"Der schlaue Urfin und seine Holzsoldaten" - читать интересную книгу автора (Wolkow Alexander)





DER MENSCHENSCHEUE TISCHLER

Tief im Innern des gewaltigen nordamerikanischen Kontinents lag, von einer gro#223;en W#252;ste und unbezwingbaren Bergen umgeben, ein Wunderland, in dem gute und b#246;se Feen lebten und die Tiere wie Menschen sprachen. Dort war es immer Sommer, und unter der ewig hei#223;en Sonne wuchsen auf den B#228;umen ungew#246;hnliche Fr#252;chte. Im S#252;dwesten dieses Landes - man nannte es das Blaue Land - lebte das Volk der K#228;uer: sanfte, liebe Menschlein, die nicht gr#246;#223;er waren als achtj#228;hrige Knaben in anderen L#228;ndern, in denen es keine Wunder gibt.

Herrscherin im Blauen Land der K#228;uer war die b#246;se Zauberin Gingema. Sie lebte in einer tiefen finsteren H#246;hle, der sich kein Mensch zu n#228;hern wagte. Nur einer, ein Mann namens Urfin, baute sich zur Verwunderung aller ein Haus unweit der H#246;hle der Zauberin. Dieser Urfin hatte sich von klein auf durch Zanksucht von seinen Landsleuten unterschieden. Nur selten spielte er mit anderen Kindern, und wenn er es tat, forderte er von ihnen blinden Gehorsam. Meistens endeten die Spiele, an denen er teilnahm, mit einer Rauferei.

Urfins Eltern waren fr#252;h gestorben, und ein Tischler, der in dem D#246;rfchen Kogida lebte, hatte den Jungen zu sich in die Lehre genommen. W#228;hrend er heranwuchs, wurde er immer z#228;nkischer. Als er das Handwerk erlernt hatte, ging er ohne Bedauern und ohne ein Wort des Dankes von seinem Lehrmeister fort. Der brave Mann aber war ihm nicht b#246;se. Er schenkte ihm sogar Werkzeug und was ein Handwerker sonst noch f#252;r den Anfang braucht.

Aus dem Knaben war ein geschickter Tischler geworden. Er machte Tische und B#228;nke, landwirtschaftliche Ger#228;te und vieles andere. Seltsamerweise #252;bertrugen sich aber seine Boshaftigkeit und Zanksucht auf die Dinge, die er herstellte. Seine Heugabeln stie#223;en die Leute in die Rippen, die Schaufeln schlugen sie auf die K#246;pfe, und die Rechen schienen es darauf angelegt zu haben, ihren Herren zwischen die Beine zu fahren, damit sie umfielen. Urfin verlor seine K#228;ufer.

Er begann Spielsachen zu schnitzen. Seine Hasen, B#228;ren und Hirsche hatten aber solch grauenhafte K#246;pfe, da#223; die Kinder bei ihrem Anblick erschraken und dann die ganze Nacht weinten. Die Spielsachen verstaubten in Urfins Kammer, denn niemand wollte sie kaufen.

Urfn wurde bitterb#246;se. Er gab seinen Beruf auf und lie#223; sich im Dorf nicht mehr sehen. Von da an lebte er nur noch von den Fr#252;chten seines Gartens. Der menschenscheue Tischler ha#223;te seine Landsleute so sehr, da#223; er ihnen in nichts gleichen wollte. Die K#228;uer wohnten in blauen runden H#228;uschen mit spitzen D#228;chern, auf denen oben Kristallkugeln glitzerten. Urfin aber baute sich ein viereckiges Haus, das er braun anstrich und auf dessen Dach er einen ausgestopften Adler setzte. Die K#228;uer trugen blaue R#246;cke und blaue Stulpenstiefel, Urfins Rock und Stiefel aber waren gr#252;n. Die K#228;uer trugen Spitzh#252;te mit breiten Krempen, an denen Silberschellen baumelten, Urfin aber mochte keine Schellen und trug einen Hut ohne Krempe. Die weichherzigen K#228;uer weinten bei jedem Anla#223;, in Urfins b#246;sen Augen aber hatte noch niemand eine Tr#228;ne gesehen.

So vergingen mehrere Jahre. Eines Tages begab sich Urfin zu Gingema und bat sie, ihn in ihre Dienste zu nehmen. Die Hexe freute sich sehr dar#252;ber. Seit Jahrhunderten hatte sich noch kein K#228;uer gefunden, der ihr aus freien St#252;cken zu dienen bereit gewesen w#228;re. Alle ihre Befehle waren nur unter Androhung von Strafe ausgef#252;hrt worden. Jetzt hatte sie endlich einen Helfer bekommen, der ihr gern gehorchte. Und je schlimmer ihre Befehle f#252;r die K#228;uer waren, desto beflissener #252;berbrachte sie Urfin den Leuten. Dem m#252;rrischen Tischler war es ein besonderes Vergn#252;gen, durch die kleinen D#246;rfer des Blauen Landes zu ziehen und den Einwohnern Steuern aufzuerlegen: so und so viele Schlangen, M#228;use, Fr#246;sche, Blutegel und Spinnen.

Die K#228;uer aber hatten schreckliche Angst vor Schlangen, Spinnen und Blutegeln. Wenn ihnen befohlen wurde, solches Gekreuch einzusammeln, begannen die Menschlein j#228;mmerlich zu schluchzen. Dabei nahmen sie die H#252;te ab und legten sie auf die Erde, damit das L#228;uten der Schellen sie beim Weinen nicht st#246;re. Urfin aber lachte nur h#246;hnisch. Zur festgesetzten Stunde kam er mit gro#223;en K#246;rben anger#252;ckt, sammelte alles ein und trug es in die H#246;hle Gingemas, die die Schlangen, Spinnen und Blutegel verzehrte oder f#252;r ihre b#246;sen Zaubereien verwendete.

Gingema ha#223;te das ganze Menschengeschlecht und beschlo#223;, es zu vernichten. Zu diesem Zweck beschwor sie einen schrecklichen Sturm herauf, den sie #252;ber Berge und W#252;sten hinweg in die St#228;dte und D#246;rfer lenkte, damit er sie zerst#246;re und die Menschen unter ihren Tr#252;mmern begrabe.

Das t#252;ckische Vorhaben wurde jedoch durch die gute Zauberin Willina vereitelt, die im Nordwesten des Wunderlandes lebte. Der Sturm erfa#223;te nur ein kleines H#228;uschen in der Steppe von Kansas: einen Packwagen, dem man die R#228;der abgenommen hatte. Auf Willinas Befehl trug der Sturm das H#228;uschen in das Land der K#228;uer und lie#223; es auf Gingema niedergehen, die dabei umkam.

Wie staunte aber Willina, als sie im H#228;uschen ein M#228;delchen erblickte! Es war die kleine Elli, die mit ihrem geliebten H#252;ndchen Totoschka vor dem Gewitter in das H#228;uschen gefl#252;chtet war.

Willina wu#223;te nicht, wie sie Elli helfen sollte, in ihre Heimat zur#252;ckzukehren. Sie riet ihr, in die Smaragdenstadt, die Hauptstadt des Wunderlandes, zu ziehen, wo man ihr bestimmt helfen werde.

#220;ber den Herrscher der -Smaragdenstadt, Goodwin den Gro#223;en und Schrecklichen, gingen verschiedene Ger#252;chte um. Es, mache ihm nichts aus, hie#223; es, die Felder mit Feuerregen zu verbrennen oder die H#228;user der Menschen mit Ratten und Fr#246;schen zu #252;berschwemmen. Deshalb sprachen die Leute nur fl#252;sternd von ihm, denn sie hatten Angst, ihn durch ein unvorsichtiges Wort zu reizen.

Elli folgte dem Rat der guten Fee und machte sich auf den Weg, in der Hoffnung, Goodwin werde sich nicht als so schrecklich erweisen, wie die Leute sagten, und er werde ihr helfen, nach Kansas zur#252;ckzukehren.

Den menschenscheuen Urfin hatte das M#228;dchen niemals gesehen. An dem Tag, als das H#228;uschen Gingema get#246;tet hatte, war der Tischler nicht dagewesen. Er hatte sich damals im Auftrag der Zauberin nach einem entlegenen Teil des Blauen Landes aufgemacht. Die Nachricht vom Tod seiner Herrin #228;rgerte und freute ihn zugleich. Er bedauerte es, eine so

m#228;chtige Besch#252;tzerin verloren zu haben, hoffte aber, in den Besitz ihres Reichtums und ihrer Macht zu gelangen.

In der Umgebung der H#246;hle gab es keine Menschen, und Elli und Totoschka befanden sich gerade auf dem Weg in die Smaragdenstadt.

Urfin kam der Gedanke, sich in der H#246;hle niederzulassen und sich zum Nachfolger Gingemas und Herrscher des Blauen Landes auszurufen. Die #228;ngstlichen K#228;uer w#252;rden es hinnehmen und nicht zu murren wagen.

Die verr#228;ucherte H#246;hle mit B#252;ndeln getrockneter M#228;use an den W#228;nden, einem ausgestopften Krokodil unter der Decke und anderem Hexenkram war aber so na#223; und dunkel, da#223; Urfin erschauerte. „Brr! In diesem Loch soll ich leben? Niemals!"

Er begann nach den silbernen Schuhen zu suchen, die, wie er wu#223;te, der Hexe besonders teuer gewesen waren. Vergeblich durchst#246;berte er aber die H#246;hle - die Schuhe waren nicht zu finden.

„Uf-uf-uf !" h#246;rte er pl#246;tzlich eine h#246;hnische Stimme #252;ber sich, die ihn erzittern lie#223;. Von einer hohen Stange blickten zwei gelbe Augen auf ihn herab, die im Dunkel leuchteten.

,,Bist du es, Guam, die Eule?"

„Nicht Guam, sondern Guamokolatokint", entgegnete barsch der Vogel.

„Und wo sind die anderen Eulen?"

„Fortgeflogen!"

„Warum bist du biergeblieben?"

„Was soll ich denn im Walde tun? Vielleicht V#246;gel fangen wie die gew#246;hnlichen Eulen und Uhus ...? F#252;r diese anstrengende Besch#228;ftigung bin ich zu alt und zu klug!" Urfin kam eine Idee.

„H#246;r mal, Guam ..." Die Eule schwieg. „Guamoko ... Guamokolatokint!" „Sprich!"

„Willst du bei mir bleiben? Ich werde dich mit M#228;usen und zarten K#252;cken f#252;ttern." „Wohl nicht umsonst?" entgegnete der kluge Vogel.

„Wenn die Leute sehen, da#223; du mir dienst, werden sie glauben, ich sei ein Zauberer."

„Keine schlechte Idee", stellte die Eule fest. „Nun gut, ich bin einverstanden. Als erstes

will ich dir sagen, da#223; du die silbernen Schuhe vergeblich suchst. Die hat ein kleines Tier

namens Totoschka fortgetragen, dessen Art mir unbekannt ist."

Die Eule blickte Urfin scharf an und fragte dann:

„Und wann beginnst du Fr#246;sche und Blutegel zu essen?"

„Was?" fragte Urfin erstaunt. „Blutegel essen? Wozu das?"

„Weil es sich f #252;r b#246;se Zauberer so geh#246;rt! Erinnerst du dich denn nicht, wie gewissenhaft Gingema M#228;use a#223; und danach Blutegel verschlang?"

Urfin bekam eine G#228;nsehaut. Das Essen der alten Hexe hatte bei ihm stets Ekel hervor­gerufen. Er erinnerte sich, wie er w#228;hrend ihrer Mahlzeiten stets unter irgendeinem Vorwand die H#246;hle zu verlassen pflegte.

„H#246;re, Guamoko ... Guamokolatokint", sagte er schmeichelnd, „mu#223; es denn sein?" „Ich hab's dir gesagt, das Weitere ist deine Sache", erwiderte der Vogel.

Seufzend packte Urfin einige Habseligkeiten der Zauberin ein, setzte die Eule auf seine Schulter und ging nach Hause.

Die K#228;uer, die ihm unterwegs begegneten, sprangen beim Anblick seines verdrossenen Gesichtes erschrocken zur Seite.

Urfin teilte von jetzt an sein Haus mit der Eule. Er kam mit keinem Menschen zusammen, liebte niemanden und wurde von niemandem geliebt.


Dritter Teil Der Sieg

GEGEN DEN FEIND

Enkin Fled, Urfins Statthalter im Lande der Zwinkerer, war ein kleiner dicker Mann mit rotem struppigem Haar. Er war mit einem Zug violetter Soldaten unter F#252;hrung von Unteroffizier Elved in das Land eingefallen und hatte es leicht erobert, denn die Zwinkerer waren zwar gro#223;artige Schmiede und Schlosser, besa#223;en aber noch weniger Kampfgeist als die K#228;uer.

Nach der Einnahme des Violetten Schlosses jagte Enkin die Dienerschaft fort, die schon zu Bastindas Zeiten dort gewesen war, und behielt nur die K#246;chin Fregosa, die schmackhafte Speisen zu bereiten verstand, was dem Statthalter sehr gefiel, da er gern viel und gut a#223;. Im Lande der Zwinkerer #252;berkam Fled pl#246;tzlich eine unbezwingbare Gier nach Waffen. Wenn er einen Dolch oder einen Degen sah, begannen seine Augen fiebrig zu gl#228;nzen. Nachdem Einzug in das Violette Schlo#223; befahl er den Landesbewohnern, alle Schwerter, Dolche und Messer, selbst die K#252;chenmesser, bei ihm abzugeben. Zu diesem Befehl veranla#223;te ihn auch der Umstand, da#223; er einen Auf stand bef#252;rchtete und das Volk daher entwaffnen wollte.

Die Zwinkerer besa#223;en keine Schwerter. Unter den abgelieferten Gegenst#228;nden fand Enkin Fled aber zwei alte Dolche, die ihn durch den Glanz der Klingen und die kunstreich geschnitzten Griffe entz#252;ckten. Der Statthalter bestellte die besten Schmiede des Landes zu sich.

„Woher kommt das?" fragte er sie und zeigte auf die Dolche.

„Sie sind aus alten Zeiten, als noch in unserem Lande Kriege gef#252;hrt wurden", erwiderte

der #196;lteste der Schmiede.

„K#246;nnt ihr solche Dolche machen?"

„Wir sind schon mit viel schwierigeren Arbeiten fertig geworden", erwiderte der Meister. „Wir haben unseren Herrscher, den Herrn Holzf#228;ller, repariert, obwohl er einen sehr komplizierten Mechanismus hat. Aber wozu braucht Ihr denn Dolche, Fleisch l#228;#223;t sich ja viel besser mit einem K#252;chenmesser schneiden?" Enkin Fled duldete jedoch keinen Widerspruch.

„Mund halten!" schrie er und trampelte mit den F#252;#223;en, wor#252;ber die erschrockenen Zwinkerer noch schneller mit den Lidern zwinkerten. „Ihr macht mir f#252;nf, nein, zehn solcher Dolche, und da#223; mir jeder ein anderes Schnitzmuster hat! Ich geb euch eine Woche Frist. Wenn ihr's bis dahin nicht schafft, sollt ihr mich kennenlernen!" Die Schmiede legten alle anderen Arbeiten beiseite und brachten zum Termin die Dolche ins Schlo#223;. Fled hing sie an die Wand in der gro#223;en Schlo#223;halle auf einen Teppich und erg#246;tzte sich an dem Anblick. Dann sagte er sich aber, da#223; mehr Dolche das Bild noch viel eindrucksvoller machen w#252;rden.

Von jenem Tag an gab er den Schmieden keine Ruhe. Sie durften nichts anderes tun, als Dolche, Schwerter, S#228;bel und Degen herstellen . . .

Der Statthalter verbrachte ganze Tage in der Halle, wo er seine Waffensammlung st#228;ndig neu ordnete . . .

Bald nahm er ein Schwert, bald einen Dolch in die Hand und begann, die kurzen Beine gespreizt, in der Luft herumzufuchteln. Dabei stellte er sich vor, da#223; er mit einem Zauberer oder einem schrecklichen Ungeheuer k#228;mpfe.

In Wirklichkeit f#252;rchtete er sich aber selbst vor einem Schaf, und nur unter dem Schutz der grimmigen Holzk#246;pfe f#252;hlte er sich sicher.

Elli und ihre Gef#228;hrten zogen auf dem gleichen Weg nach Osten, der sie im vorigen Jahr zu Bastinda gef#252;hrt hatte. Jetzt sollten sie sich jedoch mit einem anderen Feind messen, mit Enkin Fled und seinen Holzk#246;pfen.

Ellis Befreiungsarmee bestand aus nur zwei K#228;mpfern: dem Eisernen Holzf#228;ller und dem Tapferen L#246;wen. Freilich wogen deren Mut und Kraft viele einfache Soldaten auf. Die Schar #252;berwand schnell das steinige Hochland, das zwischen dem Smaragdenland und dem Land der Zwinkerer lag.

Freudig lauschte der Eiserne Holzf#228;ller den Schl#228;gen seines Herzens, w#228;hrend der Scheuch Rechenexempel im Kopf l#246;ste, die Elli ihm aufgeben musste. Schlie#223;lich kamen sie an den Ort, wo der Eiserne Holzf#228;ller vor einigen Monaten bei der Arbeit unterbrochen worden war, als er eine Stra#223;e zur Smaragdenstadt anlegte. An dieser Stelle hatte Kaggi-Karr dem Holzf#228;ller die Botschaft des Scheuchs #252;berbracht, hier lag auch noch der Hammer, den der eiserne Mann weggeworfen hatte, als er seinem Freund zu Hilfe eilte. Niemand brauchte den Hammer, auch h#228;tte ihn niemand au#223;er dem Eisernen Holzf#228;ller aufheben k#246;nnen.

Jetzt ergriff er ihn wieder und schwang ihn in der Luft, da#223; es nur so pfiff. Die Gef#228;hrten schauten dem Holzf#228;ller bewundernd zu. „Daf#252;r langt meine Kraft noch", sagte der eiserne Mann schlicht. „Die Holzk#246;pfe sollen sich aber in acht nehmen?" rief drohend der Scheuch.


ULTIMATUM

Dort, wo die gute Stra#223;e zum Violetten Schlo#223; begann, wollte die Schar vor dem Kampf ausruhen. Kaggi-Karr schickte sich an, einen kleinen Spatzen, der im Gras K#246;rner pickte, auf Kundschaft auszusenden, #252;berlegte sich's aber, weil ihr die Aufgabe f#252;r einen Spatzen zu verantwortlich schien.

„Ich fliege lieber selber hin", sagte sie, „und schaue mal nach, wieviel Soldaten Urfin hergeschickt hat." Die Kr#228;he l#252;ftete bereits die Fl#252;gel, als Din Gior, den der Scheuch zum Feldmarschall bef#246;rdert hatte, ihr zu warten gebot.

„Wir m#252;ssen dem Feind eine Herausforderung schicken", sagte er, seinen wallenden Bart k#228;mmend.

„Es ist besser, wenn wir ihn unerwartet #252;berfallen", entgegnete Kaggi-Karr. „#220;berraschung entscheidet oft den Ausgang des Kampfes."

„Was der Feldmarschall sagt, ist richtig", mischte sich der Scheuch ein. „Wir tun besser daran, den Feind auf offenem Feld zu begegnen, sonst k#246;nnte er sich in seinem Schlo#223; verrammeln und wir m#252;#223;ten es belagern, was gar nicht so einfach ist. Ich wei#223;es aus eigener Erfahrung."

„Und wenn sich Enkin Fled nicht auf offenem Felde schlagen will?" fragte Charlie Black, der zum Stabschef ernannt worden war.

„Wir werden ein Schreiben an ihn richten, das wird ihn dazu veranlassen", versicherte der Feldmarschall „Ich kenne Fled, er ist schrecklich eitel." Der Oberbefehlshaber und seine Gehilfen setzten sich hin, die Herausforderung abzufassen. Sie stritten lange #252;ber den Wortlaut, doch schlie#223;lich einigten sie sich und schrieben ihn auf ein Blatt Papier, das sich bei Charlie Black gefunden hatte. Kaggi-Karr brach, den Brief im Schnabel, zum Violetten Schlo#223; auf.

Zum hundertsten Male wohl h#228;ngte Enkin Fled seine Waffen um, als die K#246;chin Fregosa eintrat.

„Herr Statthalter", sagte sie, „ein Perla . . . Parlai . . . Perlaturmar w#252;nscht Euch zu sprechen."

„Wer?" br#252;llte Fled, ungehalten #252;ber die St#246;rung.

„Ich hab's nicht verstanden", sagte Fregosa zur#252;ckweichend. „Aber jemand will Euch sprechen."

„La#223; ihn rein!" befahl der Statthalter und nahm vorsichtshalber einen scharfen Dolch in die Hand.

Die T#252;r #246;ffnete sich, und in den Saal stelzte mit wichtiger Miene die Kr#228;he. Fled begann zu lachen.

„Ha-ha-ha, du bist also der Perlamantur?"

„Verzeihung", entgegnete Kaggi-Karr eisig, flog auf den Tisch und legte den Brief neben sich. „Ich bin der Parlament#228;r des Oberbefehlshabers Din Gior." Enkin war #252;ber die klare Sprache der Kr#228;he so verbl#252;fft, da#223; er den Vogel mit „Sie" anzureden begann.

„Aber h#246;ren Sie mal, wer ist denn dieser Oberbefehlshaber Din Gior? Ich kenne nur eine Armee, die meines Herrschers, des m#228;chtigen K#246;nigs Urfin I., deren Befehlshaber General Lan Pirot ist."

„Lest dieses Ultimatum, und Ihr werdet alles verstehen", erwiderte Kaggi-Karr kurz und flog auf den Schrank, wo sie sich sicherer f#252;hlte.

Enkin entfaltete das Blatt, und als er zu lesen begann, bekam er einen roten Kopf. Das Schreiben lautete:


ULTIMATUM"

Wir, die Unterzeichner, der Weise Scheuch, Herrscher der Smaragdenstadt, und Feldmarschall Din Gior, der Oberbefehlshaber der Befreiungsarmee, stellen Euch, Enkin Fled, Statthalter des sogenannten K#246;nigs Urfin I, anheim, Eure Soldaten zu entwaffnen und uns das Violette Schlo#223; kampflos zu #252;bergeben. Tut Ihr es, wird die Strafe f#252;r den von Euch begangenen Hochverrat lediglich darin bestehen, da#223; Ihr zehn Jahre lang Steine zerkleinern und die Stra#223;en im Lande der Zwinkerer pflastern werdet. Lehnt Ihr aber dieses f#252;r Euch vorteilhafte Angebot ab, so fordern wir Euch auf, uns auf offenem Feld entgegenzutreten. Obwohl wir Euren Streitkr#228;ften nur einen einzigen K#228;mpfer entgegenzustellen haben, glauben wir fest an unseren Sieg, denn wir k#228;mpfen f#252;r die Freiheit, gegen Euren Herrscher, den Thronr#228;uber, der sich K#246;nig Urfin nennt.

IM AUFTRAG DES WEISEN SCHEUCHS UND DES FELDMARSCHALLS DIN GIOR GEZEICHNET VON CHARLIE BLACK."

Enkin wand sich vor Lachen.

„H#246;rt! H#246;rt! Eine Armee! Aus einem einzigen Soldaten! Ein Soldat und ein Haufen von Befehlshabern! Und dabei bilden sie sich ein, mich, den Statthalter Seiner Majest#228;t, des m#228;chtigen K#246;nigs Urfin I, schlagen zu k#246;nnen! So eine Frechheit! Mir, Enkin Fled, anheimzustellen, ich soll mich ergeben und Stra#223;en pflastern gehen. Ha-ha-ha! He, Sie! Parlament#228;r! Bestellen Sie Ihren Herren, da#223; ich ihnen auf offenem Feld entgegentreten, sie zerschmettern und gefangennehmen werde. Ja, sie sollen bei mir Steine zerkleinern und die Stra#223;en pflastern!"

Darauf hatte Kaggi-Karr nur gewartet. Sie verlie#223; augenblicklich das Schlo#223;, w#228;hrend der Statthalter den Unteroffizier Elved zu sich rief und ihm befahl, seine Soldaten in Gefechtsordnung aufzustellen.

Der Eiserne Holzf#228;ller erwartete den Feind auf offenem Feld, etwa eine Meile vor dem Violetten Schlo#223;. Er stand ungezwungen da, den Hammer bei Fu#223;, und sah durchaus nicht wie ein gef#228;hrlicher Gegner aus. Elli, Totoschka, der Scheuch, Charlie Black, Din Gior und Faramant befanden sich unbewaffnet in einiger Entfernung. Allerdings hielt der Seemann sein Lasso wurfbereit.

Der Tapfere L#246;we, dessen Fell vom gelben Sand nicht zu unterscheiden war, hatte sich hinter einem Felsen verborgen und war bereit einzugreifen, falls Enkin Fled List und T#252;cke anwenden sollte.

Die Erde erdr#246;hnte unter dem Gestampfe der herannahenden Holzk#246;pfe. Als sie den einsamen Gegner erblickten, verzogen sich ihre grimmigen Gesichter zu einem triumphierenden Grinsen, und die roten Glasaugen begannen blutr#252;nstig zu funkeln. Dem Zug voran schritt der rotgesichtige Unteroffizier Elved, und als letzter Enkin Fled, der Statthalter, der in einer Hand ein Schwert und in der anderen einen Dolch schwang.

EINER GEGEN ELF

Rregosa hatte dem Gespr#228;ch zwischen dem Statthalter und der Kr#228;he gelauscht, und die Kunde, da#223; Urfins Holzk#246;pfe sic h mit einem K#228;mpfer der Befreiungsarmee schlagen w#252;rden, verbreitete sich schnell im ganzen Lande. Zwinkerer und Zwinkerinnen str#246;mten in Scharen zur Kampfst#228;tte und verbargen sich hinter den Felsen. Liebevoll schauten sie zum Holzf#228;ller, ihrem ehemaligen Herrscher, hin#252;ber.

Als Enkin Fled des eisernen Mannes ansichtig wurde, tief ihm ein kalter Schauer #252;ber den R#252;cken. Er wu#223;te, wie stark der Gegner war, hoffte aber dennoch, ihn zu besiegen. Erstens, weil der Holzf#228;ller seine Axt nicht bei sich hatte, und zweitens, weil er gegen eine #220;bermacht von elf Mann zu k#228;mpfen haben w#252;rde.

Als sich die Gegner gegen#252;berstanden, befahl Elved seinen Soldaten, den Feind einzukreisen und ihn mit den Holzkn#252;ppeln niederzuschlagen, w#228;hrend er selbst im Hintergrund blieb.

Eine erbitterte Schlacht begann. Die Kn#252;ppel trafen den eisernen K#246;rper des Holzf#228;llers und beulten ihm R#252;cken, Brust und Arme ein, doch das waren keine lebensgef#228;hrlichen Verwundungen. Der riesige Hammer des Holzf#228;llers hingegen zerschmetterte mit jedem Treffer einen Holzkopf. Nach zehn wohlgezielten Schl#228;gen hatte sich der Zug der Soldaten in einen Haufen Kleinholz verwandelt, das nur noch zum Ofenheizen zu verwenden war. Der letzte Soldat jedoch konnte, bevor er zusammenbrach, einen so wuchtigen Schlag gegen die Brust des Holzf#228;llers f#252;hren, da#223; das Blechst#252;ck herausflog, das von Goodwin seinerzeit an der Stelle angebracht worden war, wo er dem eisernen Mann das Herz eingesetzt hatte. Der Riese wankte, und jeder konnte sehen, wie in seiner Brust das rote seidene Herz zuckte. Ehe er seine Fassung wiedererlangte, hatte sich Unteroffizier Elved, der heil geblieben war, da er am Kampf doch nicht teilgenommen hatte, von hinten an ihn herangeschlichen, eine Keule aufgehoben, und dem Holzf#228;ller einen furchtbaren Hieb in den R#252;cken versetzt. Das Herz l#246;ste sich und flog in den Sand, und der eiserne Mann st#252;rzte zu Boden. Seine letzten, kaum h#246;rbaren Worte waren: „Ach, mein armes Herz!" Unteroffizier Elved br#252;llte vor Freude, und Enkin Fled schrie ihm frohlockend zu: „Schlag ihn tot! Zerschmettre den Scheuch! Hau den Feldmarschall zusammen! Pack die kleine Fee, ihre Anf#252;hrerin!"

Da eilten der Scheuch, Charlie Black und die anderen herbei, um das M#228;dchen mit ihren Leibern zu sch#252;tzen. Hinter dem Stein sprang der L#246;we hervor, doch da die Entfernung zu gro#223; war, konnte er nicht rechtzeitig eingreifen. Mit erhobener Keule raste der wutschnaubende Unteroffizier auf das M#228;dchen zu, und Kaggi-Karr, die sich ihm mit flatternden Fl#252;geln entgegenwarf, vermochte nichts auszurichten. In diesem Augenblick Scho#223; ein kleines M#228;nnchen, das sich hinter einem Stein verborgen hatte, wie ein Pfeil dem Unteroffizier entgegen. Dieses M#228;nnchen, das als der beste Schmied im Lande der Zwinkerer bekannt war, warf sich Elved vor die F#252;#223;e, so da#223; deser hinfiel und sich ein paarmal #252;berschlug. Er sprang aber sogleich wieder auf und holte zu einem furchtbaren Schlag gegen den k#252;hnen Zwinkerer aus. Da schwirrte das Lasso durch die Luft, und die Schlinge umfing Elveds Arme. Charlie, Faramant und Din Gior zogen das Seil mit einem Ruck an, und der rotgesichtige Unteroffizier st#252;rzte in den Sand.

Dutzende Zwinkerer und Zwinkerinnen, die gespannt den Kampf verfolgt hatten, str#246;mten auf das Feld, fielen #252;ber den Unteroffizier her, entwaffneten und fesselten ihn. Andere st#252;rzten sich auf Enkin Fled, entrissen ihm Schwert und Dolch, von denen er #252;brigens gar keinen Gebrauch zu machen versuchte.

Damit wurde Urfins Herrschaft im Violetten Lande ein Ende gemacht.

Schwere Steine in den erhobenen H#228;nden, umstanden die Zwinkerer den Statthalter und

seinen Unteroffizier.

„T#246;tet sie nicht!" rief da der Scheuch. „Wir m#252;ssen Gericht #252;ber sie halten."

Enkin Fled, bleich und an allen Gliedern bebend, warf sich auf die Knie.

„Im ... Ul ... Uul-ti-ma-tum ... stand ...", stotterte er, „wenn ich mich er-ge-be . . . zehn

Jahre Stra ... Stra#223;en pflastern ... Ich er-ge-be mich ... o ... bit-te!"

„Elender Lump!" herrschte ihn Din Gior an. „Zweifacher Verr#228;ter! Erst hast du dein Volk

verraten, indem du in den Dienst des Tyrannen tratest, und heute wolltest du unbewaffnete

Menschen, die ehrlich k#228;mpften, auf niedertr#228;chtige Weise erschlagen lassen! Mit

Stra#223;enpflastern kommst du nicht davon, das w#228;re zu milde f#252;r dich!" Dann gab er Befehl,

die Gefangenen wegzuschaffen.

Mit Tr#228;nen in den Augen bem#252;hte sich Elli um den leblosen Holzf#228;ller. Sie gab sich aber nicht der Verzweiflung hin, wu#223;te sie doch, da#223; die Zwinkerer, die geschickte Schmiede waren, ihr helfen w#252;rden. Sie hatten ja den eisernen Mann schon einmal wiederhergestellt, als es um ihn noch schlimmer stand als heute. Sie nahm das seidene Herz behutsam in die Hand, pustete den Sand davon ab und beschlo#223;, es vorl#228;ufig aufzubewahren. Charlie, der sich #252;ber den Holzf#228;ller gebeugt hatte, sagte: „Bei den Menschenfressern von Kuru-Kusu und allen ihren

dreitausenddreihundertdreiunddrei#223;ig G#246;ttern, der Mann hat sich wie ein wahrer Held geschlagen. So einer kann doch nicht einfach mausetot sein!" ,,O nein!" rief Lestar, der Schmied, der den Unteroffizier zu Fall gebracht hatte. „Wir haben ja schon Erfahrung in der Reparatur des Herrn Gebieters. Drei Tage Arbeit, und er wird wieder wie neu sein . .. Allerdings, wenn nicht irgendwelche Teile verlorengegangen sind", f#252;gte er hinzu, „sonst wird die Reparatur l#228;nger dauern."

Die jubelnden Zwinkerer geleiteten die Fee des Rettenden Wassers, wie sie das M#228;dchen nannten, ins Schlo#223;. Unterwegs zwinkerten die Leutchen so beflissen, da#223; die Tr#228;nen ihnen aus den Augen rannen und sie fast nichts mehr sahen. Dabei r#252;hmten sie sich stolz, da#223; sie das der Fee gegebene Gel#252;bde, sich dreimal am Tag zu waschen, mit gr#246;#223;ter Gewissenhaftigkeit selbst in der schweren Zeit der Herrschaft Enkin Fleds gehalten hatten. Das habe ihnen wohl auch zu dem Sieg #252;ber den Feind verholfen, sagten sie.


DIE WIEDERHERSTELLUNG DES EISERNEN HOLZF#196;LLERS

Wie eine liebende Mutter nahm sich die gute Fregosa Ellis an. Zuerst f#252;hrte sie sie in das Badezimmer und wusch sie in der gro#223;en Wanne, die weder Bastinda noch der Holzf#228;ller je benutzt hatten, weil sie das Wasser f#252;rchteten.

Dann wusch Fregosa das verstaubte Kleidchen des M#228;dchens und ihre Schleife. Totoschka, den die K#246;chin gleichfalls gewaschen hatte und dessen gek#228;mmtes Fell jetzt seidig gl#228;nzte, bekam zum erstenmal, seitdem er das Land der K#228;uer verlassen hatte, wieder Milch zu trinken.

Elli erz#228;hlte der guten Frau von ihren Abenteuern, und Fregosa wunderte sich, wie sehr die Fee des Rettenden Wassers einem gew#246;hnlichen M#228;delchen glich und wie gut es ihr tat, wenn man z#228;rtlich zu ihr war.

„Ihr Zwinkerer seid ein braves Volk und lebt eintr#228;chtig miteinander", sagte das M#228;dchen. „Ja, wir leben eintr#228;chtig und helfen einander", erwiderte Fregosa. „Wir wollten auch den Leuten, die der Statthalter aus ihren H#228;usern vertrieben hatte, neue H#228;user bauen. Aber jetzt werden sie gewi#223; in ihre fr#252;heren H#228;user zur#252;ckkehren und wieder f#252;r ihren Herrscher sorgen. Obwohl", f#252;gte die K#246;chin seufzend hinzu, „er unserer Sorge nicht bedarf. Er i#223;t ja nicht und trinkt nicht, und man braucht auch keine W#228;sche f#252;r ihn zu waschen. Das einzige, worum er uns manchmal bittet, ist ein bi#223;chen #214;l zum Schmieren seiner Gelenke."

Die folgenden Tage vergingen in angespannter Erwartung der Wiederherstellung des Eisernen Holzf#228;llers.

Dann kam der gl#252;ckliche Tag, an dem er wieder strahlend vor seine Freunde trat. Die Zwinkerer hatten ihn so blank poliert, da#223; der Glanz seines K#246;rpers die Augen der Menschen blendete. Er trug eine riesige Axt mit goldenem Stiel, und an seinem G#252;rtel hing eine kleine goldene Kanne, die mit dem besten #214;l gef#252;llt war.

Die Handwerker hatten die goldene Axt. und die goldene #214;lkanne nach dem Muster der alten angefertigt. F#252;r den Scheuch hatten sie einen Spazierstock mit goldenem Knauf gemacht, der noch viel sch#246;ner war als jener, den der Strohmann im vorigen Jahr auf der Reise zur Zauberin Stella im Wasser verloren hatte. Der Scheuch wollte sich aber von dem Stock aus Mahagoniholz, den Charlie ihm geschenkt hatte, nicht trennen, und beschlo#223; daher, sich beim Gehen auf beide St#252;cke gleichzeitig zu st#252;tzen. Dabei stolperte er jedoch oft und fiel sogar hin.

Elli riet ihm, die St#246;cke jeden Tag zu wechseln.

„Da#223; ich selber auf diesen einfachen Gedanken nicht gekommen bin!" wunderte sich der Strohmann.

„Du hast eben keine Zeit dazu gehabt", versicherteElli.

„F#252;r Totoschka hatten die Zwinkerer ein herrliches goldenes Halsband geschmiedet. Die sch#246;nsten Geschenke erhielt jedoch Elli: silberne Schuhe und einen goldenen Hut. Die Sachen sahen genauso aus wie die, welche sie im vorigen Jahr besa#223;, allerdings fehlte ihnen die Zauberkraft. Aber daran lie#223; sich nichts #228;ndern.

Die Zwinkerer verstanden sich eben nicht aufs Zaubern.

Elli freute sich sehr #252;ber die Geschenke. Sie zog sogleich die Schuhe an und setzte das goldene H#252;tchen auf.

Die guten Zwinkerer hatten, wie wir wissen, eine gro#223;e Schw#228;che f#252;r sch#246;ne und gl#228;nzende Dinge. Beim Verteilen der Geschenke #252;bergingen sie nat#252;rlich auch Charlie Black nicht, den sie mit einem k#252;nstlichen Goldbein bedachten, das Holzbein war ja schon alt und abgenutzt! Din Gior erhielt einen goldenen Kamm f#252;r seinen Bart und einen Marschallstab mit Goldverzierung, Faramant einen goldenen Bleistift und ein Notizbuch in goldenem Einband, in das er seine Eintragungen #252;ber die Versorgung der Armee machen konnte. Kaggi-Karr erhielt niedliche goldene Reifen f#252;r ihre Beinchen. Der Seemann nahm das goldene Bein nicht an: Erstens, weil es zu schwer war, und zweitens, weil es sich an den Steinen rasch abwetzen w#252;rde. Gold ist ja ein weiches Metall. Statt dessen bat Charlie die Zwinkerer, ihm ein neues Bein aus sehr hartem Holz zu machen. Die Handwerker kamen seinem Wunsch nach und drechselten f#252;r ihn ein Bein aus Eisenholz, von dem sie behaupteten, es sei unverw#252;stlich. Din Gior und Faramant waren mit ihren Geschenken sehr zufrieden. Din Gior sagte, zu seinem hohen Feldmarschallamt habe ihm gerade so ein Stab gefehlt, denn einen Bart, wie er noch keinem Feldmarschall in der Welt gewachsen war, besitze er ja schon lange.

Der Scheuch aber tanzte um den wiederauferstandenen Holzf#228;ller herum und sang dabei: „O-ho-ho-ho-ho! Der Eiserne Holzf#228;ller ist wieder bei uns! O-ho-ho-ho!" Dabei bef#252;rchtete er gar nicht, sein Ansehen als Herrscher einzub#252;#223;en, denn die Zwinkerer waren ja nicht seine Untertanen.

Elli streichelte den blank polierten R#252;cken des Holzf#228;llers.

Bei dieser Szene traten dem L#246;wen vor R#252;hrung Tr#228;nen in die Augen. Als er sie mit seiner Schwanzquaste abwischte, wurde diese ganz na#223;, und der K#246;nig der Tiere mu#223;te sich auf den Hof begeben, um sie in der Sonne trocknen zu lassen.

Ein paar Tage sp#228;ter versammelten sich Elli, Charlie Black und die anderen, um Rat zu halten. Sie hatten auch mehrere Zwinkerer eingeladen. Man wollte #252;berlegen, was zu unternehmen sei, um Urfins Holzarmee zu vernichten.

Die Zwinkerer, die Enkin Fleds Waffensammlung von der Wand genommen hatten, schlugen vor, die Hieb- und Stichwaffen - die Schwerter, Dolche und Lanzen - gegen Urfin einzusetzen.

„Ich glaube, sie werden uns gut zustatten kommen, wenn wir gegen Urfin ins Feld ziehen", sagte Din Gior, der sich mit dem goldenen Kamm bed#228;chtig den Bart k#228;mmte. „Man gestatte auch mir, meine bescheidene Meinung zu #228;u#223;ern", lie#223; sich da Lestar h#246;ren. „Schwerter und Dolche kann man brauchen, wenn richtige Menschen miteinander k#228;mpfen. Doch was n#252;tzt es, wenn man das Schwert in einen Klotz aus Tannenholz st#246;#223;t. Ich glaube, die besten Waffen gegen Urfins Armee w#228;ren Beile mit langen Stielen und harte Kn#252;ppel mit Eisenkugeln und Dornen am Ende. Gegen die Holzk#246;pfe w#252;rden das sehr brauchbare Waffen sein." „Bravo! Bravo!" riefen alle Mitglieder des Kriegsrats.

Der Scheuch strengte wieder seinen klugen Kopf an und sagte mit wichtiger Miene: „Holz brennt im Feuer. Urfins Soldaten sind aus Holz. Also kann man sie verbrennen."

Alle staunten erneut #252;ber die Weisheit des Strohmannes, und Lestar erhielt den Auftrag, eine Vorrichtung zu bauen, mit der man Feuer gegen die Holzsoldaten schleudern k#246;nnte. Es sollte eine gro#223;e, feuerspeiende Kanone sein. Vorerst aber wu#223;te niemand, wie man mit Feuer schie#223;en kann.

URFINS LETZTE SOLDATEN

W#228;hrend Din Gior und Charlie Black die Zwinkerer f#252;r den Feldzug gegen Urfin ausbildeten, reifte auch im Smaragdenland ein Aufstand gegen ihn heran. Da aber in der Stadt und ihrer Umgebung st#228;ndig Holzsoldaten und Polizisten patrouillierten, versammelten sich die Leute nachts auf dem Felde oder in Hainen. Alle Vorbereitungen zum bewaffneten Aufstand wurden streng geheimgehalten.

Als Urfin von Ellis Auftauchen erfuhr, bestblo#223; er, m#246;glichst viele neue Holzsoldaten zu machen, und zwar gr#246;#223;ere, st#228;rkere und grimmigere als ihre Vorg#228;nger. Urfins Gehilfen, die Gefreiten, brachten mehreren #228;lteren Soldaten das Tischlerhandwerk bei, und in der Werkst#228;tte wurde nun Tag und Nacht gearbeitet.

Urfin k#252;mmerte sich jetzt wenig um das #196;u#223;ere seiner Krieger. Es kam ihm einzig und allein darauf an, da#223; ihre Gelenke gut funktionierten, da#223; Arme und Beine sich leicht in den Scharnieren drehten und die Finger fest die Waffen umspannen konnten. Die K#246;rper machte er aus ungehobelten Kl#246;tzen, und er nahm sich nicht einmal die M#252;he, sie anzustreichen, denn die Zeit war knapp.

Die Ausarbeitung der Gesichter behielt Urfin sich selbst vor, denn die Tischler konnten ihnen beim besten Willen nicht das grimmige Aussehen geben, das er verlangte. Jeden Tag wurden drei bis vier Soldaten hergestellt, die Unteroffiziere nicht gerechnet, die einer feineren Bearbeitung bedurften, und das kostete Urfin so viel M#252;he, da#223; er sich vor M#252;digkeit kaum noch auf den Beinen halten konnte.

Er ruhte nur 2-3 Stunden am Tag. H#228;ufig schlief er an der Werkbank ein, und der Stichel entfiel seinen H#228;nden. Sein Gesicht bekam tiefe Runzeln, die Wangen fielen ein, und die Augen unter den schwarzen, buschigen Brauen versanken noch tiefer in den H#246;hlen. Der Diktator sah furchtbar und j#228;mmerlich aus. Seine R#228;te gingen ihm #228;ngstlich aus dem Wege, wenn er f#252;r kurze Zeit die Werkst#228;tte verlie#223; und durch die S#228;le des Schlosses eilte. Die Zahl der Holzsoldaten betrug schon fast zweihundert, als sich etwas Schreckliches ereignete.

Urfin hatte gerade einen neuen Zug Holzsoldaten mit einem Unteroffizier aus Mahagoniholz angefertigt und wollte wie gew#246;hnlich eine Handvoll Zauberpulver aus der B#252;chse nehmen. Als er jedoch die Hand hineinsteckte, entdeckte er, da#223; nur eine d#252;nne Schicht Pulver auf dem Boden der B#252;chse lag.

Schreckensbleich kippte Urfin die B#252;chse um - es war die letzte - und sch#252;ttete das Pulver auf die Werkbank. Der Inhalt reichte aber h#246;chstens noch f#252;r die Belebung eines einzigen Soldaten. Urfin trommelte wie rasend auf den Boden des Gef#228;#223;es, bem#252;ht, herauszuschlagen, was nicht mehr drinnen war. Dann st#252;rzte er zu den anderen B#252;chsen, kippte und sch#252;ttelte auch sie, doch heraus kamen nur ein paar K#246;rnchen.

Urfin war verzweifelt. Das Zaubermittel, das ihm solche Macht verliehen hatte, war

verbraucht. Jetzt besa#223; er nur, was er bisher geschaffen hatte . . .

Er hatte immer neue und neue Soldaten hergestellt, ohne daran zu denken, da#223; das Pulver

einmal ausgehen k#246;nnte, da#223; der Vorrat nicht ewig sei.

Nun erkannte er seinen entsetzlichen Irrtum.

Er wollte aber versuchen, mit dem Rest des Pulvers wenigstens die zehn Soldaten und den Unteroffizier, die letzten Reserven seiner Streitmacht, zu beleben. Sorgf#228;ltig teilte er das Pulver in elf Teile und bestreute damit die liegenden Figuren.

Wie gew#246;hnlich fing das Zaubermittel leise zu zischen und zu rauchen an und drang in das Holz ein. Urfin wartete. Es vergingen zehn Minuten, f#252;nfzehn . . . Die Holzk#246;pfe begannen sich zu r#252;hren und ihre Glasaugen langsam zu drehen. Nach weiteren zehn Minuten versuchte der Unteroffizier, der etwas mehr vom Pulver bekommen hatte, aufzustehen, doch es wollte ihm nicht gelingen. Urfin half ihm. Mit gro#223;er M#252;he kam der Holzmann schlie#223;lich auf die Beine und stand schwankend da.

Das bi#223;chen Pulver konnte solch gro#223;en Figuren nicht gen#252;gend Leben eingeben. Wieder vergingen f#252;nfzehn Minuten, dann hatten sich auch die Soldaten m#252;hsam erhoben. Urfin wollte sie in Reih und Glied ausrichten, es kam aber nur ein schwankender Haufen zustande, und die Soldaten mu#223;ten sich aneinander festhalten, um nicht umzufallen. Anderthalb Stunden brauchte der Zug, um bis zur T#252;r der Werkst#228;tte zu gelangen. Um den Schlo#223;hof zu #252;berqueren, h#228;tte er wahrscheinlich vierundzwanzig Stunden gebraucht. Urfin verzichtete jedoch darauf. Er rief einen Gefreiten herbei und befahl ihm, die sich kaum regenden Holzk#246;pfe ins Feuer zu werfen.

DER SIEG

Unterdessen waren seit der Flucht der Gefangenen mehrere Wochen vergangen. Die schnellf#252;#223;igen Polizisten, die auf Kundschaft in das Violette Land ausgezogen waren, kehrten mit beunruhigenden Nachrichten zur#252;ck. In den N#228;chten hatten sie sich auf Schleichwegen den Versammlungspl#228;tzen gen#228;hert und, in Schluchten und hinter Steinen verborgen, gelauscht, was die Leute sprachen. Auf diese Weise erfuhren sie, da#223; demn#228;chst eine Armee aus mehreren Hundert Zwinkerern unter F#252;hrung des Scheuchs , des Eisernen Holzf#228;llers, des Langbarts Din Gior und eines geheimnisvollen Riesen namens Holzfu#223; gegen Urfin antreten w#252;rde. Die Vorbereitungen seien in vollem Gange, erz#228;hlten sie, man arbeite an einer besonderen Waffe, die Zwinkerer w#252;rden unter Din Giors Leitung milit#228;risch ausgebildet.

Urfin hielt die qualvolle Unruhe nicht l#228;nger aus und beschlo#223;, eine Entscheidung herbeizuf#252;hren. Er lie#223; seinen Obersten Zeremonienmeister Ruf Bilan sowie den General Lan Pirot zu sich kommen und sagte zu ihnen:

„Ich habe beschlossen, meine Armee in den Kampf zu f#252;hren! Es ist an der Zeit, den Rebellen zu zeigen, wer der Herrscher im Wunderland ist."

Der Oberste Zeremonienmeister erbleichte. Er hatte als erster die Kundschafter ausgefragt und wu#223;te #252;ber die Lage viel me hr, als er dem K#246;nig mitzuteilen f#252;r ratsam hielt.

Bilan hatte begriffen, wie gef#228;hrlich es war, dem Feind auf offenem Felde entgegenzutreten, und hub vorsichtig an: „M#228;chtiger K#246;nig, Herrscher . . ." „Ohne Titel'." fuhr ihn Urfin an.

„Zu Befehl! Der Feind ist sehr stark. W#228;re es nicht besser, uns in der Stadt zu verbarrikadieren . . ."

„Elender Feigling!" br#252;llte Lan Pirot, die Augen rollend. „Meine tapfere Armee wird jeden Feind zerschlagen!"

„Richtig!" ermunterte ihn Urfin. „Lernt doch beim General, Herr Zeremonienmeister, was Tapferkeit ist!"

„Aber ich hab ermittelt, da#223; Din Gior . . ."

„Mund halten!! Wie sprecht Ihr zu mir? Wo sind meine Titel? Oder bin ich etwa nicht mehr K#246;nig"?!"

Ruf Bilan schwieg verwirrt. Der Feldzug war beschlossen.

Eiligst wurde der Staub von den Holzk#246;pfen abgeb#252;rstet, der General hielt eine markige Rede, und die Armee, bestehend aus h#252;ndertdreiundsechzig Soldaten, siebzehn Unteroffizieren und einem Palisandergeneral, brach in Richtung Osten auf. Die Soldaten stapften mit ihren Holzf#252;#223;en #252;ber das Backsteinpflaster, schwangen ihre Kn#252;ppel und schnitten entsetzliche Grimassen. Urfin ritt daneben auf deinem treuen Meister Petz. Die Armee #252;bernachtete auf einem Feld. Soldaten und Unteroffiziere standen die ganze Nacht #252;ber in Reih und Glied und stierten in das Dunkel. Urfin w#228;lzte sich unruhig auf seinem Lager. Am Morgen stand er v#246;llig ersch#246;pft auf. Er hatte schlimme Vorahnungen, doch ein Zur#252;ck gab es nicht.

Die Schlacht fand auf einem gro#223;en Feld des SmaragdenLandes statt. In der Ferne erblickte Urfin einen violetten Streifen, der immer gr#246;#223;er und breiter wurde: Es war das Heer der Zwinkerer. An der Spitze hinkte der Riese Holzfu#223;, gefolgt von dem M#228;dchen, dem Scheuch, dem Eisernen Holzf #228;lter, dem schwarzen H#252;ndchen und dem L#246;wen, der sich mit dem Schweif grimmig die Flanken peitschte. An der Seite der Zwinkerer schritten der Langbart Din Gior und der H#252;ter des Tores.

Urfin erbleichte. Er w#252;nschte jetzt, da#223; alles, was sich seit der Nacht zugetragen hatte, als der Sturm die Saat des unbekannten Unkrauts in seinen Garten geweht hatte, nur ein b#246;ser Traum w#228;re. Er h#228;tte jetzt viel darum gegeben, in seinem friedlichen H#228;uschen aufzuwachen, von dessen Schwelle aus man die herrlichen schneebedeckten Gipfel sehen konnte . . .

„General! Gebt den R#252;ckzugsbefehl!" schrie Urfin. „Wir werden uns in der Smaragdenstadt einschlie#223;en, mit unseren Kr#228;ften k#246;nnen wir einer langen Belagerung standhalten!"

„Kehrtmachen!" kommandierte Lan Pirot, und die Unteroffiziere wiederholten den Befehl. Die Holzarmee machte kehrt. Aber was war das? Urfin begann an allen Gliedern zu zittern: Hinter den gr#252;nen H#228;uschen traten, von Gras und Strauchwerk kaum zu unterscheiden, die aufst#228;ndischen Einwohner des Smaragdenlandes hervor.

St#228;dter und Farmer, mit Spaten, Heugabeln, Sensen, Zaunlatten und -pfl#246;cken bewaffnet, #252;berschwemmten das Feld. Urfins Armee war der R#252;ckzug abgeschnitten. Die erste Reihe der Zwinkerer trat auseinander, und eine riesige Kanone wurde aufgefahren, die die t#252;chtigen Waffenschmiede Lestars aus einem dicken Baumstamm gefertigt hatten.

Die Holzk#246;pfe erstarrten. General Lan Pirot sperrte den Mund auf, brachte aber kein Wort hervor.

Ein Zittern ging durch die Kanone, das immer st#228;rker wurde, es folgte ein Schu#223;, das Rohr spie eine Rauchwolke aus, und auf die K#246;pfe der Holzsoldaten gingen brennende Fetzen, Stroh und Kehricht nieder.

Lestars Waffenschmiede warfen sich schreiend zu Boden. Das Pulver, das nach Charlies Rezept hergestellt worden war, erwies sich als zu stark f#252;r die Kanone, die gleich nach dem ersten Schu#223; auseinanderbarst. Aber dieser eine Schu#223; gen#252;gte, um Urfins Heer in heillose Verwirrung zu bringen. Entsetzt stoben die Soldaten auseinander. Schneller als alle anderen lief der General, der sich mit beiden H#228;nden den polierten Kopf bedeckte, denn jetzt wu#223;te er, was Feuer ist.

Die Zwinkerer nutzten die Panik des Gegners aus und st#252;rzten den Holzk#246;pfen nach, die ihre Waffen fortwarfen. Die gefangenen Soldaten Urfins wurden an Armen und Beinen gefesselt und zu einem Stapel geschichtet. Urfin wollte sich durch Flucht retten.

„Meister Petz, schnell zur#252;ck in die Smaragdenstadt!" schrie er seinem Getreuen zu. Aber in diesem Augenblick schwirrte Charlies Lasso durch die Luft und legte sich um die Brust des ehemaligen Herrschers.

Urfin st#252;rzte zu Boden, und Meister Petz, dessen Kriegsrausch sich verfl#252;chtigte, erhob sich auf die Hinterbeine und wartete dem#252;tig, da#223; die Zwinkerer ihn gefangennahmen. Charlie trat an Urfin heran und sprach:

„Freundchen! Du h#228;ttest ja so viel Gutes mit deinem Pulver tun k#246;nnen!" Urfin funkelte ihn aber nur b#246;se an und sagte kein Wort.

Die Zwinkerer und die Bewohner des Smaragdenlandes aber umarmten sich, begl#252;ck­w#252;nschten einander zu dem Sieg, tanzten und sangen frohe Lieder. Als die B#252;rger und Farmer des Scheuchs ansichtig wurden, st#252;rzten sie auf ihn zu und hoben ihn auf die Schultern. Jubel durchbrauste die Luft:

„Es lebe der Weise Scheuch, unser Herrscher! Hoch der Herrscher der Smaragdenstadt!" Der Weise Scheuch, dessen H#228;nde den Stock fest umklammert hielten, verbeugte sich stolz nach allen Seiten.

Er trug ein neues Kleid, und auf seinem Kopf sa#223; ein breitkrempiger Hut mit goldenen Schellen, den die Zwinkerer eigens f#252;r ihn gemacht hatten. Jetzt strahlte der Herrscher der Srnaragdenstadt in seiner ganzen Pracht.

Ebenso st#252;rmisch wie der Scheuch wurde auch der Eiserne Holzf#228;ller geehrt. Man wu#223;te, da#223; er ohne Zaudern seinem Freund zu Hilfe geeilt und mit ihm dann alle Qualen der Gefangenschaft geteilt, da#223; er sich heldenm#252;tig mit Enkin Fleds Soldaten geschlagen und das Land der Zwinkerer befreit hatte.

Au#223;erdem gl#228;nzte er ja so wunderbar, der Trichter auf seinem Kopf und die goldene #214;lkanne am G#252;rtel funkelten, und die riesige Axt blitzte ...

Die Leute wollten auch ihn auf ihre Schultern heben, vermochten es aber nicht, weil er zu schwer war . . . Er schritt, l#228;chelnd und sich verbeugend, zwischen den l#228;rmenden Einwohnern des Smaragdenlandes, und ein jeder wollte sich an ihn herandr#228;ngen, um seinen strahlenden eisernen K#246;rper wenigstens mit dem Finger zu ber#252;hren. Eine begeisterte Menge umringte Elli, die auf dem R#252;cken des L#246;wen sa#223;. Alle wu#223;ten, da#223; dieses M#228;dchen eine Fee aus dem Land jenseits der hohen Berge und der Gro#223;en W#252;ste war und da#223; sie zum zweiten Male, diesmal nicht allein, sondern in Begleitung ihres Onkels Charlie Black, des Seemanns, in das Wunderland gekommen war. Die Bewohner des Wunderlandes hatten keine Ahnung, was Seeleute sind, denn sie besa#223;en keine Meere, aber sie hatten sich die beste Meinung von den Seeleuten gebildet, weil sie jetzt einen Vertreter dieser Zunft, n#228;mlich Charlie Black, kannten, der so tapfer gegen den t#252;ckischen Urfin gek#228;mpft hatte.

Alles gefiel ihnen an Charlie: seine riesige Gestalt, das von Wind und Wetter gebr#228;unte Gesicht mit den k#252;hnen, weit auseinanderstehenden Augen und dem gutm#252;tigen L#228;cheln, ja selbst das Holzbein, das, nebenbei gesagt, die irrt#252;mliche Vorstellung bei ihnen entstehen lie#223;, jeder Seemann m#252;sse ein Bein aus Holz haben. Elli und Charlie wurden mit Blumen #252;bersch#252;ttet, man dr#252;ckte ihnen die H#228;nde, und die Frauen umarmten und k#252;ssten das M#228;dchen, ohne die geringste Scheu vor dem Tapferen L#246;wen zu empfinden.

Nat#252;rlich erhielt auch dieser seinen Anteil an Lob und Gl#252;ckw#252;nschen, denn l#228;ngst hatten alle erfahren, da#223; er auf Ellis Ruf aus seinem Waldreich ausgezogen und die lange Reise in das Land der K#228;uer unternommen hatte, wobei er nur wie durch ein Wunder den schrecklichen S#228;belzahntigern entgangen war. Auch er hatte viel zur Befreiung des Scheuchs und des Holzf#228;llers aus dem Kerkerturm beigetragen. Winzige M#228;delchen gingen an der Seite des Tapferen L#246;wen, l#246;sten die Schleifen aus ihren Z#246;pfen und flochten sie in seine M#228;hne ein, die bald von Tausenden Z#228;pfchen geschm#252;ckt war. Das Volk ehrte auch Din Gior, Faramant und Lestar. Man erinnerte sich, wie tapfer Din Gior und Faramant das Tor der Smaragdenstadt gegen Urfins Holzsoldaten verteidigt hatten, wie der kleine Lestar den Unteroffizier Elved zu Fall gebracht und dadurch Elli und ihre Gef#228;hrten vor dem Tod gerettet hatte . . .

Beinahe das gr#246;#223;te Lob wurde jedoch Kaggi-Karr zuteil. Wer, wenn nicht sie hatte den Scheuch vor einem Jahr auf den Gedanken gebracht, sich nach einem Gehirn umzusehen, ohne das die Smaragdenstadt heute gewi#223; keinen so klugen, mit Stroh ausgestopften Herrscher bes#228;#223;e, den besten in der ganzen Welt? Wer, wenn nicht sie hatte unter schrecklichen Gefahren die Reise #252;ber Berge und W#252;ste in das unbekannte Kansas unternommen, um Elli und ihren Onkel herbeizuholen, die einzigen Menschen, die den B#246;sewicht Urfin zu besiegen imstande waren?

Geehrt wurde auch Totoschka, hatte er doch . . . Ja, eigentlich hatte er keine Heldentaten vollbracht, aber er war seiner kleinen Herrin so treu ergeben und stets bereit gewesen, sich f#252;r sie in jede Gefahr zu st#252;rzen, da#223; er seinen Teil an Lob und Z#228;rtlichkeit zweifellos verdiente. Die Leute nahmen ihn auf die Arme, streichelten sein weiches Fell, und die klugen schwarzen #196;uglein des H#252;ndchens strahlten vor Gl#252;ck.

Dabei knurrte es in sich hinein:

„Jetzt sollte mich Hektor, der Prahlhans, sehen! . . . Ich bin #252;berzeugt, solche Ehren wird der niemals erleben!"

Bis in den sp#228;ten Abend hinein dauerte das Volksfest mit Liedern, T#228;nzen und Spielen. Als die Nacht hereinbrach, verabschiedeten sich die Zwinkerer und zogen in ihre Heimat. Der Eiserne Holzf#228;ller ging aber nicht mit, denn er wollte bei Elli bleiben, solange sie sich im Wunderland aufhielt.

Die B#252;rger und Farmer des Smaragdenlandes #252;bernachteten auf einer Wiese, und am Morgen traten sie in froher Stimmung den Heimweg an. Die entwaffneten Holzsoldaten und Polizisten nahmen sie in ihre Mitte.

Urfin ging allein, und niemand bewachte ihn. Die Leute mieden seine N#228;he. Aber von d#252;steren Gesichtern und ha#223;vollen Blicken umgeben, f#252;hlte er sich j#228;mmerlicher, als wenn man ihn in einen Kerker geworfen h#228;tte.

Man hatte Urfin weder die Arme noch die Beine gefesselt, denn niemand bef#252;rchtete, da#223; er fliehen w#252;rde. Wer h#228;tte ihn auch aufgenommen in einem Land, in dem ihn alle, selbst die B#228;ume und Steine, ha#223;ten?

WIEDER DIE GR#220;NEN BRILLEN

Als sich die Schar der Smaragdenstadt n#228;herte, erblickte Charlie Black dank seines hohen Wuchses als erster ein paar Leute in sonderbarer Haltung vor dem Tor. Bald konnte man erkennen, da#223; es die Aufseher des ehemaligen K#246;nigs waren, die dort knieten. Schon Tags zuvor hatten sie erfahren, da#223; Urfins Armee. zerschmettert worden sei, und beschlossen, sich freiwillig zu ergeben und Reue zu bezeigen, um die Sieger milder zu stimmen.

Nun dem#252;tigten sich die Verr#228;ter, in alten zerschlissenen Kleidern, die entbl#246;#223;ten und mit Staub bestreuten K#246;pfe tief gebeugt. Ruf Bilan, der Lump, der seine Heimatstadt als erster an den Feind verraten hatte, war jedoch nicht unter ihnen.

Die Nachfragen ergaben, da#223; er schon gestern verschwunden war. Kleine Jungen, die am Tor spielten, hatten ihn in Richtung des Kerkerturms fliehen sehen, und es war anzunehmen, da#223; er sich dort verbarg.

Der Eiserne Holzf#228;ller, Charlie und Lestar brachen, von einer neugierigen Menge begleitet, zum Turm auf.

Auf dem Vorplatz und im Turm war der ehemalige k#246;nigliche Zeremonienmeister nicht zu

finden. Kleiderfetzen am Loch in der T#252;r deuteten aber darauf hin, da#223; er durchgeschl#252;pft

und in den unterirdischen Gangentkommen war, von dem er seinerzeit beider

Untersuchung der Fluchtdes Scheuchs und des Holzf#228;llers erfahren hatte.

„Ich nehme die Verfolgung auf", sagte der Eiserne Holzf#228;ller, mit dem Stiel seiner Axt auf

den Boden schlagend.

„Ich gehe mit!" rief Charlie Black.

„Ich auch", sagte Lestar.

Der Holzf#228;ller lehnte jedoch ihre Hilfe ab.

Er ging den bekannten Weg, #252;ber den er mit dem Scheuch aus dem Kerkerturm geflohen war.

Aus dem langen Korridor trat er in die H#246;hle des Sechsf#252;#223;ers. Laut hallte sein eiserner

Schritt im steinernen Gew#246;lbe. Pl#246;tzlich gewahrte er, der im Dunkeln ebenso gut wie am

Tage sah, eine davoneilende kleine dicke Figur.

Es war Ruf Bilan, der, von Entsetzen gepackt, das Weite suchte.

Der Holzf#228;ller schrie ihm nach:

„Bleib stehen, Wahnsinniger, du rennst ins Verderben!"

Der Fl#252;chtling bog jedoch in einen Seitengang ein und verschwand im steinernen

Labyrinth. Lange suchte ihn der Holzf#228;ller, konnte ihn aber nicht finden und kehrte um.

Von diesem Tag an blieb Ruf Bilan verschollen.

Mit dem Zeremonienmeister hatte auch die Eule das Schlo#223; verlassen, denn sie erwartete f#252;r ihr Teil nichts Gutes von den Siegern. In der Stadt war man der Ansicht, Guamoko habe Urfin bei seinen b#246;sen Zaubereien geholfen. In Wirklichkeit hatte sich dieser in den letzten Monaten aber kein einziges Mal an die Eule um Rat gewandt. W#228;hrend sie auf Ruf Bilans Schulter sa#223;, h#246;hnte Guamoko:

„Ich hab mir schon immer gedacht, da#223; aus diesem Mann kein richtiger b#246;ser Zauberer wird. Hat er vielleicht jeden Tag M#228;use, Spinnen und Blutegel gegessen? Wovon sollte sich denn die Bosheit bei ihm ern#228;hren? Ja, Gingema, die war eine richtige Zauberin! Urfin aber ist nur ein Schw#228;tzer ..."

Guamoko versp#252;rte keine Lust, Bilan in den Kerkerturm zu folgen. Als sie diesen erreicht hatten, erhob sich die Eule mit schwerem Fl#252;gelschlag und flog in den Nachbarwald. Dort nistete sie sich in der H#246;hlung einer riesigen Eiche ein und verlangte, da#223; die dortigen Eulen und Uhus ihr Tribut zollten. „Ich bin eine Sch#252;lerin Gingemas", verk#252;ndete sie, „und wenn ihr mir nicht gehorcht, werdet ihr es schwer zu b#252;#223;en haben!" Die Drohung wirkte, und Guamoko wurde regelm#228;#223;ig mit M#228;usen und kleinen V#246;geln versorgt. Wenn sie in guter Stimmung war, versammelte sie viele Zuh#246;rer um sich und erz#228;hlte Geschichten aus dem abenteuerlichen Leben, das sie als Zauberin angeblich gef#252;hrt hatte. Als der Eiserne Holzf#228;ller mit seinen Gef#228;hrten zum Stadttor zur#252;ckkehrte, empfing sie der Glanz riesiger Smaragden, ein Gefunkel, das mit Ausnahme von Charlie Black alle von fr#252;her gekannt und beinahe vergessen hatten. Juweliere auf hohen Leitern und in Schwebek#246;rben setzten in Tor und Mauern die Edelsteine wieder ein, die man aus den Schatzkammern des Schlosses geholt hatte. Die Smaragdenstadt erhielt ihr einstiges Aussehen zur#252;ck.

Unter dem Torbogen wurden die Ank#246;mmlinge von Faramant empfangen, der seine gr#252;ne, mit Brillen gef#252;llte Tasche an der Seite trug.

„Bitte, setzt die gr#252;nen Brillen auf!" sagte der H#252;ter des Tores und #246;ffnete die Tasche. „Ohne gr#252;ne Brillen ist das Betreten der Smaragdenstadt verboten - so lautete der Befehl Goodwins, des Gro#223;en und Schrecklichen! Als Goodwin sich zu seinem Freund, dem gro#223;en Zauberer Sonnenball, aufmachte, warnte er die Einwohner der Stadt davor, ihre gr#252;nen Brillen jemals abzunehmen. Ein Versto#223; gegen dieses Gesetz werde schlimme Folgen f#252;r uns haben, sagte er damals. Wir haben sein Gebot verletzt, und schweres Ungl#252;ck hat uns heimgesucht."

Ohne Widerrede setzten alle die Brillen auf. Wie wunderte sich aber Charlie Black, als ringsum alles zu funkeln und in den verschiedensten Schattierungen von Gr#252;n zu strahlen begann!

„Bei den Z#228;hnen des Drachen!" rief der Seemann begeistert. „Elli hat recht gehabt, als sie sagte, die Smaragdenstadt sei die sch#246;nste in der ganzen Welt."

Der Eiserne Holzf#228;ller und seine Freunde gingen die schattigen Stra#223;en entlang durch das jubelnde Volk und kamen auf den Schlo#223;platz, wo die herrlichen Springbrunnen bereits sprudelten.

Der Graben um das Schlo#223; war wie in alten Zeiten wieder mit Wasser gef#252;llt, die Br#252;cke

hochgezogen. Wie einst stand wieder Din Gior auf der Mauer und k#228;mmte mit goldenem

Kamm seinen wallenden Bart.

„Din Gior!" rief Lestar, „#246;ffne das Tor!"

Keine Antwort.

Der Soldat blickte verz#252;ckt in den Handspiegel und k#228;mmte liebevoll seinen Bart. „Din Gior!" riefen jetzt alle, und der Eiserne Holzf#228;ller klopfte mit dem Stiel seiner Axt gegen die Pforte.

Din Gior h#246;rte nichts. Vom L#228;rm angezogen, flatterte Kaggi-Karr aus dem Fenster, flog auf den Feldmarschall zu und schrie ihm ins Ohr: „Wach auf! Unsere Freunde warten unten!" Din Gior ma#223;te sich einen Ruck geben.

„Ach, ihr seid es?" fragte er. „Ich hab mich, scheint mir, etwas abgelenkt . . ."

Jetzt, wo Urfins Armee zerschlagen und der Smaragdenstadt keine Gefahr mehr drohte,

war der langb#228;rtige Soldat wieder der zerstreute Kauz von ehemals.

Die Br#252;cke senkte sich, das Tor tat sich auf, und der Eiserne Holzf#228;ller ging mit seinen

Gef#228;hrten in den Thronsaal des Schlosses, wo Goodwin der Gro#223;e und Schreckliche ihm

das erste Mal als vielarmiges und viel#228;ugiges Ungeheuer erschienen war.

Jetzt sa#223; der Scheuch in w#252;rdiger Haltung auf dem Thron. Neben ihm stand Elli, die

silbernen Schuhe an den F#252;#223;en und das goldene H#252;tchen auf dem Kopf, etwas weiter

kauerten der Tapfere L#246;we und Toto schka mit ihren funkelnden Goldketten um den Hals,

und auf der Lehne des Thrones sa#223; Kaggi-Karr.

Im Saal dr#228;ngten sich lachend und tuschelnd die H#246;flinge, die nicht in Urfins Dienst getreten waren. Jetzt waren sie furchtbar stolz darauf, protzten mit ihrer Treue f#252;r den Weisen Scheuch und warteten, daf#252;r belohnt zu werden.

Der Scheuch erhob sich und machte f#252;nf Schritte auf seine G#228;ste zu, was von den H#246;flingen als Zeichen h#246;chster Gnade gedeutet wurde.

Dann wurden lange Tische mit zahllosen Getr#228;nken und Speisen in den Saal getragen. Es begann ein frohes Fest, das bis zum Abend dauerte. Die Einwohner der Stadt hatten ihre sch#246;nsten Kleider angezogen, und die schreckliche Zeit der Herrschaft Urfins kam ihnen jetzt nur noch wie ein schwerer Traum vor.

Wenige Tage sp#228;ter wurde #252;ber Urfin Gericht gehalten. Die Einwohner der Smaragdenstadt schlugen vor, ihn in ein Bergwerk zu verbannen.

Da erhob sich Charlie Black und sagte:

„Liebe Freunde! T#228;ten wir nicht besser, diesen Mann sich selber zu #252;berlassen?" „Richtig!" sagte Elli. „Das wird die schwerste Strafe f#252;r ihn sein. Stellt euch vor, er wird unter den Leuten leben, die er sich unterwerfen wollte, und alles wird ihn an seine scheu#223;lichen Verbrechen erinnern!"

„Gut gesagt, Elli!" rief der Scheuch. „Ich bin ganz deiner Meinung!"

„Ich auch", pflichtete ihm der Eiserne Holzf#228;ller bei.

„Ich auch, ich auch", riefen der Tapfere L#246;we und Totoschka.

Kaggi-Karr wollte etwas einwenden, kam aber nicht dazu, denn die Einwohner der

Smaragdenstadt riefen wie aus einem Munde:

„Hurra! Hoch Elli und ihre Freunde!"

Urfin verlie#223; den Saal, gefolgt von den Pfiffen und Schm#228;hrufen der B#252;rger und Farmer. Setzt sollte #252;ber das Schicksal der Holzsoldaten und der Polizisten entschieden werden. „Ins Feuer mit ihnen!" schrie Kaggi-Karr.

Der Scheuch aber legte den Finger an die Stirn und bat, ihn beim Nachdenken nicht zu

st#246;ren. Der Saal wartete gespannt.

Nach langem Sinnen sprach der Weise Scheuch:

„Wir werden sie nicht verbrennen, denn damit w#228;re uns wenig gen#252;tzt. Lieber machen wir aus ihnen gute Arbeiter, damit sie dem allgemeinen Wohle dienen. In unserem Land gibt es viel zu tun. Da die Holzk#246;pfe aus Holz sind, m#252;ssen sie sich doch auf Holz verstehen. Also m#246;gen sie G#228;rtner und Waldheger sein! Wer k#246;nnte besser als sie die B#228;ume pflegen? Freilich w#228;re es gut, ihnen Gehirne einzusetzen, aber das wird leider nicht gehen, weil ihre K#246;pfe nicht hohl sind."

Der Scheuch hielt eine lange Rede, mit der er im stillen sehr zufrieden war.

Alle h#246;rten ihm mit gro#223;er Aufmerksamkeit zu. Dann sagte der Eiserne Holzf#228;ller:

„Wir sollten den Holzsoldaten neue gute Herzen einsetzen."

„Aber sie haben ja gar keine gehabt", entgegnete der Scheuch.

„Ja, dann wei#223; ich nicht, was wir mit ihnen tun sollen", erwiderte der Holzf#228;ller betr#252;bt.

Wieder bat der Scheuch, man solle ihm Zeit zum #220;berlegen lassen. Diesmal dachte er aber

mehr als eine Stunde nach, und zwar so angestrengt, da#223; ihm die Nadeln aus dem Kopf

krochen, der pl#246;tzlich wie ein Igel aussah. Das Volk schaute mit Ehrfurcht und Angst auf

seinen Herrscher.

Da schlug sich der Scheuch mit der Hand gegen die Stirn.

„Ich hab's!" rief er. Ein freudiges Raunen ging durch die Menge. „Die Holzsoldaten haben weder Hirne noch Herzen. Also liegt ihr ganzer Charakter in den Gesichtern. Nicht umsonst hat Urfin ihnen solche grimmigen Gesichter geschnitten. Wenn wir ihnen nun freundliche, l#228;chelnde Gesichter machen, werden sie sich bestimmt ganz anders verhalten." Was der Scheuch sagte, leuchtete den Zuh#246;rern ein. Jedenfalls lohnte es sich, seinen Vorschlag auszuprobieren.

Man beschlo#223;, den Versuch an dem Palisandergeneral Lan Pirot vorzunehmen. Er wurde geholt und vor die Richter gestellt.

„H#246;ren Sie, General!" sagte der Scheuch. „Bekennen Sie sich schuldig der Verbrechen, die Sie begangen haben?"

„Nein!" knurrte der General: „Es geschah auf Befehl meines K#246;nigs." „Was w#252;rden Sie tun, wenn man Sie freilassen und Ihnen Soldaten geben w#252;rde?" Der General schnitt eine solch schreckliche Grimasse, da#223; die Kinder, die von ihren Eltern mitgebracht worden waren, vor Angst zu weinen anfingen, w#228;hrend Totoschka ein ohrenbet#228;ubendes Gebell anstimmte.

„Was ich tun w#252;rde?" erwiderte der General heiser. „Krieg w#252;rde ich f#252;hren, rauben und morden! Oh, das w#228;re eine Lust!" „F#252;hrt ihn ab!" befahl der Scheuch.

Der General wurde in die Schlo#223;werkst#228;tte gebracht, wo der beste Drechsler der Smaragdenstadt bereits auf ihn wartete. Die Arbeit dauerte ganze drei Stunden. Aber niemand verlie#223; den Platz, waren doch alle gespannt darauf, wie dieser ungew#246;hnliche Versuch enden w#252;rde.

Und siehe! Von der Br#252;cke stieg ein gutgelaunter l#228;chelnder Mann. Lan Pirot war nur noch an der Maserung des Palisanderholzkopfes zu erkennen. T#228;nzelnd ging er durch die auseinanderweichende Menge und blieb vor dem Tisch der Richter stehen.

„Sie wollen mich, glaube ich, sehen?" fragte er liebensw#252;rdig.

„Ja", sagte der Scheuch. „Wer sind Sie, wenn ich fragen darf ?"

„Ja, wer bin ich eigentlich? Ehrenwort, ich wei#223; es selber nicht."

Mit dem verwandelten Gesicht hatte Lan Pirot auch seinen Charakter gewandelt und die

Vergangenheit v#246;llig vergessen.

„Sie hei#223;en Lan Pirot", sagte der Scheuch.

„Aber gewi#223;, ich hei#223;e Lan Pirot, wie konnte ich es nur vergessen?!"

„Sie sind Tanzlehrer", mischte sich Elli ein, der die neuen feinen Manieren Lan Pirots

au#223;erordentlich gefielen.

„Ach richtig! Nat#252;rlich bin ich Tanzlehrer! Wo bleiben nur meine Sch#252;ler und meine Sch#252;lerinnen? Ich kann es gar nicht erwarten, ihnen die erste Stunde zu erteilen!" Singend und t#228;nzelnd verlie#223; Lan Pirot den Platz, gefolgt von einer lustigen Schar Jungen und M#228;dchen.

Als sich die Begeisterung gelegt hatte, entschied das Volk einm#252;tig, dem Scheuch den Titel „Dreimalkluger Herrscher der Smaragdenstadt" zu verleihen.