"Der schlaue Urfin und seine Holzsoldaten" - читать интересную книгу автора (Wolkow Alexander)





DER MENSCHENSCHEUE TISCHLER

Tief im Innern des gewaltigen nordamerikanischen Kontinents lag, von einer gro#223;en W#252;ste und unbezwingbaren Bergen umgeben, ein Wunderland, in dem gute und b#246;se Feen lebten und die Tiere wie Menschen sprachen. Dort war es immer Sommer, und unter der ewig hei#223;en Sonne wuchsen auf den B#228;umen ungew#246;hnliche Fr#252;chte. Im S#252;dwesten dieses Landes - man nannte es das Blaue Land - lebte das Volk der K#228;uer: sanfte, liebe Menschlein, die nicht gr#246;#223;er waren als achtj#228;hrige Knaben in anderen L#228;ndern, in denen es keine Wunder gibt.

Herrscherin im Blauen Land der K#228;uer war die b#246;se Zauberin Gingema. Sie lebte in einer tiefen finsteren H#246;hle, der sich kein Mensch zu n#228;hern wagte. Nur einer, ein Mann namens Urfin, baute sich zur Verwunderung aller ein Haus unweit der H#246;hle der Zauberin. Dieser Urfin hatte sich von klein auf durch Zanksucht von seinen Landsleuten unterschieden. Nur selten spielte er mit anderen Kindern, und wenn er es tat, forderte er von ihnen blinden Gehorsam. Meistens endeten die Spiele, an denen er teilnahm, mit einer Rauferei.

Urfins Eltern waren fr#252;h gestorben, und ein Tischler, der in dem D#246;rfchen Kogida lebte, hatte den Jungen zu sich in die Lehre genommen. W#228;hrend er heranwuchs, wurde er immer z#228;nkischer. Als er das Handwerk erlernt hatte, ging er ohne Bedauern und ohne ein Wort des Dankes von seinem Lehrmeister fort. Der brave Mann aber war ihm nicht b#246;se. Er schenkte ihm sogar Werkzeug und was ein Handwerker sonst noch f#252;r den Anfang braucht.

Aus dem Knaben war ein geschickter Tischler geworden. Er machte Tische und B#228;nke, landwirtschaftliche Ger#228;te und vieles andere. Seltsamerweise #252;bertrugen sich aber seine Boshaftigkeit und Zanksucht auf die Dinge, die er herstellte. Seine Heugabeln stie#223;en die Leute in die Rippen, die Schaufeln schlugen sie auf die K#246;pfe, und die Rechen schienen es darauf angelegt zu haben, ihren Herren zwischen die Beine zu fahren, damit sie umfielen. Urfin verlor seine K#228;ufer.

Er begann Spielsachen zu schnitzen. Seine Hasen, B#228;ren und Hirsche hatten aber solch grauenhafte K#246;pfe, da#223; die Kinder bei ihrem Anblick erschraken und dann die ganze Nacht weinten. Die Spielsachen verstaubten in Urfins Kammer, denn niemand wollte sie kaufen.

Urfn wurde bitterb#246;se. Er gab seinen Beruf auf und lie#223; sich im Dorf nicht mehr sehen. Von da an lebte er nur noch von den Fr#252;chten seines Gartens. Der menschenscheue Tischler ha#223;te seine Landsleute so sehr, da#223; er ihnen in nichts gleichen wollte. Die K#228;uer wohnten in blauen runden H#228;uschen mit spitzen D#228;chern, auf denen oben Kristallkugeln glitzerten. Urfin aber baute sich ein viereckiges Haus, das er braun anstrich und auf dessen Dach er einen ausgestopften Adler setzte. Die K#228;uer trugen blaue R#246;cke und blaue Stulpenstiefel, Urfins Rock und Stiefel aber waren gr#252;n. Die K#228;uer trugen Spitzh#252;te mit breiten Krempen, an denen Silberschellen baumelten, Urfin aber mochte keine Schellen und trug einen Hut ohne Krempe. Die weichherzigen K#228;uer weinten bei jedem Anla#223;, in Urfins b#246;sen Augen aber hatte noch niemand eine Tr#228;ne gesehen.

So vergingen mehrere Jahre. Eines Tages begab sich Urfin zu Gingema und bat sie, ihn in ihre Dienste zu nehmen. Die Hexe freute sich sehr dar#252;ber. Seit Jahrhunderten hatte sich noch kein K#228;uer gefunden, der ihr aus freien St#252;cken zu dienen bereit gewesen w#228;re. Alle ihre Befehle waren nur unter Androhung von Strafe ausgef#252;hrt worden. Jetzt hatte sie endlich einen Helfer bekommen, der ihr gern gehorchte. Und je schlimmer ihre Befehle f#252;r die K#228;uer waren, desto beflissener #252;berbrachte sie Urfin den Leuten. Dem m#252;rrischen Tischler war es ein besonderes Vergn#252;gen, durch die kleinen D#246;rfer des Blauen Landes zu ziehen und den Einwohnern Steuern aufzuerlegen: so und so viele Schlangen, M#228;use, Fr#246;sche, Blutegel und Spinnen.

Die K#228;uer aber hatten schreckliche Angst vor Schlangen, Spinnen und Blutegeln. Wenn ihnen befohlen wurde, solches Gekreuch einzusammeln, begannen die Menschlein j#228;mmerlich zu schluchzen. Dabei nahmen sie die H#252;te ab und legten sie auf die Erde, damit das L#228;uten der Schellen sie beim Weinen nicht st#246;re. Urfin aber lachte nur h#246;hnisch. Zur festgesetzten Stunde kam er mit gro#223;en K#246;rben anger#252;ckt, sammelte alles ein und trug es in die H#246;hle Gingemas, die die Schlangen, Spinnen und Blutegel verzehrte oder f#252;r ihre b#246;sen Zaubereien verwendete.

Gingema ha#223;te das ganze Menschengeschlecht und beschlo#223;, es zu vernichten. Zu diesem Zweck beschwor sie einen schrecklichen Sturm herauf, den sie #252;ber Berge und W#252;sten hinweg in die St#228;dte und D#246;rfer lenkte, damit er sie zerst#246;re und die Menschen unter ihren Tr#252;mmern begrabe.

Das t#252;ckische Vorhaben wurde jedoch durch die gute Zauberin Willina vereitelt, die im Nordwesten des Wunderlandes lebte. Der Sturm erfa#223;te nur ein kleines H#228;uschen in der Steppe von Kansas: einen Packwagen, dem man die R#228;der abgenommen hatte. Auf Willinas Befehl trug der Sturm das H#228;uschen in das Land der K#228;uer und lie#223; es auf Gingema niedergehen, die dabei umkam.

Wie staunte aber Willina, als sie im H#228;uschen ein M#228;delchen erblickte! Es war die kleine Elli, die mit ihrem geliebten H#252;ndchen Totoschka vor dem Gewitter in das H#228;uschen gefl#252;chtet war.

Willina wu#223;te nicht, wie sie Elli helfen sollte, in ihre Heimat zur#252;ckzukehren. Sie riet ihr, in die Smaragdenstadt, die Hauptstadt des Wunderlandes, zu ziehen, wo man ihr bestimmt helfen werde.

#220;ber den Herrscher der -Smaragdenstadt, Goodwin den Gro#223;en und Schrecklichen, gingen verschiedene Ger#252;chte um. Es, mache ihm nichts aus, hie#223; es, die Felder mit Feuerregen zu verbrennen oder die H#228;user der Menschen mit Ratten und Fr#246;schen zu #252;berschwemmen. Deshalb sprachen die Leute nur fl#252;sternd von ihm, denn sie hatten Angst, ihn durch ein unvorsichtiges Wort zu reizen.

Elli folgte dem Rat der guten Fee und machte sich auf den Weg, in der Hoffnung, Goodwin werde sich nicht als so schrecklich erweisen, wie die Leute sagten, und er werde ihr helfen, nach Kansas zur#252;ckzukehren.

Den menschenscheuen Urfin hatte das M#228;dchen niemals gesehen. An dem Tag, als das H#228;uschen Gingema get#246;tet hatte, war der Tischler nicht dagewesen. Er hatte sich damals im Auftrag der Zauberin nach einem entlegenen Teil des Blauen Landes aufgemacht. Die Nachricht vom Tod seiner Herrin #228;rgerte und freute ihn zugleich. Er bedauerte es, eine so

m#228;chtige Besch#252;tzerin verloren zu haben, hoffte aber, in den Besitz ihres Reichtums und ihrer Macht zu gelangen.

In der Umgebung der H#246;hle gab es keine Menschen, und Elli und Totoschka befanden sich gerade auf dem Weg in die Smaragdenstadt.

Urfin kam der Gedanke, sich in der H#246;hle niederzulassen und sich zum Nachfolger Gingemas und Herrscher des Blauen Landes auszurufen. Die #228;ngstlichen K#228;uer w#252;rden es hinnehmen und nicht zu murren wagen.

Die verr#228;ucherte H#246;hle mit B#252;ndeln getrockneter M#228;use an den W#228;nden, einem ausgestopften Krokodil unter der Decke und anderem Hexenkram war aber so na#223; und dunkel, da#223; Urfin erschauerte. „Brr! In diesem Loch soll ich leben? Niemals!"

Er begann nach den silbernen Schuhen zu suchen, die, wie er wu#223;te, der Hexe besonders teuer gewesen waren. Vergeblich durchst#246;berte er aber die H#246;hle - die Schuhe waren nicht zu finden.

„Uf-uf-uf !" h#246;rte er pl#246;tzlich eine h#246;hnische Stimme #252;ber sich, die ihn erzittern lie#223;. Von einer hohen Stange blickten zwei gelbe Augen auf ihn herab, die im Dunkel leuchteten.

,,Bist du es, Guam, die Eule?"

„Nicht Guam, sondern Guamokolatokint", entgegnete barsch der Vogel.

„Und wo sind die anderen Eulen?"

„Fortgeflogen!"

„Warum bist du biergeblieben?"

„Was soll ich denn im Walde tun? Vielleicht V#246;gel fangen wie die gew#246;hnlichen Eulen und Uhus ...? F#252;r diese anstrengende Besch#228;ftigung bin ich zu alt und zu klug!" Urfin kam eine Idee.

„H#246;r mal, Guam ..." Die Eule schwieg. „Guamoko ... Guamokolatokint!" „Sprich!"

„Willst du bei mir bleiben? Ich werde dich mit M#228;usen und zarten K#252;cken f#252;ttern." „Wohl nicht umsonst?" entgegnete der kluge Vogel.

„Wenn die Leute sehen, da#223; du mir dienst, werden sie glauben, ich sei ein Zauberer."

„Keine schlechte Idee", stellte die Eule fest. „Nun gut, ich bin einverstanden. Als erstes

will ich dir sagen, da#223; du die silbernen Schuhe vergeblich suchst. Die hat ein kleines Tier

namens Totoschka fortgetragen, dessen Art mir unbekannt ist."

Die Eule blickte Urfin scharf an und fragte dann:

„Und wann beginnst du Fr#246;sche und Blutegel zu essen?"

„Was?" fragte Urfin erstaunt. „Blutegel essen? Wozu das?"

„Weil es sich f #252;r b#246;se Zauberer so geh#246;rt! Erinnerst du dich denn nicht, wie gewissenhaft Gingema M#228;use a#223; und danach Blutegel verschlang?"

Urfin bekam eine G#228;nsehaut. Das Essen der alten Hexe hatte bei ihm stets Ekel hervor­gerufen. Er erinnerte sich, wie er w#228;hrend ihrer Mahlzeiten stets unter irgendeinem Vorwand die H#246;hle zu verlassen pflegte.

„H#246;re, Guamoko ... Guamokolatokint", sagte er schmeichelnd, „mu#223; es denn sein?" „Ich hab's dir gesagt, das Weitere ist deine Sache", erwiderte der Vogel.

Seufzend packte Urfin einige Habseligkeiten der Zauberin ein, setzte die Eule auf seine Schulter und ging nach Hause.

Die K#228;uer, die ihm unterwegs begegneten, sprangen beim Anblick seines verdrossenen Gesichtes erschrocken zur Seite.

Urfin teilte von jetzt an sein Haus mit der Eule. Er kam mit keinem Menschen zusammen, liebte niemanden und wurde von niemandem geliebt.


SCHLUSS

Es vergingen ein paar Tage. Die Holzk#246;pfe, die sich in flei#223;ige Heger verwandelt hatten, wurden in die W#228;lder des Landes der K#228;uer geschickt mit dem Auftrag, die S#228;belzahntiger auszurotten. Binnen kurzer Zeit hatten sie's geschafft.

Jetzt konnten Elli und Charlie Black die Heimreise antreten, denn der Weg durch das Land der K#228;uer war frei.

Der Scheuch, der Holzf#228;ller und der L#246;we beschlossen, sich am Stadttor von ihren Freunden zu trennen, wie ihnen Charlie Black geraten hatte. Denn ein langer Abschied mache das Scheiden nur schwerer, meinte er.

Die drei beneideten Kaggi-Karr, die Elli durch das Land der K#228;uer und weiter durch die W#252;ste begleiten konnte.

Den Hut des Herrschers der Smaragdenstadt schm#252;ckte ein gro#223;er Smaragd, ein Geschenk seiner dankbaren Untertanen.

„Elli", sagte der Scheuch, „nimm den gl#228;nzenden Stein von meinem Hut." Etwas verwundert l#246;ste Elli den Smaragd vom Hut und reichte ihn dem Scheuch. „Ich brauche das Ding nicht", sagte der Herrscher der Smaragdenstadt. „Gib es dem Riesen zum Andenken."

Charlie nahm ger#252;hrt den kostbaren Stein an und steckte ihn behutsam in die Tasche.

Mit Tr#228;nen in den Augen streichelte Elli das liebe Gesicht des Scheuchs, umarmte den

funkelnden Holzf#228;ller und liebkoste mit ihren kleinen Fingern die M#228;hne des L#246;wen. Mit

vielen z#228;rtlichen Worten verabschiedete sie sich von ihren treuen Freunden.

Zum letzten Mal umarmten die drei Herrscher des Wunderlandes Elli und Totoschka und

sch#252;ttelten Charlie herzlich die Hand. Dann verabschiedeten sich Elli, Charlie und

Totoschka vom H#252;ter des Tores und gaben ihm die gr#252;nen Brillen zur#252;ck.

Faramant legte sie in einen kleinen Wandschrank und sagte:

„Ich werde sie hier bis zu eurer R#252;ckkehr aufbewahren."

„Glaubst du, da#223; wir wiederkommen?" fragte Elli. „Wer wei#223;?" gab Faramant zur

Antwort.