Bilder aufgewiesen haben, aber die Zeit hatte die Schriftzeichen und Verzierungen nahezu unkenntlich gemacht. Die Stadt musste unvorstellbar alt sein. Viele Geb#228;ude lagen trotz ihrer massiven Bauweise in Tr#252;mmern, viele andere waren halb vom Eis eingeschlossen oder ragten gar nur noch zu kleinen Teilen aus den W#228;nden. Mehr als einmal konnte Mike nicht mit Sicherheit sagen, ob er nun Stein oder Eis betrachtete. Das vielleicht Unheimlichste #252;berhaupt aber war, dass diese Stadt keineswegs leer und verlassen war, sondern ganz offensichtlich Bewohner hatte. Ein Teil des Lichtes, das die im ewigen Eis eingeschlossene Stadt erhellte, kam direkt aus den W#228;nden, die zwar dick waren, das Sonnenlicht aber doch nicht vollkommen verscheuchten. In zahlreichen Geb#228;uden brannte aber auch Licht. Au#223;erdem war es erstaunlich warm. Mike hatte schon nach einigen Augenblicken das Bed#252;rfnis, seine Jacke auszuziehen. »Unglaublich«, murmelte Kanuat. »Das ist ... Zauberei. Kein Mensch hat so etwas je gesehen!« »Das stimmt nicht«, antwortete Mike. Pl#246;tzlich wusste er es. Als h#228;tten seine eigenen Worte die Erinnerungen heraufbeschworen, wusste er jetzt, wo er diese Geb#228;ude schon einmal gesehen hatte. Sie waren nicht ann#228;hernd so gut erhalten gewesen, sondern beinahe nur noch Tr#252;mmer, und es war sehr lange her, aber es war dieselbe fremdartige Architektur. »Atlantis«, sagte er. Kanuat sah ihn fragend an. »Was soll das sein?« »Das ist eine Stadt der Atlanter«, sagte Mike. »Genau so sah es auf der Insel aus, auf der wir die NAUTILUS gefunden haben. W#252;rdest du glauben, dass diese Stadt mindestens zehntausend Jahre alt ist? « »Eine Stadt des Alten Volkes?« »Ihr wisst davon?«, fragte Mike #252;berrascht. »So wie ihr auch«, antwortete Kanuat. »Jedes Volk kennt die Legende von denen, die vor uns da waren. Auch eure.« Er machte eine Geste, als Mike etwas sagen wollte. »Jetzt ist nicht der Moment f#252;r alte Geschichten. Jemand kommt.« Mike verschwendete keine Zeit damit, sich von der Wahrheit dieser Behauptung zu #252;berzeugen, sondern lief auf das n#228;chste Geb#228;ude zu und huschte durch die T#252;r. Kanuat folgte ihm dichtauf und sie pressten sich nebeneinander an die Wand. Mike legte den Zeigefinger #252;ber die Lippen. Das Innere des Geb#228;udes bot einen kaum weniger bizarren Anblick als sein #196;u#223;eres. Sie befanden sich in einem sehr gro#223;en, asymmetrisch geformten Raum ohne Decke, in dem gleich mehrere Treppen in die H#246;he f#252;hrten. Oder auch nicht. Jede dieser Treppen hatte unterschiedlich gro#223;e und breite Stufen und zumindest eine davon f#252;hrte in eine Richtung, die er einfach nicht benennen konnte. Mike sah allerdings auch nicht sehr aufmerksam hin. Er hatte mehr als einmal erlebt, was die atlantische Architektur einem menschlichen Geist antun konnte, wenn man den Fehler beging, sie aufmerksam zu studieren. Stattdessen konzentrierte er sich lieber auf das, was sich drau#223;en vor dem Geb#228;ude abspielte. Er h#246;rte Stimmen und n#228;her kommende Schritte. Einige M#228;nner unterhielten sich auf Deutsch. Nach einigen weiteren Augenblicken konnte sie diese dann auch sehen. Er war kein bisschen #252;berrascht, als er erkannte, dass es sich um deutsche Marinesoldaten handelte. Die M#228;nner gingen ohne Hast nebeneinander her und kamen ihrem Versteck dabei so nahe, dass Mike sogar den Schriftzug auf ihren Schirmm#252;tzen erkennen konnte. Er lautete: »U37«. Er wartete, bis die beiden M#228;nner wieder au#223;er H#246;rweite waren, dann wandte er sich mit grimmigem Gesichtsausdruck an Kanuat. »Da haben Sie Ihre Geister«, sagte er. »Die M#228;nner kommen von Berghoffs Schiff. Wahrscheinlich haben sie diese Stadt schon vor einer ganzen Weile entdeckt. Kein Wunder, dass sie sich solche M#252;he geben, dieses Geheimnis um jeden Preis zu bewahren!« »Warum?«, fragte Kanuat. »Sie haben die NAUTILUS doch gesehen«, antwortete Mike. »Die alten Atlanter waren technisch viel weiter als wir! Unvorstellbar, wenn sie hier auch so etwas gefunden h#228;tten!« »Wer sagt dir, dass sie es nicht haben?«, fragte Kanuat. »Die Tatsache, dass wir noch am Leben sind«, antwortete Mike. »Kommen Sie! Die Kerle sind weg! Vielleicht finden wir ja heraus, wo sie Trautman hingebracht haben.« Nach einem letzten, sichernden Blick in die Runde verlie#223;en sie ihr Versteck und bewegten sich vorsichtig auf das Zentrum der Stadt zu; genauer gesagt das, was Mike daf#252;r hielt. Zuerst trafen sie auf keine weiteren Menschen, aber ihre Spuren waren un#252;bersehbar. Hier und da lagen Papierfetzen, leere Konservendosen oder achtlos liegen gelassene Ausr#252;stungsteile, leere Zigarettenschachteln und abgebrannte Streichh#246;lzer, einmal sogar ein Paar Schuhe, das jemand einfach in einem Winkel abgestellt und offensichtlich vergessen hatte. Mike fand den Anblick aber weniger komisch, als dass er ihn regelrecht w#252;tend machte. Diese Stadt hatte zehntausend Jahre unber#252;hrt im Eis gelegen und sie hatte diese unendlich lange Zeit nahezu schadlos #252;berstanden. Und wie es schien, zu dem einzigen Zweck, den deutschen Soldaten als M#252;llkippe zu dienen. Was er f#252;r das Stadtzentrum gehalten hatte, das mochte es fr#252;her auch einmal gewesen sein. Nun aber konzentrierten sich die meisten Lichter und die Quelle der gr#246;#223;ten Aktivit#228;ten auf einen Bereich am anderen Ende der Stadt. Der Weg dorthin betrug sicher eine Viertelstunde und sie w#252;rden schon verdammt viel Gl#252;ck brauchen, um nicht einem deutschen Soldaten in die Arme zu laufen oder auf irgendeine andere Weise aufzufallen. Trotzdem z#246;gerte Mike nicht einmal eine Sekunde. Sie mussten irgendwie hier heraus und sie mussten Trautman finden und beides war nur m#246;glich, wenn sie sich ersteinmal einen #220;berblick verschafften, wo sie waren und mit wem sie es #252;berhaupt zu tun hatten. Eines wurde Mike schon bald klar: In dieser Stadt hielt sich nicht nur die Besatzung von Berghoffs »U37« auf. Der Ort musste einmal Platz f#252;r Tausende von Menschen geboten haben. Jetzt standen zwar die meisten Geb#228;ude leer, aber Mike sch#228;tzte, dass immer noch mindestens zwei-bis dreihundert Menschen hier lebten; eine Menge Soldaten, aber auch viele Zivilisten. Einige davon waren mit Dingen besch#228;ftigt, die Mike zwar nicht ganz verstand, aber einen irgendwie wissenschaftlichen Eindruck machten. Offenbar nutzte das Kaiserreich diese Station nicht Aber ein gro#223;er Trost war das nicht. Im Gro#223;en und Ganzen durchquerten sie die Stadt unbehelligt. Einige Male mussten sie sich verstecken, um nicht entdeckt zu werden. Aber schlie#223;lich hatten sie die im Eis eingeschlossene Stadt zur G#228;nze durchquert. Mike war kein bisschen #252;berrascht, als sie auf der anderen Seite auf einen k#252;nstlich angelegten Hafen stie#223;en; ein lang gestrecktes, rechteckiges Becken, das vor einer Wand aus schimmerndem Eis endete. Oder etwas, was wenigstens wie Eis aussah. Was ihn hingegen wie ein Faustschlag traf und ihn f#252;r einen Moment selbst das Atmen vergessen lie#223;, das war der Anblick der beiden Schiffe, die darin lagen. Eines davon war die »U37«, Berghoffs Unterseeboot, das sie schon im Hafen von Sadsbergen gesehen hatten. Das Schiff ragte jetzt ein gutes St#252;ck weiter aus dem Wasser, sodass Mike seine erstaunliche Gr#246;#223;e und die wuchtige Form deutlicher erkennen konnte. Das Schiff war viel gr#246;#223;er, als er bisher geglaubt hatte. Trotzdem wirkte es wie ein Zwerg gegen den graugr#252;nen, bizarr geformten Koloss, der unmittelbar daneben aus dem Wasser ragte, riesig, glotz#228;ugig und von einem gezackten Stahlkamm gekr#246;nt, der von dem gef#228;hrlichen Rammsporn am Bug bis zu der an einen Haifischschwanz erinnernden Heckflosse reichte. »Gro#223;er Gott!«, fl#252;sterte Mike. »Aber das ist doch... unm#246;glich!« »Das ist euer Schiff«, sagte Kanuat verwirrt. Mike starrte das gigantische U-Boot aus weit aufgerissenen Augen an. Seine Gedanken rasten, #252;berschlugen sich und drehten sich im Kreis, ohne zu einem wie auch immer gearteten Ergebnis zu kommen. Aber dann sch#252;ttelte er den Kopf. »Nein«, murmelte er. »Das ist nicht die NAUTILUS. Sie W#228;hrend Vom Dorff redete, hatten sich Mike und Kanuat langsam herumgedreht. Der deutsche Handelsattach#233; stand keine drei Schritte hinter ihm und er war keineswegs allein gekommen. Gleich vier Soldaten hatten rechts und links von ihm Aufstellung genommen und zielten mit ihren Gewehren auf sie. »Wie lange beobachten Sie uns eigentlich schon?«, fragte Mike. Vom Dorff zuckte die Achseln. »Lange genug«, sagte er. »Ich hoffe doch, eure kleine Rutschpartie war nicht zu unsanft. Du h#228;ttest wirklich auf einem leichteren Weg hier hereinkommen k#246;nnen. Warum hast du nicht einfach geklopft?« Mike sah sich verstohlen um. Abgesehen von Vom Dorff und seinen vier Soldaten war die Kaimauer vollkommen leer. Mit ein bisschen Gl#252;ck konnte er den Sprung ins Wasser schaffen. »Versuch es erst gar nicht«, sagte Vom Dorff, als h#228;tte er seine Gedanken gelesen. »Selbst wenn dich meine Soldaten nicht erschie#223;en, k#228;mst du nicht sehr weit. Das Fluttor reicht unter Wasser bis zum Grund des Hafenbeckens und es gibt keinen anderen Ausgang aus der Stadt. Du w#252;rdest dir nur vollkommen sinnlos eine Erk#228;ltung einhandeln.« »Spielt das eine Rolle?«, fragte Mike. »Ich meine: Es ist doch eigentlich egal, ob Sie mich mit oder ohne Triefnase erschie#223;en lassen.« »Erschie#223;en lassen?« Vom Dorff blinzelte. »Wie kommst du darauf, dass ich so etwas vorhabe?« »Sie werden mich bestimmt nicht einfach laufen lassen, oder?« »Bestimmt nicht«, antwortete Vom Dorff. »Aber ich habe auch nicht vor, dich und deine Freunde umzubringen. Du h#246;rst anscheinend viel zu oft den britischen Propagandasender, wie?« »Was haben Sie denn mit uns vor?«, fragte Kanuat. Vom Dorff seufzte. »Wenn ich das w#252;sste. Ich muss gestehen, dass ihr mich vor gro#223;e Probleme stellt. Ich kann euch nicht laufen lassen, wie ihr bestimmt einsehen werdet, aber ich kann euch auch nicht umbringen. Ich f#252;rchte, ich werde euch f#252;r eine Weile bitten m#252;ssen, mit unserem G#228;stequartier vorlieb zu nehmen. Wenigstens, bis ich mich entschieden habe, was mit euch geschieht.« »Und wie lange wird das sein?«, fragte Mike. »So ungef#228;hr zwanzig oder drei#223;ig Jahre? Oder nur so lange, bis Deutschland mit Hilfe der WOTAN den Krieg gewonnen hat?« »Du urteilst wieder vorschnell«, sagte Vom Dorff. »Aber dieser Fehler ist verst#228;ndlich.« »Was haben Sie mit Trautman gemacht?«, fragte Mike. »Was n#246;tig war«, antwortete Vom Dorff. »Euer Freund ist ziemlich #252;bel verletzt, aber das habt ihr ja bestimmt schon selbst gemerkt. Wir haben ihn in die Krankenstation gebracht. Macht euch keine Sorgen.Wir haben sehr gute #196;rzte hier.« Er machte eine auffordernde Geste. »Muss ich euch in Ketten legen lassen oder erspart ihr uns allen diese Peinlichkeit?« Mike starrte ihn w#252;tend und wortlos an, trat dann aber gehorsam auf Vom Dorff zu und folgte ihm. Auf dem ersten St#252;ck bewegten sie sich genau den Weg zur#252;ck, den sie gekommen waren, dann aber steuerten sie auf eines der gro#223;en Geb#228;ude in der N#228;he des Hafens zu: eine gewaltige, leicht asymmetrisch wirkende Pyramide, hinter deren zahlreichen Fenstern wei#223;e und gelbe Lichter brannten. Sie wurden getrennt, als sie das Haus betraten. Vom Dorff versicherte ihm noch einmal, dass Kanuat kein Haar gekr#252;mmt w#252;rde, bestand aber darauf, den Inuit von seinen Soldaten in den Keller der Pyramide bringen zu lassen. Mike musste ihm die Treppe hinauf in einen kleinen, erstaunlich gem#252;tlicheingerichteten Raum folgen. Zu Mikes #220;berraschung lie#223; Vom Dorff die beiden Soldaten drau#223;en auf dem Flur zur#252;ck, als er die T#252;r hinter sich und Mike schloss. »Nur Sie und ich?«, fragte Mike sp#246;ttisch. »Ganz allein? Haben Sie gar keine Angst?« »Ich bin drei#223;ig Jahre #228;lter als du, mein Junge«, sagte Vom Dorff, w#228;hrend er um den Schreibtisch herum ging und sich setzte. »Vielleicht kann ich ja Judo«, antwortete Mike. »Oder Karate.« »Ja und ich trage den schwarzen G#252;rtel in Mikado«, sagte Vom Dorff sp#246;ttisch. »Lass uns doch mit diesem Unsinn aufh#246;ren, Mike. Bitte setz dich. Wir haben zu reden.« Mike r#252;hrte sich nicht, sondern starrte Vom Dorff nur weiter b#246;se an. Nach ein paar Sekunden wurde ihm jedoch selbst klar, wie albern dieses Benehmen war. Widerwillig zog er sich einen Stuhl heran und setzte sich. »Bist du hungrig?«, fragte Vom Dorff. Mike wollte schon aus reinem Trotz den Kopf sch#252;tteln, nickte aber dann. Schlie#223;lich hatte er nichts zu verlieren, wenn er damit aufh#246;rte, den Trotzkopf zu spielen. »Das ist gut«, sagte Vom Dorff. »Ich n#228;mlich auch.« Er dr#252;ckte einen Knopf auf seinem Schreibtisch. An der Wand hinter ihm leuchtete ein winziger Bildschirm auf und ein ernst dreinblickender Mann fragte nach Vom Dorffs W#252;nschen. Der Attach#233; bestellte zwei Mahlzeiten und schaltete das Ger#228;t dann wieder ab. Grinsend wandte er sich an Mike. »Diese atlantische Technik ist schon etwas Tolles«, sagte er. »Unvorstellbar, dass dieses Volk trotz seiner Macht so einfach untergegangen ist, findest du nicht auch?« »Vielleicht geht es Deutschland ja auch so«, sagte Mike b#246;se. »Dem Kaiserreich?« Vom Dorff l#228;chelte nachsichtig. »Du verstehst offenbar immer noch nicht, wie? Wir haben nichts mit dem Kaiserreich zu schaffen.« »Aber die gt;U37lt; und die PRINZ FERDINAND –« »Kapit#228;nleutnant Berghoff und Hansen sind gute alte Freunde von mir«, unterbrach ihn Vom Dorff. »Die Regierung in Berlin hat keine Ahnung von alledem hier.« Mike starrte ihn mit offenem Mund an. »Die Regierung –?« »Wei#223; nichts davon«, wiederholte Vom Dorff. »Und das sollte auch noch eine ganze Weile so bleiben. Aus diesem Grund hoffe ich ja auch, dass wir uns auf einer vern#252;nftigen Basis einigen.« »Und wie ... soll diese Basis aussehen?«, fragte Mike stockend. Er war vollkommen perplex. Er hatte mit allem gerechnet – aber nicht haben gewisse Schwierigkeiten, diese erstaunliche Technik in allen Einzelheiten zu verstehen. Wir k#246;nnten uns sozusagen gegenseitig von Nutzen sein.« »Ich soll Ihnen helfen, atlantische Technologie zu verstehen?«, vergewisserte sich Mike. »Warum sollte ich das wohl tun?« »Zum Beispiel, um die Bedingungen deines Aufenthaltes hier zu verbessern«, antwortete Vom Dorff. »Und nat#252;rlich das deiner Freunde.« »Abgesehen von Trautman sind sie nicht einmal hier«, antwortete Mike. »Und Trautman w#252;rde mir den Kopf abrei#223;en, wenn ich seinetwillen die anderen verrate.« »Was mich gleich zur n#228;chsten Frage bringt«, sagte Vom Dorff unger#252;hrt. »Wo ist die NAUTILUS?« »Weg«, antwortete Mike. »Trautman und ich sind auf eigene Faust losgezogen.« Vom Dorff machte sich nicht einmal die M#252;he, auf diese l#228;cherliche Ausrede zu reagieren. »Fr#252;her oder sp#228;ter erwischen wir sie ja doch«, sagte er. »Wenn du deinen Freunden einen Gefallen tun willst, dann solltest du eher daf#252;r sorgen, dass es ihnen nicht so ergeht wie dem alten Trautman.« Diese Wortwahl kam Mike irgendwie seltsam vor, aber er war #252;ber Vom Dorffs Vorschlag viel zu emp#246;rt, um mehr als einen einzigen fl#252;chtigen Gedanken daran zu verschwenden. Mike lie#223; alle Vorsicht fahren und gab Vom Dorff die scharfe Antwort, die ihm geb#252;hrte. »Ich will Trautman sehen«, endete er. »Vorher r#252;hre ich mich nicht hier weg.« »Dann d#252;rfte es dir schwer fallen, mich in die Krankenstation zu begleiten«, antwortete Vom Dorff l#228;chelnd. »Die Krankenstation?« »Nat#252;rlich. Du wolltest doch Trautman sehen, oder?« Vom Dorff hielt tats#228;chlich Wort. Die beiden Soldaten, die Mike abholten, brachten ihn nicht sofort in eine Gef#228;ngniszelle, sondern eskortierten ihn zur Krankenstation der Stadt, wo er Trautman fand, aber er konnte nicht mit ihm reden. Trautman schlief und Mike wollte ihn nicht eigens wecken. Aber immerhin #252;berzeugte er sich mit eigenen Augen davon, dass Trautman tats#228;chlich die beste Pflege bekam, die hier m#246;glich war. Nicht dass ihn diese Erkenntnis irgendwie sanfter stimmte. Vom Dorff w#252;rde ihm wahrscheinlich jeden Wunsch erf#252;llen, bis er ihm gesagt hatte, was er wissen wollte. Nach seinem Abstecher zu Trautman brachten ihn die Soldaten in den Keller des Geb#228;udes, wo die Gef#228;ngniszellen lagen – und Die Stadt unter dem Eis schien eine eigene Zeitrechnung zu haben, die sich von der drau#223;en geh#246;rig unterschied, denn die allermeisten Gefangenen lagen auf ihren Pritschen oder auch auf dem nackten Fu#223;boden und schliefen. Nur einige wenige hoben m#252;de den Kopf oder blinzelten in seine Richtung, ohne ihm auch nur einen zweiten Blick zu g#246;nnen. Die Ankunft eines neuen Gefangenen schien hier unten nichts Besonderes zu sein. Mike war ganz froh dar#252;ber. Er war sehr m#252;de und hatte keine Lust mehr zu reden. Hinter seiner Stirn #252;berschlugen sich die Gedanken. Er war noch nicht so weit es sich einzugestehen, aber Tatsache war, dass er sich in einer nahezu aussichtslosen Lage befand. Sicher, nicht zum ersten Mal – aber es war selten so schlimm gewesen wie heute. Vom Dorff und die anderen hatten eindeutig alle Vorteile auf ihrer Seite. Um sich von seinen d#252;steren Gedanken abzulenken, w#228;lzte er sich auf der unbequemen Pritsche auf die Seite und sah sich um. Durch die Gitterst#228;be seines Gef#228;ngnisses konnte er in etliche der anderen Zellen hineinsehen. Bei einigen Gefangenen handelte es sich sicherlich um Mitglieder der verschollenen Expedition, aber er sah auch M#228;nner in Marineuniformen und schmuddeligen Lumpen. Ungeachtet seiner zur Schau getragenen Gro#223;mut schien Vom Dorff ein ziemlich strenges Regime zu f#252;hren. Mit diesem Gedanken schlief er ein. Und erwachte, als jemand seine Zelle betrat und derart laut mit etwas herumklapperte, dass man meinen konnte, der ganze Berg #252;ber ihnen w#228;re zusammengebrochen. Mike #246;ffnete verschlafen die Augen, setzte sich g#228;hnend auf und bekam gerade noch mit, wie seine Zellent#252;r wieder zugeschlagen wurde. Als er die Beine von der Pritsche schwang, w#228;re er um ein Haar in einen flachen Blechteller getreten, den der Mann zur#252;ckgelassen hatte. Jedenfalls wusste er jetzt, was der Grund f#252;r die Aufregung war. Die unappetitliche w#228;ssrige Br#252;he, die in dem Teller schwappte, stellte offensichtlich sein Fr#252;hst#252;ck dar. Abgesehen von ihm selbst waren alle anderen Gefangenen schon emsig damit besch#228;ftigt, ihre Suppe lautstark auszuschl#252;rfen – wahrscheinlich die einzige M#246;glichkeit, Suppe zu sich zu nehmen, wenn man keinen L#246;ffel hatte. Der Gefangenenw#228;rter hatte kein Besteck dazugetan. Der Anblick der Suppe regte nicht unbedingt Mikes Appetit an, sodass er die Gelegenheit nutzte, sich gr#252;ndlich umzusehen. Der Mann, der in der Zelle neben ihm sa#223;, kam ihm auf sonderbare Weise bekannt vor, obwohl er sein Gesicht gar nicht richtig erkennen konnte, denn er sa#223; so auf dem Rand seiner Pritsche, dass er nicht in Mikes Richtung sah. Au#223;erdem war es vollkommen ausgeschlossen, dass sie sich kannten. Seine Erinnerung spielte ihm wohl einen Streich. Mike wandte sich den M#228;nnern in der Zelle auf der anderen Seite zu. Er war ziemlich sicher, es dabei mit Mitgliedern genau der Expedition zu tun zu haben, die sie suchten. Sie trugen zerschlissene, vollkommen verdreckte Winterkleidung, die ganz den Eindruck machte, als h#228;tten sie sie seit einem Jahr nicht mehr gewechselt, und auch ihr Haar und ihre Barte waren lang und ungepflegt. Nach einer Weile schien sein Starren den M#228;nnern wohl aufzufallen, denn pl#246;tzlich lie#223; einer von ihnen seinen Teller sinken, fuhr sich mit dem Handr#252;cken #252;ber den Mund und deutete dann mit einer Kopfbewegung auf Mikes eigene Suppe. »Du solltest lieber essen«, sagte er. »Ich habe keinen Appetit«, antwortete Mike. »Nicht Der Mann schl#252;rfte den Rest seiner Suppe aus, fuhr sich noch einmal mit dem Handr#252;cken #252;ber den Mund und stellte den Teller zu Boden. »Du bist verw#246;hnt, wie?«, fragte er. »Das legt sich. In sp#228;testens drei Tagen sehnst du dich nach dem Fra#223;, mein Wort darauf. Ich habe sogar das Gef#252;hl, dass heute Sonntag sein muss. So was Gutes gibt's nicht jeden Tag. Also iss lieber.« »Und wenn du es wirklich nicht willst, dann gib es mir«, sagte der Mann in der anderen Nebenzelle. »Es ist zu schade zum Wegsch#252;tten.« Mike drehte langsam den Kopf – und riss ungl#228;ubig die Augen auf. »Trautman?«, keuchte er. »Aber das ist doch ...« Es war nicht nur unm#246;glich, es war auch nicht Trautman. Aber die #196;hnlichkeit war wirklich frappierend. Der Mann war viel j#252;nger als Trautman und auch ein gutes St#252;ck gr#246;#223;er. Er hatte einen dichten schwarzen Vollbart und schulterlanges Haar, aber abgesehen davon h#228;tte er eine drei#223;ig Jahre j#252;ngere Version Trautmans sein k#246;nnen. Wie sein j#252;ngerer Bruder. Oder ... Und endlich begriff Mike. Mit einem Mal ergab alles einen Sinn. »Kennen wir uns?«, fragte der Schwarzhaarige. »Nein«, stotterte Mike. »Ich dachte nur ... Es war ein Irrtum. Bitte entschuldigen Sie. Ich habe Sie verwechselt.« »Mit jemandem, der genauso aussieht wie ich?«, fragte der andere zweifelnd. »Und zuf#228;llig auch genau so hei#223;t? Wer soll dir das wohl glauben?« »Wer bist du #252;berhaupt?«, fragte der Mann, der ihn zuerst angesprochen hatte. »L#228;sst Berghoff jetzt schon Kinder kidnappen?« »Ich bin freiwillig hier«, antwortete Mike. »Na ja, beinahe ...« »Das ist keine Antwort«, sagte Trautman. Trautman? Trautman .. »Das stimmt«, gestand Mike. »Aber ich bin ... #252;berrascht. Und es ist nicht so leicht, die Sache zu erkl#228;ren.« »Oh, das macht nichts«, antwortete der Mann, dessen Namen er nicht kannte. »Wir haben viel Zeit.« »Oder hast du etwas vor?«, f#252;gte der Mann mit Trautmans Gesicht hinzu. »Wir sind hier, weil wir Sie gesucht haben«, antwortete Mike. »Sie und Ihre Freunde.« »Wer ist Der andere f#252;gte hinzu: »Und was glaubst du, wer wir sind?« »Sie geh#246;ren zu der Expedition, die letztes Jahr aus Sadsbergen aufgebrochen ist, um das Geheimnis des Berges zu ergr#252;nden.« »Das stimmt«, antwortete der Mann verbl#252;fft. »Aber woher wisst ihr davon? Wir haben es niemandem gesagt. Ganz im Gegenteil. Die ganze Expedition war streng geheim.« »Wir haben euren Funkspruch aufgefangen«, antwortete Mike. »Vor ungef#228;hr einer Woche.« »Was f#252;r einen Funkspruch?«, fragte der andere Mann. »Siehst du hier irgendwo ein Funkger#228;t?« »Wir haben einen SOS-Ruf empfangen«, beharrte Mike. »Allerdings verst#252;mmelt. Und auf Norwegisch.« »Auf Norwegisch?« »S#246;rensen«, sagte Trautman. »Das muss S#246;rensen gewesen sein. Sieht so aus, als h#228;tten wir ihm unrecht getan.« In Mikes Richtung gewandt f#252;gte er hinzu: »Nicht alle von uns sitzen im Gef#228;ngnis, musst du wissen. Einige haben sich mit Vom Dorff und Berghoff zusammengetan. Jedenfalls dachten wir das bis jetzt ... Also gut. Jetzt wissen wir, wie ihr hierher kommt. Aber wir wissen immer noch nicht, wer ihr seid.« »Mein Name ist Mike«, antwortete Mike. »Ich geh#246;re zur Besatzung der NAUTILUS. Und ich glaube, ich bin zusammen mit Ihrem Vater hier.« Es wurde sehr still. Nicht nur Trautman starrte ihn fassungslos an. F#252;r drei, vier Atemz#252;ge war es so ruhig, dass man die sprichw#246;rtliche Stecknadel h#228;tte fallen h#246;ren k#246;nnen. »Was ... sagst du da?«, murmelte Trautman schlie#223;lich. »Jedenfalls glaube ich, dass es Ihr Vater ist«, sagte Mike. »Er muss es sein. Er hat Kopf und Kragen riskiert, um hierher zu kommen. Wir konnten uns gar nicht erkl#228;ren, warum. Bis jetzt.« »Ist er hier?«, fragte Trautman. »Mein Vater ist hier? Hier in der Stadt?« »In der Krankenstation«, sagte Mike und f#252;gte hastig hinzu: »Keine Angst. Er ist verletzt, aber ich glaube, nicht allzu schlimm.« »Und die anderen?«, fragte Trautman. »Ich meine, ihr seid doch bestimmt nicht allein gekommen.« »Du hast von der NAUTILUS gesprochen«, erinnerte der andere. Mike schwieg. Statt die Frage zu beantworten, warf er einen bezeichnenden Blick in die Runde. Sie waren nicht allein. »Sprichst du Franz#246;sisch?«, fragte Trautman, wobei er bereits zu dieser Sprache wechselte. Mike nickte. fuhr aber trotzdem in derselben Sprache fort: »Es wird schon irgendwie gehen. Die Typen hier sprechen jedenfalls kein Wort Franz#246;sisch, da bin ich ziemlich sicher.« Mike war ganz und gar nicht sicher, ob er dieser Sprache m#228;chtig genug war, um wirklich eine Unterhaltung f#252;hren zu k#246;nnen. Nach einigen Minuten jedoch und unter Zuhilfenahme von H#228;nden und F#252;#223;en gelang es ihnen tats#228;chlich, eine entsprechende Basis zu finden. Das Gespr#228;ch dauerte sehr lange. Nat#252;rlich wollten Trautman und die anderen haarklein wissen, wie sie hergekommen waren und wie ihre Chancen aussahen, vielleicht doch noch von hier wegzukommen. Aber Mike erfuhr auch eine Menge #252;ber Trautman und sein Verh#228;ltnis zu seinem Sohn. Wie sich herausstellte, hatten sich die beiden seit #252;ber zwanzig Jahren nicht gesehen, und auch wenn Trautmans Sohn entsprechenden Fragen geschickt aus dem Weg ging, so war Mike doch nach einer Weile ziemlich sicher, dass die beiden nicht im Guten auseinander gegangen waren. Sie redeten, bis das Mittagessen gebracht wurde. W#228;hrend der Gefangenenw#228;rter die d#252;nne Suppe ausschenkte, die sich im #220;brigen in nichts von der vom Morgen unterschied, versanken sie wieder in Schweigen, und w#228;hrend sie darauf warteten, dass die geleerten Teller wieder abgeholt wurden, ging die T#252;r am Ende des Ganges auf und Vom Dorff und Kapit#228;nleutnant Berghoff erschienen. »Wie ich sehe, hast du ja schon neue Freunde gefunden«, begann Vom Dorff. »Die #220;berraschung ist mir gelungen, wie?« Mike sagte nichts und auch Trautman junior schwieg, spie#223;te Vom Dorff aber mit Blicken regelrecht auf. »Also gut«, seufzte Vom Dorff. »Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit. Hast du dir mein Angebot #252;berlegt?« »Meine Freunde zu verraten?« »Dir wenigstens anzuh#246;ren, was wir zu sagen haben, mein Junge«, sagte Berghoff. »Vielleicht urteilst du vorschnell.« »Was haben sie dir erz#228;hlt?«, fragte Trautman b#246;se. »Dass sie diese Anlage und die WOTAN ben#252;tzen wollen, um der Welt den himmlischen Frieden zu bringen?« Er machte ein abf#228;lliges Ger#228;usch. »Glaub ihnen kein Wort. Sie sind nichts als habgierige Piraten.« »Das hat die Welt #252;ber Mikes Vater auch gedacht«, sagte Vom Dorff ruhig. »Ist Ihnen noch nie in den Sinn gekommen, dass Sie sich irren k#246;nnten?« »Mir ist alles M#246;gliche in den Sinn gekommen, in den Monaten, in denen ich jetzt in diesem Loch sitze«, grollte Trautman. Vom Dorff setzte zu einer Antwort an, belie#223; es aber dann bei einem wertlosen Kopfsch#252;tteln und wandte sich wieder an Mike. »K#246;nnen Berghoffs Gesicht verd#252;sterte sich. »Du bist wohl kaum in der Position, Forderungen zu –« »Moment!« Vom Dorff unterbrach ihn mit einer Geste. »Warum eigentlich nicht? Als kleine Geste des guten Willens sozusagen ... Wenn Sie einverstanden sind.« Trautman junior wirkte kaum weniger verbl#252;fft und er z#246;gerte auch ein kleines bisschen l#228;nger, als eigentlich gut war. Aber dann nickte er. »Wunderbar!«, freute sich Vom Dorff. »Das ist doch schon einmal ein Anfang. Ich lasse euch dann in einer halben Stunde abholen.« Die Eskorte, die sie zu Trautman bringen sollte, erschien fast auf die Minute p#252;nktlich. Aber sie wurden nicht sofort in die Krankenstation gef#252;hrt. Stattdessen wiesen die M#228;nner sie in ein anderes Geb#228;ude, in dem eine Badewanne mit hei#223;em Wasser, frische Kleider und sogar ein Fris#246;r auf Trautmans Sohn warteten. Als er – nach einer guten halben Stunde – wieder aus dem angrenzenden Zimmer kam, hatte er sich totalver#228;ndert. Mike war trotz allem #252;berrascht. Schon am Morgen war ihm die verbl#252;ffende #196;hnlichkeit zwischen dem schwarzhaarigen Mann und seinem Vater aufgefallen. Jetzt, mit kurz geschnittenem Haar, sorgsam gestutztem Bart und frischen Kleidern, h#228;tten die beiden – abgesehen vom Alter – eineiige Zwillinge sein k#246;nnen. Sein Gesicht sah erstaunlich frisch aus f#252;r einen Mann, der fast ein Jahr lang in einer Gef#228;ngniszelle gesessen hatte. »Gro#223;er Gott, hat das gut getan!«, seufzte er. »Jetzt noch eine anst#228;ndige Mahlzeit und ein riesiges Glas Bier und ich f#252;hle mich fast wieder wie ein Mensch!« Er setzte sich schwer in einen der bequemen St#252;hle, mit denen das Zimmer ausgestattet war. »Es ist schon erstaunlich, wie sehr man die kleinen Dinge des Lebens zu sch#228;tzen lernt, wenn man sie erst einmal eine Weile nicht hat.« »Vielleicht bekommen Sie sie ja bald wieder«, sagte Mike. Trautman lachte vollkommen humorlos. »Ich habe dich f#252;r kl#252;ger gehalten«, sagte er. »Du f#228;llst doch nicht wirklich auf diesen Vom Dorff herein?« »Nat#252;rlich nicht«, antwortete Mike. »Aber ich habe Ihnen nicht alles erz#228;hlt.« Trautman warf einen raschen Blick zur T#252;r und Mike tat dasselbe, ehe er weitersprach. Aber sie waren allein. »Ich war unten nicht ganz sicher, ob uns nicht doch jemand belauscht«, fuhr Mike fort. »Das war sehr vern#252;nftig«, pflichtete ihm Trautman bei. »Aber ich habe mir so etwas schon fast gedacht. Euer Schiff ist in der N#228;he, nicht wahr? Die NAUTILUS.« »Gut kombiniert«, best#228;tigte Mike. »Das war nicht schwer zu erraten«, sagte Trautman. »Und du glaubst, deine Freunde werden herkommen, um uns zu befreien?« »Darauf verwette ich mein Leben«, sagte Mike #252;berzeugt. »Ihr Vater hat Singh zwar befohlen, nicht l#228;nger als zwei Tage auf uns zu warten, aber ich kenne Singh. Und auch die anderen. Sie werden wahrscheinlich die zwei Tage abwarten und dann herkommen, um nach uns zu suchen.« »Dann sind sie jetzt noch drau#223;en vor der K#252;ste?«, fragte Trautman. Mike nickte. »Sie spielen Fangen mit Kapit#228;n Hansen und seinem Zerst#246;rer. Singh beherrscht die NAUTILUS perfekt. Er wird diesen Hansen sch#246;n weit weglocken, da bin ich sicher. Die NAUTILUS schafft die Entfernung, f#252;r die die PRINZ FERDINAND einen Tag braucht, in weniger als einer Stunde.« »Dann muss sie ein gutes St#252;ck schneller sein als die WOTAN«, sagte Trautman. »Woher wissen Sie das?« Trautman winkte ab. »Ich war der Leiter dieser Expedition, mein Junge. Vom Dorff hat mir dasselbe Angebot gemacht wie dir. Und ich bin nat#252;rlich zum Schein darauf eingegangen und habe mich hier umgesehen. So lange, bis ich dachte, ich h#228;tte einen sicheren Fluchtweg entdeckt. Leider habe ich mich get#228;uscht.« »Und seitdem sitzen Sie im Kerker.« »Ja«, sagte Trautman. »Genau wie du und mein Vater – wenn es deinen Freunden nicht gelingt, uns hier herauszuholen. Ich hoffe, sie kommen auch wirklich.« »Hundertprozentig«, versicherte Mike. Drau#223;en auf dem Gang wurden Schritte laut und sie verstummten abrupt. Nach einigen Augenblicken traten Vom Dorff, Berghoff und zwei Soldaten ein. Mike fiel auf, dass die Soldaten nicht bewaffnet waren. »Nun?«, fragte Berghoff, an Trautman gewandt. »Sind Sie so weit?« »Ja.« Trautman stand auf. »Sie k#246;nnen die WOTAN zum Auslaufen bereitmachen, Herr Kapit#228;n.« Mike blinzelte. Was? Was?! »Sie wollen nicht vorher zu Ihrem Vater?«, fragte Vom Dorff. »Das muss warten«, antwortete Trautman kopfsch#252;ttelnd. »Ich f#252;rchte, wir haben nicht allzu viel Zeit. Die NAUTILUS kreuzt drau#223;en vor der K#252;ste und versucht im Moment Hansen wegzulocken. Funken Sie ihn an, dass er nicht darauf hereinfallen soll. Wir sind in sp#228;testens drei Stunden bei ihm.« Mikes Atem stockte schier und sein Herz begann zu rasen. Er h#246;rte, was Trautman sagte, aber er weigerte sich einfach, es zu glauben. »Was ... was bedeutet ... das?«, kr#228;chzte er. »Ich w#252;rde sagen, dass du zu vertrauensselig bist, mein Junge«, sagte Trautman l#228;chelnd. »Sie haben ... gelogen«, stammelte Mike. »Es war alles gelogen! Von Anfang an!« »Nicht alles«, sagte Trautman. »Eigentlich nur das Allerwenigste, um genau zu sein. Ich habe dir doch gesagt, dass sich ein paar von uns mit Vom Dorff und den anderen zusammengetan haben. Um genau zu sein, sogar die meisten. Auch wenn anscheinend einer unserer Kameraden falsch spielt.« Er wandte sich an Vom Dorff. »Lassen Sie S#246;rensen verhaften. Offenbar funkt er seit einiger Zeit heimlich nach Hilfe.« »Wir sollten ihm dankbar sein«, sagte Vom Dorff. »Ohne ihn w#228;re die NAUTILUS wahrscheinlich niemals hier aufgetaucht.« Er gab einem Soldaten einen Wink. »Erledigen Sie das.« Der Mann ging und Mike starrte wieder Trautman an. Er sp#252;rte, wie sich seine Augen mit brennenden Tr#228;nen f#252;llten. »Sie ... Sie haben mich die ganze Zeit #252;ber belogen«, sagte er. »Wahrscheinlich sind Sie nicht einmal Trautmans Sohn, sondern sehen ihm nur #228;hnlich.« »O nein, er ist schon mein Vater«, sagte Trautman. »Wir haben sogar eine Menge mehr gemein, als du vielleicht ahnst.« Er lachte. »Wir haben sogar denselben Beruf. Wir kommandieren beide ein atlantisches Unterseeboot. Nur unsere Ziele sind ein bisschen unterschiedlich.« »Haben Sie den Mut, das Ihrem Vater ins Gesicht zu sagen?«,fragte Mike.»Selbstverst#228;ndlich«,antworteteTrautman.»Sobaldichzur#252;ck bin.«»Siesindverr#252;ckt,wennSieglauben,dassSiedie NAUTILUS so leicht aufbringen k#246;nnen«, sagte Mike. »Ich habe nicht gesagt, dass es leicht wird«,antwortete Trautman. »Aber wir haben den Vorteil der #220;berraschung auf unserer Seite. Dein Freund Singh erwartet vielleicht die gt;U37lt;, aber bestimmt nicht so etwas wie die WOTAN.« »Was haben Sie jetzt vor?«, fragte Mike. »Wollen Sie Singh und die anderen umbringen?« »Gott bewahre!«, sagte Trautman. »Wir brauchen die NAUTILUS. Einen solchen Schatz versenkt man doch nicht einfach.« Er sch#252;ttelte heftig den Kopf. »Nein, nein. Keine Angst, Mike. Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um die NAUTILUS unbesch#228;digt in meine Gewalt zu bringen.« Mike sagte nichts mehr, sondern starrte Trautman nur an. Er war entt#228;uscht, w#252;tend und verletzt wie selten zuvor in seinem Leben. Aber das war nicht einmal das Schlimmste. Das Allerschlimmste ist, dachte Mike, dass Trautman durchaus gute Chancen hatte, erfolgreich zu sein. »Ich bin nicht #252;berrascht.« Trautman hatte sich in seinem Bett aufgesetzt und sah ihn traurig an. Unter seinen Augen lagen dunkle Ringe und er war noch immer blass, aber ansonsten hatte er sich ganz gut erholt. Er war eben z#228;h. »Entt#228;uscht, ja, aber nicht #252;berrascht. Was du mir erz#228;hlt hast, passt genau zum Charakter meines Sohnes.« »Und ich habe ihm alles verraten!«, sagte Mike. »Wenn es ihm jetzt gelingt, die NAUTILUS zu kapern, dann ist das ganz allein meine Schuld.« »Ist es nicht«, widersprach Trautman. »Woher h#228;ttest du es wissen sollen? Wenn jemanden die Schuld trifft, dann mich. Ich h#228;tte dich warnen m#252;ssen.« »Warum haben Sie uns eigentlich nie erz#228;hlt, dass Sie einen Sohn haben?«, fragte Mike. Trautman setzte sich weiter auf. Seine Linke spielte mit kleinen, nerv#246;sen Bewegungen an den wei#223;en Mullbinden, mit denen sein rechter Arm und seine Schulter bandagiert waren, w#228;hrend er antwortete. »Ja, warum habe ich nie dar#252;ber geredet? Ich wei#223; es nicht. Vielleicht weil kein Vater stolz darauf ist, zuzugeben, dass sein einziger Sohn ein gewissenloser Verbrecher geworden ist.« »Das wissen Sie doch gar nicht«, widersprach Mike. »Vielleicht hat Vom Dorff ihn ja gezwungen, ihm zu helfen.« »Gezwungen?« Trautman schnaubte. »Du kennst Thomas nicht. Es sollte mich wundern, wenn er nicht in sp#228;testens einem Jahr der Chef hier ist.« Mike war ziemlich sicher, dass er es jetzt schon war. Als er mit Vom Dorff und Berghoff gesprochen hatte, da hatte er jedenfalls nicht den Eindruck gemacht, mit einem Vorgesetzten zu reden. Aber das behielt er im Moment lieber f#252;r sich. Es hatte keinen Zweck, Trautman noch mehr wehzutun. »Was ist passiert?«, fragte Mike. »Zwischen Ihrem Sohn und Ihnen, meine ich.« Trautman zuckte mit den Achseln, verzog dann schmerzhaft die Lippen und hob die Hand an seine verletzte Schulter. »Die #252;bliche Geschichte eben«, sagte er. »Die, die oft zwischen V#228;tern und S#246;hnen vorkommt – wir wollten einander ununterbrochen beweisen, wer der Bessere ist.« Mike verstand das nicht ganz – wie auch? Schlie#223;lich hatte er seinen Vater niemals kennen gelernt. Er sagte nichts und Trautman fuhr mit leiser, beinahe abwesend klingender Stimme fort: »Es war auch meine Schuld. Vielleicht habe ich ein paar Mal zu oft den starken Mann herausgekehrt. Wir waren uns nie einig. Als ich mich damals entschlossen habe, bei Nemo zu bleiben, kam es schlie#223;lich zum gro#223;en Streit.« »Er wusste davon?« »Nicht alles, aber eine Menge, ja«, best#228;tigte Trautman. »Er war immerhin mein Sohn. Warum sollte ich Geheimnisse vor ihm haben? Eine Weile hatte ich sogar die Hoffnung, dass wir ... zusammenbleiben k#246;nnten.« »Auf der NAUTILUS?« Trautman nickte. »Ich war Ingenieur, w#228;hrend Thomas sich entschloss, die wissenschaftliche Laufbahn einzuschlagen. Nat#252;rlich faszinierten ihn die Geheimnisse der alten Atlanter und ich zeigte ihm davon, was immer ich zu verantworten k#246;nnen glaubte. Nicht alles – aber ich f#252;rchte, trotzdem zu viel.« Mike h#246;rte schweigend zu, w#228;hrend Trautman von sich und seinem Sohn erz#228;hlte – wie sie gemeinsam die faszinierende Technik der NAUTILUS zu entr#228;tseln versucht hatten, wie sie dar#252;ber spekuliert hatten, welche Wunder das untergegangene Volk der Atlanter noch hinterlassen haben mochte, wie sie zu finden sein w#252;rden und vor allem, wie man sie zum Segen der Menschheit einsetzen konnte. Mike brannten tausend Fragen auf der Zunge, aber er h#252;tete sich, Trautman auch nur ein einziges Mal zu unterbrechen. Er sp#252;rte genau, wie wichtig es f#252;r Trautman war, ihm all dies zu erz#228;hlen. In all den Jahren, die sie jetzt zusammen waren, hatte Trautman niemals auch nur erw#228;hnt, dass er einen Sohn hatte. Aber w#228;hrend er Trautman zuh#246;rte, wurde ihm klar, wie sehr der alte Mann darunter gelitten haben musste; und wie sehr es ihn erleichterte, nun endlich einmal dar#252;ber reden zu k#246;nnen. »Der endg#252;ltige Bruch kam wohl, als ich an Bord der NAUTILUS ging«, schloss Trautman, nachdem er sicher eine halbe Stunde geredet hatte, wenn nicht l#228;nger. »Thomas wollte die Geheimnisse der Atlanter ergr#252;nden. Er suchte #252;berall auf der Welt nach ihren Hinterlassenschaften, aber er war nicht sehr erfolgreich. Das Wenige, was von ihrer Welt #252;brig geblieben ist, liegt zumeist tief unter Wasser auf dem Meeresgrund. Um es zu finden, h#228;tte er die NAUTILUS gebraucht.« »Und die wollte Nemo ihm nicht geben«, vermutete Mike. »Nat#252;rlich nicht. Dein Vater hat Thomas nie wirklich getraut. Damals war ich ziemlich verletzt. Heute muss ich gestehen, dass er Recht hatte.« Er brach ab. Seine Stimme war bei den letzten Worten immer leiser geworden und der Ausdruck auf seinem Gesicht brach Mike schier das Herz. Er musste sich ein paar Mal r#228;uspern, um #252;berhaupt weiterreden zu k#246;nnen. »Und ... dann?«, fragte er. »Wir haben uns aus den Augen verloren«, sagte Trautman. »Ein paar Mal habe ich noch etwas #252;ber ihn geh#246;rt, aber wir haben uns seit gut zwanzig Jahren nicht mehr gesehen. Ich habe geh#246;rt, dass er eine arch#228;ologische Laufbahn eingeschlagen hat.« »Um auf diese Weise mehr #252;ber die Atlanter herauszufinden«, vermutete Mike. »Ja. Und dann hat Chris diesen SOS-Ruf aufgefangen. Nachdem ich ihn #252;bersetzt hatte, war mir sofort klar, dass Thomas endlich Erfolg gehabt hat.« »Aber warum haben Sie uns nichts davon erz#228;hlt?«, fragte Mike. »Weil ich Angst hatte, dass genau das passiert, was jetzt auch passiert ist«, antwortete Trautman. »Was zwischen Thomas und mir ist, ist meine Sache. Ich wollte euch nicht in Gefahr bringen.« »Das sehe ich anders«, antwortete Mike. »Es ist nicht Ihre Sache. Jetzt nicht mehr, wo sie die WOTAN und ... und all das hier haben! Wir m#252;ssen sie aufhalten oder die Folgen sind unabsehbar.« Trautman l#228;chelte traurig. »Ich f#252;rchte, daf#252;r ist es zu sp#228;t«, sagte er. »Thomas versteht fast so viel von der Technik der alten Atlanter wie ich. Und diese Anlage hier gleicht der, in der wir damals die NAUTILUS gefunden haben. Nur dass diese hier vollkommen intakt zu sein scheint, w#228;hrend die Stadt auf der Vergessenen Insel damals wenig mehr als eine Ruine war.« »Ich verstehe«, sagte Mike, aber Trautman sch#252;ttelte den Kopf. »Nein, du verstehst »Ein Grund mehr, ihn aufzuhalten«, sagte Mike. »Dazu ist es zu sp#228;t«, sagte Trautman traurig. »Es ist alles meine Schuld, Mike. Ich kann nur noch versuchen, es nicht noch schlimmer werden zu lassen.« Mike verstand nicht genau, was Trautman mit diesen Worten meinte, aber sie l#246;sten ein sehr ungutes Gef#252;hl in ihm aus. »Was genau meinen Sie damit?«, fragte er. Statt ihm direkt zu antworten, richtete sich Trautman etwas weiter im Bett auf und rief mit erhobener Stimme: »Ist da irgendjemand?« Eine ziemlich #252;berfl#252;ssige Frage, wie Mike fand. Sie wussten beide, dass vor der T#252;r des Krankenzimmers zwei bewaffnete Soldaten standen, die den Befehl hatten, sie zu bewachen. Einer von ihnen streckte den Kopf herein und sah Trautman wortlos und fragend an. »Vom Dorff«, sagte Trautman. »Ich muss ihn sprechen. Es ist dringend. Sagen Sie ihm, dass ich ihm einen Vorschlag zu machen habe.« »Was f#252;r einen Vorschlag?«, fragte Mike, kaum dass der Mann gegangen war. »Was haben Sie vor?« »Das Einzige, was mir noch #252;brig bleibt«, antwortete Trautman. »Du und die anderen an Bord der NAUTILUS habt nichts mit alledem zu tun. Ich will nicht, dass ihr f#252;r meine Fehler b#252;#223;en m#252;sst.« »Was soll das hei#223;en?«, fragte Mike scharf. »Trautman!« Aber Trautman antwortete nicht mehr. Er sah ihn nur wortlos an und schlie#223;lich drehte er mit einem Ruck den Kopf zur Seite und starrte zu Boden, bis Vom Dorff kam. Es dauerte nicht einmal f#252;nf Minuten, was Mike zu dem Schluss brachte, dass der Deutsche wohl regelrecht darauf gewartet haben musste, von Trautman gerufen zu werden. »Ich habe Ihnen einen Vorschlag zu machen«, begann Trautman. »Was f#252;r einen Vorschlag?«, fragte Mike noch einmal. Er schrie fast, aber sowohl Trautman als auch Vom Dorff ignorierten ihn. »Ich h#246;re«, sagte Vom Dorff. Er wirkte sehr angespannt. Anders als bisher trug er jetzt nicht mehr seinen eleganten Anzug, sondern eine dunkelblaue Uniform, die ihm ausgezeichnet stand. »Sie haben gewonnen, Vom Dorff«, sagte Trautman. »Ich gebe auf. Ich kann nicht gegen meinen eigenen Sohn k#228;mpfen.« »Und was genau soll das bedeuten?«, fragte Vom Dorff. Sein Misstrauen war nicht zu #252;bersehen. »Ich werde Ihnen alles erz#228;hlen, was Sie wissen wollen«, antwortete Trautman. »Alles, was ich selbst #252;ber die atlantische Technik wei#223;.« »Das hat Ihr Sohn bereits getan«, antwortete Vom Dorff, aber Trautman machte nur eine abf#228;llige Geste mit der gesunden Hand. »Sie glauben doch wohl nicht, dass ich ihm alles beigebracht habe«, sagte er. »Ich habe ihm nie v#246;llig getraut, und wenn Sie sich mit ihm unterhalten haben, dann wissen Sie das auch. W#228;re es nicht so, w#252;rden Sie sich wahrscheinlich gar nicht mit mir abgeben.« Vom Dorff antwortete nicht darauf, aber sein Schweigen schien Trautman auch Antwort genug zu sein, denn er fuhr nach einigen Sekunden fort: »Ich kenne all diese Maschinen und Apparate hier. Geben Sie mir eine Woche und ich erwecke diese gesamte Anlage wieder zum Leben. Dann haben Sie eine Festung, die alle Armeen der Welt zusammen nicht einnehmen k#246;nnten.« Wieder starrte Vom Dorff ihn lange und schweigend an. In seinem Gesicht arbeitete es. Mike konnte regelrecht sehen, wie sich die Gedanken hinter seiner Stirn jagten. Ihn selbst erf#252;llten Trautmans Worte mit einer Mischung aus Entsetzen und hysterischer Erleichterung, aber f#252;r Vom Dorff mussten sie eine kolossale Verlockung darstellen. »Ich w#252;rde Ihnen ja gerne glauben«, sagte er schlie#223;lich. »Aber es f#228;llt mir schwer, diesen pl#246;tzlichen Sinneswandel zu akzeptieren. Warum sollte ich Ihnen glauben?« »Weil ich eine Gegenleistung verlange«, sagte Trautman. Er deutete auf Mike. »Sie werden ihn freilassen. Ihn und die anderen, sollte es meinem Sohn tats#228;chlich gelingen, die NAUTILUS zu kapern. Ihre Freiheit gegen mein Wissen. Das ist mein Angebot. Ich werde nicht dar#252;ber verhandeln.« »Das klingt fair«, sagte Vom Dorff. »Aber ich kann es nicht allein entscheiden. Und ich brauche einen Beweis, dass Sie es auch wirklich ernst meinen.« »Bringen Sie mich in die Schaltzentrale und ich zeige Ihnen Dinge, von denen Sie bisher noch nicht einmal getr#228;umt haben«, sagte Trautman. Vom Dorff sch#252;rzte die Lippen. »F#252;r wie dumm halten Sie mich, alter Mann? Sie glauben doch nicht wirklich, ich bringe Sie ins Herz dieser Anlage und lasse Sie an allen m#246;glichen Kn#246;pfen und Schaltern herumspielen –« »Um was zu tun?«, unterbrach ihn Trautman. »Die ganze Stadt in die Luft zu jagen? Kaum. Das w#252;rde auch unseren Tod bedeuten. Nicht, dass ich noch so sehr an meinem Leben h#228;nge. Ich bin ein alter Mann, der seine letzten Jahre l#228;ngst hinter sich hat. Aber ich w#252;rde niemals Mikes Leben in Gefahr bringen.« Das #252;berzeugte Vom Dorff. Er z#246;gerte zwar noch einmal ein paar Sekunden, nickte aber dann und trat zwei Schritte von Trautmans Bett zur#252;ck. »Also gut«, sagte er. »Sie bekommen Ihre Chance. Aber tun Sie nichts Un#252;berlegtes. Wenn Sie versuchen, mich reinzulegen, dann muss Ihr junger Freund hier darunter leiden.« Es verging noch einmal fast eine Stunde, nachdem Vom Dorff gegangen war, bis sie von zwei Soldaten abgeholt und in die Schaltzentrale der atlantischen Festung gebracht wurden. Sie befand sich in einem gro#223;en, w#252;rfelf#246;rmigen Geb#228;ude unmittelbar am Hafen, das zahlreiche Balkone und Au#223;entreppen hatte, und Mike bekam den Mund vor Staunen gar nicht wieder zu, kaum dass sie es betraten. Von au#223;en wirkte das Geb#228;ude klotzig, aber sein Inneres entpuppte sich als wahres technisches Labyrinth. Der Raum, in den die Soldaten sie brachten, wirkte wie eine dutzendfach vergr#246;#223;erte und hundertfach kompliziertere Version des Kommandopultes an Bord der NAUTILUS. Die W#228;nde waren mit Bildschirmen, Monitoren und tausend verschiedenen Kontroll-und Messinstrumenten #252;bers#228;t und vor drei der vier W#228;nde standen verwirrende Kontrollpulte, deren blo#223;er Anblick Mike schon fast schwindeln lie#223;. Vom Dorff sa#223; in einem bequemen Ledersessel mit #252;bergro#223;er Lehne, stand aber bei ihrem Eintreten auf. »Nun, Herr Trautman«, begann er. »Sie sehen, ich habe mein Wort gehalten. Das hier ist das Herz dieser ganzen Stadt.« »Eher ihr Gehirn«, antwortete Trautman. Er trat langsam auf Vom Dorff zu, blieb einen Schritt vor ihm stehen und lie#223; seinen Blick nachdenklich #252;ber das komplizierte Durcheinander von Instrumenten und Ger#228;tschaften gleiten. Er runzelte die Stirn. Mike fand, dass er ein bisschen hilflos aussah. »Sie erkennen also unser Problem«, sagte Vom Dorff sp#246;ttisch. »Das alles ist wirklich »F#252;r den Anfang wird es reichen«, sagte Trautman. »Wenn ich das hier richtig sehe, dann ist es Ihnen nicht einmal gelungen, die Heizung richtig einzustellen. Es ist zu warm hier. In drei Jahren schmilzt Ihnen der Himmel #252;ber dem Kopf weg.« »K#246;nnen Sie das korrigieren?«, fragte Vom Dorff. »Das w#228;re schon ein guter Anfang.« »Kein Problem«, sagte Trautman. »Aber ich glaube, ich wei#223; sogar noch etwas Besseres.« Vom Dorff machte ein fragendes Gesicht und Trautman l#228;chelte, drehte sich fast gem#228;chlich zu ihm um und verpasste ihm einen Kinnhaken. Sein rechter Arm hing noch immer in der Schlinge und er war mindestens drei#223;ig Jahre #228;lter als Vom Dorff, aber alter Mann oder nicht, verletzter Arm hin oder her, seine Linke war immer noch so gut wie in seinen besten Jahren. Vom Dorff wurde ein gutes St#252;ck von den F#252;#223;en und in die H#246;he gerissen, verdrehte die Augen und st#252;rzte r#252;cklings in seinen Sessel zur#252;ck. Noch w#228;hrend er fiel, wirbelte Trautman mit einer schier unglaublich schnellen Bewegung herum, sprang zum Kontrollpult und senkte den Finger auf eine gro#223;e, orangerot leuchtende Taste. Mike hielt vor Entsetzen die Luft an, als die beiden Soldaten ihre Gewehre hoben und auf Trautman richteten. »Das w#252;rde ich mir #252;berlegen«, sagte Trautman. »Ich zweifle nicht daran, dass Sie mich mit dem ersten Schuss treffen, meine Herren. Aber Sie sollten schon sehr sicher sein, dass ich keine Gelegenheit mehr finde, diesen Knopf zu dr#252;cken. Denn wenn es mir gelingt, dann hat Gr#246;nland in Zukunft eine neue Attraktion ... einen k#252;nstlichen Vulkan.« Die M#228;nner z#246;gerten. Ihre beiden Gewehre waren weiter auf Trautmans Kopf gerichtet und ihre Finger spielten nerv#246;s an den Abz#252;gen. Aber Mike sah auch den Ausdruck in ihren Augen. Sie hatten Angst. Er #252;brigens auch. »Die Gewehre runter!«, befahl Trautman. »Ich habe nichts mehr zu verlieren, meine Herren!« Einer der Soldaten senkte z#246;gernd sein Gewehr, sah dann noch einmal unschl#252;ssig von Vom Dorff zu Trautman und dem roten Knopf, #252;ber dem seine Hand schwebte – und legte die Waffe dann zu Boden. Einen Moment sp#228;ter folgte sein Kamerad seinem Beispiel. »Mike!«, sagte Trautman. Mike trat rasch zu den beiden M#228;nnern hin, schleuderte eines der beiden Gewehre mit einem Fu#223;tritt in die gegen#252;berliegende Ecke des Raumes und hob das andere auf. Hastig wich er wieder ein paar Schritte zur#252;ck und richtete die Waffe auf die beiden M#228;nner. »Alles in Ordnung?«, fragte Trautman. Mike nickte. Nat#252;rlich war nichts in Ordnung. Das Gewehr lag schwer und irgendwie unangenehm in seiner Hand und er war sich sehr deutlich der Tatsache bewusst, wie wenig ihm diese Waffe nutzte, wenn es hart auf hart kam. Er w#252;rde niemals auf einen Menschen schie#223;en. Aber das konnten die beiden Soldaten nat#252;rlich nicht wissen. »Gut.« Trautman seufzte tief und h#246;rbar erleichtert – und dr#252;ckte den roten Schalter mit aller Kraft in die Fassung. Mike fuhr erschrocken zusammen und die beiden Soldaten wurden kreidebleich. Ein leises, metallisches Schnappen erklang. Unter der Decke des Raumes #246;ffnete sich eine Anzahl paralleler Schlitze und ein Strom eiskalter Luft fauchte herein. »Hoppla«, sagte Trautman grinsend. »Da habe ich doch glatt die Klimaanlage erwischt. Bei all diesen Kn#246;pfen kann man aber auch wirklich zu leicht die #220;bersicht verlieren.« Einer der beiden Soldaten riss die Augen auf und wurde noch blasser. Der andere machte einen halben Schritt vorw#228;rts und blieb wieder stehen, als Mike drohend das Gewehr hob. Trautman grinste noch breiter, ging ohne das geringste Anzeichen von Hast zur anderen Seite des Raumes und hob das zweite Gewehr auf. »Und jetzt raus!«, sagte er. Die beiden Soldaten verschwanden wie der Blitz und Trautman wandte sich wieder zum Kontrollpult zu und blickte stirnrunzelnd #252;ber das Durcheinander von Skalen und Kn#246;pfen. Nach ein paar Sekunden dr#252;ckte er einen Knopf und mit einem dumpfen Knall senkte sich eine massive Eisenplatte aus der Decke und verschloss die T#252;r. »So«, sagte Trautman erleichtert. »Das d#252;rfte f#252;r den Anfang erst einmal reichen. Jetzt m#252;ssen sie sich schon etwas einfallen lassen, um hier hereinzukommen.« »Ich wusste es!«, sagte Mike. »Was?« »Dass Sie sich niemals mit diesen Verbrechern einlassen w#252;rden«, antwortete Mike. »Ich wusste nur nicht genau, was Sie vorhatten.« »Freu dich nicht zu fr#252;h«, sagte Trautman. »Wir sind hier drinnen zwar halbwegs in Sicherheit, aber wir sind zugleich auch gefangen.« Vom Dorff regte sich st#246;hnend. Trautman legte rasch das Gewehr beiseite und bedeutete Mike, ihm zu helfen. Gemeinsam fesselten sie Vom Dorffs Arme und Beine an den Stuhl, und sie waren kaum damit fertig, als der Deutsche die Augen aufschlug. Mike hatte damit gerechnet, dass Vom Dorff sich mit aller Kraft gegen seine Fesseln wehren oder sie zumindest mit Beschimpfungen und Drohungen #252;bersch#252;tten w#252;rde, aber Vom Dorff sa#223; einfach nur da und starrte Trautman und ihn abwechselnd an. Es verging fast eine Minute, bis er das Schweigen brach. »Das war nicht besonders klug von Ihnen, Herr Trautman«, sagte er. Trautman ballte die linke Hand vor dem Gesicht zur Faust und blickte nachdenklich auf seine Kn#246;chel hinab. »M#246;glicherweise«, gestand er. »Aber es hat verdammt gut getan.« »Mir nicht«, sagte Vom Dorff. »Und was haben Sie jetzt vor, wenn ich fragen darf?« »Sie d#252;rfen«, antwortete Trautman. Er zog sich einen zweiten Stuhl heran, setzte sich und begann sich am Kontrollpult zu schaffen zu machen. Schon nach wenigen Augenblicken erwachte ein Gro#223;teil derBildschirme und Kontrollinstrumente an den W#228;nden zum Leben. #220;berall auf den Pulten flackerten L#228;mpchen und bewegten sich Zeiger #252;ber fremdartig beschriftete Skalen und f#252;r einen kurzen Moment hatte Mike das Gef#252;hl, ein machtvolles Vibrieren zu sp#252;ren, das durch den Boden unter ihren F#252;#223;en lief. »In einem Punkt haben Sie ja offenbar die Wahrheit gesagt«, sagte Vom Dorff. »Sie kennen sich mit diesen Ger#228;ten aus.« »Besser, als Ihnen wahrscheinlich lieb ist«, grollte Trautman. »Das nutzt Ihnen nichts«, beharrte Vom Dorff. »Sie kommen hier nicht heraus. Und der Junge auch nicht.« »Da w#228;re ich nicht so sicher«, sagte Trautman. »Wenn Sie darauf spekulieren, dass meine Leute auf mich R#252;cksicht nehmen, k#246;nnten Sie eine b#246;se#220;berraschung erleben«, sagte Vom Dorff. »Weder Berghoff noch Hansen werden sich erpressen lassen. Und Ihr Sohn schon gar nicht. Also, was zum Teufel glauben Sie mit dieser Wahnsinnsaktion eigentlich erreichen zu k#246;nnen?« »Ich gehe nur sicher, dass Sie auch Ihr Wort halten«, sagte Trautman. »Mike, siehst du die beiden gro#223;en gr#252;nen Schalter dort dr#252;ben? Dr#252;ck sie nacheinander, wenn ich dir das Zeichen gebe.« Mike gehorchte, und kaum hatte er es getan, da begann der Boden unter ihnen wieder zu vibrieren. Diesmal h#246;rte das Zittern nicht wieder auf. Trautman nickte zufrieden und fuhr fort, in rascher Folge Kn#246;pfe zu dr#252;cken und Buchstaben-und Zahlenkombinationen in Tastaturen zu h#228;mmern. Eine Alarmsirene begann zu heulen und verstummte mit einem misst#246;nenden Quietschen wieder, als Trautman #228;rgerlich auf eine Taste schlug. Schlie#223;lich lehnte er sich in seinem Sessel zur#252;ck und lie#223; einen langen, zufriedenen Seufzer h#246;ren. »Was haben Sie getan?«, fragte Vom Dorff misstrauisch. »Ich will versuchen, es einfach auszudr#252;cken«, antwortete Trautman. »Diese ganze Stadt wird von einer Energiequelle der gleichen Art gespeist, die es auch an Bord der NAUTILUS und der WOTAN gibt. Es ist ein Reaktor, der dieselben Kr#228;fte freisetzt, wie sie zum Beispiel im Inneren der Sonne herrschen. K#246;nnen Sie mir noch folgen?« Vom Dorff nickte. Er war sehr blass geworden. »Sie k#246;nnen sich vorstellen, dass es nicht leicht ist, diese Kr#228;fte zu b#228;ndigen«, fuhr Trautman fort. »Und was passiert, wenn sie au#223;er Kontrolle geraten. Es gibt hochkomplizierte Mechanismen, die sie unter Kontrolle halten. Ich habe diesen Mechanismus gerade au#223;er Kraft gesetzt.« »Wie?« Vom Dorff riss entsetzt die Augen auf. »Was ... was bedeutet das?« »Wenn ich die Grafitst#228;be nicht wieder hineinschiebe«, antwortete Trautman l#228;chelnd, »dann gibt es eine Kernschmelze. In genau sechs Stunden. Das sagt Ihnen wahrscheinlich nichts, aber Sie k#246;nnen sicher sein, dass im Umkreis von zwanzig Kilometern hier kein Stein auf dem anderen bleibt.« »Das meinen Sie nicht ernst!«, keuchte Vom Dorff. Pl#246;tzlich begann er doch wie verr#252;ckt an seinen Fesseln zu zerren. »Das w#252;rde auch Ihren eigenen Tod bedeuten! Und den Mikes!« »Nur, wenn ich es nicht stoppe«, erkl#228;rte Trautman. »Das ist kein Problem. Ich muss nur ein paar ganz bestimmte Kn#246;pfe dr#252;cken. Leider f#252;rchte ich, dass ich der Einzige bin, der genau wei#223;, welche.« »Dann tun Sie es!«, verlangte Vom Dorff. »Gerne«, antwortete Trautman. »Sobald Sie Mike freigelassen haben und ich sicher bin, dass er weit genug weg ist.« »Sie bluffen«, behauptete Vom Dorff. Trautman hob die unverletzte Schulter. »Warten Sie einfach sechs Stunden ab, dann wissen Sie es. Ich habe nichts mehr zu verlieren. Und Mike auch nicht. Sie bringen uns beide sowieso um, sobald Sie haben, was Sie wollen. Oder stecken uns f#252;r den Rest unseres Lebens in den Kerker, was vielleicht noch schlimmer ist.« »Was genau verlangen Sie?« »Das wissen Sie«, sagte Trautman. »Lassen Sie Mike gehen. Sobald er in Sicherheit ist, stoppe ich den Reaktor.« »Und wenn nicht, bringen Sie Hunderte von Menschen um?« Vom Dorff sch#252;ttelte heftig den Kopf. »Das glaube ich Ihnen nicht.« »Ich behaupte nicht, dass ich es gerne tue oder es mir nichts ausmacht«, sagte Trautman. Auf dem Pult vor ihm begann eine rote Lampe zu flackern. Trautman sah sie einen Moment lang stirnrunzelnd an, dannfuhr er fort: »Aber es w#228;re das kleinere #220;bel. Wenn dieser verr#252;ckte Berghoff und mein missratener Sohn diese Anlage hier in ihre H#228;nde bekommen, dann werden vielleicht Tausende sterben. Millionen, m#246;glicherweise. Und Mike und die anderen von der NAUTILUS ganz sicher. Lassen Sie den Jungen gehen und ich schalte ab. Wenn nicht ...« »Ich gehe nicht allein von hier weg!«, sagte Mike. »Und ob du das tun wirst«, erwiderte Trautman. »Willst du lieber zusammen mit mir hier sterben? Du verschwindest! Das ist ein Befehl!« »Und Sie?« Trautman schnaubte. »Du musst dir keine Sorgen um mich machen«, sagte er. »Sie werden mir nichts tun. Nicht, solange ich ihnen nicht alles #252;ber diese Apparate hier verraten habe, was ich wei#223;. Und das wird sehr, sehr lange dauern. Es sind eine Menge Kn#246;pfe und mein Ged#228;chtnis ist nicht mehr das beste.« Er wandte sich an Vom Dorff. »Also?« Vom Dorff starrte ihn an. Seine Augen spr#252;hten vor Hass. »Daf#252;r werden Sie bezahlen, das schw#246;re ich!« »Darf ich das als Ja interpretieren?«, fragte Trautman. Vom Dorff nickte. »Binden Sie mich los. Niemand wird Ihnen etwas tun.« Trautman gab Mike ein entsprechendes Zeichen, sagte aber: »Falls Sie jetzt etwa planen, uns von Ihren Leuten #252;berw#228;ltigen zu lassen und die L#246;sung unseres kleinen ... Problems aus mir herauszupressen, denken Sie an zwei Dinge: Ich bin ein ziemlich sturer Mann und ein ziemlich alter Mann. Ich kann Ihnen nicht sagen, ob und wie lange ich eine wirklich schlimme Folter durchstehe, ehe mein Herz aussetzt. Und Sie k#246;nnten niemals sicher sein, ob ich Ihnen auch wirklich die Wahrheit gesagt habe ... nicht vor Ablauf von sechs Stunden, meine ich.« »Im Gegensatz zu Ihnen halte ich mein Wort«, sagte Vom Dorff w#252;tend. Trautman grinste. »Sie k#246;nnen sicher sein, dass das nicht der einzige Unterschied zwischen uns ist. Sind wir im Gesch#228;ft?« »Habe ich denn eine Wahl?« »Nein«, antwortete Trautman. Er gab Mike einen Wink. »Du kannst ihn jetzt losbinden.« W#228;hrend Mike die Fesseln des Deutschen endg#252;ltig l#246;ste, dr#252;ckte Trautman einen Knopf und die fingerdicke Stahlplatte vor der T#252;r hob sich zischend wieder in die Decke zur#252;ck. Sofort st#252;rmten mehr als ein Dutzend Soldaten herein, die Trautman und ihn sofort und mit weitaus mehr Gewalt als notwendig #252;berw#228;ltigten. »Lasst das!«, sagte Vom Dorff scharf. »Lasst sie los. Sofort!« Die M#228;nner gehorchten, wenn auch z#246;gernd und nicht ohne Vom Dorff verwirrt-fragende Blicke zuzuwerfen. Vom Dorff stand auf und rieb sich die Handgelenke. Die Stricke, mit denen sie ihn gefesselt hatten, hatten sichtbare rote Streifen auf seiner Haut hinterlassen. »Das ist nicht n#246;tig«, fuhr er fort. »Das Ganze war nur ein dummes Missverst#228;ndnis, nicht mehr.« Nat#252;rlich waren die M#228;nner jetzt vollkommen verwirrt. Aber nachdem Vom Dorff seine Worte noch einmal in sch#228;rferem Tonfall wiederholt hatte, zogen sie sich zur#252;ck. »Zufrieden?«, fragte Vom Dorff. »Zufrieden bin ich erst, wenn ich Mike unbehelligt aus dieser Stadt hinausspazieren sehe«, antwortete Trautman. Vom Dorff warf einen nerv#246;sen Blick auf das Instrumentenpult, an dem sich Trautman zu schaffen gemacht hatte. »Dann sollten wir uns lieber beeilen«, sagte er. »Wir haben nicht allzu viel Zeit.« Sie verlie#223;en den Raum. Ganz wie Mike erwartet hatte, wimmelte es drau#223;en auf dem Gang nur so von Soldaten. »Schicken Sie sie weg«, verlangte Trautman. »Wir wollen doch kein Aufsehen erregen, oder?« Vom Dorff tat, was er verlangt hatte, und als sie ihren Weg fortsetzten, waren sie auch tats#228;chlich allein. Mike sah sich noch ein paar Mal aufmerksam um, w#228;hrend sie das Labyrinth aus G#228;ngen und Treppensch#228;chten durchquerten, aber sie w#252;rden tats#228;chlich nicht verfolgt. Es schien, als hielte Vom Dorff wirklich Wort. Erst als sie ins Freie hinaustraten, sahen sie wieder einige Soldaten, die aber einen respektvollen Abstand hielten. »Und wohin jetzt?«, fragte Trautman. Vom Dorff deutete mit einer Kopfbewegung auf das geschlossene Eistor am anderen Ende des Hafenbeckens. »Dort. Es gibt nur eine kleine T#252;r neben dem gro#223;en Fluttor. Sie ist der einzige Ausgang aus der Stadt. In einer kleinen Kammer daneben finden wir auch warme Kleidung.« Sie marschierten los. Mike fiel unauff#228;llig ein kleines St#252;ck zur#252;ck, bis er direkt neben Trautman ging. »Was haben Sie jetzt vor?«, raunte er ihm zu. »Ich meine: Wie kommen wir hier weg?« »Aber –« »Kein Aber«, unterbrach ihn Trautman, scharf und so laut, dass Vom Dorff die Worte einfach h#246;ren musste. »Wir machen es so, wie ich es gesagt habe. Du bringst dich in Sicherheit. Das ist deine einzige Chance, versteh doch! Und meine #252;brigens auch. Wenn du davonkommst, dann k#246;nnt ihr sp#228;ter versuchen mich irgendwie zu befreien. Ende der Diskussion.« Ein hohes, immer lauter werdendes Heulen erklang, steigerte sich binnen Sekunden bis fast an die Schmerzgrenze und brach dann abrupt ab. Das Wasser des Hafenbeckens begann zu zittern und im n#228;chsten Augenblick konnte Mike sehen, wie die Wand aus nachgemachtem Eis am anderen Ende des Hafenbeckens zu vibrieren begann und sich dann in der Mitte teilte. »Was bedeutet das?«, fragte Trautman alarmiert. »Ich habe nicht die geringste Ahnung«, antwortete Vom Dorff. Zumindest die #220;berraschung in seiner Stimme klang echt. »Jemand kommt. Ein ... Schiff. Aber ich verstehe nicht ...« Aus der d#252;nnen Linie in der Mitte des Fluttores war mittlerweile ein Spalt geworden, der sich rasch weiter verbreitete. Das Wasser sch#228;umte hoch auf, als sich die beiden Torh#228;lften immer schneller auseinander bewegten. Dahinter kam ein gewaltiges, graugr#252;nes Etwas mit gezacktem Stachelkamm und riesigen Bullaugen zum Vorschein. »Das ist die WOTAN!«, keuchte Trautman. »Vom Dorff, was haben Sie vor?« »Ich verstehe das ja auch nicht!«, protestierte Vom Dorff. »Glauben Sie mir, ich habe keine Ahnung! Das Schiff ist vor zwei Stunden erst ausgelaufen! Irgendetwas muss an Bord vorgefallen sein!« Mittlerweile hatten sich die Tore weit genug ge#246;ffnet, um das Schiff passieren zu lassen. Die WOTAN glitt beh#228;big durch die gewaltige Pforte und kam in der Mitte des Hafenbeckens zur Ruhe. »Irgendetwas stimmt da nicht«, sagte Trautman. »Vom Dorff, wenn das ein Trick ist, werden Sie ihn in weniger als sechs Stunden bereuen. Mein Sohn ist nicht in der Lage, die Kernschmelze aufzuhalten, falls Sie darauf spekulieren.« Hinter den mannsgro#223;en Bullaugen im Turm der WOTAN bewegte sich ein Schatten und nur Augenblicke sp#228;ter #246;ffnete sich die Luke oben am Turm und eine schlanke Gestalt in schwarzer Kleidung stieg heraus. Nicht nur Mike zog #252;berrascht die Luft zwischen den Z#228;hnen ein, als er sie erkannte. Es war niemand anderer als Ben. Und nat#252;rlich war es die NAUTILUS. »Ahoi, da unten!«, rief Ben fr#246;hlich. »Wie geht's denn so?« Eine Sekunde lang regte sich #252;berhaupt nichts, aber dann kam pl#246;tzlich hektische Betriebsamkeit unterdie Soldaten, die ihnen in einigem Abstand gefolgt waren. Und nicht nur in sie. #220;berall auf Balkonen und Simsen, hinter T#252;ren und Fenstern erschienen pl#246;tzlich Soldaten, die ihre Gewehre auf die NAUTILUS und den Jungen auf ihrem Turm richteten. Ben zeigte sich davon allerdings nicht besonders beeindruckt. Er griff nur nach unten, und als er weitersprach, hielt er ein kleines, an einer spiraligen Schnur h#228;ngendes Mikrofon in der Hand, das seine Stimme zigfach verst#228;rkte. »Ich an eurer Stelle w#252;rde mir das dreimal #252;berlegen«, donnerte er. »Auf diese Entfernung ist es nicht ganz leicht, mich zu treffen. Aber selbst wenn: Unten im Kommandoraum steht mein guter Freund Singh und er hat einen Finger auf dem Feuerknopf. Ihr wisst, was die Torpedos dieses Schiffes anrichten k#246;nnen. Ein einziger Schuss und wir verwandeln eure h#252;bsche kleine Stadt in Kleinholz!« »Das wagt er nicht!«, fl#252;sterte Vom Dorff. »Das w#252;rde die NAUTILUS genauso vernichten.« »Vielleicht«, sagte Trautman. »Vielleicht aber auch nicht. Au#223;erdem glaube ich nicht, dass Ben darauf R#252;cksicht nimmt. Er ist ein bisschen verr#252;ckt, m#252;ssen Sie wissen. Und keiner von uns w#252;rde z#246;gern sein Leben zu riskieren, um einen der anderen zu retten. So sind wir nun einmal.« Vom Dorff schwieg verbissen. Sein Blick tastete unsicher #252;ber die Kaimauer und die Geb#228;ude dahinter. Die Anzahl der Soldaten war noch weiter gewachsen. Mike sch#228;tzte, dass mittlerweile mehr als hundert Waffen auf die NAUTILUS gerichtet waren. »Was ist nun, Freunde?«, fragte Ben. »Singh hat einen nerv#246;sen Zeigefinger. Was soll ich ihm sagen?« »Vom Dorff?«, fragte Trautman. Vom Dorff schluckte nerv#246;s. »Was ... was ist mit dieser Kernschmelze? «, fragte er. »Ich sage Ihnen, was zu tun ist«, antwortete Trautman. »Sobald wir an Bord der NAUTILUS und in sicherer Entfernung sind. Sie haben mein Wort. Hier kann in zehn Sekunden ein Krieg ausbrechen, der uns alle das Leben kostet, zumindest aber das sehr vieler Ihrer Leute. Oder Sie vertrauen mir und niemand kommt zu Schaden.« Vom Dorff #252;berlegte. Zehn Sekunden. F#252;nfzehn. Drei#223;ig. Und dann hob er den Arm und winkte Ben zu. »Ahoi, NAUTILUS!«, rief er. »Lassen Sie das Beiboot zu Wasser! Wir kommen an Bord!« Zehn Minuten sp#228;ter glitt die NAUTILUS r#252;ckw#228;rts und sehr langsam wieder aus dem Hafen hinaus. Die L#252;cke im Eis, in der sie sich nun befand, war gerade gro#223; genug, um dem gewaltigen Schiff Platz zu bieten. Wenn sie tauchten, um unter die Eisdecke des zugefrorenen Sees zu gelangen, w#252;rden sie senkrecht absteigen m#252;ssen. »Es wird Zeit«, sagte Ben. »Wir sollten nicht zu lange an diesem gastlichen Ort bleiben. Die WOTAN ist zwar im Moment irgendwo auf hoher See und jagt Gespenster, aber ich m#246;chte nicht hier sein, wenn sie ankommt. Dieses Schiff macht mir Angst.« »Wo ist es #252;berhaupt?«, fragte Trautman. »Weit weg«, antwortete Ben ausweichend. »Keine Angst. Ihrem Sohn ist nichts passiert.« »Woher ... wei#223;t du das?«, fragte Mike verbl#252;fft, aber Ben antwortete nur mit einem Grinsen und Trautman unterbrach das Gespr#228;ch, indem er sich an Vom Dorff wandte und mit der unverletzten Hand zum Ufer hinunter wies. »Sie sollten jetzt von Bord gehen, Herr Vom Dorff. Sie haben auch nicht mehr alle Zeit der Welt.« Vom Dorff sah auf die schimmernde Eisfl#228;che f#252;nf Meter neben dem Deck der NAUTILUS hinab. »Sie haben mir etwas versprochen«, erinnerte er. »Dass niemand zu Schaden kommen wird, wenn Sie uns gehen lassen, ja«, best#228;tigte Trautman. »Und das wird auch nicht geschehen. Sie haben Zeit genug, die Stadt zu evakuieren. Kanuat wird Ihnen zeigen, wie Sie auf dem k#252;rzesten Weg hier wegkommen.« Vom Dorff blinzelte. »Das war nicht unsere Vereinbarung. Ich habe Sie f#252;r einen Ehrenmann gehalten, Trautman!« »Was ich getan, habe, ist nicht r#252;ckg#228;ngig zu machen«, sagte Trautman. »Der Reaktorkern wird schmelzen. Keine Macht der Welt kann das jetzt noch verhindern.« »Auch ... Sie nicht?« »Auch ich nicht«, best#228;tigte Trautman. Vom Dorff schloss f#252;r einen Moment die Augen. Als er weitersprach, war seine Stimme ganz leise und klang auf eine fast unheimliche Art leer und flach. »Sie konnten das nie, habe ich Recht?«, fragte er. Trautman nickte. »Sie m#252;ssen wirklich an das glauben, was Sie sagen«, fuhr Vom Dorff kopfsch#252;ttelnd fort. »Sie hatten tats#228;chlich vor, Ihr eigenes Leben zu opfern, nur um den Jungen zu retten. Sie sind ein erstaunlicher Mann, wissen Sie das eigentlich? So ganz anders als Ihr Sohn. Ich bedaure es ehrlich, dass wir uns nicht unter anderen Umst#228;nden begegnet sind.« »Was jetzt nicht ist, kann ja noch werden«, antwortete Trautman. »Aber nur, wenn Sie nicht noch mehr Zeit verschwenden. Gehen Sie und warnen Sie Ihre Leute. In f#252;nf Stunden bricht hier ein Vulkan aus, der alles Leben im Umkreis von zehn Kilometern vernichtet. Ich nehme an, dass der gesamte See auftauen wird. Sie sollten also sehen, dass Sie und Ihre Leute bis dahin nicht mehr auf dem Eis sind. Kanuat wird Ihnen helfen. Geben Sie mir Ihr Wort, dass ihm nichts geschieht?« »Ja«, antwortete Vom Dorff. Dann drehte er sich herum, sprang mit einer erstaunlich kraftvollen Bewegung auf das Eis hinab und rannte mit weit ausgreifenden Schritten auf das offen stehende Fluttor zu. »Glauben Sie, dass er Wort h#228;lt?«, fragte Mike. »Was Kanuat angeht?« Trautman nickte. »Ja. Er ist trotz allem ein Ehrenmann – was man von meinem Sohn nicht unbedingt behaupten kann.« »Ich schlage vor, dass ihr euch dar#252;ber sp#228;ter unterhaltet«, sagte Ben. »Wir m#252;ssen von hier verschwinden, und zwar schnell!« Sie kletterten auf den Turm hinauf, quetschten sich nacheinander durch die Luke und machten sich auf den Weg zum Kommandoraum. Die NAUTILUS begann zu tauchen, noch bevor sie angekommen waren. Als sie in den Salon st#252;rmten, befand sich vor den gro#223;en Bullaugen schon nichts mehr als die Dunkelheit des zugefrorenen Sees. »Nichts wie weg hier!«, sagte Ben, w#228;hrend er bereits mit Riesenschritten auf das Kommandopult zust#252;rmte. »Wenn wir die offene See nicht erreichen, bevor die WOTAN wieder in den Fluss einl#228;uft, haben wir ein echtes Problem!« »Wie kommt ihr #252;berhaupt hierher?«, fragte Mike. »Und woher wisst ihr von der WOTAN und allem anderen?« Er f#252;hlte sich ein wenig hilflos – und #252;berfl#252;ssig. Im Steuerraum der NAUTILUS war eine hektische Aktivit#228;t ausgebrochen, aber jedermann war an seinem Platz und f#252;r Trautman und ihn gab es im Moment eigentlich nichts zu tun. In Ermangelung irgendeiner anderen Besch#228;ftigung ging er zum Tisch und setzte sich. Die Tischplatte hatte sich nicht ver#228;ndert. Sie lag noch immer so hoch voller Papiere und Karten wie in dem Moment, als Mike das letzte Mal hier gewesen war. Selbst das alberne Ouija-Brett lag noch an seinem Platz. »Woher wohl?«, fragte Ben. »Von dir.« Das Schiff begann zu zittern und das Ger#228;usch der Motoren wurde lauter, als sich die NAUTILUS auf der Stelle drehte und Fahrt aufnahm. »Von ... mir?!« »Astaroth«, erkl#228;rte Serena. »Er hat die ganze Zeit #252;ber deine Gedanken gelesen.« Sie deutete auf den schwarzen Kater, der zu Mikes F#252;#223;en auf dem Boden hockte und sich intensiv die Vorderpfoten leckte, so als ginge ihn das alles hier nichts an. »Wir waren sozusagen die ganze Zeit #252;ber dabei. W#228;re es nicht so gewesen, dann h#228;tte uns die WOTAN garantiert erwischt.« »Ach so«, sagte Mike. Dann blinzelte er, sah zuerst Serena, dann den Kater und dann wieder Serena an. »Moment mal«, sagte er. »Das klingt ja alles ganz gut, aber wie zum Teufel hat Astaroth euch irgendetwas erz#228;hlen k#246;nnen? Ich bin der einzige Mensch an Bord, der mit ihm reden kann.« »Stimmt«, sagte Serena fr#246;hlich. Ben grinste noch breiter und Singh und Juan konzentrierten sich pl#246;tzlich vollkommen auf ihre Instrumente. »Astaroth!«, sagte Mike scharf. »W#252;rdest du mir freundlicherweise antworten!« Astaroth blinzelte tr#228;ge aus seinem einzigen Auge zu ihm hoch, g#228;hnte herzhaft und sprang dann mit einem Satz auf den Tisch. Wahrscheinlich aus keinem anderen Grund als aus dem, Mike zu #228;rgern, begann er mit dem kleinen Zeigestab zu spielen, der zu dem Ouija-Brett geh#246;rte. »Ich verstehe«, sagte Mike beleidigt, »das Ganze geht mich offensichtlich nichts an, wie? Ihr habt jetzt Geheimnisse vor mir! Verratet ihr mir wenigstens, was wir tun, wenn wir diese ungem#252;tliche Insel verlassen haben?« Ben und die anderen antworteten immer noch nicht, aber Bens Grinsen wurde immer breiter und endlich begriff Mike auch, wohin der junge Engl#228;nder die ganze Zeit #252;ber geblickt hatte. Nicht zu ihm. Er hatte den Tisch angesehen. Genauer gesagt: Der Kater, der darauf sa#223; und immer noch mit dem Ouija-Brett spielte. Aber eigentlich DANN, buchstabierte der ein#228;ugige Kater, SUCHEN WIR DIE WOTAN. |
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