"Galeeren in der Ostsee: Konteradmiral Bolitho vor Kopenhagen" - читать интересную книгу автора (Кент Александер)IV Die AjaxAllday und Ozzard trugen eine kleine Seekiste mit Bolithos Kleidern und Privatsachen und setzten sie in der Kajüte der Kapitän Neale beobachtete Bolitho, der sich im Raum umschaute, und sagte:»Ich hoffe, Sie fühlen sich wohl hier, Sir.» Neale hatte sich nicht allzusehr verändert. Er war nun lediglich eine etwas größere Ausgabe des pausbäckigen Seekadetten, wie Herrick ihn beschrieben hatte. Aber er besaß seinen Rang und seinen Posten zu Recht, weil er seine frühen Erfahrungen gut anzuwenden gewußt hatte. Bolitho antwortete:»Es weckt Erinnerungen, Captain Neale. Einige schlechte, aber noch mehr gute.» Er sah, daß Neale verlegen von einem Fuß auf den anderen trat, weil er wieder an Deck wollte. «Machen Sie ruhig weiter, Captain. Bringen Sie Ihr Schiff in Marsch, und sehen Sie zu, daß wir so weit vorankommen wie möglich. Der Master der Neale zog eine Grimasse.»Das könnte in dem engen Fahrwasser gefährlich we rden, Sir. Und wenn der alte Grubb Nebel voraussagt, dann wird es auch welchen geben. «Er verließ die Kajüte, nicht ohne Allday zuzunicken, der voller Bewunderung murmelte:»Der ist nicht verdorben, Sir. Hab' ihn immer gemocht.» Bolitho verbarg ein Lächeln.»Verdorben? Captain Neale ist ein Offizier des Königs und kein Stück Salzfleisch!» Vom Achterdeck hörte Bolitho laute Kommandos.»Setzen Sie sich in Bewegung, Mr. Pickthorn! Schicken Sie Leute an die Brassen, und zwar schnell, wenn's recht ist! Und wenn wir vom Ankerplatz weg sind, möchte ich, daß die Bramsegel gesetzt werden!» Füße trampelten über das Deck, und Bolitho fühlte, wie der Boden der Kajüte sich neigte, als die Bolitho hätte gern gewußt, ob Pascoe das Schiff schon genau untersuchte, in Erinnerung an seines Onkels Versprechen, ihm bald zu einem Wechsel zu verhelfen. Es würde schmerzlich sein, ihn so schnell wieder zu verlieren. Aber alles andere wäre selbstsüchtig gewesen, mußte Bolitho sich eingestehen. Allday murmelte:»Wir sind querab von der Bolitho beobachtete sein Schiff, als es durch sein Blickfeld glitt: schwarz-gelb gemustert, glitzernd in Gischt und Nieselregen. Ihre oberen Rahen mit den lose zusammengerollten Segeln verschwammen im Dunst, also traf Grubbs Voraussage wohl jetzt schon ein. Bestimmt ein weiterer Anlaß für Herrick, sich Sorgen zu machen. Schließlich kam Browne in die Kajüte und meldete, daß die Bolitho nickte.»Dann ankern wir eben. Wenn der Nebel schlecht für uns ist, wird er auch andere daran hindern, sich zu bewegen.» Um diese Jahreszeit war Nebel so häufig wie eisige Winde. Beide brachten Gefahren, und beide wurden von den Seeleuten gleichermaßen gefürchtet. Auch als die Fregatte Skagen gerundet und mit einer Halse auf südlichen Kurs gedreht hatte, um nun an der Ostküste Jütlands hinunter-zusegeln, konnte Neale melden, daß der erwartete Nebel nicht mehr war, als etwas dickerer Dunst. Die dickste Suppe hing unter Land und hatte sich offenbar in der Bucht gefangen, die sie gerade hinter sich gelassen hatten. Herrick würde damit leicht fertigwerden, doch wenn man ihm ein ernstgemeintes Kompliment dafür machte, hätte es ihm die Sprache verschlagen. Sie sichteten nur wenige Fahrzeuge, und auch das waren nur kleine Küstensegler und Fischer, die sich dicht unter Land hielten und gewiß auf der Hut waren, als die schlanke Fregatte durch das Kattegatt gegen den engen Sund zwischen Dänemark und Schweden vorstieß: den Eingang zur Ostsee, eine Zuflucht oder eine Falle, je nachdem, mit welchen Absichten man kam. Sobald es dunkel war, bat Neale um Erlaubnis zum Ankern. Als die Um ganz sicherzugehen, hatte Neale gesagt. Pascoe tauchte aus der Dunkelheit auf und wartete auf einen günstigen Augenblick, um etwas melden zu können. Bolitho nickte ihm zu.»Komm, laß uns ein Weilchen auf- und abgehen. Wenn man längere Zeit stehenbleibt, fühlt sich das Blut wie Gletscherwasser an.» Sie gingen vorbei an den Männern der Wache und einigen Offizieren, die sich in der kalten Luft ebenfalls etwas Bewegung machten. «Unsere Leute sind untergebracht, Sir. «Pascoe warf Bolitho einen schnellen Blick zu.»Ich habe Midshipman Penels als Boten mitgenommen. Ich meinte, er sei dazu noch etwas jung, aber Mr. Wolfe sagte, irgendwann müsse er mal anfangen. «Er lachte in sich hinein.»Er hat recht, denke ich.» «Morgen werden wir in Kopenhagen einlaufen, Adam. Dort soll ich einen hohen britischen Beamten treffen.» Er blickte hinüber zu den schwachen Lichtern an Land. Die Nachricht mußte schon weitergeleitet sein: ein britisches Kriegsschiff, eines von dem neuen Geschwader. Was bedeutete das? Warum kam es? «Es gibt da einige Fragen, auf die ich zu meiner Beruhigung Antwort brauche.» Pascoe drängte sich nicht in Bolithos Gedanken, auch wenn er sie laut aussprach. Er dache an Midshipman Penels und seinen Freund Babbage. Durch einen Zufall oder durch die Gleichgültigkeit eines Unteroffiziers war auch Babbage mit auf der Plötzlich fragte Bolitho:»Wie kommst du mit meinem Flaggleutnant aus, dem ehrenwerten Oliver Browne?» Pascoe lächelte, seine Zähne blitzten dabei in der Dunkelheit.»Mit einem gt;elt; am Schluß, Sir. Sehr gut. Er ist ein seltsamer Kerl, ganz anders als die meisten Seeoffiziere. Das heißt: als die meisten, die ich bisher kennengelernt habe. Er ist immer so ruhig und beherrscht. Ich glaube, wenn die Franzosen in diesem Augenblick an Bord gestürzt kämen, würde er erst seine Mahlzeit beenden, bevor er zum Kampf zu uns stieße.» Kapitän Neale kam an Deck, und Pascoe verabschiedete sich. Bolitho sagte:»Es scheint alles ruhig zu sein, Captain.» «Das glaube ich auch. «Neale spähte durch die herunterhängenden Netze.»Aber ich bin vorsichtig. Kapitän Herrick würde mich aufspießen, wenn ich seinen Admiral auflaufen ließe.» Bolitho sagte ihm gute Nacht und ging in seine Kajüte. Er hatte nicht gewußt, wie bekannt Herricks Ergebenheit ihm gegenüber war. «Lassen Sie das Großsegel bergen, Mr. Pickthorn. «Kapitän Neale stand sehr ruhig mit verschränkten Armen da, als die Fregatte nur noch unter Marssegeln, Fock und Klüver vorwärtsglitt. Die kalte Luft, die eisigen Tropfen, die wie Regen von den Schlechtwettersegeln herunterfielen, waren vergessen, als die Respekt einflößen. Bolitho nahm ein Fernrohr und richtete es auf die dänische Festung. Man brauchte eine ganze Armee und außerdem eine monatelange Belagerung, um sie einzunehmen, dachte er ingrimmig. Es war fast Mittag, und je näher die Fregatte der Einfahrt und den beiderseits drohenden Batterien gekommen war, desto mehr wurden sie sich der Aufregung bewußt, die das Erscheinen der Bolithos Blick schweifte über die Oberdecks. Neale hatte alles gut vorbereitet, sein Schiff sah so tadellos aus wie möglich. Die Seesoldaten in ihren auffallenden roten Röcken standen in Korporalschaften auf der Schanz angetreten. Keiner von ihnen war in den Marsen, und auch keins der leichten Geschütze war dort oben aufgestellt. Seeleute versahen ruhig ihren Dienst, während andere bereitstanden, um mehr Segel für eine eventuelle Flucht zu setzen oder um die restlichen einzuholen und zu ankern. Neale sah Bolitho fragend an.»Soll ich mit dem Salut anfangen?» «Bitte sehr.» Neale befahl energisch:»Mündungspfropfen entfernen! Stückpforten öffnen!» Dabei dachte er wahrscheinlich daran, daß seine Geschütze ungeladen dastehen würden, sobald der volle Landessalut erst abgeschossen war. Aber wenn er die Breitseite mit mehr Leuten bemannt hätte, als für das Ritual unbedingt erforderlich, hätte das vielleicht wie ein kriegerischer Akt ausgesehen. «Kanonen ausrennen!«Polternd und ächzend steckten die Geschütze der «Klar zum Flaggedippen!» Bolitho biß sich auf die Lippen. Noch immer kein Zeichen von Land. Er musterte die ausgedehnten Artillerieanlagen. Der Wind hatte erheblich nachgelassen. Wenn die Dänen jetzt das Feuer eröffneten, würde es für die «Fangen Sie an mit dem Salut, Mr. Pickthorn!«»Erstes Geschütz: feuern!» Der Abschußknall rollte über das kabbelige Wasser, und unmittelbar darauf antwortete eine Batterie unterhalb der Festung. Schuß auf Schuß. Gleichzeitig wurde die dänische Flagge, die wie eine Metallplatte an einer hohen Stange in den Himmel ragte, langsam zum Salut gedippt. Allday wischte sich den Mund mit dem Handrücken.»Puh, das hat Nerven gekostet!» Bolitho sah, wie der Stückmeister der Man erkannte jetzt auch Leute an Land. Einige liefen mit und winkten. Was sie riefen, konnte man aber auf die Entfernung nicht verstehen. Die letzten Geschütze gaben ihren Schuß ab, und der Pulverqualm trieb über die Galionsfigur der Fregatte nach vorne. Kapitän Neale machte eine Ehrenbezeigung zu Bolitho hin und sagte:»Ich glaube, wir sind gnädig aufgenommen, Sir.» «Ein Wachboot kommt längsseit, Sir!» «Nehmen Sie die Fock weg, Mr. Pickthorn und machen Sie alles klar zum Empfang unserer Besucher!» Männer legten auf der Fockrah aus, schlugen fluchend auf das steife Segeltuch ein, während sie sich bemühten, es angesichts der Zuschauermenge an Land besonders fix aufzuholen und festzumachen. Das Wachboot war ein interessantes Fahrzeug. Länger als ein normales Schiffsboot, wurde es mit den längsten Riemen gerudert, die Bolitho je — außer bei einer Schebecke — gesehen hatte. An jedem Riemen saßen zwei Mann, und direkt hinter dem gefährlich aussehenden Vorsteven stand ein einzelnes schweres Geschütz. Dieses Miniatur-Kanonenboot konnte mit seinen Riemen jedes Fahrzeug, das größer als eine Fregatte war, ausmanövrieren und ihm von achtern schwere Kanonenkugeln ins ungeschützte Heck jagen, ohne dabei selber in Gefahr zu geraten. Selbst eine Fregatte war gefährdet, wenn plötzlich der Wind aussetzte. Bolitho sah sich die Gestalten im reich verzierten Cockpit des Bootes an: zwei dänische Seeoffiziere und zwei Zivilisten, einer davon — wenn nicht beide — offenbar Engländer. Sie waren eher für einen Spaziergang im Hydepark angezogen als für eine Fahrt über offenes Wasser im Oktober. «Fallreepsgäste Achtung! Seesoldaten antreten» Mr. Charles Inskip, der hohe Regierungsbeamte, den in jeder Weise zu unterstützen Bolitho angewiesen worden war, saß steif in einem von Kapitän Neales Stühlen und prüfte die erbeuteten französischen Papiere. Er hielt sie auf Armeslänge von sich ab, und Bolitho schloß daraus, daß seine Augen nicht mehr so gut waren, wie sie sein sollten. Sein Begleiter, Mr. Alfred Green, offenbar weniger wichtig, stand neben dem Stuhl und las mit, bei jeder gewendeten Seite den Mund spitzend. Bolitho hörte die dänischen Seeoffiziere hinter dem Schott lachend erzählen und nahm an, daß sie — wie es Tradition war — von Neale und einigen seiner Offiziere gastlich bewi rtet wurden. Regierungen konnten aus fast jeder Situation Kriege machen, aber Seeleute, die einander in vertrauter Umgebung trafen, zerstritten sich selten. Browne blinzelte Bolitho zu, als Inskip den Brief mit dem aufgebrochenen Siegel noch einmal las. Bolitho fiel auf, daß Inskip nicht mit der Wimper zuckte, wenn über ihnen Seeleute trampelten, ein schwerer Block oder eine Talje auf die Decksplanken fiel. Er war offenbar ein vielgereister Mann und an Schiffe aller Art gewöhnt. Inskip mußte etwa fünfzig sein, schätzte er. Er war elegant, aber nicht auffallend, in einen grünen Rock mit gleichfarbiger Kniehose gekleidet. Sein Kopf war fast kahl, sein restliches Haar und der unmoderne Zopf hingen wie ein ausgefranstes Tauende über den Kragen. Er blickte plötzlich auf.»Das sind schlimme Neuigkeiten, Admi-ral. «Seine Stimme war scharf, ähnlich der von Beauchamp.»Ich danke Gott, daß Sie es fertiggebracht haben, sie abzufangen.» «Pures Glück, Sir.» Ein flüchtiges Lächeln ließ die Züge des Mannes jünger erscheinen.»Wo wären wir ohne dem?» Der Begleiter sagte:»Sie hätten einen heißeren Empfang gehabt, Admiral, wenn die Brigg Inskip runzelte die Stirn über die Unterbrechung.»Ich habe einige Fortschritte bei der dänischen Regierung erzielt. Sie möchte nicht in die vom russischen Zaren vorgeschlagene Allianz eintreten, aber der Druck nimmt zu. Sie mögen gerade zur rechten Zeit gekommen sein. Ich danke Gott, daß Sie so klug waren, mit einem kleinen Kriegsschiff zu kommen und nicht mit einem Dreidecker oder dergleichen. Das ist hier ein Pulverfaß, obgleich die Dänen, wie Dänen nun einmal sind, es zu ignorieren versuchen. Ich würde sehr gern einmal in besseren Zeiten hierherkommen.» Bolitho fragte:»Wünschen Sie, daß ich an Land komme?» «Ja. Ich werde Ihnen Nachricht geben. Das Wachboot wird Sie zum vorgesehenen Ankerplatz lotsen. «Er warf einen schnellen Blick zur Tür.»Es liegt schon eine französische Fregatte im Hafen. Weisen Sie Ihre Leute an, jeden Kontakt mit ihr zu vermeiden.» Bolitho sah Browne an. Eine weitere Komplikation, und sie hatten noch kaum begonnen. Inskip tippte auf den Brief.»Jetzt, da ich dies hier gelesen habe, glaube ich den Grund ihrer Anwesenheit zu verstehen. Ich wurde von Seiner Majestät Regierung hergeschickt, um zu verhindern, daß die Dänen in die Sache verwickelt werden. Und die Franzosen sind sicher hier, um das Gegenteil zu bewirken. Aber unser kleines Geschwader kann — wenn das Schlimmste eintritt — die Flut nicht aufhalten, bis wir eine ganze Flotte versammelt haben. Und selbst dann: Die Russen und Schweden sollen zusammen sechzig Linienschiffe besitzen, und die Dänen haben weitere dreißig in Bereitschaft.» Bolitho erwärmte sich allmählich für diesen seltsamen Mann. Er wußte offenbar alles, selbst die Größe seines Geschwaders. Die Tatsache, daß er Inskip einige Informationen geliefert hatte, ließ ihn eher bescheiden als überlegen auftreten. Inskip stand auf, wobei er Ozzard, der mit einem vollen Tablett kam, abwinkte.»Nicht jetzt, danke. Wir brauchen klare Köpfe. «Er lächelte.»Zum Beispiel schlage ich vor, daß Sie Ihrem Kapitän befehlen, den Ankerplatz aufzusuchen. Sie haben schon genug Neugier und Rätselraten ausgelöst. Wenn man Sie nun tatsächlich an Land gehen sieht, würde das dem Klatsch bestimmt neue Nahrung liefern, nicht wahr?«Er ergriff seinen Hut und fügte hinzu:»Tut mir leid, daß Sie ein Zusammentreffen mit einem anderen Reisenden aus England verpaßt haben.» Bolitho erlaubte Allday, ihm für diesen offiziellen Anlaß seinen glitzernden Ehrensäbel anzuschnallen, bemerkte aber den Widerwillen in seinem Blick. «Oh, wer war das?» «Rupert Seton. Soviel ich weiß, ist er der Bruder Ihrer verstorbenen Frau.» Bolitho starrte Allday an, innerlich plötzlich wie erstarrt. Seton — er sah ihn wieder als jungen Midshipman vor sich, bei dem unglücklichen Versuch, Toulon für die französischen Royalisten zurückzuerobern. Ein schmächtiger Junge, der stotterte. Und er hatte eine Schwester gehabt, so schön, daß Bolitho ihr Bild ständig vor Augen stand. «Seton hat mir natürlich von der Tragödie erzählt. «Inskip bemerkte den Sturm nicht, den er in Bolithos Seele ausgelöst hatte.»Ein vortrefflicher und intelligenter junger Mann. Er hat einen guten Posten bei der Ostindischen Handelsgesellschaft — wo auch ich wäre, wenn ich ein bißchen Verstand besäße. Bei der Regierung Pitts bekommt man mehr Fußtritte als Geld.» Bolitho fragte ruhig:»Sie haben ihn hier gesehen?» «Ja. Er war auf der Durchreise nach England. Ich riet ihm zur Eile, sonst wäre er noch hier. Aber der Krieg kann sich jeden Tag ausweiten, und ich wollte nicht, daß ein Vertreter der Handelsgesellschaft hier interniert würde.» Bolitho sagte:»Geleiten Sie bitte die Herren zu Kapitän Neale, Mr. Browne. Meine Empfehlung an den Kommandanten, und sagen Sie ihm, unsere Besprechung sei zu Ende; wir könnten weitersegeln. «Er sah die beiden Herren unbewegt an.»Ich bin sicher, Sie wollen gern noch vor mir an Land.» Inskip schüttelte ihm herzlich die Hand.»Wir werden uns wiedersehen. «Er senkte seine Stimme.»Tut mir leid, daß ich schmerzliche Erinnerungen wachrief. Ich hatte es gut gemeint.» Als die Tür sich hinter Browne und den anderen geschlossen hatte, rief Allday verzweifelt aus:»Verdammt noch mal, Sir! Und das nach so langer Zeit. Das ist nicht richtig!«Er zügelte seinen Ausbruch und fügte hinzu:»Soll ich Mr. Pascoe holen, Sir?» Bolitho setzte sich hin und nahm seinen Säbel ab.»Nein, aber ich würde es gern sehen, wenn Sie hierblieben. «Er schaute hoch, seine Augen flehten: Wird es denn niemals nachlassen? Ich habe töricht gehandelt, habe sogar Freunde beschämt, immer in der Hoffnung, Frieden zu finden. Allday ging zum Tisch hinüber und riß Ozzard fast den Becher aus der Hand.»Hier, Sir, trinken Sie das. Und Tod und Verdammnis dem Krieg und allen, die ihn schüren!» Bolitho kippte den Brandy hinunter und wäre fast erstickt, so brannte er ihm in der Kehle. Er sah sie wieder, von der Kirchentür umrahmt, eine Hand auf dem Arm ihres Bruders, gerade so wie Herricks Braut, als sie zum Altar geführt wurde. Fast zu sich selber sagte er:»Vielleicht war es sogar gut, daß wir einander nicht getroffen haben. Vielleicht gibt Rupert mir die Schuld an Cheneys Tod. Sie war allein, als sie mich brauchte. Seeleute sollten nie heiraten, Allday. Es ist grausam denen gegenüber, die sie zurücklassen.» Allday machte eine heftige Kopfbewegung zu Ozzard hin, der die Kajüte wie hypnotisiert verließ.»Für einige mag das richtig sein, Sir. Aber nicht für die Besonderen.» Bolitho stand auf und befestigte den Säbel wieder an seiner Hüfte.»Und sie war etwas Besonderes!«Er nickte Allday kurz zu.»Vielen Dank. Jetzt bin ich soweit.» Allday sah ihn sich straffen und dann automatisch bücken, um nicht an den Decksbalken zu stoßen, als er schnellen Schrittes zum Achterdeck hinausging. Es war schlimm heute, dachte Allday, schlimmer als seit langer Zeit. Der Schmerz war noch da, in Deckung wie ein wildes Tier, aber bereit, hervorzubrechen und ihn zu vernichten. Er folgte Bolitho an die kalte Luft, beobachtete, wie er den beiden Dänen die Hände schüttelte, bevor er sie zum Fallreep begleitete und zusah, wie sie in ihr Boot kletterten. Dann ein Lächeln zu Neale und noch ein Handschlag mit dem dänischen Lotsen, der dem Master auf ihrem letzten Stück des Wegs beistehen sollte. Pascoe ging mit einigen Seeleuten vorbei, um das Beiboot der Fregatte zum Aussetzen klarzumachen, falls es verlangt wurde. Wieder sah Allday ihren kurzen Austausch von Blicken, wie zwischen Brüdern. Worte waren dabei überflüssig. Aber diesmal wäre Allday gern ohne das Privileg ausgekommen, diese Beziehung zu kennen und zu teilen. Er kannte Bolitho zu gut, als daß er sich durch seine äußerliche Ruhe täuschen ließ. Es war kein leichtes Geheimnis, daß er für sich behalten mußte. In einer schönen Stadt wie Kopenhagen an Land zu gehen, war ein besonderes Erlebnis für Bolitho. Er wäre gern auf den Plätzen herumgestreift, die von eindrucksvollen Bauten und hohen, mit grüner Patina bedeckten Türmen gesäumt waren und aussahen, als ob sie schon seit Ewigkeiten stünden. Dazwischen gab es einladende kleine Gassen, die Bolitho nur kurz aus dem Fenster des Wagens sah, den Inskip ihm zum Hafen geschickt hatte. Genau wie die dänischen Behörden wollte Inskip zu jeder Tageszeit wissen, wo sich ein britischer Admiral, der die Stadt besuchte, aufhielt. Bolitho fragte sich, was der Kutscher wohl getan hätte, wenn er ihm befahl, einen anderen Weg einzuschlagen. Als er sich an Bord für seinen Besuch in Inskips Büro vorbereitet hatte, waren Neale und seine Offiziere gerade dabeigewesen, den Hafen und nicht zuletzt die französische Fregatte, die so weit entfernt wie überhaupt möglich ankerte, eingehend zu studieren. Der Ankerplatz war voll dänischer Kriegsschiffe, aber trotz ihrer eindrucksvollen Größe und Zahl konzentrierte sich die Aufmerksamkeit der Zuschauer auf diese beiden Fregatten. Sie versinnbildlichten — lediglich getrennt durch einen Streifen Wasser und ein aufmerksames Wachboot — den Krieg und alles, was damit zusammenhing; den Krieg, der — wenn es nach den Russen ging — auch die Dänen mit verschlingen würde. Die französische Fregatte hieß Die Wagenräder rumpelten geräuschvoll über das Kopfsteinpflaster. Bolitho bemerkte, daß viele Leute trotz der Kälte stehenblieben und ihm nachschauten. Gut aussehendes Volk, dachte er. Vielleicht weil sein Land so lange von Krieg und Not verschont geblieben war. Browne, der das an ihnen vorbeiziehende Panorama entzückt beobachtet hatte, sagte auf einmal:»Wir sind da, Sir!» Der Wagen rasselte durch einen niedrigen Torweg in einen schmuk-ken Privathof. Die Gebäude ringsum sahen irgendwie amtlich aus. Zwei Lakaien eilten einige Stufen herab, um Bolitho zu empfangen. Es war kälter geworden, Neales Master hatte Schnee vorausgesagt. Erst Nebel, danach Schnee — es war, als höre er den alten Grubb. Inskip erwartete ihn vor einem prasselnden Kaminfeuer. Er trug eine Perücke, aber sie machte ihn älter statt jünger, was erstaunlich war. Er sagte:»Gut, daß Sie so schnell gekommen sind. Ich habe weitere Informationen über den Franzosen eingeholt. Es heißt offiziell, er liege hier, um Sturmschäden auszubessern. Dänemark will Frankreich nicht provozieren, indem es der Bolitho sagte:»Wenn die Inskip schüttelte entschlossen den Kopf. Browne hüstelte taktvoll.» Das ist ein ungeschriebenes Gesetz, Sir.» «Ich verstehe. «Bolitho schaute ins Feuer.»Dann kann ich nichts anderes tun als warten und müßig herumsitzen, während der Franzmann bestimmt? Jeden Tag, jeden Augenblick kann ein anderer Kurier ankommen. Können Sie nicht einen schnellen Boten zu meinem Geschwader senden? Wenn draußen eine andere britische Fregatte läge, könnten die Pläne des französischen Kommandanten ein schnelles Ende finden.» Inskip lächelte.»Sie sind wirklich ein Mann der Tat. Aber ich fürchte, die Dänen würden das als Mißbrauch der Gastfreundschaft ansehen und Ihr Schiff als Gegenmaßnahme beschlagnahmen.» Bolitho erinnerte sich an Brownes Bemerkung auf der «Das sollten die erst mal versuchen!» «Machen Sie keinen Fehler. Die Dänen könnten und würden es tun. Ich habe aus meinen eigenen Informationsquellen gehört, daß es Pläne gibt, notfalls den Hafen zu sperren und alle Bojen und Seezeichen, die den Weg hineinweisen, zu entfernen. Die Dänen haben hier eine ansehnliche Flotte zusammengezogen und werden sie einzusetzen wissen. «Er hämmerte mit der Faust in die andere Handfläche.»Wenn die Franzosen bloß nicht Malta aufgegeben hätten, oder — genauer gesagt — wenn doch unsere Flotte diesmal etwas weniger erfolgreich gewesen wäre!» Browne sagte ruhig:»Dann hätten sie anderen Zündstoff für ihr Feuer gefunden, Sir. Mit Beschwichtigungen kann man sich Zeit erkaufen, aber nicht mehr.» Inskip hob die Augenbrauen.»Ihr Adjutant ist sehr scharfsinnig, Bolitho. Ein Jammer, daß er des Königs Rock trägt. Ich könnte ihm einen Posten in Whitehall verschaffen.» Bolitho seufzte.»Was raten Sie mir also, Sir?» Inskip antwortete überzeugt:»Abwarten. Ich treffe übermorgen den dänischen Minister und werde versuchen, seine Stimmung zu ergründen. Mag sein, daß ich Sie dabei benötige, daher schlage ich vor, daß Sie heute in diesem Hause übernachten. Es erspart uns Zeit und erregt weniger Verdacht. Wenn der französische Kommandant sich entschließt, abzusegeln, wird er wahrscheinlich mit Ihrem Geschwader zusammenstoßen, sobald er Skagen gerundet hat. Wenn er aber in die Ostsee einläuft, wird er sich mit den Schweden oder vielleicht sogar mit der russischen Flotte treffen wollen, falls das Eis ihm nicht zu gefährlich ist.» Ein Lakai mit Perücke trat leise durch eine reich verzierte Flügeltür ein. «Verzeihung, Sir, aber da unten sind zwei, hm, Personen, die verlangen, vor den Admiral geführt zu werden. «Inskip fragte sanft:»Wer sind sie?» Im gleichen zurückhaltenden Ton erwiderte der Lakai:»Seeleute, glaube ich, Sir. Der eine sagte, er sei ein Bootssteurer, der andere ist so etwas wie ein Diener.» Bolitho grinste: Allday und Ozzard. «Gut, daß Sie nicht versucht haben, meinen Bootssteurer wegzuschicken. Das hätte schlimmer ausgehen können als ein Zusammentreffen mit den Franzosen.» Inskip befahl dem Lakai, Allday und seinen Gefährten in einen geheizten Raum zu führen. Dann sagte er:»Die Angelegenheit brachte wenigstens ein Lächeln auf Ihr Gesicht, Bolitho. Das steht Ihnen besser.» Bolitho wandte sich an Browne.»Sie kehren zum Schiff zurück und berichten Kapitän Neale. Sagen Sie ihm, er soll auf jedes Boot achten, das längsseits der Doch war es unwahrscheinlich, daß Neale diesen Hinweis brauchte. Als Bolitho mit Inskip allein war, fragte er:»Nehmen wir an, der Zar erfährt vom Schicksal Maltas, bevor Sie eine feste Neutralitätserklärung der Dänen in der Tasche haben, was dann?» Inskip betrachtete ihn ernst.»Der Zar mag seine Idee einer bewaffneten gt;Neutralität des Nordenslt; wieder aufleben lassen. Er hat schon früher gedroht, alle britischen Schiffe in seinen Häfen zu beschlagnahmen. Das wäre ein kriegerischer Akt und würde Dänemark in die vorderste Kampflinie rücken.» Bolitho nickte.»Danke, daß Sie mir das ohne Beschönigung erklärt haben. Dies sind Tatsachen, an die ich mich halten kann. Napoleon wird sicher dafür gesorgt haben, daß dem Inskip sah ihn nachdenklich an.»Möglicherweise haben Sie recht. Aber das ist dann Ihre Angelegenheit, nicht meine, dem Himmel sei Dank.» Drei Stunden später kam Browne vom Schiff zurück. Die In dieser Nacht, in der Bolitho versuchte, sich an die Größe seines Bettes und die ungewohnte Stille zu gewöhnen, dachte er noch einmal über das nach, was Inskip gesagt hatte. Was die Russen betraf, so hing sehr viel vom Wetter ab. Er lauschte auf den Wind, der um den Dachfirst pfiff, und spielte mit dem Gedanken, das Haus zu verlassen, ohne jemandem etwas zu sagen. Er konnte eine der geräuschvollen Kneipen aufsuchen, die er auf der Herfahrt gesehen hatte, und in der Menge für eine kostbare Stunde oder mehr untertauchen. Er mußte eingeschlafen sein, denn als nächstes kam ihm zu Bewußtsein, daß Inskip, mit einer langen Zipfelmütze wie ein Kobold aussehend, ihn am Arm schüttelte, während aus einem offenbar mit Menschen gefüllten Korridor Licht hereinfiel. «Was ist los?» Er sah Allday, grimmig und wachsam, als erwarte er einen Überraschungsangriff, und Ozzard, der seine Seekiste über den Fußboden zog wie ein Strandräuber seine Beute. Inskip stieß hervor:»Ich habe es gerade erfahren: Der Franzose ist Anker auf gegangen, obgleich nur Gott weiß, wie weit er kommen wird. Es schneit verteufelt stark.» Bolitho war im Nu auf den Füßen und griff schon nach seinem Hemd, als Inskip nüchtern hinzusetzte:»Ein Schoner brachte noch schlimmere Neuigkeiten: Mehrere britische Schiffe sind von den Russen beschlagnahmt worden. Jetzt werden die Dänen, ob sie wollen oder nicht, in den Krieg hineingezwungen.» Browne drängte sich durch die Gruppe der Diener und Lakaien. Er war überraschenderweise komplett angezogen. Bolitho rief ihm zu:»Holen Sie einen Wagen!» Browne antwortete ruhig:»Ich habe die Neuigkeiten gehört, Sir, und schon einen besorgt. Er wartet unten.» Inskip stand zwischen Bolitho und dem aufgeregten Ozzard.»Sie kennen die Spielregeln. Sie dürfen erst segeln, wenn ein Tag vergangen ist!» Bolitho sah ihn ernst an.»Wo werden die britischen Handelsschiffe festgehalten, Sir?» Inskip war einen Augenblick nicht auf der Hut.»Bei der Insel Got-land, soviel ich weiß.» Bolitho saß auf der Bettkante und zwängte seine Füße in die Stiefel. «Ich werde dahin segeln, nicht zurück zu meinem Geschwader. Und was Spielregeln angeht: Ich habe oft erfahren, daß sie Befehlen gleichen. «Er packte Inskips Arm.»Sie müssen den augenblicklichen Gegebenheiten angepaßt werden.» Als sie zusammengequetscht im Wagen saßen und die Räder lautlos über den immer dicker werdenden Schneeteppich rollten, sagte Browne:»Ich gehe jede Wette ein, daß auch der Franzose über die britischen Schiffe Bescheid weiß, Sir. Er wird sie sich holen wollen, ohne daß jemand den Finger rührt, ihn daran zu hindern.» Bolitho lehnte sich im Sitz zurück und sammelte seine Gedanken.»Außer uns, Mr. Browne. Außer der |
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