"Eine letzte Breitseite: Kommodore Bolitho im östlichen Mittelmeer" - читать интересную книгу автора (Кент Александер)X Schwierige EntscheidungZwei ermüdende Wochen lang kreuzten Bolithos Schiffe im Südwesten der Einfahrt nach Toulon. Falls der Feind den Hafen verließ, war das für sie die günstigste Position. Da die Und dann, an einem heißen, drückenden Abend, als die In derselben Nacht hatte ein französischer Fischer eine ganz ähnliche Idee. Gegen die Anordnungen des Hafenadmirals und des Garnisonskommandeurs lief er, mit seinem Sohn und seinem Cousin an Bord, in seinem kleinen Boot aus. Bolitho erfuhr von diesen Zusammenhängen erst, als der Kutter der Der Fischer war ein älterer Mann, aber recht widerspenstig. Um sein Leben schien er keine sonderliche Angst zu haben; wahrscheinlich fand er, da die Engländer sein kleines Boot gerammt und versenkt hatten, blieb ihm nicht mehr viel, wofür sich zu leben lohnte. Bolitho hörte sich zunächst Javals Bericht an, ehe er die drei Franzosen in seine Kajüte bringen ließ. Sie waren irgendwie herzbewegend: der alte, graubärtige Fischersmann; sein Vetter, rot wie ein Hummer und mit einem Bauch wie ein Rumfaß; und der Sohn, stramm, wütend und doch voller Angst. Durch Farquhar, der ausgezeichnet französisch sprach, erklärte Bolitho den dreien, er hätte gern Informationen über Toulon. Verständlicherweise meinte der Franzose darauf, Bolitho möge doch in der Hölle verfaulen. Der Sohn brüllte sogar:»Tod den Engländern!«Da verpaßte ihm Sergeant Gritton eine Ohrfeige, worauf er in eine Flut von Tränen ausbrach. Der Cousin dagegen dachte wesentlich praktischer. Das Boot, so erklärte er, sei ihr ganzer Besitz gewesen und das einzige, womit sie ihre Familien ernähren und in einer Stadt, wo das Militär sowieso von allem das Beste in Beschlag nahm, ihren mageren Lebensunterhalt hatten etwas aufbessern können. Höchstwahrscheinlich stimmte das sogar. Der beleibte Cousin mit dem roten, schlauen Gesicht war offenbar der Kopf der Mannschaft. Er deutete an, vorsichtig zunächst, wenn Bolitho ihnen ein neues Boot besorge und vielleicht ein bißchen Geld oder ein paar Lebensmittel, dann hätte er nichts dagegen, ihm zu sagen, was er wissen wollte. «Von wegen Boot!«blaffte Javal dazwischen.»Ich lasse diesen elenden Wurm lieber auspeitschen, Sir!» «Auf diese Art erfahren wir nichts Brauchbares. «Bolitho ging zum Fenster und betrachtete zwei niedrige, bleiche Wolkenbänke. Vielleicht änderte sich das Wetter.»Sagen Sie ihm, Captain Farqu-har, er bekommt ein Boot und etwas Proviant. Sie können der Javal schluckte mühsam.»Dann wollen Sie sie also freilassen, Sir?» «Wir kommen vielleicht wieder hier vorbei, Captain. Im Krieg kann man sich seine Freunde nicht aussuchen. «Gerade Javals ablehnende Haltung bestärkte ihn in seinem Entschluß. Und somit, während der Fischer und sein Sohn hinausgeschickt wurden, um sich das spanische Boot anzusehen, schilderte der dicke Cousin, was er jeden Tag in Toulon sah. Was Bolitho vom Kapitän der Eben stellte Farquhar dem Mann eine komplizierte, anscheinend besonders wichtige Frage. Gespannt beobachtete Bolitho seine Reaktion, sein Deuten nach oben und auf die See hinaus. «Die Flotte ist noch nicht bereit zum Auslaufen«, erläuterte Far-quhar.»Es heißt, sie wollen den richtigen Zeitpunkt abwarten. Auch auf den Oberbefehlshaber der ganzen Aktion warten sie noch. «Er hob kaum merklich die Brauen.»Das könnte stimmen.» Bolitho nickte. Er konnte nicht viel Französisch, aber doch genug, um den Namen Bonaparte herauszuhören. Farquhar sprach weiter.»Er sagt, ein Teil der Flotte ist seeklar, Sir. Mehrere Versorgungsschiffe und deren Eskorte. «Bedeutsam blickte er in das rote Gesicht des Mannes.»Er ist zu feige zum Lügen, denke ich. Die Schiffe gehen angeblich nur deshalb nicht in See, weil wir hier sind. Die Ladung ist wahrscheinlich sehr wichtig.» «Und ihr Bestimmungsort auch. «Bolitho traf eine Entscheidung. «Schicken Sie die drei in ihrem Boot nach Hause. Dann geben Sie dem Geschwader Signal: «Glauben Sie, daß sie sich so eher auszulaufen trauen, Sir?» «Ich an ihrer Stelle würde es tun. «Dann wandte er sich an Javal:»Ich werde darüber berichten, welchen Anteil Ihr Erster Offizier an dieser Sache hatte. Er hat sich ausgezeichnet verhalten. Und Sie auch.» Das war die erste wirklich konkrete und hochwichtige Information. Wagemut, Glück und Zufall hatten sie ihm verschafft. Da seine drei Vierundsiebziger dann draußen waren und genügend Seeraum hatten, während nur der Ausguck der Und sobald die Am selben Tage, nachdem die Fischer von Bord gegangen waren, um ihren langen Pull zur Küste anzutreten, beorderte Bolitho seine Schiffe auf ihre neue Position, einige zwanzig Meilen südwestlich von Toulon. Er schrieb seine Befehle aus und ließ sie an die Kommandanten verteilen. Dann besprach er die letzten Feinheiten mit Farquhar und Grubb, und als es endlich Abend wurde, ging er in seine Kajüte und genoß ein sättigendes Mahl von gekochtem Schweinefleisch aus dem Faß, mit dem letzten Käse, den er aus England mitgebracht hatte, als Nachtisch. Während er an seiner Tafel saß, eine Tasse Kaffee trank und auf das Knirschen und Rasseln des Schiffsgeschirrs horchte, dachte er an Falmouth und an sein leeres Haus. Und auch an den amerikanischen Kapitän und seine Frau, die in New Bedford auf ihn wartete. Wie lange würde es wohl dauern, bis er Falmouth wiedersah? Und wie würde das Nachhausekommen sein? Er war jetzt zwei Monate an Bord der Mit diesen Gedanken im Kopf legte er sich in seine Koje und schlief schon nach ein paar Minuten tief und traumlos. Als er eine Hand an seiner Schulter fühlte, dachte er, er hätte nur kurz geschlafen. Er fuhr hoch und starrte in Alldays Gesicht, das im Schein einer Laterne gelblich über der Koje schimmerte. «Was ist?» Sein Kopf wurde klar, und er setzte sich auf die Kojenkante. Er brauchte nichts weiter zu fragen und fluchte innerlich über seinen tiefen Schlaf. Draußen in der Nacht war es laut, und das Schiff rollte stark, so daß er beinahe hinfiel, als er sich zu seiner Kiste tastete. «Es hat mächtig auf gefrischt, Sir! Wird jede Minute schlimmer!«sagte Allday. Bolitho zog sich die Kniehose an. Dabei holte das Schiff so stark über, daß er stolperte und gegen Allday geworfen wurde. «Himmeldonnerwetter, warum hat man mir das nicht früher gemeldet?» Allday sagte nichts, wandte sich jedoch um, denn Ozzard erschien blinzelnd in der Tür, eine zweite Laterne hochhaltend. «Die Sachen des Kommodore, Mann!» Aber Bolitho befahl kurz:»Nur den Mantel! Ich muß an Deck!» Schon auf dem Achterdeck merkte er, daß es nicht nur ein stärkerer Wind war, sondern ein ausgewachsener Sturm; und als er sich unter die Decksbalken der Kampanje duckte, sah er, daß das Rad doppelt besetzt war. Das Schiff krängte stark nach Lee, und die Matrosen klammerten sich eisern an die Speichen. Er brauchte ein paar Sekunden, um seine Augen an die Finsternis zu gewöhnen, sein Gehör über das Jaulen des Windes, das Summen des Riggs und Donnern der Leinwand hinaus zu schärfen. Männer huschten geduckt an ihm vorbei, faßten nach jedem möglichen Halt, während Wasser über das Schanzkleid hereinbrach und sie herum warf, ehe es gurgelnd durch die Speigatten abfloß. Jedes Stag, jedes Want vibrierte brummend. Ihm taten die Matrosen leid, die sich jetzt auf den Fußpferden der Rahen hinauskämpften und Hand über Hand die tückische Leinwand refften. Da stand Farquhar. Seine schlanke Gestalt hob sich bleich von See und Himmel ab; er schrie durch die hohlen Hände einem Leutnant etwas zu, bemerkte dann Bolitho und kämpfte sich zu ihm hin; das blonde Haar hing ihm in nassen Strähnen vom Kopf. Er war nur in Hemd und Kniehose, seine Füße waren nackt. Ein beredteres Zeugnis dafür, daß höchste Not am Mann war, konnte sich Bolitho nicht vorstellen. «Wind dreht nach Nordwest, Sir«, brüllte Farquhar.»Ich lasse Marssegel reffen und den Klüver wegnehmen.» Er fuhr herum, denn im Vorschiff knallte es wie ein Musketenschuß, und dann kam das Knirschen reißender Leinwand: der Klüver war nur noch ein Chaos flatternder Streifen. «Na, wenigstens das bleibt ihnen erspart!» Hand über Hand kämpfte sich Bolitho zur Reling und spähte über das schrägliegende Deck. Auf der einen Seite war die See schwarz wie Pech, an der anderen stieg und fiel sie in riesigen Schaumbänken, die am Achterdeck so hoch entlangliefen, daß die LeeStückpforten überspült wurden. Von den anderen Schiffen war nichts zu sehen; vermutlich war jeder Kommandant zu sehr mit seinen eigenen Angelegenheiten beschäftigt, als daß er sich Gedanken um die Grubbs tiefe Stimme orgelte:»Fiert auf da, Jungs! Sonst reißen uns die Masten aus!» Auf der Luv-Laufbrücke rutschte ein Mann aus und fiel schlitternd und um sich schlagend in einen mächtigen Wasserwirbel. Beim Auftauchen wurde er gegen einen Achtzehnpfünder geschleudert, und Bolitho glaubte beinahe, die gebrochenen Rippen krachen zu hören. Ein gebrochenes Fall kam von oben und wand sich an Deck wie eine lebendige Schlange. Es würden noch mehrere folgen, wenn Farquhar nicht sofort handelte. Farquhar spuckte Sprühwasser aus und antwortete:»Dieser Narr von Gilchrist hat zu lange gezögert. Bei Gott, wo ist der Kerl, ich werde ihn — » Bolitho packte ihn beim Arm.»Keine Zeit jetzt! Wir müssen beidrehen und den Sturm abreiten, so gut wir können.» Farquhar starrte ihn an und nickte.»Jawohl, Sir, sofort!«Es klang fast verzweifelt. Bolitho ließ seinen Arm noch nicht los.»Gehen Sie in den Wind, sobald Sie die Segel weggenommen haben! Wir drehen dann nur unter Großmarssegel bei!«Er duckte sich und kniff die Augen zu, denn eine Wasserwand kam über die Reling und fegte gnadenlos über das Achterdeck und bis ins Hauptdeck hinunter.»Aber halten Sie die Großtagsegel bereit; falls das Marssegel wegfliegt!» Farquhars Stimme verklang in der Ferne; Bolitho zog sich Hand über Hand die Reling entlang und sah durch einen Wasserschleier die Matrosen herbeieilen, um die Befehle auszuführen. Oben in der Finsternis konnte er gerade noch die wild schlagenden Segel erkennen, mit denen die Toppmatrosen noch kämpften. Aus dem ohrenbetäubenden Chor von Wind und See, brummendem Rigg und quietschenden Spieren hörte er auch menschliche Stimmen heraus. «Weitergeben!«brüllte Grubb heiser.»Klar zum Beidrehen!«Er blinzelte Bolitho verschmitzt zu.»Ich wette, diese verdammten Frogs lachen sich jetzt eins, Sir!» Bolitho antwortete nicht. Aber daran hatte er schon anfangs gedacht. Ein starker Nordwest war ein Fluch für sein Geschwader. Doch für jeden französischen Kommandanten, der auf den rechten Moment wartete, um Toulon zu verlassen, war er ein Geschenk des Himmels, eine Chance, die er unmöglich auslassen konnte. Jetzt tauchte Gilchrists stangendürre Gestalt im langen, glänzenden Ölmantel an der Achterdecksleiter auf. Er hatte wahrscheinlich vor seinem Kommandanten mehr Angst gehabt als vor den ersten Anzeichen eines Sturmes. Oder ihm hatte so viel daran gelegen, zu zeigen, daß er mit jeder Krise fertig wurde, daß er gewartet hatte, bis es viel zu spät war. Bolitho wischte sich das triefende Gesicht mit dem Ärmel ab. Augen und Mund brannten ihm vom Salzwasser. Als er wieder hochsah, war schon eine ganze Menge Leinwand verschwunden. Allerdings war das Vormarssegel nur noch halb an der Rah festgemacht. Am anderen Ende stand es wie ein großer Leinwandballon weg und füllte sich stoßend, als stäke ein lebendiges Untier darin. Irgend etwas sauste vor den dahinjagenden Wolken vorbei und schlug mit dumpfem Krachen im Vorschiff auf. Eine heisere Stimme schrie:»Bringt den Mann ins Krankenrevier!«Dann Leutnant Veitch:»Befehl belegt! Dem kann kein Arzt mehr helfen!» Armer Teufel, dachte Bolitho. Kämpfte da oben mit dem peitschenden Segel und mußte sich so weit über die große, schwingende Rah vorbeugen, obwohl er sich nur mit den Füßen festklammern konnte. Rechts und links von ihm seine Kameraden: fluchend, in die Nacht schreiend, zerrten sie an der nassen, harten Leinwand, bis die Fingernägel abbrachen und die Knöchel bluteten. Ein Abrutschen, ein unvermuteter Windstoß, und er war gefallen.»An die Brassen! Klar bei Ruder!» «Langsam aufkommen, wenn ich's sage!«fauchte Grubb.»Ganz vorsichtig, als wenn's ein Baby war!«»Ruder nach Luv!» Wieder huschten unbestimmte Gestalten durch das nasse Dunkel, ein Midshipman mit blutender Hand, ein Matrose, der den linken Arm an den Leib preßte, die Zähne vor Schmerzen gebleckt. «Leebrassen — hol dicht!» Schwerfällig tauchte die Hoch oben schwankte das gereffte Marssegel, ein verkürztes, eisenhartes Rechteck, stöhnten die Masten unter dem Druck des Windes. Bolitho sah das alles, hörte, wie sein Schiff und seine Matrosen kämpften, um den Bug in den Wind zu bringen und das Schiff in Gewalt zu behalten. Fiel das Ruder aus oder wurde das Marssegel in Streifen zerrissen wie vorhin der Klüver, dann konnte es zu spät sein. Doch das Ruder lag in Hartlage, die Rudergasten traten mit ihren bloßen Füßen auf die nassen Planken, als marschierten sie bergauf, und der Zweidecker reagierte. Schäumend rauschte die See vom Luvlaufgang quer über Deck, wirbelte an das gegenüberliegende Schanzkleid, riß Männer und Geschirr mit. Eine ganze Menge Wasser würde seinen Weg hinunter in den Schiffsraum finden. Die Pumpen mußten schon arbeiten, aber in dem allgemeinen Krach konnte Bolitho sie nicht hören. Vorräte würden verderben; Trinkwasser, so kostbar wie Schießpulver, würde verunreinigt werden und nicht mehr zu genießen sein. Bolitho ließ die Netze los und ließ sich vom Wind das krängende Deck hinabstoßen, bis er beim Kompaß war. «Schiff zeigt fast genau nach Nord, Sir!«brüllte Grubb und sah einem wimmernden Mann nach, der vorbeigetragen wurde.»Sie müßte sich halten können!» «Sie Grubb sah ihm nach und fragte dann den Steuermannsmaaten:»Was sagen Sie dazu, Mr. Plowman?» Plowman hielt sich am Kompaßgehäuse fest; im schwachen Licht der Lampe schimmerte sein Ölzeug wie nasse Seide.»Ich habe Mr. Gilchrist rechtzeitig gesagt, er soll gt;Alle Mannlt; pfeifen lassen. Hol ihn der Teufel, seinetwegen wären wir beinahe alle abgesoffen!» Grubb verzog das Gesicht.»Dazu kann es immer noch kommen!» Bolitho kämpfte sich wieder zur Reling — da hörte er einen Schrei:»Köpfe weg da unten! Die Vorbramrah geht stiften!» Und ehe sich jemand rühren oder etwas unternehmen konnte, schlug die Bramrah des Vormastes heftig nach Lee, hing quälende Sekunden lang still und sauste dann hinab wie ein abgebrochener Ast. Stage und Fallen, Spieren und Blöcke kamen in knatterndem Gewirr hinterher; das Ganze blieb mit schmetterndem Krachen an Steuerbord unterhalb des Bugs hängen. Wie der Stoßzahn eines gespenstischen Nachtungeheuers leuchtete das aufgetauchte Vorbramsegel in der Finsternis. Bolitho sah, wie Farquhar sich auf der Luvlaufbrücke nach vorn kämpfte, bis auf die Haut durchnäßt, eine Schulter bloß und blutig. Er sah alles so klar, als betrachte er eine Zeichnung und nicht ein Schiff, das um sein Überleben kämpfte. Hätte Herrick das Schiff kommandiert, so wäre das alles nicht passiert. Kein Leutnant hätte Angst gehabt, ihn rechtzeitig an Deck holen zu lassen; wie seine Fähigkeiten als Stratege und Kommodore-Stellvertreter auch sein mochten — jedenfalls war er ein erstklassiger Seemann. «Zwanzig Mann nach vorn!«brüllte Bolitho und rannte selbst an Farquhar vorbei zum Vorschiff. Allday war dicht hinter ihm — das wußte er, ohne hinzusehen. Pfeifen schrillten, Stimmen antworteten. Marine-Infanteristen und Matrosen, manche vollbekleidet, manche halbnackt, kämpften sich durch Sturm und Gischt nach vorn, wo bereits der Bootsmann und einige ältere Matrosen im Gewirr des Tauwerks arbeiteten. Bolitho merkte, wie das Schiff sich hob und dann schwer in einen tiefen Wellentrog fiel, und er hörte Schreckensgeschrei, weil die gebrochene Rah krachend gegen den Rumpf schlug. Er sah, daß Pascoe schon da war, und rief:»Hast du da Aufsicht?» Pascoe schüttelte den Kopf.»Mr. Yeo kappt das Treibgut, Sir!«Er duckte sich mit gekreuzten Armen wie ein Preisboxer, denn eine mächtige Wasserwand stürzte über den keuchenden Männern zusammen.»Und Mr. Gilchrist führt die Hauptabteilung am Kranbalken!» Bolitho nickte zustimmend und sagte zu Allday:»Wir fassen mit zu. Achtern können wir doch nichts mehr tun.» Er kletterte durch riesige Schlingen Tauwerks nach unten; innerhalb von Sekunden waren seine Hände und Schienbeine blutig. Jemand sagte:»Zum Teufel, das is' ja der Kommodore, Jungs!«Und ein anderer murmelte:»Na, dann muß es ja ziemlich schlimm stehen!» Bolitho blickte über Bord und sah die schäumende Bugwelle, wo die gebrochene Rah wieder und wieder wie ein Rammbock in den Schiffsrumpf krachte. In der Dunkelheit schimmerten die gesplitterten Bruchstellen des Holzes wie die Zähne eines hohnlachenden Mauls. Es schien hoffnungslos. Er sah, wie Gilchrist mit fuchtelnden Armen auftauchte. «Äxte, Mr. Yeo! Lassen Sie die Rah ganz, aber kappen Sie die Taue, so schnell Sie können!» Ein Mann versuchte, von seinem gefährlichen Sitz auf dem Kranbalken wegzuklettern, doch Gilchrist packte ihn und zwang ihn, in das tobende Wasser unter dem mächtigen Ankerstock hinunterzusehen. «Wir retten das Schiff, oder wir saufen zusammen ab! Jetzt klarier' die Leine da, oder ich will morgen dein Rückgrat sehen!» Gilchrists Zorn, sein unbeabsichtigter Hinweis, daß es tatsächlich ein Morgen geben würde, schien zu wirken. Keuchend und fluchend warfen sie sich in den Kampf gegen die gebrochenen Spieren; mit ihrer Wut hielten sie ihre Angst im Zaum und verschlossen die Ohren vor dem Heulen des Windes. Bolitho arbeitete Schulter an Schulter mit namenlosen Gestalten und nutzte die Anstrengung, um seine Gedanken zu ordnen. Die Vormaststenge konnte ersetzt werden. Herrick hatte vor dem Auslaufen für einen guten Vorrat an Reservespieren gesorgt. Wenn die Rah gerettet werden konnte, dann mußte das Schiff in ein paar Tagen wieder seine normale Segelkraft haben, ruhigeres Wetter vorausgesetzt. Aber das würde Zeit kosten und die Ankunft auf ihrer Position verzögern, die er so sorgfältig ausgesucht hatte, um die Transportschiffe des Feindes abzufangen. «Mr. Pascoe!«schrie Gilchrist.»Gehen Sie mit ein paar Männern ein Stück nach achtern und sichern Sie die Spiere!» Pascoe nickte und packte ein paar Matrosen bei Schulter und Arm.»Aye, Sir.» Gilchrist sah zu ihm hoch.»Wenn Sie das Ding nicht an Bord hieven können, dann sorgen Sie wenigstens dafür, daß der Rumpf nicht noch mehr beschädigt wird!«Schaum und Spritzwasser einer aufschwappenden Welle schnitten ihm das Wort ab, und er konnte nur noch husten. Als das Wasser strudelnd abgeflossen war, sah Bolitho, daß der Mann, dem Gilchrist vorhin Prügel angedroht hatte, verschwunden war. Er trieb vermutlich irgendwo in der Finsternis, sah sein Schiff verschwinden, und seine Rufe verhallten zwischen den wütenden Seen. Doch höchstwahrscheinlich war er gleich untergegangen, denn nur wenige Seeleute konnten schwimmen. Bolitho ertappte sich dabei, daß er dem Mann einen schnellen Tod wünschte. «Da geht sie!«Der Ruf ertönte, als die gekappte Raah mit mächtigem Krachen und Reißen an der Leeseite hinabfiel. Bolitho sah, wie Pascoes Männer auf der Lauf brücke versuchten, die immer noch gefährliche Spiere unter Kontrolle zu bekommen, und hielt den Atem an, denn eine Leine brach, und eine andere spannte sich, schor an der Reling entlang und schlang sich Pascoe um die Schultern. «Belegen!» Midshipman Luce, der berstenden Wasserwände nicht achtend, rannte die Laufbrücke hinunter. «Kappen!» Aber Pascoe wurde in eine weitere Leine verstrickt. Bolitho fühlte sein Blut gefrieren: es sah aus, als beuge sich Pascoe über das Schanzkleid, aber in Wirklichkeit wurde er hilflos von dem wirbelnden Chaos der Leinen über Bord gezerrt. Doch jetzt stand Luce neben ihm, geduckt unter dem schwarzen Tauwerk, und hackte mit seiner Axt nach oben. Yeo eilte vom Vorschiff herbei; sein schnelles, durch zwanzig Jahre Seefahrt geschärftes Auge erkannte sofort die gefährliche Lage. «Aufpassen, Mr. Luce!» Doch es war zu spät. Während die scharfe Axt ein gebrochenes Stag durchschnitt, spannte sich ein anderes, das sich um Luces Arm gewickelt hatte. Pascoe fiel keuchend in die Arme zweier Matrosen; doch Luce, mit dem Arm in jener Leine, wurde gegen das Schanzkleid geschleudert, während die Leine unter dem vollen Körpergewicht tief in das Fleisch des Armes schnitt. Das Schiff hob sich schwerfällig, und Luce schrie auf:»O Gott, helft mir doch!«Als Yeo endlich mit seinen Männern bei ihm war und die Leine kappte, fiel er ihnen bewußtlos vor die Füße. «Schnell, Allday, schaffen Sie ihn hinunter!«befahl Bolitho. Dann rannte er nach achtern und half Pascoe auf die Füße.»Wie geht's?» Pascoe betastete seinen Rücken und verzog das Gesicht.»Das war knapp…«Er starrte über das Deck.»Wo ist Bill Luce, Sir? Ist er…» «Er ist verletzt. «Jetzt reagierte das Schiff bereits spürbar, wenn auch langsam, auf seine Freiheit — die Männer, die ihm unter Schmerzen und Mühen dabei geholfen hatten, mochten ihm ganz gleichgültig sein.»Ich habe ihn zum Arzt bringen lassen.» Pascoe starrte ihn an.»O Gott — er hat mir das Leben gerettet!» Bolitho verstand seine Verzweiflung, sah trotz der Dunkelheit den Kummer in seinem Gesicht. «Ich gehe zu ihm hinunter, Adam. Du bleibst hier. Du wirst gebraucht. «Es tat weh, das zu sagen. Bolitho ging weiter nach achtern. Da stand Farquhar an der Achterdecksreling, als hätte er sich nie weggerührt.»Vielen Dank, Sir«, stieß er aus.»Daß Sie mit vorn waren, hat die Männer wieder in Schwung gebracht!» «Das möchte ich bezweifeln«, erwiderte Bolitho kühl.»Aber Er blickte zum gerefften Marssegel hoch. Immer noch eisenhart, aber es hielt, trotz des enormen Drucks. «Ich gehe ins Krankenrevier«, sagte er. «Sind Sie verletzt, Sir?» «Lassen Sie mich sofort rufen, wenn sich etwas ändert. «Er schritt zur Kampanje.»Nein, verletzt bin ich nicht. Nicht körperlich.» Während er vo n einer Leiter zur nächsten tiefer stieg, wurden die Geräusche der See immer gedämpfter; jetzt empfingen ihn das Knarren der beanspruchten Planken, die Gerüche nach Bilgewasser und Teer. Schwankende Laternen warfen schiefe Schatten auf seinen Weg durch das untere Batteriedeck der Er trat ein. Henry Shacklock, der Schiffsarzt, sprach mit seinen Gehilfen, die noch zwei Lampen über dem Tisch anbrachten. Shacklock blickte hoch und erkannte Bolitho.»Sir?» Er war ein müde aussehender, dünnhaariger Mann. In dem schwankenden, gelben Licht wirkte er fast kahl, dabei war er noch nicht einmal dreißig. Bolitho hatte festgestellt, daß er ein guter Arzt war — leider ein ziemlich seltener Fall auf den Schiffen des Königs. «Wie geht's Mr. Luce?» Die Gehilfen traten zur Seite, und Bolitho sah, daß der Midship-man bereits auf dem Tisch lag. Er war nackt, sein Gesicht verzerrt, die Haut sehr bleich. Shacklock entfernte einen provisorischen Verband von der Schulter. Die Leine mußte Fleisch und Muskeln glatt durchschnitten haben. Der Unterarm lag in einem unnatürlichen Winkel, die Finger waren ausgestreckt und schlaff. Shacklock maß mit seiner Handspanne wie mit einem Zollstock eine Entfernung von der Schulter ab — knapp sechs Zoll. «Der Arm muß ab, Sir. «Zweifelnd schob er die Lippen vor.»Und selbst dann…» Bolitho sah auf Luces totenbleiches Gesicht hinunter. Siebzehn Jahre alt. Überhaupt noch nicht gelebt. «Muß das sein?» Wozu die Frage? Er hatte sie schon so oft gestellt. «Ja. «Der Arzt nickte seinen Gehilfen zu.»Je schneller, desto besser. Vielleicht kommt er nicht zu sich, bis wir fertig sind.» In diesem Moment schlug Luce die Augen auf. Regungslos starrten sie Bolitho an und schienen in diesen wenigen Sekunden alles zu begreifen, was geschehen war und was noch kommen würde. «Sie haben Mr. Pascoe das Leben gerettet. Adam kommt herunter, sobald er kann«, sagte Bolitho und versuchte, möglichst ruhig zu sprechen. Über den Kopf des Jungen hinweg sah er, daß Shacklock zwei Messer aus einem Kasten nahm. Eins war kurz, das andere lang und schmal. Einer der Gehilfen rieb unter der Laterne irgend etwas mit einem Tuch ab, und als der Mann seitwärts schwankte, sah Bolitho, daß es eine Säge war. «Mein Arm, Sir?«flüsterte Luce fast unhörbar. Die Tränen liefen ihm übers Gesicht.»Bitte nicht, Sir!» Der Gehilfe reichte Bolitho einen Becher Rum, und er hielt ihn dem Jungen an die Lippen.»Trinken Sie. So viel Sie können. «Der Rum tröpfelte ihm aus den Mundwinkeln; der Körper zitterte wie im Fieber. Das war alles, was sie hatten: Rum und nach der Operation Opium zum Schlafen. Er hörte Schritte, und dann Pascoes Stimme, gepreßt und kaum erkennbar:»Der Kommandant läßt respektvoll melden, Sir, daß wir soeben die Bolitho richtete sich auf, behielt aber die Hand an Luces Schulter.»Danke. «Die Schatten kamen drohend näher, wie Engel des Todes, denn Shacklocks Männer wollten anfangen.»Bleib bei ihm, Adam.» Er blickte wieder auf den Midshipman nieder; der starrte immer noch zu ihm auf, Rum und Tränen mischten sich auf seinem Hals. Nur sein Mund bewegte sich. Bolitho wartete, bis Pascoe neben Luces Kopf stand, und sagte dann zu Shacklock:»Tun Sie Ihr Bestes!» Der Chirurg nickte.»Ich habe die Messer anwärmen lassen, Sir, damit der Schock nicht so groß ist.» Als Bolitho sich zum Gehen wandte, gab der Arzt ein Zeichen, und er hörte Luce aufschreien: Die Gehilfen hatten seine Arme und Beine gepackt und preßten ihm den Kopf auf die Tischplatte. Luces furchtbare Schreie verfolgten ihn bis aufs Hauptdeck. Dort endlich riß der Sturm sie weg. Bolitho stützte beide Hände auf die Karte und studierte sie minutenlang. In zwei langen Tagen und Nächten hatte sich der Sturm erschöpft, und in dem warmen Sonnenlicht und der sanften Brise kam ihm das Schiffjetzt fast unbeweglich vor. Die Kommandanten des Geschwaders standen um den Tisch und sahen ihm zu. Jeder war mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt, und alle schienen erschöpft von der Wut des Sturmes und vom Kampf ums Überleben. In dem ganzen, weit auseinandergetriebenen Geschwader hatte es siebzehn Tote gegeben. Vom Mast gestürzt, über Bord gewaschen. Manche waren auch nur unbemerkt verschwunden, als seien sie nie an Bord gewesen. Es war Nachmittag, die Schiffe segelten wieder in lockerer Formation, und Bolitho hatte alle Kommandanten zur Lagebesprechung beordert. Er blickte in Javals dunkles Gesicht. Was er berichtet hatte, war zu erwarten gewesen, und doch hatte Bolitho bis zum letzten Moment noch Hoffnung gehabt. Aber kurz nach Sonnenaufgang war die Für einen Kämpfer wie Javal mußte das furchtbar gewesen sein. Mit seinem zerschossenen Rigg und bei dem jede Minute stärker werdenden Sturm hatte er nur zusehen können, wie die Franzosen entwischten. Er hatte versucht, durch Signalschüsse und Raketen mit dem Geschwader Verbindung zu bekommen, aber da Gilchrist zu lange gewartet hatte und die Linienschiffe immer noch auf ihrem vorbestimmten Kurs blieben, war sogar dieser Kontakt unmöglich. Nachdenklich sagte Bolitho: «Der Admiral müßte inzwischen die Depeschen der Oben an Deck hörte er das Stampfen der exerzierenden Marine-Infanteristen, vermischt mit Hammer- und Axtschlägen, denn die Leute des Zimmermanns waren fleißig dabei, die Sturmschäden auszubessern. Er sah zu Herrick hinüber. Was mochte der wohl denken? Probyn war pessimistisch.»Jetzt, da die Franzosen sich Ihrer, äh, Überwachung entzogen haben, sind wir alle einigermaßen im Zweifel über die Lage. Vielleicht haben wir zu viel auf Hörensagen, auf Gerüchte, gegeben. Wer weiß, wo diese französischen Schiffe jetzt sein mögen?«Langsam sah er sich am Tisch um.»Ganz abgesehen davon — was können wir schon ohne Informationen erreichen?» Bolitho sah ihn unbewegt an. Probyn hatte vorsichtigerweise immer» wir «gesagt. Aber er meinte» Sie». Javal zuckte die Achseln und gähnte.»Ich könnte mich vom Geschwader lösen, Sir. Vielleicht finde ich ein paar von den Franzosen, wenn nicht sogar alle. Schließlich müssen auch sie bei diesem Sturm Schwierigkeiten gehabt haben.» Gespannt blickten alle Kommandanten auf Bolitho. Manche würden, so glaubte er jedenfalls, sein Dilemma verstehen, vielleicht auch teilen. Schickte er die Linienschiffe zu langsam und zu wenig beweglich für Rekognoszierungsaufgaben. Somit konnte er auf seine einzige Fregatte nicht verzichten. «Natürlich«, sprach Probyn weiter,»könnten wir nach Gibraltar zurücksegeln, Sir. Wäre vielleicht besser, wir verstärken mit unserer Kampfkraft eine Flotte, die dort möglicherweise zusammengestellt wird, als daß wir hier blindlings und zwecklos herumstreifen.» Jetzt sprach Herrick zum erstenmal.»Das wäre ein Eingeständnis unseres Mißerfolges! Und meiner Ansicht nach eine falsche Entscheidung!«Er sah Bolitho fest in die Augen.»Wir wissen, wie Ihnen zumute sein muß, Sir.» «Wirklich teuflisches Pech«, fuhr Farquhar dazwischen. «Nicht nur das«, sagte Javal und sah Bolitho mit kühler Neugier an.»Es ist auch eine teuflisch schwere Entscheidung — für Sie, Sir.» «Ja.» Bolitho suchte mit den Augen die Karte des Mittelmeeres ab. Alle diese Meilen. Selbst wenn er richtig geraten hatte — und mehr als Raten war es ja nicht, wie Probyn ganz richtig bemerkt hatte — , dann war es immer noch nicht sicher, daß er Kontakt mit dem Feind bekam. In der Nacht oder bei schlechtem Wetter konnten Schiffe aneinander vorbeisegeln, ohne daß eins vom anderen wußte. Ein ganzes Reich konnte durch eine falsche oder zu hastige Entscheidung verlorengehen. «Folgendes werden wir tun«, sagte er, und es kam heraus, als hätte er von Anfang an nichts anderes im Sinn gehabt.»Unsere jetzige Position ist, soweit wir sagen können, etwa sechzig Meilen westlich der Nordküste von Korsika. «Er klopfte mit dem Zirkel auf die Karte.»Wir segeln nach Cap Corse. Der Sturm hat uns so weit nach Osten abgetrieben, daß sich eine andere Route nicht mehr lohnt. «Gespannt beugten sie sich über den Tisch.»Wir machen also we i-ter, und sobald wir Cap Corse gerundet haben, nehmen wir Kurs nach Südost. «Unbeirrt fuhr der Zirkel die italienische Küstenlinie entlang, immer tiefer.»In Syrakus legen wir an, nehmen Trinkwasser an Bord und bringen die Schwerverwundeten an Land. Die Sizilianer haben vielleicht Informationen für uns. Sie halten Frieden mit den Franzosen, aber lieben sie nicht besonders.» Unvermittelt sah er auf.»Die Er sah jedem einzelnen ins Gesicht. Damit hatte er sich festgelegt. Sich und jeden seiner Kommandanten, jeden Mann im Geschwader. Herrick räusperte sich.»Und dann, Sir?» Bolitho erwiderte seinen Blick und sah die Sorge, die in seinen Zügen aufstieg.»Dann, Captain Herrick, werden wir wissen, was wir zu erwarten haben.» Probyn legte die schweren Hände breit auf den Tisch. Sie waren wie rote Krebse.»Wenn wir auch dort wieder keinen Erfolg haben, Sir, dann dürfte die Begegnung mit dem Admiral nicht angenehm ausfallen.» Bolitho musterte ihn kalt.»Ich brauche Unterstützung, Captain Probyn, kein Mitleid.» Sprühwasser spritzte gegen die Heckfenster, und er schloß:»Ich denke, Sie gehen am besten wieder an Bord Ihrer Schiffe. Der Wind frischt auf, wie mir scheint.» Scharrend stießen sie die Stühle zurück und sahen einander an wie Fremde. Probyn nahm Hut und Degen und fragte, ohne Bolitho dabei anzusehen:»Ich nehme an, wir bekommen die neuen Order noch schriftlich, Sir?» «Das dürfte doch wohl überflüssig sein!«fuhr Herrick dazwischen. «Da bin ich anderer Meinung«, sagte Probyn.»Es sollte mir leid tun, wenn ich ausdrücklich darauf bestehen müßte.«»Sie bekommen sie«, nickte Bolitho. Farquhar klopfte an die Zwischentür, und als auf dieses Zeichen hin der Türposten erschien, befahl er:»Lassen Sie die Boote rufen! Und der Erste Offizier soll die Ehrenwache antreten lassen!» «Übrigens, wie macht sich denn Ihr Erster?«fragte Probyn. «Einigermaßen«, erwiderte Farquhar kühl. «Sie kennen ihn also?«hakte Bolitho ein. Probyn hüstelte verlegen.»Nicht eigentlich, Sir. Eine flüchtige Bekanntschaft, könnte man sagen.» Die Kommandanten verabschiedeten sich und fuhren auf ihre Schiffe zurück. Herrick war der letzte. Ohne Umschweife begann er:»Die Sache mit der Vorbramrah, Sir. Als ich hörte, was die Bolitho lächelte.»Vielleicht. Ihre Schuld war es nicht.» Herrick blickte sich an Deck um, und Bolitho versuchte, seine Gedanken zu erraten. Bedauern, Besorgnis oder bloße Neugier? «Und Sie, Thomas — alles in Ordnung?» Herrick wandte sich ab. Eben legte seine Gig an den Großrüsten an.»Die Bolitho wollte ihm den Arm um die Schulter legen, damit er sah, daß es ein Verlust für sie beide war. Aber es war nicht der Augenblick dafür, und auch Herrick wußte das. «Seien Sie vorsichtig, Thomas«, sagte er nur. Der Posten der Marine — Infanterie nahm stampfend Haltung an, die Bootsmannsmaaten setzten ihre silberblanken Pfeifen an, um Herrick die Ehrenbezeigung beim Vonbordgehen zu erweisen. Aber er zögerte noch. Seine Miene verriet Bewegung. Schließlich sagte er:»Wenn Sie mit dem Geschwader das türkische Fort angehen, dann werde ich nicht weit hinter Ihnen sein. «Mit bittendem Blick hielt er inne.»Ich wollte nur, daß Sie das wissen.» Bolitho streckte die Hand aus.»Ja, Thomas, das weiß ich. «Er faßte Herricks Hand und drückte sie kräftig. Er sah noch, wie Farquhar und Herrick einen formellen Gruß wechselten, und schritt dann langsam über das Achterdeck zur Luvseite. Laut schlugen die Segel, denn das Schiff lag beigedreht, bis alle Boote abgelegt hatten; deshalb hörte Bolitho nicht, wie jemand zu ihm trat. Es war Pascoe, seine dunklen Augen lagen tief in den Höhlen vor Müdigkeit. Er war regelmäßig seine Wachen gegangen und hatte während des Sturmes durchgehend Dienst gemacht; aber jede freie Minute hatte er im Orlopdeck bei seinem Freund verbracht. «Ist was nicht in Ordnung?«fragte Bolitho. Pascoe hob die Arme und ließ sie hilflos fallen.»Sir, ich. «Er schüttelte den Kopf.»Er ist tot. Vor ein paar Minuten ist er gestorben.» Bolitho sah seinen Kummer und teilte ihn.»Luce war ein tapferer Junge. «Er nahm Pascoe beim Arm und drehte ihn etwas um, damit die vorbeigehenden Seesoldaten sein Gesicht nicht sahen.»Manchmal kann man sich nur schwer damit abfinden, daß Seeleute ebenso oft durch das Meer umkommen wie in der Schlacht.» Pascoe erschauerte.»Er hat nie geklagt, nicht nach diesem ersten furchtbaren Schnitt. Ich habe ihm die Hand gehalten. Und gerade heute dachte ich, es ginge ihm ein bißchen besser. Aber da. «Er konnte nicht weitersprechen. Farquhar trat herzu und faßte an den Hut.»Darf ich dem Geschwader Segelbefehl geben, Sir?«Er warf einen Blick auf Pascoe, aber in seinen Augen war kein Mitgefühl.»Der Wind frischt auf.» «Ja, bitte. Und signalisieren Sie der Farquhar nickte.»Jawohl, Sir.» Doch Pascoe sagte:»Ich bin schon wieder in Ordnung, Sir. «Er rückte seinen Hut zurecht und wandte sich zur Leiter.»Ich möchte meinen Dienst wie immer machen, wenn Sie gestatten.» Farquhar verzog die Lippen zu einem Lächeln.»Dann geht das also klar.» Bolitho ging mit ihnen zur Reling. Die Matrosen standen bereits an den Brassen und Fallen bereit. Pascoe hielt inne, einen Fuß in der Luft über dem Batteriedeck.»Eins noch, Sir. Wann soll er bestattet werden?» «Bei Sonnenuntergang. «Er sah den Schmerz in Pascoes Augen. «Es ist mir gerade eingefallen: mein Degen. Ich möchte, daß er ihn mitbekommt. Ich habe sonst nicht viel.» Bolitho wartete, bis Pascoe bei seinen Leuten war, und ging dann weiter zur Kampanjeleiter. Leise sagte Grubb:»Der wird mal ein feiner junger Offizier, Sir.» Bolitho nickte.»So wie er ist, ist er mir schon recht.» «Aye. «Der Master beschattete seine rotgeränderten Augen und prüfte den flatternden Wimpel hoch über Deck.»Da gibt's welche, die können befehlen, aber lernen können sie überhaupt nichts. Gott sei Dank ist er keiner von denen.» Bolitho stieg die Leiter hoch und trat nach achtern an die vergoldete Heckreling. Unter der Kampanje hörte er den Rudergast aussingen:»Kurs Ost, Sir.» Geschwind schob sich die schlanke Fregatte an den massigen Linienschiffen vorbei; aber diesmal beneidete Bolitho sie nicht um ihre Freiheit. Sein Platz war hier; und nur von der Richtigkeit seiner Entscheidungen hing es ab, ob er ihn behielt. Er dachte an Pascoe und Herrick, an Allday, der unten in der Kajüte herumwerkte. Diesmal mußte er richtig entschieden haben, und sei es auch nur um solcher Menschen willen wie diese. |
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