"Johann Wolfgang Goethe. Gotz von Berlichingen mit der eisernen Hand" - читать интересную книгу автора


Gotz. Ehrwurdiger Vater, guten Abend! woher so spat? Mann der heiligen
Ruhe, Ihr beschamt viel Ritter.

Martin. Dank Euch, edler Herr! Und bin vor der Hand nur demutiger
Bruder, wenn's ja Titel sein soll. Augustin mit meinem Klosternamen, doch
hor ich am liebsten Martin, meinen Taufnamen.

Gotz. Ihr seid mude, Bruder Martin, und ohne Zweifel durstig! (Der Bub
kommt.) Da kommt der Wein eben recht.

Martin. Fur mich einen Trunk Wasser. Ich darf keinen Wein trinken.

Gotz. Ist das Euer Gelubde?

Martin. Nein, gnadiger Herr, es ist nicht wider mein Gelubde, Wein zu
trinken; weil aber der Wein wider mein Gelubde ist, so trinke ich keinen
Wein.

Gotz. Wie versteht Ihr das?

Martin. Wohl Euch, da? Ihr's nicht versteht. Essen und trinken, mein
ich, ist des Menschen Leben.

Gotz. Wohl!

Martin. Wenn Ihr gegessen und getrunken habt, seid Ihr wie neu geboren;
seid starker, mutiger, geschickter zu Euerm Geschaft. Der Wein erfreut des
Menschen Herz, und die Freudigkeit ist die Mutter aller Tugenden. Wenn Ihr
Wein getrunken habt, seid Ihr alles doppelt, was Ihr sein sollt, noch einmal
so leicht denkend, noch einmal so unternehmend, noch einmal so schnell
ausfuhrend.

Gotz. Wie ich ihn, trinke, ist es wahr.

Martin. Davon red ich auch. Aber wir -

(Georg mit Wasser.)

Gotz (zu Georg heimlich). Geh auf den Weg nach Dachsbach, und leg dich
mit dem Ohr auf die Erde, ob du nicht Pferde kommen horst, und sei gleich
wieder hier.

Martin. Aber wir, wenn wir gegessen und getrunken haben, sind wir grad
das Gegenteil von dem, was wir sein sollen. Unsere schlafrige Verdauung
stimmt den Kopf nach dem Magen, und in der Schwache einer uberfullten Ruhe
erzeugen sich Begierden, die ihrer Mutter leicht uber den Kopf wachsen.

Gotz. Ein Glas, Bruder Martin, wird Euch nicht im Schlaf storen. Ihr
seid heute viel gegangen. (Bringt's ihm.) Alle Streiter!