"Der Feuergott der Marranen" - читать интересную книгу автора (Волков Александр Мелентьевич)

VIERTER TEIL Der Silberreif

BEI DEN ERZGR#196;BERN

Bald kamen die Reisenden an eine Kreuzung, von der drei Wege abzweigten. Auf dem Wegweiser waren drei Schildchen angebracht. Eines trug die Aufschrift „WEG DORTHIN", das andere „WEG HIERHER", das dritte „GBP-WEG". „Das ist der richtige!" rief Ann. „Was bedeutet diese Aufschrift?" fragte Tim.

„Das ist doch leicht zu verstehen: Gelber Backsteinpflasterweg", erkl#228;rte das M#228;dchen. „Genauso habe ich ihn mir vorgestellt. Mir ist, als sehe ich Elli in ihren silbernen Zauberschuhen diesen Weg gehen, gefolgt vom treuen Toto..." „Gut, da#223; du es sagst", rief Arto aus dem Sack. „Es mu#223; sehr angenehm sein, auf diesem glatten Weg zu laufen, mir sind vom Liegen die Pfoten schon ganz geschwollen."

Tim und Ann stiegen von den Maultieren und lie#223;en den Hund aus dem Sack. Es war angenehm zu gehen auf den gelben Backsteinen, die von der Zeit schon abgewetzt waren. Die Maultiere folgten ihnen, w#228;hrend Arto in den B#252;schen schn#252;ffelte und die Eichh#246;rnchen anbellte, die von den Zweigen zur#252;ckschimpften. Mit einem sonderbaren Gef#252;hl beschritt Ann den m#228;rchenhaften Weg, von dem sie getr#228;umt hatte, als sie noch ganz klein war. Auf diesem Weg hatte Elli einst den Scheuch, den Eisernen Holzf#228;ller und den Feigen L#246;wen kennengelernt... Ann erschauerte bei dem Gedanken, da#223; hinter den B#252;schen der schreckliche Menschenfresser lauern k#246;nnte, der einst ihre Schwester entf#252;hrt hatte. Sie beruhigte sich jedoch bald, wu#223;te sie doch, da#223; der Menschenfresser schon vor zehn Jahren vom Eisernen Holzf#228;ller erschlagen worden war.

Am n#228;chsten Tag, als die Sonne bereits hoch Himmel stand, tauchte in der Ferne das Dorf der Erzgr#228;ber auf. Der Weg hatte sich in eine breite Stra#223;e verwandelt, zu deren beiden Seiten Weizenfelder rauschten und G#228;rten bl#252;hten. Auf einem Stoppelfeld war ein Bauer mit einem Pflug zu sehen, den ein Sechsf#252;#223;er zog. Die Augen des Tieres waren verbunden - wahrscheinlich, weil es sich an das grelle Sonnenlicht noch immer nicht gew#246;hnt hatte.

Neugierig betrachteten Tim und Ann das seltsame Tier mit dem struppigen wei#223;en Fell, dem gro#223;en runden Kopf und dem runden K#246;rper, der sich auf sechs runden F#252;#223;en vorw#228;rtsbewegte. Das Tier mu#223;te sehr stark sein, denn es zog mit Leichtigkeit den gro#223;en Pflug, der breite Furchen in der schwarzen fetten Erde hinterlie#223;. Der Bauer betrachtete verwundert die Ank#246;mmlinge, die auf hochbeinigen Tieren ritten, wie man sie im Zauberlande nicht kannte.

Am Rande des Dorfes lag eine kleine Fabrik, aus der das Rattern von Maschinen und das Klopfen von H#228;mmern zu h#246;ren war. Die Erzgr#228;ber, die sich auf der Erdoberfl#228;che angesiedelt hatten, fuhren fort, das Metall zu bearbeiten, das aus der H#246;hle kam. Tims und Anns Erscheinen rief im Dorf gro#223;es Aufsehen hervor. Aus den sch#246;nen hohen H#228;usern mit den roten D#228;chern kamen Kinder und Erwachsene gelaufen, die die kleine Schar neugierig umringten. Die Erzgr#228;ber hatten lange fahle Gesichter. Sie hoben ihre Augen nur f#252;r kurze Zeit zu den Reisenden empor und senkten sie sofort wieder. Ein hagerer alter Mann mit einem langen grauen Bart trat aus der Menge und sagte: „Ich hei#223;e Ruschero und bin der Herrscher im Lande der Erzgr#228;ber." „Oh, meine Schwester hat mir viel #252;ber Euch erz#228;hlt", sagte Ann erfreut. „Ihr wart doch der letzte H#252;ter der Zeit im unterirdischen Lande, nicht wahr?" Ruschero schmunzelte:

„Ich wu#223;te nicht, da#223; man sich jenseits der Berge noch meiner erinnert. Das habe ich wohl Elli zu verdanken?" „Wem sonst?" sagte Tim. „Bei uns kennen alle Kinder auf den Farmen die Namen der unterirdischen K#246;nige. Euren nat#252;rlich auch", f#252;gte er h#246;flich hinzu.

Ruschero lud Ann und Tim zu sich ein. Die Maultiere wurden in die Sonne gestellt, damit sie sich aufluden, und Arto blieb bei ihnen als W#228;chter zur#252;ck.

Das Haus Ruscheros hatte viele, sch#246;n ausgestattete Zimmer, an deren Decken kleine Kugeln hingen, die, wie der Herrscher sagte, nachts das Haus beleuchteten. Der Anstrich der W#228;nde und M#246;bel war #252;berwiegend von einem grellen Gr#252;n, Hellblau und Orange.

Die Erzgr#228;ber mochten jetzt nicht mehr die blassen und tr#252;ben Farben, die sie in den Jahrhunderten ihres unterirdischen Lebens umgeben hatten.

Zu Ehren der G#228;ste gab Ruschero ein gro#223;es Festessen. Bevor man sich an die Tafel setzte, sagte er zu Ann und Tim:

„Die Reden einiger meiner Stammesgenossen werden euch vielleicht sonderbar vorkommen, aber ich bitte euch inst#228;ndig, ernst zu bleiben, selbst wenn es euch schwerfallen sollte."'

In dem gro#223;en Saal nahmen an langen Tischen mehrere Dutzend Menschen Platz. In dem halbdunklen k#252;hlen Raum f#252;hlten sich die Erzgr#228;ber ungezwungen, und Ann bemerkte, da#223; sie k#252;hne Augen und w#252;rdevolle Gesichter hatten.

Der Hausherr setzte das M#228;dchen zwischen zwei #228;ltere M#228;nner. Der Nachbar links, der beleibt und rothaarig war, stellte sich vor:

„Barbedo!"

Der andere, zur Rechten, ein Mann mit dichten Brauen, dem eine schwarze Haarstr#228;hne in die Stirn fiel, sagte: „Mein Name ist Mentacho!"

Es waren zwei der letzten unterirdischen K#246;nige. Ann hatte beinahe aufgelacht, aber der Bitte Ruscheros eingedenk, unterdr#252;ckte sie das Lachen.

Auf den Tischen standen viele Leckerbissen: Torten auf gro#223;en Tellern, Zuckergeb#228;ck, Kuchen, dampfende Schildkr#246;tensuppe, Schalen mit herrlichem Obst, Pfannkuchen mit Honig und Limonade.

Die Tischnachbarn unterhielten Ann, wie sie nur konnten. Der ehemalige K#246;nig Mentacho lobte eifrig seinen jetzigen Beruf, das Weben.

„Ich bin so stolz darauf, liebe Ann, da#223; ich Weber bin wie meine Vorfahren", sagte Mentacho. „Ich glaube, das Weben ist die allerwichtigste Besch#228;ftigung auf der Welt. Stellt Euch einmal vor, es g#228;be keine Weber. Dann w#252;rden die Menschen in Tierfellen umherlaufen, wie vor tausend Jahren, und ihr Verstand w#252;rde gewi#223; auf den Stand der Tiere herabsinken!"

„Oh, Mentacho", rief einer der G#228;ste fr#246;hlich. „Du vergi#223;t diejenigen, die Flachs bauen!"

Ein anderer sagte:

„Sag, Freundchen, was w#252;rden deine Stoffe n#252;tzen, wenn wir Schneider nicht w#228;ren?" Die G#228;ste lachten und scherzten ausgelassen.

Mit besonderer Aufmerksamkeit h#246;rte Ann Barbedo zu. „Ich kann es nicht begreifen", sagte er erregt, „wie unsere V#228;ter und Gro#223;v#228;ter die Macht der K#246;nige so lange geduldet haben. H#228;tte ich damals gelebt, ich h#228;tte mich sicher als erster gegen die Tyrannen erhoben!"

Die flammenden Reden Mentachos und Barbedos kamen Tim und Ann l#228;cherlich vor. Jetzt verstanden sie, warum der Hausherr sie gebeten hatte, ernst zu bleiben. Am meisten staunten sie aber dar#252;ber, da#223; die vielen Tischg#228;ste mit ernsten Mienen

den gest#252;rzten K#246;nigen zuh#246;rten. Nicht nur, da#223; niemand schmunzelte, man nickte sogar beif#228;llig und machte ermunternde Zwischenrufe. Diese Menschen, die viele Jahrhunderte lang in ihrem unterirdischen Reich gedarbt hatten, besa#223;en reine und edle Herzen. Nachdem sie ihre ehemaligen K#246;nige umerzogen und aus Schmarotzern und Gewaltt#228;tern in flei#223;ige Handwerker umgewandelt hatten, wollten sie sie mit keinem Wort an die Vergangenheit erinnern, um sie nicht zu erniedrigen. Dieses feinf#252;hlige Volk hatte alles verstanden und alles verziehen. Tim und Ann bewunderten den Edelmut der Erzgr#228;ber. Nach dem Essen, als der Hausherr die G#228;ste verabschiedet hatte, teilte Tim ihm mit, da#223; Urfin die Smaragdenstadt erneut erobert habe.

„Dar#252;ber haben mich die K#228;uer l#228;ngst unterrichtet", sagte Ruschero. „Wir haben mit ihnen ein B#252;ndnis #252;ber gegenseitigen Beistand geschlossen." „Wie gedenkt ihr, euch der Feinde zu erwehren?" fragte Ann besorgt. „Meine Schwester hat erz#228;hlt, die Springer seien ein sehr starkes und kriegerisches Volk." „Wir haben f#252;r sie etliche #220;berraschungen parat", erwiderte schmunzelnd Ruschero, „aber davon darf niemand etwas erfahren."

Tim und Ann waren bereits mehrere Stunden unterwegs, als aus einem Seitenweg eine sonderbare Gestalt hervortrat. Es war ein h#246;lzernes Menschlein, das jedoch anders aussah als die Holzk#246;pfe, die man den Kindern beschrieben hatte. Es hatte lange d#252;rre Arme mit vielen Fingern, hohe L#228;uferbeine und eine lange spitze Nase, mit der es in einem fort schnupperte.

Ann begriff, da#223; es ein ehemaliger Polizist war, der nach Urfins Sturz das Amt eines Boten und Brieftr#228;gers versah.

„Halt!" rief sie laut und stellte sich dem M#228;nnchen in den Weg. Das blieb wie angewurzelt stehen. „Wer bist du?" fragte das M#228;dchen. „Ich hei#223;e Rellem und bin der Eilbote des Herrschers der Smaragdenstadt, des Dreimalweisen Scheuchs."

„Also ist der Scheuch frei?" fragte Ann erfreut. „Hat er dir eine Botschaft aufgetragen?" „O nein, gn#228;dige Frau, leider! Die Smaragdenstadt ist von Feinden besetzt, und unser Herrscher ist gefangen. Man hat die Einwohner aus ihren H#228;usern vertrieben, und jetzt irren sie, elend und hungrig, auf den Feldern umher." „Wohin eilst du?" fragte Tim.

„Zum ehrenwerten Prem Kokus, dem Herrscher der K#228;uer, und zum ehrenwerten Ruschero, dem Herrscher der Erzgr#228;ber. Ich soll sie vor der Gefahr warnen, hat mir Frau Kaggi-Karr aufgetragen, die zeitweilige Herrscherin der Smaragdeninsel. Nat#252;rlich werden die K#228;uer und die Erzgr#228;ber gegen die kriegerischen Springer nichts ausrichten, aber zumindest werden sie bis zu deren Ankunft ihr Hab und Gut und ihren Lebensmittelvorrat in Sicherheit bringen k#246;nnen."

„Ein guter Einfall von Kaggi-Karr", bemerkte Tim. „Oh, Frau Kaggi-Karr ist der kl#252;gste Vogel im Zauberland", sagte Ann. „Ich bin #252;berzeugt, da#223; sie uns im Kampf mit Urfin Juice beistehen wird. Sag, Rellem, sind die Springer weit von hier?" wandte sie sich an den Boten. „Einen Tagesmarsch entfernt", antwortete das Holzm#228;nnchen. „Das ist allerdings nicht nahe, denn ihr m#252;#223;t bedenken, ich laufe sehr schnell. In unserem Lande gehe ich aus jedem Wettlauf als Sieger hervor."

„Und was gibt es im Lande der Zwinkerer?" fragte Ann. „Hat der b#246;se Urfin auch sie unterworfen?"

„Ja, aber nicht f#252;r lange", erwiderte das M#228;nnchen. „Kaggi-Karr hat mir von einer Begebenheit erz#228;hlt, #252;ber die die V#246;gel sie unterrichtet haben. Ich glaube, Urfin wei#223; noch nichts davon."

Rellem erz#228;hlte folgendes:

Nach dem Abzug der Hauptkr#228;fte Urfins f#252;hren die Zwinkerer, ohne zu murren, alle Befehle Bois' aus, des Kommandanten der kleinen Marranengarnison. Aber Lestar, der Freund und oberste Berater des Eisernen Holzf#228;llers, sei ein erfinderischer Kopf. Er hat die Holzkanone hergestellt, die durch einen einzigen Schu#223; Urfins Armee in die Flucht geschlagen habe. Dieser Lestar habe das Leben und Verhalten' der Marranen aufmerksam beobachtet und bald herausgefunden, da#223; sie nach dem Einschlafen v#246;llig hilflos seien.

Aus Angst vor n#228;chtlichen #220;berf#228;llen schlafen die Marranen in Zimmern mit dicken T#252;ren, die mit gro#223;en Schl#246;ssern und Riegeln versehen sind. Aber was bedeuten schon Schl#246;sser f#252;r die t#252;chtigen Handwerker des Violetten Landes! Einmal seien die Springer mit gefesselten Armen und Beinen aufgewacht. Die Aufst#228;ndischen hatten sie in einen Keller eingesperrt, wo sie reichlich Zeit hatten, die Torheit zu bereuen, da#223; sie den Versprechungen des Feuergottes geglaubt hatten. Lestar wei#223; nat#252;rlich, da#223; er mit diesem leichten Erfolg noch nicht gesiegt hat. Er sei sicher, da#223; Urfin ein gro#223;es Soldatenaufgebot ausschicken werde, und treffe Vorkehrungen. Vor allem habe er die Mobilisierung aller M#228;nner im Alter von 18 bis 30 Jahren verk#252;ndet, was eine Truppe von insgesamt 3000 Mann ergab. Die #228;lteren Jahrg#228;nge haben Schwerter und Dolche, Lanzen-und Pfeilspitzen angefertigt, und jetzt l#228;gen in der gro#223;en Halle des Palastes ein Haufen von Waffen und Schilden bereit. Die Zwinkerer, die Din Gior seinerzeit milit#228;risch ausgebildet hat, seien auf Befehl des jetzigen Oberkommandierenden, Lestar, zu Korporalen, Leutnanten und Hauptm#228;nnern bef#246;rdert worden. Sie unterweisen die Jugend in der Handhabung der Waffen. Das Volk sei k#228;mpferisch gestimmt, sagte der Bote, es rufe: „Sieg oder Tod!" Tim und Ann waren #252;ber Rellems Bericht sehr erfreut. Jetzt wu#223;ten sie, da#223; die Springer nicht so schrecklich w#228;ren, wie sie gedacht hatten, und da#223; man auch ihnen beikommen k#246;nne.

„Hab Dank f#252;r die gute Nachricht, Freund Rellem", sagte Tim. „Mach dich auf den Weg und bestelle den K#228;uern und Erzgr#228;bern, da#223; sie ihr Hab und Gut und ihren E#223;vorrat gut verbergen sollen. Noch besser w#228;re es, sie gingen in den Wald. Wenn die Eroberer leere D#246;rfer vorfinden, wird ihr Mut sinken. Prem Kokus hat von uns nat#252;rlich geh#246;rt. Bestelle ihm einen Gru#223; und sage ihm, da#223; Ann und Tim alles tun werden, um dem t#252;ckischen Urfin das Handwerk zu legen."' Rellem nahm Haltung an:

„Ich werde alle Eure Befehle genau ausf#252;hren, gn#228;diger Herr!" sagte er. ,Und noch eins: Am GBP-Weg stehen. feindliche Posten, und der #220;bergang #252;ber den Gro#223;en Flu#223; wird von einem Zug Springer bewacht, die nachts nicht schlafen, weil sie einen Lik#246;r aus Nuch-Nuch-N#252;ssen trinken."'

Der h#246;lzerne Bote erkl#228;rte den Kindern, was das f#252;r N#252;sse seien und wie sie wirkten. Nach diesen wertvollen Ausk#252;nften wandte sich der Abgesandte Kaggi-Karrs mit einem Ruck um, setzte sich in Trab und war im n#228;chsten Augenblick verschwunden. Schlimme Vorahnungen bem#228;chtigten sich Anns und Tims. Der Weg lag nach wie vor friedlich vor ihnen, aber die Nachricht, da#223; irgendwo Feinde lauerten, hatte ihre Stimmung ver#228;ndert. Die Unruhe sch#228;rfte alle Sinne der Kinder, die jetzt wachsam in die Ferne blickten.

Nach einem langen Marsch #252;bernachteten sie in einer H#252;tte, die einzust#252;rzen drohte. Hier hatte einst der Eiserne Holzf#228;ller gewohnt. Auf einem Wandbrett stand noch die verstaubte Kanne mit dem #214;l, das er zum Schmieren seiner eisernen Gelenke benutzt hatte.

DER REIF BEGINNT ZU WIRKEN

Am folgenden Tag setzten die Kinder den Weg mit gro#223;er Vorsicht fort. Wo er gerade war, hielten sie mit dem Fernrohr Ausschau, und an den Kr#252;mmungen schickten sie Arto voraus, der sich ger#228;uschlos durch die B#252;sche pirschte und die Lage auskundschaftete.

Nach einem dieser Aufkl#228;rungsunternehmen kehrte Arto hechelnd und mit gestr#228;ubtem Fell zur#252;ck.

„Feinde!" meldete er kurz. „Ein volles Dutzend. Sie lagern am Stra#223;enrand!" Es wurde sofort ein Kriegsrat abgehalten, an dem auch die Maultiere teilnahmen, weil Hannibal gesagt hatte: „Da wir die Namen ber#252;hmter Feldherren tragen, ist es nur gerecht, da#223; wir in milit#228;rischen Angelegenheiten mitreden", wogegen Tim und Ann nichts einzuwenden hatten.

„Wie sind die Springer bewaffnet?" fragte das M#228;dchen. „Sie haben Schleudern und schwere Keulen", erwiderte das H#252;ndchen. C#228;sar sagte:

„Hannibal und ich k#246;nnen an den Wachen so schnell vorbeisprengen, da#223; sie nicht dazukommen, die Waffen zu heben. Wollt ihr euch davon #252;berzeugen?"

„Um einen Stein in den R#252;cken zu bekommen, ja? Danke sch#246;n!" sagte Ann.

„Au#223;erdem darf Urfin nicht erfahren, da#223; wir im Zauberland sind, sonst wird er sich in acht nehmen und wir werden es viel schwerer haben, die Vorhersage des Zauberbuchs in Erf#252;llung gehen zu lassen."

„Wir k#246;nnten einen Bogen um den Feind machen", sagte Tim.

„Das geht nicht, weil der Wald zu dicht ist", entgegnete Arto.

Alle dachten angestrengt nach, dann rief Ann aus: „Ei, wie dumm wir doch sind! Wir haben den Reif v#246;llig vergessen! Er kann uns ja unsichtbar machen!"

Damit die Marranen nichts h#246;rten, zogen die Kinder ihre Schuhe aus und h#252;llten die Hufe der Maultiere in Bl#228;tter, die sie mit Lianen umwanden.

Um den Plan auszuprobieren, nahmen sich die Kinder bei den H#228;nden und f#252;hrten die Maultiere am Halfter hinter sich. Als sie sich Arto n#228;herten, der den Beobachter spielte, ber#252;hrte Ann den gro#223;en Rubin des Reifs.

„Nichts zu sehen und nichts zu h#246;ren!" rief Arto freudig. Hatte der Hund mit seinen scharfen Augen und der feinen Nase nichts gemerkt, so konnte die Vorhut der Springer erst recht nichts sehen oder h#246;ren. Die List hatte sich bew#228;hrt. Kurze Zeit sp#228;ter h#246;rten Ann und Tim das Getrampel zahlreicher F#252;#223;e und den L#228;rm vieler Stimmen. In der Ferne wurde der gro#223;e Marranentrupp sichtbar, den Urfin gegen die K#228;uer und Zwinkerer ausgeschickt hatte. Der Weg war hier viel zu schmal, als da#223; die Kinder den Soldaten h#228;tten ausweichen k#246;nnen. Zum Gl#252;ck hatten sie etwa 50 Schritt vorher einen Pfad in den Wald abbiegen sehen. Auf diesen zogen sie sich nun zur#252;ck, und Ann ber#252;hrte erneut den Rubin.

Drei Z#252;ge von Urfins Armee zogen lachend und schw#228;tzend an der kleinen Schar vorbei, und keiner der Soldaten ahnte, da#223; sich in der N#228;he Feinde verbargen. Am Abend des n#228;chsten Tages erreichten die Kinder den Gro#223;en Flu#223;. Da die #220;berfahrt, wie sie von Rellem wu#223;ten, bewacht war, bogen sie vom Weg ab und ritten am Ufer entlang, bis sie eine Stelle fanden, die sie, ohne absteigen zu m#252;ssen, leicht #252;berquerten.

Bis zur Smaragdeninsel waren es jetzt zwei Tagereisen zu Fu#223;, aber nur ein paar Stunden zu Pferd. In dieser dicht bev#246;lkerten Gegend mu#223;te man gut aufpassen, denn #252;berall trieben sich Springer herum, denen unter die Augen zu kommen nicht ratsam war. Selbst die Einwohner des Smaragdenlandes w#252;rden, wenn sie einem M#228;dchen begegneten, das Elli wie aus dem Gesicht geschnitten war, #252;berall davon erz#228;hlen, was Urfin zu Ohren kommen konnte. Deshalb beschlossen die Kinder, den Weg zu Fu#223; zur#252;ckzulegen, um die Zauberkraft des Reifs besser nutzen zu k#246;nnen. Sie #252;berlegten, was sie mit den Maultieren anfangen sollten. Sie in die Sonne zu stellen war gef#228;hrlich, denn die Tiere w#252;rden sich so sehr aufladen, da#223; keine Fessel sie w#252;rde halten k#246;nnen.

Tim legte C#228;sar und Hannibal ins schattige Dickicht, band ihnen auf alle F#228;lle die Beine zusammen und bedeckte sie mit Zweigen und Laub, damit kein Vor#252;bergehender sie bemerke.

Dann legten die Kinder das Allernotwendigste in ihre Rucks#228;cke und baten die Tiere, so lange auf sie zu warten, bis sie zur#252;ckkehrten, selbst wenn das eine geraume Weile dauern sollte.

Nach dem Abschied von den treuen mechanischen Gef#228;hrten kehrten Ann und Tim auf die GBP-Stra#223;e zur#252;ck und nahmen, unsichtbar f#252;r die Umgebung, Kurs auf die Smaragdeninsel.

Hier war alles gr#252;n. In gr#252;nen Hainen standen Farmerh#228;user mit grellgr#252;nen W#228;nden und bla#223;gr#252;nen D#228;chern. Die Einfriedungen der G#228;rten und Felder waren meergr#252;n und die Wegweiser hatten einen dunkelgr#252;nen Anstrich.

Von ihrer Schwester wu#223;te Ann, da#223; auch in der Kleidung der Einwohner die gr#252;ne Farbe vorherrschte. Aber die wenigen Farmer, denen die Kinder begegneten, hatten nur Fetzen am Leibe, deren Farbe schwer zu erkennen war. Die Marranen hatten ihnen nicht nur Hab und Gut, sondern auch die letzten Kleider geraubt.

OICHOS KAMPFTATEN

Das von Urfin zur Eroberung des Blauen Landes ausgesandte Marranenregiment befehligte Oberst Chart, ein breitschultriger, gedrungener Kerl mit riesigen F#228;usten. Die tiefe Furche in seiner Stirn verriet, da#223; er viele Jahre Sklave gewesen war -wahrscheinlich hatte er es mit dem Wetten zu weit getrieben.

Vor dem Erzgr#228;berdorf stellten sich die Kolonnen auf. Chart schickte Kundschafter aus, die bald mit der Meldung zur#252;ckkehrten, da#223; sie niemandem begegnet seien. Nur habe ihnen eine Anlage, sagten sie, die sie sich nicht zu erkl#228;ren wu#223;ten, den Weg versperrt. Das Regiment r#252;ckte gegen das Dorf vor, aber hinter einer Wegkr#252;mmung stie#223; es auf eine Barrikade, die ihm Einhalt gebot. Die Erzgr#228;ber hatten in Erwartung des Feindes die Zeit nicht vertr#246;delt.

Am Dorfrand erhob sich ein Wall aus Baumst#228;mmen, eisernen Pfl#252;gen, umgekippten scharfz#228;hnigen Eggen, massiven Wandschr#228;nken und Gartenb#228;nken.

Zu beiden Seiten des Walls klafften tiefe Gr#228;ben, aus deren Boden spitze Pf#228;hle ragten.

W#228;hrend Chart #252;berlegte, was er unternehmen solle, erschien auf der Barrikade ein hagerer Mann mit wallendem wei#223;em Bart. Es war Ruschero.

„Menschen aus fernem Lande, was sucht ihr hier?" fragte er laut.

Da trat Oberst Chart vor und rief

„Im Namen seiner Majest#228;t K#246;nigs Urfin I. fordere ich euch auf, die Waffen zu strecken und euch zu ergeben!"

„Welchen Nutzen werden wir davon haben?' fragte Ruschero. „Na, welchen..." In diplomatischen Verhandlungen unerfahren, stockte Chart. „Ihr werdet dem Gro#223;en Urfin Steuern entrichten und daf#252;r wird er euer Land vor Feinden sch#252;tzen..."'

Ruschero lachte schallend:

„Wir leben seit acht Jahren hier, und es ist das erstemal, da#223; wir Feinde sehen. Diese Feinde seid ihr! Ihr werdet uns doch nicht vor euch selbst sch#252;tzen wollen, wie?"

Der Oberst sah, da#223; er im Wortgefecht den k#252;rzeren zog, und wurde w#252;tend. „Halt den Mund!" br#252;llte er, und, zu den Soldaten gewandt, „schlagt ihn tot, Leute!"

Aber ehe die Soldaten die Waffen erheben konnten, verschwand Ruschero hinter der Barrikade, aus der pl#246;tzlich kalte Wasserstrahlen hervorschossen, die die verdutzten Marranen umwarfen und sie bis auf die Haut durchn#228;#223;ten.

Das war die erste #220;berraschung der Erzgr#228;ber, die aus ihren G#228;rten Pumpen herbeigeschafft und F#228;sser mit Wasser bereitgestellt hatten, das jetzt den kriegerischen Eifer der Marranen abk#252;hlte.

Die Soldaten glitten in den Pf#252;tzen aus, stolperten #252;bereinander, fielen, erhoben sich wieder und wichen entsetzt zur#252;ck. Chart und seine Zugf#252;hrer hatten M#252;he, die Reihen ihrer M#228;nner leidlich wieder in Ordnung zu bringen. W#252;tend sch#252;ttelte der Oberst die F#228;uste.

„Das sollt ihr mir b#252;#223;en!" drohte er den unsichtbaren Verteidigern.

Die hei#223;e Sonne des Zauberlandes trocknete rasch die Kleider der Marranen, und die Truppe ging erneut zum Angriff #252;ber.

Der Wasservorrat der Erzgr#228;ber war verbraucht, und die d#252;nnen Strahlen, die stellenweise noch hervorsickerten, konnten den Angreifern nichts anhaben. An Baumzweigen, Pfluggriffen und anderen Vorspr#252;ngen kletterten die Marranen die Barrikade hinauf. Doch als sie sie fast erklettert hatten, setzte die zweite #220;berraschung Ruscheros ein.

Aus dem nahen Dickicht scho#223; mit gefletschten Z#228;hnen ein riesiger Drache hervor, der sich auf den Feind st#252;rzte. Der uralte Stamm der fliegenden Drachen war zu jener Zeit fast ausgestorben. Nur im feuchten Halbdunkel des unterirdischen Landes hatten sich einige Exemplare erhalten, die von den Erzgr#228;bern noch unter der Regierung der K#246;nige gez#228;hmt und von den k#246;niglichen Wachen beim Patrouillendienst benutzt worden waren. Der zahmste und aufgeweckteste unter den Drachen war Oicho, der Elli nach ihrem dritten Besuch im Zauberland heimgeflogen hatte. Diesen Oicho hatten die Erzgr#228;ber nun aus der H#246;hle geholt und in den Kampf geschickt. Auf seinem R#252;cken sa#223; Mentacho. Mentacho war jetzt zwar Weber, aber als Spro#223; eines K#246;nigsgeschlechts hatte er seinerzeit eine gute milit#228;rische Ausbildung erhalten. Als die Erzgr#228;ber in h#246;chster Gefahr schwebten, traten seine alten milit#228;rischen Erfahrungen wieder zutage.

Das Ungeheuer h#228;tte die Marranen haufenweise vernichten k#246;nnen, doch einen solchen Befehl hatte man ihm nicht gegeben. Der kluge Ruschero wu#223;te, da#223; allein der ehrgeizige Urfin die Schuld an allem Unheil im Zauberland trug und die Springer lediglich seine betrogenen Opfer waren. Deshalb hatte der Herrscher der Erzgr#228;ber dem Drachen und seinem Reiter Befehl erteilt, unter den Scharen der Feinde Panik zu entfachen und sie in die Flucht zu schlagen.

Mentacho f#252;hrte seinen Auftrag gl#228;nzend aus. Er begriff, da#223; die Angreifer vor allem ihrer F#252;hrung beraubt werden mu#223;ten. Mit seinem ge#252;bten Auge ersp#228;hte er im feindlichen Heerhaufen den Obersten, der seine Kolonnen wieder zu ordnen suchte. Auf Mentachos Befehl packte der Drache mit seinen m#228;chtigen Tatzen den Obersten und setzte ihn auf dem Wipfel einer hohen Palme ab. Dasselbe tat er mit den Hauptleuten

und Zugf#252;hrern. Da die St#228;mme der Palmen astlos waren, konnten die Ungl#252;cklichen nicht hinabklettern. Erst als die Soldaten sich verlaufen hatten, holten die Erzgr#228;ber den Obersten und seine Offiziere von den B#228;umen herunter.

Oicho fegte #252;ber die Stra#223;e, auf der die Marranen entsetzt flohen. Wie ein Pfeil scho#223; er im Sturzflug auf den einen oder anderen Soldaten zu und tat so, als wolle er ihn zerrei#223;en.

Dann traten aus den B#252;schen br#252;llende Sechsf#252;#223;er hervor, auf deren R#252;cken M#228;nner sa#223;en. Das war- die dritte und letzte #220;berraschung Ruscheros.

Die feindliche Truppe hatte eine vernichtende Niederlage erlitten. Hunderte Marranen warfen ihre Waffen fort und verkrochen sich in den W#228;ldern.

Noch lange Zeit sp#228;ter trieben sich halbnackte Gestalten auf den Stra#223;en des Blauen Landes.herum. Manche klopfen an die T#252;ren der Farmerh#228;user und baten mit zitternder Stimme, man m#246;ge ihnen etwas zu essen und ein Obdach f#252;r die Nacht geben.

Nach der Schlacht schickte Ruschero einen Boten mit der Siegesnachricht zu Prem Kokus. Die K#228;uer, die ihre H#228;user verlassen und im wilden Wald Zuflucht gefunden hatten, kehrten freudig wieder heim.

Versprengte Marranen schleppten sich auf dem GBP-Weg nach Osten in Richtung der Smaragdeninsel. Sie beeilten sich nicht, denn als geschlagene Krieger f#252;rchteten sie, dem grimmigen Urfin unter die Augen zu treten.

URFINS NEUE SORGEN

Als Urfin die Smaragdenstadt zum erstenmal erobert hatte, fanden sich unter ihren Einwohnern #220;berl#228;ufer, die ihm zu dienen bereit waren. Der erste unter ihnen war Ruf Bilan, den Urfin in den Rang des obersten Zeremonienmeisters erhob. Nach Urfins Sturz floh Ruf Bilan in das unterirdische Land, wo er neue Verbrechen beging, f#252;r die er zu 10 Jahren Schlaf verurteilt wurde. Die Strafe wurde mit Hilfe des Zauberwassers vollstreckt.

In der Stadt verblieben jedoch Kabr Gwin, der ehemalige Statthalter des Blauen Landes, Enkin Fled, der in Urfins Namen die Zwinkerer regierte, und andere Verr#228;ter. Man hatte ihnen das Leben geschenkt und das Eigentum zur#252;ckgegeben, ja, der sanftm#252;tige Scheuch duldete sie sogar bei Hofe, was gewi#223; ein gro#223;er Fehler war. Kaum hatte sich Urfin wieder der Smaragdenstadt bem#228;chtigt, da traten die ehemaligen Minister und R#228;te vor ihn und sagten, sie seien #252;ber seine R#252;ckkehr sehr erfreut. Urfin nahm sie alle wieder in seine Dienste und verlieh ihnen hohe #196;mter. Der reiche Kaufmann Kabr Gwin wurde zum obersten Zeremonienmeister und Enkin Fled zum Chef der Polizei ernannt.

Als Urfin die Sachen des Scheuchs in Augenschein nahm, fiel ihm der sch#246;ne rosa Kasten mit der Mattscheibe auf. Er versuchte ihn zu #246;ffnen, was ihm jedoch mi#223;lang.

W#228;hrend er sich damit abm#252;hte, trat Kabr Gwin ins Zimmer.

„Dieser Kasten #246;ffnet sich nicht, Majest#228;t", sagte Gwin ehrerbietig. „Niemand wei#223;, was drinnen liegt, aber es ist ein magisches Ding."'

„Magisch, sagst du?"

Urfins Augen gl#228;nzten. „Ist das vielleicht ein neues Wunder, von dem ich nichts wu#223;te, ein Zaubermittel, das mir n#252;tzen k#246;nnte?" fragte er.

„Ich habe mehrmals beobachtet", sagte Gwin, wie unser fr#252;herer Herrscher allerlei Worte murmelte, worauf sich verschiedene bewegliche Gestalten auf der Scheibe zeigten. Bald war es der Eiserne Holzf#228;ller, bald der Tapfere L#246;we, manchmal wart auch Ihr darauf..."' ,Ein Zauberspiegel!' ging es Urfin durch den Sinn. Jetzt verstehe ich, woher der

Scheuch wissen konnte, wo ich mich nach meiner Vertreibung aufhielt. Der Spiegel hat es ihm gesagt. Ich mu#223; unbedingt hinter sein Geheimnis kommen!'

„Was f#252;r Worte hat der Scheuch gesprochen?" fragte Juice.

„Niemand hat sie geh#246;rt. Er fl#252;sterte nur." „Holt den Scheuch!"

Eine Stunde sp#228;ter stand der ehemalige Herrscher der Insel wieder vor Urfin. Der Scheuch sah j#228;mmerlich aus: seine Gesichtsz#252;ge waren verwaschen, und die Beine knickten unter dem aufgedunsenen K#246;rper ein. Allein sein Wille war ungebrochen.

„Was wollt Ihr von mir?" fragte er heiser.

„Ich will, da#223; Ihr mir das Geheimnis des rosa Kastens verratet. Sagt die magischen Worte - und ich lasse Euch frei. Mehr noch: Ich werde auch Euren Freund, den Holzf#228;ller, freilassen. Ich wei#223;, wie er unter der Gefangenschaft leidet." ,Ich werde ihm die Freiheit geben, aber er soll unter strenger Aufsicht bleiben', dachte Urfin bei sich.

„Und wenn ich mich weigere?"

„Dann lasse ich Euch verbrennen und die Asche in den Wind streuen!"

„Tut es doch, verbrennt mich! Vielleicht wird der Wind, der meine Asche zerweht,

Euch die magischen Worte verraten!"

Weder g#252;tiges Zureden noch Drohungen konnten den Scheuch dazu bringen, das Geheimnis zu verraten.

In den Keller zur#252;ckgebracht, teilte er dem Holzf#228;ller die magischen Worte mit, damit das Geheimnis des Zauberkastens nicht verlorengehe, falls der erboste Urfin ihn, den Scheuch, verbrennen sollte.

Urfin wollte aber das Geheimnis des Kastens um jeden Preis erfahren. Das war f#252;r ihn sehr wichtig, da der Strahlenglanz des Feuergottes, mit dem er sich umgeben hatte, in den Augen der Marranen allm#228;hlich verbla#223;te. Zwar konnte der gro#223;e Urfin nach wie vor durch eine Handbewegung Feuer erzeugen, doch mittlerweile hatten die Marranen gesehen, da#223; auch die Einwohner des Violetten Landes und der Smaragdenstadt dieses Zaubers m#228;chtig waren. Sie brauchten nur ein Holzst#228;bchen an die geschw#228;rzte Seite eines kleinen Sch#228;chtelchens zu reiben, damit das Ende des St#228;bchens zu brennen begann. Die K#228;uer nannten diese geheimnisvollen St#228;bchen Streichh#246;lzer. Sind denn die Untertanen des Holzf#228;llers und des Scheuchs auch Feuerg#246;tter?' frugen sich die Marranen, unter denen es bereits einige beherzte M#228;nner gab, die mit Streichh#246;lzern gleichfalls Feuer zu erzeugen wu#223;ten.

Zwar ahnten die Marranen noch nicht, da#223; man sie betrogen hatte, aber dieser Gedanke keimte in ihnen bereits. Das konnte Urfin fast jeden Abend von seinem Hauptspion, dem Clown Eot Ling, h#246;ren. Es bestand aller Grund, eine Erhebung dieses mutigen Volkes zu bef#252;rchten.

Aller dieser Sorgen w#228;re Urfin enthoben, w#252;#223;te er das Geheimnis des rosa Kastens. Dann k#246;nnte er jedem seiner Untertanen sagen, was dieser, ganz gleich, zu welcher Stunde oder an welchem Ort, getan habe. Durch diese Allwissenheit w#252;rde er die Marranen in ihrem Glauben an seine Gottheit best#228;rken. Urfin verfiel auf den t#246;richten Gedanken, er k#246;nnte das Geheimnis des Kastens ergr#252;nden, wenn er viele Worte in verschiedener Reihenfolge spreche. So setzte er sich denn vor den Fernseher und murmelte:

„H#252;te-Zelte, Morgenr#246;te-D#228;mmerung, Pufiki-Mufiki, Zug-Ruck... Kasten, Liebchen, zeig mir ein Bildchen!... Kalamas-palamas, trala-la-lalala... Kl#246;tzchen-Klotz, rosarotes Holz, Kasten, Freundchen, zeige mir die Leutchen!..." Der Kasten blieb jedoch stumm und finster.

Urfin wollte nicht begreifen, da#223; er, selbst wenn er Millionen Jahre diese sinnlosen Worte murmelte, seinem Ziel genau so fern bleiben w#252;rde wie ein Wanderer, der es sich in den Kopf gesetzt h#228;tte, auf Schusters Rappen ans Ende der Welt zu gelangen. Als alle Beschw#246;rungen nichts fruchteten, warf Urfin den Kasten zu Boden und begann ihn mit den F#252;#223;en zu treten. Der Kasten blieb jedoch unversehrt. In blinder Wut nahm Urfin einen Hammer und schlug ihn mit aller Wucht gegen die Scheibe. Der Hammer aber prallte zur#252;ck und traf Urfin in die Stirn. „Man hole den Scheuch!" br#252;llte er.

Wieder versuchte Urfin, den ehemaligen Herrscher der Smaragdeninsel zu #252;berreden. Er schmeichelte und drohte ihm-doch alles vergeblich.

Tapfer wahrte der Scheuch sein Geheimnis. Selbst das Angebot Urfins, sich mit ihm in der Herrschaft zu teilen, wies er zur#252;ck.

Wie einfach und leicht w#228;re es f#252;r Urfin, den Strohmann zu vernichten, aber auf diese Weise w#252;rde er das Geheimnis des Kastens niemals erfahren, und so mu#223;te er denn den Scheuch verschonen.

Wieder und wieder stellte er sich vor die Mattscheibe, starrte sie aus seinen entz#252;ndeten Augen an und murmelte sinnlose Worte...

DIE BEGEGNUNG MIT KAGGI-KARR

Ann und Tim erreichten unversehrt die Smaragdeninsel. Durch den Zauberreif unsichtbar gemacht, gingen sie Hand in Hand und trugen abwechselnd das H#252;ndchen. Unsichtbar f#252;r die Umgebung beobachteten sie aufmerksam alles, was ringsum geschah. Eine verlassene Farm, unweit des Kanals, bot ihnen Unterschlupf. #220;ber die Verwandlung der Smaragdenstadt in eine Insel wunderten sich die Kinder nicht, denn sie waren von den K#228;uern dar#252;ber unterrichtet worden. Im H#228;uschen nahm Ann den Reif ab - sie konnte ihn ja jederzeit wieder aufsetzen, wenn sich ein Fremder in der N#228;he zeigen sollte.

Die Kinder a#223;en das trockene Brot, das sie noch von den Erzgr#228;bern hatten, und warfen die Kr#252;mmel zum Fenster hinaus - f#252;r die V#246;gel. Pl#246;tzlich h#246;rten sie Fl#252;gel rauschen, und auf dem Fensterbrett zeigte sich eine gro#223;e Kr#228;he, die sie aus schwarzen #196;uglein verschmitzt anblickte.

„Endlich seid ihr da!" rief sie. „Ich erwarte euch schon sehns#252;chtig!"' „Ihr seid wohl Kaggi-Karr?" fragte das M#228;dchen.

Ann wagte es nicht, die Kr#228;he zu duzen, denn diese trug doch den Titel eines Herrschers der Smaragdeninsel, wenn auch nur zeitweilig. Die Kr#228;he nickte.

„Woher wu#223;et Ihr, da#223; wir im Zauberland sind?" Kaggi-Karr lachte. „Meine liebe Ann! Du hast gar keine Ahnung, was f#252;r Kundschafter die V#246;gel sind! Als ihr am Lagerfeuer sa#223;est und #252;ber eure Angelegenheiten spracht, trieb sich in der N#228;he ein unscheinbarer Spatz herum. Ihr konntet nat#252;rlich nicht ahnen, da#223; dieser Spatz sich jedes eurer Worte einpr#228;gte. Dann flog das V#246;gelchen zum n#228;chsten Posten und erz#228;hlte Wort f#252;r Wort, was es geh#246;rt hatte. So wurde die Nachricht auf schnellen Fl#252;geln weitergetragen, und ehe der Tag um war, wu#223;te ich als Leiterin der Vogelstaffel - heute bin ich stellvertretend auch zeitweilige Herrscherin der Smaragdeninsel-#252;ber alles Bescheid."' Ann und Tim waren starr vor Staunen.

„Hat dir deine Schwester denn nicht erz#228;hlt", f#252;hr die Kr#228;he fort, „welche Dienste die Vogelstaffel ihr und dem

Riesen von der anderen Seite der Berge im Krieg mit Urfin Juice und seinen Holzk#246;pfen erwiesen hat?"

„Ich kann mich nicht mehr erinnern", murmelte das M#228;dchen.

„Da habt ihr die menschliche Dankbarkeit!" sagte KaggiKarr vorwurfsvoll.

„Aber lassen wir das. Ich bin sehr froh, da#223; du, Ann, dein Freund Tim und das

H#252;ndchen Arto endlich da seid. Nur eins kann ich nicht verstehen: Wie habt ihr in

Kansas erfahren, da#223; wir wieder in Not sind und Hilfe brauchen?"

Bei diesen Worten sprang Kaggi-Karr dem M#228;dchen auf den Scho#223; und schmiegte sich

an, als erwarte sie, liebkost zu werden. Ergriffen von dieser Z#228;rtlichkeit, streichelte Ann

das glatte Gefieder des Vogels.

„Das kam zuf#228;llig", sagte sie. „Wir hatten keine Ahnung, da#223; der b#246;se Urfin die Macht wieder an sich gerissen und den Scheuch und den Eisernen Holzf#228;ller erneut gefangenhielt."

Ann erz#228;hlte ausf#252;hrlich von ihrem Wunschtraum, das Zauberland zu besuchen, von den mechanischen Maultieren, die Fred Cunning angefertigt hatte, und davon, wie sie und Tim die schwarzen Steine Gingemas #252;berlistet hatten... Zuletzt f#252;hrte Ann der Kr#228;he noch den Zauber des Silberreifs vor.

„Bei allen Segeln der Welt, h#228;tte dein Onkel, der Riese von der anderen Seite der Berge, gesagt", rief die Kr#228;he aus, als das niedliche Gesichtchen Anns wieder auftauchte. „Das ist die wunderbarste Geschichte, die ich jemals geh#246;rt habe! Vom Silberreif hatten die V#246;gel mir erz#228;hlt, aber eins ist es, zu h#246;ren, etwas ganz anderes aber, selbst zu sehen. Mit dem Reif werden wir den t#252;ckischen Landr#228;uber bestimmt besiegen und unsere Freunde befreien! In der N#228;he des Stadttores steht ein alter Turm, in dessen Keller der Eiserne Holzf#228;ller und der Scheuch eingesperrt sind. Noch wei#223; ich nicht, wo sich Faramant und Din Gior befinden, aber mit Hilfe des Zauberkastens werden wir auch das herausbekommen."

In wenigen Worten unterrichtete Kaggi-Karr ihre neuen Freunde #252;ber den rosa Kasten und seine Eigenschaften. Man beschlo#223;, da#223; die Kr#228;he auskundschaften solle, wo sich der Fernseher befinde. Zu bedenken war freilich, da#223; Urfin die Kr#228;he kannte und bei ihrem Anblick Verdacht sch#246;pfen w#252;rde.

„Ihr k#246;nnt ja unsichtbar hinfliegen", sagte. Ann. Kaggi-Karr plusterte sich auf vor Stolz. Das M#228;dchen legte ihr den Silberreif auf, der sich sogleich zusammenzog und genau auf den Hals der Kr#228;he pa#223;te. Dann ber#252;hrte Ann den Rubinstern, worauf der Vogel verschwand. Nur am Fl#252;gelschlag war zu erkennen, da#223; er fortflog. Eine geschlagene Stunde blieb Kaggi-Karr weg, und diese Stunde kam Ann und Tim schrecklich lange vor. Dann k#252;ndigte der bekannte Fl#252;gelschlag die R#252;ckkehr der Kundschaferin an. Den Reif absetzend, erstattete Kaggi-Karr Bericht. Der Kasten, sagte sie, stehe in einer Wandnische des Thronsaales. H#228;tten ihre Kr#228;fte ausgereicht, sie h#228;tte ihn mitnehmen und herbringen k#246;nnen, denn der Thronsaal war v#246;llig leer.

An diesem Tag war an einen erneuten Flug in den Palast nicht mehr zu denken, denn die Sonne ging bereits unter. Tim sagte, er wolle am n#228;chsten Morgen selbst hingehen, nur m#252;sse ihm Kaggi-Karr den Weg zeigen.

DIE K#214;NIGIN DER FELDM#196;USE

Den Talisman auf dem Kopf und die Kr#228;he auf der Schulter, machte sich Tim am n#228;chsten Morgen auf den Weg. Ann blieb unter dem Schutz Artos zur#252;ck. Falls ihnen Gefahr drohen sollte, sagte Tim, sollten sie sich sofort im Keller verstecken. Fr#252;her war jeder, der in die Smaragdenstadt kam, verbl#252;fft gewesen von ihrer Pracht: den sch#246;nen H#228;userfassaden, den Springbrunnen, den wehenden Fahnen, den funkelnden Smaragden und dem wogenden Strom der Menschen in den bunten, sch#246;nen Kleidern...

Die Herrschaft Urfins hatte all dem ein Ende gemacht. Die Fahnen waren eingezogen, die Springbrunnen versiegt, die Smaragden waren aus den Fassaden herausgebrochen und in der k#246;niglichen Abstellkammer versteckt, die Einwohner aus der Stadt vertrieben worden. In den Stra#223;en konnte man lediglich Marranen mit ihren gro#223;en K#246;pfen sehen. Tim pa#223;te auf, da#223; es zu keiner unerw#252;nschten Begegnung kam. Er hatte mit der Kr#228;he ausgemacht, da#223; sie mit dem Schnabel sein rechtes oder linkes Ohr ber#252;hre, wenn er nach rechts oder links einschwenken solle. Das war ein guter Einfall, den die kr#228;chzende Stimme der Kr#228;he, die beim besten Willen nicht leise sprechen konnte, w#228;re der Umgebung bestimmt aufgefallen.

Von der Kr#228;he geleitet, erreichte Tim ohne Zwischenfall den Thronsaal, der gl#252;cklicherweise leer war. Augenblicklich nahm der Junge den magischen Kasten aus der Nische und wandte sich dem Ausgang zu. In diesem Augenblick wurden Schritte h#246;rbar. Tim blieb wie angewurzelt stehen, da trat Urfin in den Saal. Der Junge erkannte ihn an den grellen Kleidern, den buschigen schwarzen Brauen und dem b#246;sen Blick. Dem Jungen kam der verwegene Gedanke, der Herrschaft des B#246;sewichts mit einem Schlag ein Ende zu machen.

,Wenn ich ihn erschlage, sind wir alle Sorgen los... Zwar habe ich keine Waffe, aber mit diesem schweren Kasten wird es sich doch auch machen lassen!' ging es ihm durch den Kopf.

Ohne lange zu #252;berlegen, erhob der kr#228;ftige Junge den Fernseher und schlug ihn mit aller Wucht auf den Kopf des K#246;nigs. Urfin fiel mit einem Aufschrei zu Boden. Sein Sch#228;del war jedoch viel h#228;rter, als Tim gedacht hatte, und au#223;erdem hatte der Kasten ihn nicht voll getroffen, sondern nur gestreift.

Auf den Schrei hin st#252;rzten Kabr Gwin, Enkin Fred und Wachen in den Saal.

„Alle T#252;ren und Fenster schlie#223;en! Feinde sind in den Palast eingedrungen!" br#252;llte der

K#246;nig.

Um die Aufmerksamkeit Urfins und seines Gefolges abzulenken, l#246;ste sich Kaggi-Karr von Tims Schulter und flog kreischend durch den Saal. Gwin und die Marranen st#252;rzten ihr nach, und es entstand ein entsetzlicher Tumult.

Unterdessen rannte der unsichtbare Tim durch Fluren und Hallen in der Hoffnung, den Ausgang zu finden. Etwa f#252;nf Minuten narrte die umherflatternde Kaggi-Karr die H#228;scher und entkam schlie#223;lich durch eine offene Fensterklappe. Aufgeregt und zerzaust kehrte sie in das H#228;uschen zur#252;ck, in dem sich Ann und Arto verbargen. „Was ist geschehen? Wo ist Tim? Habt ihr den Kasten gefunden?" rief das M#228;dchen entsetzt.

Als die Kr#228;he ihr den Vorfall erz#228;hlte, schlug es die H#228;nde #252;ber den Kopf zusammen: „Oh, der Ungl#252;ckliche! Er ist verloren!"

„M#246;glich", sagte Kaggi-Karr trocken. „Ich habe die Leute zwar eine Zeit lang abgelenkt, aber Tim konnte sich verirrt haben und ihnen in die H#228;nde gefallen sein..."' Ann begann bitter zu weinen.

„Heule nicht, da bin ich!" h#246;rte sie pl#246;tzlich Tims Stimme.

Da stand er nun im T#252;rrahmen, den rosa Kasten in den H#228;nden. Er war gerade in dem Augenblick aus dem Fenster gesprungen, als der Herrscher es zuschlagen wollte. Das M#228;dchen freute sich sehr, obwohl es Tim wegen seines Leichtsinns schalt. „Was hast du nur angerichtet!" rief Ann. „Jetzt wei#223; Urfin, da#223; Freunde des Scheuchs auf der Insel sind, und er wird bestimmt seine Vorkehrungen treffen." Tim wurde abwechselnd rot und bla#223; vor Reue. Doch dann entgegnete er: „Nach dem Verschwinden des Kastens h#228;tte Urfin sowieso Verdacht gesch#246;pft." „Ja, aber das h#228;tte noch eine Weile gedauert. Au#223;erdem h#228;tte er ja alles m#246;gliche annehmen k#246;nnen, jetzt aber wei#223; er, woran er ist."

„Und ob-nach dieser Kopfnu#223;!" rief die Kr#228;he. #220;ber diese Worte begannen unsere Freunde schallend zu lachen. Sie stellten sich lebhaft das Entsetzen Urfins vor, als ihn der Schlag aus dem Nichts traf. Tim sagte:

„Ich h#228;tte nicht gedacht, da#223; dieser Schuft einen so harten Sch#228;del hat!"

Diese Worte l#246;sten wieder Heiterkeit aus.

„Jetzt m#252;ssen wir aber handeln", sagte Ann besorgt.

„Ich f#252;rchte, Urfin wird den Scheuch in ein anderes Gef#228;ngnis bringen lassen, und wir werden den Kasten nicht nutzen k#246;nnen, weil wir die magischen Worte nicht kennen." „Sagt einmal, ist das nicht Raminas Pfeife?" fragte die Kr#228;he, auf die Silberpfeife am Hals des M#228;dchens weisend. „Ja", antwortete Ann. „Die hat mir meine Schwester geschenkt."

„Warum zauderst du dann?" rief die Kr#228;he ungeduldig. „Ruf doch die K#246;nigin der Feldm#228;use! Ramina wird uns bestimmt helfen!"

Ann sch#228;mte sich, nicht selbst daraufgekommen zu sein. Sie blies dreimal in die Pfeife, worauf ein Scharren h#246;rbar wurde... Tim konnte Arto, dessen Jagdinstinkt pl#246;tzlich erwachte, gerade noch am Halsband packen, da stand schon die M#228;usek#246;nigin vor ihnen.

„Verzeiht, Eure Majest#228;t, die Unh#246;flichkeit des Hundes", sagte Ann zu der K#246;nigin. „Ich habe Euch gerufen, weil wir dringend Eure Hilfe brauchen." Ramina erkannte sofort, da#223; es nicht Elli war, die zu ihr sprach. „Guten Tag, meine Liebe", sagte sie. „Ich bin #252;ber Eure Ankunft l#228;ngst unterrichtet, nur geziemte es meiner W#252;rde nicht, ungerufen zu kommen. Ihr seid nat#252;rlich Ellis Schwester. Wie hei#223;t Ihr doch?"

Ann nannte ihren Namen und stellte der- K#246;nigin auch Tim und Arto vor. In wenigen Worten erkl#228;rte sie, was sie von der K#246;nigin begehrte. Ramina #252;berlegte. „Der Scheuch ist im Keller eines alten Turms eingesperrt. Ihr wollt die Worte wissen, die den rosa Kasten in Wirkung setzen, nicht wahr? Nun, Ihr sollt sie erfahren!" Die K#246;nigin verschwand so pl#246;tzlich, da#223; Arto, der sich losgerissen hatte, mit den Z#228;hnen nur die Luft schnappte. Ramina, eine m#228;chtige Fee, besa#223; unter anderem die F#228;higkeit, sich augenblicklich an jeden beliebigen Ort zu versetzen. Eine Sekunde sp#228;ter befand sie sich schon in dem Keller, in dem der Holzf#228;ller und der Scheuch lagen. Ungest#252;m begr#252;#223;ten sie die K#246;nigin. Als sie erfuhren, wer sie zu ihnen geschickt hatte, kannte ihre Freude keine Grenzen.

„Ann Smith, die Schwester unserer lieben kleinen Elli, ist von der anderen Seite der Berge mit einem wunderbaren Pferd, das Sonnenstrahlen fri#223;t, zu uns gekommen! Oh-hoho-ho, wie ich mich freue!"

Der Scheuch sang und h#252;pfte, obwohl seine schwachen Beine ihm kaum gehorchten. Der Holzf#228;ller aber legte die Hand auf die Brust und rief: „Oh, wieviel Liebe und Z#228;rtlichkeit birgt meine Brust! Ich will meine Gef#252;hle unserer neuen Freundin schenken, der Schwester unserer lieben Elli!" Auf Raminas Bitte sprach der Scheuch die magischen Worte. „Werden Eure Majest#228;t sie auch nicht vergessen?" fragte er. „Keine Sorge, ich habe ein gutes Ged#228;chtnis", kicherte die K#246;nigin und verschwand. Das geschah keinen Augenblick zu fr#252;h, denn hinter der T#252;r wurden laute Stimmen h#246;rbar. Sie r#252;hrten von den Marranen her die gekommen waren, um die H#228;ftlinge in ein anderes Gef#228;ngnis zu #252;berf#252;hren. Allerdings konnte das Urfin jetzt nichts mehr n#252;tzen. Ramina kehrte zu Ann und Tim zur#252;ck. Alle Anwesenden, einschlie#223;lich der Kr#228;he und des H#252;ndchens, lernten die Zauberworte auswendig, denn man konnte nicht wissen, ob dem einen oder anderen nicht etwas zusto#223;en werde. Die K#246;nigin erkundigte sich nach dem Schicksal ihrer Bekannten im Lande, jenseits der Berge, wobei die meisten Fragen nat#252;rlich Elli betrafen.

„Ich habe ihr prophezeit, da#223; sie in das Zauberland nicht mehr zur#252;ckkehren wird, und meine Vorhersage hat sich bewahrheitet", sagte Ramina stolz. „Wir Feen haben die Gabe, die Zukunft vorauszusehen."

Auf die Frage, wie der Kampf Anns und ihrer Freunde gegen Urfin ausgehen werde, blieb Ramina jedoch die Antwort schuldig.

Ann erz#228;hlte, da#223; Elli im College studiere und bald Lehrerin sein w#252;rde, was die K#246;nigin sehr l#246;blich fand. „Elli ist so z#228;rtlich und lieb zu den Kindern, da#223; sie bestimmt eine hervorragende Lehrerin sein wird", versicherte Ramina. Dann fragte sie noch, wie es dem einbeinigen Seemann Charlie Black und dem wackeren Fred Cunning gehe. „Pr#228;chtige Burschen - sie verdienen es, gl#252;cklich zu sein", sagte Ramina.

Als sie erfuhr, da#223; Fred die wunderbaren Maultiere hergestellt hatte, mit denen Ann und Tim in das Zauberland gekommen waren, begehrte Ramina, sie zu sehen. Ann versprach, ihren Wunsch zu erf#252;llen.

Man trennte sich sehr freundschaftlich. Die Abschiedsszene wurde allerdings von Arto verdorben, der sich wieder losgerissen hatte und laut bellte.

IM NEUEN GEF#196;NGNIS

Nach dem Abgang der M#228;usek#246;nigin beschlo#223; Ann den Fernseher auszuprobieren, da sie bef#252;rchtete, da#223; er beim Handgemenge im Palast besch#228;digt worden sei. Sie stellte den Kasten auf den wackligen Tisch, der im Zimmer stand, und sprach erregt die Zauberworte: „Birelija-turelija, buridakl-furidakl,

Es r#246;te sich der Himmel, es gr#252;ne das Gras, Kasten, K#228;stchen, zeig mir bitte dies und das!"

Die Mattscheibe begann zu flimmern und zeigte einen Weg, auf dem der Holzf#228;ller und der Scheuch, von Wachen umgeben, dahinwankten. „Man bringt sie in ein anderes Gef#228;ngnis!" rief. Ann. Auf den Holzf#228;ller gest#252;tzt, schleppte sich der Scheuch m#252;hsam dahin. Seine Beine knickten bei jedem Schritt ein, und der Kopf lag ihm fast auf der Brust. Man sah, da#223; er v#246;llig ersch#246;pft war. Nicht viel besser stand es um den Holzf#228;ller. Selbst im Apparat konnte man seine unge#246;lten Gelenke knacken h#246;ren.

Obwohl Ann den Scheuch zum erstenmal sah, erkannte sie ihn sofort - nicht umsonst hatte die Schwester ihr so oft von ihm erz#228;hlt. Ja, ihr schien sogar, als

habe sie viele Male neben ihm gesessen, seine molligen H#228;nde gehalten und ihm den klugen, s#228;gesp#228;negef#252;llten Kopf gestreichelt...

„Du Armer", fl#252;sterte Ann unter Tr#228;nen. „Was haben sie nur aus dir gemacht!"' Man h#246;rte, wie der Holzf#228;ller seinem Gef#228;hrten Mut zusprach. Als dies nicht half, nahm der eiserne Mann den Scheuch auf die Arme und trug ihn, wie eine liebevolle Mutter ein krankes Kind.

Wackerer Holzf#228;ller! Dein liebevolles Herz war immer treu, selbst in den schwersten Stunden... Ach, w#252;rden die Menschen aus. Fleisch und Blut sich so verhalten wie du, wieviel sch#246;ner w#228;re das Leben auf Erden! Die zeitweilige Herrscherin der Smaragdeninsel, die weniger empfindlich war als die anderen Zuschauer, beobachtete k#252;hl, wohin die Marranen die H#228;ftlinge f#252;hrten. Von Zeit zu Zeit kr#228;chzte sie leise:

„Kreuzung der zwei Eichen... Erdbeerh#252;gelfarm.. . Und jetzt? Ach so, da ist ja die Verliebtenbr#252;cke... Oh, nun wei#223; ich, wohin man sie f#252;hrt", rief sie pl#246;tzlich freudig: „Auf das Gut von Ol Burn!"

„Wor#252;ber freut ihr Euch denn?" fragte Ann mi#223;mutig. „Wie soll ich mich nicht freuen",

erwiderte die Kr#228;he, „wo ich doch jeden Stein und jeden Strauch dort kenne. Wenn man sie jetzt in den Gem#252;sekeller sperrt... Ganz richtig, da ist er ja schon!"

Kaggi-Karr bog sich vor Lachen.

Auf die stumme Frage ihrer Freunde sagte sie:

„Das Dach dieses Kellers hat ein Loch, durch das ich schon eine Menge #196;pfel und Birnen geklaut habe. Ha, ha, ha!"

Anns und Tims Gesichter hellten sich auf. Aus den Worten der Kr#228;he wurde ihnen klar, da#223; sie von nun an eine Verbindung mit dem Holzf#228;ller und dem Scheuch haben w#252;rden. Ihre Freude steigerte sich noch mehr, als der Bildschirm einen Schuppen zeigte, in dem sie Din Gior und Faramant erblickten. Die Kinder erkannten den einen am langen Bart, den anderen an der gr#252;nen Brille, die er niemals absetzte. „Hurra!" frohlockte Tim. „Jetzt werden wir sie alle auf einmal befreien!" In der Tat, jetzt war ihre Aufgabe viel leichter. Das Schicksal des langb#228;rtigen Soldaten und des H#252;ters des Tores hatte ihnen gro#223;e Sorgen bereitet, um so mehr, als sie nicht wu#223;ten, wo sie die beiden suchen sollten. Nun aber hatten sie die M#246;glichkeit, alle vier mit einem Schlag zu befreien.

Die Kinder baten den Kasten, er m#246;ge ihnen auch Urfin Juice zeigen, und im Nu ging ihr Wunsch in Erf#252;llung. Urfin sa#223; finsteren Angesichts auf seinem Thron. Tim versp#252;rte gro#223;e Genugtuung, als er eine riesige Beule auf dessen Kopf sah, die der Verband nur schlecht verdeckte. Vor Urfin stand der Polizeichef, der dicke, rotschopfige Enkin Fled.

„Ich f#252;hle", sagte Urfin und rieb sich die Beule, „da#223; auf der Smaragdeninsel Freunde des Scheuchs, die ich nicht kenne, ihr Unwesen treiben. Vor acht Jahren h#228;tte ich geschworen, da#223; wir es mit dem M#228;dchen Elli zu tun haben."'

Um nicht loszuprusten, hielt Ann die Hand vor den Mund.

„Bring die Polizei und alle meine R#228;te und Anh#228;nger auf die Beine!" fuhr Urfin fort.

„La#223; ausrufen, da#223; ich auf die K#246;pfe der unbekannten Feinde zehn ... nein, f#252;nf, der gr#246;#223;ten Smaragde aus meiner Schatzkammer setze!"

Die Kr#228;he bat, auf das Violette Land umzuschalten, denn sie w#252;nschte Lestar zu sehen, den kleinen ruhigen Alten, der, wie Ann aus den Berichten Ellis wu#223;te, ein sehr findiger Ingenieur war.

Der Bildschirm zeigte Lestar auf einem riesigen Erdhaufen, um den sich ein tiefer Graben hinzog, hinter dem steinerne T#252;rmchen mit Schie#223;scharten ragten.

„Sie bauen Befestigungen!" rief Tim. „Rellem hat die Wahrheit gesagt."

,,Habt ihr denn daran gezweifelt?" fragte Kaggi-Karr. „Diese Information hat er doch von mir bekommen!"

Die Kr#228;he hatte vom Scheuch viele unbekannte W#246;rter #252;bernommen, mit denen sie von Zeit zu Zeit ihre Rede ausschm#252;ckte.

Anns Herz begann heftig zu klopfen, als sie hinter dem Erdhaufen den L#246;wen hervortreten sah. Er sagte zum Ingenieur:

„Freund Lestar, Euer Werk macht gute Fortschritte. Aber seid Ihr sicher, da#223; Urfin uns nicht #252;berrascht, bevor es fertig ist?"

„Ich habe Vorkehrungen getroffen", erwiderte Lestar. „Die ganze Stra#223;e bis zur Smaragdeninsel wird von V#246;geln #252;berwacht, denen h#246;lzerne Boten beigegeben sind. Sobald Urfins Armee sich in Marsch setzt, werden wir in wenigen Stunden dar#252;ber unterrichtet sein. Vorl#228;ufig gibt es keinen Grund zur' Aufregung." „Man sieht, da#223; er durch die Schule des Feldmarschalls Din Gior gegangen ist", sagte die Kr#228;he voller Hochachtung. „Ich werde Lestar zum zeitweiligen Herrscher des Violetten Landes ernennen. Ich glaube, er ist der geeignete Mann f#252;r dieses hohe Amt. Gleich heute will ich den Befehl #252;ber die Vogelstaffel weitergeben. Wie ich sehe, ist auch der L#246;we eingetroffen. Das lob ich mir. Und jetzt la#223;t uns mal sehen, wie es bei den K#228;uern steht. Wie weit mag wohl Oberst Chart gekommen sein?" Wieder hatten die Zuschauer Grund zum Staunen: Der Bildschirm zeigte ein heiteres blaues Dorf. Vor blauen H#228;usern spielten auf der Stra#223;e Kinder in blauen Hemden und blauen H#246;schen.

Zwei Frauen in blauen Kleidern, die Kr#252;ge auf den K#246;pfen trugen, f#252;hrten ein Gespr#228;ch. Eine von ihnen beendete gerade einen Satz: „... jetzt verstehen Sie, wie ich mich freue, da#223; wir nicht mehr in dem alten Loch wohnen. Meine kleine Rin hat so schrecklich gehustet..." „Das haben wir den tapferen Erzgr#228;bern zu verdanken", sagte die andere. „Ei, wie sie die frechen, Eroberer verdroschen haben!"

„Ja, es war unser Gl#252;ck, da#223; sie die H#246;hle verlassen und sich in der oberen Welt angesiedelt haben", beendete die erste Frau das Gespr#228;ch und ging, den blauen Krug auf ihrem Kopf festhaltend, weiter. Anns und Tims Augen gl#228;nzten vor Freude.

„Es sieht aus, als seien die Marranen auch dort besiegt worden. Unfa#223;bar...", sagte Tim. Ann schaltete den Apparat auf andere K#228;uerd#246;rfer, und #252;berall konnte man ein Bild friedlicher Arbeit und froher Gesch#228;ftigkeit sehen. „Oh, da ist ja die Erzgr#228;berstadt!" rief Ann.

Der Bildschirm zeigte eine Stra#223;e mit einem Wall, den Erzgr#228;ber auseinandernahmen. Unter ihnen befanden sich gefangene Marranen, die emsig mithalfen. „Hurra! Der Sieg ist unser!" rief Tim ungest#252;m. Es bestand kein Zweifel mehr, da#223; Urfins Eroberungspl#228;ne sowohl im Osten als auch im Westen gescheitert waren. Die Kinder frohlockten. Nur die Kr#228;he #228;u#223;erte ihre Unzufriedenheit #252;ber die schlecht funktionierende Verbindung auf dieser Linie.

„Ich werde wohl eine Reform durchf#252;hren m#252;ssen", sagte Kaggi-Karr mit wichtiger Miene. „Man wird ihnen dort einen Verweis erteilen und ' die F#252;hrung absetzen m#252;ssen."

Ja, die Zeiten hatten sich ge#228;ndert. Jetzt war es nicht mehr wie vor neun Jahren, als Urfin mit seinen Holzk#246;pfen wie ein Sturm #252;ber das Land fegte und sich alles unterwarf.

Die schweren Pr#252;fungen hatten die V#246;lker vieles gelehrt. Die Menschen hatten ihr Schicksal in ihre eigenen H#228;nde genommen und' trotzten dem Eroberer. Auch waren sie jetzt im Kampf gegen den Feind nicht mehr so sehr auf fremde Hilfe angewiesen. Die Aufgabe Anns und ihrer Freunde war nun viel einfacher: Sie mu#223;ten vor allen Dingen die Gefangenen befreien und dann Urfin den letzten Schlag versetzen. Es dunkelte, als die Kinder sich vom Fernseher l#246;sten. Zum letztenmal warfen sie noch einen Blick auf den Scheuch und seine Freunde, die in der Gefangenschaft schmachteten. Din Gior und Faramant legten sich schlafen, w#228;hrend der Holzf#228;ller den Scheuch zum Trocknen unter die Strahlen der untergehenden Sonne stellte, die durch das kleine Fenster hereinschien. Ann sagte:

„Kasten, K#228;stchen, mach jetzt Schlu#223;, wir danken dir f#252;r den Genu#223;!" Der Fernseher erlosch.

„Morgen bei Tagesanbruch", sagte die Kr#228;he, „werde ich zu den Gefangenen fliegen und sie tr#246;sten. Ich werde ihnen erz#228;hlen, was ich heute gesehen habe." Pl#246;tzlich machte sie eine tiefe Verbeugung vor dem Kasten und murmelte: „Verzeih mir dummem Vogel, da#223; ich so respektlos von dir sprach. Jetzt habe ich mich #252;berzeugt, da#223; du das gr#246;#223;te Wunder in unserem Lande bist!"

DAS SCHLAFWASSER WIRD WIEDER GEBRAUCHT

Am Morgen besuchte Kaggi-Karr die Gefangenen im Schuppen Ol Burns. Eine Flucht war unm#246;glich, weil der Schuppen dicke W#228;nde und feste T#252;ren hatte, vor denen schlaflose Nuch-Nuch-Trinker Tag und Nacht Wache hielten. Zur#252;ckgekehrt erz#228;hlte die Kundschafterin, was sie gesehen hatte. Sie beschlo#223; ihren Bericht mit den Worten: „Solange wir die Wachen nicht einschl#228;fern, werden wir unsere Freunde nicht befreien k#246;nnen. Da kann uns nur die Heilige Quelle helfen."'

„Ihr meint die Zauberquelle, mit deren Wasser die unterirdischen K#246;nige eingeschl#228;fert wurden?" fragte Ann. „Genau", erwiderte Kaggi-Karr. „Der Weg ist zwar lang und beschwerlich, aber ich sehe kein anderes Mittel." Das war einleuchtend.

Man beschlo#223;, noch am selben Tag aufzubrechen. KaggiKarr suchte erneut die Gefangenen auf und sagte ihnen, sie sollten sich noch ein paar Tage gedulden. Vor dem Aufbruch wollte Ann noch einmal das Land der unterirdischen Erzgr#228;ber sehen, aber der Kasten blieb finster und stumm. Er konnte die H#246;hle nicht zeigen, weil sie tief unter der Erde lag und keinen Lichtstrahl einlie#223;. Um den schweren Fernseher nicht mitschleppen zu m#252;ssen, beschlo#223; man, ihn neben dem Haus zu vergraben. Die Maultiere lagen dort, wo man sie zur#252;ckgelassen hatte. Drei Stunden lang hatte sie die Sonne beschienen und derart aufgeladen, da#223; sie beim Anblick Anns und Tims wie wild zu schnauben und zu wiehern begannen. Ann und Tim, die die Gefangenen m#246;glichst schnell befreien wollten, lie#223;en jede Vorsicht au#223;er acht und ritten in rasendem Galopp. Wie der Wind brausten sie an den Wachtposten vorbei, die kaum die Umrisse der seltsamen Tiere erkennen konnten. Die Disziplin der Wachen hatte stark nachgelassen, woran die versprengten Soldaten aus dem Regiment Charts schuld waren, die schreckliche Geschichten von fliegenden Ungeheuern und sechsf#252;#223;igen Tieren erz#228;hlten, die immer n#228;her kamen und gewi#223; bald dasein w#252;rden.

Tim war voller Zuversicht. Noch bevor die nicht allzu eifrigen Boten die Smaragdeninsel erreichen und Urfin von der nahenden Gefahr benachrichtigen konnten, w#252;rden die Kinder in der H#246;hle gewesen und mit dem Schlafwasser zur#252;ckgekehrt sein. Drei Tage sp#228;ter standen unsere Freunde vor dem Tor des unterirdischen Reichs. Kaggi-Karr sagte, sie wolle lieber drau#223;en warten.

„Ich versp#252;re keine Lust, mich in dieser H#246;hle herumzutreiben. Ich habe genug von ihr gesehen, als ich mit dem Scheuch und dem Holzf#228;ller da war", sagte die Kr#228;he m#252;rrisch. „Lieber w#228;rme ich mich derweilen in der Sonne." Ann erschauerte bei dem Gedanken, da#223; sie bald das wunderbare Land betreten werde, wo ihre Schwester so viele spannende Abenteuer erlebt hatte.

Ewiger Herbst lag #252;ber den Fluren und H#252;geln des riesigen Reichs, das sich vor den Kindern auftat. Da war alles rot, gelb und braun. Hoch oben rauchten goldgelbe Wolken unter steinernem Gew#246;lbe. Ein majest#228;tisches, aber trauriges Reich... Eiskalt lief es Ann #252;ber den R#252;cken.

„Stell dir nur vor", sagte sie leise zu Tim, „wie viele Geschlechter hier ihr Leben verbracht haben, ohne auch nur einmal das Licht der Sonne zu sehen... Die Armen!" Still und leer lag das Land vor ihnen. Aus weiter Ferne drang der ged#228;mpfte L#228;rm einer Fabrik, in der Metalle bearbeitet wurden.

Die Maultiere rasten #252;ber eine ausgefahrene Stra#223;e dahin. Nach und nach begannen sich die Kinder an die Umgebung zu gew#246;hnen. In der Ferne gewahrten sie die Stadt, in deren Mitte sich der Palast der unterirdischen K#246;nige erhob. Die in allen Farben des Regenbogens gestrichenen T#252;rme waren verbla#223;t, der Verputz von den Mauern abgebr#246;ckelt und viele Ziegel herausgefallen. Die unterirdische Stadt verfiel... Ein Ger#228;usch lie#223; die Kinder aufblicken. Voller Entsetzen gewahrten sie #252;ber ihren K#246;pfen ein Ungeheuer, das mit ausgebreiteten Fl#252;geln auf sie zukam. Ein Drache!

Ann und Tim schlossen die Augen und bedeckten ihre Gesichter mit den H#228;nden. Ihnen war, als w#252;rde der aufgesperrte Rachen des Ungeheuers sie im n#228;chsten Augenblick verschlingen. Da h#246;rten sie eine heisere, aber freundliche Ba#223;stimme, und als sie in die Richtung blickten, aus der sie kam, gewahrten sie einen Mann, der ihnen aus dem Fabriktor entgegenlief. Er fuchtelte mit den H#228;nden und rief „Keine Angst, der Drache tut euch nichts, es ist Oicho!" Ja, das war Oicho, der ganz allein ein Marranenregiment in die Flucht geschlagen hatte. Jetzt kam er aber in freundlicher Absicht. Er hatte n#228;mlich sogleich erkannt, da#223; die Reiter ein Junge und ein M#228;dchen waren und da#223; das M#228;dchen genau wie Elli aussah, die er einst in ihre Heimat geflogen hatte.

Die Kinder betrachteten neugierig den Drachen, der wie zum Gru#223; #252;ber ihren K#246;pfen kreiste. Pl#246;tzlich wurde der Schritt ihrer Maultiere immer langsamer. C#228;sar und Hannibal bewegten sich kaum noch, stolperten einmal #252;ber das andere und sanken schlie#223;lich seufzend zu Boden.

Die Kinder konnten gerade noch aus den Satteln springen. Verwundert starrten sie die unbeweglichen Tiere an. C#228;sar konnte gerade noch sagen: „Alle Energie ver... "

Er konnte den Satz nicht zu Ende sprechen. Die wunderbaren Tiere waren in der dunklen Unterwelt, in die kein Sonnenstrahl drang, v#246;llig hilflos. „Was fangen wir jetzt nur an?" fragte Ann.

Tim zuckte mit den Schultern. In diesem Augenblick trat der Mann, den sie aus dem Fabriktor hatten laufen sehen, auf sie zu. Er war hochgewachsen und hatte ein sch#246;nes blasses Gesicht.

„Elgaro, Gehilfe des Herrschers Ruschero", stellte er sich vor. „Ich nehme an, da#223; Ihr die Schwester Ellis seid, die vor acht Jahren bei uns war."'

„Genau", sagte Ann und nannte ihren und ihres Freundes Namen.

„Es freut mich, Euch und Euren Freund in der H#246;hle willkommen zu hei#223;en. Sie ist heute zwar nicht mehr so belebt, wie zu der Zeit, als Eure Schwester bei uns weilte. Das kommt daher, da#223; wir jetzt in der oberen Welt leben und jedes Jahr nur f#252;r einen Monat abwechselnd herkommen, um in der Fabrik oder in der Grube zu arbeiten."'

„Ich wei#223; es, das hat mir Euer Herrscher Ruschero erz#228;hlt."'

„Ich sehe, Ihr seid in Verlegenheit", fuhr Elgaro fort. „Ist den Tieren etwas zugesto#223;en? Kann ich Euch vielleicht helfen?"

Ann begann zu erz#228;hlen. #220;ber die Niederlage der Marranen war Elgaro bereits unterrichtet, nur wu#223;te er nicht, da#223; der Scheuch und der Eiserne Holzf#228;ller gefangen waren.

„Das tut mir schrecklich leid", sagte der Erzgr#228;ber. „Ich habe den Scheuch und den Eisernen Holzf#228;ller gesehen, als sie vor acht Jahren hier waren, und sie in bester Erinnerung behalten. Sie traten sehr w#252;rdevoll auf, als w#228;ren sie die geborenen Herrscher ihrer V#246;lker."'

„Ihr k#246;nnt sie aus der Not befreien helfen", sagte Ann, „wenn Ihr uns ein Paar Flaschen Schlafwasser gibt." „Das Schlafwasser wird nur mit schriftlicher Erlaubnis unseres Herrschers Ruschero ausgegeben", sagte Elgaro. „Aber angesichts der besonderen Umst#228;nde will ich eine Ausnahme machen. Ich m#246;chte Euch auch sagen, meine lieben Ann und Tim, da#223; das Wasser seine Eigenschaften nicht lange bewahrt. Ihr m#252;#223;t die Flaschen gut verkorken und das Wasser so schnell wie m#246;glich seinem Zweck zuf#252;hren."'

„Wir werden uns die gr#246;#223;te M#252;he geben", versicherte Tim.

Auf Elgaros Befehl trug der Drache die Maultiere, eines nach dem anderen, behutsam zum Ausgang der H#246;hle. Dorthin brachte er auch Tim, damit dieser die Tiere in die Sonne stelle, wo sie sich wieder aufladen konnten. Als der Drache zur#252;ckkehrte, band Elgaro ihm eine S#228;nfe auf den R#252;cken (es war dieselbe, in der einst Elli und Fred gereist waren) und kommandierte: „Zur Schlafwasserquelle! "'

Ann stockte das Herz, als sich der Drache mit rauschendem Fl#252;gelschlag in die Luft erhob.

Nach kurzer Zeit kehrten die Kinder mit zwei Flaschen Schlafwasser in das H#228;uschen zur#252;ck.

Die Reise hatte alles in allem nur eine Woche gedauert.

DIE BEFREIUNG

Nach Anns und Tims R#252;ckkehr flog die Kr#228;he wieder zu Din Gior und Faramant und sagte ihnen, sie sollten sich in der kommenden Nacht nicht schlafen legen und auch das Wasser nicht anr#252;hren, das die Aufseher mitbringen w#252;rden.

Dem Scheuch und dem Holzf#228;ller brauchte Kaggi-Karr das nicht zu sagen, denn die beiden hatten niemals das Bed#252;rfnis, zu schlafen, zu essen oder zu trinken.

In der Nacht l#246;ste der Scheuch gew#246;hnlich arithmetische Aufgaben. Er hatte es darin so weit gebracht, da#223; er im Kopf eine beliebige dreistellige Zahl mit einer anderen multiplizieren konnte. Allerdings waren jetzt seine geistigen F#228;higkeiten geschw#228;cht, da man ihm schon lange das Gehirn nicht gewaschen hatte. Der Holzf#228;ller wiederum dichtete jede Nacht r#252;hrende Briefe an Elli. Da er aber nicht schreiben konnte, blieben die Briefe unabgesandt.

Tim begann die Befreiung der Gefangenen vorzubereiten. Vor allem mu#223;te das Wasser, das die Wachen tranken, gegen Schlafwasser vertauscht werden. In einer verlassenen Farm fand Tim einen Krug, der genau so aussah wie der, den die Wachen benutzten. Es gelang dem Jungen, sich unbemerkt in die Wachstube zu schleichen und die Kr#252;ge zu vertauschen.

Nach einem kr#228;ftigen Abendessen pflegten die Marranen immer viel zu trinken. Das taten auch die Wachsoldaten. Ein jeder nahm ein paar t#252;chtige Z#252;ge aus dem Krug, worauf ihnen die K#246;pfe schwer wurden und sie in einen todes#228;hnlichen Schlaf fielen. „Vor denen haben wir eine Weile Ruhe!" frohlockte Tim, der die Szene durch das kleine Fenster beobachtet hatte. „Jetzt darf ich mich wieder sichtbar machen." Er schob den Riegel an der Au#223;enseite der Gef#228;ngnist#252;r zur#252;ck und trat in das Gela#223;. „Freunde, ihr seid frei, folgt mir!" rief Tim.

Der Holzf#228;ller lief auf ihn zu und schlo#223; ihn in seine eisernen Arme. W#228;re das fr#252;her geschehen, als der Herrscher der Zwinkerer noch bei voller Kraft war, h#228;tte der Junge diese Umarmung kaum #252;berstanden. Jetzt kam er lediglich mit ein paar Quetschungen und blauen Flecken davon.

Die Befreiten folgten Tim zu dem H#228;uschen, das gl#252;cklicherweise in der N#228;he lag. Der Eiserne Holzf#228;ller trug den Scheuch auf der linken Schulter: In der rechten Hand hielt er eine schwere Keule, die er einem schlafenden Aufseher abgenommen hatte. Din Gior machte weit ausholend Schritte und streichelte seinen 'pr#228;chtigen Bart, Faramant trippelte keuchend hinter ihm her.

Die Aufseher erwachten schon am fr#252;hen Morgen, weil das Zauberwasser, das sie getrunken hatten, bereits drei Tage alt war, weshalb es nicht so lange wirken konnte wie frisches.

Zu ihrem Entsetzen gewahrten die Marranen, da#223; die Gefangenen geflohen waren. Aus Angst vor der Strafe, die Urfin ihnen f#252;r den Fall eines Ausbruchs der Gefangenen angedroht hatte, flohen die Wachsoldaten in ihre Heimat.

Das Merkw#252;rdigste an dieser Geschichte aber war, da#223; diese Marranen nach ihrer Heimkehr kein Verlangen nach dem Nuch-Nuch-Getr#228;nk versp#252;rten, das sie fr#252;her nicht entbehren konnten. Das Schlafwasser hatte sie von der Trunksucht geheilt. Sie hatten jetzt weder Schwindelanf#228;lle noch sahen sie Gespenster, waren wieder guter Stimmung und schliefen nachts wie alle anderen Menschen. Die Heilkraft des Schlafwassers sprach sich bald im ganzen Zauberland herum, und leidenschaftliche Nuch-NuchTrinker zogen jetzt in Scharen zur H#246;hle, um sich von der verderblichen Angewohnheit zu heilen.

Die Maultiere erwarteten, energiegeladen, Tim und die befreiten Gefangenen vor dem H#228;uschen, in dem Ann, Arto und Kaggi-Karr sich verbargen. Man beschlo#223;, sofort weiterzuziehen. Tim nahm den Scheuch, Ann Faramant in den Sattel. Der langbeinige Din Gior, der ein guter Geher war, blieb hinter den anderen nicht zur#252;ck, ebensowenig wie der Eiserne Holzf#228;ller, der, nebenbei gesagt, so schwer war, da#223; ihn weder ein lebendes noch ein mechanisches Maultier h#228;tte tragen k#246;nnen. Der silberne Reif ruhte wieder auf Anns K#246;pfchen. Sie konnte ihn jetzt allerdings nicht benutzen, um sich und ihre Gef#228;hrten unsichtbar zu machen, denn die Schar war mittlerweile recht gro#223; geworden. Unsere Freunde verlie#223;en sich also auf ihren gl#252;cklichen Stern und zogen beherzt nach S#252;dost, wo das Land der Zwinkerer lag, in dem sie der Tapfere L#246;we und Lestar erwarteten. Dort w#252;rden sie es mit Urfin aufnehmen k#246;nnen, falls er sich erdreisten sollte, ihnen ins Gehege zu kommen. Am Morgen hatten die Reisenden bereits ein gutes St#252;ck Weges hinter sich gebracht, und da sie m#252;de waren, beschlossen sie, im Walde Rast zu machen. Erst jetzt hatten der Scheuch und der Eiserne Holzf#228;ller die M#246;glichkeit, sich ihre Befreierin genauer anzusehen. Dem eisernen Holzf#228;ller begann das Herz in der Brust laut zu pochen, und der Scheuch f#252;hlte, wie seine Kr#228;fe wuchsen. Allerdings konnte das auch davon kommen, da#223; der Strohmann auf dem warmen R#252;cken Hannibals gesessen hatte und wieder fast trocken war.

Die beiden Freunde konnten sich an Ann gar nicht satt sehen. Sie versicherten ihr ein #252;ber das andere Mal, da#223; sie Elli wie aus dem Gesicht geschnitten sei. „Ihr erinnert uns lebhaft an die alte gl#252;ckliche Zeit", sagten sie. Als Ann ihnen einen herzlichen Gru#223; von ihrer Schwester bestellte und beteuerte, da#223; Elli sie niemals vergessen habe, war der Holzf#228;ller so ger#252;hrt, da#223; die Tr#228;nen in Str#246;men aus seinen Augen zu flie#223;en begannen. Nat#252;rlich rosteten seine Kiefern sofort ein. Zum Gl#252;ck hatte Tim in seinem Rucksack eine Flasche mit #214;l, das er dem eisernen Mann in die Kiefern tr#228;ufelte. Faramant und Din Gior #252;bersch#252;tteten ihre Retterin mit Dank. Wegen der schlechten Gef#228;ngniskost waren die beiden sehr abgezehrt, doch sie hielten sich wacker, scherzten und waren guter Laune. Die ganze Gesellschaft brach in ein schallendes Gel#228;chter aus, als Faramant dem H#252;ndchen eine gr#252;ne Brille aufsetzte, die er hinten einschnappen lie#223;. Arto blickte verwundert um sich. Er konnte nicht begreifen, warum pl#246;tzlich alles gr#252;n war. Dann begann er zu knurren und nach Faramant zu schnappen. Erst als man ihm die Brille wieder abnahm, beruhigte er sich.

„Toto hat die gr#252;ne Brille gern getragen", sagte Faramant tadelnd.

Bei der langen Fu#223;wanderung war Din Giors wallender Bart durch und durch verstaubt. Ann klopfe mit einem Ast den Staub aus dem Bart, k#228;mmte ihn sorgf#228;ltig und flocht aus ihm drei Z#246;pfe. Der Feldmarschall lie#223; sich diese Liebensw#252;rdigkeit gern gefallen. Nach einem bescheidenen Fr#252;hst#252;ck legte sich die Schar im Schatten der Str#228;ucher nieder.

W#228;hrend Tim, Din Gior und Faramant schliefen, mu#223;te Ann unz#228;hlige Fragen des Holzf#228;llers und des Scheuchs #252;ber sich ergehen lassen. Die beiden wollten wissen, wie es Elli gehe, wie sie lerne, ob sie schon erwachsen sei, usw. usf. Dann begannen sie Ann #252;ber den guten Riesen von der anderen Seite der Berge und #252;ber Fred auszufragen. Erst als sie bemerkten, da#223; dem M#228;dchen die Augen zufielen und ihre Zunge sich kaum noch bewegte, hielten sie versch#228;mt inne. Ann fiel sofort in einen tiefen Schlaf. Den ganzen Tag wurden der Holzf#228;ller und der Scheuch nicht m#252;de, die beiden Schwestern zu loben. Allerdings mu#223;te der Scheuch das Gespr#228;ch in einer recht unbequemen Lage f#252;hren, denn der Eiserne Holzf#228;ller hatte ihn, damit er schneller trockne, mit dem Kopf nach unten an Hannibals R#252;cken geschnallt. Am Abend f#252;hlten sich unsere Freunde wie neugeboren. Zum Aufbruch war es noch zu fr#252;h. Da erinnerte sich Ann, da#223; sie der M#228;usek#246;nigin versprochen hatte, ihr die mechanischen Maultiere zu zeigen. Sie blies in die Pfeife, und in der Lichtung erschien Ramina mit mehreren Hofdamen.

„Guten Tag, Eure Majest#228;t", sagte Ann. „Ich habe Euch gerufen, damit Ihr die Tiere sehen k#246;nnt, die uns hergebracht haben. Wir nennen sie Maultiere. Sind sie nicht sch#246;n?"

Ramina bewunderte die pr#228;chtigen Rappen mit dem gl#228;nzenden Fell. „Ihr sagt, sie brauchen kein anderes Futter als Sonnenstrahlen? Das ist freilich ein Wunder!"' 1 „Wir nennen das nicht Wunder, sondern Erfindung", entgegnete Ann. „Echte Wunder gibt es nur in eurem Land. Das sind die Silberschuhe Gingemas, der Zauber kasten Stellas, das magische Buch Willinas, der Silberreif Bastindas ... auch die Zauberpfeife, auf deren Ruf

Ihr an jedem beliebigen Ort erscheint. Das nenne ich Wunder!" Ramina lachte:

„F#252;r uns sind das ganz gew#246;hnliche Dinge. #220;brigens habt Ihr lange nicht alles aufgez#228;hlt, was Ihr unsere Wunder nennt. Ja, so hat Hurrikap, der gro#223;e Zaubermeister, unser Land erschaffen. Er hat unseren Tieren die Gabe der Rede verliehen, hat uns den ewigen Sommer geschenkt und diese Erde durch Berge und W#252;ste von der #252;brigen Welt abgeschieden. Daf#252;r geb#252;hrt ihm Lob und Preis!" „Lob und Preis!" echote die Schar der Zuh#246;rer.

Die Maultiere begannen zu wiehern und mit den Hufen zu scharren, als wollten sie ihre Reiter zum Aufbruch mahnen.

„Wirklich fabelhafte Tiere, obwohl sie von der anderen Seite der Berge kommen!" sagte Ramina beim Abschied. „Ich w#252;nsche euch -allen eine recht gute Reise, meine Lieben, und merkt euch, falls ihr mich braucht, stehe ich euch jederzeit zur Verf#252;gung." Nach diesen Worten verschwand die K#246;nigin mit ihrem Gefolge.

Unsere Reisenden kamen wohlbehalten im Violetten Lande an. Die verstreuten Marranentrupps, denen sie begegneten, wagten nicht, die achtunggebietende Schar anzugreifen. Der Holzf#228;ller und Din Gior, die ihre schweren Keulen schwangen, und die stampfenden und z#228;hneknirschenden Maultiere fl#246;#223;ten ihnen Furcht ein. Bei ihrem Anblick machten die Marranen einen weiten Bogen und eilten, so schnell sie konnten, Urfin Meldung zu erstatten. Ein von Urfin ausgeschickter Soldatentrupp unter Hauptmann Klems Kommando konnte die Schar nicht einholen und kehrte unverrichteterdinge zur#252;ck.

Schlie#223;lich kam der Augenblick des langersehnten Wiedersehens. Der L#246;we, der mit fortschreitendem Alter sehr empfindlich geworden war, konnte beim Anblick seiner alten Freunde - des Scheuchs, des Holzf#228;llers, Din Giors und Faramants-vor R#252;hrung kein Wort hervorbringen.

„Ist es m#246;glich, da#223; ich zehn Jahre geschlafen habe und erst jetzt erwacht bin?" fragte der L#246;we. „Elli, Toto, seid ihr es wirklich? Unm#246;glich!"

Als man ihm alles erkl#228;rte, trat er an Ann heran und schmiegte sich an sie wie ein gro#223;er gutm#252;tiger Kater. Und als das M#228;dchen mit seiner Schwanzquaste zu spielen begann, kollerten Tr#228;nen des Gl#252;cks aus den Augen des alten L#246;wen.

Die Freude, die die Zwinkerer #252;berkam, als sie ihren Herrscher, von neuen Freunden umringt, wieder vor sich sahen, ist nicht zu beschreiben.

Sie f#252;hrten einen feurigen Tanz auf, bei dem ihre violetten Kleider wallten und wirbelten, da#223; es Ann und Tim fast schwindlig wurde. Die drolligen Menschlein schnippten mit den Fingern und riefen voller Stolz, da#223; alles bei ihnen zum besten stehe und jedes Unbill sie meide, weil sie sich zu Ehren der Fee des rettenden Wassers dreimal t#228;glich wuschen.

Auch gelobten sie, ihren Nachkommen einzusch#228;rfen, diesen heiligen Brauch streng zu befolgen.

Die Zwinkerer waren keineswegs betr#252;bt, als sie erfuhren, da#223; das M#228;dchen, das der Eiserne Holzf#228;ller und der Scheuch mitgebracht hatten, nicht die Fee des rettenden Wassers, sondern deren Schwesterchen sei. Sie nannten sie kurzweg die Fee des k#252;nftigen Sieges und f#252;hrten sie zu Fregosa, der K#246;chin.

Die gute Frau brachte Ann ins Badezimmer, wo sie sie wusch und ihr das violette Kleid anzog, das Elli im Violetten Palast zur#252;ckgelassen hatte. Nach Ann nahm Fregosa sich Tim und Arto vor.

Der Scheuch und der Eiserne Holzf#228;ller wurden einer General#252;berholung unterzogen.

Da man es nicht wagte, das kostbare Gehirn des Scheuchs herauszunehmen, h#228;ngte man seinen Kopf, ganz wie er war, zum Trocknen auf. Seine Kleider wurden gewaschen, gepl#228;ttet und mit frischem Stroh ausgestopft und die Stiefel blankgeputzt.

Einen herben Wiesengeruch ausstr#246;mend, trat der Scheuch vor Ann. Da seine Gesichtsz#252;ge ganz verschwommen waren, lie#223; sich das M#228;dchen Pinsel und Farbe bringen und malte ihm Augen, Nase und Mund auf.

Noch ehe sie damit fertig war, begann der Strohmann laut zu singen:

„O-ho-ho-ho, ich bin wieder bei Ann, der lieben Ann, o-ho-ho-ho." Trunken vor Gl#252;ck, sang und h#252;pfte er, ohne sich vor den Um stehenden zu genieren, denn die Zwinkerer waren ja nicht seine Untertanen. Den Eisernen Holzf#228;ller nahmen die besten Meister des Landes unter Anleitung Lestars in Arbeit. Sie legten ihn auf einen Werktisch und dokterten einen vollen Tag an ihm herum. Er wurde in seine Bestandteile zerlegt, gel#246;tet, geschmiert, wieder zusammengef#252;gt und auf Hochglanz poliert. Sein Herz, mit frischen S#228;gesp#228;nen gef#252;llt und zugen#228;ht, war jetzt wieder das g#252;tigste und z#228;rtlichste Herz im ganzen Zauberland. Als der eiserne Mann vor sein Volk trat, gl#228;nzte er so stark, da#223; die Augen der Umstehenden zu tr#228;nen begannen. Die Schmiede hatten ihm eine neue Axt gemacht, da die alte bei Urfin geblieben war. Der Holzf#228;ller schwang sie mit solcher Wucht empor, da#223; es in der Luft pfiff, und rief drohend: „Jetzt wollen wir sehen, wer sich mit mir zu messen wagt!"

DER SCHRECKLICHE BETRUG

Obwohl Urfin die Macht im Zauberlande erobert hatte und sein sehnlichster Traum damit in Erf#252;llung gegangen war, f#252;hlte er sich ebensowenig gl#252;cklich wie zur Zeit seiner ersten Herrschaft. Der ehrgeizige Diktator wollte, da#223; alle Menschen ihn anbeteten, da#223; das Volk bei seinem Erscheinen in den Stra#223;en und auf den Pl#228;tzen die H#252;te in die Luft warf und in Jubelrufe ausbrach.

Das geschah jedoch nicht. Bei den Festgelagen bekam er immer dieselben Loblieder der wenigen Speichellecker zu h#246;ren, deren Anf#252;hrer der Oberste Zeremonienmeister Kabr Gwin und der fette Oberpriester Krag waren. Auf die Stra#223;e aber wagte sich Urfin nicht mehr seit dem Tage, da ein von einem Dach fliegender Stein ihn beinahe erschlagen h#228;tte. Urfin hegte den Verdacht, da#223; dieser Stein aus der Schleuder eines Marranen gekommen war. Und die Macht? Wo blieb die Macht?

Aus dem Blauen Lande, zu dessen Eroberung er das Eliteregiment des Obersten Chart ausgeschickt hatte, trafen versprengte Soldaten ein, ausgezehrte und abgerissene Gestalten, die dem K#246;nig das Bild einer so schrecklichen Niederlage schilderten, da#223; er mehrere N#228;chte kein Auge schlie#223;en konnte und bei jedem Ger#228;usch aufsprang und zum Fenster st#252;rzte, um sich zu vergewissern, da#223; Ruscheros Drachen nicht die Stadt angriffen.

Die gefl#252;chteten Soldaten untergruben mit ihren Schauergeschichten den Kampfgeist des Milit#228;rs, und Urfin beeilte sich, sie fortzuschicken, weil sie, wie er sagte, nicht w#252;rdig seien, ihm zu dienen.

Nicht viel besser waren die Nachrichten, die aus dem Land der Zwinkerer im Osten kamen. Besorgt wegen des Ausbleibens jeder Meldung von Hauptmann Bois, schickte Urfin einen h#246;lzernen Boten zu ihm. Dieser Bote, Veres, erz#228;hlte bei seiner R#252;ckkehr, da#223; die Zwinkerer kurz nach dem Abzug der Truppe den Hauptmann und dessen Soldaten gefangengenommen und eingesperrt hatten. #220;brigens, f#252;gte der Bote hinzu, habe er gesehen, da#223; man mit den Gefangenen milde umgehe, ihnen drei Mahlzeiten t#228;glich gebe und sie sogar spazierenf#252;hre.

Der Scheuch und seine Freunde, fuhr Veres fort, seien aus dem Gef#228;ngnis geflohen und im Violetten Land eingetroffen. Dort bef#228;nden sich jetzt auch Menschen von der anderen Seite der Berge: ein M#228;dchen, das die Zwinkerer Fee des k#252;nftigen Sieges nannten, und ein Knabe, der jeden Einwohner des Zauberlandes um einen Kopf #252;berrage. Die beiden seien rittlings auf Tieren angekommen, die, wie es hei#223;t, Sonnenstrahlen fressen.

Der Bericht versetzte Urfin in schreckliche Wut. Er gebot Veres, niemandem zu verraten, was er im Lande der Zwinkerer gesehen habe, und setzte ihn sicherheitshalber hinter Schlo#223; und Riegel.

Tr#252;be Gedanken bem#228;chtigten sich des Feuergottes. Nicht nur der Westen und der Osten waren f#252;r ihn verloren - auch im Smaragdenland selbst standen die Dinge bei weitem nicht zum besten. Freilich wagten es die Bewohner nicht, gegen ihn aufzubegehren. Von der Insel vertrieben, hatten sie sich auf den paar Farmen, die die Marranen ihnen gelassen hatten, leidlich eingerichtet, und f#252;hrten jetzt ein j#228;mmerliches Leben. Von ihnen drohte keine Gefahr.

Urfin machte jedoch die Armee Sorge, seine einzige St#252;tze, die jetzt zu wanken begann. Das wu#223;te er von Eot Ling, dem Kundschafter, der ihm selbstlos ergeben war. Der Holzclown, der Tag und Nacht herumspionierte und sich nichts entgehen lie#223;, berichtete seinem Herrn und Gebieter folgendes:

In der Armee g#228;re es. Die unbest#228;ndigen Marranen haben den Milit#228;rdienst satt. Sie dr#252;cken sich vor den Waffen#252;bungen und dem Wachdienst, manche seien desertiert. Einige Soldaten haben Farmerst#246;chter geheiratet und erkl#228;rt, sie verlassen die Armee, um sich friedlicher Arbeit zuzuwenden. Viele Marranen beneideten sie deshalb und wollten ihrem Beispiel folgen.

Urfin war sehr besorgt, da#223; seine Soldaten der Trunksucht verfielen. Er wollte, da#223; das Nuch-Nuch-Getr#228;nk nur an diejenigen ausgegeben werde, die nachts Wach- oder Kundschafterdienst versahen. Wenn zu viele Soldaten der Trunksucht verfielen, w#252;rde es bald keine Nuch-Nuch-N#252;sse mehr im Walde geben. Das konnte schreckliche Folgen haben. (Urfin wu#223;te nicht, da#223; diese #252;ble Angewohnheit durch das Schlafwasser geheilt werden konnte.)

Mit seinem scharfen Verstand begriff er nat#252;rlich, was die Ursache der Zersetzung war, die in der Armee um sich griff. Disziplin l#228;#223;t sich leicht aufrechterhalten, wenn die Soldaten st#228;ndig unter der Aufsicht der Vorgesetzten stehen, solange sie von fr#252;h bis sp#228;t gedrillt werden, haben sie keine Zeit, sich mit sch#228;dlichen Gedanken abzugeben. Jetzt aber, da alle ihre W#252;nsche in Erf#252;llung gegangen waren, da sie wie G#246;tter in behaglichen H#228;usern lebten und sich der Sch#228;tze der reichen Kaufleute und Handwerker der Smaragdeninsel bem#228;chtigt hatten, versp#252;rten die Marranen keine Lust auf weitere Eroberungen. Wozu sollten sie auch mit Tornistern auf den R#252;cken und schweren Keulen in den H#228;nden auf staubigen Stra#223;en marschieren? Um die Kampfeslust der Soldaten wieder anzustacheln, mu#223;te man ihnen neue gro#223;e Ziele zeigen, Ziele, um derentwillen diese leichtgl#228;ubigen Menschen alle Annehmlichkeiten aufgeben w#252;rden. Dazu dachte sich Urfin erneut einen schlauen Plan aus.

Er ging zum eingesperrten Veres und sagte zu ihm: „Morgen werde ich meine Soldaten versammeln und zu ihnen sprechen. Selbst wenn es dir scheinen sollte, da#223; das, was ich sage, nicht ganz der Wahrheit entspricht, hast du jedes meiner Worte unter Eid zu bekr#228;ftigen. Sonst lasse ich dich im Ofen verbrennen!"

Das eingesch#252;chterte Holzm#228;nnchen versprach, alles zu tun, was von ihm verlangt werde.

#220;ber die ganze Smaragdeninsel und ihre Umgebung verbreitete sich das Ger#252;cht, da#223; der Gro#223;e Urfin (Juice nannte sich jetzt nicht mehr Feuergott) seiner Armee eine ungew#246;hnliche Mitteilung machen werde. Sie gehe alle Soldaten an, und wer nicht erscheine, werde es zu bereuen haben.

Zur festgesetzten Stunde versammelten sich die Marranen auf einer gro#223;en Wiese vor der Smaragdeninsel. Urfin begleiteten Meister Petz und der Holzbote Veres. Als er die hohe Trib#252;ne bestieg, dr#252;ckte sein Gesicht tiefen Gram aus. Er schwieg zun#228;chst, um die Neugier der Anwesenden anzufachen, und begann dann mit dr#246;hnender Stimme: „Weh, weh! Oh, meine hei#223;geliebten Marranen, ich mu#223; euch etwas Schreckliches mitteilen!" Bei diesen Worten ging ein Schauer durch die Reihen der Zuh#246;rer.. „Wisset, meine Lieben, da#223; der F#252;hrer des Trupps, den ich im Violetten Lande zur#252;ckgelassen habe, gefallen ist! Er ist tot, unser tapferer Bois, der Meister im Springen und un#252;bertroffene Faustk#228;mpfer! Friede seiner Asche!"

Die Menge wartete stumm, was folgen werde. Viele fragten sich: Hat uns Urfin vielleicht deshalb versammelt, um uns vom Tod nur eines Springers zu benachrichtigen?' Urfin, ein gewandter Redner, fuhr im gleichen Ton fort:

„Das ist noch nicht alles! Mit Bois ist der ganze Trupp umgekommen, f#252;nfzig Helden, die das eroberte Land in Botm#228;#223;igkeit halten sollten! Sie sind bis auf den letzten Mann erschlagen worden von den Zwinkerern, den Verr#228;tern! Man hat sie aus dem Hinterhalt ermordet!"

Diese Nachricht machte einen starken Eindruck. Viele Soldaten, die in Bois' Truppen Verwandte und Freunde hatten, sch#252;ttelten die F#228;uste und stie#223;en Drohungen aus.

„Aber auch das ist noch nicht alles, meine hei#223;geliebten Marranen! Die blutr#252;nstigen Zwinkerer haben die Leichen der Ermordeten gesch#228;ndet und sie den Schweinen zum Fra#223;e vorgeworfen!"

Die Menge raste. Nur einer fand sich, der zu fragen wagte: „Vielleicht sind das nur Ger#252;chte?"

„Nur Ger#252;chte? O nein!" entgegnete Urfin und hob Veres zu sich auf die Trib#252;ne empor. „Da ist ein Zeuge, mein Bote Veres - er kommt gerade aus dem Lande der Zwinkerer. Sprich, Veres!" Veres stammelte:

„Was der Gro#223;e Urfin sagt, ist die reinste Wahrheit!" Etwa zur gleichen Stunde hatte Ann den Zauberfernseher eingeschaltet, um nachzusehen, was Urfin trieb. Das tat sie jeden Tag um die Mittagszeit. Vor dem Bildschirm versammelten sich gew#246;hnlich Tim, der Scheuch, der Holzf#228;ller und alle anderen Freunde. Was sie jetzt sahen und h#246;rten, lie#223; sie vor Zorn erbeben.

Die Marranen geb#228;rdeten sich wie die Wilden. Mit einer Handbewegung stellte Urfin die Ruhe wieder her und wandte sich erneut an den Boten:

„Was hast du au#223;erdem noch geh#246;rt? Sprich, mein guter Veres, hab keine Angst!" „Ich habe geh#246;rt, mein Herr und Gebieter", sagte Veres mit zitternder Stimme, „da#223; die Zwinkerer das Land der Marranen mit Krieg #252;berziehen wollen, um dort alle Greise, Frauen und Kinder zu t#246;ten..."

Veres sprach, wie Urfin ihn gelehrt hatte.

„Wir wollen Rache, Rache!" br#252;llten die Marranen.

Ihr Gebr#252;ll drang weit #252;ber den Platz hinaus und ersch#252;tterte die Luft. Die wutverzerrten Gesichter und die geballten F#228;uste waren schrecklich anzusehen. Mit einem hinterlistigen L#228;cheln beobachtete Urfin die Szene.

Voller Zorn blickten der Scheuch und seine Freunde auf den Bildschirm. Ein jeder von ihnen w#252;rde, h#228;tte er die M#246;glichkeit, auf die Trib#252;ne springen, den gemeinen L#252;gner an der Brust packen und ihn sch#252;tteln, bis er die Wahrheit sagte! Die Kom#246;die ging mittlerweile weiter. In einer schwungvollen Ansprache - Urfin konnte sehr beredsam sein - forderte er die Marranen auf, ihre Br#252;der zu r#228;chen und das Volk der Springer vor dem Untergang zu bewahren. Er rief die Verwandtschaftsgef#252;hle der Marranen an, die, obwohl ein kriegerisches Volk, ihre alten Eltern, ihre Frauen und Kinder sehr liebten.

Die Armee erkl#228;rte sich bis auf den letzten Mann bereit, ins Feld zu ziehen. Selbst diejenigen, die erst k#252;rzlich geheiratet hatten, wollten nicht zur#252;ckbleiben. Nur mit gro#223;er M#252;he konnte Urfin eine Kompanie #252;berreden, auf der Insel zu bleiben, um die Macht des K#246;nigs hier zu sch#252;tzen.

„Wir werden uns auf den #220;berfall des Feindes vorbereiten m#252;ssen", bemerkte der Scheuch finster, als der Bildschirm erlosch.

Nach der Gefangenschaft wurde der Scheuch, wie man leicht verstehen wird, erneut zum Herrscher des Smaragdenlandes ausgerufen. Kaggi-Karr trat ihm ihre Vollmachten ab und begl#252;ckw#252;nschte ihn zur Wiedereinsetzung in das hohe Amt.

Der Scheuch dankte ihr ger#252;hrt f#252;r die unsch#228;tzbaren Dienste, die sie dem Land in der Zeit seiner Abwesenheit erwiesen hatte.

Seine Stimme bebte, als er die Gro#223;taten der Kr#228;he aufz#228;hlte.

„Ich stifte den Orden des Goldenen Zweiges', sagte er, „und als erste soll ihn unsere

liebe und hochverehrte Kaggi-Karr bekommen. Sobald wir Urfin besiegt haben, werden die besten Juweliere des Landes den Orden pr#228;gen und ihn mit den sch#246;nsten Diamanten besetzen, damit er auf dem Haupt unserer lieben Freundin erstrahle."

Kaggi-Karr war #252;ber diese Worte so ger#252;hrt, da#223; zwei Tr#228;nen aus ihren schwarzen #196;uglein kollerten. „Au#223;erdem", fuhr der Scheuch fort, „verspreche ich im Namen der Bewohner der Smaragdeninsel, da#223; in Erinnerung an die Verdienste Kaggi-Karrs einer jeden Kr#228;he in unserer Stadt herzlichste Gastfreundschaft zuteil werden soll!"

Dieses Versprechen wird auf der Smaragdeninsel bis auf den heutigen Tag gehalten.

DAS ENDSPIEL

Urfins Armee bewegte sich schnell auf das Violette Land zu. Die Marranen wichen kein einziges Mal vom Wege ab und machten keine Abstecher auf die naheliegenden Farmen, denn sie wollten so schnell wie m#246;glich ihre gefallenen Kameraden r#228;chen und einen #220;berfall des Feindes auf ihre Heimat vereiteln.

In den Kolonnen wurde weder gesprochen noch gesungen. Die Gesichter der Soldaten waren grimmig. Um die kriegerische Stimmung aufrechtzuerhalten und es zu vermeiden, da#223; die Marranen die Wahrheit erfuhren, hatte Urfin folgenden Befehl ausgegeben. „Mit dem Feind wird nicht verhandelt! Was euch im Wege steht, wird zerschlagen und zertr#252;mmert! Jeder Feind wird erbarmungslos get#246;tet!"

Eot Ling, der wie eine Ratte unter den von Ha#223; geblendeten Marranen schn#252;ffelte, konnte seinem Herrn jeden Abend hoffnungsvolle Meldungen machen: „Die Soldaten kochen vor Wut. Die werden alles kurz und klein schlagen. Sie drohen, f#252;r jeden Gefallenen hundert Feinde umzulegen!"

Urfin rieb sich die H#228;nde. Nach dem Sieg #252;ber die Zwinkerer wollte er mit seiner ganzen Streitmacht gen Westen ziehen und sich die Erzgr#228;ber und K#228;uer unterwerfen. Ich werde schon ein Mittel finden, den Drachen und Sechsf#252;#223;ern beizukommen. Wehe dem, der es wagen sollte, sich mir in den Weg zu stellen!' dachte er. In der Ferne zeigten sich die violetten T#252;rme des Palastes, der vor unvordenklichen Zeiten erbaut worden war und viele Male den Besitzer gewechselt hatte. Als Bastinda sich des Palastes bem#228;chtigte, lie#223; sie ihn mit einer Mauer umgeben, die ein eisernes Tor hatte, das immer verschlossen war. Den Schl#252;ssel pflegte sie tags#252;ber in der Tasche zu tragen und nachts unter ihr Kissen zu legen.

Als der Eiserne Holzf#228;ller die Herrschaft im Violetten Lande #252;bernahm, befahl er, vor allem die Mauer zu schleifen und einen Park um den Palast anzupflanzen. Der Mann mit dem liebevollen Herzen brauchte seine Untertanen nicht zu f#252;rchten. Der Au#223;enschmuck des Palastes und der Anstrich wurden unter seiner Herrschaft sorgf#228;ltig gepflegt, und als die Marranen dieses sch#246;ne und friedliche Bauwerk sahen, mu#223;ten sie sich fragen: Wie konnten nur seine Bewohner die sch#228;ndlichen Missetaten begehen, von denen man uns erz#228;hlt hat?

Urfin lie#223; seinen Soldaten jedoch keine Zeit zum Nachdenken. „Vorw#228;rts, marsch, marsch!" kommandierte er. „Gep#228;ck am Stra#223;enrand ablegen! Ausschw#228;rmen und angreifen!" Einer Lawine gleich, w#228;lzte sich die Armee auf den Palast zu. Doch pl#246;tzlich verlangsamte sich ihr Schritt, die Reihen stockten.. Das hatte zwei Ursachen.

Die erste war ein tiefer Graben, dessen R#252;ckseite steinerne T#252;rmchen s#228;umten, aus deren Schie#223;scharten unz#228;hlige Pfeile ragten.

Die zweite Ursache war so verwunderlich, da#223; selbst der mit allen Wassern gewaschene Urfin, der seinerzeit in der Bibliothek der Smaragdenstadt eine Menge kriegsgeschichtlicher B#252;cher gelesen hatte, seinen Augen nicht traute: Im Lande der Zwinkerer wurde ein Wettspiel ausgetragen.

War das Heer des Holzf#228;llers und des Scheuchs so sehr von der Uneinnehmbarkeit der Befestigungen #252;berzeugt, da#223; es dem Feind keine Beachtung schenkte, oder brachten es die Spieler nicht #252;ber sich, den Wettkampf vorzeitig abzubrechen? Die Springer, die selbst leidenschaftliche Spieler waren, verstanden und sch#228;tzten solche Gef#252;hle. In unordentlichen Haufen dr#228;ngten sie sich vor den Graben und verfolgten, die Kn#252;ppel und Lanzen gesenkt, mit ungeheurem Interesse das Spiel, das ihnen v#246;llig unbekannt war.

Der Leser wird sich erinnern, da#223; Tim O'Kelli, der ein leidenschaftlicher Volleyballspieler war, einen Ball mitgenommen hatte. Wegen der vielen Abenteuer, in die das Schicksal ihn verstrickte, war er aber nicht dazugekommen, den Ball zu benutzen. Erst im Violetten Lande, wo er mit seinen Freunden lange Zeit auf den #220;berfall der Feinde warten mu#223;te, kam ihm der Ball wieder in den Sinn. Im Kampf, wenn man den Feind vor sich hat und seinen Mann stehen mu#223;, ist es wohl leicht, ein Held zu sein. Viel schwerer ist es, tagaus, tagein dazusitzen und zu warten, wann die Gefahr endlich hereinbricht.

Die F#252;hrer der Armee bemerkten, da#223; die Kampfstimmung der Zwinkerer nachlie#223;, da#223; die Leute mit jedem Tag tr#228;ger und tr#228;ger wurden. Tim dachte nach, wie man sie aufmuntern k#246;nnte, und verfiel auf das Volleyballspiel.

Er stellte mehrere Mannschaften auf, erkl#228;rte ihnen die Spielregeln und f#252;hrte etliche Trainings durch (das Netz hatten Zwinkererfrauen gekn#252;pft; es wurde nat#252;rlich viel niedriger aufgeh#228;ngt als in der gro#223;en Welt).

Zuerst wurden Ausscheidungsspiele ausgetragen, die gro#223;en Zuspruch fanden. Man spielte von fr#252;h bis sp#228;t und ging erst am Abend auseinander. Die Zahl der Spielbegeisterten wuchs von einem Tag zu dem anderen, und die Lederarbeiter mu#223;ten sich t#252;chtig anstrengen, um die Nachfrage nach neuen B#228;llen zu befriedigen. Es wurden Mannschaften mit h#246;chst wunderlichen Namen gebildet: „L#246;wen", „Lieblinge des Schicksals", „S#228;belzahntiger", „Wackere Burschen", „Fliegende Affen" und viele andere. Dann begann ein Turnier um die Landesmeisterschaft. Die Angst vor dem #220;berfall des Feindes war wie weggeblasen. Die Zwinkerer waren jetzt springlebendig, ja sie zwinkerten auch nicht mehr soviel wie fr#252;her, denn dazu reichte ihnen einfach nicht die Zeit.

Um den Spielplatz dr#228;ngten sich unz#228;hlige Fans. Tim war jetzt wieder guter Dinge. „Nicht umsonst sagte mein Vater, da#223; Sport eine famose Sache ist", dachte er vergn#252;gt. „Nat#252;rlich versteht er was davon, wo er doch in der Auswahl von Kansas gespielt hat!" Der Wettstreit, dem die Marranen zusahen, war wirklich fesselnd. Es war das Endspiel um die Landesmeisterschaf, das zwischen den „Fliegenden Affen" (Kapit#228;n: Din Gior) und „Anus Unbesiegbaren Freunden" (Kapit#228;n: Tim O'Kelli) ausgetragen wurde. Als die Springer ankamen, stand es gerade 13:13, und jede Mannschaft hoffte auf den Sieg. 14: 13. Die „Affen" in F#252;hrung!... 14: 14.

Sekunden sp#228;ter stand es 15: 14 zugunsten der „Unbesiegbaren"! Eine halbe Minute danach folgte der Ausgleich: 15: 15.

Selbst wenn der Himmel einst#252;rzen w#252;rde, h#228;tte in diesen spannenden Minuten niemand das Spiel verlassen?

Jede Mannschaft tat das #196;u#223;erste. Die Spieler zeigten Wunder an Geschicklichkeit. Sie sprangen hoch in die Luft, drehten sich wie Kreisel und nahmen die unwahrscheinlichsten B#228;lle.

Die Marranen jauchzten vor Begeisterung: Das war ein Spiel nach ihrer Art. Verz#252;ckt stellten sie sich vor, welche Spr#252;nge sie bei einem solchen Spiel vollf#252;hren und wie sie den Ball ins gegnerische Feld hineinschmettern w#252;rden! Bald hatten sich unter ihnen zwei Parteien gebildet, von denen eine den „Affen", die andere den „Unbesiegbaren" den Daumen dr#252;ckte. Man begann auch wieder Wetten zu schlie#223;en. Die Zuschauer quittierten jeden Schmetterball mit brausendem Beifall. 16: 15 - die „Unbesiegbaren" wieder in F#252;hrung. Noch ein Schlag, und sie hatten gewonnen! Aber was war das denn? Fassungslos gewahrten die Marranen eine vertraute Gestalt, die einen Spieler am Netz abl#246;ste. Es war kein anderer als Bois, ihr Bois, der angeblich erschlagene, den Schweinen zum Fra#223; vorgeworfene Bois! Ging das mit rechten Dingen zu? Ja, es war ihr Bois, der jetzt einen Schmetterball gl#228;nzend parierte..

Hatte sie der Gro#223;e Urfin zum besten gehalten? Oder hatte vielleicht der kleine h#246;lzerne Lump ihn selbst betrogen? Vielleicht war #252;berhaupt alles Lug und Trug?

Jetzt hatte ein Spieler den Ball so ungeschickt zugepa#223;t, da#223; die Zuschauer in schallendes Gel#228;chter ausbrachen.

17: 15! Die „Unbesiegbaren" hatten gewonnen, sie waren jetzt Landesmeister. Bois st#252;rzte auf den Graben zu, hinter dem er seine Landsleute erblickt hatte, begr#252;#223;te sie herzlich #252;ber den Graben hinweg und machte ihnen Zeichen, herunterzukommen. Die Marranen erhoben die Augen zu Urfin. Zuerst waren es fragende, verst#228;ndnislose Blicke, die sie ihm zuwarfen, dann begannen ihre Augen zornig zu funkeln. Entsetzt schlug Urfin die H#228;nde vor die Augen, dann wandte er sich j#228;hlings um und ergriff die Flucht.

Er lief, stolperte und fiel, erhob sich und rannte weiter. Sein Herz h#228;mmerte zum Zerspringen, unausstehliche Angst zerri#223; seine Brust. Ihm schien, als sause ein Hagel von Steinen ihm nach, als  schwingen ergrimmte R#228;cher ihre schweren Keulen #252;ber seinen Kopf...

Indes hatte kein Marrane die Verfolgung des gest#252;rzten Gottes aufgenommen. In seinem R#252;cken donnerte es:

„L#252;gner! Gauner! Gemeiner Verleumder! Falscher Gott!" Das war das Ende. Der weise Karfax hatte sich in seiner Vorhersage nicht geirrt. Alle hatten sich von Urfin abgewandt, selbst der sanfte Meister Petz. Eine solche Schmach ist schlimmer als der Tod.

#220;ber den Graben wurden Bretter gelegt, #252;ber die die ehemaligen Feinde aufeinander zuliefen. Schon entstanden gemischte Volleyballmannschaften, B#228;lle flogen in die Luft und Rufe erklangen: „Schlag! ... Aus! ... Zu... "

Hannibal und C#228;sar aber scharrten mit den Hufen und schnaubten, ihre Herren zum Aufbruch mahnend.

Bald kam auch die Stunde, da die wunderbaren Maultiere Ann und Tim in sausendem Galopp nach Hause trugen.


Otdych bei Moskau 1967-1969