"Eine letzte Breitseite: Kommodore Bolitho im östlichen Mittelmeer" - читать интересную книгу автора (Кент Александер)VI Angriff im Morgengrauen«Kurs Nordost liegt an, Sir!«meldete der Rudergänger halblaut. «Recht so. «Ruhelos ging Herrick zur Luvseite des Achterdecks hinüber und spähte zum Land. Als er sich wieder umwandte und das Hauptbatteriedeck musterte, stellte er fest, daß er einige Geschützbedienungen schon ganz deutlich erkennen konnte, obwohl es auf den ersten Blick noch so dunkel schien wie zuvor. Er ging nach achtern, wo Grubb beim Ruder stand, mit Plow-man, seinem besten Steuermannsmaaten, neben sich. «Jetzt müßte bald ein Signal kommen, Mr. Grubb.» Er hätte lieber schweigen und seine Nervosität verbergen sollen. Aber die vorsichtige Annäherung der Ab und zu hörte er auch aus den Rüsten des Vorschiffs den Ruf des Lotgasten und das Klatschen, wenn er das Lot wieder auswarf. Daß sie ihr Angriffsziel verfehlten, war ausgeschlossen. Bei dem stetigen Wind, der von backbord achtern kam, bei der Wassertiefe, die mit den Angaben auf der Karte übereinstimmte, und außerdem dank Grubbs Ortskenntnis war kein Zweifel möglich. Der Master sah noch formloser aus als sonst; er hatte die Arme tief in den Falten seines schweren Mantels versteckt. «Mr. Plowman hat mir nochmals versichert, Sir, daß er die Landeabteilung auf den richtigen Weg gebracht hat. Es gab keinen Alarm — nicht ein Schnurrbarthaar von einem Don war zu sehen. «Er schüttelte den Kopf und schloß finster:»Sie haben ganz recht, Sir. Das Signal müßte längst gegeben worden sein.» Widerstrebend ging Herrick wieder nach vorn zum Fuße des mächtigen Großmastes, wo Fitz-Clarence stand und das Hauptbatteriedeck im Auge behielt. «Zu verdammt ruhig alles, «sagte Herrick. Er versuchte, sich vorzustellen, was mit Bolitho und den Marine — Infanteristen geschehen konnte. Vielleicht hatten sie sich versteckt, vielleicht waren sie gefangen oder sogar schon tot. Fitz-Clarence wandte sich um und sah ihn an.»Es wird schon heller, Sir. Viel heller. «Er hob den Arm und deutete zum Land. Auch ohne den Hinweis hatte Herrick bemerkt, daß die sie umgebende Dunkelheit sich etwas lichtete; sogar ein bogenförmiges Stück sandigen Strand konnte er erkennen und die Brandung am Fuß der Klippen. Die «Zehn Faden!» «Der Landarm muß ganz dicht an Steuerbord voraus liegen, Sir«, murmelte Grubb bestätigend und hustete tief in der Kehle.»In 'ner halben Stunde können wir hinspucken.» Unter der Achterdecksreling lachte ein Matrose kurz auf, und der Stückführer wies ihn mit einem Schimpfwort zur Ruhe. Die Matrosen waren seit dem vorigen Abend in den Quartieren gewesen; sie hatten gesehen, wie die Boote abgefiert wurden und sich auf die Fahrt zur Küste machten. Dort unten, und noch mehr in den Tiefen des unteren Batteriedecks tauschten sie sicherlich flüsternd ihre Zweifel aus und machten Witze über die Vorsicht ihres Kommandanten. Doch was würden sie sagen, wenn er das Schiff verlor, und sie mit? «Schade, daß die Verbindung zur Herrick fuhr ihn an:»Kümmern Sie sich um Ihren Dienst, Mr. Fitz-Clarence!» Es war vielleicht nur eine beiläufige Bemerkung gewesen. Oder wollte der Leutnant damit andeuten, daß es — wenn Herrick schon zu ängstlich war, sich so oder so zu entscheiden, besser gewesen wäre, die kleine Schaluppe den ersten Zug machen zu lassen? Er tat ein paar Schritte das schrägliegende Deck hinan und spürte, daß die Geschützbedienungen ihm nachsahen, als er vorbeiging. Jedes Geschütz stand geladen und schußbereit hinter seiner geschlossenen Stückpforte. Entersäbel und Beile waren am Schleifstein auf dem Hauptdeck geschärft worden. Herrick kam es vor, als sei das schon tagelang her. Er sah Leutnant Veiten, der die obere Batterie von Achtzehn-pfündern befehligte, am Niedergang lehnen und mit seinen beiden Midshipmen reden. Vielleicht machte ihnen die ganze Sache nicht viel aus. Jedenfalls wirkten sie wie immer. Dachten wohl, die Sorgen könnten sich andere machen. Wenn sich die Ereignisse überstürzten und man nicht mehr nachdenken konnte, war es sowieso zu spät. Unruhig beobachtete Herrick, wie die erste Morgendämmerung hinter dem Land aufstieg. Er hatte manches Seegefecht mitgemacht, hatte so vieles erlebt und kannte die Erlösung, zu den Überlebenden zu gehören. Aber einer solchen Spannung wie dieser war er nicht gewachsen. Über dem noch tief verschatteten Deck hörte er Marssegel und Klüver killen und sich dann hungrig wieder mit Wind füllen. Die Bramsegel weiter oben zogen gut; der Ausguck im Masttopp mochte wohl in der kühlen feuchten Morgenluft frieren; jedenfalls sah es so aus, als ob er die Beine zusammenschlug. Herrick schritt zur anderen Seite des Decks, das ohne die MarineInfanteristen seltsam geräumig wirkte. Er versuchte, sich jeden einzelnen seiner Offiziere vorzustellen, von Fitz-Clarence mit seiner redseligen, falschen Selbstsicherheit bis zu Leutnant Kipling vom unteren Batteriedeck und zu Veitch, der äußerlich gelassen bei seinen Männern unter den bauchigen Segeln stand. Gilchrist und Leutnant Steere waren mit an Land; da war er sowieso knapp an Offizieren. Und die zurückgebliebenen bildeten noch keine Einheit; wie ihre Kanoniere sich unter feindlichem Feuer bewähren würden, mußte sich erst noch herausstellen. «Siebzehn Faden!» «Einen Strich anluven, Mr. Grubb!«sagte Herrick.»Aye, aye, Sir.» Die Männer rannten zu den Brassen, doch Herrick hörte nicht auf das eilige Trappeln ihrer nackten Füße. Er hatte eine Vorentsche i-dung getroffen, aber es war immer noch Zeit, sie zu ändern. Er dachte an das Geschwader und besonders an Captain Farquhar. Farquhar hatte seine Instruktionen: Mit dem anderen Zweidecker und der «Kurs Nordost zu Nord liegt an, Sir.» «Recht so.» Wieder dachte Herrick an Farquhar. Nur zu gern hätte er ihn um Hilfe ersucht. Doch dieser mußte ihn verachten, wenn er jetzt nicht zu einer selbständigen Entscheidung kam. Schließlich war «Wir laufen in die Bucht ein, Mr. Grubb«, sagte Herrick langsam mit einem Blick auf Fitz-Clarences gestraffte Schultern.»Sie können die Backbordbatterien ausfahren lassen!» Die Pfeifen schrillten durch die Decks, die Backbordpforten wurden aufgezogen, Herrick vernahm gedämpftes Hurra, und mit Kreischen und Quietschen rumpelten die Kanonenrohre der «Backbordbatterie ausgerannt, Sir«, meldete Fitz-Clarence. Es klang wenig begeistert. «Danke. Geben Sie zu den Karronaden im Vorschiff durch: Feuer erst auf mein Kommando. Es ist immer schwierig, ein Ziel an Land zu treffen…«Er brach ab, weil der Leutnant ihn so merkwürdig anstarrte.»Wie Sie selbst noch merken werden«, schloß er. Die Er ging zur Luvseite hinüber, hielt sich an den Finknetzen fest und beobachtete die Brandung unterhalb einiger Felsbrocken. Querab glitt der westliche Landarm der Bucht vorbei; und als der Bugspriet der «Nord zu Ost, Mr. Grubb«, befahl er kurz. Er spürte Grubbs schweigenden Protest in seinem Rücken, doch er konzentrierte sich auf die Breite und Tiefe der kleinen Bucht. Vielleicht war sie leer, und sie alle hatten sich von Anfang an geirrt. Als die Rahen herumgeholt waren und die Segel den Wind wieder hielten, schritt Herrick nach achtern zum Kompaß. Gespannt sahen ihm beide Rudergänger zu, wie er den Kurs prüfte und sich dann umwandte, um die Stellung jedes einzelnen Segels zu inspizieren. «Nord zu Ost liegt an, Sir.«»Recht so.» Herrick spähte zu den großen Segeln empor — sie begannen bereits zu killen. Die Rahen waren so dichtgeholt wie nur möglich. Das Schiff mußte trotz des Segeldrucks Fahrt verlieren. Aber so hatte er wenigstens ein Maximum an Zeit und Seeraum zur Verfügung. «An Deck! Musketenfeuer Backbord voraus!«Eine Pause, dann meldete der Ausguck im Fockmast:»Schiffe vor Anker in der Bucht! Drei Schiffe, Sir!» Plötzlich donnerte an Land ein schweres Geschütz, und mehrere Männer schrien erschrocken auf. Mit angehaltenem Atem zählte Herrick die Sekunden, bis die Kugel vorbeijaulte und laut klatschend ziemlich weit von der jenseitigen Bordwand entfernt ins Wasser schlug. «Einen Strich abfallen, Mr. Grubb!» Das Rudergeschirr knarrte, die Bramsegel reagierten laut schlagend, der Bugspriet schwang langsam herum und zeigte jetzt auf die weit vorgeschobene Spitze des anderen Landarmes der Bucht. Es krachte wieder. Herrick wunderte sich, daß er jetzt ein Stück des hellen Strandes hinter den ankernden Schiffen sehen konnte. Und ein paar rennende Gestalten, klein wie Insekten. Es gab ein großes Geschrei, denn die Kugel schlug dicht vorm Bug ins Meer und hüllte das Vorderkastell in einen Vorhang aus Sprühwasser.»Gut gezielt«, bemerkte Plowman kühl. «Die warten also schon auf uns«, sagte Grubb.»Sie müssen die ganze Zeit Bescheid gewußt haben.» «Da! Das Schiff!«schrie Fitz-Clarence.»Es versucht auszulaufen!» Deprimiert wischte sich Herrick die Stirn. Alles lief verkehrt. Nicht einmal der Überraschungsvorteil war ihm geblieben. Ihm wurde beinahe übel. «Eine Brigg, Sir!«brüllte der junge Saxby.»Sie hat das Ankertau gekappt!» Herrick sah die helle Leinwand von Fock und Klüver sich entfalten, sah den Umriß sich verkürzen, als die Brigg vom Anker freikam und die offene See ansteuerte. Derselbe Wind, der die Herrick zog den Degen und schritt rasch zur Achterdecksreling. Seine Verbitterung und Sorge, seine Angst um Bolitho und das Mißtrauen in seine eigenen Fähigkeiten waren schlimmer denn je.»Mr. Veitch, Feuer frei! Stoppen Sie die Brigg!» Der Leutnant erwachte aus seiner Erstarrung und schrie:»Geschützführer! Im Hochkommen schießen!«Er duckte sich hinter einen seiner Achtzehnpfünder und spähte durch die Stückpforte. «Feuer!» Die ganze Batterie spuckte in einer langen, unregelmäßigen Salve Feuer und Rauch. Als der Qualm durch die Pforten zurückrollte und die Geschützbedienungen Schwabber und Putzstangen in Aktion setzten, sah er, daß die See um die Brigg mit großen weißen Schaumkreisen gesprenkelt war. Die Lafetten quietschten, die Achtzehnpfünder wurden das krängende Deck hinangeschoben und stießen die Rohre wieder durch die Pforten. Ein Stückführer nach dem anderen hob die Hand, und Veitch kommandierte von neuem:»Feuer!» Wieder ein langgezogener Kanonendonner: die hellen, gelbroten Feuerzungen leckten aus dem Rumpf, die schweren Kugeln hüpften über die Wellenkämme und warfen Wasserschleier hoch. Als der Rauch sich verzogen hatte, sah Herrick, daß der Großmast der Brigg nicht mehr stand und daß sie manövrierunfähig dahintrieb, das Deck ein einziges Chaos. «Feuer einstellen!«schrie er.»Mr. Fitz-Clarence, beide Kutter klar zum Aussetzen!«Er rieb sich die Augen, denn wieder trieb eine Wolke stechenden Pulverqualms übers Deck.»Sie übernehmen das Kommando!«Er packte den Leutnant beim Arm und zog ihn an die Netze.»Das mittlere Schiff ist ein Transporter. Hat mächtigen Tiefgang. Holen Sie's raus, bevor sie es versenken können. Wenn Sie aber auf zu starken Widerstand stoßen, ziehen Sie sich zurück; ich schieße es dann zusammen, wenn wir passieren. «Er schob ihn zur Leiter und rief:»Mr. Veitch, Segel wegnehmen! Geien Sie die Bramsegel auf!» Grubb sah hoch: eine Kugel klatschte durch das Großmarssegel und riß ein Loch, so groß, daß ein Mann hätte durchschlüpfen können. «Allmächtiger!«sagte er. Herrick schritt über das Deck; sein Hirn verarbeitete die jeweils veränderte Lage: Als der Segeldruck sich verminderte und damit die Neigung des Schiffs, wurden die beiden Kutter über Bord ge-fiert. Männer sprangen hinein, Entersäbel und Musketen hoch in den Händen, andere legten die Riemen aus und stießen von der Bordwand ab. Wieder krachte es von Land her, und eine Kugel flog jaulend durch die Luvwanten; ein Matrose kam von oben und lag keuchend in den Schutznetzen, die über Deck gespannt waren, um die Kanoniere vor fallenden Spieren und dergleichen zu schützen. Wie schnell das Licht zunahm und es in der Bucht hell wurde! Herrick hatte den davonstrebenden Booten nachgesehen und eilte jetzt an die Heckreling. Schon konnte er die Batterie auf dem Vorland erkennen; eine fedrige Rauchwolke stand darüber. Bald mußte er halsen und in die Bucht zurück, um die Enterabteilung in ihren Booten zu decken. Unter Marssegeln, Fock und Klüver machte die Wieder hüpften zwei Kugeln über das blaue Wasser wie ein Paar springender Delphine. Eine peitschte mitten zwischen den wild pullenden Kuttern durch, die andere schmetterte dicht neben dem Vordersteven in den Rumpf der Herrick beobachtete die beiden Kutter. Der eine hatte bereits den schweren Transporter erreicht; der andere we chselte noch Schüsse mit einer Gruppe Matrosen auf dem feindlichen Achterdeck. Er mußte auch die Boote zurückrufen. Das ganze Unternehmen war ein einziger Fehlschlag. Schon wandte er sich an Midshipman Saxby, der bei den Signalgasten stand; da hörte er einen Mann ungläubig ausrufen:»Sir! Auf der anderen Batterie, sehen Sie!» Von den Rahen und den beiden Batteriedecks kamen Hurrarufe, und als Herrick zum dünnen Fahnenmast über der Batterie starrte, sah er eine Flagge hochsteigen: dieselbe, welche die «Ich sehe was Rotes«, murmelte Grubb.»Die verdammten Bullen sind also doch durchgekommen!» Dann gingen alle Kommentare im Donner einer gewaltigen Explosion unter. Der Schall rollte vom Vorland zu ihnen herab, die Druckwelle ließ Felsbrocken und andere Trümmer auf den Strand regnen und riß einige Soldaten um, welche die Küstenbatterie von unten erstürmen wollten. Herrick versuchte, sein breites Grinsen zu unterdrücken.»Beidrehen, Mr. Veitch!«Er nickte heftig.»Ja, Er deutete auf den Transporter. Die Explosion der zweiten Batterie hatte auch dort jeden Widerstand zunichte gemacht, und er konnte sehen, wie Fitz-Clarences Männer über das Deck schwärmten; die spanische Flagge wurde niedergeholt. Lediglich die zweite Brigg war rechtzeitig freigekommen, ihre Segel füllten sich, mit höchster Fahrt versuchte sie, der Zerstörung zu entgehen. Herrick beobachtete sie gelassen. Die Mit losen, donnernden Segeln ging die «Mehr Boote aussetzen!«Herrick schätzte die Strömung in der Bucht ab.»Wir müssen vielleicht ankern, aber ich will die Landeabteilung bis auf den letzten Mann an Bord geholt haben!» Da schrie Saxby:»Der Kommodore kommt den Strand entlang, Sir!«Er hüpfte vor Aufregung.»Und da sind auch die Seesoldaten!» Herrick packte die Reling und beobachtete den ungeordneten Marsch beinahe ehrfürchtig. Da stand Leutnant Steere bis zum Gürtel im Wasser bei einem Boot, das seine Männer irgendwo aufgetrieben haben mußten. Verwundete wurden hineingetragen; die beiden Kutter eilten von dem eroberten Schiff herbei, um zu helfen. Grubb schob sich neben ihn.»Daran haben die Dons 'ne Weile zu kauen, Sir!» Herrick nickte. Ein Schiff versenkt, ein größeres gekapert, die Küstenbatterien zerstört. Er fuhr auf.»Mr. Saxby! Geben Sie mir Ihr Glas!«Grubb starrte ihn an.»Sir?» Herrick reichte ihm das Glas und sagte ruhig:»Der Kommodore hat seinen Neffen bei sich.» Der Master stieß einen leisen Pfiff aus.»Und seinen Bootssteurer auch, bei Gott!«Er schob das Teleskop mit einem Klicken zusammen.»Noch mehr Wunder an einem Tag wären zuviel für mich!» Langsam schritt Herrick über die Laufbrücke. Er konnte die Augen nicht von dem näherkommenden Boot abwenden. Das war eine knappe Sache gewesen, denn beinahe hätte er sich nicht entsche i-den können. Vielleicht hatte Grubb mit seinem Wunder doch recht. Er sah sich auf dem Achterdeck nach Veitch um.»Klar bei Fallreep zum Empfang des Kommodore!» Dann kletterte Bolitho durch die Pforte. Sein Gesicht war geschwärzt von fettigem Pulverqualm, aber er lächelte auf die alte Weise, die Herrick schon beinahe vergessen hatte.»Das war Maßarbeit, Thomas«, sagte er. «Beinahe hätte ich mich an Ihren Befehl gehalten, Sir«, erwiderte Herrick und grinste unsicher.»Aber dann überlegte ich, was Sie an meiner Stelle getan hätten.» Bolitho warf den Kopf zurück und atmete tief. Es war tatsächlich knapp gewesen. Leroux hatte drei glühende Kugeln in die andere Batterie gefeuert, und er hatte schon gedacht, der Feind würde sich ergeben. Doch ein schlanker, fanatischer Offizier hatte sie zum Widerstand angefeuert, der Kommandeur des Lagers, wie Allday sagte. Der Spanier hatte auch erreicht, daß auf See gezielt weitergefeuert wurde, und mindestens zwei Kugeln, vielleicht auch mehr, hatten die Und dann, als das Schiff schon hatte halsen wollen, um dem gnadenlosen Artilleriebeschuß zu entgehen, hatte eine von Leroux' glühenden Kugeln den Pulvervorrat der Batterie getroffen, und damit war es vorbei. Bolitho hatte selbst gesehen, wie der spanische Hauptmann, den Säbel noch hoch überm Kopf erhoben, von der Explosion in Stücke gerissen wurde. Er wandte sich um: Pascoe hinkte unter Hurrarufen und Gelächter durch die Fallreepspforte, ein paar Kanoniere drängten sich um ihn, schlugen ihm auf die Schultern und deuteten grinsend auf sein weinverschmiertes Gesicht. Herrick schüttelte den Kopf.»Und ich war schon im Zweifel, ob wir es schaffen würden, Sir.» Bolitho sah ihn ernst an.»Mit solchen Männern kann man ziemlich alles schaffen, Thomas.» Allday kam heran; vorsichtig mieden seine nackten, schmerzenden Füße Ringbolzen und Geschützzüge. Bolitho schnallte seinen blutverschmierten Degen ab und reichte ihn ihm.»Hier, Allday; ich komme gleich nach unten.» «Aye, Sir.» «Und ich würde es übelnehmen, falls meine Weinkaraffe noch voll ist, wenn ich nachsehen komme. «Voller Zuneigung blickte er Allday in die Augen.»Gott sei Dank, daß Sie in Sicherheit sind.» Herrick wartete, bis Allday im Kajütenniedergang verschwunden war, und sagte dann:»Es ist das erste Mal, seit ich mich erinnern kann, daß es ihm die Antwort verschlagen hat, Sir.» Bolitho sah zu, wie die Marine-Infanteristen durch die Pforte kletterten, soweit sie nicht hinaufgetragen werden mußten — manche benommen, manche unter Schmerzen, manche nur einfach froh, daß sie noch am Leben und heil waren. Auch seine eigene Euphorie schwand bei der Vorstellung, was Pascoe und Allday durchgemacht haben mußten. Er riß sich aus seinen Gedanken.»Also, Captain Herrick, dann nehmen Sie die Boote wieder an Bord und signalisieren Sie unserer Prise, daß sie Anker lichten und in Lee von uns segeln soll. «Er schlug ihm leicht auf die Schulter, und sein Lächeln kam wieder.»Wir stoßen so schnell wie möglich zum Geschwader.» Wortlos wartete Bolitho, bis Herrick mit dem Studium der Karte fertig war. Durch das Heckfenster sah er den gekaperten Transporter schwer im Kielwasser der Herrick richtete sich auf und sah ihn an.»Ich bin Ihrer Ansicht, Sir. Nach unseren Berechnungen halten wir Kurs auf die Straße zwischen dem spanischen Festland und der Insel Ibiza. Wie mir Mr. Grubb versichert, liegt Kap San Antonio etwa fünfundzwanzig Meilen an Backbord.» Bolitho beugte sich über die Karte und studierte die Wassertiefen und Landmarken längs der spanischen Küste. Zwei Tage war es her, daß Herrick in die Bucht gesegelt war, um die Landeabteilung herauszuholen; dann hatte er Inchs Unvermittelt sagte Herrick:»Ich begreife nicht, warum wir noch nicht auf das Geschwader gestoßen sind, Sir. «Unbewegt fuhr er nach einer Pause fort:»Captain Farquhar weiß doch ganz genau, daß wir unter Umständen Unterstützung brauchen.» Bolitho trat an das Heckfenster. Die Fock des spanischen Schiffes bauschte sich in dem unsteten Wind. Es war eine seltsame Beute: bis an die Decksplanken voll Munition, Pferden, Maultierfutter und genug Zelte, um eine ganze Armee unterzubringen. Ein Rätsel. Sie hieß Der Spanier hatte in holprigem Englisch immer wieder versichert, daß er seinen endgültigen Bestimmungsort nicht kenne. Und in der Tat hatte sich in seiner Kajüte kein Gegenbeweis gefunden; falls er nicht beim ersten Anzeichen von Gefahr seine Segelorder über Bord geworfen hatte, dann tappte er ebenso im dunkeln wie Bolitho. Er machte auch nicht den Eindruck eines geschickten Lügners, sondern gab zu, daß er Auftrag gehabt hatte, seine Ladung zu einem Treffpunkt im Golf von Valencia zu bringen, wo er ein Geleit und vielleicht noch andere Transporter hatte treffen sollen, die unter Chartervertrag für die Kriegsflotte fuhren. Er sei ein armer Seemann, der keine Lust habe, in den Krieg verwickelt zu werden. Nach dem spanischen Kommandeur, von dem er seine Ladung übernommen hatte, unterstand sein Schiff den Franzosen. Es gab, so sagte der Kapitän, viele Schiffe überall im Mittelmeer, welche die Franzosen zur Versorgung ihrer neuerrichteten Außenposten gechartert hatten. Sollte Bolitho diese überraschende Neuigkeit unbeachtet lassen? Wenn die Franzosen wirklich irgendwo einen solchen Treffpunkt festgelegt hatten, dann war es besser, das Geschwader neu zu formieren, bevor er zu neuen Aktionen in feindliche Gewässer aufbrach. Aber Farquhar war nicht da. Der Wind änderte sich nur wenig, so daß eigentlich nichts den Rest des Geschwaders hätte daran hindern sollen, mit dem Flaggschiff Kontakt aufzunehmen. «Vielleicht hat Captain Farquhar Feindberührung gehabt«, sagte er. «Vielleicht«, entgegnete Herrick zweifelnd.»Aber die Tatsache bleibt bestehen, Sir, daß die Bolitho nickte.»Stimmt. Am besten bleiben wir auf dem gegenwärtigen Kurs. Farquhar hat sich vielleicht aus triftigen Gründen entschlossen, erst kurz vor unserem endgültigen Bestimmungsort mit uns zusammenzutreffen. «Er fuhr mit dem Finger auf der Karte über das Ihm fiel der Detonationsblitz auf den Wällen ein, als Leroux' Leute mit der glühenden Kugel den feindlichen Pulvervorrat getroffen hatten. Wie hatte dieser Augenblick seine Männer verwandelt! Da hatte keiner mehr gezögert. Eben noch hatte der Angriff völlig hoffnungslos ausgesehen, und in der nächsten Sekunde stürmten sie vor und rissen alle mit. Die Nachricht von der Attacke mußte inzwischen an höherer Stelle angelangt sein. Sogar in Frankreich, trotz der Entfernung. Und dort mußte man sich jetzt ernsthaft fragen, wozu dieses britische Geschwader eigentlich im Mittelmeer herumkroch. Bolitho schritt wieder nach achtern und starrte auf das spanische Schiff. Leutnant Fitz-Clarence war Prisenkommandant und genoß ohne Zweifel die unerwartete Beförderung sehr. «Wenn die Nachdenklich sah Bolitho ihn an.»Dem sei, wie ihm wolle. Oder vielleicht ist auch das ganze Geschwader vernichtet?«Lächelnd legte er Herrick die Hand auf den Arm.»Das war nur ein Scherz, Thomas. Aber glauben Sie nicht, daß mir wohl bei der Geschichte ist!» Er wandte sich um, denn es klopfte. Es war Pascoe; in der sauberen Uniform sah er beinahe fremd aus.»Sie haben befohlen, Sir?» «Ja. «Bolitho deutete auf einen Stuhl.»Hast du inzwischen ein bißchen Zeit gehabt, um über dein Abenteuer nachzudenken?«Die Augen des Jungen wurden dunkel und blickten in die Ferne.»Es könnte wichtig sein«, fügte Bolitho hinzu. Pascoe streckte die Beine aus.»Ich hatte den Eindruck, daß die Spanier bereit sind, ihre Alliierten in jeder Beziehung zu unterstützen, außer durch direkte Beteiligung am Kampf. Sie haben Galeerensklaven und Sträflinge eingesetzt, jeden, der etwas heben und tragen kann, um Verteidigungsanlagen und Piers für Schiffe aller Art zu bauen.» Lächelnd sah Bolitho die beiden an.»Da die Schiffe des Earl of St. Vincent Cadiz und die Biskayahäfen bewachen, halte ich es für unwahrscheinlich, daß all das Englands wegen geschieht. «Er nickte bestimmt.»Ich beabsichtige folgendes: weiter Kurs auf Toulon nehmen, wobei wir mit einigem Glück auf unsere Schiffe stoßen werden. Dann südöstlich nach Sizilien; dort können wir Süßwasser übernehmen und dabei diskret Informationen einholen. «Sein Lächeln verstärkte sich beim Anblick von Herricks zweifelndem Gesicht.»Ich weiß, Thomas, das Königreich Beider Sizilien hat Frieden mit Frankreich. Doch daraus folgt noch nicht, daß es mit uns im Krieg ist, eh?» Er blickte zum offenen Skylight hin, denn der Ausguck rief:»An Deck! Segel an Backbord voraus!» Herrick stand auf.»Wenn Sie mich entschuldigen wollen, Sir?«Er grinste schüchtern.»Ich glaube, es fällt Ihnen immer noch schwer, bei diesem Ruf nicht mit an Deck zu rennen!» Bolitho wartete, bis er gegangen war, und sagte dann:»Und du, Adam — tut dir immer noch alles weh?» Pascoe grinste.»Ich hätte nicht gedacht, daß auf einem einzigen Menschen so viele Beulen und Schrammen Platz haben.» Oben tappten Füße; Bolitho sah im Geiste, wie der Midshipman der Wache mit dem größten Teleskop, das aufzutreiben war, in die Wanten gescheucht wurde. Anscheinend war es die «Ich würde gern etwas fragen, Sir«, sagte Pascoe leise. Bolitho sah ihn forschend an. Der Junge wirkte entschlossen, aber auch nervös.»Du hast dir das Recht erworben, zu fragen, was du willst.» Pascoe erwiderte sein Lächeln nicht.»Diese Dame, Onkel, Catherine Pareja. Mit der du in London — «, er zögerte — ,»zusammen warst.» «Ja? Was ist mit ihr?» «Ich meine nur. War sie bei dir zu Hause? In Falmouth?» Langsam schüttelte Bolitho den Kopf. Er sah Kathys Gesicht wieder vor sich, fühlte ihre Wärme, ihr Begehren.»Nein, Adam. Nicht in Falmouth.» Pascoe leckte sich die trockenen Lippen.»Es ist nicht meine Absicht, in deinen Privatangelegenheiten herumzuschnüffeln, aber.» «Schon gut. «Bolitho kam über den karierten Bodenbelag zu ihm und faßte ihn bei der Schulter.»Es ist dir ernst damit, das sehe ich. Aber auch meine Gefühle bedeuten mir eine ganze Menge.» Mit einer Kopfbewegung schleuderte sich Pascoe das Haar aus den Augen und lächelte.»Selbstverständlich. Ich verstehe schon. «Wieder zögerte er.»Ich mochte sie. Deswegen.» Bolitho sah ihn ernst an.»Deswegen hast du dich geschlagen. Für mich.» «Ja.» Bolitho ging zum Schreibtisch und nahm den abgebrochenen Degen heraus.»Hier. Mir war er ein Trost, als alle dachten, du seist tot. «Adam hielt ihn in der Hand, als sei er rotglühend.»Aber spare dir deine Kraft auf für den Feind, nicht für irgend jemanden, der versucht, dich mit Worten zu verwunden.» Er wandte sich um, denn er hörte eilende Schritte auf dem Niedergang, und gleich darauf kam Luce, anscheinend Midshipman der Wache, und meldete:»Captain Herrick läßt respektvoll melden, Sir: die «Danke, Mr. Luce. «Bolitho verglich die beiden. Pascoe war höchstens ein Jahr älter als Luce. Er war froh, daß die beiden jungen Männer in der überfüllten, oftmals herzlosen Welt eines Linienschiffes Freunde geworden waren.»Meinen Dank an Kapitän Herrick.» Es drängte ihn, an Deck zu gehen, nötigenfalls sogar aufzuentern — trotz seines Abscheus vor der Höhe — , um selbst zu sehen, was mit Inch und seiner überfälligen Schaluppe los war. Er seufzte. Da war nichts zu machen. Solange sein Kommodorestander über diesem oder einem anderen Schiff wehte, war er zur Unbeweglichkeit verdammt und mußte seine Kräfte für Aufgaben sparen, die über die Schiffsführung hinausgingen. Die jungen Leute sahen ihn an, und Pascoe fragte:»Darf ich mit Mr. Luce an Deck?» «Natürlich. «Er blickte den beiden nach. Nichts hatte sich geändert. Er hatte soeben den Bericht über die Landeaktion beendet, als Herrick wieder in die Kajüte kam, lächelnd und offensichtlich erleichtert. «Die Rasch trat Bolitho zur Karte; unwillkürlich dachte er wieder an den Wechsel des Windes, das Gefühl von Sand und Staub auf der Wange, als er dem Marine-Infanteristen aus Cornwall zugehört hatte, der bedrückt von der unpassierbaren Schlucht berichtete. «Geben Sie noch nichts zu, Thomas. Nicht einmal Farquhar hätte so schnell segeln können, daß er jetzt aus Nordwest kommt!«Er griff nach seinem Hut.»Inch muß die Brigg zwar aus den Augen verloren haben, aber, bei Gott, jetzt hat er uns größere Fische zugeführt!» Zweifel und Spannung im Gesicht, eilte Herrick hinter Bolitho her. Es war sehr hell auf dem Achterdeck; die Sonne stand fast senkrecht über dem Großmast. Bolitho nickte Veitch zu, der die Wache hatte, ging dann an die Luvseite und starrte über das Vorderkastell hinaus zur glitzernden, dunstigen Kimm. «Signal an In buntem Durcheinander schleiften die Signalflaggen über das Deck, bis sie endlich zu Luces Zufriedenheit richtig angesteckt waren und sich an der Rah entfalteten. Säuerlich bemerkte Herrick:»Gehört sich auch so. Francis Inch war noch immer zu schnell mit den jungen Pferden. «Trotz seiner Nervosität grinste er.»Dieser Tollkopf!» Langsam vergingen die Minuten, und die Matrosen, die kurz vorher nur an ihr Mittagessen gedacht hatten, so armselig es auch sein mochte, standen gruppenweise an den Wanten und auf den Laufbrücken und starrten der winzigen, weit entfernten Schaluppe entgegen. Luce war in die Luvwanten aufgeentert und balancierte mit seinem Glas die Schiffsbewegungen aus. Unten stand Pascoe und sah zu ihm hoch, die Augen im grellen Sonnenlicht zusammengekniffen, Hände in den Hüften. Vielleicht erinnert er sich an seine Zeit als Signal-Midshipman, dachte Bo-litho. Grubb bemerkte sarkastisch:»Wenn wir Luces Ruf ließ das Gemurmel an Deck schlagartig verstummen.»Von Langsam ging Bolitho zum Kajütniedergang und stützte sich auf das Geländer. Im Geiste sah er sie bereits entlang der Küste auf sich zukommen. So hatte er sie schon längst gesehen, bevor die Schaluppe sie gemeldet hatte; vielleicht schon, als Luce in die Kajüte gekommen war. «Signalisieren Sie Inch, er soll zur «Und wir, Sir?«fragte Herrick. Wieder rief Luce eine Meldung:»Von Herrick kam näher, damit ihn die umstehenden Offiziere nicht hören konnten.»Nehmen wir es mit beiden auf?» Bolitho deutete zur Kimm.»Sehen Sie sonstwo noch ein Schiff, Thomas?» Gilchrist kam mit seinem merkwürdighüpfenden Gang eilig nach achtern und sah Herrick direkt ins Gesicht.»Ihre Befehle, Sir?» Gelassen sagte Bolitho:»Klar Schiff zum Gefecht! Zehn Minuten haben Sie Zeit!» Gilchrist stelzte hinweg und winkte mit seinen langen Armen heftig dem Trommeljungen der Marine-Infanterie. Bolitho wandte sich wieder Herrick zu.»Und lassen Sie die Bramsegel setzen, Thomas. Der Feind soll sehen, daß wir scharf auf den Kampf sind. «Er hielt ihn beim Arm zurück.»Unbeschadet unserer insgeheimen Gefühle, ja?» Er ging zur Kampanjeleiter und stieg hinauf. In seinem Rücken erklang das Stakkato der Trommeln und unmittelbar darauf das Getrappel eilender Füße: die Mannschaft der Bolitho lehnte sich an die Reling und beschattete die Augen, um den sich verändernden Umriß der Schaluppe besser sehen zu können: sie wendete gerade und kämpfte sich hoch am Wind zum Flaggschiff zurück. Jetzt mußte sich der Feind bald zeigen. Bolitho überlegte. Dies wurde sein erstes Seegefecht seit einem Jahr. Er beobachtete den Dunst um die Masten der Unter Deck wurden die Trennwände herausgenommen, geräuschvoll wurden Geschütze und Luken klariert. Seit seinem zwölften Jahr gehörte das zu Bolithos Leben, war er stets mittenda-rin gewesen, hatte er alles mitgemacht, was ein Seegefecht an Erregung und Gefahr brachte. Er musterte die Männer, die auf dem Hauptbatteriedeck an ihren Kanonen hantierten, die Marine-Infanteristen, die im Gleichschritt wie bei der Parade zu beiden Seiten der Kampanje aufmarschierten. Jetzt mußte er sich als der Kommodore erweisen. Er lächelte grimmig. Ein Kommodore ohne Geschwader. |
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