"Stefan Zweig. Buchmendel (Букинист. На немецком языке)" - читать интересную книгу автораden harten Eingott Jehovah verlassen, um sich der funkelnden und
tausendfдltigen Vielgцtterei der Bьcher zu ergeben. Damals hatte er zuerst ins Cafй Gluck gefunden, und allmдhlich wurde es seine Werkstatt, sein Hauptquartier, sein. Postamt, seine Welt. Wie ein Astronom einsam auf seiner Sternwarte durch den winzigen Rundspalt des Teleskops allnдchtlich die Myriaden Sterne betrachtet, ihre geheimnisvollen Gдnge, ihr wandelndes Durcheinander, ihr Verlцschen und Sichwiederentzьnden, so blickte Jakob Mendel durch seine Brille von diesem viereckigen Tisch in das andere Universum der Bьcher, das gleichfalls ewig kreisende und sich umgebдrende, in diese Welt ьber unserer Welt. Selbstverstдndlich war er hoch angesehen im Cafй Gluck, dessen Ruhm sich fьr uns mehr an sein unsichtbares Katheder knьpfte als an die Patenschaft des hohen Musikers, des Schцpfers der "Alceste" und der "Iphigenia": Christoph Willibald Gluck. Er gehцrte dort ebenso zum Inventar wie die alte Kirschholzkasse, wie die beiden arg geflickten Billarde, der kupferne Kaffeekessel, und sein Tisch wurde gehьtet wie ein Heiligtum. Denn seine zahlreichen Kundschaften und Auskundschafter wurden von dem Personal jedesmal freundlich zu irgendeiner Bestellung gedrдngt, so daЯ der grцЯere Gewinnteil seiner Wissenschaft eigentlich dem Oberkellner Deubler in die breite, hьftwдrts getragene Ledertasche floЯ. Dafьr genoЯ Buchmendel vielfache Privilegien. Das Telephon stand ihm frei, man hob ihm seine Briefe auf und besorgte alle Bestellungen; die alte, brave Toilettenfrau bьrstete ihm den Mantel, nдhte Knцpfe an und trug ihm jede Woche ein kleines Bьndel zur Wдsche. Ihm allein durfte aus dem nachbarlichen Gasthaus eine Mittagsmahlzeit geholt werden, und jeden Morgen kam der Herr Standhartner, ohne daЯ Jakob Mendel, in seine Bьcher vertieft, diesen GruЯ bemerkte). Punkt halb acht Uhr morgens trat er ein, und erst wenn man die Lichter auslцschte, verlieЯ er das Lokal. Zu den andern Gдsten sprach er nie, er las keine Zeitung, bemerkte keine Verдnderung, und als der Herr Standhartner ihn einmal hцflich fragte, ob er bei dem elektrischen Licht nicht besser lese als frьher bei dem fahlen, zuckenden Schein der Auerlampen, starrte er verwundert zu den Glьhbirnen auf: diese Verдnderung war trotz dem Lдrm und Gehдmmer einer mehrtдgigen Installation vollkommen an ihm vorbeigegangen. Nur durch die zwei runden Lцcher der Brille, durch diese beiden blitzenden und saugenden Linsen filterten sich die Milliarden schwarzer Infusorien der Lettern in sein Gehirn, alles andere Geschehen strцmte als leerer Lдrm an ihm vorbei. Eigentlich hatte er mehr als dreiЯig Jahre, also den ganzen wachen Teil seines Lebens, einzig hier an diesem viereckigen Tisch lesend, vergleichend, kalkulierend verbracht, in einem unablдssig fortgesetzten, nur vom Schlaf unterbrochenen Dauertraum. Deshalb ьberkam mich eine Art Schrecken, als ich den orakelspendenden Marmortisch Jakob Mendels leer wie eine Grabplatte in diesem Raum dдmmern sah. Jetzt erst, дlter geworden, verstand ich, wieviel mit jedem solchen Menschen verschwindet, erstlich weil alles Einmalige von Tag zu Tag kostbarer wird in unserer rettungslos einfцrmiger werdenden Welt. Und dann: der junge, unerfahrene Mensch in mir hatte aus einer tiefen Ahnung diesen Jakob Mendel sehr lieb gehabt. Und doch, ich hatte vergessen kцnnen - allerdings in den Jahren des Krieges und in einer der seinen дhnlichen Hingabe an das eigene Werk. Jetzt aber, vor diesem leeren Tische, fьhlte ich |
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