"Johann Wolfgang Goethe. Gotz von Berlichingen mit der eisernen Hand" - читать интересную книгу автора

Gotz. Was hast du zu sagen?

Weislingen. Du siehst die Fursten an, wie der Wolf den Hirten. Und
doch, darfst du sie schelten, da? sie ihrer Leut und Lander Bestes wahren?
Sind sie denn einen Augenblick vor den ungerechten Rittern sicher, die ihre
Untertanen auf allen Stra?en anfallen, ihre Dorfer und Schlosser verheeren?
Wenn nun auf der andern Seite unsers teuern Kaisers Lander der Gewalt des
Erbfeindes ausgesetzt sind, er von den Standen Hulfe begehrt, und sie sich
kaum ihres Lebens erwehren: ist's nicht ein guter Geist, der ihnen einrat,
auf Mittel zu denken, Deutschland zu beruhigen, Recht und Gerechtigkeit zu
handhaben, um einen jeden, Gro?en und Kleinen, die Vorteile des Friedens
genie?en zu machen? Und uns verdenkst du's, Berlichingen, da? wir uns in
ihren Schutz begeben, deren Hulfe uns nah ist, statt da? die entfernte
Majestat sich selbst nicht beschutzen kann.

Gotz. Ja! ja! Ich versteh! Weislingen, waren die Fursten, wie Ihr sie
schildert, wir hatten alle, was wir begehren. Ruh und Frieden! Ich glaub's
wohl! Den wunscht jeder Raubvogel, die Beute nach Bequemlichkeit zu
verzehren. Wohlsein eines jeden! Da? sie sich nur darum graue Haare wachsen
lie?en! Und mit unserm Kaiser spielen sie auf eine unanstandige Art. Er
meint's gut und mocht gern bessern. Da kommt denn alle Tage ein neuer
Pfannenflicker und meint so und so. Und weil der Herr geschwind etwas
begreift, und nur reden darf, um tausend Hande in Bewegung zu setzen, so
denkt er, es war auch alles so geschwind und leicht ausgefuhrt. Nun ergehn
Verordnungen uber Verordnungen, und wird eine uber die andere vergessen; und
was den Fursten in ihren Kram dient, da sind sie hinterher, und gloriieren
von Ruh und Sicherheit des Reichs, bis sie die Kleinen unterm Fu? haben. Ich
will darauf schworen, es dankt mancher in seinem Herzen Gott, da? der Turk
dem Kaiser die Waage halt.

Weislingen. Ihr seht's von Eurer Seite.

Gotz. Das tut jeder. Es ist die Frage, auf welcher Licht und Recht ist,
und eure Gange scheuen wenigstens den Tag.

Weislingen. Ihr durft reden, ich bin der Gefangne.

Gotz. Wenn Euer Gewissen rein ist, so seid Ihr frei. Aber wie war's um
den Landfrieden? Ich wei? noch, als ein Bub von sechzehn Jahren war ich mit
dem Markgrafen auf dem Reichstag. Was die Fursten da fur weite Mauler
machten, und die Geistlichen am argsten. Euer Bischof larmte dem Kaiser die
Ohren voll, als wenn ihm wunder wie! die Gerechtigkeit ans Herz gewachsen
ware; und jetzt wirft er mir selbst einen Buben nieder, zur Zeit da unsere
Handel vertragen sind, ich an nichts Boses denke. Ist nicht alles zwischen
uns geschlichtet? Was hat er mit dem Buben?

Weislingen. Es geschah ohne sein Wissen.

Gotz. Warum gibt er ihn nicht wieder los?