"Harry Potter und der Gefangene von Askaban" - читать интересную книгу автора (Rowling Joanne K.)

Eine bittere Niederlage

Professor Dumbledore schickte alle Gryffindors zurück in die Große Halle, und zehn Minuten später stießen auch die verwirrten Haufen aus Hufflepuff, Ravenclaw und Slytherin hinzu.

»Ich werde zusammen mit den anderen Lehrern das Schloß gründlich durchsuchen«, erklärte ihnen Professor Dumbledore, während die Professoren McGonagall und Flitwick alle Türen zur Halle schlossen.»Ich fürchte, zu eurer eigenen Sicherheit müßt ihr die heutige Nacht hier verbringen. Ich bitte die Vertrauensschüler, an den Eingängen zur Halle Wache zu stehen, und übergebe den Schulsprechern die Verantwortung. Jeder Zwischenfall ist mir sofort mitzuteilen«, fügte er an den ungeheuer stolz und gewichtig dreinschauenden Percy gewandt hinzu.»Schicken Sie einen der Geister zu mir.«

Auf dem Weg zum Ausgang blieb Professor Dumbledore noch einmal stehen.

»Ach ja, Sie brauchen…«

Mit einem lässigen Schlenker seines Zauberstabs flogen die langen Tische in die Ecken der Halle und stellten sich aufrecht gegen die Wände; ein weiterer Schlenker und der Fußboden war bedeckt mit Hunderten von knuddligen, purpurroten Schlafsäcken.

»Schlaft gut!«, sagte Professor Dumbledore und schloß die Tür hinter sich.

In der Halle hob sogleich ein aufgeregtes Gesumme an; die Gryffindors erzählten den andern, was gerade passiert war.

»Alle in die Schlafsäcke!«, rief Percy.»Los, macht schon, kein Getuschel mehr! In zehn Minuten geht das Licht aus!«

»Kommt«, sagte Ron zu Harry und Hermine; sie nahmen sich drei Schlafsäcke und zogen sie hinüber in eine Ecke.

»Glaubt ihr, Black ist immer noch im Schloß?«, flüsterte Hermine beklommen.

»Dumbledore jedenfalls glaubt es«, sagte Ron.

»Ein Glück, daß er sich den heutigen Abend ausgesucht hat«, sagte Hermine. Mit allem, was sie anhatten, stiegen sie in die Schlafsäcke und wandten sich auf die Ellbogen gestützt einander zu.»Ausgerechnet heute Abend waren wir nicht im Turm…«

»Ich glaube, er weiß gar nicht mehr, welchen Tag wir eigentlich haben, wo er doch ständig auf der Flucht ist«, sagte Ron.»Ihm war nicht klar, daß heute Halloween ist. Sonst wäre er hier reingeplatzt.«

Hermine schauderte.

Um sie her erklang immer wieder die eine Frage:»Wie ist er hereingekommen?«

»Vielleicht weiß er, wie man appariert«, sagte ein Ravenclaw in der Nähe.»Einfach aus dem Nichts auftaucht, wißt ihr.«

»Hat sich wahrscheinlich verkleidet«, sagte ein Fünftkläßler aus Hufflepuff.

»Er könnte reingeflogen sein«, schlug Dean Thomas vor.

»Also ehrlich mal«, sagte Hermine entrüstet zu Harry und Ron,»bin ich denn die Einzige, die Eine Geschichte von Hogwarts gelesen hat?«

»Kann schon sein«, sagte Ron.»Wieso?«

»Weil das Schloß nicht allein durch Mauern geschützt ist, wie ihr eigentlich wissen solltet«, sagte Hermine.»Es ist mit allen möglichen Zauberbannen und Flüchen umgeben, damit niemand heimlich reinkommt. Hier kann man nicht einfach reinapparieren. Und die Tarnung, mit der man diese Dementoren täuschen kann, möcht ich gern mal sehen. Die bewachen doch jeden Eingang auf dem Gelände. Die hätten ihn auch reinfliegen sehen. Und Filch kennt alle Geheimgänge. Auch die werden sie bewachen…«

»Wir löschen jetzt die Lichter!«, rief Percy.»Alle in die Schlafsäcke und kein Getuschel mehr!«

Gleich darauf gingen die Kerzen aus. Das einzige Licht kam jetzt noch von den silbern schimmernden Geistern, die umherschwebten und in ernstem Ton mit den Vertrauensschülern sprachen, und von der verzauberten Decke, die wie der Himmel draußen von Sternen übersät war. Dies und das Geflüster, das immer noch die Halle erfüllte, gab Harry das Gefühl, bei einer leichten Brise unter freiem Himmel zu schlafen.

Stündlich erschien ein Lehrer, um nachzusehen, ob alles ruhig war. Gegen drei Uhr morgens, als viele Schüler endlich eingeschlafen waren, kam Professor Dumbledore herein. Harry beobachtete, wie er nach Percy suchte, der zwischen den Schlafsäcken umherstreifte und alle tadelte, die sich noch unterhielten. Percy war nicht weit von Harry, Ron und Hermine entfernt; jetzt hörten sie Dumbledore näher kommen und taten schleunigst so, als würden sie schlafen.

»Irgendeine Spur von ihm, Professor?«, flüsterte Percy.

»Nein. Alles in Ordnung hier?«

»Alles unter Kontrolle, Sir.«

»Gut. Es hat keinen Zweck, sie jetzt aufzuscheuchen. Für das Porträtloch oben bei den Gryffindors habe ich vorübergehend einen anderen Wächter gefunden. Morgen können sie wieder nach oben.«

»Und die fette Dame, Sir?«

»Versteckt sich oben im zweiten Stock auf einer Landkarte von Argyllshire. Sie hat sich offenbar geweigert, Black ohne Paßwort einzulassen, deshalb hat er sie attackiert. Sie ist immer noch ziemlich durcheinander, aber sobald sie sich beruhigt hat, werde ich Filch anweisen, sie zu restaurieren.«

Harry hörte, wie die Tür zur Halle quietschend aufging und jemand eintrat.

»Direktor?«Das war Snape. Harry hielt den Atem an und lauschte angestrengt.»Wir haben den gesamten dritten Stock durchsucht. Keine Spur von ihm. Und Filch war in den Kerkern; dort ist er auch nicht.«

»Was ist mit dem Astronomieturm? Das Zimmer von Professor Trelawney? Die Eulerei?«

»Alles durchsucht…«

»Na gut, Severus. Ich hatte ohnehin nicht erwartet, daß Black lange trödelt.«

»Haben Sie eine Idee, wie er hereingekommen ist?«, fragte Snape.

Harry hob sachte den Kopf vom Arm, um auch mit dem anderen Ohr hören zu können.

»Einige, Severus, und eine unsinniger als die andere.«

Harry öffnete einen winzigen Schlitzbreit die Augen und spähte zu den dreien empor; Dumbledore kehrte ihm den Rücken zu, doch er konnte Percys atemlos gespannte Miene und Snapes zornerfülltes Profil sehen.

»Sie erinnern sich an das Gespräch, das wir hatten, Direktor, kurz vor – ähm – Beginn des Schuljahres?«, sagte Snape durch zusammengepresste Lippen, als ob er Percy aus dem Gespräch ausschließen wollte.

»In der Tat, Severus«, sagte Dumbledore, und etwas Warnendes lag in seiner Stimme.

»Es scheint – fast unmöglich – daß Black ohne Hilfe aus dem Schloß hereingekommen ist. Ich habe damals wegen dieser Stellenbesetzung meine Vorbehalte zum Ausdruck gebracht -«

»Ich glaube nicht, daß auch nur ein Einziger hier im Schloß Black geholfen hat«, sagte Dumbledore, und sein Tonfall zeigte unmißverständlich, daß er das Thema für abgeschlossen hielt, so daß Snape nicht antwortete.»Ich muß runter zu den Dementoren«, sagte Dumbledore.»Ich sagte, ich würde ihnen berichten, wenn die Suche beendet ist.«

»Wollten die nicht helfen, Sir?«, sagte Percy.

»O doch«, sagte Dumbledore kühl.»Aber solange ich hier Schulleiter bin, kommt kein Dementor über die Schwelle dieses Schlosses.«

Percy schien ein wenig verdutzt. Rasch und leise ging Dumbledore hinaus. Snape stand einen Moment schweigend da und blickte dem Schulleiter mit einem Ausdruck tiefen Widerwillens nach, dann verließ auch er die Halle.

Harry linste aus den Augenwinkeln zu Ron und Hermine hinüber. Beide lagen mit offenen Augen da, und in ihnen spiegelte sich das Sternengewölbe.

»Worum ging es da eigentlich?«, hauchte Ron.

Während der nächsten Tage sprachen sie in der Schule über nichts anderes. Immer abstruser wurden die Theorien darüber, wie Sirius Black in das Schloß eingedrungen sein könnte. Hannah Abbott von den Hufflepuffs erzählte in der nächsten Stunde Kräuterkunde jedem, der es hören wollte, daß Black sich in einen blühenden Busch verwandeln könne.

Das zerschlitzte Gemälde der fetten Dame wurde von der Wand genommen und durch das Porträt Sir Cadogans und seines fetten grauen Ponys ersetzt. Damit war niemand so recht zufrieden. Sir Cadogan forderte sie ständig zu Duellenheraus oder dachte sich lächerlich komplizierte Paßwörter aus, die er mindestens zweimal am Tag änderte.

»Der ist doch komplett verrückt«, sagte Seamus Finnigan wütend zu Percy.»Können wir keinen anderen kriegen?«

»Keines von den anderen Bildern wollte den Job haben«, sagte Percy.»Angst wegen der Geschichte mit der fetten Dame. Sir Cadogan war der Einzige, der mutig genug war und sich freiwillig meldete.«

Sir Cadogan jedoch war Harrys geringste Sorge. Man bewachte ihn jetzt auf Schritt und Tritt. Lehrer begleiteten ihn unter irgendwelchen Vorwänden durch die Korridore und Percy Weasley (auf Anweisung seiner Mutter, wie Harry argwöhnte) folgte ihm überallhin wie ein äußerst wichtigtuerischer Leibwächter. Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, bestellte Professor McGonagall Harry mit einem derart düsteren Gesichtsausdruck in ihr Büro, daß er glaubte, jemand wäre gestorben.

»Es hat keinen Zweck, es Ihnen länger zu verheimlichen, Potter«, sagte sie in sehr ernstem Ton.»Ich weiß, das wird ein Schock für Sie sein, aber Sirius Black -«

»Ich weiß, daß er hinter mir her ist«, sagte Harry genervt.»Ich habe mitbekommen, wie sich Rons Eltern darüber unterhalten haben. Mr Weasley arbeitet für das Zaubereiministerium.«

Professor McGonagall schien es die Sprache verschlagen zu haben. Sie starrte Harry eine ganze Weile an, dann sagte sie:

»Ich verstehe! Gut, wenn das so ist, Potter, werden Sie einsehen, warum ich es nicht für gut halte, wenn Sie abends Quidditch trainieren – draußen auf dem Spielfeld, nur mit den anderen aus dem Team, das ist ziemlich gefährlich, Potter -«

»Am Samstag haben wir unser erstes Spiel!«, sagte Harry empört.»Ich muß trainieren, Professor!«

Professor McGonagall musterte ihn nachdenklich. Harry wußte, daß ihr die Zukunft des Gryffindor-Teams keineswegs gleichgültig war; schließlich war sie es gewesen, die ihn als Sucher vorgeschlagen hatte. Er wartete mit angehaltenem Atem.

»Hm…«Professor McGonagall stand auf und blickte aus dem Fenster hinüber zum Spielfeld, das durch den Regen hindurch gerade noch zu sehen war.»Nun… soll mich der Teufel holen, ich will, daß wir endlich mal den Pokal gewinnen… und trotzdem, Potter… mir wäre wohler, wenn ein Lehrer dabei wäre. Ich werde Madam Hooch bitten, ihr Training zu beaufsichtigen.«

Das erste Quidditch-Spiel rückte näher und das Wetter wurde immer schlechter. Das Team der Gryffindors ließ sich nicht entmutigen und trainierte unter den Augen von Madam Hooch härter denn je. Dann, während ihres letzten Trainings vor dem Spiel am Samstag, überbrachte Oliver Wood seinem Team eine unerfreuliche Nachricht.

»Wir spielen nicht gegen die Slytherins!«, verkündete er wütend.»Flint war eben bei mir. Wir spielen gegen die Hufflepuffs.«

»Warum?«, riefen alle im Chor.

»Flint redet sich darauf raus, daß ihr Sucher immer noch am Arm verletzt ist«, sagte Wood mit knirschenden Zähnen.»Aber es ist doch klar, warum sie es tun. Wollen nicht bei diesem Wetter spielen, weil sie denken, es würde ihre Chancen mindern…«

Den ganzen Tag hatte es heftig gestürmt und geregnet und ein fernes Donnerrollen unterlegte Woods Worte.

»Malfoys Arm ist vollkommen gesund!«, sagte Harry zornig.»Er schauspielert doch nur!«

»Das weiß ich auch, aber wir können es nicht beweisen«,sagte Wood erbittert.»Und wir haben jetzt alle diese Spielzüge geübt, weil wir angenommen haben, wir würden gegen die Slytherins spielen, und jetzt kommen die Hufflepuffs mit ihrer ganz anderen Spielweise. Sie haben einen neuen Kapitän und Sucher, Cedric Diggory -«

Angelina, Alicia und Katie fingen plötzlich an zu kichern.

»Was ist denn?«, sagte Wood und runzelte die Stirn über dieses mädchenhafte Benehmen.

»Das ist doch dieser große, gut aussehende Junge!?«, sagte Angelina.

»Stark und schweigsam«, sagte Katie, und wieder fingen sie an zu kieksen.

»Der ist nur schweigsam, weil er zu doof ist, um zwei Wörter zu verknüpfen«, sagte Fred unwirsch.»Ich weiß nicht, wieso du dir Sorgen machst, Oliver, die Hufflepuffs stecken wir doch in die Tasche. Beim letzten Spiel gegen die hat Harry den Schnatz in gerade mal fünf Minuten gefangen, weißt du noch?«

»Das waren damals ganz andere Bedingungen!«, rief Wood mit leicht hervorquellenden Augen.»Diggory hat ein ziemlich starkes Team auf die Beine gestellt. Er ist ein sehr guter Sucher! Ich hatte ja schon befürchtet, daß ihr es zu leicht nehmt! Wir dürfen uns nicht zurücklehnen! Wir müssen unsere Kräfte zusammenhalten! Die Slytherins wollen uns auf dem falschen Fuß erwischen! Wir müssen gewinnen!«

»Schon gut, Oliver!«, sagte Fred eine Spur beunruhigt.»Wir nehmen die Hufflepuffs sehr ernst. Im Ernst.«

Am Tag vor dem Spiel wurde der Wind zu einem heulenden Sturm und es goß wie aus Kübeln. Drinnen auf den Korridoren und in den Klassenzimmern war es so dunkel, daß zusätzliche Fackeln und Laternen angezündet werden mußten. Das Team der Slytherins stolzierte blasiert daher, Malfoy vorneweg.

»Ach, wenn es meinem Arm nur ein wenig besser ginge«, seufzte er, während die Regenböen gegen die Fenster trommelten.

Harry konnte an nichts anderes denken als an das Spiel am nächsten Tag. Oliver Wood rannte in jeder Pause zu ihm und gab ihm Tipps. Beim dritten Mal redete Wood so lange auf ihn ein, bis Harry erschrocken feststellte, daß er schon zehn Minuten zu spät war für Verteidigung gegen die dunklen Künste. Er rannte los und Wood rief ihm nach:

»Diggory bricht sehr schnell seitlich aus, Harry, also versuchst du es am besten mit einem Looping -«

Harry schlitterte bis vor die Klassenzimmertür, öffnete sie und huschte hinein.

»Entschuldigen Sie, daß ich zu spät komme, Professor Lupin, ich -«

Doch es war nicht Professor Lupin, der da am Lehrerpult saß und ihn ansah; es war Snape.

»Diese Unterrichtsstunde hat vor zehn Minuten begonnen, Potter, und ich denke, wir ziehen Gryffindor zehn Punkte ab. Setz dich.«

Doch Harry rührte sich nicht.

»Wo ist Professor Lupin?«, fragte er.

»Er sagt, er fühle sich heute zu krank, um zu unterrichten«, sagte Snape mit einem schiefen Lächeln.»Hab ich nicht gesagt, du sollst dich setzen?«

Doch Harry rührte sich nicht vom Fleck.

»Was hat er denn?«

Snapes schwarze Augen glitzerten.

»Nichts Lebensbedrohliches«, sagte er mit einem Blick, als wünschte er ebendies sehnlichst herbei.»Noch einmal fünf Punkte Abzug für Gryffindor, und wenn ich dich noch einmal auffordern muß, dich zu setzen, werden's fünfzig.«

Langsam ging Harry zu seinem Platz und setzte sich. Snape blickte in die Runde.

»Wie ich gerade sagte, bevor Potter uns unterbrach, hat Professor Lupin keine Notizen über den Stoff hinterlassen, den Sie bisher behandelt haben -«

»Bitte, Sir, wir haben Irrwichte behandelt, Rotkappen, Kappas und Grindelohs«, sprudelte Hermine los,»und wir wollten gerade mit -«

»Schweigen Sie«, sagte Snape mit kalter Stimme.»Ich habe nicht um Aufklärung gebeten. Mir ist nur Professor Lupins Mißwirtschaft aufgestoßen.«

»Er ist der beste Lehrer in Verteidigung gegen die dunklen Künste, den wir je hatten«, sagte Dean Thomas wagemutig, und murmelnd stimmte ihm der Rest der Klasse zu. Snape sah jetzt bedrohlicher aus denn je.

»Sie sind leicht zufrieden zu stellen. Lupin überfordert Sie ja kaum – ich selbst gehe davon aus, daß schon Erstkläßler mit Rotkappen und Grindelohs fertig werden. Heute behandeln wir -«

Harry sah ihn das Lehrbuch durchblättern, bis zum letzten Kapitel, von dem er wissen mußte, daß sie es noch nicht behandelt haben konnten.

»- Werwölfe«, sagte Snape.

»Aber, Sir«, sagte Hermine, die sich offenbar nicht im Zaum halten konnte,»wir sollten jetzt noch nicht die Werwölfe behandeln, eigentlich wollten wir mit Hinkepanks anfangen -«

»Miss Granger«, sagte Snape mit eisiger Gelassenheit.»Ich war davon ausgegangen, daß ich den Unterricht halte und nicht Sie. Und nun schlagen Sie alle die Seite dreihundertundvierundneunzig auf,«Wieder blickte er in die Runde.»Alle, habe ich gesagt! Und zwar sofort!«

Unter vielen verbitterten Seitenblicken und trotzigem Gemurmel schlugen sie ihre Bücher auf

»Wer von Ihnen kann mir sagen, wie man einen Werwolf von einem richtigen Wolf unterscheidet?«, fragte Snape.

Alle saßen sie reglos und schweigend da; alle außer Hermine, deren Hand wie so oft nach oben geschnellt war.

»Keiner?«, sagte Snape ohne Hermine eines Blickes zu würdigen. Wieder setzte er sein schiefes Lächeln auf.»Wollen Sie mir sagen, daß Professor Lupin Ihnen nicht einmal den einfachen Unterschied zwischen -«

»Wir haben Ihnen doch gesagt«, platzte mit einem Mal Parvati los,»daß wir noch nicht bei den Werwölfen waren, wir sind immer noch auf -«

»Ruhe!«, bellte Snape.»Schön, schön, schön, ich hätte nie gedacht, daß ich einmal auf eine dritte Klasse stoßen würde, die nicht mal einen Werwolf erkennt, wenn sie einem gegenübersteht. Ich werde Professor Dumbledore ausdrücklich davon in Kenntnis setzen, wie weit sie hinterher sind…«

»Bitte, Sir«, sagte Hermine, die Hand immer noch nach oben gestreckt,»der Werwolf ist vom echten Wolf durch mehrere kleine Merkmale zu unterscheiden. Die Schnauze des Werwolfs -«

»Das ist das zweite Mal, daß Sie einfach reinreden, Miss Granger«, sagte Snape kühl.»Noch einmal fünf Punkte Abzug für Gryffindor, weil Sie eine unerträgliche Alleswisserin sind.«

Hermine wurde puterrot, ließ die Hand sinken und starrte mit wäßrigen Augen zu Boden. Wie sehr sie alle Snape hasten, erwies sich jetzt, als die ganze Klasse ihn mit zornfunkelnden Augen anstarrte, obwohl jeder von ihnen Hermine irgendwann einmal eine Alleswisserin genannt hatte, und Ron, der Hermine mindestens zweimal die Woche so nannte, sagte laut:

»Sie haben uns eine Frage gestellt und sie weiß die Antwort! Warum fragen Sie eigentlich, wenn Sie es doch nicht wissen wollen?«

Noch während Ron sprach, erkannte die Klasse, daß er zu weit gegangen war. Snape ging langsam auf Ron zu, und ringsum hielten sie den Atem an.

»Strafarbeit, Weasley«, sagte Snape mit öliger Stimme, das Gesicht ganz nahe an dem Rons.»Und wenn ich noch einmal höre, daß Sie meine Unterrichtsweise kritisieren, dann wird Ihnen das wirklich Leid tun.«

Während der restlichen Stunde machte keiner einen Mucks. Sie saßen da und schrieben das Kapitel über die Werwölfe aus dem Schulbuch ab, während Snape an den Pultreihen entlang Streife ging und die Arbeiten prüfte, die sie bei Professor Lupin geschrieben hatten.

»Ganz schlecht erklärt… das ist nicht richtig, der Kappa kommt häufiger in der Mongolei vor… Professor Lupin hat dafür acht von zehn Punkten gegeben? Bei mir hätten Sie keine drei bekommen…«

Als es endlich läutete, hielt Snape sie zurück.

»Sie schreiben einen Aufsatz über die Frage, wie man einen Werwolf erkennt und tötet. Ich will bis Montagmorgen zwei Rollen Pergament darüber sehen. Wird Zeit, daß einer die Klasse in den Griff kriegt. Weasley, Sie bleiben noch, wir müssen über Ihre Strafarbeit sprechen.«

Harry und Hermine gingen mit den andern hinaus und warteten, bis sie außer Hörweite waren, dann brachen sie in wüste Beschimpfungen über Snape aus.

»Snape hat sich noch nie dermaßen ausgelassen über unsere anderen Lehrer in Verteidigung gegen die dunklen Künste, auch wenn er die Stelle gerne haben wollte«, sagte Harry zu Hermine.»Warum hat er es auf Lupin abgesehen? Glaubst du, das liegt alles an diesem Irrwicht?«

»Ich weiß nicht«, sagte Hermine nachdenklich.»Aber ich hoffe wirklich, daß es Professor Lupin bald besser geht…«

Fünf Minuten später holte Ron sie ein, und er schäumte vor Wut.

»Wißt ihr, was dieser -«(er gebrauchte einen Namen für Snape, auf den hin Hermine»Ron!«rief)»- mir aufgehalst hat? Ich muß die Bettpfannen im Krankenflügel putzen! Ohne Zaubern!«Er atmete schwer und ballte die Fäuste.»Hätte sich Black doch nur in Snapes Büro versteckt! Er hätte ihn für uns erledigen können!«

Am nächsten Morgen wachte Harry ungewöhnlich früh auf, so früh, es war noch dunkel. Einen Moment lang glaubte er, das Heulen des Windes hätte ihn aufgeweckt, dann spürte er eine kalte Brise auf seinem Nacken und setzte sich jäh kerzengerade auf – Peeves, der Poltergeist, war ganz nahe an ihm vorbeigeschwebt und hatte ihm heftig ins Ohr gepustet.

»Was soll das denn?«, zischte Harry wütend.

Peeves blies die Backen auf, pustete kräftig und schwebte rücklings und gackernd aus dem Schlafsaal hinaus.

Harry tastete nach seinem Wecker und sah auf das Zifferblatt. Es war halb fünf Er verfluchte Peeves, drehte sich um und versuchte wieder einzuschlafen, doch nun, da er wach lag, konnte er den rollenden Donner über seinem Kopf das Rütteln des Windes an den Fenstern und das ferne Ächzen der Bäume im Verbotenen Wald nicht überhören. In ein paar Stunden würde er draußen auf dem Quidditch-Feld sein und gegen dieses Unwetter ankämpfen. Schließlich gab er die Hoffnung auf, wieder einzuschlafen, stieg aus dem Bett, zog sich an, griff nach seinem Nimbus Zweitausend und ging leise aus dem Schlafsaal.

Als Harry die Tür öffnete, streifte etwas sein Bein. Er bückte sich und bekam gerade noch Krummbeins Schwanzende zu fassen. Er zog ihn nach draußen.

»Weißt du, ich fürchte, Ron hat Recht mit dem, was er über dich sagt«, erklärte Harry Krummbein argwöhnisch.»Hier gibt es genug Mäuse, also geh und jag sie. Los, zieh ab«, fügte er hinzu und schubste Krummbein mit dem Fuß die Wendeltreppe hinunter,»und laß Krätze in Ruhe.«

Unten im Gemeinschaftsraum war das Tosen des Sturms noch lauter zu hören. Harry machte sich keine Illusionen. Sie würden das Spiel nicht absagen. Wegen solcher Kleinigkeiten wie Gewitterstürmen wurden die Quidditch-Partien nicht verschoben. Dennoch war ihm etwas beklommen zumute. Wood hatte ihm im Vorbeigehen Cedric Diggory gezeigt; er war ein Fünftkläßler und viel größer als Harry. Sucher waren normalerweise leicht und flink, doch Diggorys Gewicht war bei diesem Wetter von Vorteil, weil ihn der Sturm nicht so leicht vom Kurs blasen würde.

Harry vertrieb sich die Stunden bis zur Dämmerung vor dem Kamin; hin und wieder stand er auf und verscheuchte Krummbein, der schon wieder die Treppe zum Jungenschlafsaal emporschleichen wollte. Endlich war es Zeit fürs Frühstück und Harry kletterte durch das Porträtloch.

»Stelle dich und kämpfe, du räudiger Köter!«, rief Sir Cadogan.

»Ach, halt den Mund«, gähnte Harry zurück.

Über einer großen Schüssel Haferschleim erwachten seine Lebensgeister und als er mit dem Toast anfing, tauchte auch der Rest des Teams auf.

»Das wird ein beinhartes Ding«, sagte Wood, der keinen Bissen anrührte.

»Hör auf, dir Sorgen zu machen, Oliver«, beschwichtigte ihn Alicia,»das bißchen Regen macht uns doch nichts aus.«

Doch es war deutlich mehr als ein bißchen Regen. Quidditch war so beliebt, daß wie immer die ganze Schule auf den Beinen war, um das Spiel zu sehen, allerdings mußten sie mit eingezogenen Köpfen und gegen den Wind ankämpfend über den Rasen hinunter zum Spielfeld rennen, und der Sturm riß ihnen die Schirme aus den Händen. Kurz bevor Harry den Umkleideraum betrat, sah er, wie Malfoy, Crabbe und Goyle auf dem Weg zum Stadion unter einem riesigen Schirm hervor lachend auf ihn deuteten.

Rasch zogen sie sich ihre scharlachroten Umhänge über und warteten auf Woods übliche Aufmunterungsrede vor dem Spiel. Doch diesmal fiel sie aus. Mehrmals setzte er zum Sprechen an, brachte aber nur ein merkwürdig würgendes Geräusch hervor, schüttelte dann hoffnungslos den Kopf und winkte sie hinaus.

Der Wind war so stark, daß sie, als sie aufs Spielfeld liefen, zur Seite wegstolperten. Die Menge mochte johlen und kreischen, sie konnten es durch die immer neuen Wellen des Donners nicht hören. Wie zum Teufel sollte er den Schnatz in diesem Mistwetter erkennen?

Die Hufflepuffs mit ihren kanariengelben Umhängen kamen von der anderen Seite des Feldes. Die Kapitäne traten aufeinander zu und schüttelten sich die Hände; Diggory lächelte Wood an, doch Wood sah jetzt aus, als hätte er Kiefersperre, und nickte nur. Harry sah, wie Madam Hoochs Mund die Worte»Besteigt die Besen«formte; er zog den rechten Fuß mit einem schmatzenden Geräusch aus dem Schlamm und schwang sich auf seinen Nimbus Zweitausend. Madam Hooch setzte die Pfeife an die Lippen und blies; der schrille Pfiff schien aus weiter Ferne zu kommen – und los ging es.

Harry stieg schnell in die Höhe, doch sein Nimbus schlingerte ein wenig im Wind. Er hielt ihn mit aller Kraft gerade, spähte durch den Regen und machte dann eine Kehrtwende.

In weniger als fünf Minuten war er naß bis auf die Haut und halb erfroren. Seine Mitspieler konnte er kaum erkennen, geschweige denn den winzigen Schnatz. Er flog das Spielfeld auf und ab, vorbei an verschwommenen roten und gelben Gestalten, ohne einen blassen Schimmer, was in diesem Spiel eigentlich so vor sich ging. Den Stadionsprecher konnte er bei diesem Wind nicht hören. Die Menge unten hatte sich unter einem Meer von Umhängen und zerfetzten Schirmen versteckt. Zweimal hätte Harry ein Klatscher fast vom Besen gerissen; wegen der Regentropfen auf seiner Brille war alles so verschwommen, daß er sie nicht hatte kommen sehen.

Harry verlor das Zeitgefühl. Es wurde immer schwieriger, den Besen gerade zu halten. Der Himmel verdunkelte sich, als ob die Nacht beschlossen hätte, früher hereinzubrechen. Zweimal stieß er um ein Haar mit einem anderen Spieler zusammen, ohne zu wissen, ob es ein Mitspieler oder ein Gegner war; alle waren jetzt so naß und der Regen war so dicht, daß er sie kaum auseinander halten konnte…

Mit dem ersten Gewitterblitz kam auch der Pfiff von Madam Hoochs Pfeife; Harry konnte durch den dichten Regen gerade noch den Umriß Woods ausmachen, der ihn gestikulierend zu Boden wies. Das ganze Team setzte spritzend im Schlamm auf.

»Ich hab um Auszeit gebeten!«, brüllte Wood seinem Team entgegen.»Kommt, hier runter -«

Sie drängten sich am Spielfeldrand unter einem großen Schirm zusammen; Harry nahm die Brille ab und wischte sie hastig am Umhang trocken.

»Wie steht's eigentlich?«

»Wir haben fünfzig Punkte Vorsprung«, sagte Wood,»aber wenn wir nicht bald den Schnatz fangen, spielen wir bis in die Nacht hinein.«

»Mit der hier hab ich keine Chance«, keuchte Harry und schlenkerte mit seiner Brille durch die Luft.

Genau in diesem Augenblick tauchte Hermine an seiner Seite auf, sie hielt sich den Umhang über den Kopf und aus unerfindlichen Gründen strahlte sie.

»Ich hab da 'ne Idee, Harry! Gib mir mal deine Brille, schnell!«

Er reichte sie ihr und das Team sah verdutzt zu, wie Hermine mit ihrem Zauberstab dagegen tippte und»Impervius!«rief,

»Bitte sehr!«, sagte sie und gab sie Harry zurück.»Jetzt stößt sie das Wasser ab!«

Wood sah Hermine an, als wollte er sie auf der Stelle küssen.

»Genial!«, rief er ihr mit heiserer Stimme nach, während sie in der Menge verschwand.»Gut, Leute, packen wir's!«

Hermines Zauber wirkte. Harry war immer noch benommen vor Kälte und patschnaß, doch er konnte etwas sehen. Voll frischer Zuversicht peitschte er mit dem Besen durch die Böen und spähte in allen Himmelsrichtungen nach dem Schnatz, wobei er hier einem Klatscher auswich und dort unter dem heransausenden Diggory hindurchtauchte…

Er sah einen vergabelten Blitz, dem auf der Stelle ein weiterer Donnerschlag folgte. Das wird immer gefährlicher, dachte Harry. Er mußte den Schnatz möglichst bald fangen.

Er wendete und wollte zur Mitte des Feldes zurückfliegen, doch in diesem Moment erleuchtete ein weiterer Lichtblitz die Tribünen, und Harry sah etwas, das ihn vollkommen in Bann schlug – die Kontur eines riesigen, zottigen schwarzen Hundes, klar umrissen gegen den Himmel. Reglos saß er in der obersten leeren Sitzreihe.

Der Besenstiel entglitt Harrys klammen Händen und sein Nimbus sackte ein paar Meter ab. Er rieb sich die Augenlider und schaute noch einmal hinüber auf die Ränge. Der Hund war verschwunden.

»Harry!«, ertönte Woods entsetzter Schrei von den Torpfosten der Gryffindors,»Harry, hinter dir!«

Harry blickte sich entsetzt um. Cedric Diggory kam über das Spielfeld geschossen, und in den Regenschnüren zwischen ihnen schimmerte etwas Kleines und Goldenes -

In jäher Panik duckte sich Harry über den Besenstiel und raste dem Schnatz entgegen.

»Mach schon!«, knurrte er seinen Nimbus an, während ihm der Regen ins Gesicht peitschte,»schneller!«

Doch nun geschah etwas Seltsames. Eine gespenstische Stille senkte sich über das Stadion. Der Wind ließ zwar kein bißchen nach, doch er vergaß zu heulen. Es war, als ob jemand den Ton abgedreht hätte, als ob Harry plötzlich taub geworden wäre – was ging hier vor?

Und dann überkam ihn eine fürchterlich vertraute Welle aus Kälte, drang in ihn ein, gerade als ihm eine Bewegung unten auf dem Feld auffiel…

Mindestens hundert Dementoren, die vermummten Gesichter ihm zugewandt, standen dort unter ihm. Es war, als würde eiskaltes Wasser in seiner Brust aufsteigen und ihm die Eingeweide abtöten. Und dann hörte er es wieder… jemand schrie, schrie im Innern seines Kopfes… eine Frau…

»Nicht Harry, nicht Harry, bitte nicht Harry!«

»Geh zur Seite, du dummes Mädchen… geh weg jetzt…«

»Nicht Harry, bitte nicht, nimm mich, töte mich an seiner Stelle -«

Betäubender, wirbelnder weißer Nebel füllte Harrys Kopf… was tat er da? Warum flog er? Er mußte ihr helfen… sie würde sterben… sie wurde umgebracht…

Er fiel, fiel durch den eisigen Nebel.

»Nicht Harry! Bitte… verschone ihn… verschone ihn…«

Eine schrille Stimme lachte, die Frau schrie, und Harry schwanden die Sinne.

»Ein Glück, daß der Boden so durchweicht war.«

»Ich dachte, er ist tot.«

»Und nicht mal die Brille ist hin.«

Harry konnte Geflüster hören, doch er verstand überhaupt nichts. Er hatte keine Ahnung, wo er war oder wie er hierher gekommen war oder was er davor getan hatte. Alles, was er wußte, war, daß ihm sämtliche Glieder wehtaten, als wäre er verprügelt worden.

»Das war das Fürchterlichste, das ich je im Leben gesehen habe.«

Fürchterlich… das Fürchterlichste… vermummte schwarze Gestalten… Kälte… Schreie…

Harrys Augen klappten auf. Er lag im Krankenflügel. Das Quidditch-Team der Gryffindors, von oben bis unten mit Schlamm bespritzt, war um sein Bett versammelt. Auch Ron und Hermine waren da und sahen aus, als kämen sie gerade aus einem Schwimmbecken.

»Harry!«, sagte Fred, der unter all dem Schlamm käsebleich aussah,»wie geht's dir?«

Es war, als würde Harrys Gedächtnis schnell zurückgespult. Die Blitze – der Grimm – der Schnatz – und die Dementoren -

»Was ist passiert?«, fragte er und setzte sich so plötzlich auf, daß sie die Münder aufrissen.

»Du bist abgestürzt«, sagte Fred.»Müssen. wohl – ungefähr – fünfzehn Meter gewesen sein.«

»Wir dachten, du seist tot«, sagte Alicia, die es am ganzen Leib schüttelte.

Von Hermine kam ein leises Schluchzen. Das Weiße ihrer Augen war blutunterlaufen.

»Aber das Spiel«, sagte Harry.»Was ist damit? Wird es wiederholt?«

Keiner sagte ein Wort. Die schreckliche Wahrheit drang in Harry ein wie ein Stein.

»Wir haben – verloren?«

»Diggory hat den Schnatz gefangen«, sagte George.»Kurz nach deinem Absturz. Er hatte nicht gesehen, was passiert war. Als er sich umsah und dich auf dem Boden liegen sah, wollte er seinen Fang für ungültig erklären und ein Wiederholungsspiel ansetzen lassen. Aber im Grunde haben sie verdient gewonnen… selbst Wood gibt es zu.«

»Wo ist Wood?«, fragte Harry, dem plötzlich auffiel, daß er fehlte.

»Noch unter der Dusche«, sagte Fred.»Wir glauben, er versucht sich zu ertränken.«

Harry legte das Gesicht auf die Knie und raufte sich die Haare. Fred packte ihn an der Schulter und schüttelte ihn grob.

»Komm schon, Harry, du hast doch sonst immer den Schnatz geschnappt.«

»Einmal mußte er dir ja durch die Lappen gehen«, sagte George.

»Noch ist nicht aller Tage Abend«, sagte Fred.»Wir haben hundert Punkte verloren, na und? Wenn Hufflepuff gegen Ravenclaw verliert und wir Ravenclaw und Slytherin schlagen -«

»Hufflepuff muß mit mindestens zweihundert Punkten Rückstand verlieren«, sagte George.

»Aber wenn sie Ravenclaw schlagen -«

»Unmöglich, Ravenclaw ist zu gut. Aber wenn Slytherin gegen Hufflepuff verliert…«

»Das hängt alles vom Punktekonto ab – jedenfalls braucht es immer hundert Punkte Rückstand -«

Harry lag da und sagte kein Wort. Sie hatten verloren – zum ersten Mal hatte er ein Quidditch-Spiel verloren.

Nach gut zehn Minuten kam Madam Pomfrey herein und wies sie an, ihn jetzt in Ruhe zu lassen.

»Wir kommen später wieder«, versicherte Fred.»Mach dich nicht selber fertig, Harry, du bist immer noch der beste Sucher, den wir je hatten.«

Das Team marschierte hinaus und ließ nur eine Schlammspur zurück. Mit mißbilligendem Blick schloß Madam Pomfrey die Tür hinter ihnen. Ron und Hermine traten näher an Harrys Bett.

»Dumbledore war wirklich wütend«, sagte Hermine mit bebender Stimme.»So hab ich ihn noch nie erlebt. Während du fielst, rannte er aufs Spielfeld und wedelte mit seinem Zauberstab, und irgendwie wurdest du langsamer, bevor du aufgeschlagen bist. Dann hat er mit dem Zauberstab zu den Dementoren hinübergefuchtelt und silbernes Zeugs gegen sie abgeschossen. Sie sind sofort abgehauen… er war stinksauer, weil sie ins Stadion gekommen sind, wir haben ihn schimpfen gehört -«

»Dann hat er dich auf eine Trage gezaubert«, sagte Ron,»und ist mit dir neben sich schwebend hoch zur Schule gegangen. Alle dachten, du seist…«

Seine Stimme erstarb, doch Harry hörte ohnehin kaum zu. Er dachte darüber nach, was die Dementoren ihm angetan hatten… er dachte an die Schreie. Er blickte auf und Ron und Hermine sahen ihn so gespannt an, daß er sich rasch überlegte, was er sagen könnte.

»Hat jemand meinen Nimbus mitgenommen?«

Ron und Hermine warfen sich einen kurzen Blick zu.

»Ähm -«

»Was?«, sagte Harry und sah sie abwechselnd an.

»Nun ja… als du abgestürzt bist, wurde er weggeweht«, sagte Hermine zögernd.

»Und?«

»Und er ist – gegen – o Harry – gegen die Peitschende Weide gekracht.«

Harrys Inneres verkrampfte sich. Die Peitschende Weide war ein sehr jähzorniger Baum mitten auf dem Schloßgelände.

»Und?«, sagte er, und vor der Antwort war ihm ganz bange.

»Tja, du kennst ja die Peitschende Weide«, sagte Ron.»Sie – ähm – mag nicht gern belästigt werden.«

»Professor Flitwick hat ihn geholt, kurz bevor du wieder zu dir gekommen bist«, sagte Hermine kaum vernehmlich.

Zögernd langte sie nach einer Tasche zu ihren Füßen, stellte sie auf den Kopf und schüttelte ein Dutzend zersplitterte Holzstücke und angeknackstes Reisig auf das Bett, die letzten Überreste von Harrys treuem, am Ende geschlagenem Besen.