"Макс Фриш. Skizze (нем.)" - читать интересную книгу автора

sie ist alt geworden, hat fast keinen Umgang. Nicht dass die Menschen sie
meiden! So sind die Menschen ja auch wieder nicht; nur Bimba halt sie nicht
aus, nicht einmal ihr Schweigen. Sie verteidigt nicht alles, was Schinz
gesagt und getan hat; etwa sein lacherlicher Zank mit der Zeitung; aber der
Fall mit dem Wagen, ja, das findet auch Bimba, dass der Mann, je ofter sie
daruber nachdenkt, und zwar allein, nicht gestohlen hat. Komisch, wie anders
man sieht, wenn einmal der gewohnte Umgang etwas nachlasst! Und wie er
nachlasst, wenn man anders sieht; das ist dann nicht mehr komisch, Bimba ist
sehr alt geworden. Wieder sitzt da ein Kommissar:
"Schinz, Heinrich Gottlieb -?"
Schinz schweigt.
"Doktor jur."
Schinz schweigt.
"Rechtsanwalt!" sagt der Kommissar, der diesmal keinen Pass halt,
sondern einen Steckbrief, und fahrt fort: "Warum leben Sie unter einem
falschen Namen?"
Schinz schweigt.
"Sie haben die Grenze schwarz uberschritten. Ihr eigenes Land hat Ihnen
die Papiere entzogen."
"Das ist nicht wahr!"
"Sie haben also die Grenze nicht uberschritten?" sagt der Kommissar
nicht ohne Stolz auf die zwingende Fuhrung des Verhors:
"Sie befinden sich also nicht in diesem Land?"
"Man hat mir keine Papiere entzogen."
" Wieso haben Sie denn keine?"
Schinz, sich furs erste mit einem kurzen hamischen Lachen begnugend,
nimmt ein Taschentuch heraus, ein sehr ungewaschenes, wie es bei einem
Schinz hochstens noch in der Bubenzeit hat vorkommen konnen, grau und
verwurstelt, feucht, widerlich, dann sagt er:
"Das ist eine lange Geschichte -"
Bald erinnert er sich selber nicht mehr!
"Damit geben Sie also zu", sagt der Kommissar: "dass Sie nicht Bernauer
hei?en, sondern Schinz - Heinrich Gottlieb, Rechtsanwalt?"
"Ja."
Schinz schneuzt sich; es brauchte keine spiegelnde Fenster scheibe,
damit er wei?, wie er aussieht! Kein Geld fur frische Hemden, einige Nachte
in den Wartesalen dritter Klasse, Verlust der Bugelfalten, einige Nachte im
Freien, kein warmes Wasser, Seife von offentlichen Aborten, ein Mantel, der
sozusagen zu deiner Wohnung geworden ist, und das Kostum eines Verdachtigen
ist da. Verlasse dich nicht auf dein Gesicht, auf die Zuge deines Gesichtes!
Vergiss den Rosenkavalier, vergiss den Kunstverein, vergiss die
Denkmalpflege; Kenntnisse dienen nur noch dazu, dich restlos verdachtig zu
machen. Ein Mann wie du, der ein Haus hat und einen Wagen, warum hast du
deine Stadt verlassen? Warum hast du es notig, Bernauer zu hei?en?... Das
Protokoll, das erste von vielen kommenden, kannst du unterzeichnen, wenn es
fertig ist; es sind da noch einige Fragen.
"Herr Doktor", sagt der Kommissar, das noch bescheidene Dossier
offnend, und sein Ton, wenn er Doktor sagt, ist nicht etwa hohnisch, sondern
durchaus achtungsvoll, da der gewohnliche Landstreicher nun entlarvt ist als
ernsthafter Fund: "Sie haben Verbindungen zu einem gewissen Becker?"