"Harry Potter und der Gefangene von Askaban" - читать интересную книгу автора (Rowling Joanne K.)

Die Flucht der fetten Dame

Im Handumdrehen war Verteidigung gegen die dunklen Künste das Lieblingsfach aller Schüler geworden. Nur Draco Malfoy und seine Clique von den Slytherins ließen sich gehässig über Professor Lupin aus.

»Schaut euch doch mal seine Umhänge an«, sagte Malfoy unüberhörbar flüsternd, wenn Professor Lupin vorbeiging.»Der zieht sich ja an wie unser alter Hauself.«

Doch niemand sonst kümmerte es, daß Professor Lupin geflickte und ausgefranste Umhänge trug. Die weiteren Unterrichtsstunden bei ihm waren nicht weniger spannend als die erste. Nach den Irrwichten lernten sie die Rotkappen kennen, fiese kleine koboldartige Kreaturen, die überall dort herumlungerten, wo Blut vergossen worden war: Sie versteckten sich in den Kerkern von Schlössern und in den Sprenglöchern verlassener Schlachtfelder und verprügelten alle, die sich dorthin verirrten. Nach den Rotkappen kamen die Kappas, grausige Wasserbewohner, die wie schuppige Affen aussahen und Hände mit Schwimmhäuten hatten, die es nur danach juckte, diejenigen zu erwürgen, die in ihren Tümpeln umherwateten.

Harry wäre glücklich gewesen, wenn es ihm in den anderen Fächern ebenso gut gefallen hätte. Am schlimmsten war der Zaubertrankunterricht. Snape war dieser Tage ausgesprochen rachsüchtig gelaunt, und der Grund dafür war kein Geheimnis. Die Geschichte von dem Irrwicht, der Snapes Gestalt angenommen hatte und von Neville in die Sachenseiner Großmutter gesteckt worden war, hatte sich wie ein Lauffeuer im Schloß verbreitet. Der Einzige, der das nicht komisch fand, war Snape. Seine Augen blitzten drohend bei jeder Erwähnung von Professor Lupin, und Neville drangsalierte er schlimmer denn je.

Harry empfand auch wachsenden Abscheu vor den Stunden, die er im stickigen Turmzimmer von Professor Trelawney mit der Deutung von Figuren und Symbolen zubrachte, die man irgendwie schräg gegen das Licht halten sollte, und dabei auch noch versuchen mußte, sich nicht von Professor Trelawneys Tränen rühren zu lassen, die ihr jedes Mal in die riesigen Augen traten, wenn sie Harry ansah. Professor Trelawney konnte er einfach nicht leiden, während viele andere ihr Hochachtung oder gar Verehrung entgegenbrachten. Parvati Patil und Lavender Brown stürmten jetzt in der Mittagspause regelmäßig hoch in den Turm und kamen immer mit einem überlegenen Gesichtsausdruck zurück, der einem lästig werden konnte, gerade so, als ob sie Dinge wüßten, von denen die andern keine Ahnung hatten. Außerdem sprachen sie nur noch mit gedämpfter Stimme zu Harry, als würde er schon auf dem Totenbett liegen.

Pflege magischer Geschöpfe mochte keiner mehr; nach der dramatischen ersten Stunde war der Unterricht todlangweilig geworden. Hagrid schien sein Selbstvertrauen verloren zu haben. Stunde um Stunde verbrachten sie jetzt damit, Flubberwürmer zu pflegen, die zu den fadesten Geschöpfen überhaupt zählen mußten.

»Warum sollte sich überhaupt jemand um sie kümmern?«, sagte Ron nach einer weiteren Stunde, in der sie klein gehackte Salatblätter in die schleimigen Kehlen der Flubberwürmer gestopft hatten.

Anfang Oktober jedoch fand Harry etwas, das ihn beschäftigte und ihm so viel Spaß machte, daß er den staubtrockenen Unterricht vergaß. Die Quidditch-Saison sollte bald beginnen und Oliver Wood, der Kapitän des Gryffindor-Teams, rief sie eines Donnerstags zusammen, um die Taktik für die kommende Spielzeit zu erörtern.

Eine Quidditch-Mannschaft besteht aus sieben Spielern: aus drei Jägern, deren Aufgabe es ist, den Quaffel (einen roten, fußballgroßen Ball) durch die in zwanzig Meter Höhe auf Stangen an beiden Seiten des Spielfelds angebrachten Ringe zu werfen; zwei Treibern, die mit schweren Schlägern ausgestattet sind, um die Klatscher abzuwehren (zwei schwere schwarze Bälle, die durch die Luft sausen und die Spieler angreifen); einem Hüter, der die Tore verteidigt, und dem Sucher, der die schwierigste Aufgabe hat, nämlich den Goldenen Schnatz zu fangen, einen winzigen geflügelten Ball von der Größe einer Walnuß, dessen Fang das Spiel beendet und dem Team des Suchers hundertfünfzig Punkte extra einbringt.

Oliver Wood war ein stämmiger Siebzehnjähriger, inzwischen im siebten und letzten Schuljahr in Hogwarts. An jenem Donnerstagabend im kalten Umkleideraum draußen am Spielfeldrand, als er vor die anderen sechs Spieler seines Teams trat, war eine Spur von Verzweiflung aus seiner Stimme herauszuhören:

»Das ist unsere letzte Chance – meine letzte Chance – den Quidditch-Pokal zu gewinnen«, erklärte er, während er vor dem Team auf und ab schritt.»Ende des Jahres gehe ich von der Schule. Noch eine Gelegenheit kriege ich nicht.

Gryffindor hat jetzt seit sieben Jahren nicht mehr gewonnen. Gut und schön, wir hatten tatsächlich schlimmes Pech – Verletzungen, und dann ist das Turnier letztes Jahr auch noch abgeblasen worden…«Wood schluckte, als ob ihm die Erinnerung immer noch wie ein Klumpen im Hals steckte.»Aber wir wissen auch, daß wir das verdammt – noch – mal -beste – Team – der – Schule sind«, sagte er. Dabei schlug er mit der rechten Faust in die linke Handfläche und in seinen Augen erschien wieder das alte, manische Glimmen.

»Wir haben drei erstklassige Jägerinnen.«

Wood deutete auf Alicia Spinnet, Angelina Johnson und Katie Bell.

»Wir haben zwei unschlagbare Treiber.«

»Hör auf, Oliver, du machst uns ganz verlegen«, sagten Fred und George und taten so, als würden sie sich schämen.

»Und wir haben einen Sucher, der noch jedes Spiel für uns gewonnen hat!«, donnerte Wood und starrte Harry mit einer Art grimmigem Stolz an.»Und mich«, fügte er noch hinzu, als wäre es ihm gerade eingefallen.

»Du bist auch ganz toll, Oliver«, sagte George.

»Als Hüter ein As«, sagte Fred.

»Die Sache ist die«, fuhr Oliver fort und fing wieder an, auf und ab zu schreiten,»der Quidditch-Pokal hätte in den letzten beiden Jahren unseren Namen tragen müssen. Seit Harry dabei ist, denke ich immer, wir hätten das Ding eigentlich schon in der Tasche. Aber wir haben's nicht geschafft, und jetzt haben wir die letzte Chance, endlich unseren Namen auf diesem Pokal zu sehen…«

Wood schien so niedergeschlagen, daß selbst Fred und George ihn mitleidig ansahen.

»Oliver, das ist unser Jahr«, sagte Fred.

»Diesmal packen wir's, Oliver!«, sagte Angelina.

»Ganz klar«, sagte Harry.

Voll Entschlossenheit begannen sie zu trainieren, drei Abende die Woche. Allmählich wurde es kälter und regnerischer und es wurde immer früher dunkel, doch weder Schlamm, Wind noch Regen konnten Harry aus dem wunderbaren Traum reißen, endlich einmal den riesigen silbernen Quidditch-Pokal zu gewinnen.

Eines Abends nach dem Training kehrte Harry steif gefroren, doch höchst zufrieden mit dem Training ins Schloß zurück. Im Gemeinschaftsraum der Gryffindors herrschte ein aufgeregtes Summen.

»Was ist denn hier los?«, fragte er Ron und Hermine, die in zwei der besten Sessel am Kamin saßen und an ihren Sternkarten für Astronomie arbeiteten.

»Das erste Wochenende in Hogsmeade«, sagte Ron und deutete auf den Zettel, der am ramponierten alten Notizbrett aufgetaucht war.»Ende Oktober, an Halloween.«

»Klasse«sagte Fred, der Harry durch das Porträtloch gefolgt war,»ich muß zu Zonko, meine Stinkkügelchen sind fast alle.«

Harry ließ sich in den Sessel neben Ron fallen; sein Hochgefühl versandete rasch. Hermine schien seine Gedanken lesen zu können.

»Das nächste Mal kannst du dann sicher mitkommen, Harry«, sagte sie.»Sie werden Black bestimmt bald fassen, er wurde ja schon gesehen.«

»Black ist nicht so bescheuert, in Hogsmeade Ärger zu machen«, sagte Ron.»Frag doch McGonagall, ob du dieses eine Mal mitkommen kannst, wer weiß, wann wir wieder dürfen -«

»Ron!«, sagte Hermine,»Harry soll in der Schule bleiben.«

»Er kann doch nicht der einzige Drittkläßler sein, der nicht mit darf«, sagte Ron.»Frag McGonagall, mach schon, Harry.«

»Ja, vielleicht hast du Recht«, sagte Harry nachdenklich.

Hermine öffnete den Mund, um zu widersprechen, doch in diesem Moment sprang Krummbein auf ihren Schoß. Eine große tote Spinne hing ihm aus dem Maul.

»Muß er die denn ausgerechnet vor unseren Augen fressen?«, sagte Ron mißmutig.

»Kluger Krummbein, hast du die ganz alleine gefangen?«, sagte Hermine.

Gemächlich zerkaute Krummbein die Spinne, die gelben Augen frech auf Ron gerichtet.

»Paß bloß auf, daß er bei dir bleibt«, sagte Ron gereizt und wandte sich wieder seiner Sternkarte zu.»Krätze schläft in meiner Tasche.«

Harry gähnte. Am liebsten wäre er schlafen gegangen, doch auch er mußte seine Sternkarte noch zu Ende zeichnen. Er zog seine Tasche heran, holte Papier, Tinte und Feder heraus und begann zu arbeiten.

»Du kannst meine abzeichnen, wenn du willst«, sagte Ron, beschriftete schwungvoll den letzten Stern und schob die Karte Harry zu.

Hermine, die nichts von Abschreiben hielt, schürzte die Lippen, sagte jedoch nichts. Krummbein starrte immer noch unverwandt auf Ron und ließ die Spitze seines buschigen Schwanzes zucken. Dann, ohne Warnung, sprang er los.

»He!«, brüllte Ron und packte seine Tasche, doch Krummbein hatte schon vier klauenbestückte Pfoten darin versenkt und zog und zerrte wie verrückt.

»Hau ab, du blödes Vieh!«

Ron wollte seine Tasche in Sicherheit bringen, doch der Kater hielt sie fauchend, hauend und kratzend fest.

»Ron, tu ihm bloß nicht weh!«, kreischte Hermine; der ganze Gemeinschaftsraum sah zu; Ron wirbelte die Tasche im Kreis herum, doch Krummbein ließ nicht locker, und jetzt kam Krätze oben herausgeflogen.

»Fangt diesen Kater ein!«, schrie Ron, als Krummbein die Überreste der Tasche liegen ließ, über den Tisch sprang und dem panisch davonrasenden Krätze nachjagte.

George Weasley machte einen Hechtsprung, doch er verfehlte Krummbein knapp; Krätze huschte durch zwanzig Paar Beine und verschwand unter einer alten Kommode; Krummbein kam schlitternd zum Halt, legte den Kopf auf den Boden und haute zornig mit den Tatzen unter die Kommode.

Ron und Hermine rannten herbei; Hermine packte Krummbein am Bauch und hob ihn hoch; Ron warf sich auf den Boden und zog Krätze mit großer Mühe am Schwanz hervor.

»Schau ihn dir an!«, sagte er wütend zu Hermine und ließ Krätze vor ihrem Gesicht baumeln.»Er ist doch nur noch Haut und Knochen! Halt ihm bloß diesen Kater vom Leib!«

»Krummbein weiß doch nicht, daß man das nicht tut!«, sagte Hermine mit zitternder Stimme.»Alle Katzen jagen Ratten, Ron!«

»Aber an deinem Tier ist irgendwas Komisches!«, sagte Ron, während er versuchte, den vor Aufregung bebenden Krätze zurück in seine Tasche zu komplimentieren.»Er hat gehört, daß ich gesagt habe, Krätze sei in meiner Tasche!«

»Ach, das ist doch Unsinn«, sagte Hermine ungehalten.»Krummbein kann ihn riechen, Ron, oder wie sonst, glaubst du -«

»Dieser Kater hat es auf Krätze abgesehen!«, sagte Ron und würdigte das Publikum im Raum keines Blickes, das allmählich zu kichern begann.»Und Krätze war zuerst hier, und er ist krank!«

Ron marschierte durch das Gemeinschaftszimmer und verschwand auf der Treppe hoch zum Jungenschlafsaal.

Am nächsten Tag war Ron immer noch schlecht auf Hermine zu sprechen. In Kräuterkunde sagte er kaum ein Wort zu ihr, obwohl er, Harry und Hermine gemeinsam an einem Kartoffelbauchpilz arbeiteten.

»Wie geht's Krätze?«, fragte Hermine behutsam, während sie fette rosa Schoten von den Pflanzen pflückten und die glänzenden Bohnen in einen Holztrog warfen.

»Hat sich unter meinem Bett versteckt und zittert immer noch am ganzen Leib«, sagte Ron unwirsch und verfehlte den Trog, so daß die Bohnen über den Boden des Gewächshauses kullerten.

»Vorsicht, Weasley, Vorsicht!«, rief Professor Sprout, als die Bohnen vor ihren Augen jäh aufblühten.

Als Nächstes hatten sie Verwandlung. Harry hatte beschlossen, Professor McGonagall nach dem Unterricht zu fragen, ob er mit nach Hogsmeade dürfe. Er reihte sich in die Warteschlange vor dem Klassenzimmer ein und überlegte, wie er es am besten sagen konnte. Doch ein kleiner Aufruhr vorn an der Tür lenkte ihn ab.

Lavender Brown schien zu weinen. Parvati hatte den Arm um sie gelegt und sprach mit Seamus Finnigan und Dean Thomas, die sehr ernst wirkten.

»Was ist los, Lavender?«, fragte Hermine beunruhigt, als sie mit Harry und Ron hinzukam.

»Sie hat heute Morgen einen Brief von zu Hause bekommen«, flüsterte Parvati.»Es geht um Binky, ihr Kaninchen. Ein Fuchs hat es getötet.«

»Oh«, sagte Hermine,»tut mir Leid, Lavender.«

»Ich hätte es wissen sollen!«, sagte Lavender mit tragischer Miene.»Weißt du, welcher Tag heute ist?«

»Ähm.«

»Der sechzehnte Oktober! gt;Das Ereignis, vor dem du dich fürchtest, es wird am sechzehnten Oktober geschehen!lt; Erinnerst du dich? Sie hatte Recht, sie hatte Recht!«

Die ganze Klasse versammelte sich jetzt um Lavender. Seamus schüttelte mit ernster Miene den Kopf, Hermine zögerte, dann sagte sie:

»Du… du hattest Angst, Binky würde von einem Fuchs getötet?«

»Nun ja, nicht unbedingt von einem Fuchs«, sagte Lavender und blickte mit tränenüberströmten Wangen zu Hermine hoch,»aber ich hab natürlich Angst gehabt, daß es stirbt, oder?«

»Oh«, sagte Hermine. Sie verstummte kurz. Dann -

»War Binky ein altes Kaninchen?«

»N…nein!«, schluchzte Lavender,»es… es war noch ganz klein!«

Parvati drückte Lavender noch fester an sich.

»Aber warum hattest du dann Angst, es würde sterben?«, fragte Hermine.

Parvati starrte sie wütend an.

»Nun ja, seht euch die Sache mal vernünftig an«, sagte Hermine und wandte sich den Umstehenden zu.»Erstens ist Binky gar nicht mal heute gestorben, Lavender hat heute nur die Nachricht bekommen -«

Lavender fing laut an zu jammern, doch Hermine fuhr fort:»- und sie kann auch gar keine Angst davor gehabt haben, denn es war doch offensichtlich ein Schock für sie -«

»Mach dir nichts aus dem, was Hermine sagt, Lavender«, sagte Ron laut,»sie schert sich nicht groß um die Haustiere anderer Leute.«

Es war ein Glück, daß Professor McGonagall in diesem Augenblick die Klassenzimmertür aufschloß; Hermine und Ron sahen sich an, als wollten sie gleich aufeinander losstürzen, und drinnen im Zimmer setzten sie sich zu beiden Seiten Harrys und sprachen die ganze Stunde kein Wort miteinander.

Harry wußte immer noch nicht recht, was er Professor McGonagall sagen würde, als es schon wieder läutete, doch sie war es, die das Thema Hogsmeade zuerst ansprach.

»Einen Moment noch bitte!«, rief sie, als alle aufstehen wollten.»Als Ihre Hauslehrerin bitte ich Sie, mir die Zustimmungserklärungen für den Besuch in Hogsmeade noch vor Halloween auszuhändigen. Ohne diese Erklärung dürfen Sie nicht mitkommen, also nicht vergessen!«

Neville hob die Hand.

»Bitte, Professor, ich – ich glaube, ich hab meine verloren -«

»Ihre Großmutter hat sie direkt an mich geschickt, Longbottom«, sagte Professor McGonagall.»Sie schien es für sicherer zu halten. Gut, das ist alles, Sie können gehen.«

»Frag sie jetzt«, zischte Ron Harry zu.

»Oh, aber -«, warf Hermine ein.

»Los jetzt, Harry«, drängte Ron.

Harry wartete, bis die andern draußen waren, dann ging er, hibbelig wie er war, hinüber zu Professor McGonagalls Pult.

»Ja, Potter?«

Harry holte tief Atem.

»Professor, meine Tante und mein Onkel – ähm – haben vergessen, das Formblatt zu unterschreiben«, sagte er.

Professor McGonagall sah ihn über ihre viereckigen Brillengläser hinweg an, sagte jedoch nichts.

»Also – ähm – meinen Sie, es wäre möglich – das heißt, ist es in Ordnung, wenn ich – wenn ich mitkomme nach Hogsmeade?«

Professor McGonagall senkte den Blick und begann die Papiere auf ihrem Pult zusammenzuräumen.

»Ich fürchte, nein, Potter«, sagte sie.»Sie haben gehört, was ich gesagt habe. Keine Erlaubnis, kein Besuch im Dorf So lautet die Regel.«

»Aber – Professor, mein Onkel und meine Tante – Sie wissen, es sind Muggel, sie verstehen im Grunde nichts von – von diesen Formblättern und überhaupt von Hogwarts«, sagte Harry, während Ron ihn mit heftigem Kopfnicken anfeuerte.»Wenn Sie sagen würden, ich kann mitgehen -«

»Aber das sage ich nicht«, sagte Professor McGonagall, stand auf und verstaute ihre säuberlich gestapelten Papiere in einer Schublade.»Auf dem Formblatt heißt es klar und deutlich, daß Eltern oder Vormund die Erlaubnis geben müssen.«Sie sah ihn mit einem seltsamen Gesichtsausdruck an. War es Mitleid?»Tut mir Leid, Potter, aber das ist mein letztes Wort. Sie beeilen sich besser, oder Sie kommen zu spät zur nächsten Stunde.«

Da war nichts zu machen. Ron erfand eine Menge unschmeichelhafter Namen für Professor McGonagall, was Hermine ausgesprochen ärgerte. Sie setzte einen»Um so besser«- Gesichtsausdruck auf, der Ron wiederum noch zorniger machte, und Harry mußte es ertragen, daß sich alle andern in der Klasse laut und voller Vorfreude darüber unterhielten, was sie in Hogsmeade als Erstes tun würden.

»Du hast immer noch das Fest«, sagte Ron, um Harry aufzumuntern.»Du weißt doch, das Festessen am Abend von Halloween.«

»Jaah«, sagte Harry trübselig,»großartig.«

Das Festessen an Halloween war immer gut, doch es würde noch viel besser schmecken, wenn er an diesem Abend zusammen mit den andern und hungrig aus Hogsmeade zurückkehren würde. Keiner konnte ihn trösten. Dean Thomas, der gut mit der Feder umgehen konnte, bot ihm an, Onkel Vernons Unterschrift auf dem Formblatt zu fälschen, doch da Harry Professor McGonagall bereits gesagt hatte, daß Onkel Vernon nicht unterschrieben hatte, nutzte das auch nichts. Ron schlug selbst nicht ganz überzeugt vor, den Tarnumhang zu nehmen, doch Hermine wollte nichts davon hören und erinnerte Ron daran, daß Dumbledore ihnen gesagt hatte, die Dementoren könnten sehen, wer darunter sei. Von Percy schließlich kamen wohl die am wenigsten tröstenden Trostworte.

»Sie machen immer diesen Aufstand wegen Hogsmeade, aber glaub mir, Harry, so toll ist es auch wieder nicht«, sagte er ernsthaft.»Gut und schön, der Süßigkeitenladen ist ziemlich gut, und Zonkos Scherzartikelladen ist schlichtweg gefährlich, und ja, die Heulende Hütte lohnt immer einen Besuch, aber abgesehen davon, Harry, entgeht dir nichts.«

Am Morgen von Halloween wachte Harry mit den andern auf und ging hinunter zum Frühstück. Er fühlte sich ganz elend, tat aber sein Bestes, um das zu verbergen.

»Wir bringen dir eine Menge Süßigkeiten aus dem Honigtopf mit«, sagte Hermine und sah ihn mit tiefem Mitgefühl an.

»Ja, ganze Wagenladungen«, sagte Ron. Er und Hermine hatten angesichts von Harrys Verzweiflung endlich ihren Streit wegen Krummbein vergessen.

»Macht euch keine Sorgen um mich«, sagte Harry in bemüht lässigem Ton,»wir treffen uns dann beim Essen. Viel Spaß.«

Er begleitete sie zur Eingangshalle, wo Filch, der Hausmeister, am Portal stand und die Namen auf einer langen Liste abhakte, wobei er mißtrauisch jedes Gesicht musterte und aufpaßte, daß keiner sich hinausschlich, der nicht mitdurfte.

»Du bleibst hier, Potter?«, rief Malfoy, der mit Crabbe und Goyle in der Schlange stand.»Hast Bammel vor den Dementoren draußen?«

Harry überhörte ihn und machte sich auf den einsamen Weg die Marmortreppe hoch und die ausgestorbenen Korridore entlang zurück in den Turm der Gryffindors.

Die fette Dame schreckte aus ihrem Nickerchen hoch.»Paßwort?«, fragte sie.

»Fortuna Major«, sagte Harry gelangweilt.

Das Porträt klappte zur Seite und er kletterte durch das Loch in den Gemeinschaftsraum. Er war voller schnatternder Erst- und Zweitkläßler und ein paar älterer Schüler, die Hogsmeade offenbar so häufig besucht hatten, daß es ihnen nichts mehr zu bieten hatte.

»Harry! Harry! Hallo, Harry!«

Das war Colin Creevey, ein Zweitkläßler, der immer ganz ehrfürchtig bei Harrys Anblick wurde und nie eine Gelegenheit ausließ, ihn anzusprechen.

»Gehst du nicht nach Hogsmeade, Harry? Warum nicht? Hallo -«, Colin sah sich begeistert nach seinen Freunden um,»du kannst dich zu uns setzen, wenn du willst, Harry!«

»Ähm – nein danke, Colin«, sagte Harry, der nicht in der Stimmung war, einen Haufen Leute auf seine Stirnnarbe glotzen zu lassen,»ich muß in die Bücherei und was arbeiten.«

Danach blieb ihm nichts anderes übrig als umzukehren und wieder durch das Porträtloch zu steigen.

»Wozu hast du mich eigentlich aufgeweckt?«, rief ihm die fette Dame unwirsch hinterher.

Harry schlurfte lustlos in Richtung Bücherei, doch auf halbem Weg besann er sich anders; ihm war nicht nach Arbeit zumute. Er machte kehrt und plötzlich sah er sich Filch gegenüber, der wohl gerade die letzten Ausflügler nach Hogsmeade aus dem Schloß gelassen hatte.

»Was treibst du?«, raunzte Filch mißtrauisch.

»Nichts«, sagte Harry wahrheitsgemäß.

»Nichts«, fauchte Filch und sein Unterkiefer vibrierte Unheil verkündend.»Fabelhafte Ausrede! Schleichst alleine hier rum, warum bist du denn nicht in Hogsmeade und kaufst Stinkbomben und Rülpspulver und Pfeifende Würmer wie deine frechen kleinen Freunde?«

Harry zuckte die Schultern.

»Also zurück jetzt in deinen Gemeinschaftsraum, wo du hingehörst!«, bellte Filch ihn an und wartete mit zornigem Blick, bis Harry außer Sicht war.

Doch Harry ging nicht zurück in den Gemeinschaftsraum; mit der vagen Absicht, Hedwig in der Eulerei zu besuchen, stieg er eine Treppe hoch und lief den Korridor entlang. Plötzlich hörte er eine Stimme aus einem der Räume:»Harry?«

Harry ging rasch zurück, um zu sehen, wer es war, und traf auf Professor Lupin, der sich aus seiner Bürotür beugte.

»Was treibst du denn?«, fragte Lupin, allerdings in ganz anderem Ton als Filch.»Wo sind Ron und Hermine?«

»Hogsmeade«, sagte Harry bemüht beiläufig.

»Ah«, sagte Lupin. Er musterte Harry einen Moment lang.»Warum kommst du nicht rein? Gerade wurde ein Grindeloh für unsere nächste Stunde geliefert.«

»Ein was?«, fragte Harry.

Er folgte Lupin in sein Büro. In der Ecke stand ein sehr großes Aquarium. Eine übelgrüne Kreatur mit spitzen kleinen Hörnern preßte das Gesicht ans Glas, schnitt Grimassen und spreizte seine langen, spindeldürren Finger.

»Wasserdämon«, sagte Lupin und musterte den Grindeloh nachdenklich.»Wir sollten keine großen Schwierigkeiten mit ihm haben, nicht nach den Kappas. Der Trick dabei ist, daß man seinen Griff brechen muß. Siehst du die ungewöhnlich langen Finger? Stark, aber sehr zerbrechlich.«

Der Grindeloh bleckte seine grünen Zähne und vergrub sich dann in einem Büschel Schlingpflanzen in der Ecke.

»Tasse Tee?«, sagte Lupin und sah sich nach dem Kessel um.»Ich wollte mir gerade eine machen.«

»Ja, danke«, sagte Harry verlegen.

Lupin tippte mit seinem Zauberstab gegen den Kessel und sofort zischte ein Dampfstrahl aus seinem Schnabel.

»Setz dich«, sagte Lupin und hob den Deckel von einer staubigen Blechdose.»Ich hab leider nur Teebeutel – aber du hast ohnehin genug von Teeblättern, denk ich mal?«

Harry sah ihn an. Lupin zwinkerte mit den Augen.

»Woher wissen Sie das?«, fragte Harry.

»Professor McGonagall hat es mir erzählt«, sagte Lupin und reichte Harry eine leicht angeschrammte Teetasse.»Du machst dir doch nicht etwa Sorgen?«

»Nein«, sagte Harry.

Einen Moment lang dachte er daran, Lupin von dem Hund zu erzählen, den er im Magnolienring gesehen hatte, doch dann verwarf er den Gedanken. Lupin sollte ihn nicht für einen Feigling halten, da er ohnehin schon zu glauben schien, daß Harry es nicht mit einem Irrwicht aufnehmen konnte.

Was in Harry vorging, schien sich auf seinem Gesicht verraten zu haben, denn Lupin sagte:

»Hast du ein Problem, Harry?«

»Nein«, log Harry. Er trank einen Schluck Tee und sah hinüber zum Grindeloh, der ihm mit der Faust drohte.»Doch«, sagte er plötzlich.»Erinnern Sie sich noch an den Tag, an dem wir gegen den Irrwicht gekämpft haben?«

»Ja«, sagte Lupin langsam.

»Warum haben Sie mich nicht rangelassen?«, entfuhr es Harry.

Lupin zog die Augenbrauen hoch.

»Ich dachte, das liegt auf der Hand, Harry«, sagte er überrascht.

Harry war verdutzt, denn er hatte erwartet, Lupin würde alles bestreiten.

»Warum?«, fragte er noch einmal.

»Nun«, sagte Lupin und runzelte die Stirn,»ich dachte, wenn der Irrwicht auf dich losgeht, würde er die Gestalt von Lord Voldemort annehmen.«

Harry starrte ihn an. Diese Antwort hätte er zuletzt erwartet, und Lupin hatte auch noch Voldemorts Namen ausgesprochen. Der Einzige, den Harry jemals diesen Namen laut hatte aussprechen hören, war (abgesehen von ihm selbst) Professor Dumbledore.

»Offenbar lag ich da falsch«, sagte Lupin und sah Harry immer noch stirnrunzelnd an.»Aber ich hielt es nicht für angebracht, daß Lord Voldemort im Lehrerzimmer in Erscheinung tritt. Ich dachte, die Schüler würden in Panik geraten.«

»Ich habe nicht an Voldemort gedacht«, sagte Harry aufrichtig.»Ich… ich dachte an einen von diesen Dementoren.«

»Verstehe«, sagte Lupin nachdenklich.»Nun, nun… ich bin beeindruckt.«Er lächelte ein wenig beim Anblick der verdutzten Miene Harrys.»Das heißt, wovor du am meisten Angst hast – ist die Angst. Sehr weise, Harry.«

Harry wußte nicht, was er dazu sagen sollte, und nahm noch einen Schluck Tee.

»Du hast also gedacht, ich würde dich nicht für fähig halten, gegen einen Irrwicht zu kämpfen?«, forschte Lupin nach.

»Ja«, sagte Harry. Plötzlich fühlte er sich viel besser.»Professor Lupin, Sie kennen diese Dementoren…«

Ein Klopfen an der Tür unterbrach ihn.

»Herein«, rief Lupin.

Die Tür ging auf und Snape trat ein. Er trug einen Becher, aus dem es ein wenig dampfte; beim Anblick von Harry erstarrte er und seine Augen verengten sich.

»Ah, Severus«, sagte Lupin lächelnd.»Vielen Dank. Könnten Sie es hier auf den Schreibtisch stellen?«

Snape stellte den dampfenden Becher ab und sah dabei abwechselnd Harry und Lupin an.

»Ich hab Harry gerade meinen Grindeloh gezeigt«, sagte Lupin freundlich und deutete auf das Aquarium.

»Faszinierend«, sagte Snape ohne hinzusehen.»Sie sollten es gleich trinken, Lupin.«

»Ja, ja, mach ich«, sagte Lupin.

»Ich habe einen ganzen Kessel voll gebraut«, fuhr Snape fort.»Falls Sie noch mehr brauchen.«

»Ich werde morgen wohl noch was zu mir nehmen. Vielen Dank, Severus.«

»Keine Ursache«, sagte Snape, doch in seinem Blick lag etwas, das Harry nicht mochte. Mit steifer Miene und wachsamen Augen ging er hinaus.

Harry musterte den Becher neugierig. Lupin lächelte.

»Professor Snape war so freundlich, mir einen Trank zu brauen«, sagte er.»Ich selbst bin kein großer Braumeister, und dieser Trank hier ist besonders schwierig.«Er nahm den Becher und schnüffelte daran.»Schade, daß Zucker das Zeug wirkungslos macht«, fuhr er fort, schlürfte an dem Gebräu und schauderte.

»Warum -?«, begann Harry. Lupin sah ihn an und beantwortete die unvollendete Frage.

»Ich hab mich in letzter Zeit ein wenig angegriffen gefühlt«, sagte er.»Dieser Trank ist das Einzige, was hilft. Ich habe großes Glück, mit Professor Snape zusammenzuarbeiten; es gibt nicht viele Zauberer, die ihn herstellen können.«

Professor Lupin nahm noch einen Schlürfer und Harry spürte plötzlich den verzweifelten Drang, ihm den Becher aus der Hand zu schlagen.

»Professor Snape ist sehr an den dunklen Künsten interessiert«, sprudelte es aus ihm heraus.

»Wirklich?«, sagte Lupin. Er nahm einen Schluck und schien Harrys Bemerkung kaum zu beachten.

»Manche glauben -«, Harry zögerte und plauderte dann rücksichtslos weiter,»manche glauben, er würde alles tun, um Lehrer für Verteidigung gegen die dunklen Künste zu werden.«

Lupin trank den Becher bis zur Neige aus und zog eine Grimasse.

»Ekliges Zeug«, sagte er.»Nun, Harry, ich werde wohl noch ein wenig arbeiten müssen. Wir sehen uns dann beim Festessen.«

»Gut«, sagte Harry und stellte seine Teetasse ab.

Aus dem leeren Becher dampfte es immer noch.

»Hier, bitte sehr«, sagte Ron.»Wir haben mitgebracht, so viel wir tragen konnten.«

Ein Schauer leuchtend bunter Süßigkeiten ergoß sich in Harrys Schoß. Es dämmerte, und Ron und Hermine waren soeben im Gemeinschaftsraum aufgetaucht, mit rosa Gesichtern vom kalten Wind und mit Mienen, als ob sie die schönste Zeit ihres Lebens gehabt hätten.

»Danke«, sagte Harry und hob eine Tüte winziger schwarzer Pfefferkobolde hoch.»Wie ist es in Hogsmeade? Wo seid ihr gewesen?«

So, wie es sich anhörte: überall. Bei Derwisch und Banges, dem Laden für Zauberei-Ausstattung, in Zonkos Scherzartikelladen, in den Drei Besen, um dampfende Becher heißes Butterbier zu trinken, und das war noch längst nicht alles.

»Das Postamt, Harry! Gut zweihundert Eulen, alle auf Stangen, alle in verschiedenen Farben, je nachdem, wie schnell der Brief ankommen soll!«

»Im Honigtopf gibt es einen neuen Sirup, sie haben Kostproben verteilt, hier ist ein wenig, sieh mal -«

»Wir glauben, wir haben einen Oger gesehen, in den Drei Besen treibt sich wirklich einiges herum -«

»Am liebsten hätten wir dir ein wenig Butterbier mitgebracht, das wärmt richtig durch -«

»Und was hast du getrieben?«, fragte Hermine mit besorgter Miene.»Hast du ein wenig gearbeitet?«

»Nein«, sagte Harry.»Lupin hat mir in seinem Büro eine Tasse Tee gemacht. Und dann ist Snape reingekommen…«

Er erzählte ihnen alles von Snapes Gebräu. Ron sackte der Unterkiefer herab.

»Lupin hat es getrunken?«, hauchte er.»Ist er verrückt?«

Hermine sah auf die Uhr.

»Wir sollten jetzt nach unten gehen, das Fest beginnt nämlich in fünf Minuten…«Sie kletterten eilends durch das Porträtloch und schlossen sich der Menge an. Unterwegs sprachen sie weiter über Snape.

»Aber wenn er – wißt ihr -«, Hermine senkte die Stimme und sah sich nervös um,»wenn er wirklich versucht hat, Lupin – Lupin zu vergiften – dann hätte er es nicht vor Harry getan.«

»Ja, vielleicht«, sagte Harry, als sie in die Eingangshalle kamen und auf die Große Halle zugingen. Sie war mit Aberhunderten von kerzengefüllten Kürbissen geschmückt mit einer Wolke flatternder Fledermäuse und flammend orangeroten Spruchbändern, die sanft über den stürmischen Himmel schwebten wie leuchtende Wasserschlangen.

Das Essen war köstlich; selbst Ron und Hermine, die noch zum Bersten voll gestopft waren mit den Süßigkeiten aus dem Honigtopf, schafften es, sich von allem noch ein zweites Mal aufzutun. Harry warf ständig Blicke hinüber zum Lehrertisch. Professor Lupin sah fröhlich aus und so munter wie gewöhnlich, während er angeregt mit Professor Flitwick plauderte, dem kleinen Lehrer für Zauberkunst. Harry ließ die Augen am Tisch entlangwandern zu dem Platz, an dem Snape saß. War es Einbildung oder flackerten Snapes Augen ungewöhnlich oft zu Lupin hinüber?

Das Festessen endete mit einer kleinen Schau der Hogwarts-Geister. Sie ploppten aus den Wänden und Tischen und schwebten eine Welle im Formationsflug durch die Halle; dann hatte der Fast Kopflose Nick, der Geist von Gryffindor, einen großen Erfolg mit der Neuaufführung seiner eigenen verpatzten Enthauptung.

Der Abend war so erfreulich gewesen, daß nicht einmal Malfoy Harry die gute Laune verderben konnte, als er beim Hinausgehen über die Köpfe der Menge hinweg rief:»Liebe Grüße von den Dementoren, Potter!«

Harry, Ron und Hermine folgten den anderen Gryffindors auf dem vertrauten Weg hoch in ihren Turm, doch als sie den Gang erreichten, an dessen Ende das Porträt der fetten Dame hing, gerieten sie in einen Stau.

»Warum gehen sie denn nicht rein?«, fragte Ron verwundert.

Harry spähte über die Köpfe hinweg. Das Gemälde schien vor dem Loch zu hängen.

»Laßt mich bitte durch«, ertönte Percys Stimme und mit gewichtiger Miene wuselte er durch die Menge.»Warum steht ihr hier rum? ihr könnt doch nicht alle das Paßwort vergessen haben – entschuldigt mal bitte, ich hin der Schulsprecher -«

Und dann verstummte die Schar, die vorne Stehenden zuerst, und ein Schaudern breitete sich den Gang entlang aus. Sie hörten Percy mit einem Mal in scharfem Ton sagen:»Jemand muß Professor Dumbledore holen, schnell.«

Köpfe wandten sich um; wer ganz hinten stand, stellte sich auf die Zehenspitzen.

»Was ist denn los?«, fragte Ginny, die soeben dazustieß.

Kurz darauf erschien Professor Dumbledore und eilte zum Porträt; die Gryffindors drängten sich zusammen, um ihn durchzulassen, und Harry, Ron und Hermine schoben sich weiter vor, um zu sehen, was los war.

»Oh, mein…«Hermine packte Harrys Arm.

Die fette Dame war aus ihrem Gemälde verschwunden und das Bild mit solcher Wut zerschlitzt worden, daß Leinwandfetzen auf dem Boden herumlagen; ganze Stücke waren weggerissen.

Dumbledore warf einen raschen Blick auf das ruinierte Gemälde und wandte sich dann mit verdüsterten Augen um; jetzt kamen die Professoren McGonagall, Lupin und Snape auf ihn zugerannt.

»Wir müssen sie suchen«, sagte Dumbledore.»Professor McGonagall, bitte gehen Sie sofort zu Mr Filch und sagen ihm, er soll jedes Gemälde im Schloß nach der fetten Dame absuchen.«

»Da werdet ihr kein Glück haben!«, sagte eine glucksende Stimme.

Es war Peeves, der Poltergeist, der über ihre Köpfe hinweghopste und, wie immer angesichts von Zerstörung oder Unruhe, ganz ausgelassen schien.

»Was meinst du damit, Peeves?«, sagte Dumbledore ruhig, und Peeves' Grinsen fror ein. Bei Dumbledore wagte er keine Mätzchen. Statt dessen legte er sich einen schleimigen Tonfall zu, der nicht besser war als sein Glucksen.

»Sie geniert sich, Herr Oberschulleiter. Will nicht gesehen werden. Sieht fürchterlich aus. Hab sie durch das Landschaftsgemälde oben im vierten Stock rennen sehen, Sir, sie hat sich hinter den Bäumen versteckt. Hat etwas Schreckliches gerufen«, sagte er glücklich.»Armes Ding«, fügte er nicht ganz überzeugend hinzu.

»Hat sie gesagt, wer es war?«, fragte Dumbledore leise.

»O ja, Herr Professor Doktor Dumbledore«, sagte Peeves mit der Miene dessen, der eine große Bombe unter dem Arm trägt.»Er wurde sehr zornig, als sie ihn nicht einlassen wollte, verstehen Sie.«Peeves knickte in der Mitte durch und grinste Dumbledore durch seine Beine hindurch an.»Übles Temperament hat er, dieser Sirius Black.«