"Minima Moralia" - читать интересную книгу автора (Adorno Theodor W)

abhold jeglichem Vereinzelten, kann denn auch Aphorismen als solche nicht gelten lassen. Im
freundlichsten Falle d№rften sie, nach dem Sprachgebrauch der Vorrede der Phфnomenologie
des Geistes, toleriert werden als ╗Konversationл. Deren Zeit aber ist um. Gleichwohl vergi▀t
das Buch nicht sowohl den Totalitфtsanspruch des Systems, das nicht dulden mЎchte, da▀ man
aus ihm herausspringt, als da▀ es dagegen aufbegehrt. Hegel hфlt sich dem Subjekt gegen№ber
nicht an die Forderung, die er sonst leidenschaftlich vortrфgt: die, in der Sache zu sein und
nicht ╗immer dar№ber hinausл, anstatt ╗in den immanenten Inhalt der Sache einzugehenл.
Verschwindet heute das Subjekt, so nehmen die Aphorismen es schwer, da▀ ╗das
Verschwindende selbst als wesentlich zu betrachtenл sei. Sie insistieren in Opposition zu
Hegels Verfahren und gleichwohl in Konsequenz seines Gedankens auf der Negativitфt: ╗Das
Leben des Geistes gewinnt seine Wahrheit nur, indem er in der absoluten Zerrissenheit sich
selbst findet. Diese Macht ist er nicht als das Positive, welches von dem Negativen wegsieht,
wie wenn wir von etwas sagen, dies ist nichts oder falsch, und nun, damit fertig, davon weg
zu irgend etwas anderem №bergehen; sondern er ist diese Macht nur, indem er dem Negativen
ins Angesicht schaut, bei ihm verweilt.л
Die erledigende Gebфrde, mit welcher Hegel im Widerspruch zur eigenen Einsicht stets
wieder das Individuelle traktiert, r№hrt paradox genug her von seiner notwendigen
Befangenheit in liberalistischem Denken. Die Vorstellung einer durch ihre Antagonismen
hindurch harmonischen Totalitфt nЎtigt ihn dazu, der Individuation, mag immer er sie als
treibendes Moment des Prozesses bestimmen, in der Konstruktion des Ganzen einzig
minderen Rang zuzuerkennen. Da▀ in der Vorgeschichte die objektive Tendenz №ber den
KЎpfen der Menschen, ja vermЎge der Vernichtung des Individuellen sich durchsetzt, ohne
da▀ bis heute die im Begriff konstruierte VersЎhnung von Allgemeinem und Besonderem
geschichtlich vollbracht wфre, verzerrt sich bei ihm: mit №berlegener Kфlte optiert er nochmals
f№r die Liquidation des Besonderen. Nirgends wird bei ihm der Primat des Ganzen bezweifelt.
Je fragw№rdiger der ▄bergang von der reflektierenden Vereinzelung zur verherrlichten
Totalitфt wie in der Geschichte so auch in der Hegelschen Logik bleibt, desto eifriger hфngt
Philosophie, als Rechtfertigung des Bestehenden, sich an den Triumphwagen der objektiven
Tendenz. Die Entfaltung eben des gesellschaftlichen Individuationsprinzips zum Sieg der
Fatalitфt bietet ihr dazu Anla▀ genug. Indem Hegel die b№rgerliche Gesellschaft sowohl wie
deren Grundkategorie, das Individuum, hypostasiert, hat er die Dialektik zwischen beiden
nicht wahrhaft ausgetragen. Wohl gewahrt er, mit der klassischen ╓konomik, da▀ die Totalitфt
selbst aus dem Zusammenhang der antagonistischen Interessen ihrer Mitglieder sich
produziert und reproduziert. Aber das Individuum als solches gilt ihm weithin, naiv, f№r die
irreduzible Gegebenheit, die er in der Erkenntnistheorie gerade zersetzt. In der
individualistischen Gesellschaft jedoch verwirklicht nicht nur das Allgemeine sich durchs
Zusammenspiel der Einzelnen hindurch, sondern die Gesellschaft ist wesentlich die Substanz
des Individuums.
Darum vermag die gesellschaftliche Analyse aber auch der individuellen Erfahrung
unvergleichlich viel mehr zu entnehmen, als Hegel konzedierte, wфhrend umgekehrt die
gro▀en historischen Kategorien nach all dem, was mittlerweile mit ihnen angestiftet ward,
vorm Verdacht des Betrugs nicht mehr sicher sind. In den hundertundf№nfzig Jahren, die seit
Hegels Konzeption vergingen, ist von der Gewalt des Protests manches wieder ans
Individuum №bergegangen. Verglichen mit der altvфterischen Kargheit, die dessen
Behandlung bei Hegel charakterisiert, hat es an F№lle, Differenziertheit, Kraft ebensoviel
gewonnen, wie es andererseits von der Vergesellschaftung der Gesellschaft geschwфcht und
ausgehЎhlt wurde. Im Zeitalter seines Zerfalls trфgt die Erfahrung des Individuums von sich
und dem, was ihm widerfфhrt, nochmals zu einer Erkenntnis bei, die von ihm blo▀ verdeckt
war, solange es als herrschende Kategorie ungebrochen positiv sich auslegte. Angesichts der
totalitфren Einigkeit, welche die Ausmerzung der Differenz unmittelbar als Sinn ausschreit,