"Kanonenfutter - Leutnant Bolithos Handstreich in Rio" - читать интересную книгу автора (Кент Александер)

IV Spanisches Gold

Leutnant Charles Palliser schloß die beiden äußeren Lamellentüren von Dumaresqs Kajüte und meldete:»Alle versammelt, Sir. «Offiziere und ältere Deckoffiziere der Destiny schauten in unterschiedlicher Haltung Dumaresq erwartungsvoll entgegen. Es war zwei Tage nach ihrem Auslaufen von Madeira, am späten Nachmittag. Auf dem Schiff war eine Art lässiger Ruhe eingekehrt. Ein leichter Nordostwind trieb es auf Backbordbug stetig in die Weite des Atlantiks hinaus.

Dumaresq warf einen Blick zum Oberlicht hinauf, auf das ein Schatten gefallen war, wahrscheinlich vom Steuermannsmaat der Wache.

«Schließen Sie auch das!»

Bolitho musterte seine Gefährten und fragte sich, ob sie seine wachsende Neugierde teilten.

Diese Zusammenkunft war unvermeidbar gewesen, aber Dumaresq hatte es große Mühe gekostet, ihnen mitzuteilen, daß sie einberufen würde, sobald das Schiff frei von Land sei.

Dumaresq wartete, bis Palliser sich wieder gesetzt hatte. Dann sah er sie der Reihe nach an. Sein Blick wanderte vom Offizier der Seesoldaten über den Arzt, den Master und den Zahlmeister schließlich zu seinen drei Seeoffizieren.

Er sagte:»Sie alle sind über den Tod meines Schreibers informiert. Ein zuverlässiger Mann, auch wenn er einige sonderbare Gewohnheiten hatte. Es wird schwer sein, ihn zu ersetzen. Indessen bedeutet seine Ermordung durch unbekannte Täter mehr als nur den Verlust eines Gefährten. Ich habe einige Geheimbefehle, über die ich Sie nun, da die Zeit dafür gekommen ist, in groben Zügen ins Bild setzen muß. Es heißt zwar, wenn zwei Leute von einer Sache wissen, ist sie nicht länger ein Geheimnis. Doch ein sehr viel ärgerer Feind auf einem kleinen Schiff sind Gerüchte und das, was sie anrichten können.»

Bolitho zuckte zusammen, als der fordernde Blick des Kommandanten einen Augenblick auf ihm ruhte, bevor er weiter in der Kajüte herumwanderte.

Dumaresq sagte:»Vor dreißig Jahren, also bevor die meisten in unserer Mannschaft ihren ersten Atemzug taten, führte ein Kommodore Anson eine Expedition um Kap Hoorn in die Große Südsee. Seine Aufgabe war es, spanische Niederlassungen zu beunruhigen, denn — wie Sie wissen sollten — wir standen damals im Krieg mit den Dons. «Er nickte grimmig.»Wieder einmal.»

Bolitho dachte an den vornehmen Spanier in dem Haus hinter dem Hafen von Funchal, an die Geheimnistuerei und an die verschwundene Dokumententasche, für die ein Mann hatte sterben müssen.

Dumaresq fuhr fort:»Eines ist sicher: Kommodore Anson mag ein mutiger Mann gewesen sein, aber was ihm für die Gesunderhaltung seiner Besatzungen einfiel, war mehr als bescheiden. «Er schaute seinen rundlichen Schiffsarzt an und erlaubte seinen Zügen, sich zu entspannen.»Anders als bei uns. Aber vielleicht hatte er keine erfahrenen Ärzte, die ihn beraten konnten.»

Einige kicherten, und Bolitho nahm an, die Bemerkung war zur allgemeinen Entspannung eingeflochten worden.

Dumaresq fuhr fort:»Mag dem gewesen sein, wie es will, jedenfalls hatte Anson innerhalb von drei Jahren alle Schiffe seines Geschwaders außer der Centurion eingebüßt und dreizehnhundert seiner Leute auf See bestattet. Die meisten starben an Seuchen, Skorbut und schlechter Ernährung. Es ist anzunehmen, daß man Anson vor ein Kriegsgericht gestellt hätte, auch wenn er ohne weitere Zwischenfälle heimgekommen wäre.»

Rhodes rutschte auf seinem Stuhl, und seine Augen glänzten, als er Bolitho zuflüsterte:»So etwas habe ich mir doch gedacht, Dick.»

Ein Blick von Dumaresq unterband, was Rhodes sonst noch hatte mitteilen wollen.

Der Kommandant schnippte unsichtbaren Staub von seiner Weste.»Anson stieß auf ein spanisches Schatzschiff, das mit Goldbarren im Schätzwert von über einer Million Guineen heimwärts segelte.»

Bolitho erinnerte sich dunkel, daß er etwas von dem Vorfall gelesen hatte. Anson hatte das Schiff nach kurzem Gefecht genommen. Er hatte seine Aktion zeitweise sogar unterbrochen, damit die Spanier ein Feuer, das in ihrer Takelage ausgebrochen war, löschen konnten. Er war nämlich erpicht darauf gewesen, das Schatzschiff — die Nuestra Senora de Covadonga — intakt in die Hand zu bekommen. Prisengerichte und die Gewaltigen der Admiralität hatten seit langem auf solch einen Erfolg gewartet, der ihnen wichtiger war als die Menschenleben, die seinetwegen verloren wurden.

Dumaresq hob den Kopf und gab seine entspannte Haltung einen Augenblick auf. Auch Bolitho hörte den Ruf vom Ausguck im Masttopp, der ein entferntes Segel in Richtung Nord meldete. Sie hatten es schon zweimal an diesem Tag gesichtet, denn es war unwahrscheinlich, daß sich mehr als ein fremdes Schiff auf diesem abgelegenen Kurs befand.

Der Kommandant zuckte mit den Schultern.»Später. «Er verbreitete sich nicht weiter darüber, sondern fuhr fort:»Bis vor kurzem war nicht bekannt, daß damals ein zweites Schatzschiff nach Spanien unterwegs war. Es war die Asturias, und sie war größer als Ansons Prise und schwerer beladen. «Er warf dem Arzt einen Blick zu.»Ich sehe, Sie haben davon gehört?»

Bulkley lehnte sich zurück und verschränkte die Hände über seinem ansehnlichen Bauch.»Das habe ich, Sir. Die Asturias wurde von einem britischen Freibeuter unter dem Kommando eines jungen Mannes aus Dorset, Kapitän Piers Garrick, angegriffen. Sein königlicher Kaperbrief rettete ihn mehrmals vor dem Galgen, an dem er als gemeiner Pirat gelandet wäre, und heute ist er Sir Piers Garrick, ein hochangesehener Mann und bis vor kurzem Inhaber mehrerer Regierungsämter in der Karibik.»

Dumaresq lächelte ingrimmig.»Das ist wahr, aber ich empfehle, daß Sie Ihre sonstigen Vermutungen auf den Bereich der Offiziersmesse beschränken. Die Asturias wurde nie gefunden, und Garricks Freibeuter wurde bei der Auseinandersetzung so schwer beschädigt, daß er ebenfalls aufgegeben werden mußte.»

Er schaute irritiert in die Runde, als der Posten vor der Kajüte durch die Tür rief:»Midshipman der Wache, Sir!»

Bolitho konnte sich die Aufregung auf dem Achterdeck vorstellen: Sollten sie die Zusammenkunft unter ihren Füßen stören und Duma-resqs Unwillen in Kauf nehmen? Oder sollten sie das Verhalten des fremden Schiffes einfach in die Logkladde eintragen und das Beste hoffen?

Dumaresq sagte:»Soll hereinkommen!«Er schien seine Stimme nicht ein bißchen zu heben, und doch drang sie mühelos bis zum vorderen Teil der Kajüte.

Es war Midshipman Cowdroy, ein sechzehn Jahre alter Bursche, den Dumaresq schon einmal wegen unnötiger Strenge gegen Leute seiner Wache bestraft hatte.

Er sagte:»Meldung von Mr. Slade, Sir: Der Ausguck hat das fremde Segel wieder in nördlicher Richtung gesichtet. «Er schluckte vor Aufregung und schien unter dem Blick des Kommandanten zusammenzuschrumpfen.

Dumaresq sagte schließlich:»Verstanden. Aber wir werden nichts unternehmen. «Als die Tür sich hinter Cowdroy geschlossen hatte, setzte er hinzu:»Obwohl ich annehme, daß der Fremde nicht rein zufällig hinter uns hersegelt.»

Auf der Back wurde die Schiffsglocke angeschlagen. Dumaresq fuhr unbeirrt fort:»Nach neuesten, zuverlässigen Informationen ist der größte Teil des Schatzes noch vorhanden: eineinhalb Millionen in Goldbarren.»

Sie starrten ihn an, als hätte er eine ungeheuerliche Obszönität von sich gegeben.

Rhodes faßte sich als erster.»Und wir sollen ihn finden, Sir?»

Dumaresq lächelte ihn an.»Wie Sie es ausdrücken, klingt es sehr einfach, Mr. Rhodes, und vielleicht finden wir ihn auch einfach so. Aber solch ein riesiger Schatz hat sicherlich bereits einiges Aufsehen erregt. Die Dons werden ihn als rechtmäßiges Eigentum reklamieren. Ein Prisengericht wird dagegen vielleicht argumentieren, daß das Schiff bereits von Garrick erobert war, bevor es flüchten und sich verbergen konnte. Der Goldschatz sei damit Eigentum Seiner Britischen Majestät. «Er senkte die Stimme.»Und dann gibt es noch andere, die gern die Hand darauf legen und einen Fall daraus machen würden, der uns nichts als Unheil bringen dürfte. So, meine Herren, jetzt wissen Sie Bescheid. Unser Auftrag heißt nach außen hin, daß wir einen Auftrag des Königs erledigen. Aber wenn die Nachricht von dem Schatz sich plötzlich überall herumgesprochen hat, möchte ich wissen, wer dahintersteckt.»

Palliser erhob sich, vergaß dabei aber nicht, den Kopf einzuziehen, der sonst an die Decksbalken gestoßen wäre. Die übrigen taten es ihm nach.

Dumaresq wandte sich um und schaute auf die glitzernde See, die sich achteraus bis zum Horizont erstreckte.

«Wir segeln zunächst nach Rio. Dort hoffe ich, mehr zu erfahren.»

Bolitho hielt den Atem an. Südamerika, Rio de Janeiro, das lag über fünftausend Meilen von Falmouth entfernt. So weit weg von zu Hause war er noch nie gewesen.

Als sie Anstalten machten zu gehen, sagte Dumaresq:»Mr. Palliser und Mr. Gulliver bleiben noch hier.»

Palliser rief Bolitho nach:»Übernehmen Sie bitte meine Wache, bis ich Sie ablöse!»

Sie verließen die Kajüte, jeder mit seinen Gedanken beschäftigt. Ihr ferner Bestimmungsort würde den Matrosen ziemlich gleichgültig sein. Ob nah oder fern, überall war Ozean, immer blieb das Schiff sich gleich. Da mußten Segel gesetzt, getrimmt, geborgen werden — was auch geschah, am harten Leben des Seemanns änderte sich nicht viel, ob nun England oder die Arktis ihr Ziel war. Aber wenn erst das Gerücht über einen Goldschatz im Schiff herum war, mochte sich manches ändern.

Als er zum Achterdeck hinaufstieg, bemerkte Bolitho, daß die Leute, die sich zur Wachablösung versammelten, ihn neugierig anschauten, aber wegsahen, wenn sein Blick auf sie fiel. Es hatte den Anschein, daß sie schon alles wußten.

Slade berührte seinen Hut:»Die Wache ist angetreten, Sir.»

Er war ein harter Steuermannsmaat und bei vielen Leuten unbeliebt, besonders bei denen, die seinen hohen Anforderungen an seemännisches Können nicht gerecht wurden.

Bolitho wartete, daß die Leute am Ruderrad abgelöst wurden, der übliche Vorgang bei Übergabe einer Wache. Ein Blick dann nach oben zum Stand der Segel und Rahen, Überprüfung des Kompasses und der Notizen, die der Midshipman der Wache mit Kreide auf eine Schiefertafel geschrieben hatte.

Gulliver kam an Deck und preßte die Handflächen zusammen wie immer, wenn er nervös war.

Slade fragte:»Schwierigkeiten, Sir?»

Gulliver sah ihn nachdenklich an. Es war zu kurze Zeit her, daß er selber sich noch in Slades Stellung befunden hatte, um die Bemerkung als harmlos anzusehen. Wollte Slade sich damit beliebt machen? Oder sollte anklingen, daß er sich schon den Offizieren der Messe zugehörig fühlte?

Er befahl kurz:»Beim nächsten Wechsel des Halbstundenglases werden wir Kurs ändern. «Er warf einen Blick auf den kardanisch aufgehängten Kompaß.»Neuer Kurs dann Südwest zu West. Der Kommandant beabsichtigt, die Bramsegel zu setzen, obwohl ich bezweifle, daß wir ihr bei diesem leichten Wind damit auch nur einen weiteren Knoten herauskitzeln können.»

Slade schielte zum Ausguck im Vortopp hinauf.»Das fremde Segel hat also doch etwas zu bedeuten.»

Pallisers Stimme eilte ihm beim Hochkommen auf dem Niedergang voraus:»Es bedeutet, Mr. Slade, daß — wenn das Segel morgen früh immer noch da ist — es uns tatsächlich verfolgt.»

Bolitho bemerkte Besorgnis in Gullivers Blick und erriet, was Du-maresq ihm und Palliser gesagt haben mochte.

«Ich nehme an, wir können nichts dagegen unternehmen, Sir. Wir sind nicht im Krieg.»

Palliser sah ihn ruhig an.»Wir können eine ganze Menge dagegen tun. «Er nickte, um diese Feststellung zu bekräftigen.»Seien Sie also auf alles gefaßt.»

Als Bolitho sich anschickte, das Achterdeck Pallisers Aufsicht zu überlassen, rief dieser ihm nach:»Und ich werde genau darauf achten, wie lange Ihre Bummelanten brauchen, wenn ich alle Mann zum Bramsegelsetzen rufen lasse!»

Bolitho deutete eine Verbeugung an.»Es wird mir eine Ehre sein,

Sir.»

Rhodes erwartete ihn unten auf dem Batteriedeck.»Gutgemacht, Dick. Er wird Sie respektieren, wenn Sie ihm kontra geben.»

Sie gingen nach achtern zur Messe, und Rhodes sagte:»Sie wissen, daß unser 'Herr und Meiste' beabsichtigt, das andere Schiff aufzubringen, nicht wahr, Dick?»

Bolitho warf seinen Hut auf eine der Kanonen und ließ sich am Tisch nieder.

«Ich nehme es an. «Seine Gedanken wanderten wieder zurück zu den Klippen und Buchten von Cornwall.»Voriges Jahr, Stephen, machte ich Vertretungsdienst auf einem Zollkutter.»

Rhodes wollte gerade eine witzige Bemerkung dazu machen, als er in Bolithos Augen aufsteigenden Kummer gewahrte.

Bolitho sagte:»Es gab da einen Mann, einen großen und angesehenen Gutsbesitzer. Er starb bei dem Versuch, aus dem Lande zu flüchten. Ihm war nachgewiesen worden, daß er Waffen für den Aufstand in Amerika geschmuggelt hatte. Vielleicht denkt der fremde Kommandant, hier liege ein ähnlicher Fall vor, und all die Jahre habe das Gold nur auf die richtige Verwendung gewartet.«Überrascht von seinem eigenen Ernst, zog Bolitho ein Gesicht.»Aber lassen Sie uns über Rio sprechen. Ich freue mich schon darauf.»

Colpoys schenderte herein und ließ sich umständlich auf einem Stuhl nieder.

Er sagte zu Rhodes:»Der Erste Offizier läßt Ihnen sagen, Sie möchten einen Midshipman zur Schreibarbeit in der Kajüte abstellen. «Er schlug die Beine übereinander und bemerkte spöttisch:»Wußte gar nicht, daß unsere jungen Herren des Lesens und Schreibens kundig sind.»

Ihr Gelächter erstarrte, als der Schiffsarzt mit ungewöhnlich ernster Miene eintrat und nach einem prüfenden Blick in die Runde sagte:»Der Oberfeuerwerker hat mir gerade interessante Dinge erzählt. Einer seine Maate hat ihn gefragt, ob sie die Kugeln der Zwölfpfünder umstauen sollten, um Platz für die Goldbarren zu schaffen. «Er ließ seine Worte einsickern.»Wie lange ist es her? Fünfzehn Minuten, zehn? Es wird das am kürzesten bewahrte Geheimnis aller Zeiten gewesen sein.»

Bolitho lauschte dem regelmäßigen Knarren und Quietschen der Takelage und den Schritten der Wache auf dem Deck über ihnen.

«Seien Sie auf alles gefaßt«, hatte Palliser gesagt. Der Satz hatte plötzlich noch eine andere Bedeutung bekommen.

Am Morgen nach Dumaresqs Enthüllungen über das Schatzschiff stand das fremde Segel noch immer weit achteraus.

Bolitho hatte die Morgenwache und spürte die wachsende Spannung, als das Licht über dem östlichen Horizont zunahm und die Gesichter um ihn herum Form und persönliche Züge gewannen.

Dann kam der Ruf:»An Deck! Segel in Nordost!»

Dumaresq schien darauf gewartet zu haben. Innerhalb weniger Minuten erschien er an Deck, und nach einem flüchtigen Blick auf den Kompaß und die lose killenden Segel bemerkte er:»Der Wind hat abgeflaut. «Er schaute Bolitho an.»Das ist ein mieses Geschäft!«Er riß sich sofort wieder zusammen und sagte:»Ich werde jetzt erst einmal frühstücken. Schicken Sie Mr. Slade nach oben, sobald er auf Wache kommt. Er hat ein Auge für Schiffe aller Art. Er soll sich den Fremdling anschauen, der — weiß Gott, wie er es macht — gewitzt genug ist, Fühlung zu halten, ohne uns aus den Augen zu verlieren.»

Bolitho sah Dumaresq nach, bis er nach unten verschwunden war, und blickte dann über die ganze Länge der Destiny. Es war die geschäftigste Zeit an Bord. Matrosen schrubbten kniend mit Sandsteinen —»Gebetbuch «genannt — die Decksplanken, andere reinigten Kanonen oder überholten unter Timbrells kritischen Blicken das stehende und laufende Gut der Masten. Die Seesoldaten übten sich im komplizierten Exerzieren mit Musketen und aufgepflanzten Bajonetten, wobei Colpoys sich im Hintergrund hielt und die Arbeit seinem Sergeanten überließ.

Beckett, der Schiffszimmermann, reparierte mit einigen Leuten die Backbord-Laufbrücke, die beschädigt worden war, als bei der Proviantübernahme ein Hilfskran über ihr zusammengebrochen war. Das Oberdeck mit seiner doppelten Reihe von Zwölfpfündern wirkte wie Geschäftsstraße und Marktplatz in einem, wo hart gearbeitet, aber auch munter geklatscht wurde; wo der einzelne sich drücken, aber auch seinen Vorgesetzten angenehm auffallen konnte.

Später, als die Decks aufgeklart waren, wurden die Männer zum Segelexerzieren gerufen, wobei Palliser seinen Stammplatz auf dem Achterdeck einnahm und ihre verzweifelten Bemühungen überwachte, ein Segel noch ein paar Sekunden schneller als das letzte mal zu reffen oder neu zu setzen.

Und während der ganzen Zeit, in der sie den Alltagsdienst auf einem Kriegsschiff erledigten, blieb das fremde Schiff stets hinter ihnen. Wie eine kleine Motte am Horizont war es immer da. Wenn die Destiny Segel wegnahm und dadurch ihr Fahrt verringerte, machte der Fremdling es ihr nach. Wurde mehr Leinwand gesetzt, meldete der Ausguck sofort das gleiche Manöver bei dem Fremden.

Dumaresq kam an Deck, als Gulliver gerade die Bemühungen des

Midshipman der Wache beaufsichtigte, die Mittagshöhe der Sonne zu messen und damit ihren Standort zu bestimmen. Bolitho stand nahe genug, um seine Frage zu hören:»Nun, Mr. Gulliver, wie wird das Wetter heute nacht?«Er schien ungeduldig, ja ärgerlich darüber zu sein, daß Gulliver seinen normalen Dienstobliegenheiten nachging.

Der Master warf einen Blick zum Himmel und dann auf den roten Wimpel an der Mastspitze.»Der Wind hat etwas geräumt, Sir, aber seine Stärke ist unverändert. Wir werden heute nacht keine Sterne haben, zu viele Wolken über der Kimm.»

Dumaresq biß sich auf die Unterlippe.»Gut. Dann soll's geschehen. «Er wandte sich um und rief:»Holen Sie Mr. Palliser!«Er sah Bolitho.»Sie haben heute nachmittag die Hundewache. Sorgen Sie dafür, daß ein paar Lampen am Besanmast bereitgestellt werden. Ich möchte, daß unser Freund ständig unsere Lichter sieht, es wird ihn beruhigen.»

Bolitho bemerkte die Veränderung in dem Mann, die Kraft, die ihn wie eine Woge durchlief und seinen Verfolger zu vernichten drohte.

Palliser kam nach achtern geeilt und blickte vorwurfsvoll drein, als er den Kommandanten wieder mit dem jüngsten Offizier sprechen sah.

«Ah, Mr. Palliser, ich habe Arbeit für Sie.»

Dumaresq lächelte; aber an der Art, wie seine Gesichtsmuskeln zuckten und Rücken und Schultern sich strafften, konnte Bolitho erkennen, daß er nicht so gelassen war, wie er sich gab.

Dumaresq machte eine weit ausholende Gebärde.»Ich möchte, daß die Barkasse bei Anbruch der Dunkelheit, bei schlechtem Licht noch früher, bereit zum Aussetzen ist. Geben Sie bitte einem guten Mann das Kommando, und teilen Sie einige zusätzliche Leute ein, die den Mast in der Barkasse aufrichten und Segel setzen, sobald sie abgelegt hat. «Er beobachtete Pallisers undurchdringliche Miene und setzte hinzu:»Ich möchte, daß sie einige große Lampen mitnehmen. Wir werden unsere eigenen löschen und das ganze Schiff verdunkeln, sobald die Barkasse von uns frei ist. Danach beabsichtige ich, einen Schlag nach Luv zu machen, dann zu wenden und abzuwarten.»

Bolitho wandte sich um und schaute Palliser an. Ein anderes Schiff bei Dunkelheit anzugreifen, war nicht auf die leichte Schulter zu nehmen.

Dumaresq fügte hinzu:»Ich lasse jeden Mann an Bord auspeitschen, der auch nur so viel Licht zeigt wie ein Glühwürmchen.»

Palliser berührte seinen Hut.»Ich kümmere mich darum, Sir. Und das Kommando im Boot kann Mr. Slade übernehmen. Er ist so scharf auf Beförderung, daß er sich darüber freuen wird.»

Bolitho bemerkte mit Staunen, daß Dumaresq und der Erste Offizier einander anlachten wie zwei Schuljungen nach einem gelungenen Streich.

Dumaresq schaute zum Himmel auf und wandte den Blick dann nach achtern. Nur vom Masttopp aus konnte man das andere Schiff sehen, aber es hatte den Anschein, als könne Dumaresq bis hinter den Horizont blicken. Er war jetzt wieder ganz ruhig und Herr seiner Gefühle.

Er sagte:»Davon werden Sie Ihrem Vater erzählen können, Mr. Bo-litho. Es würde ihm gefallen.»

Ein Matrose mit einem Bunsch Tauwerk wie einem Bündel toter Schlangen über der Schulter schlenderte vorbei: Stockdale. Als der Kommandant nach unten verschwand, flüsterte er:»Greifen wir den da hinten an, Sir?«Bolitho zuckte die Achseln.»Ich — hm — ich glaube, ja. «Stockdale nickte kräftig.»Dann schleife ich mal mein Entermesser. «Und damit war der Fall für ihn zunächst klar.

Wieder allein mit seinen Gedanken, ging Bolitho zur Querreling und schaute hinab auf die Männer, die damit beschäftigt waren, die Barkasse aus der Reihe der übrigen Boote freizulegen. Ob Slade wußte, überlegte er, wie gefährlich sein Auftrag war? Wenn nun der Wind zunahm, nachdem die Barkasse losgeworfen hatte? Slade konnte Meilen von ihrem Kurs abgetrieben werden. Ihn wiederzufinden, würde dann so schwer sein wie die Suche nach der berühmten Stecknadel im Heuhaufen.

Jury kam an Deck und trat nach einigem Zögern zu ihm an die Reling. Bolitho sah ihn erstaunt an.»Ich dachte, Sie wären achtern für den armen Lockyer eingesprungen?»

Jury hielt seinem Blick stand.»Ich habe den Ersten Offizier gefragt, ob er an meiner Stelle nicht Midshipman Ingrave einteilen könne. «Unter dem prüfenden Blick Bolithos verlor er etwas von seiner gespielten Gelassenheit.»Ich wollte lieber in Ihrer Wache bleiben, Sir.»

Bolitho klopfte ihm auf die Schulter.»Auf Ihre eigene Verantwortung. «Aber er fühlte sich trotzdem etwas geschmeichelt.

Die Bootsmannsmaaten eilten von Luk zu Luk, ließen ihre Silberpfeifen trillern und riefen dazwischen mit heiseren Stimmen die Wache nach oben, um die Barkasse auszusetzen.

Jury lauschte dem Trillern und sagte:»Die Nachtigallen von Spithead sind heute abend mal wieder groß in Form, Sir.»

Bolitho verbarg ein Lächeln. Jury drückte sich wie ein Matrose aus, wie ein alter Seebär. Er sah ihn ernst an.»Sie setzen sich besser in Bewegung und schauen nach, ob mit den Lampen alles klappt. Anderenfalls wird Mr. Palliser uns beide in Stücke reißen, fürchte ich.»

Als sich die Dämmerung herabsenkte und ihre Vorbereitungen verhüllte, meldete der Ausguck im Mast, daß das andere Segel noch immer in Sicht sei.

Palliser tippte an seinen Hut, als der Kommandant an Deck kam.»Alles klar, Sir.»

«Sehr gut. «Dumaresqs Augen blitzten im Widerschein der aufgereihten Lampen.»Nehmen Sie ein paar Segel weg, und dann klar zum Aussetzen des Bootes!«Er schaute hinauf, als das Großmarssegel aufgegeit wurde und träge an seiner Rah schlug.»Danach setzen wir sofort wieder jeden Fetzen, den wir haben. Wenn das Frettchen hinter uns ein Freund ist und sich nur bei uns angehängt hat, um unseren Schutz zu genießen, werden wir es bald erfahren. Wenn nicht, Mr. Palliser, wird er einiges erfahren, das verspreche ich Ihnen.»

Eine anonyme Stimme flüsterte:»Kommandant kommt, Sir. «Palliser drehte sich um und wartete, daß Dumaresq zu ihm an die Reling trat. Schattenhaft schob sich Gulliver durch das Dunkel.»Kurs Ost zu Süd, Sir, voll und bei.«[6]

Dumaresqs Antwort war ein kurzes Grunzen.»Sie hatten recht mit der sternenlosen Nacht, Mr. Gulliver, obwohl der Wind frischer ist als erwartet.»

Bolitho stand mit Rhodes und drei Midshipmen auf der Leeseite des Achterdecks bereit, jeden plötzlich gegebenen Befehl auszuführen. Und natürlich waren sie damit auch nahe genug, um an der weiteren

Entwicklung und wachsenden Spannung teilzunehmen. Dumaresqs Bemerkung hatte geklungen, als mache er den Master für den Wind verantwortlich.

Bolitho schaute hinauf, und es überlief ihn ein Schauer. Nachdem die Destiny sich mühsam ein gutes Stück nach Luv hochgearbeitet hatte, war sie, wie von Dumaresq geplant, durch den Wind gegangen und stürzte sich nun mit einer steifen Brise von Backbord gegen die anstürmenden Seen, die an der Luvseite Gischt bis zur Takelage hinaufschickten und die an Deck hockenden Seeleute wie mit einem Tropenregen übergössen.

Die Segel der Destiny waren bis auf Marssegel und Klüver weggenommen; in die große Breitfock jedoch waren nur zwei Reffs eingesteckt, für den Fall, daß sie bei einer plötzlichen Kursänderung gesetzt werden mußte.

Rhodes murmelte:»Irgendwo da vorn ist das andere Schiff, Dick. «Bolitho nickte und versuchte, nicht an die Barkasse zu denken, die in der zunehmenden Dunkelheit bis auf ihre Lichter, die sich lebhaft im Wasser spiegelten, verschwunden war.

Es war unheimlich, dieses totenstille, dunkle Schiff. Niemand sagte etwas, und die stark eingefetteten Blöcke und Taljen ließen ihr sonstiges Knarren und Quietschen vermissen. Zu hören waren nur die vorbeirauschenden Seen und das Gurgeln des durch die Speigatten ablaufenden Wassers, wenn die Destiny den Bug wieder einmal tief in ein Wellental gesteckt hatte.

Bolitho versuchte, sich auf das zu konzentrieren, was vor ihnen lag. Palliser hatte die besten Seeleute als Enterkommando ausgesucht, falls es dazu kam. Doch der auffrischende Wind konnte Dumaresqs Pläne durchkreuzt haben, dachte Bolitho. Er hörte Jury, der ruhelos an den Netzen hin und her ging, und Cowdroy, Rhodes' Midshipman, der schon zwei Jahre an Bord war: ein mürrischer und überheblicher Bursche von sechzehn Jahren, als Offizier ungeeignet. Rhodes hatte mehr als einmal Anlaß gehabt, ihn beim Kommandanten zu melden, und das letztemal war er vom Bootsmann schändlich über einen Sechspfünder gelegt und mit dem Stock gezüchtigt worden. Das schien ihn aber nicht geändert zu haben. Als dritter vervollständigte der kleine Mer-rett, der sich wie üblich möglichst außer Sichtweite hielt, das Trio. Rhodes sagte leise:»Jetzt ist es bald soweit, Dick. «Er lockerte den

Säbel an seinem Gürtel.»Könnte ein Sklavenhändler sein, wer weiß?»

Yeames, Steuermannsmaat der Wache, sagte heiter:»Wohl kaum, Sir. Ein Schiff voll Sklaven würden Sie jetzt schon riechen.»

Palliser brummte ärgerlich:»Haltet den Mund!»

Bolitho beobachtete, wie die See weiß schäumend über die Leereling schlug. Dahinter sah er nichts als eine tiefschwarze Wand, nach oben durch eine gezackte Linie abgeschlossen. Schwarz wie Stiefelwichse, hatte Colpoys bemerkt. Seine Scharfschützen hockten schon oben in den Masten, bemühten sich, ihre Musketen trocken und gleichzeitig nach dem Fremdling Ausschau zu halten.

Wenn der Kommandant und Gulliver die Zeit richtig berechnet hatten, mußte der Fremde jetzt an Steuerbord voraus in Sicht kommen. Die Destiny würde die bessere Position zum Wind haben und dadurch verhindern können, daß das andere Schiff ausriß. Die Männer der Steuerbordbatterie standen bereit, die Geschützführer knieten hinter den Rohren, um sie gleich nach dem Ausrennen auf den Feind richten zu können.

Einer Zivilperson, die daheim in England am Kamin saß, mochte das alles verrückt erscheinen. Aber für Kapitän Dumaresq war es etwas ganz anderes, und darauf kam es an. Das andere Schiff, wer es auch sein mochte, mischte sich in Angelegenheiten des Königs. Und das machte es zu seiner persönlichen Angelegenheit, die nicht auf die leichte Schulter zu nehmen war.

Bolitho überlief ein neuer Schauer, als er an seine erste Begegnung mit dem Kommandanten dachte:»Loyalität für mich, das Schiff und seine Britannische Majestät, in dieser Reihenfolge.»

Die Destiny hob ihren bebenden Klüverbaum wie eine Lanze und schien einen Augenblick bewegungslos über dem nächsten Wellental zu schweben, bevor sie hinabfiel und mit ihrem Bug den nächsten Wasserberg teilte, wodurch eine Flut von Gischt über der Back zusammenschlug.

Aus dem Augenwinkel sah Bolitho, daß etwas von oben herunterfiel. Es schlug an Deck auf und explodierte mit lautem Knall.

Rhodes duckte sich, als eine Kugel gefährlich nahe an seinem Gesicht vorbeipfiff. Er schnappte nach Luft.»Da hat doch so ein verdammter Ochse seine Muskete fallen lassen!»

Erschreckte Stimmen und wilde Flüche klangen vom Batteriedeck hoch, und Leutnant Colpoys rannte zum Hüttenaufgang, um sich den Sünder zu kaufen.

Das alles ereignete sich in schneller Folge. Die Explosion lenkte die Aufmerksamkeit der Offiziere und Seeleute nur wenige Augenblicke ab, während sich die Destiny unbeirrt den nächsten Wellenbergen entgegenwarf.

Palliser sagte ärgerlich:»Ruhe da, verdammt noch mal!»

Bolitho wandte sich um und erstarrte, als aus der Finsternis, vor dem Winde herlaufend, das andere Schiff auftauchte, und zwar nicht in sicherem Abstand an Steuerbord, sondern ganz nahe an Backbord, wie ein Phantom über ihrer Reling.

«Ruder hart Steuerbord!«Dumaresqs mächtige Stimme brachte die verschreckten Leute wieder zu Besinnung.»An die Schoten, Halsen und Brassen! Soldaten auf dem Achterdeck — Achtung!»

Sich aufbäumend und wieder tief eintauchend, mit donnernd schlagenden Segeln, drehte die Destiny von dem auf sie zukommenden Schiff weg. Geschützbedienungen, die noch vor wenigen Minuten ihre Waffen für das bevorstehende Gefecht klariert hatten, stürzten nach der ersten Überraschung auf die andere Seite, um ihren Kameraden zu helfen, deren Zwölfpfünder noch festgezurrt hinter dichtverschlossenen Stückpforten standen.

Ein Brecher ergoß sich über das Achterdeck und durchnäßte alle dort Stehenden bis auf die Haut. Die Ordnung war jedoch schnell wiederhergestellt, und Bolitho sah Matrosen, die sich so stark in die Brassen legten, daß sie mit ihren Rücken fast das Deck berührten.

Er brüllte:»Achtung, Leute!«, und griff nach seinem Säbel, während Rhodes und seine Midshipmen zum Vorschiff rannten.»Sie steuern direkt auf uns zu!»

Ein Schuß warf sein Echo über das Getöse von See und Wind, doch ob er versehentlich oder gezielt abgefeuert worden war, interessierte Bolitho jetzt nicht.

Er spürte Jury an seiner Seite.

«Was sollen wir tun, Sir?»

Es klang verängstigt. Mit gutem Recht, dachte Bolitho. Merrett hatte sich an die Netze geklammert, als wolle er sie nie wieder loslassen. Bolitho kostete es große Anstrengung, seine jagenden Gedanken unter Kontrolle zu bekommen. Er mußte handeln. Niemand war da, der ihm Ratschläge oder Befehle gab. Jedermann auf dem Achterdeck war voll von seinen eigenen Aufgaben in Anspruch genommen.

Er brachte es fertig zu sagen:»Bleiben Sie bei mir!«Dann rief er einem vorbeirennenden Mann zu:»Sie da, holen Sie die Leute von der Steuerbord-Batterie nach oben, wir müssen Enterer zurückschlagen!»

Während Männer fluchend und schreiend in alle Richtungen rannten, hörte Bolitho die Stimme Dumaresqs. Er stand auf der entgegengesetzten Seite des Achterdecks, aber es hörte sich an, als spräche er direkt an Bolithos Ohr.

«Klar zum Entern, Mr. Bolitho!«Er wandte sich um, als Palliser weitere Leute an die Fallen, Geitaue und Gordings schickte, um durch Abdrehen die Gewalt des Zusammenstoßes zu mildern.»Er darf uns nicht entwischen!»

Bolitho starrte ihn entschlossen an.»Aye, Sir!«Er war gerade dabei, seinen Säbel zu ziehen, als das andere Schiff mit einem splitternden Dröhnen breitseits gegen ihre Bordwand stieß. Wenn Dumaresq nicht so schnell gehandelt hätte, wäre es mit dem Bug in sie hineingefahren und hätte sie wie mit einer gewaltigen Axt in zwe i Teile gespalten.

Schreie verwandelten sich in Hilferufe, als eine wild durcheinandergeratene Masse von Tauwerk und gebrochenen Spieren auf Deck und zwischen die beiden Schiffsrümpfe prasselte. Männer wurden von den Füßen gerissen, als die See die Schiffe anhob und noch einmal ge-geneinanderwarf, wobei ein weiteres Gewirr von Takelagenteilen und Blöcken von oben kam. Einige Männer lagen darunter, aber Bolitho zog Jury am Arm und schrie:»Komm mit!«Er schwang seinen Säbel und schaute krampfhaft nicht auf das Wasser nieder, das zwischen den beiden Schiffen hochbrodelte. Ein Fehltritt, und alles war vorbei. Er sah Little ein Enterbeil schwingen und Stockdale, der sein Entermesser wie einen Dolch vor die breite Brust hielt.

Bolitho biß die Zähne zusammen und machte einen Satz in die Wanten des anderen Schiffes. Seine Füße traten ins Leere, als sie nach einem Halt suchten. Sein Säbel war seiner Hand, die ein Stag gefaßt hatte, entglitten und schaukelte am Riemen bedrohlich von seinem Handgelenk, während er keuchend um Halt kämpfte. Andere Männer, die ebenfalls den Sprung gewagt hatten, tauchten neben ihm auf, doch einer hatte es nicht geschafft und war zwischen die beiden Schiffsrümpfe gefallen. Es würgte Bolitho im Hals, als der Schrei des Mannes plötzlich abbrach wie eine Tür, die zugeschlagen wurde.

Als er auf das fremde Deck hinuntersprang, hörte er andere Stimmen und sah vage Gestalten sich durch heruntergefallene Takelage arbeiten, während achtern eine Pistole knallte.

Er griff nach seinem Säbel und schrie:»Werft die Waffen weg! Im Namen des Königs!»

Das wilde Geschrei, das seiner kläglichen Aufforderung folgte, war fast schlimmer als die Gefahr, in der er sich befand. Vielleicht hatte er geglaubt, Spanier oder Franzosen vor sich zu haben. Aber die Stimmen, die seinem hocherhobenen Säbel entgegenbrüllten, waren so englisch wie seine eigene.

Eine Stenge fiel krachend aufs Deck, zerschmetterte eine der Gestalten zu Brei und trennte die Gegner einen Augenblick. Mit einem letzten Zittern lösten sich die beiden Schiffe voneinander. In diesem Augenblick, als eine Säbelklinge aus dem Dunkel auf ihn zustieß, erkannte Bolitho, daß die Destiny fort war und er nun um sein Leben kämpfen mußte.