"Макс Фриш. Skizze (нем.)" - читать интересную книгу автора

obersten Stockwerk; jedenfalls hort man oft das Geflatter der Tauben, hin
und wieder schwirrt eine vor dem Gitter vorbei. Manchmal ist Schinz ganz
heiter: Man muss halt nicht uber die Grenze schleichen! sagt er sich. Die
Zelle ist klein; es erinnert ihn an das bekannte Kloster in Fiesole.
Uberhaupt die Erinnerungen! Seine erste Angst, als er an dieser Stelle
sitzt: Jetzt nicht den Glauben an deine Unschuld verlieren! Das Foto mit dem
Forster, sagt er sich, ist eine Hysterie gewesen; er hat es ja kaum wirklich
betrachtet; er ist erschrocken und hat es weggelegt. Erschrocken uber einen
Lodenmantel, wie es Tausende gibt! Das Gesicht, sagt Schinz sich mit Recht,
hat er damals gar nicht so deutlich gesehen; es war ja schon Dammerung, dann
sogar Nacht. Lass dich nicht irrsinnig machen! Und wenn schon, denkt er ein
anderes Mal, wenn er es wirklich gewesen ware: was habe ich verbrochen? Ich
habe ihn gesehen, gut, ich habe mit ihm geplaudert, gut, vor allem hat er
geplaudert. Was weiter? sagt Schinz, indem er plotzlich in seinem Hin und
Her wieder stehen bleibt: Was geht dieser Marini mich an oder dieser
Stepanow oder wie er hei?t? Dann legt er sich auf die Pritsche: Man will
mich irrsinnig machen, sagt er sich ziemlich gelassen, man will mich
irrsinnig machen. Drau?en hort man das Gackern von Huhnern. Irgendwie schon.
Ein Fenster voll Himmel; das Gitter davor ist nicht so schlimm; Schinz hat
ja keine Absicht, hinunterzuspringen in den Tod oder hinauszufliegen uber
die Kamine. Einmal, denkt er, wird ein Gericht stattfinden. Hin und wieder
hort man auch das Hupen von Wagen, aber ziemlich ferne; jenseits von Baumen,
jenseits eines Hofes oder so. Das ganze Gebaude, wer wei?, war vielleicht
einmal ein Kloster; Schinz hat auf seinen Reisen so viele alte Kloster
besucht, sich manchmal vorzustellen versucht: Wenn du in einer solchen Zelle
leben musstest? und dann ist Bimba gekommen, begeistert von einem Kreuzgang,
man ist hinuntergegangen, hat Fresken bewundert, langsam ist man
hinausgegangen, Sonne auf einer Piazza, gegenuber ein kleines Ristorante.
Die Fresken: Sebastiano mit den Pfeilen im Leib, ein Kindermord zu
Bethlehem, ein Christophorus, die drei bekannten Kreuze auf Golgatha, viel
bittere Geschichten, aber schon. Wolfflin fallt ihm ein! Und so weiter. Zum
Gluck sind die Kinder schon gro?. Manchmal steht Schinz einfach an der Wand,
die Arme an der Wand, den Kopf in den Armen, so dass er nichts sieht; mit
offenen Augen. Der Himmel ist zum Verzweifeln. Schlafen geht nicht. Traume
machen alles so ma?los. EinmaI wird das Essen kommen. Dann wird es sich
zeigen! ob es Gendarmen sind oder Warterinnen, Gefangnis oder Irrenhaus. Das
ist seine einzige Angst. Wenn du nirgends auf der Welt ein voller Zeuge mehr
bist. Als sie kommen, die Schritte, nimmt er den Kopf nicht von der Wand;
die Ture geht auf, Schinz bleibt so, die Ture geht zu. Schinz schaut: ein
Geschirr ist da, ein blechernes, aber sauber, Kartoffelsuppe und Brot, ein
etwas komisches Gefa? mit frischem Wasser... Wochen wie Jahre, Jahre wie
Wochen, Verhore, die sich wortlich wiederholen, Namen, die Schinz nicht
kennt, hin und wieder ist er durchdrungen vom Bewusstsein, dass alles nur
ein Traum ist, aber das andert nichts daran; sooft er erwacht, sieht er das
Gitter von dem Himmel, und jeden Morgen, wenn es grau wird, hort er, wie die
Hahne krahen -. Endlich ist es soweit.
Eines Tages sieht sich Schinz, wie er es von Bildern kennt, in Hemd und
Hose und mit einem kleinen Strick um die Handgelenke. Er ist nicht allein.
Sie stehen in einem Schulhaushof, Kies, die Kastanien bluhen mit wei?en und
roten Kerzen. Stunden ohne Ahnung. Die Soldaten, die sie bewachen, tragen