"Stefan Zweig. Buchmendel (Букинист. На немецком языке)" - читать интересную книгу автора

biedern Standhartner fьr achtzigtausend rasch zerblдtterte Papierkronen das
Cafй Gluck abgeschwatzt hatte. Er griff mit seinen festen Bauernhдnden
scharf zu, krempelte das altehrwьrdige Kaffeehaus hastig auf nobel um,
kaufte fьr schlechte Zettel rechtzeitig neue Fauteuils, installierte ein
Marmorportal und verhandelte bereits wegen des Nachbarlokals, um eine
Musikdiele anzubauen. Bei dieser hastigen Verschцnerung stцrte ihn natьrlich
sehr dieser galizische Schmarotzer, der tagsьber von frьh bis nachts allein
einen Tisch besetzt hielt und dabei im ganzen nur zwei Schalen Kaffee trank
und fьnf Brote verzehrte. Zwar hatte Standhartner ihm seinen alten Gast
besonders ans Herz gelegt und zu erklдren versucht, was fьr ein bedeutender
und wichtiger Mann dieser Jakob Mendel sei, er hatte ihn sozusagen bei der
Ьbergabe mit dem Inventar als ein auf dem Unternehmen lastendes Servitut
mitьbergeben. Aber Florian Gurtner hatte sich mit den neuen Mцbeln und der
blanken Aluminiumzahlkasse auch das massive Gewissen der Verdienerzeit
zugelegt und wartete nur auf einen Vorwand, um .diesen letzten lдstigen Rest
vorstдdtischer Schдbigkeit aus seinem vornehm gewordenen Lokal
hinauszukehren. Ein guter AnlaЯ schien sich bald einzustellen; denn es ging
Jakob Mendel schlecht. Seine letzten gesparten Banknoten waren zerpulvert in
der Papiermьhle der Inflation, seine Kunden hatten sich verlaufen. Und
wieder als kleiner Buchtrцdler Treppen zu steigen, Bьcher hausierend
zusammenzuraffen, dazu fehlte dem Mьdgewordenen die Kraft. Es ging ihm
elend, man merkte das an hundert kleinen Zeichen. Selten lieЯ er sich mehr
vom Gasthaus etwas herьberholen, und auch das kleinste Entgelt fьr Kaffee
und Brot blieb er immer lдnger schuldig, einmal sogar drei Wochen lang.
Schon damals wollte ihn der Oberkellner auf die StraЯe setzen. Da erbarmte
sich die brave Frau Sporschil, die Toilettenfrau, und bьrgte fьr ihn.
Aber im nдchsten Monat ereignete sich dann das Unglьck. Bereits
mehrmals hatte der neue Oberkellner bemerkt, daЯ es bei der Abrechnung nie
recht mit dem Gebдck stimmen wollte. Immer mehr Brote erwiesen sich als
fehlend, als angesagt und bezahlt waren. Sein Verdacht lenkte sich
selbstverstдndlich gleich auf Mendel; denn mehrmals war schon der alte
wacklige Dienstmann gekommen, um sich zu beschweren, Mendel sei ihm seit
einem halben Jahre die Bezahlung schuldig, und er kцnne keinen Heller
herauskriegen. So paЯte der Oberkellner jetzt besonders auf, und schon zwei
Tage spдter gelang es ihm, hinter dem Ofenschirm versteckt, Jakob Mendel zu
ertappen, wie er heimlich von seinem Tische aufstand, in das andere vordere
Zimmer hinьberging, rasch aus einem Brotkorb zwei Semmeln nahm und sie
gierig in sich hineinstopfte. Bei der Abrechnung behauptete er, keine
gegessen zu haben. Nun war das Verschwinden geklдrt. Der Kellner meldete
sofort den Vorfall Herrn Gurtner, und dieser, froh des langgesuchten
Vorwands, brьllte Mendel vor allen Leuten an, beschuldigte ihn des
Diebstahls und tat sogar noch dick, daЯ er nicht sofort die Polizei rufe.
Aber er befahl ihm, sogleich und fьr immer sich zum Teufel zu scheren. Jakob
Mendel zitterte nur, sagte nichts, stolperte auf von seinem Sitz und ging.
"Ein Jammer war's", schilderte die Frau Sporschil diesen seinen
Abschied. "Nie werd ich's vergessen, wie er aufgestanden ist, die Brille
hinaufgeschoben in die Stirn, weiЯ wie ein Handtuch. Nicht Zeit hat er sich
genommen, den Mantel anzuziehen, obwohl's Januar war, Sie wissen ja, damals
im kalten Jahr. Und sein Buch hat er liegen lassen auf dem Tisch in seinem
Schreck, ich hab's erst spдter bemerkt und wollt's ihm noch nachtragen. Aber