"Eine letzte Breitseite: Kommodore Bolitho im östlichen Mittelmeer" - читать интересную книгу автора (Кент Александер)

XIII Verfolgung

Über das abgewetzte Hauptluk der Segura gebückt, kritzelte Bolitho hastig etwas auf ein Stück Papier. Er wußte wohl, daß es rasch heller wurde, und spürte nach der ersten kühlen Morgenluft auch schon einen Anflug von Wärme, aber er mußte sich konzentrieren. Sowieso mußte er immer wieder innehalten und Kräfte sammeln, damit das Fieber nicht wiederkam.

Einmal, als er sich halb aufrichtete und über die Backbordreling spähte, sah er die Rahen und Segel der französischen Korvette überkommen; der schlanke Bugspriet verriet deutlich, daß sie ihre Beute einfach auf konvergierendem Kurs packen wollte.

Nicht viel mehr als eine Meile trennte das schmucke Kriegsschiff von der alten, klapprigen Segura. Bolitho faltete das Papier sorgfältig zusammen und trat zu Veitch.»Nehmen Sie das mit«, sagte er und schob es dem Leutnant in die Tasche.»Da steht alles drin, was ich weiß. «Was ich vermute, hätte er sagen sollen.»Wenn ich falle, müssen Sie das, so gut Sie können, an höhere Stellen weiterleiten.»

Heiser rief Plowman dazwischen:»Der Franzose nimmt Segel weg, Sir.»

Veitch nickte.»Er wird uns bald haben.»

Bolitho ließ den Blick über das Deck schweifen. Es krängte jetzt noch weniger; die leichte Brise konnte kaum alle Segel füllen. Sein Plan stand fest. Und etwas anderes kam ja auch gar nicht in Frage, dachte er grimmig.

Allday kam nach achtern.»Lunte gelegt und klar zum Zünden, Sir. Müßte uns 'ne Viertelstunde Zeit lassen.»

Bolitho richtete das Teleskop auf die Korvette.»Zu lange.

Schneiden Sie sie so kurz, wie Sie es nur riskieren können. Fünf Minuten.»

Er hörte sie erschrocken Luft holen, behielt aber die Korvette im

Auge. Sie kam stetig näher, die Rahen so gebraßt, daß sie den Wind voll faßten. Sie zeigte ihren Bauch, als sie sich flink auf den anderen Bug legte.

«Sehen Sie sich den Kupferbeschlag an«, bemerkte Plowman.»Die ist noch nicht lange auf See.»

Ein Schauer der Erregung überkam Bolitho. Eins von Brueys Schiffen vielleicht? Gehörte sie zu der verstreuten Kundschafterlinie, welche die mächtige Flotte des französischen Admirals in die offene See und schließlich nach Ägypten geleiten würde? Er dachte an alle die Informationen, gesicherte und ungesicherte, die schließlich viel mehr bedeuteten als diese eine Korvette, die ihren Weg zum schützenden Hafen bedrohte. Wie ein riesiges Seeungeheuer würde Brueys Flotte aus Transportern und Linienschiffen mit Malta als Sprungbrett auf die ägyptische Küste zustreben. Und von da aus nach Indien, zu all den Besitzungen und Handelsverbindungen, die England beinahe in jenem anderen Krieg verloren hatte.

«Alle Mann ins Boot!»

Er wartete, ob Veitch oder Plowman etwas einzuwenden hatten. Aber der Leutnant sagte nur:»Ich lege nicht ohne Sie ab, Sir. Und das ist mein letztes Wort.»

Bolitho lächelte.»Sie wollen Ihrem Kommodore den Gehorsam verweigern, Mr. Veitch? In Kriegszeiten könnten Sie dafür gehängt werden!»

Beide lachten; dann entgegnete Veitch:»Das Risiko will ich gern eingehen, Sir.»

Schon kletterten die Matrosen über Bord, und Bolitho hoffte nur, auf dem französischen Schiff würde niemand bemerken, daß hier etwas Ungewöhnliches vor sich ging. Es hatte schließlich wenig Sinn, schneller sein zu wollen als ein so bewegliches Kriegsschiff. Und der Versuch, in einem Kutter über das offene Mittelmeer zu entkommen, wäre purer Irrsinn gewesen.

Schwer atmend kam Allday nach achtern.»Lunte ist verkürzt, Sir. «Er spähte nach der Korvette hinüber. Die Geschütze waren ausgerannt, kleine Sechspfünder. Sie würden für die alte Segura ausreichen, auch ohne ihre tödliche Fracht.»Nur wir beide sind noch an Bord. Und dieser verrückte Schwede.»

Larssen grinste mit kindlicher Furchtlosigkeit.»Aye, Sir.»

Ein scharfes Krachen. Sie fuhren herum und sahen eine Rauchwolke von der Korvette aufsteigen; eine einzelne Kugel fuhr durch die Takelage des Fockmasts und warf weit an Steuerbord eine dünne Fontäne hoch.

Bolitho lächelte gelassen.»Signal verstanden. «Er nickte Allday zu.»Gehen Sie nach vorn und brüllen Sie ihre unsichtbare Mannschaft an.»

Bestimmt beobachtete der französische Kommandant persönlich die Segura. Bolitho warf einen raschen Blick auf den Kutter, der langsam von der Leeseite der Segura abstieß, bis ans Dollbord voll mit Männern und Riemen und dem Gewirr aus Segel und Mast, den Veitch jetzt aufzurichten begann. Eine Heckleine verband sie noch mit dem Schiff, an der das Sprengkommando später eingeholt werden sollte.

Bolitho griff in die Speichen und sagte:»Setzen Sie die Flagge, Larssen!»

Der Schwede grinste, und Sekunden später flatterte die amerikanische Flagge von der Gaffel.

Die Antwort kam augenblicklich: eine neue, scharfe Detonation; diesmal schmetterte die Sechspfundkugel wie ein mächtiger Hammer in den Rumpf der Segura und erschütterte das Schiff heftig.

Bolitho hatte auch nicht erwartet, daß sich die Korvette zum Narren halten lassen würde. Aber alles brauchte seine Zeit; aus dem Augenwinkel sah er, daß Veitch seinen Hut schwenkte zum Zeichen, daß er fertig war.

Ein dumpfer Schlag im Vorschiff; er sah Allday mit einer Axt zur Seite springen; der bräunliche Klüver kam rauschend herunter und hüllte ihn in einen fallenden Haufen Leinwand. Damit schien der Franzose zufrieden zu sein, denn der Kommandant brachte die Korvette bereits herum auf einen fast parallelen Kurs, so daß die Segura in Lee von ihm lag, und ließ auch schon Segel wegnehmen, um längsseit zu kommen. Schon enterten Matrosen mit Wurfankern in die Wanten, Stahl glitzerte auf, ein Enterkommando rannte bereits zum Vorschiff, wo der erste Kontakt erfolgen würde.

Bolitho fühlte, wie das Ruder unter seinen Händen bockte, denn ohne Vorsegel gierte die Segura wild, und die Segel schlugen heftig.

«Lunte zünden!»

Er hörte Allday unter Deck rennen und übergab dem Schweden wieder das Rad. Auf der Großrah der Korvette sah er einen Matrosen herüberdeuten und heftig gestikulieren; wahrscheinlich hatte er von oben den Kutter gesehen und wollte es den Offizieren auf dem Achterdeck melden, doch konnte er sich offenbar nicht verständlich machen: denn achtern quietschten Blöcke und Taljen, schlugen Segel, brüllten die Männer, begierig nach Kampf, mochte er auch nur einseitig sein.

Bolitho blieb noch am Ruder stehen. Machte er sich zu früh davon, würde der Franzose immer noch abdrehen können. Und unter Deck zischte die Lunte — hoffentlich war Allday nicht zu erschöpft gewesen, um die Länge richtig zu bemessen.

«Lunte brennt!»

Allday war voller Heuhalme, als hätte er sich eben durch eine Scheune gewühlt. Wahrscheinlich hatte er die Lunte, damit es keine vorzeitige Explosion gab, sorgfältig um die Viehfutterlast herumführen müssen.

«Über Bord! Packt die Achterleine!»

Er wartete, bis Allday mit seiner Axt am Schanzkleid war.»Du auch, Larssen! Schnell!«Er sah einen Schatten zu seinen Füßen sich bewegen, blickte darauf zur amerikanischen Flagge hoch und verzog das Gesicht.»Diese Flagge ist für heute genug mißbraucht worden; ich werde sie kappen. «Doch als er nach seinem Degen tastete, merkte er, daß er vergessen hatte, ihn mit an Deck zu nehmen.

Allday sah Bolithos bestürztes Gesicht und drückte dem Matrosen die Axt in die Hand.»Halt mal! Ich geh 'runter, den Degen holen!»

«Laß ihn!«schrie Bolitho.

Eine Kugel zischte an ihm vorbei, und dann riß ein ganzer Hagel von Schüssen Splitter aus den Planken, die wie Pfeile in alle Richtungen flogen. Bolitho hörte Larssen aufschreien und sah ihn in die Knie brechen; verzweifelt versuchte er, das Blut zu stillen, das reichlich aus seinem Oberschenkel rann. Bolitho ordnete seine rasenden Gedanken. Die verdammte Lunte! Fünf Minuten. Die mußten doch schon vorbei sein!

Er zog den Matrosen an die Reling, und da hörte er auch schon Allday herankeuchen.

«Halt ihn! Wir springen zusammen!«stieß er hervor.

Dann standen sie auf der Reling, deren Holz noch feucht von der Nachtluft war: Allday kappte die lange Achterleine, und alle drei platschten wie Lumpenbündel ins Wasser, von der Leine zusammengehalten.

Tiefer, immer tiefer; das Sonnenlicht verdämmerte in einem rötlichen Nebel — das muß Larssens Blut sein, dachte Bolitho — , die Leine schnürte ein wie eine Vogelschlinge: Veitchs Männer ruderten wahrscheinlich wie die Wilden. Seltsamerweise mußte er an die beiden Matrosen denken, die auf Malta desertiert waren. Die würden nie erfahren, was sie für Glück hatten, daß sie nicht mehr an Bord gewesen waren. Denn in dem einen noch vorhandenen Boot wäre kaum für sie Platz gewesen.

Es wurde heller über Bolithos Kopf, er kam an die Oberfläche, schüttelte sich das nasse Haar aus den Augen, schnappte nach Luft und sah den Kutter; das Segel war gesetzt, die Männer winkten und schrien — vielleicht schrien sie sogar hurra.

Larssen war bewußtlos: Allday und Bolitho konnten gerade noch seinen Kopf über Wasser halten und sich dabei an die Leine klammern, die jetzt, Hand über Hand, gegen den Druck der Strömung eingeholt wurde.

«Herrgott«, japste Allday,»so was möchte ich wirklich nicht öfter machen!»

Bolitho wandte den Kopf, um zu antworten; da platzten ihm beinahe die Trommelfelle bei der ohrenbetäubenden Explosion, von der die stille Morgenluft zerrissen wurde. Die Druckwelle schlug ihnen gegen Brust und Beine, preßte ihnen die Luft aus den Lungen und wirbelte sie mitsamt der Leine herum wie hilflose Puppen.

Holzstücke, Taufetzen, Heubündel regneten auf sie nieder. Eine lange Planke fiel direkt neben Allday ins Wasser und schoß wie ein Rammbock wieder hoch, nur ein paar Zoll von seinem Kopf entfernt.

«Jesus«, krächzte Allday,»das war knapp!«Bolitho konnte sich herumwerfen; wassertretend sah er sich nach den beiden Schiffen um. Aber da war nur noch eins; von der Segura sah man weiter nichts als einen wachsenden Kreis aus Schaum, Blasen, Treibgut und Heu, das nun kein französisches Kavalleriepferd mehr fressen würde.

Es war, als verblute die Segura beim Sinken, denn der immer noch wild wirbelnde Schaum färbte sich jetzt rot: Die Weinfässer mußten von der Explosion zerrissen worden sein.

Auch die Korvette war übel dran. Auf den ersten Blick mochte man meinen, sie sei dem Schlimmsten entgangen, doch als sie sich in dem aufgewühlten Wasser schräg legte, sah er in dem unsicheren Licht einen tiefen Riß im kupfernen Rumpfbeschlag wie den aufgerissenen Bauch eines Haifisches leuchten. Tauwerk und Segel waren zerfetzt, hingen wie Algen über Bord und verbargen das Leck, durch das jetzt die See einströmte. Daß sie nicht Feuer gefangen hatte, war ein reines Wunder; der Kommandant würde alle Hände voll zu tun haben, um seine Überlebenden zu retten, und konnte froh sein, wenn sein Schiff nicht hinter der Segura her in die Tiefe ging.

Ein Schatten über ihm, Hände unter seinen Achseln — andere Fäuste ergriffen den bewußtlosen Schweden und brachten ihn in Sicherheit.

Grinsend sah Veitch zu, wie Bolitho und Allday unzeremoniös übers Dollbord gehievt wurden.»Wie Sie sehen, habe ich gewartet, Sir.»

Bolitho sank zurück und starrte in den Himmel.»Das war wirklich knapp.»

Allday wrang sein Hemd über Bord aus.»Ich hatte die Lunte auf zehn Minuten geschnitten. Sonst…«Er schwieg.

Schwer und schmerzhaft atmend, wandte Bolitho sich um und sah ihn an. Er sah die Narben auf Alldays Rücken, wo die Peitsche des maurischen Reiters ihn getroffen hatte. Sie waren immer noch blutrot und würden nie völlig verschwinden. Es kam ihm merkwürdig vor: Allday hatte den größten Teil seines Lebens bei der Marine gedient und es doch die ganze Zeit vermeiden können, ausgepeitscht zu werden. Das war in der Marine schon eine beachtliche Leistung. Und jetzt, wegen seines Mutes und seiner unwandelbaren Treue, würde er jene Narben bis an sein Lebensende tragen.

Spontan legte er ihm die Hand auf die Schulter.»Gut gemacht. Ihre Narben da — tut mir leid.»

Allday drehte sich auf der Ducht um und sah ihn an.»Mit Ihnen komme ich noch lange nicht mit, Sir«, grinste er, und seine Müdigkeit schien teilweise zu schwinden.»Ich schätze, Sie haben mehr Narben, als eine Katze Leben hat.»

Auch Bolitho lächelte. Dieser Augenblick gehörte nur ihnen beiden.»Aber keine ist ehrenvoller, mein Freund.»

Veitch hüstelte diskret.»Wohin jetzt, Sir?»

Bolitho zog sich mühsam auf die Heckducht, sah zum schlaffen Segel hoch und dann zur Korvette hinüber. Dort feuerte jemand einen Schuß ab; ein Matrose in ihrem Kutter stand auf und schüttelte die Fäuste hinüber.

Bolitho sagte gelassen:»Sachte, Jungs. Ich weiß ja, wie euch zumute ist. Aber diesmal haben sie nicht auf uns geschossen. Die Besatzung will die Boote stürmen.»

Langsam schien Veitch zu begreifen, was das hieß: ein paar hilflose Offiziere und die entsetzte, rebellische Mannschaft. Bolitho kannte das aus eigener Erfahrung. Hoffentlich hatte Veitch Glück und würde so etwas nie erleben.

«Sie sinkt.»

Die kleine Korvette begann zu kentern; stumm sahen sie zu, wie sich die Decks leerten. Weiße Schaumfedern markierten die Stellen, wo Wrackteile, von der Explosion abgerissen, ins Meer fielen; an der hochstehenden Deckseite hatte sich ein Sechspfünder losgerissen, durchbrach auf der unteren Seite das Schanzkleid und riß verzweifelt um sich schlagende Männer mit ins Meer.

Über die blaue See herüber konnten sie schwach das Schreien hören und das triumphierende Rauschen des einströmenden Wassers. Fast gleichzeitig schlugen die Masten ins Meer, schmetterten zwischen die Schwimmenden und schnitten das eine Boot, dem das Abstoßen gelungen war, in zwei Hälften.

«Für die können wir nichts mehr tun, Sir«, sagte Plowman heiser.

Bolitho schwieg. Der Steuermannsmaat hatte natürlich recht. Ihr Kutter wäre sonst gesunken oder bestenfalls von den zahlenmäßig viel stärkeren Franzosen erobert worden. Das zu wissen, war eins.

Doch darüber einfach zur Tagesordnung überzugehen, war etwas anderes.

Er hörte Midshipman Breen laut aufschluchzen; als er sich umschaute, sah er, daß der Junge auf einem Faß hockte und Larssen, der schwedische Matrose, mit dem Kopf in seinem Schoß lag.

Plowman kletterte zu ihm hin.»Was ist?»

Der Junge sah starr nach achtern zu Bolitho hin und murmelte:»Er ist tot, Sir.»

«Armer Kerl«, sagte Allday und seufzte.»Werft ihn über Bord, Jungs!»

Doch der Midshipman ließ den Schweden nicht los und starrte Bolitho immer noch an.»Aber… Sir… Könnten wir nicht — ein Gebet für ihn sprechen?«Tränen strömten ihm über das sommersprossige Gesicht; er war anscheinend der einzige an Bord, der von dem in geringer Entfernung sinkenden Schiff völlig unberührt blieb und nur an den Mann dachte, der soeben an seiner Seite gestorben war.

Langsam nickte Bolitho.»Tun Sie das, Mr. Breen. «Er wandte sich zu Veitch um und hörte Breens Knabenstimme unsicher durch den Text eines Gebets stolpern, das er einmal gelernt hatte, wahrscheinlich von seiner Mutter. Neben ihm hockte ein Matrose, ein hartgesottener, vielbefahrener Stückführer; er hatte das Halstuch, das er als Sonnenschutz um den Kopf trug, abgenommen und wischte sich die Augen.

«Eine harte Lektion, Mr. Ve itch«, sagte Bolitho leise.

«Aye. «Der Leutnant berührte seinen Arm, aber so vorsichtig, als fürchte er, Breen bei seinem Gebet zu stören.»Da geht sie hin!»

Die Korvette glitt unter die Wasserfläche; einige Überlebende schwammen bereits zielstrebig auf den Kutter zu.

Das Wasser spritzte auf, und Bolitho sah Larssens Gesicht, sehr bleich und verschwommen, zwischen den Wellen. Langsam trieb der Leichnam weg vom Boot.

«Achtung! Rudert an!»

«Verflucht und verdammt!«schrie ein Mann im Boot.»Da kommt noch eine!»

Aus dem Schatten der Küste, aus dem Morgennebel heraus, tauchte ein kleines Rechteck heller Leinwand auf und stand unvermittelt im hellen Sonnenlicht. Ein paar Franzosen, die sich an Wrackstücken und gebrochenen Spieren festklammerten, schrien hurra; doch im Kutter herrschte Totenstille.

Bolitho riß das Kutterteleskop aus der Halterung und richtete es auf das Schiff. Vielleicht stoppte es und nahm die Überlebenden an Bord? Vielleicht kam auch noch rechtzeitig eine Brise auf, die ihnen das Leben rettete.

Plötzlich wurde sein Mund trocken. Dann sagte er:»Beruhigt euch, Jungs. Das ist die Harebell.»

Drüben sammelte Inch das bißchen Wind, das noch da war, sorgfältig unter seinen Rockschößen und brachte die Schaluppe stetig heran; und auch die Boote ließ er bereits klarmachen zum Aussetzen.

Die Korvette war jetzt praktisch gesunken; nur Heck und Trikolore waren noch sichtbar.

Jetzt drehte die Harebell in den Wind, die Boote lagen schon längsseit, und sie näherte sich langsam dem ersten Pulk Schwimmer. Eine Jolle hielt rasch auf den Kutter zu; ein junger Leutnant erhob sich im Heck, um sie anzurufen, das Gesicht rot vor Wut.

«Sie sind ein verdammter Feigling, M'sieur! Haben noch ein Boot und lassen Ihre Leute absaufen!»

Die Jolle kam näher; Allday, kaum fähig, sein breites Grinsen zu verbergen, rief durch die hohlen Hände:»So begrüßen Sie Ihren Kommodore? Achtung, da im Boot!»

Eifrige Hände streckten sich aus, um die Boote aneinanderzuzie-hen, und Bolitho kletterte hinüber zu dem jetzt aus Verlegenheit errötenden Leutnant.»Vor ein paar Minuten hatte ich sogar noch ein ganzes Schiff, Mr. McLean«, sagte er ruhig und klopfte ihm auf den Arm.»Aber ich kann mir denken, wie das für Sie ausgesehen hat!»

Als sie längsseit der Schaluppe waren, sah Bolitho, was sein plötzliches Erscheinen für Aufregung verursacht hatte. Der ganz verwirrte Leutnant McLean hatte ihm bereits erklärt, daß die Hare-bell mit Depeschen für den Admiral nach Gibraltar unterwegs sei. Commander Inch hatte anscheinend auf eigene Faust einen Umweg gemacht — es hätte ja sein können, daß er die Segura sichtete — , auch wenn das nur eine schöne Geste war und man die Hoffnung längst aufgegeben hatte.

Bolitho schwang sich über das Schanzkleid und wurde von dem strahlenden Inch begrüßt, dessen Stimme aber im Chor der jubelnden Matrosen völlig unterging. Er drückte Bolithos Hand; sein Pferdegesicht glänzte vor Freude und Erleichterung, und alle drängten sich heran, um ihrem wiedergefundenen Kommodore auf die Schulter zu klopfen.

Aber Veitch mischte sich ein:»Erst ist der Kommodore beinahe am Fieber gestorben — und jetzt hab ich Angst, er wird mir totgeschlagen!»

Zappelnd vor Aufregung ging Inch mit Bolitho nach achtern. Überrascht sah dieser, daß sich eine Frau in der kleinen Kajüte befand, die offensichtlich ebenso überwältigt war wie Inch.

«Das ist Mrs. Boswell, Sir«, sagte Inch.»Unterwegs nach England. Ich soll sie bis Gibraltar mitnehmen.»

Bolitho nickte grüßend.»Ich muß sehr um Entschuldigung bitten, Ma'am. «Er sah Inch bedeutsam an.»Wir segeln schleunigst nach Syrakus zurück.»

«Ja, natürlich, ich verstehe. «Sie tupfte sich die Augen.

«Nun, Commander Inch«, sagte Bolitho,»erzählen Sie mir alles. Das ganze Geschwader liegt also noch vor Anker?»

Inchs Freude verblaßte etwas.»Bis auf die Lysander und die Buzzard, Sir. Javal ist in besonderer Mission unterwegs, und die Ly-sander segelt, wie ich höre, nach Korfu.»

Bolitho setzte sich hin und zupfte an seinem plissierten spanischen Hemd.»Also will Captain Farquhar selbständig handeln,

eh?»

Diese Frage war Inch offensichtlich unangenehm.»Nein, Sir. Captain Herrick hat die Lysander wieder übernommen. Sir Charles Farquhar, das ist er nämlich jetzt, befehligt das Geschwader in Syrakus. Er will dort warten. «Verlegen wand er sich unter Bolithos wütendem Blick.»Bis eine Flotte unter dem Befehl von Sir Horatio Nelson eintrifft.»

Bolitho stand auf und ging mit eingezogenem Kopf unter den niedrigen Decksbalken hindurch zum offenen Heckfenster.

Herrick war also weg, allein. Der Rest war ihm so klar wie das Wasser unter dem Heckbalken.

«Captain Herrick ist ein guter Mann. Ich habe ihn kennengelernt, bevor er auslief«, hörte er Mrs. Boswell sagen.

Er wandte sich zu ihr um.»Ja, das ist er, Ma'am.»

«Als wir die Explosion hörten«, sagte Inch,»glaubten wir, da wäre ein großes Schiff in die Luft geflogen.»

«Die Ladung der Segura. Dieser Korvettenkapitän hatte sich das anders vorgestellt.»

Alles stand ihm wieder vor Augen: Midshipman Breens trauriges Gesicht; der Schwede, der so vergnügt Befehle entgegengenommen hatte, die er manchmal gar nicht verstand; Alldays narbiger Rük-ken.

«Also, dann zurück zum Geschwader«, sagte er schroff,»und so schnell Sie können!»

Der Erste Offizier der Harebell erschien im Türrahmen; er mied Bolithos Augen, als er meldete:»Wir haben dreißig Franzosen aufgefischt, Sir. Der Kommandant ist nicht dabei. Und der Master sagt, der Wind hat aufgefrischt und nach Süden gedreht.»

Stirnrunzelnd nickte Inch. Zu Bolitho sagte er:»Ich glaube, Sir, Sie kennen meinen Ersten, Mr. McLean?»

«In der Tat. Er war einmal zusammen mit Ihnen an Bord der Lysander. Bei der Marine ist es anscheinend immer dasselbe: Leutnants erkennen einen Vorgesetzten niemals wieder; aber sogar ein Kommodore erinnert sich an einen Leutnant.»

Inch sah seinen Ersten mißbilligend an.»Pfeifen Sie gt;Alle Mann zum Segelsetzenlt;. Es wird eine Schinderei, aber ich will die Hare-bell bis zum Spätnachmittag in Syrakus vor Anker haben!»

Bolitho wurden plötzlich die Knie weich, und er setzte sich hin.

«Ich gehe an Deck, Sir, wenn Sie gestatten«, sagte Inch. Nach kurzem Zögern fuhr er fort:»Ich bin wirklich froh, daß ich Sie gefunden habe. Captain Herrick hätte sich gefreut, wenn. «Er ging rasch hinaus.

Mrs. Boswell sagte leise:»Wir haben uns lange unterhalten. Ich fand seine Geschichte, seine Lebensgeschichte meine ich, faszinierend.»

Jetzt erst betrachtete Bolitho sie genauer. Eine nett aussehende

Frau, vielleicht Anfang Dreißig. Sie hatte einen guten Teint und dunkelbraune Augen, die zu ihrem Haar paßten. Die Art, wie sie von Herrick sprach, war aufschlußreich. Vielleicht hatte sie sich in ihn verliebt?

Er entgegnete:»Ich habe vor, ihn zu suchen, Ma'am. Wenn ich mit Captain Farquhar gesprochen habe, weiß ich bestimmt eine ganze Menge mehr als jetzt.»

Er hatte den letzten Satz in ungewöhnlich scharfem Ton gesprochen; und sie antwortete:»Ich weiß, daß Captain Farquhar ein außerordentlich ehrgeiziger Mann ist.»

Ihre rasche Auffassungsgabe und auch sie selbst gefielen ihm.»Außerordentlicher Ehrgeiz ist nicht immer mit außerordentlicher Einsatzbereitschaft verbunden, Ma'am«, antwortete er lächelnd.»Ich hätte das eher merken müssen. Viel eher. Und ich kann nur zu Gott beten, daß ich diese Lektion nicht zu spät gelernt habe.»

Erschrocken hob sie die Hand.»Zu spät für Captain Herrick?»

«Für Thomas noch viel mehr, Ma'am.»

Allday schaute herein.»Könnten Sie ihn dazu kriegen, daß er sich hinlegt, Ma'am? Er hat heute so viel geschafft wie ein ganzes Regiment.»

«Ja, das tue ich«, nickte sie. Allday verschwand, und sie fragte:»Ist das ein alter Kamerad von Ihnen?»

Bolitho lehnte sich in seinem Sessel zurück. Mit der Spannung wichen auch seine Kräfte.»Nein, mein Bootssteurer. Und ein guter Freund. Wenn er ein Offizier meines Jahrgangs wäre, dann wäre er, glaube ich, bald mein Vorgesetzter. Und das wäre dann doch zuviel.»

Und dann fielen ihm die Augen zu, und sein Kopf geriet mit den leichten Schiffsbewegungen ins Nicken. Mrs. Boswell stellte fest, daß Bolitho gar nicht so war, wie sie es nach Herricks Erzählungen erwartet hatte. Für jemanden, der so viel geleistet, so viel durchgemacht hatte, kam er ihr ziemlich jung vor. Er schien auch feinfühlig zu sein, was er offensichtlich als einen Fehler empfand und durch Strenge zu verbergen suchte.

Sie lächelte nachdenklich. Unsinn: Er war genauso, wie Herrick ihn beschrieben hatte.

Regungslos stand Farquhar an der Kajütwand und sah zu, wie Bo-litho sorgfältig die Depeschen des Admirals durchlas.

Bolitho saß, die Ellbogen auf die Knie gestützt, vorgebeugt auf der Fensterbank; die Papiere hatte er vor sich auf den Boden gebreitet. Neben ihm auf der Fensterbank lagen ein Stück frisches Brot und eine Butterkruke; beides hatte Manning morgens an Bord geschickt. Bolitho hatte fast den ganzen Laib aufgegessen und dazu nach Farquhars Schätzung sieben Becher Kaffee getrunken.

Jetzt hob Bolitho den Kopf und sah Farquhar forschend an.»Sie wollten also hierbleiben, ja? Und das hier — «, er tippte auf die Papiere — ,»bedeutet Ihnen gar nichts?»

Gelassen erwiderte Farquhar seinen Blick.»Wenn meine Einschätzung der Lage von der Ihren abwich, Sir, so.»

Mit blitzenden Augen sprang Bolitho auf.»Halten Sie mir keine Reden, Captain Farquhar! Sie haben diese Papiere gelesen, die Feststellungen in dem Bericht über die von uns gekaperte Artillerie, und trotzdem haben Sie nichts daraus geschlossen!«Er bückte sich, nahm zwei Blätter auf und warf sie mit wütendem Schwung auf den Tisch.»Lesen Sie das! Die Geschütze sind Fünfundvierzig-pfünder! Und unsere Armee hat eines davon ausprobiert, obwohl sie vermutlich auch so Bescheid wußten. «Im Takt zu seinen Worten klopfte er mit dem Finger auf das Papier.»So eine Kanone schießt eine Fünfundvierzig-Pfund-Kugel fünftausend Yards weit. Wenn Sie das für bedeutungslos halten, müssen Sie ein Narr sein! Wie weit schießt das schwerste Schiffsgeschütz?«Zornig trat er ans Fenster.»Ich werde Ihr Gedächtnis auffrischen: ein Zweiunddrei-ßigpfünder besitzt eine Reichweite von dreitausend Yards. Wenn man Glück hat und einen guten Stückführer, heißt das.»

Ärgerlich erwiderte Farquhar:»Ich sehe nicht, was das mit uns zu tun hat, Sir.»

«Nein, das merke ich. «Er fuhr herum und sah ihm ins Gesicht.»Das französische Volk wartet auf einen großen Sieg. Nach dieser blutigen Revolution können sie so etwas verlangen. Und wenn die Franzosen Ägypten erobern und noch weiter darüber hinaus wollen, dann muß zunächst ihre Flotte die Meere beherrschen. Unter dem Schutz solch schwerer Kanonen können die Franzosen eine ganze Armada, mehrere sogar, verankern und sicher sein, daß jedes englische Schiff zu Kleinholz geschossen wird, ehe es auch nur herankommt!»

Farquhar biß sich auf die Lippen.»Küstenbatterien!«»Na endlich, Captain«, sagte Bolitho kalt.»Jetzt merken anscheinend auch Sie, was gespielt wird. «Ein Schlag an die Tür, der Posten brüllte:»Offizier der Wache,

Sir!»

«Soll eintreten«, sagte Farquhar, vermutlich heilfroh über die Unterbrechung.

Der Leutnant blieb an der Tür stehen.»Wir haben soeben die Buzzard gesichtet, Sir. Im Norden.«»Danke, Mr. Guthrie.»

Bolitho setzte sich wieder hin und rieb sich die Augen.»Rufen Sie meinen Schreiber. Ich will eine Depesche diktieren, die Inch nach Gibraltar mitnehmen soll. «Er konnte seine Wut nicht verbergen.»Sie wird etwas anders lauten als Ihre.»

Farquhars Gesicht blieb ausdruckslos.»Ich werde Ihnen meinen Schreiber schicken, Sir. Ihrer ist noch auf der Lysander.»

«Gut, er genügt mir fürs erste. «Er ging zur Tür.»Wenn ich mein Flaggschiff wiederhabe, dann habe ich auch meinen Schreiber.»

Farquhar starrte ihm nach.»Aber ich habe doch Ihren Stander hier auf der Osiris hissen lassen, Sir!»

Bolitho lächelte grimmig.»Habe ich gesehen — Ihren oder me inen. Waren Sie denn so sicher, daß ich tot war?»

Ohne eine Antwort abzuwarten, ging er durch die Tür.

Auf der Kampanje fand er Mrs. Boswell im Gespräch mit Pascoe. Das Wiedersehen mit seinem Neffen hatte ihm klargemacht, wie verzweifelt nötig es war, daß er Herrick fand, wie sehr sie einander brauchten.

Wenn er zu Herrick allzu verständnisvoll gewesen war, so war er selbst daran schuld. Mehr noch als Herrick selbst. Er hatte bei Far-quhar etwas anderes gesucht; Herricks wirklicher Wert dagegen lag so offen zutage, daß er ihn nicht gesehen hatte.

Mrs. Boswell wandte sich um und lächelte schüchtern.»Ich bin mit dem Boot herübergekommen, um adieu zu sagen, Captain«, sagte sie und hängte sich bei Pascoe ein.» Wir beide haben uns sehr gut verstanden.»

«Das glaube ich gern«, nickte Bolitho. Er durchschaute ihre falsche Munterkeit und fuhr fort:»Sobald ich mit dem Kommandanten der Buzzard gesprochen habe, lasse ich das Geschwader, oder was noch davon übrig ist, Anker lichten.»

Sie verstand, was er damit sagen wollte, und ging mit ihm zur Kampanjeleiter.»Ich gehe jetzt. Es freut mich, daß Sie sich wieder erholt haben.»

Ein Boot wartete an den Rüsten, und Bolitho sah den froschähnlichen Ersten der Osiris ungeduldig an der Fallreepspforte stehen.

«Ich möchte Ihnen einen Rat geben, Mrs. Boswell. «Er führte sie über das sonnenwarme Deck, unbekümmert um die neugierigen Augen und sein merkwürdiges Aussehen.»Wenn Sie etwas für Thomas Herrick empfinden, dann sagen Sie es mir bitte.»

Es kam ihm vor, als wolle sie ihm ihre Hand entziehen. Doch statt dessen fragte sie:»Merkt man das so deutlich?»

«Daran ist nichts Unrechtes. «Er blickte sinnend auf die grünen Abhänge an der Küste.»Meine eigene Liebe war zu kurz, und heute tut es mir um jede versäumte Sekunde leid. Außerdem — «, erzwang sich ein Lächeln ab — ,»ich weiß genau, wenn Sie nichts sagen, dann bleibt Thomas Herrick so stumm wie eine Nonne in einer Seemannskneipe!»

«Ich will daran denken. «Sie sah zu Pascoe hinüber.»Passen Sie gut auf alle auf. Ich habe das seltsame Gefühl, daß etwas Großes passieren wird. «Sie erschauerte.»Und vielleicht nichts Gutes.»

Bolitho sah ihr nach, als sie mit dem Bootsmannsstuhl ins Boot abgefiert wurde, und ging dann nach achtern. Langsam, schmerzhaft langsam kamen die Marssegel der Buzzard um das nördliche Vorland.

«Eine nette Dame, Sir«, sagte Pascoe.»Bißchen wie Tante Nancy.»

«Aye. «Bei dieser Bemerkung stand ihm seine Schwester in Fal-mouth, die ihn immer zu bemuttern versuchte, obwohl sie jünger war als er, ganz deutlich vor Augen.

Pascoe sprach weiter.»Es heißt, Lord Nelson segelt ins Mittelmeer, Sir?»

«Gott sei Dank merkt endlich jemand, daß hier eine ernsthafte Bedrohung entsteht. Die Schlacht, und es wird eine Schlacht geben, kann entscheidend sein. Deswegen haben wir noch eine Menge Arbeit zu erledigen, bevor die Sonne untergeht.»

Er sah Pascoes betroffenes Gesicht und mußte lächeln.»Was ist denn, Adam? Hast du was dagegen, daß Nelson kommt? Er ist der Beste, den wir haben, und der Jüngste. Das allein müßte dir doch schon zusagen!»

Lächelnd schlug Pascoe die Augen nieder.»Weißt du, was vorhin ein Matrose zu mir gesagt hat? Wir haben unseren eigenen Nelson!»

«Blödsinn! Du bist ja ebenso schlimm wie dieser Allday!«sagte Bolitho und ging zur Leiter.

In der Nacht saß er in der ungewohnt eleganten Kajüte der Osiris, schrieb einen Bericht über seine Vermutungen zur Lage und horchte auf das Knirschen und Murmeln am Schiffsrumpf. Der Wind hatte leicht aufgefrischt und bereits nach Nordwest gedreht. Die Schaluppe Harebell, die kurz vor dem Dunkelwerden ausgelaufen war, würde schwer vorankommen und ständig kreuzen müssen, hin und her, um wenigstens die Höhe zu halten.

Er dachte an Javals dunkles Gesicht, der an Bord gekommen war, überrascht, den Kommodorewimpel auf der Osiris zu sehen, und dann erleichtert, weil Farquhar noch nicht Kommodore war. Er hatte die Schiffe an dem verabredeten Treffpunkt nicht gefunden und von einem Fischer erfahren, sie lägen in Syrakus vor Anker. Daraufhin hatte er eine zweite Patrouille in der Straße von Messina gefahren und war bei wechselndem Wind noch weiter nordwärts gesegelt, in der Hoffnung, weitere Nachrichten zu bekommen.»Ich will mich nicht herausreden, Sir«, hatte er gesagt.»Ich bin Unabhängigkeit gewohnt, aber ich mißbrauche sie nicht. Ich lief Neapel an und suchte den dortigen britischen Gesandten auf. Schließlich mußte ich ja Informationen mitbringen. «Seine harten Züge hatten sich bei diesen Worten etwas entspannt.»Hätte ich gewußt, daß Sie auf einer eigenen, äh, Expedition waren, Sir, dann wäre ich nach La Valetta gesegelt und hätte Sie 'rausgeholt, trotz aller Malteserritter.»

Javal kannte Bolithos weiche Stelle. Auch er war Kommandant einer Fregatte gewesen, und wenn er überstürzt gehandelt hatte, indem er Yves Gorse aufsuchte, so deswegen, weil ihm jene Zeit immer noch im Blut lag. Vielleicht hatte Javal diesen Punkt angetippt, um Bolitho nachsichtiger zu stimmen.

«Sir William Hamilton mag ja ein alter Herr sein«, hatte Javal weiter berichtet,»aber er besitzt ausgezeichnete Verbindungen und weiß sehr gut, was vorgeht.»

Bolitho unterschrieb seinen Bericht und starrte auf die Schottwand. Sein gebräunter, abgewetzter Degen wirkte seltsam fremd an diesem reichgeschnitzten Paneel.

Sir William hatte über sein Netz von Mittelsmännern und Spionen in Erfahrung gebracht, daß der einzige Mann, der über die nächsten Wochen und Monate entscheiden konnte, schon auf dem Weg nach Toulon war. Und dieser Mann verschwendete seine Zeit nicht mit leeren Gesten.

Sein Name war Bonaparte.