"Satan und Ischariot III" - читать интересную книгу автора (Май Карл)Zweites Kapitel. Im Todesthale.Es fiel uns nicht ein, irgend einem Menschen zu melden, da#223; wir abzureisen beabsichtigten. Zur gegebenen Zeit - es war gerade finster geworden - sa#223;en wir im Waggon und rollten auf der rechten Seite des Missisippi und dann des Red River Shreveport entgegen, welches wir mit Tagesanbruch erreichten. Dort gab es Anschlu#223; von Jackson und Vicksburg #252;ber Monroe her#252;ber, und nach unserer Berechnung mu#223;te die J#252;din mit diesem Zuge kommen. Wir sa#223;en im Restaurationswagen und waren darauf gespannt, ob sie in den Zug steigen werde. Da sie mich und Winnetou kannte, setzten wir uns so, da#223; sie uns, wenn sie den Wagen betrat, nicht gleich sehen konnte. Emery aber brauchte sich nicht zu verbergen. Er ging, als der Zug sich wieder in Bewegung gesetzt hatte, die andern Wagen durch und meldete, als er zur#252;ckkehrte, in ganz zufriedenem Tone: »Sie ist da, sitzt in dem vorletzten Wagen.« »Irrst du dich nicht?« »Kann mich nicht irren. Sch#246;nes Frauenzimmer mit dem Typus von Israel; daneben eine Indianerin; GeGep#228;ck ein kleiner Koffer und eine Tasche; dabei einfacher Hut und grauer Mantel, wie du gesagt hast. Was thun wir mit Ihr?« »Fahren lassen.« »Well! Aber es w#228;re doch besser, wenn wir sie zur#252;ckhalten k#246;nnten!« »Nein. Mit dem Weibe haben wir doch eigentlich nichts zu schaffen; wir wollen nicht sie, sondern die Meltons haben.« »Die will sie doch warnen!« »Das kann sie nicht, denn wir kommen ihr zuvor. Es versteht sich doch von selbst, da#223; wir Albuquerque viel eher erreichen, als sie.« »Sollte man denken. Doch wei#223; man vorher nie, was geschehen kann. Halten wir sie lieber zur#252;ck!« »Wie wolltest du sie denn zur#252;ckhalten?« »Durch einen Sheriff.« »Der w#252;rde uns mit behalten m#252;ssen und damit w#228;re gar nichts gebessert. Es ist klar, da#223; sie von Gainesville aus hinauf nach Neumexiko will. Sie hat sicher keine Ahnung, wie k#252;hn, ja wie verwegen dies Unternehmen ist. Man m#246;chte meinen, da#223; sie unterwegs zu Grunde gehen mu#223;. Wir aber kennen uns aus. Wir werden in Gainesville uns Pferde kaufen und einen Ritt hinauf in die Berge machen.« »Aber vielleicht haben wir uns mit den Komantschen oder Kioways herumzuschlagen!« »Schadet nichts. Das verk#252;rzt die Zeit.« Da wies Winnetou mich zurecht: »Mein Bruder mag das nicht sagen! Die Komantschen kommen oft nach Norden bis zur Stra#223;e nach Santa Fe. Winnetou aber f#252;rchtet sie nicht, obgleich sie seine Todfeinde sind; aber wenn wir so schnell nach Al-Albuquerque wollen, haben wir keine Zeit, uns mit ihnen herumzuschlagen.« Ich schwieg, denn er hatte die Wahrheit gesagt. Sp#228;ter ging Emery wiederholt nach dem vorletzten Wagen. Er fand die J#252;din immer schlafend. Sie schien die letzte Nacht im Fahren durchwacht zu haben. In Dallas mu#223;te umgestiegen werden. Das war eine schwierige Sache, da wir uns vor Judith nicht sehen lassen wollten. Sie h#228;tte leicht auf den Gedanken kommen k#246;nnen, uns auf der Strecke nach Sherman zu entweichen. Es gelang uns, unbemerkt zu bleiben, auch sp#228;ter, als wir in Denton noch einmal umsteigen mu#223;ten. Von da an war der Bahnk#246;rper noch neu; es wurde langsam und vorsichtig gefahren, und so kamen wir erst, als es fast dunkel war, nach Gainesville, dem Endpunkte der Bahn. Wir warteten, bis die J#252;din mit ihrer Zofe ausgestiegen war, und verlie#223;en dann auch den Wagen. Sie hatte uns bis jetzt noch nicht gesehen. Gainesville war damals ein trauriger Ort. Die Geb#228;ude waren nicht H#228;user, sondern H#252;tten zu nennen. Auf der Station gab es keine Unterkunft, und der Ort hatte nur zwei sogenannte Hotels, aber sie wurden eben auch nur so genannt; eine deutsche Dorfkneipe mu#223;te dagegen ein Paradies genannt werden. Wir sahen unsern Fl#252;chtling in dem besser aussehenden Hotel verschwinden. Das bessere Aussehen hatte seinen Grund freilich nur darin, da#223; es um ein Fenster breiter war als das andere Hotel; es hatte deren drei. Wir gingen auch hinein. Im Innern war es so dunkel, da#223; wir nichts sahen. Es brannte kein Licht; drau#223;en herrschte bereits tiefe D#228;mmerung, und ihr verschwindender Schein vermochte nicht, durch den Schmutz der winzigen Fensterscheiben zu dringen. Von der Seite her vernahmen wir Stimmen; das mochte in der K#252;che sein, und dort schien auch ein Licht, wenn auch nur ein kleines Talglicht. Eine M#228;nnerstimme sagte: »All right! Ist alles schon vorgesehen. Werde gleich Licht nach dem Salon bringen.« Leichte Schritte kamen von dorther und wurden in unserer N#228;he still. Hatte die J#252;din mit dem Wirte gesprochen? War das der Fall, so sa#223; sie jetzt wieder in der Stube, welche von dem Wirte Salon genannt worden war. Wir tasteten uns vorw#228;rts und kamen an eine Tafel, an welcher eine Bank stand. Beide, Tafel und Bank, waren, das f#252;hlten wir, aus roh gehobelten Brettern zusammengezimmert. Wir setzten uns nieder. Da kam der Wirt und brachte eine Lampe, welche er auf die Tafel stellte. Sie beleuchtete uns. »Halloh, da sind ja noch andere G#228;ste!« rief er aus. »Willkommen, Gentlemen! Werdet ihr heut hier im Hotel bleiben? Delikates Essen, gute Betten und sehr niedrige Preise.« »Werden sehen,« antwortete Emery. »Habt Ihr Bier? »Und was f#252;r welches! Echt englisches Porter.« »So gebt drei Flaschen! Schmeckt uns dieser G#246;ttertrank aber nicht, so trinkt Ihr ihn selber.« »Sollte mir lieb sein; werde aber nicht zu diesem Genusse kommen.« Inzwischen hatte ich einen andern Genu#223;, der viel gr#246;#223;er war als der seines jedenfalls schlechten Gerstenabsudes. Als er das Licht brachte, sah ich, da#223; an der Tafel nicht nur die Bank stand, welche wir eingenommen hatten, sondern es befand sich auf der andern Seite eine zweite, und auf dieser sa#223; - Judith mit ihrer Indianerin! Welche Gesichter die beiden machten, als sie mich sahen! Kein Maler h#228;tte die Verbl#252;ffung so zu treffen gewu#223;t, wie ich sie in solcher Vollendung in meinem Leben hier zum erstenmal sah. Als der Wirt sich jetzt entfernte, stand ich auf, verbeugte mich und sagte: »Mrs. Silverhill, Sie sehen, unser gestriges Zusammentreffen hat mich so f#252;r Sie begeistert, da#223; ich mich nicht von Ihnen zu trennen vermag. Old Shatterhand hat Ihre Spur gefunden, obgleich Sie die Billets durch eine fremde Person kaufen lie#223;en.« »Sie - Sie hier in Gainesville!« sagte sie stammelnd. »Vermuteten Sie, da#223; ich jetzt noch in Ihrem Boudoir zu suchen sei? Vielleicht w#228;re ich trotz aller Ihrer Sch#246;nheit in New Orleans geblieben; aber Sie hatten bei Ihrer eiligen Abreise etwas vergessen, was Sie so notwendig brauchen, da#223; ich mich sofort auf die Bahn setzte, um es Ihnen nachzubringen. Hier ist es, Sennora.« Ich zog den Zettel mit dem Eheversprechen aus der Tasche, faltete ihn auseinander und hielt ihn in das Licht der Lampe. Sie las die Zeilen, ri#223; ihn mir aus der Hand und rief. »Der geh#246;rt mir! Wenn ich nur den Schein habe! Nun mag alles verloren sein, was ich nicht mitnehmen konnte!« »Ja, behalten Sie ihn, Sennora. Sie k#246;nnen einen der gr#246;#223;ten Betr#252;ger damit zwingen, ehrlich gegen Sie zu sein, bevor ihn der Hangman (* Henker.) an den Galgen kn#252;pft.« Da zischte sie mir w#252;tend zu: »Schweigen Sie, Sie gr#246;#223;ter aller Verleumder! Sennor Hunter ist ein ehrlicher Mann, tausendmal ehrlicher, als Sie sind. Ich habe mit Ihnen nichts zu schaffen; er aber wird sich an Ihnen r#228;chen; darauf verlassen Sie sich!« Und sich an den Wirt wendend, fuhr sie fort: »Sennor, haben Sie f#252;r eine Dame, die unm#246;glich bei solchen Leuten bleiben kann, ein abgelegenes und verschlie#223;bares Zimmer f#252;r bis morgen fr#252;h, wo ich weiter reise?« »Fragen Sie doch nicht erst, Ma'am!« antwortete er. »Ich habe ein Zimmer, in welchem eine Prinzessin sich wie im Himmel f#252;hlen w#252;rde.« »So bringen Sie mich und meine Kammerzofe sofort hin!« Er nahm uns die Lampe weg und f#252;hrte die beiden Frauenzimmer fort. Das Haus war in zwei R#228;ume geteilt, einen gr#246;#223;eren, in dem wir sa#223;en, und einen kleineren, der die K#252;che und den Aufenthalt des Wirtes bildete. Beide R#228;ume hatten eine Bretterdecke. Die Decke der K#252;che hatte ein viereckiges Loch; dort legte der Wirt eine Leiter an und kletterte mit der Lampe hinauf. Judith und die Indianerin mu#223;ten ihm folgen. Wir blieben im Finstern, bis er nach fast einer Viertelstunde wieder herunter kam und uns ein Talglicht hinsetzte. »Entschuldigt, Mesch'schurs!« sagte er. »Ich habe heute nur eine Lampe. Die drei gro#223;en Kronleuchter, welche ich in Little Rock bestellt habe, kommen leider erst #252;bermorgen an. W#252;nscht Ihr auch zu essen?« »Ja,« antwortete Emery. »Was giebt es?« »Einen feinen Lendenbraten und dazu einen Eierkuchen.« »Wer ist der Koch?« »Ich selbst. Meine Frau kommt erst #252;bermorgen, und die vier Kellner, welche ich mir verschrieben habe, sollten schon gestern hier sein, werden sich aber versp#228;tet haben, weil der Schneider ihre Fracks nicht zur rechten Zeit fertig gebracht hat.« »Dann ist es ein wahres Gl#252;ck,« fiel ich ein, »da#223; wenigstens Ihr selbst schon hier eingetroffen seid! Ihr habt mit der Dame da oben gesprochen. Hat sie Euch gesagt, wohin sie will?« »Nein.« »Oder wann sie fort will?« »Auch nicht. Aber Ihr habt vorhin geh#246;rt, da#223; sie ihr Boudoir nur bis morgen fr#252;h behalten will.« »K#246;nnen wir hier #252;bernachten?« »Nat#252;rlich! Ihr sollt wie die G#246;tter schlafen.« »Wo?« »Hier im Salon. Ihr werdet Betten zum Entz#252;cken haben.« »Sch#246;n! Kann man hier in diesem gesegneten Gainesville Pferde zum Kaufe bekommen?« »Das versteht sich, Sir! Es giebt im ganzen Westen keine solchen Pferde wie hier bei uns. Echt arabisches, persisches und englisches Vollblut! Und Preise, Preise sage ich Euch, die der Rede gar nicht wert sind. Ich bin der ber#252;hmteste Pferdez#252;chter weit und breit.« »Vielleicht auch S#228;ttel?« »Von allen Sorten, vom ber#252;hmtesten Sattler in St. Louis direkt und fast ganz neu bezogen.« »So w#252;nsche ich nur, da#223; die Pferde und S#228;ttel besser sind als der echt englische Porter, den Ihr vorhin ebensosehr gelobt habt wie jetzt sie. Was f#252;r Ausg#228;nge hat das Boudoir, in dem sich die beiden Damen befinden?« »Nur den einen, wo sie vorhin hinaufgestiegen sind. Doch verzeiht! Ich mu#223; mich jetzt beeilen, euer Abendessen zu bereiten.« Dieser »Hotelier« war ein so geriebener Kerl, wie mir kaum schon einer vorgekommen war. Sein Porter war ein selbst zusammengepantschtes Small-beer (* D#252;nnbier.); dann bekamen wir die ungenie#223;baren Sehnen von Rinderf#252;#223;en als Lendenbraten, und der famose Eierkuchen war nichts anderes, als ein Mehl schlechtester G#252;te dick in warmem Wasser einger#252;hrt. Die Betten bestanden aus Hobelsp#228;nen, und f#252;r diese f#252;rstlichen Gen#252;sse hatten wir drei Dollars pro Mann zu bezahlen. Der einzige Trost dabei war, da#223; die »Prinzessinnen« #252;ber der K#252;che wohl in denselben Gen#252;ssen schwelgen mu#223;ten, wie wir. In Bezug auf diese beiden Personen trauten wir dem Manne nicht recht; da wir aber nicht wu#223;ten, in welche Richtung wir unser Mi#223;trauen wenden sollten, so legten wir uns schlafen, doch mit dem Vorsatze, morgen mit dem fr#252;hesten aufzustehen. Mitten in der Nacht weckte mich Winnetou. »Mein Bruder mag horchen!« sagte er. Ich lauschte. Von drau#223;en h#246;rte man, aber fern von dem Hause, ein leises Ger#228;usch, wie das Rollen eines Wagens; dann war es wieder still, und nichts lie#223; sich mehr vernehmen. Wir schliefen also wieder ein, indem wir das Bewu#223;tsein hegten, da#223; die J#252;din, wenn sie wirklich nur mit Hilfe der Leiter aus ihrem »Boudoir« entweichen konnte, sich gewi#223; nicht entfernen konnte, ohne von uns geh#246;rt zu werden. Wir drei, besonders aber Winnetou, pflegten beim leisesten Ger#228;usch aufzuwachen. Der Tag graute, als wir aufstanden. Da es an der Th#252;r kein Schlo#223;, sondern nur einen h#246;lzernen Riegel gab, konnten wir aus dem Hause treten, ohne den Wirt zu wecken, welcher, wie wir sahen, noch schlafend in der K#252;che lag. Wir bemerkten sofort, da#223; die Leiter dort fehlte, und als wir um die Ecke des Hauses bogen, sahen wir sie dort an der Wand lehnen. Sie reichte bis an einen offen stehenden Laden in dem obern Raume, welchen der Wirt Boudoir genannt hatte. Und nun bemerkten wir auch, da#223; sich dort eine Th#252;r befand, welche aus der K#252;che in das Freie f#252;hrte. Der Wirt wurde nat#252;rlich sofort geweckt. »Wo sind die Damen, die oben schliefen?« fragte ich ihn. »Fort,« antwortete er, indem sich sein Gesicht in ein schadenfrohes Grinsen zog. »Ich habe sie hinausgelassen.« »Und heimlich, damit wir es nicht bemerken sollten!« »Allerdings, Mesch'schurs. Ich g#246;nne meinen werten G#228;sten gern den Schlaf. Darum habe ich die K#252;chenth#252;r so leise nach au#223;en ge#246;ffnet und die Leiter so leise hinausgeschafft und drau#223;en angelehnt, da#223; ihr es selbst dann nicht geh#246;rt h#228;ttet, wenn ihr wach gewesen w#228;ret. Und ebenso leise sind die Damen dann auch durch den Laden herabgestiegen.« Er sagte das mit einem so merkw#252;rdigen Hohne, da#223; ich ihn am liebsten h#228;tte ohrfeigen m#246;gen. Ich fragte weiter: »Ihr wi#223;t nicht, wohin sie sind?« »Nein.« »Und doch habt Ihr sie im Wagen fortgeschafft!« »Im Wagen?« meinte er erstaunt. »Woher wi#223;t Ihr das?« Ich dachte an die Worte, welche Judith zu dem H#228;ndler gesagt hatte: »Mr. Hunter hat daf#252;r gesorgt, da#223; ich schnell zu ihm kommen kann.« Sollte er ihr beim Abschiede gesagt haben, er wolle hier einen Wagen f#252;r sie bereithalten lassen? Ich antwortete: »Ich wei#223;, da#223; hier bei Euch ein Wagen f#252;r eine Mrs. Silverhill gestanden hat!« »Wenn Ihr es so gewi#223; wi#223;t, warum soll ich es da leugnen! Er stand dr#252;ben an der Station im Schuppen. Ich habe ihn aus Little Rock besorgen m#252;ssen und ein Heidengeld daf#252;r bezahlt, obwohl es nur eine alte, ausgediente Ueberlandkutsche war.« »Nach welcher Richtung ist die Kutsche fort?« »Das k#252;mmert Euch nicht.« »Well, ganz wie Ihr wollt, Sir! Nun zeigt uns doch einmal die Pferde, die Ihr uns verkaufen wollt!« »Ich verkaufe sie nicht. Ich will Euch offen sagen, da#223; Mrs. Silverhill, die eine sehr feine Dame ist, mich daf#252;r bezahlt hat, da#223; ich Euch kein Pferd ablasse.« »So wird es andere Leute geben, bei denen wir welche bekommen.« »Hier in Gainesville? Da irrt Ihr Euch. Es giebt keinen Pferdehuf hier im Orte, der nicht mir geh#246;rt. Sch#246;ne Pferde sind's; das mu#223; man sagen. Soll ich sie Euch mal zeigen? Sie stehen da drau#223;en in der Fenz.« Er sagte das wieder in seinem so niedertr#228;chtig schadenfrohen Tone und deutete dabei mit der Hand #252;ber die Station hin#252;ber. Ich verstand den Blick, welchen mir Winnetou zuwarf, und antwortete: »Ansehen kann man sie sich einmal. Zeigt sie uns also!« Wir hatten alles, was uns geh#246;rte, bei uns und folgten ihm ins Freie, wo, vielleicht zehn Minuten vom Orte entfernt, eine Fenz errichtet war, in welcher sich zw#246;lf Pferde befanden. Es waren einige dabei, welche uns gefielen. Der Mann blieb aber bei seiner Weigerung. Da sagte ich: »Sir, hat Mrs. Silverhill Euch unsere Namen genannt?« »Nein.« »So will ich sie Euch sagen. Hier steht Winnetou, der H#228;uptling der Apatschen; ich bin Old Shatterhand, von dem Ihr wohl schon geh#246;rt habt, und der Dritte von uns ist auch ein Mann, der nicht mit sich spa#223;en l#228;#223;t. Ihr verkauft Pferde, und wir brauchen augenblicklich welche; Ihr wollt uns nur aus reiner Schikane keine ablassen. Nun h#246;rt, was ich Euch sage; es ist unsere feste Absicht, die wir unbedingt ausf#252;hren werden: Wir kaufen Euch dort die zwei Braunen und hier den Schwarzen ab und zahlen Euch f#252;r das St#252;ck sofort f#252;nfundachtzig Dollars. Dazu gebt Ihr uns drei alte S#228;ttel mit Z#252;gelzeug, das St#252;ck zu f#252;nfzehn Dollars, macht Summa Summarum dreihundert Dollars. Wollt Ihr nicht, so gehen wir fort. Was darauf geschieht, ist auch einmal jetzt unsere Sache und nicht die Eurige!« »Wie? Ist's wahr, ist's wahr? Ihr seid Winnetou und Old Shatterhand?« rief er aus. »Wenn das ist, welch eine Ehre! Wie stolz bin ich darauf, erz#228;hlen zu k#246;nnen, da#223; ich solche M#228;nner in meinem Salon bewirtet habe! Ja, jetzt gehen mir die Augen auf, Mesch'schurs. Das ist Winnetou, der H#228;uptling mit der Silberb#252;chse. Und Ihr habt zwei Gewehre, ein schweres und ein leichtes. Das ist der B#228;rent#246;ter und der famose Henrystutzen. Mesch'schurs, ihr sollt die Pferde mit den S#228;tteln haben. Nehmt sie; nehmt sie hin! Und nun will ich euch auch sagen, wohin die Frauen gefahren sind. Sie sind nach Henrietta, wo sie neue Pferde nehmen wollen. Dann gehen sie #252;ber die Dryfurt des Red River, um die Canadianstra#223;e der Wagenz#252;ge zu gewinnen, welche nach San Pedro und Albuquerque f#252;hrt.« Diese Einwilligung hatte ich nicht erwartet; ich war vielmehr auf eine erneute Weigerung gefa#223;t gewesen. In dem Falle h#228;tten wir uns augenblicklich auf die drei von mir bezeichneten Pferde gesetzt, ihm f#252;r jedes f#252;nfzig Dollars hingeworfen und w#228;ren ohne Sattel- und Zaumzeug davongeritten. So aber war es doch viel besser. Er bat uns, mit ihm ins »Hotel« zur#252;ckzukehren, wo wir die S#228;ttel ausw#228;hlten und sie und die Pferde bezahlten. W#228;hrend das erstere geschah, war er f#252;r einige Augenblicke fortgegangen; aus welchem Grunde, das sahen wir sehr bald darauf, denn kaum war er zur#252;ckgekehrt, so f#252;llte sich der »Salon« mit s#228;mtlichen Bewohnern des Ortes; sie kamen, gro#223; und klein, alt und jung, um uns - nicht anzusehen, sondern f#246;rmlich anzustaunen, und wir konnten uns dies ruhig gefallen lassen, da sie uns dabei nicht im geringsten bel#228;stigten. Keiner wagte es, uns auch nur anzureden; der Wirt aber machte ein gutes Gesch#228;ft dabei, denn w#228;hrend der Stunde, welche wir noch blieben, wurde so viel getrunken, da#223; das Gesicht des Wirtes sich zu einem immer befriedigteren Schmunzeln verzog. Dies war wohl auch der Grund, da#223; er uns schlie#223;lich bat, einen Vorrat von Proviant als Zugabe von ihm anzunehmen. Wir weigerten uns nat#252;rlich nicht, das zu thun, und dabei zeigte es sich, da#223; er viel besseres Mehl und Fleisch besa#223;, als er gestern zu unserm Abendessen verwendet hatte. Er schenkte uns sogar eine kleine Pfanne und drei Becher, welche Gegenst#228;nde wir unterwegs bei der Zubereitung der Speisen recht gut gebrauchen konnten. Nachdem wir uns auf diese Weise ausger#252;stet hatten, ritten wir fort und schlugen selbstverst#228;ndlich die Richtung nach Henrietta ein, weil die J#252;din den Weg dorthin genommen hatte. Dort angekommen, erfuhren wir, da#223; sie volle acht Stunden vor uns dagewesen war und nicht nur Wagen sondern auch Reservepferde bekommen hatte. Sie war nat#252;rlich #252;berzeugt gewesen, da#223; wir ihr folgen w#252;rden, und hatte, wie es schien, die Anweisung erteilt, uns keine Auskunft zu geben. H#246;chst wahrscheinlich hatte sie die Anweisung durch ein Trinkgeld unterst#252;tzt. Sie mu#223;te #252;berhaupt eine nicht unbedeutende Summe bei sich haben, da sie soviel Pferde erlangt hatte. Die Auskunft wurde uns allerdings auch verweigert; als jedoch Emery einen kleinen Pferdeboy heimlich zur Seite nahm und ihm zwei Dollars in die Hand dr#252;ckte, #246;ffnete er dem jungen den Mund und dieser teilte dem Englishman nicht nur die Zeit der Ankunft und Abfahrt der J#252;din mit, sondern verriet ihm auch, da#223; vor einiger Zeit ein Gentleman dagewesen sei, welcher f#252;r das schnelle Fortkommen der Dame gesorgt habe. Er beschrieb den Gentleman so genau, da#223; wir in demselben Jonathan Melton erkannten. Es war leicht anzunehmen, da#223; Jonathan mit Judith die einzuschlagende Route verabredet und ihr dieselbe w#228;hrend seiner Voranreise m#246;glichst erleichtert hatte. Geld dazu f#252;hrte er ja mehr als genug bei sich. Sie wollte also hin#252;ber nach der San Pedro-Stra#223;e und hatte dazu allen Grund, weil es nur dort f#252;r sie Gelegenheit gab, ihre erm#252;deten Pferde gegen frische umzutauschen. Da wir wu#223;ten, da#223; sie nach Albuquerque wollte, so hielt ich es nicht f#252;r n#246;tig, uns auf ihrer Spur zu halten. Sie mu#223;te, weil sie zu Wagen war und zuweilen die Pferde zu wechseln hatte, einen Umweg machen, w#228;hrend wir denselben abschneiden konnten. Thaten wir dies, so erreichten wir Albuquerque wahrscheinlich fr#252;her als sie und konnten nicht nur sie dort erwarten, sondern auch nach den Meltons ausschauen. Freilich ging der Weg, den wir da einzuschlagen hatten, #252;ber den n#246;rdlichen Teil des Llano estacado, welcher dort eine sahara#228;hnliche Hochebene bildet, soda#223; wir uns auf einen schlimmen Ritt und nicht geringe Entbehrungen gefa#223;t machen mu#223;ten; dennoch aber beantragte ich, diese Richtung einzuschlagen. Emery hatte keine Lust. Er brachte einige Gr#252;nde dagegen vor, welche ich freilich nicht als stichhaltig anerkennen konnte. Dennoch stimmte Winnetou ihm bei, indem er zu mir sagte: »Mein Bruder kennt die Hochebene ebenso genau, wie ich. Wir m#252;#223;ten vielleicht mehrere Tagesritte machen, ohne Wasser zu finden; w#252;rden unsere Pferde das aushalten?« »Wir finden doch wohl Wasser, weil jetzt nicht die trockene Jahreszeit ist,« antwortete ich. »Auf der Hochebene nicht, denn da trocknet der Wind schnell jede Lache und Pf#252;tze aus.« »So treffen wir auf Kaktusfelder, deren w#228;sserige Fr#252;chte unsere Pferde fressen k#246;nnen; dann wird ihr Durst gestillt.« »Mein Bruder hat recht; diese Fr#252;chte enthalten viel Wasser; ich dachte nicht an sie. Aber es giebt noch andere Bedenken dagegen, da#223; wir gerade nach Albuquerque reiten. Wei#223; Old Shatterhand gewi#223;, da#223; Jonathan Melton sich dort befindet oder dorthin kommen wird?« »Ja. Nat#252;rlich nehme ich dabei an, da#223; die J#252;din mir die Wahrheit gesagt hat.« »Sie hat sie gesagt. Aber kann Melton nicht unterwegs aufgehalten worden sein?« »Die M#246;glichkeit ist freilich vorhanden.« »Dann st#246;#223;t Judith zu ihm. Sie sagt ihm, da#223; wir hinter ihr her sind und da#223; sie dir mitgeteilt habe, da#223; er nach Albuquerque wolle. Dann wird er sich h#252;ten, nach diesem Orte zu reiten.« »Das kann aber doch nur in dem Falle geschehen, da#223; er durch irgend einen Zufall unterwegs aufgehalten wird!« »Nein. Er kann auch ganz von selbst auf den Gedanken kommen, anzuhalten und auf sie zu warten.« »Das w#228;re eine Zeitvers#228;umnis!« »Gewi#223; nicht. Es ist doch ganz gleich, ob er unterwegs oder in Albuquerque auf sie wartet. Ja, in Albuquerque kann er weit eher entdeckt und entlarvt werden, als in der Einsamkeit, in welcher ihn niemand sieht.« »Hm! Ich kann freilich nichts dagegen sagen; aber es ist ein Gef#252;hl in mir, welches mich direkt nach Albuquerque treibt.« »Ich wei#223;, da#223; mein Bruder zuweilen solche unbestimmte Gef#252;hle hat, die ihn selten t#228;uschen; aber in diesem Falle bitte ich ihn, nicht auf eine solche Ahnung, sondern auf die Stimme der Berechnung zu h#246;ren.« »Wenn Winnetou dies thut, so weigere ich mich nicht l#228;nger, ihm zu folgen. Reiten wir also der J#252;din nach!« Wir kauften in Henrietta noch einige Gegenst#228;nde, welche dazu dienten, unsere Ausr#252;stung zu vervollst#228;ndigen, und verlie#223;en den Ort, indem wir zun#228;chst eine westliche Richtung einhielten, bis wir des Abends einen Nebenflu#223; des Red River erreichten, #252;ber welchen wir am andern Morgen setzten. Von da ging es nach Norden, auf den South Fork of Red River zu. An diesem langten wir am n#228;chsten Mittag an. Hier war die Dryfurt, von welcher wir geh#246;rt hatten. Die Furt hat den Namen erhalten, weil hier der Flu#223; so breit und seicht ist, da#223; ein Reiter, falls nicht Ueberschwemmung ist, hin#252;berkommen kann, ohne einen einzigen Tropfen Wasser an seinen K#246;rper zu bekommen. Wir hatten bisher immer gen#252;gende Weide f#252;r die Pferde gehabt und sahen auch die Spur des Wagens, welchem wir folgten. Jetzt aber wendete sich letztere so nach Nordwest, da#223; der n#246;rdliche Arm des Flusses und die Quelle desselben #246;stlich liegen blieb, und wir mu#223;ten uns darauf gefa#223;t machen, eine Zeitlang kein Futter f#252;r unsere Pferde und kein Wasser f#252;r sie und uns zu finden. Es verstand sich daher ganz von selbst, da#223; wir uns satt tranken und auch die Tiere t#252;chtig trinken lie#223;en. Dann ging es weiter. Viel vorteilhafter w#228;re der Weg #252;ber den Camp Radzimsky und Fort Elliot gewesen; aber Jonathan Melton hatte aus naheliegenden Gr#252;nden bewohnte Orte vermieden. Je weniger er auf seiner Flucht gesehen wurde, desto besser war es f#252;r ihn. Ich habe schon gesagt, da#223; die J#252;din einen Vorsprung von acht Stunden vor uns gehabt hatte, und leider war es uns bisher nicht gelungen, denselben zu verringern; es schien vielmehr, als ob er bedeutend gr#246;#223;er geworden sei. Sie hatte zwar den schweren Wagen, geno#223; daf#252;r aber den Vorteil, da#223; sie ihre Pferde wechseln konnte, was bei uns nicht der Fall war. Das Gr#252;n, welches wir zwischen den Nebenfl#252;ssen des Red River gefunden hatten, verschwand; die Prairie ward zur W#252;ste, und zwar zur Sandw#252;ste, durch welche wir einen ganzen Tag lang ritten, ohne einen Grashalm zu erblicken. Am andern Morgen verwandelte sich der Sand in festen Stein, der eine solche H#228;rte besa#223;, da#223; die Spur, welcher wir folgten, beim besten Willen und trotz allen Scharfsinns nicht mehr zu erkennen war, zumal wir jetzt annehmen mu#223;ten, da#223; die alte Ueberlandpostkutsche nun einen Vorsprung von einem Tage besa#223;. Gl#252;cklicherweise kamen wir, als wir kreuz und quer nach der Spur suchten, an eine gro#223;e Lache, deren Wasser uns sehr willkommen war, obgleich es eine nicht sehr appetitliche Farbe hatte. Wir tranken, indem wir unsere Taschent#252;cher als Seiher vor den Mund hielten, und lie#223;en dann auch die Pferde schl#252;rfen, bis kein Wasser mehr, sondern nur noch Schlamm vorhanden war. Wir fanden die verlorene Spur erst dann wieder, als der Boden abermals sandig wurde, doch hatten wir mit dem Suchen einen zweiten Tag verloren. Die F#228;hrte war also nun zwei Tage alt und infolgedessen nur stellenweise zu erkennen. »Dumme Geschichte!« meinte Emery. »Wenn das so fortgeht, holen wir das Weibsbild im ganzen Leben nicht ein!« »Wenigstens bis Albuquerque nicht«, antwortete ich. »So hast du doch recht gehabt, da#223; es besser sei, der Spur nicht zu folgen, sondern lieber gleich direkt nach Albuquerque zu reiten.« »Diese Einsicht kommt leider nun zu sp#228;t. Wir k#246;nnen nicht zur#252;ckkehren.« »Und wenn dies m#246;glich w#228;re, w#252;rde Winnetou es nicht thun,« fiel der Apatsche ein. »Es ist ja m#246;glich, da#223; Jonathan Melton unterwegs angehalten hat, um auf die J#252;din zu warten. In dem Falle holen wir den Wagen sicher ein.« »Und wo meint mein Bruder, da#223; er angehalten hat?« »Da, wo Wasser ist, also oben am Canadianflusse, bis zu welchem wir noch zwei Tagesreisen haben.« Ich sch#252;ttelte den Kopf, denn ich achtete den Scharfsinn und die Erfahrung des Apatschen zu hoch, als da#223; ich ihm h#228;tte in Gegenwart Emerys scharf widersprechen m#246;gen. Ich war anderer Ansicht gewesen, als er, hatte mich aber der seinigen gef#252;gt, und so w#228;ren N#246;rgeleien oder gar Vorw#252;rfe #252;berfl#252;ssig gewesen. Er aber bemerkte mein Kopfsch#252;tteln und fragte: »Ist mein Bruder anderer Meinung, als ich?« »Ja. Ich meine, da#223; wir die J#252;din nicht einholen werden.« »Auch dann nicht, wenn Jonathan Melton auf sie wartet?« »Auch dann nicht. Er wartet doch nur so lange, bis sie kommt, und geht dann sofort mit ihr weiter.« »Uff! Vielleicht giebt er ihr Zeit, auszuruhen!« »Gewi#223; nicht, denn er wird ja von ihr erfahren, da#223; wir hinter ihr her sind.« Da senkte er den Kopf und sagte kleinlaut: »Mein Bruder hat recht. Wir h#228;tten seiner Stimme und nicht der meinigen folgen sollen. Winnetou ist ein Thor gewesen.« Es that mir innerlich f#246;rmlich wehe, da#223; dieser Mann sich einen Thor nannte; es sollte ihm sp#228;ter allerdings auch die Rechtfertigung werden, da#223; wir trotz meiner Behauptung die Kutsche doch noch einholten, leider aber unter ganz andern Umst#228;nden, als der Apatsche vorausgesetzt hatte. Also bis zum Canadian-River hatten wir noch volle zwei Tagereisen, und die waren sehr schlimm. Wir befanden uns auf der schon erw#228;hnten Hochebene; unsere Pferde wateten im tiefen Sande, und die Sonne brannte so hei#223; auf uns, da#223; wir uns in einem Backofen denken konnten. Dennoch brachten wir den ersten Tag gl#252;cklich zu Ende und w#228;ren dann nach kurzer Rast gern weiter geritten, um die K#252;hle des Abends und der Nacht zu benutzen, aber das konnten wir nicht, da wir in der Dunkelheit die Spur verloren h#228;tten. Gl#252;cklicherweise kamen wir am andern Morgen wieder an eine Lache, welche wir von den Pferden austrinken lie#223;en, und gegen Mittag erreichten wir eine Stelle, welche von stacheligen Kakteen bestanden war. Die runden Fr#252;chte derselben enthalten einen w#228;sserigen Saft, welcher zwar nicht sehr wohlschmeckend ist, aber dem D#252;rstenden doch das Wasser zu ersetzen vermag. Das wissen auch die Tiere. Wir tranken also so viel solchen Saft, bis unser Durst gel#246;scht war, und entstachelten auch f#252;r die Pferde einen ganzen Haufen von Fr#252;chten, welche von ihnen mit Begierde verzehrt wurden. Dann ging es weiter. Wir rechneten, da#223; es m#246;glich sei, bis zum Abend irgend ein Nebenfl#252;#223;chen des Canadian zu erreichen. Da gab es gewi#223; so viel Wasser und Gras, da#223; dann alle Entbehrung zu Ende war. Bald nach Mittag wurde die Luft so schw#252;l, da#223; man sie kaum zu atmen vermochte, und der Horizont im S#252;den nahm einen r#246;tlichen Schimmer an. Winnetou blickte sich einigemale nach dieser Richtung um. »Das sieht fast genau so aus, wie wenn in der W#252;ste ein Samum zu erwarten ist,« bemerkte Emery. »Wird auch wohl einer werden!« antwortete ich. »Es ist ein Gl#252;ck, da#223; wir uns nicht allzu weit vom Flusse befinden. Mit den St#252;rmen des Llano estacado ist nicht zu scherzen.« »Mein Bruder Shatterhand hat recht,« stimmte Winnetou bei. »Wenn der Geist des Llano aus der Tiefe steigt, so st#252;rmt er ergrimmt #252;ber die W#252;ste hin, wirft den Sand bis zum Himmel empor und st#252;rzt, wenn er fruchtbare Gegenden erreicht, ganze W#228;lder um.« »Alle Wetter! Und Ihr denkt, da#223; wir es wirklich mit diesem b#246;sen Geiste zu thun haben?« »Er kommt. Winnetou wei#223; es ganz genau. Meine Br#252;der m#246;gen ihren Pferden die Sporen geben. Wenn wir nicht unter den Wolken und Wogen des Sandes begraben werden wollen, m#252;ssen wir uns beeilen, einen Ort zu finden, in welchem uns die Gewalt des Sturmes nicht voll zu treffen vermag.« Wir lie#223;en also die Pferde laufen, was sie nur laufen konnten. Sie merkten infolge ihres Instinktes selbst, welch eine gro#223;e Gefahr sich hinter ihnen erhob, und strengten alle ihre Kr#228;fte an, ohne da#223; wir sie sehr anzutreiben brauchten. Der r#246;tliche Schein am s#252;dlichen Horizonte wurde breiter und breiter; er wuchs am Himmel empor. Oben hell und nach unten immer dunkler werdend, stieg er jetzt bis zum Zenith auf und lief zugleich zu beiden Seiten im Osten und Westen zusehends dem Norden zu. Das sah h#246;chst gef#228;hrlich aus und war in Wirklichkeit gef#228;hrlich; ich wu#223;te das, denn ich hatte schon einigemale einen solchen Sturm in dem Llano estacado erlebt. Es waren, seit wir die Gefahr erkannt hatten, nun fast zwei Stunden vergangen; der Sturm mu#223;te sich nach h#246;chstens einer Viertelstunde erheben, und doch konnten die Pferde kaum mehr vorw#228;rts. Sporen und Schl#228;ge h#228;tten nichts gefruchtet, da die armen Tiere sich freiwillig so sehr anstrengten, wie sie konnten; wir verschonten sie also mit diesen Qualen und sahen nur sehns#252;chtig nach einem Rettungsorte aus. Da trat uns weit rechts, im Osten, eine kleine aber sehr lang gestreckte H#246;he entgegen; der Sand war nicht mehr so tief wie vorher und lie#223; zuweilen Stellen durchscheinen, welche aus Erde bestanden und Grashalme trugen. »Das Ende der W#252;ste!« rief Winnetou. »Siehst du den langen H#252;gel im Osten und den einzelnen d#252;rren Baum da gerade vor uns, Bruder Shatterhand?« »Ja,« antwortete ich. Wirklich, da vorn am #228;u#223;ersten Horizonte, gerade in unserer Richtung, stand ein hoher, d#252;rrer, beinahe astloser Baum. »Kennst du den H#252;gel und den Baum?« »Ich kenne sie beide. Wir sind gerettet. Das Gras beginnt, und eine Viertel-Reitstunde hinter dem Baume flie#223;t der kleine Bach, welcher da dr#252;ben an dem H#252;gel entspringt. Haut die Pferde, damit wir den Bach noch zur rechten Zeit erreichen!« Das mag grausam klingen, war es aber nicht. Wir trieben die Pferde mit Schl#228;gen an, ihre letzten Kr#228;fte anzustrengen; es handelte sich nicht allein um unser, sondern auch um ihr Leben. Sie rannten mit weit heraush#228;ngenden Zungen weiter; h#228;tten wir angehalten, so w#228;ren sie vor Ersch#246;pfung augenblicklich zusammengebrochen. Wir aber schlugen auf sie ein, pfiffen, schrieen, br#252;llten, um sie im Laufe zu erhalten -flogen an dem d#252;rren Baum vor#252;ber - #252;ber gr#252;nes Gras dahin - vor uns zeigte sich jetzt ein Geb#252;sch, zwischen dessen Str#228;uchern uns Wasser entgegenblickte - weiter, weiter - in die B#252;sche hinein - #252;ber das Wasser hin#252;ber - noch eine Strecke zwischen B#252;schen hin, und dann hielten wir an! Wir brauchten gar nicht abzusteigen, denn unsere Pferde fielen augenblicklich nieder. Ihre Flanken schlugen; ihre M#228;uler geiferten; ihre Zungen hingen weit heraus, und ihre Augen hatten sich geschlossen. »Die Decken herunter!« rief ich. »Reibt die Pferde; schlagt sie mit Ruten, damit sie nicht erfrieren! Wir m#252;ssen sie erhalten; wir k#246;nnen ohne sie nicht weiter.« Bei diesen Worten ri#223; ich meine Decke auseinander und schnitt einige belaubte Zweige vom n#228;chsten Busche. Winnetou folgte ohne Z#246;gern meinem Beispiele. »Die armen Tiere mit Ruten peitschen?« fragte Emery, indem er uns erstaunt anblickte. »Jawohl! Nimm schnell die Decke, und reib dein Pferd, besonders die Brust!« »Damit es nicht erfriert?« »Ja, ja doch!« »Unsinn! In dieser Glut und Hitze!« »Warte es ab! Hier hast du Ruten von mir.« Er nahm sie, indem er mich ganz verwundert anblickte, und sagte dann: »Warum reitet Ihr so weit ins Geb#252;sch hinein? Konntet ihr nicht dort am Bache halten? Wasser ist doch das, was wir am notwendigsten brauchen!« »Das wirst du bald sehen. Thue jetzt nur schnell das, was wir thun!« Ich rieb mein Pferd aus Leibeskr#228;ften, der Apatsche das seinige auch. Obgleich der Englishman uns nicht begreifen konnte, folgte er unserm Beispiele. Und da - da brach es los! Es klang wie ein Posaunen- oder Tabaton #252;ber uns durch die L#252;fte; dann erschallten hundert und tausend pfeifende, heulende, zischende und schrillende Stimmen. Es erfa#223;te uns eine furchtbare Glut, und darauf folgte ganz pl#246;tzlich eine K#228;lte, die nur dem Nordpole entstammen konnte. Die K#228;lte kannte ich; in ihr lag die Gefahr f#252;r unsere Tiere. Ich peitschte mein Pferd mit den Ruten, nat#252;rlich nicht, um ihm Schmerz zu bereiten, sondern um sein Blut an der Oberfl#228;che des K#246;rpers zur#252;ckzuhalten. Winnetou that desgleichen, und Emery, welcher nun wu#223;te, um was es sich handelte, blieb nicht zur#252;ck. Die K#228;lte hielt h#246;chstens eine Minute an, aber sie war so scharf, so stechend, da#223; die eine Minute unsern Pferden nach den Anstrengungen, welche sie hinter sich hatten, und bei dem erhitzten Zustande, in welchem sie sich befanden, unbedingt das Leben gekostet h#228;tte. Das Schlagen und Reiben lie#223; auch uns die K#228;lte weniger empfinden. Dann wurde es pl#246;tzlich ebenso hei#223; wie vorher; der Posaunenton und die tausend Stimmen in der Luft waren verschwunden; daf#252;r gab es ein gewaltiges Rauschen in derselben; sie war undurchsichtig geworden. Ich konnte Winnetou und Emery kaum sehen, und obgleich ich wu#223;te, da#223; sie es nicht h#246;ren konnten, rief ich ihnen zu: »Werft euch nieder, mit dem Kopf nach Norden! Haltet euch an, sonst rei#223;t euch der Sturm mit sich fort!« Ja, die Vorboten waren vor#252;ber, und nun kam der Hurrikan selbst. Die Luft war mit Sand gef#252;llt, der in jede Oeffnung drang; ich hatte binnen einigen Sekunden die Augen, Ohren und die Nase voll, trotzdem ich das Gesicht in die Decke gesteckt hatte. Man konnte nur mit gr#246;#223;ter M#252;he atmen; es war fast zum Ersticken. Das w#228;hrte ungef#228;hr drei Minuten; dann war es vor#252;ber. Auf uns lag eine acht bis zehn Zoll hohe Sanddecke; aber die Luft war pl#246;tzlich rein und klar; wir erhoben uns, um sie mit Wonne einzuatmen. Da sahen wir vor uns im S#252;den ein eigent#252;mliches Bild. Trotz der Reinheit und Klarheit der Luft erblickten wir n#228;mlich dort keinen Himmel, sondern wo dieser sein Sollte, gab es eine weite Sandebene, an deren #228;u#223;erstem Rande ein hoher, d#252;rrer, fast astloser Baum stand. »Eine Fata Morgana!« rief Emery. »Ja, das ist das tr#252;gerische Bild des Llano estacado, welches dem Sturme oft vorangeht oder ihm nachfolgt,« sagte der Apatsche. »Der Baum, an welchem wir vorhin vor#252;bergekommen sind, steht verkehrt am Himmel!« »Das ganze Bild ist ein Deckenbild mit verkehrten Gegenst#228;nden. Wir erblicken die Gegend, welche s#252;dlich von uns liegt. G#228;be es Menschen, welche sich geradeso entfernt im Norden von uns bef#228;nden, so w#252;rden diese jetzt uns sehen, oder sie h#228;tten uns vielleicht schon vor dem Sturme kommen sehen. Die Mirage entsteht durch zwei Luftschichten von verschiedener W#228;rme und Dichtheit und malt ihre Gem#228;lde in sehr verschiedener Weise. Aber seht nicht nach diesem Bilde, welches gleich verschwinden wird, sondern nach den Pferden. Die Ersch#246;pfung, Erhitzung, dann die K#228;lte, der Sturm, die darauf folgende abermalige - Hitze wir m#252;ssen sie noch l#228;ngere Zeit t#252;chtig reiben und dann versuchen, ob sie erst stehen und dann laufen k#246;nnen.« Dies geschah. Nach einer Viertelstunde hatten wir die armen Tiere soweit, da#223; sie standen. Wir stiegen auf und ritten sie wohl zehn Minuten lang in der N#228;he herum; sonst w#228;ren sie wohl steif geblieben; aber trinken durften sie noch nicht. Wir befreiten einen Rasenstreifen von dem daraufgewehten Sande und lie#223;en sie einstweilen fressen. Nun erst konnten wir an uns denken. Wir s#228;uberten uns und alle unsere Sachen von dem Sande. W#228;hrend dieser Arbeit hatten wir uns niedergesetzt und unterhielten uns. »Ihr kanntet den Baum und auch den H#252;gel da dr#252;ben,« meinte der Englishman. »Und du, Charley, wu#223;test, da#223; hinter dem Baume der Bach kommen w#252;rde? Seid ihr denn schon einmal hier gewesen?« »Ja.« »Warum hieltet ihr nicht am Bache an?« »Weil wir soweit wie m#246;glich in das Geb#252;sch eindringen mu#223;ten. Je mehr B#252;sche wir hinter uns hatten, destoweniger konnte uns der Sturm anhaben. H#228;tte er uns drau#223;en im Freien getroffen, so w#228;ren wir hinweggefegt worden. Zum Gl#252;ck f#252;r uns war der heutige nicht sehr heftig.« »So, hm! Die Gegend mu#223; von gro#223;em Interesse f#252;r euch sein, da ihr sie so schnell erkanntet?« »Allerdings. Wenn du den alten, d#252;rren Baum betrachtest, so siehst du, da#223; nicht das Alter die Schuld daran tr#228;gt, da#223; er abgestorben ist, sondern das Feuer.« »Ah! Ein Waldbrand am Rande des Llano estacado?« »Keineswegs. Das Feuer war ein Freudenfeuer f#252;r die Komantschen und ein Schmerzensfeuer f#252;r mich und Winnetou.« »Wetter. Wollten die Kerle euch etwa braten?« »Ja; nicht nur uns, sondern noch vier Gef#228;hrten, welche wir bei uns hatten.« »Mensch, davon wei#223; ich ja nicht das geringste! Erz#228;hle!« »Winnetou und ich kamen von der Sierra Guadelupe herunter und wollten #252;ber die w#252;sten Staked Plains nach Fort Griffin hin#252;ber. Wir kannten die W#252;ste und f#252;rchteten sie also nicht, zumal wir uns Proviant und zwei Schl#228;uche Wasser mitgenommen hatten. Auf halbem Wege trafen wir mit vier Personen zusammen, welche vom Fort Davis unten kamen und hinauf nach Fort Dodge wollten - -« »Ein eigent#252;mlicher und gef#228;hrlicher Weg! Vom Rio Grande bis hinauf an den Arkansas! Das sind ja in der Luftlinie gegen sechshundert Meilen! Und dabei lang durch die W#252;ste des Llano! Konnten sie denn keinen Umweg durch besseres Land machen?« »Das konnten sie nicht nur, sondern das h#228;tten sie eigentlich thun sollen; aber sie verstanden es nicht, und diejenigen, von denen sie geschickt worden waren, verstanden es noch weniger. Ich erfuhr soviel, da#223; es sich um ein bedeutendes Gesch#228;ft handle, bei welchem ein gro#223;es Geld zu machen sei, wenn es schnell abgeschlossen werde. Es war also keine Zeit zu verlieren; darum hatten die Boten die Anweisung bekommen, den geraden Weg einzuschlagen, welcher bekanntlich durch den wilden Llano f#252;hrt. Die Boten waren zwei junge Kaufleute, welche von dem Westen nichts kannten. Darum hatte man ihnen zwei J#228;ger mitgegeben, welche zwar schon einmal im Llano gewesen waren, aber nicht weit hinein; am allerwenigsten aber wu#223;ten sie, wie man von S#252;d nach Nord durch denselben kommt.« »Welch eine Dummheit! Sie h#228;tten den Rio Grande hinabfahren, nach New Orleans schiffen und dann den Missisippi und Arkansas hinaufdampfen sollen.« »Ja. Oder sie konnten den Rio Grande hinauf und durch Neu Mexiko nach Santa Famp; gehen, um von da aus hin#252;ber nach der Arkansasstra#223;e zu kommen. Auf beiden Wegen h#228;tten sie ihr Ziel eher erreicht, als durch den Llano, selbst wenn sie da auf keine Hindernisse getroffen w#228;ren.« »Und der Hindernisse giebt es dort gerade mehr als genug!« »Freilich! Die vier Leute waren wirklich dem Tode geradezu in die Arme gelaufen. Als wir sie fanden, lagen sie fast verschmachtet im Sande, und ihren Pferden ging es ebenso. W#228;ren wir nicht zuf#228;llig auf sie gesto#223;en, so h#228;tten sie sterben m#252;ssen. Wir halfen ihnen und ihren Pferden durch etwas Wasser auf die Beine und brachten sie nach der n#228;chsten Trinkstelle, welche Winnetou kannte. Wir rieten ihnen, mit uns nach Fort Griffin zu gehen; sie baten uns aber so himmelhoch, sie in n#246;rdlicher Richtung durch die W#252;ste zu bringen, da#223; wir, freilich nach langem Z#246;gern, endlich einwilligten. Wir gaben also unsern eigenen Weg auf und ritten nach Norden.« »Da begabt ihr euch nun freilich selbst in gro#223;e Gefahr!« »Versteht sich! Ich wei#223; nicht, ob ich heute, wo ich erfahrener bin als damals, wieder so gutwillig sein w#252;rde. Wir haben es auch zu bereuen gehabt. Winnetou rechnete auf zwei Trinkstellen, an denen wir vor#252;ber mu#223;ten; aber die eine mu#223;ten wir meiden, weil sich dort allerlei r#228;uberisches Gesindel zusammengefunden hatte, und als wir dann die andere erreichten, war sie fast ganz ausgetrocknet. Wenn wir uns retten wollten, mu#223;ten wir unsere Pferde erhalten; darum bekamen diese das wenige Wasser, wir aber keinen einzigen Tropfen. D#252;rstend ritten wir weiter.« »Und das alles den fremden Menschen zulieb?« »Ja, weil es zwar Fremde, aber, wie du ganz richtig sagst, doch Menschen waren. Du h#228;ttest es wahrscheinlich noch viel eher und lieber gethan, als wir beide. Ich kenne dich!« »Pshaw! Doch, erz#228;hle weiter!« »Wir lie#223;en uns also von unsern Pferden fortschleppen, bis sie selbst nicht mehr konnten. Das wenige Wasser, das sie bekommen hatten, hielt nicht lange vor, und schon am n#228;chsten Tage konnten sie uns kaum noch tragen. Wir ruhten bis zum n#228;chsten Morgen und gingen dann, ein wenig gest#228;rkt, weiter.« »Gingen? Ihr konntet nicht reiten?« »Nein. Die Pferde waren zu schwach. Gegen Mittag erstachen wir eins und tranken das Blut - -« »Pfui!« »Sage nicht pfui! Du h#228;ttest an unserer Stelle dasselbe gethan. Am Abende mu#223;ten wir ein zweites t#246;ten. Warum auch nicht? H#228;tten wir das unterlassen, so w#228;ren sie doch gest#252;rzt. Ein drittes verendete in der Nacht. Am n#228;chsten Tage erstachen wir die #252;brigen. Ihr Blut hatte uns bis nun das Leben erhalten, aber wenn ich dir sagen soll, wie uns zu Mute war und in welchem Zustande wir uns befanden, so mu#223; ich dir gestehen, da#223; ich dies nicht vermag. Ich habe da erfahren, da#223; Blut trinken wirklich betrunken macht, wenn vielleicht auch nur bei der gro#223;en Schw#228;che, welche sich unser bem#228;chtigt hatte. Wir humpelten, stolperten und st#252;rzten weiter und weiter, fielen nieder, rafften uns wieder auf, gingen einige Schritte, sanken wieder um, bis wir endlich liegen blieben.« »Schrecklich! Wo war das, wo ihr liegen bliebt?« »Nicht weit von hier, vielleicht einen Stundenritt s#252;dwestlich von dem kahlen Baume, den du vorhin gesehen hast.« »Nun errate ich! Ihr wurdet von den Komantschen #252;berfallen und konntet euch wegen des Zustandes, in welchem ihr euch befandet, nicht wehren?« »So ist es. Ich lag im Verschmachten an der Erde; das Fieber gaukelte mir allerlei tolle Bilder vor. Winnetou erging es ebenso, wie er mir sp#228;ter erz#228;hlte. Da pl#246;tzlich entstand ein Geschrei und Geheul um uns her, da#223; ich versuchte, mich aufzurichten; es gelang mir aber nicht; ich fiel in Ohnmacht. Als ich erwachte, war ich gebunden. Neben mir lag Winnetou mit den vier Frem- Fremden, und um uns her hatten sich die Komantschen gelagert.« »Wie viele waren ihrer?« »Ich nahm alle meine Geisteskr#228;fte zusammen, um sie zu z#228;hlen. Es waren ihrer vierzehn.« »Nur!« »Ja, nur! Vierzehn gesunde, kr#228;ftige M#228;nner gegen sechs Menschen, welche neunzehntel tot waren!« »Ereifere dich nicht! Es f#228;llt mir gar nicht ein, euch tadeln zu wollen. Ihr wart ja zu keiner Gegenwehr f#228;hig. Was geschah dann?« »Die Roten f#252;tterten uns und gaben uns zu trinken, doch nicht etwa aus Menschenfreundlichkeit, sondern um uns f#252;r einen schlimmern Tod zu st#228;rken. Als wir uns soweit erholt hatten, da#223; wir gehen konnten, wurden wir hierhergef#252;hrt, wo wir wieder zu essen bekamen und trinken konnten, soviel wir wollten. Die Kerle blieben mit uns die ganze Nacht bis zum Morgen hier liegen; dann wurden wir fortgeschafft nach dem Baume. Dort sollten wir verbrannt werden, wie uns der H#228;uptling sagte.« »Ah, es war ein H#228;uptling dabei?« »Ein sehr ber#252;hmter sogar. Er hie#223; Atescha-Mu, d. h. starke Hand. Er war als der kriegerischste H#228;uptling der Komantschen bekannt. Also wir wurden nach dem Baume geschafft und dort aufgestellt. Man band zun#228;chst die beiden Kaufleute an dem Stamm fest und brannte dann ein Feuer an. Als die beiden Kaufleute tot waren, kamen die beiden J#228;ger an die Reihe. Winnetou und ich sollten den Beschlu#223; machen.« »Und ihr mu#223;tet zusehen, da#223; auch diese beiden verbrannten?« »Ja; das Zusehen war schrecklich, aber das Zuh#246;ren war noch entsetzlicher. Ich sage dir, es war eine Scene, #252;ber die ich lieber schweige. Es graust mir noch heute, wenn ich daran denke. Endlich, endlich war's vor#252;ber, und nun machte man sich an uns.« »Schnell, schnell! Erz#228;hle schnell, damit ich rasch erfahre, wie ihr losgekommen seid!« »Ich mu#223; dir zun#228;chst sagen, da#223; man uns alles abgenommen hatte - -« »Auch deine Gewehre, den B#228;rent#246;ter und den Henrystutzen?« »Den Stutzen hatte ich damals noch nicht.« »Und Winnetous Silberb#252;chse?« »Die hatte der H#228;uptling als Beute an sich genommen. Er hielt sie w#228;hrend der Hinrichtung der vier armen Teufel in der Hand. Wir wu#223;ten, da#223; alle zwei L#228;ufe geladen waren. Die Pferde befanden sich nicht in der N#228;he, denn man hatte sie hier am Bache zur#252;ckgelassen.« »Unter Aufsicht nat#252;rlich?« »Nein. Und das war gut f#252;r uns. Ferner mu#223; ich bemerken, da#223; bei mir und ebenso bei Winnetou alle Schw#228;che verschwunden war; ja, der Grimm, den ich in mir f#252;hlte, mu#223;te meine Kr#228;fte verdoppeln; das wu#223;te ich. Neben dem H#228;uptling stand sein Sohn, ein junger, r#252;stiger Krieger, welcher Winnetous Munitionsbeutel am G#252;rtel h#228;ngen hatte. Nach diesen Vorbemerkungen wirst du das #252;brige erraten. Wir hatten vom Bache nach dem Baume laufen m#252;ssen; unsere F#252;#223;e waren also nicht gefesselt; aber die H#228;nde hatte man uns auf den R#252;cken gebunden. Winnetou warf mir einen bezeichnenden Blick zu, mit dem er nach dem Baume und nach dem Bache deutete; niemand bemerkte ihn, und ich verstand ihn sofort. Die vier andern waren n#228;mlich genau so gefesselt ge- gewesen, wie wir; dann hatte man sie aber Gesicht gegen Gesicht aneinander gebunden, und zwar so, da#223; sie sich umarmten; dann waren sie, also paarweise, an den Baum gebunden worden. Diese Umarmung auf dem Scheiterhaufen hatten sich die raffinierten Roten ausgesonnen, um die Todesqual der Opfer zu erh#246;hen; wir aber hofften, dadurch gerettet zu werden. Behandelte man uns genau wie die andern, das hei#223;t, wollte man auch uns in eine Umarmung zusammenbinden, so mu#223;te man unsere H#228;nde vom R#252;cken l#246;sen, wenigstens f#252;r einige Augenblicke, und das gen#252;gte hoffentlich zu unserer Befreiung.« »Aber b#246;se, b#246;se Augenblicke, die ich nicht erleben mag!« »Du hast wohl noch gef#228;hrlichere erlebt. Es ging auch wirklich so, wie wir gehofft hatten. Der H#228;uptling gab seinem Sohne und einem andern Roten einen Wink. Der erstere trat zu Winnetou, um den Henkerdienst zu verrichten, und der letztere kam zu mir. Dieser knotete den Riemen hinten auf und ergriff dann meinen Arm, um mich zu Winnetou zu f#252;hren, der jetzt auch die H#228;nde frei hatte; wir sollten uns umarmen. Da aber ri#223; der Apatsche dem Sohne des H#228;uptlings mit der linken Hand den Beutel aus dem G#252;rtel und mit der rechten Hand dessen Vater die Silberb#252;chse aus den H#228;nden. Zu gleicher Zeit machte ich mich von dem, der mich gepackt hatte, los, nahm ihm das Messer aus dem G#252;rtel und steckte es in meinen eigenen, w#228;hrend ich ihn mit der andern Hand von mir stie#223;, da#223; er hinten#252;berflog. Links von mir stand einer, welcher meinen B#228;rent#246;ter sich angeeignet hatte. Ich entri#223; ihm das Gewehr und flog mit Winnetou davon, dem Bache zu.« »Hat man euch keine Kugeln nachgeschickt?« »Nein. Die Schurken waren so verbl#252;fft, da#223; sie zun#228;chst wohl nur die M#228;uler aufgesperrt haben. Gesehen habe ich es freilich nicht, da ich mich wohl h#252;tete, mich umzublicken. Dann h#246;rten wir ein w#252;tendes Geschrei; sie kamen hinter uns drein; wir hatten aber einen so sch#246;nen Vorsprung, da#223; uns keiner ereilte. Als wir die ersten B#252;sche erreichten, blieb Winnetou stehen und scho#223; die beiden Vordersten nieder. Mein Gewehr war auch geladen, und so gab ich den beiden n#228;chstfolgenden je eine Kugel; da h#252;teten sich die andern, allzu eifrig zu sein; sie blieben stehen, berieten sich eine Weile und zerstreuten sich dann, um von mehreren Seiten an uns zu kommen. Dadurch gewannen wir Zeit, uns die besten Pferde zu nehmen und auf ihnen davonzureiten.« »Welch ein Gl#252;ck! Und das erz#228;hlst du in so gleichg#252;ltigem, trockenem Tone, als ob du das Einmaleins hersagtest!« »Welchen andern Ton soll ich anschlagen! Es ist ja gar nichts Gro#223;es dabei. Die Roten haben es uns leicht genug gemacht. Nun verfolgten wir sie, weil wir die Verbrannten noch zu r#228;chen hatten. Der vierfache Mord schrie zum Himmel auf; er mu#223;te ger#228;cht werden, und wir haben ihn ger#228;cht. Vier hatten wir schon erschossen; am folgenden Tag gab es andere vier; einen Tag sp#228;ter wieder drei - -« »Das sind elf; vierzehn waren es; blieben also noch drei.« »Die Rechnung ist richtig. Sie hatten alle den Tod verdient; es mu#223;te aber einer leben bleiben, um daheim zu erz#228;hlen, wie Winnetou den Mord zu r#228;chen wei#223;. Wir #252;berraschten die drei letzten droben am Canadian an einer Stelle, weiche von den Komantschen Keapa-yuay, das Thal des Todes, genannt wird, und es ist f#252;r zwei von ihnen auch wirklich zum Todesthale geworden.« »Der H#228;uptling war schon tot?« »Nein; er geh#246;rte zu den dreien. Wir hoben ihn bis zuletzt auf, um ihm auch das Vergn#252;gen zu g#246;nnen, den sichern Tod vor sich zu sehen. Ihn und den einen seiner Begleiter schossen wir nieder; den andern lie#223;en wir laufen.« »Was geschah denn mit den Leichen und mit den Gegenst#228;nden, welche sie bei sich hatten?« »Wir begruben sie mit allem, was ihnen geh#246;rte. Aber was sie uns und den vier Toten geraubt hatten, das nahmen wir ihnen ab. Es befanden sich einige Briefe aus Fort Davis dabei, welche wir nebst den andern Sachen sp#228;ter in Fort Dodge abgegeben haben. Atescha-Mu mu#223;te, weil er der H#228;uptling war, ein w#252;rdiges Grab erhalten; das that Winnetou nicht anders, obgleich es sich um einen Todfeind handelte. Es gab im Todesthale eine Felsspalte, in welche wir ihn gelegt haben, die Waffen und den Medizinbeutel in der Hand.« »Da liegt er noch? Die Raubtiere werden in die Spalte gedrungen sein und ihn gefressen haben?« »Nein, denn wir haben den Spalt mit Steinen verschlossen. Dabei scheint der Komantsche, welchen wir mit Absicht entkommen lie#223;en, uns beobachtet zu haben, denn die Komantschen kennen das Grab der "st#228;rken Hand"; er mu#223; ihnen also die Stellung beschrieben oder sie zu derselben gef#252;hrt haben.« »Du wei#223;t, da#223; sie sie kennen?« »Ja. Ich bin mit Winnetou sp#228;ter wieder einmal dort gewesen. Da war an Stelle der vielen kleinen Steine, welche wir aufgeschichtet hatten, ein einziger gro#223;er an die Spalte gelehnt. Man war also dagewesen, um das Grab des H#228;uptlings zu besuchen und zu ehren. Nun wei#223;t du, bei welcher Gelegenheit wir die Gegend, in der wir uns jetzt befinden, kennen gelernt haben. Der Baum steht noch; er ist jetzt d#252;rr; das Feuer damals hat auch ihm das Leben gekostet.« »Wie interessant mu#223; es da f#252;r euch sein, da#223; wir jetzt an der Stelle lagern, an der ihr damals als Gefangene eine schlimme Nacht verbringen mu#223;tet!« »Interessant? Das Wort pa#223;t durchaus nicht f#252;r das, was man empfindet. Am liebsten m#246;chte ich von hier fort. Was sagt Winnetou?« Dieser war der Ansicht, da#223; es doch geraten sei, hier zu bleiben. Der Abend war nahe; wir hatten Wasser und Gras f#252;r die Pferde. Was wollten wir mehr! Ich hatte freilich etwas in mir, was dem widersprach, f#252;gte mich aber doch in den Willen der beiden Gef#228;hrten. Obgleich der Sand hoch auf dem Grase lag, hatten die Pferde doch genug zu fressen; sie rochen das saftige Futter und scharrten mit den Hufen den Sand weg, geradeso, wie das Rentier die Flechte unter dem Schnee hervorholt. Jetzt konnten wir sie auch trinken lassen. Dann suchten wir die Umgebung sorgf#228;ltig ab, denn hier in der N#228;he des Flusses war weit eher eine Begegnung zu erwarten, als drau#223;en auf der unfruchtbaren Ebene, und f#252;r den Westmann kann jede Begegnung leicht eine feindliche sein. Darum streckte ich meine Nachforschung soweit wie m#246;glich aus, bemerkte aber nichts, was geeignet gewesen w#228;re, mich besorgt zu machen. Eben hatte ich mich gewendet, um nach dem Bache zur#252;ckzukehren, als ein Schu#223; fiel. Ich erschrak keineswegs; der Prairiej#228;ger kennt die Stimme jedes bekannten Gewehres; ich h#246;rte, da#223; Emery geschossen hatte, und da nur ein Schu#223; gefallen war, so gab es keinen Grund zu einer Bef#252;rchtung. Als ich an den Bach kam, sah ich, da#223; er einen fetten Turkey erlegt hatte. Das nahmen wir ihm ganz und gar nicht #252;bel, da wir das delikate Fleisch des Vogels gut gebrauchen konnten. Nachdem wir uns eine bequeme Stelle zum Lagern ausersehen hatten, machten wir ein Feuer, um den Truthahn, sobald er gerupft war, zu braten. Er schmeckte uns vortrefflich; wir a#223;en eine H#228;lfte und lie#223;en die andere f#252;r morgen #252;brig. F#252;r morgen! Wenn der Mensch nur nicht meinen wollte, er k#246;nne auch nur f#252;r den n#228;chsten Tag bestimmen! Nicht einmal die n#228;chste Stunde! Es war beschlossen, da#223; wir von der zweiten H#228;lfte nichts bekommen sollten; sie war f#252;r Personen bestimmt, denen wir sie am allerwenigsten g#246;nnten. Es war selbstverst#228;ndlich, da#223; wir nicht alle drei zugleich schliefen; einer mu#223;te immer wachen. Wir wechselten ab. Ich hatte die erste Wache; dann folgten Winnetou und Emery. Ungef#228;hr um Mitternacht l#246;ste ich letzteren ab, und trat das Feuer aus; wir brauchten es ja nicht. Nach einer Stunde weckte ich Winnetou und schlief dann wieder ein. Ich sollte ganz anders erwachen, als ich gedacht hatte. Ich hatte einen recht b#246;sen Traum. Ich lag daheim im Bette; da ging die Th#252;r auf, obgleich sie von innen verriegelt war, und es kam eine kleine dicke, affenartige Gestalt herein, welche mit einem einzigen Satze auf mein Bett sprang, sich auf meine Brust setzte und die langen, haarigen Arme mir um den Hals schlang. Ich konnte nicht atmen, nicht um Hilfe rufen, mich auch nicht bewegen. Das war der Alp! Alp! Wenn einen der Alp dr#252;ckt, und man sagt das Wort, so ist der Druck vor#252;ber, und man kann wieder atmen. So erz#228;hlen viele Leute, und es schien wahr zu sein, denn kaum hatte ich das Wort Alp gesagt oder wahrscheinlich nur gedacht, so f#252;hlte ich die Last nicht mehr und ich konnte atmen. Ich wachte auf. Ah! Ich war nicht daheim, sondern hier in der N#228;he des Canadian! »Winnetou!« rief ich. »Scharlieh!« antwortete er. Er lag neben mir. Ich wollte mit der Hand nach ihm greifen, konnte aber nicht, denn beide H#228;nde waren mir am G#252;rtel festgebunden, und die F#252;#223;e konnte ich auch nicht auseinander machen. Ich wollte den Oberk#246;rper aufschnellen, fiel aber gleich wieder zur#252;ck, indem mir etwas den Hals zuschn#252;rte; das war ein Strick oder ein Riemen. Tr#228;umte ich denn noch, oder war es Wirklichkeit? Ich sah #252;ber mir die Sterne, welche zu erbleichen begannen, und rund umher Geb#252;sch. Aber was war denn das! Da sa#223;en zwischen den B#252;schen viele dunkle Gestalten und der Geruch des Fettes, welches ein so wichtiger indianischer Toilettenartikel ist, sagte mir, da#223; es Roth#228;ute seien. Keiner bewegte sich; keiner sprach ein Wort. Es war mir wie im Traume, und doch sah ich ein, da#223; ich nicht tr#228;umte. Ich war gefangen und gefesselt, Winnetou ebenso. Der Englishman auch? Dem Stande der Sterne nach war es drei Uhr. Er hatte also die Wache gehabt. »Emery?« fragte ich. »Well!« antwortete er. »Also auch du!« »Ganz ordin#228;r #252;berrumpelt!« »W#228;hrend der Wache?« »Leider! Kamen #252;ber mich wie aus der Erde heraus! Hatten mich beim Halse, bei den Armen und Beinen, hinten und vorn, h#252;ben und dr#252;ben; dr#252;ckten mir die Kehle zusammen, da#223; ich keinen Warnungsruf aussto#223;en konnte!« »Wer?« »Indsmen.« Da erklang es neben mir: »Master Bothwell kann es Euch nicht sagen und Winnetou auch nicht; ich aber will Euch die Frage beantworten. Ihr befindet Euch in den H#228;nden des H#228;uptlings Avat-Uh.« Avat-Uh hei#223;t gro#223;er Pfeil, ein wegen seiner Grausamkeit ber#252;chtigter und gef#252;rchteter Komantschenh#228;uptling. Wenn wir uns in der Gewalt dieses Menschen befanden, so war wenig f#252;r uns zu hoffen. Gesehen hatte ich ihn noch nicht, doch wu#223;te ich, da#223; er noch nicht alt war. Und wer hatte da neben mir gesprochen? Ich drehte den Kopf nach dieser Seite und sah ihn bei mir sitzen. Es war noch ziemlich dunkel, dennoch erkannte ich, da#223; er die Kleidung der Wei#223;en trug. Aber ich h#228;tte gar nicht n#246;tig gehabt, mich nach ihm umzudrehen, denn ich kannte die Stimme zu genau; es war Jonathan Melton. »Ihr wendet Euch ab von mir?« lachte er: »Bin ich Euch denn gar so verha#223;t, oder erkennt Ihr mich nicht? Sagt, wi#223;t Ihr, wer ich bin?« Es w#228;re nicht nur l#228;cherlich gewesen, zu schweigen, sondern auch unklug. Ich konnte von ihm doch Aufkl#228;rung #252;ber unsere Lage bekommen. Darum antwortete ich, aber keineswegs h#246;flich: »Wer Ihr seid? Der gr#246;#223;te Lump und Schurke, der mir im Leben begegnet ist!« »Das ist ein Vorurteil, ein ebenso gro#223;es wie ungerechtes Vorurteil, Sir. Ich bin ein ehrlicher Mann, besonders gegen Euch. Soll ich Euch das beweisen?« Ich antwortete nicht; darum fuhr er h#246;hnisch fort: »Ihr werdet Euch hoffentlich freuen, mich als Ehrenmann kennen zu lernen. Ihr sollt gleich h#246;ren, da#223; ich die Wahrheit rede. Ihr gebt doch zu, da#223; ich Euch viel, sehr viel verdanke?« »Ja.« »Nun, ich bin eben dar#252;ber, Euch das alles ehrlich und rechtschaffen zur#252;ckzuzahlen, sogar mit Zinsen und Zinseszinsen. Ist das nicht h#252;bsch von mir?« »Ich bin entz#252;ckt dar#252;ber!« »Nicht wahr? Ich dachte es. Ich will sogar noch r#252;cksichtsvoller gegen Euch sein, als Ihr erwarten k#246;nnt. Ihr m#246;chtet nat#252;rlich gern wissen, wie Ihr in Eure gegenw#228;rtige Lage gekommen seid und was Ihr zu erwarten habt?« »Freilich.« »Nun also! Haltet mich aber nicht f#252;r dumm und unvorsichtig! Ich sage Euch die reine Wahrheit, weil ich #252;berzeugt bin, da#223; ich mir damit nicht den geringsten Schaden thue. Eure abenteuerliche Rolle ist ausgespielt. Ihr k#246;nnt mich nicht mehr st#246;ren, denn Euer Testament ist gemacht! Ihr seid Gefangener des gro#223;en Pfeiles. Wi#223;t Ihr, wer der Vater dieses H#228;uptlings war?« »Nein.« »Die "starke Hand", welche Ihr ermordet und droben im Todesthale begraben habt. Daf#252;r erwartet Euch der grausamste Tod, den es nur geben kann. Ihr werdet mit Winnetou, der damals dabei war, lebendig bei den Gebeinen des Toten begraben werden. Der gro#223;e Pfeil hat es mir zugeschworen, und Ihr wi#223;t, da#223; ein Indianer unter solchen Umst#228;nden einen solchen Schwur nicht bricht. Nun, Sir, wie ist Euch jetzt zu Mut?« »Mir ist sehr wohl.« »Sch#246;n; es wird Euch noch viel wohler werden. Also sterben werdet Ihr, langsam, in einem steinernen Grabe. Und da Ihr so gro#223;e Freundschaft f#252;r mich hegt, so will ich Euer Ende versch#246;nern, indem ich Euch die Gewi#223;heit mit in die H#246;lle gebe, da#223; ich mich nach Eurem Tode hier auf Erden wie im Himmel f#252;hlen werde. Ich will Euch noch vor Eurer Abfahrt die Freude machen, Euch zu gestehen, da#223; ich wirklich der bin, f#252;r den Ihr mich gehalten habt.« »Jonathan Melton, der Betr#252;ger, und jener Tote in der Schlucht bei den Uled Ayar war der echte Small Hunter?« »Ja.« »Der Kolarasi war Euer Vater?« »Ja. Er hat ihn erschossen. Wir glaubten Euch dann in den H#228;nden der Uled Ayun gut aufgehoben. Die dummen Kerle haben Euch aber entwischen lassen. Dennoch habt Ihr uns nicht eingeholt. Wir gingen unverz#252;glich nach Neu Orleans, wo uns seit langem h#252;bsch vorgearbeitet worden war.« »Von Euerm Oheim?« »Ja. Er empfing die Depesche und die Briefe, und wir richteten uns darnach. Wir haben die Gelegenheit so eilig betrieben, da#223; Ihr dann auch hier das Nachsehen hattet. Ihr glaubtet zwar, die Sache schlau angefangen zu haben, m#252;#223;t aber nun endlich einsehen, da#223; Ihr ein St#252;mper seid. Und was mir bei alledem die gr#246;#223;te Freude macht, ist, da#223; ich Euch sogar bei Mrs. Silverhill den Rang abgelaufen habe. Es ist Euch wohl recht ans Herz gegangen, da#223; sie Euch damals den Korb gegeben hat?« »Wann?« »In der Sonora, wo Ihr so oft vor ihr auf den Knieen gelegen habt.« »Ich?« fragte ich, indem ich trotz der Lage, in welcher ich mich befand, hell auflachen mu#223;te. »Ja, Ihr! Lacht immerhin; Ihr macht mich doch nicht irre. Wie hat Euer Gesicht gestrahlt, als Ihr sie dann in New Orleans wiedersaht!« »Gestrahlt? Mein Gesicht? Auch nicht #252;bel!« »Ja. Ihr seid vor Entz#252;cken geradezu n#228;rrisch gewesen!« »Wahrscheinlich bin ich da wieder vor ihr auf die Kniee gesunken?« »Nat#252;rlich, nat#252;rlich! Gesteht es nur ein!« »Ja, es ist allerdings eine Eigenheit von mir, vor Frauenzimmern sofort in die Kniee zu fallen. Die Mitteilung hat sie nat#252;rlich selbst gemacht?« »Freilich! Von wem soll ich es denn sonst wissen? Wie herzlich sie lachte, als sie mir erz#228;hlte, da#223; sie Euch eingesperrt hat und fortgegangen ist. Hoffentlich hat sie Euch gesagt, da#223; sie meine Braut ist?« »Ja.« »Gesteht es nur, Ihr seid ihr nicht nur meinet-, sondern auch ihretwegen nachgeritten!« »Nat#252;rlich, nat#252;rlich!« »Ich habe von ihr alles erfahren. Wahrscheinlich w#228;re es Euch gelungen, sie einzuholen, wenn ich nicht vorher meine Ma#223;regeln getroffen h#228;tte. Sie hat Euch gesagt, da#223; ich nach Albuquerque gereist bin und mit meinem Vater und Oheim dort zusammentreffen werde?« »Ja.« »Und da#223; wir dann nach ihrem Schlosse gehen werden, wo ich ein gl#252;ckliches Stillleben zu f#252;hren gedenke?« »Auch das.« »So wi#223;t Ihr also alles, und ich habe nichts hinzu- hinzuzuf#252;gen, als da#223; die Sehnsucht nach ihr mich nicht weiter vorw#228;rts kommen lie#223;. Ich blieb am Canadian halten, um sie zu erwarten. Wir w#228;ren sofort weitergefahren und h#228;tten, wie ich jetzt sehe, einen Vorsprung von zwei Tagen vor Euch gehabt; da aber gerieten wir in die H#228;nde der Komantschen, als Judith mit ihrer Erz#228;hlung zu Ende war. Es sollte uns ans Leben gehen; da kam mir ein famoser Rettungsgedanke. K#246;nnt Ihr den erraten?« »Ja.« »Ich wu#223;te Euch hinter uns - -« »Aber von der Blutrache des gro#223;en Pfeiles wu#223;tet Ihr noch nichts!« »Nein, doch ist es mir recht wohl bekannt, da#223; die Komantschen in ewiger Feindschaft mit den Apatschen leben. Darum bot ich dem gro#223;en Pfeil einen Handel an, welcher sehr geeignet war, beide Teile auf das h#246;chste zu befriedigen. Ich verlangte, mit Judith und unberaubt meine Reise fortsetzen zu d#252;rfen, wof#252;r ich ihm sagen wolle, wie er Winnetou fangen k#246;nne.« »Er ging darauf ein?« »Mit Vergn#252;gen, zumal als er h#246;rte, da#223; Old Shatterhand bei Winnetou sei.« »Aber er traute Euch nicht recht; er hat Euch doch noch nicht freigelassen.« »Ja, er konnte meine Bedingung doch nicht eher erf#252;llen, als bis ich der seinigen nachgekommen war. Es stand fest, da#223; man Euch auf Judiths F#228;hrte treffen werde. Wir ritten Euch also auf derselben ein wenig entgegen. Da kam der Orkan, welcher eine Fata Morgana mit sich brachte. Sie spiegelte uns drei Reiter ab, welche sich im Galoppe dem Bache n#228;herten. Wer konnte das sein? Niemand als nur ihr! Die Komantschen waren dem Bache schon nahe; sie dachten, da#223; ihr dort bleiben w#252;rdet, und zogen sich nach dem Walde zur#252;ck, welcher eine halbe Stunde r#252;ckw#228;rts liegt; ihre Spuren wurden vom Sande verweht. Als das Unwetter vor#252;ber war, sahen wir euch rekognoscieren gehen. Dann wurde es dunkel, und wir schickten Kundschafter aus; sie kehrten zur#252;ck und berichteten, was ihr thatet. Ihr sa#223;t an einem Feuer beim Bache und brietet einen Truthahn. Sp#228;ter r#252;ckten die Komantschen aus, euch zu umzingeln; sie lagen rund um euch, ohne da#223; ihr es merktet; sie beobachteten auch, wie ihr die Wache unter euch verteilt hattet. Winnetou oder Old Shatterhand zu #252;berrumpeln, das war schwer; darum warteten die Indsmen, bis der dritte wieder an die Reihe kam, Master Bothwell, und dieser lie#223; sich auch unsch#228;dlich machen, ohne einen Laut von sich zu geben; euch beide fesselte man dann rasch im Schlafe. Nun wi#223;t Ihr alles, und ich will den #252;briggebliebenen Truthahn nehmen, wie er gebraten ist. Ich werde ihn mit Judith verspeisen und dabei lebhaft an Euch denken.« »Wo ist Mrs. Silverhill?« »Sie mu#223;te unter der Obhut einiger Komantschen im Walde zur#252;ckbleiben. Ich habe nur noch zwei Bitten an Euch, welche Ihr als dankbarer Gentleman mir gewi#223; gew#228;hren werdet.« »Welche?« »Ich bin ein Freund von Gewehren. Ihr seid im Besitze von zweien, welche so ber#252;hmt sind, da#223; ich Euch dringend bitte, sie mir vor Euerm Tode zu vermachen.« »Und wenn ich das nicht thue?« »So n#252;tzt es Euch doch nichts, denn ich erkl#228;re sie als meine gute Beute.« »Sch#246;n! Und die zweite Bitte?« »Ihr habt mir damals in Tunis einige Papiere abgenommen; dazu wurde, wie ich wei#223;, ein Dokument #252;ber einen gewissen Leichenbefund aufgesetzt. Wo befinden sich diese Schriftst#252;cke?« »Geht nach New Orleans zu Euerm Advokaten Fred Murphy. Er wird sie Euch jedenfalls zu verschaffen wissen.« »Versucht nicht auch noch geistreich zu werden! Seht hier, den halben Truthahn habe ich; nun nehme ich auch die Gewehre.« Er hatte wirklich die Ueberreste des Vogels an sich genommen; jetzt griff er nach den Gewehren, welche neben mir lagen. Da wir so rasch und vollst#228;ndig #252;berw#228;ltigt worden waren, hatten die Komantschen es nicht f#252;r n#246;tig gehalten, unsere Waffen aus unserer N#228;he zu schaffen. Schon wollte ich nach dem H#228;uptling rufen; da erklang hinter mir eine scharfe Stimme in jenem gebrochenen Englisch, wie es von Indianern gesprochen wird: »Halt; leg die Gewehre hin!« Zu gleicher Zeit trat der Sprecher vor, soda#223; ich ihn sehen konnte. Es war der H#228;uptling, denn er hatte drei Federn in den Schopf geflochten. Es war mittlerweise so hell geworden, da#223; man seine stolzen, harten Z#252;ge deutlich erkennen konnte. »Warum weglegen?« fragte Melton. »Sie sind mein.« »Nein. Du hast mir doch die drei M#228;nner versprochen?« »Ja, aber nicht ihre Sachen!« »Das konntest du nicht. Was der Besiegte bei sich hat, geh#246;rt dem Sieger. Leg also die Gewehre weg!« Und als der Wei#223;e nicht sofort gehorchte, zog er sein Messer und drohte. Da lie#223; Melton die Gewehre fallen und sagte zornig: »Da nimm sie hin, obgleich sie dir nicht geh#246;ren! Ich werde zu unserm Wagen gehen und sofort weiter fahren.« »Warte noch!« »Warten! Wozu? Ich habe Wort gehalten, und nun mu#223;t du mich entlassen, denn du hast es mir versprochen!« »Ich habe es dir versprochen und werde mein Versprechen halten. Aber konntest du mir die Stunde sagen, in welcher ich die drei Krieger bekommen w#252;rde?« »Nein.« »So konnte ich dir auch nicht die Zeit bestimmen, in welcher du gehen darfst. Du bleibst jetzt noch!« »Willst du mich etwa auch als Gefangenen betrachten?« Da donnerte ihn der H#228;uptling an: »Schweig, du stinkender Koyote, und gehorche augenblicklich! Jetzt setzte sich Melton wieder neben mich nieder. Der Rote fuhr in gem#228;#223;igterem Tone fort: »Du hast mir Winnetou und Old Shatterhand versprochen; ich mu#223; wissen, ob sie es auch wirklich sind.« Und sich vor Winnetou hinstellend, betrachtete er diesen mit flammendem Blick und fragte: »Wie ist dein Name?« »Ich bin Winnetou, der H#228;uptling der Apatschen,« antwortete der Gefragte. »Und wie hei#223;est du?« fragte er den Englishman. »Ich hei#223;e Bothwell.« »Der Name ist noch in keinem Zelte und an keinem Lagerfeuer erklungen.« Darauf trat er zu mir, blickte auch mich eine Weile an und fragte: »Nennt man dich Old Shatterhand?« »Ja.« »Du bist ein Feind der Komantschen?« »Nein; aber ich verteidige mich gegen jeden roten oder wei#223;en Krieger, von welchem ich angegriffen werde.« »Hast du mit Winnetou die "starke Hand", den H#228;uptling der Komantschen, der mein Vater war, get#246;tet?« »Ja, aber nicht mit Winnetou, denn meine Kugel war es, die ihn niederstreckte.« »Winnetou war dabei; ihn trifft dieselbe Schuld und dieselbe Strafe. Und da Bothwell bei euch ist, wird er das gleiche Schicksal mit euch erleiden. Ihr werdet im Grabe der "starken Hand" lebendig eingemauert werden. Nehmt die Gefangenen in die Mitte; wir kehren zu unsern Pferden in den Wald zur#252;ck!« Der Befehl galt seinen Leuten. Der H#228;uptling konnte nicht viel #252;ber drei#223;ig Jahre z#228;hlen; nicht nur sein Gesicht, sondern sein ganzes Auftreten, seine Stimme sagte, da#223; er ein stolzer und unerbittlicher Charakter sei. Bei ihm hatten wir auf keinen Fall eine Spur von Menschlichkeit, von Milde zu erwarten. Man nahm uns die Riemen von den F#252;#223;en, soda#223; wir laufen konnten; dann setzte sich der Zug in Bewegung. Ich z#228;hlte dreiundzwanzig Komantschen, welche uns transportierten. Wir hatten eine kleine halbe Stunde zu gehen, ehe wir den Wald erreichten. Es war nicht eigentlich das, was man unter einem Walde versteht; die B#228;ume standen nicht dicht und geschlossen bei einander; auch bildete er einen nur schmalen Streifen, durch den wir gingen. Auf der andern Seite war die freie Prairie, und da weideten die Pferde unter der Aufsicht zweier Indianer. Unsere Pferde waren nat#252;rlich auch mitgenommen worden. Jetzt wurden wir anders gefesselt, soda#223; unsere H#228;nde auf den R#252;cken zu liegen kamen; dann lie#223; man uns aufsteigen und band uns die F#252;#223;e an die Sattelgurte. Auch Jonathan Melton bestieg ein Pferd; dann ging es in n#246;rdlicher Richtung galoppierend #252;ber die Prairie, welche so breit war, da#223; wir zwei Stunden brauchten, um sie hinter uns zu legen. Auch hier hatte der gestrige Orkan das Gras mit Sand #252;berstreut. Nun sahen wir hohe, belaubte B#228;ume vor uns und gelangten an das s#252;dliche Ufer des Canadian, an welchem entlang sich die Stra#223;e nach San Petro und Albuquerque zieht. Freilich darf man da nicht an eine Stra#223;e nach unsern Begriffen denken. Von einem Wege sieht man nicht das geringste. Es pflegten eben die Ochsenwagen hier zu fahren; das ist alles. Zwischen den B#228;umen stand eine alte Karrete, bei welcher sechs Pferde weideten. Die J#252;din sa#223; im Grase, erhob sich aber, als wir uns n#228;herten. Zwei M#228;nner, jedenfalls die gemieteten Kutscher, lagen tr#228;ge am Boden und blieben auch liegen, als wir kamen. F#252;nf Komantschen hatten da Wache gehalten, soda#223; die Schar des H#228;uptlings aus drei#223;ig Mann bestand. »Wir haben sie!« rief Melton der J#252;din zu. »Hier bring ich dir deinen abgeblitzten Anbeter.« Bei den letzten Worten deutete er auf mich. Sie l#228;chelte und nickte ihm vergn#252;gt zu, ohne einen Blick auf mich zu werfen. Was konnte ich gegen eine solche Frechheit anders thun, als schweigen! Da aber warf sich einer, von dem ich es am allerwenigsten gedacht h#228;tte, zu meinem Anwalt auf, n#228;mlich der H#228;uptling selbst. Er wendete sich zu Melton: »Du hast Wort gehalten, und ich halte auch das meinige. Ihr k#246;nnt weiterfahren, ohne da#223; wir euch etwas thun oder etwas nehmen. Vorher aber sieh dir einmal die Krieger an! Winnetou und Old Shatterhand waren gefangen und sollten verbrannt werden; sie entkamen trotz ihrer Fesseln am hellen Tage und haben dann den tapfersten H#228;uptling der Komantschen und zw#246;lf seiner Krieger get#246;tet. Sie haben ihn nicht liegen lassen zum Fra#223;e der Geier und Koyoten, sondern ihn begraben und zu ihm seine Waffen und seine Medizin gelegt, soda#223; er ohne Anstand in die ewigen Jagdgr#252;nde gelangen konnte. Sie sind unsere Feinde, aber gro#223;e, ber#252;hmte Krieger und ehrliche M#228;nner. Wer aber und was bist du? - -« »Ich bin auch ein Gentleman, der - -« fiel Melton ein. »Schweig!« unterbrach ihn der H#228;uptling. »Als du eine so lange Zeit mit Old Shatterhand redetest, lag ich im Busche hinter euch und habe alles geh#246;rt, was du ihm gestanden hast. Du bist kein Krieger, sondern ein feiger Dieb und Betr#252;ger. Ich, der "gro#223;e Pfeil", bin in den St#228;dten der Bleichgesichter gewesen und habe viel gesehen. Ich sah auch Menschen, welche man eingesperrt hatte, weil sie feige Diebe und Betr#252;ger waren. Damit man sie von tapfern und ehrlichen Leuten unterscheiden konnte, wurden ihnen die Haare vom Kopfe geschoren. Ich halte mein Wort, indem ich dich gehen lasse, aber zur Unterscheidung von diesen k#252;hnen und ehrlichen M#228;nnern sollst du vorher das Haar verlieren. Nehmt es ihm mit euern Messern vom Kopfe!« »Mein Haar? Mein - -« »Schweig, Kr#246;te, sonst nehme ich dir nicht nur das Haar, sondern das Leben!« donnerte ihn der H#228;uptling an. Freiwillig gehorchte Melton dem Befehle nicht; er schrie und zeterte vielmehr aus Leibeskr#228;ften, doch half ihm das gar nichts. Er wurde niedergerissen und von zehn, zw#246;lf nervigen, roten F#228;usten festgehalten, worauf ein alter Komantsche ihm das Haar mit dem Bowiemesser herunterschabte. Dies kalte und trockene Rasieren schien, nach den Gesichtern zu schlie#223;en, die er schnitt, und nach dem Heulen, welches er h#246;ren lie#223;, weder sehr gef#252;hlvoll vorgenommen zu werden, noch #252;berhaupt etwas sehr Entz#252;ckendes zu sein. Als der Kopf vollst#228;ndig kahl war, wurde er losgelassen, sprang auf und retirierte hinter den Wagen. Jetzt wendete sich der H#228;uptling an die J#252;din, welche eben auch hinter dem Wagen verschwinden wollte: »Halt, bleib! Der wei#223;e Krieger Old Shatterhand wurde dein Anbeter genannt. Ist er es gewesen?« »Ja,« antwortete sie, ohne die Augen niederzuschlagen. »Du hast ihn abgewiesen und bist lieber mit dem Manne fortgegangen, der da hinter dem Wagen steckt? Bist du das Weib desselben?« »Noch nicht.« »Ein rotes M#228;dchen w#252;rde niemals mit einem Manne eine solche Reise machen, dessen Squaw sie nicht ist. Und deine Zunge ist nicht eine Zunge, sondern ein Schlangenzahn, welcher Gift ausspritzt. Tausend rote Squaws und M#228;dchen w#252;rden ja sagen, wenn Old Shatterhand sie begehrte; eine solche Pflanze, wie du bist, wird er nie begehren. Du hast gelogen. Gestehe es!« »Ja,« gestand sie kleinlaut. »Und wider die Wahrheit spritzest du Gift gegen einen ber#252;hmten Krieger, den nur anzuschauen du nicht w#252;rdig bist! Du gleichest innerlich dem, mit dem du fahren willst, und sollst ihm auch #228;u#223;erlich gleichen. Du hast einen gro#223;en Krieger beleidigt, der zu stolz war, sich mit einem Worte gegen ein Weib zu verteidigen. Nehmt auch ihr das Haar vom Kopfe! Dann m#246;gen die beiden Kr#246;ten dahinfahren, wohin sie wollen!« Da erhob die sch#246;ne Judith ein Geschrei, welches mich veranla#223;te, den H#228;uptling schnell zu bitten: »Avat-Uh ist ein tapferer Mann und gro#223;er Krieger; die Squaw ist nicht wert, da#223; er an sie denkt. Er mag ihr das Haar lassen und sich stolz von ihr und ihrem Gef#228;hrten wenden.« Da warf er mir einen zornigen Blick zu und antwortete: »Wer giebt Old Shatterhand das Recht, einen Befehl des "gro#223;en Pfeiles" zu verbessern? Ein H#228;uptling und Krieger mu#223; stets wissen, was er redet und thut, und darf nie ein Wort, welches er gesprochen hat, zur#252;cknehmen. Es bleibt dabei. Man nehme auch ihr das Haar!« Ich hatte gethan, was ich in meiner hilflosen Lage vermochte, und wendete mich ab, um wenigstens nicht zu sehen, was ich leider h#246;ren mu#223;te. Judith schien sich aus allen Kr#228;ften zu wehren; sie br#252;llte, als ob sie gespie#223;t werden sollte. Als sie ruhig war, drehte ich mich wieder um, konnte sie aber nicht sehen, weil sie sich in die Kutsche gefl#252;chtet hatte. Hinter derselben klang jetzt die Stimme Meltons hervor: »Der "gro#223;e Pfeil" mag mir noch einmal sagen, ob er sein Wort halten und die drei Gefangenen wirklich t#246;ten wird!« »Ich halte mein Wort; sie werden morgen eingemauert,« antwortete der H#228;uptling. »Nun aber mag das feige Bleichgesicht mit seiner Squaw, die nicht seine Squaw ist, daf#252;r sorgen, da#223; wir sie nicht l#228;nger sehen, sonst nehmen wir ihnen noch mehr als das Haar allein!« Die Pferde wurden eiligst vorgespannt, die #252;berfl#252;ssigen hinten angeh#228;ngt; die beiden Kutscher sprangen auf den Bock, Melton stieg zu seiner Judith ein; dann setzte sich das Gef#228;hrt in Bewegung. Der Mensch, den wir dr#252;ben in Afrika und hier h#252;ben gejagt hatten, entkam abermals, und wir sollten - lebendig begraben werden! Wir waren abgestiegen und lagerten im Grase. Die Komantschen hatten heute noch nichts genossen; sie sollten hier essen, ehe der Ritt nach dem Todesthale begonnen wurde. Es fiel mir nicht ein, die Hoffnung aufzugeben. Auf Gnade konnten wir freilich nicht rechnen; aber das uns bestimmte Schicksal sollte uns erst morgen werden, und bis dahin hatten wir wenigstens noch zwanzig Stunden Zeit. Und was kann in zwanzig Stunden alles geschehen! Von au#223;en her rechnete ich freilich auf keine Hilfe. Wir mu#223;ten uns selbst helfen. Aber wie? Zun#228;chst lag f#252;r uns eine Beruhigung in dem Umstande, da#223; man uns nicht unn#246;tig vorher qu#228;len zu wollen schien. Der H#228;uptling hatte gesagt und auch bewiesen, da#223; er uns achtete. Mehr konnten wir zun#228;chst nicht verlangen. Auch wir bekamen zu essen. Es gab Fleisch, und die Portionen, welche wir erhielten, waren so gro#223; wie diejenigen der Komantschen. Da man uns nicht wie Kinder f#252;ttern wollte, mu#223;ten wir selbst essen, und damit das m#246;glich war, wurden uns die H#228;nde nach vorn frei gegeben, daf#252;r aber die F#252;#223;e fest zusammengebunden. Nat#252;rlich wurde w#228;hrend dieser kurzen Zeit jede unserer Bewegungen scharf beobachtet. Dann wurden uns die H#228;nde wieder auf den R#252;cken zusammengebunden. Dabei bemerkte ich, da#223; Emery, als er die H#228;nde nach hinten legte, eine eigent#252;mliche, wie horchende Miene machte. Er sah, da#223; ich das beobachtete, und sagte in deutscher Sprache: »Du sahst wohl, da#223; ich genau aufpa#223;te?« »Ja. Eigentlich h#228;tte ich dies aber nicht bemerken sollen, weil es die Roten ebenso leicht sehen k#246;nnen; sie w#252;rden dann ebenso gut ahnen, wie ich es geahnt habe, da#223; du irgend eine geheime Absicht hast.« Da wendete sich derjenige Komantsche, welcher uns am n#228;chsten sa#223;, an den H#228;uptling und sagte diesem: »Die beiden Bleichgesichter sprechen in einer Sprache miteinander, welche ich nicht verstehe.« »Old Shatterhand mag sagen, was f#252;r eine es ist.« »Es ist die Sprache meines Landes und Volkes.« »Wo liegt das Land deiner Vorfahren?« »Ueber dem gro#223;en #246;stlichen Meere dr#252;ben.« »Das ist doch England!« »Nein; mein Vaterland liegt noch viel weiter im Osten.« »Hat dein Volk Todeslieder, wie wir roten Krieger sie haben?« »Ja, Sterbelieder und Sterbegebete zum gro#223;en Manitou.« Art eurer eignen Sprache?« »Ja.« Da erhob er seine Stimme, da#223; alle es h#246;ren konnten, und sagte: »Wenn ein tapfrer Krieger den Tod nahen sieht, so r#252;stet er sich darauf. Er gedenkt seiner Thaten und preist sie in der Weise seines Volkes. Die beiden Bleichgesichter sind tapfre Krieger; sie werden sterben und m#252;ssen von ihren Thaten in der Sprache ihres Volkes sprechen. Wir d#252;rfen sie t#246;ten, aber ihre Seelen m#252;ssen wir ihnen lassen, damit die "starke Hand" von ihnen in den ewigen Jagdgr#252;nden bedient werden kann. St#246;ren wir sie also nicht, wenn sie in der Sprache ihres Volkes miteinander sprechen!« Das war denn doch eine gro#223;e Nachsicht von einem, den ich f#252;r unnachsichtig gehalten hatte, eine Nachsicht freilich, welche nur die Folge seiner religi#246;sen Anschauungen war. Nun konnte ich mich mit Emery nach Belieben unterhalten. Wir zeigten dabei so tiefernste Gesichter, als ob wir von nichts als dem uns bevorstehenden Tode spr#228;chen. »Also,« fragte ich, »woran dachtest du vorhin, als mir dein Gesicht so auffiel?« »An ein Kunstst#252;ck, welches ich einigemale gesehen und dann auch nachgemacht habe. Es hei#223;t "Der gefesselte Hexenmeister", und ich kam auf den Gedanken, ob es vielleicht m#246;glich sei, es hier an den Mann zu bringen.« »Hm! Bilde dir nicht ein, die Leute hier durch irgend einen Hokuspokus zu t#228;uschen!« »Es ist nicht ein Hokuspokus, sondern es handelt sich um zwei Kunstgriffe, die keinem Wei#223;en und noch viel weniger einem Indianer auffallen w#252;rden.« »Mu#223; es gezeigt werden, oder kann man es nach der blo#223;en Beschreibung begreifen?« »Zeigen ist besser, hier aber nicht m#246;glich. Der Hexenmeister l#228;#223;t sich mit einem Riemen oder Bande, einer Schnur die H#228;nde auf dem R#252;cken zusammenbinden und ist dann imstande, sich der Fessel jeden Augenblick zu entledigen.« »Aber es kann leicht bemerkt werden?« »Nein, sondern sehr schwer. Die Hauptsache ist, da#223; man sich den Riemen erst selbst auf das linke Handgelenk legen darf.« »Das w#252;rde vielleicht nicht auffallen; man will dem Roten, der einen bindet, behilflich sein. Weiter!« »Pa#223; auf! Man fa#223;t den Riemen in der Mitte, legt das eine Ende #252;ber das linke Handgelenk und l#228;#223;t es um dasselbe knoten. W#228;hrend der, welcher fesselt, den Riemen fest anzieht, zieht man am andern Ende selbst auch mit, scheinbar, um den Knoten und die Schlinge doppelt fest zu machen, in Wahrheit aber wird der Knoten umgezogen, das hei#223;t, er wird auf dem Riemen beweglich, l#228;#223;t sich auf demselben hin und her schieben. Dies ist f#252;r den, der bindet, und auch f#252;r die Zuschauer vollst#228;ndig unbemerkbar. Darauf h#228;lt man beide H#228;nde auf den R#252;cken, um das andere Ende um das Gelenk der rechten Hand zu legen und zu binden. Dabei fa#223;t man den rechten Rock#228;rmel an, als wolle man ihn zur Seite halten, damit die betreffende Person besser binden kann. Dadurch werden die H#228;nde mehr voneinander entfernt, und man beh#228;lt Raum zum Aufziehen der Schlinge, w#228;hrend man zugleich Gelegenheit bekommt, den Riemen w#228;hrend des Bindens schroff anzuziehen. Nun kann sich jedermann, ohne das Geringste zu bemerken, von der Festigkeit der Fessel #252;berzeugen, und doch ist es nun m#246;glich, durch Aufschieben des einen oder andern umgezogenen Knotens bald die rechte und bald die linke Hand nach Belieben frei zu machen; man kann sie auch wieder fesseln und die Knoten zu jeder Zeit untersuchen lassen. Vermagst du dich hineinzudenken?« »Sehr leicht. Ich halte es f#252;r m#246;glich, da#223; wir dem Kunstst#252;cke unsere Rettung verdanken.« »Ja, ich habe vorhin, als wir wieder gebunden wurden, gut aufgepa#223;t. Ich bin genau so gebunden, wie es Voraussetzung des Kunstst#252;ckes ist. Wenn man uns die H#228;nde vielleicht zum Abendessen frei giebt und sie dann wieder auf den R#252;cken fesselt, denke ich, es nicht schwer fertig zu bringen, da#223; man sie in meiner Weise fesselt; du nicht auch?« »Hm! Ich bin freilich #252;berzeugt, die so einfache Hexerei auch fertig zu bringen, doch nur so, wie man es beim ersten Versuche kann; hier aber, wo es sich um Freiheit und Leben handelt, geh#246;rt mehr Uebung dazu; ich werde den Versuch also dir #252;berlassen.« »Warum? Wenn wir auch Winnetou das Kunstst#252;ck erkl#228;ren, k#246;nnen wir uns alle drei zu gleicher Zeit und im passenden Augenblick schnell frei machen. Handeln wir dann, so sind wir verschwunden, ehe man nur daran denkt, uns festzuhalten.« »Das klingt zwar verlockend, ist aber nicht so leicht, wie du denkst. Erstens, wie wollen wir Winnetou eine solche Erkl#228;rung geben, ohne da#223; unsere W#228;chter sie auch mit h#246;ren? Er versteht ja nur wenig deutsch, und englisch wieder verstehen sie, wenigstens genug, um zu wissen, wovon wir sprechen.« »Das ist freilich wahr!« »Und zweitens ist doch die Hauptsache, da#223; der Umstand nicht auff#228;llt, da#223; man selbst den ersten Griff bei der Fesselung thut. Bei nur einem wird es jedenfalls #252;bersehen; thun wir aber alle drei den Griff, so mu#223; es nicht nur die Aufmerksamkeit, sondern vielmehr Verdacht erregen. Ich bin also ganz daf#252;r, da#223; nur du das Kunstst#252;ck unternimmst.« »Was wird aber dann mit euch?« »M#252;ssen sehen. Es w#228;re ein Messer vonn#246;ten; man hat uns aber die unserigen mit den #252;brigen Waffen abgenommen.« »Was das betrifft, so habe ich eins, ein kleines Einschlagemesserchen mit Nagelfeile; ich pflege es in der in- inneren Westentasche zu tragen. Man wird uns jedenfalls die Taschen leeren, doch denke ich, da#223; man das Innent#228;schchen nicht finden wird.« »Das pa#223;t ganz vortrefflich. Bekommst du die H#228;nde frei und hast das Messerchen, so kannst du deine Fu#223;schlingen und dann auch unsere Fesseln durchschneiden.« »Well, sollte mich freuen! Ganz abgesehen von der Gr#246;#223;e der Gefahr, in welcher wir uns befinden, w#252;nsche ich herzlich, da#223; die Befreiung durch mich kommen d#252;rfe, da ich es bin, der die Schuld an unserer Gefangenschaft tr#228;gt.« »Hast du denn, als sie kamen, nichts geh#246;rt?« »Nicht einen Hauch, obwohl ich wirklich scharf und unausgesetzt aufgepa#223;t hatte. Ich besitze aber leider nicht so empfindliche Ohren wie du und Winnetou. Du kannst dir denken, welche Vorw#252;rfe ich mir mache!« »Das la#223; sein! Es ist nicht ungeschehen zu machen, und h#228;tte einer von uns andern Wache gestanden, w#228;re die Ueberrumpelung auch keine Unm#246;glichkeit gewesen.« »Du hast aber selbst geh#246;rt, da#223; sie gewartet haben, bis die Reihe an mich gekommen ist.« »Das geht mich nichts an. Wir sind gefangen und wollen wieder loskommen. Durch Vorw#252;rfe aber erlangen wir die Freiheit keineswegs.« Winnetou sa#223; neben uns, verstand nur wenig von dem, was wir sprachen, doch war zu hoffen, da#223; wir ihm die n#246;tige Mitteilung w#252;rden machen k#246;nnen, Zun#228;chst geschah, was wir vorhin vorausgesetzt hatten: Nach dem Essen wurden unsere Taschen untersucht und geleert. Man nahm uns alles ab, doch blieb gl#252;cklicherweise Emerys kleines Messerchen unentdeckt. Dann wurden wir wieder auf die Pferde gebunden, und man brach nach dem Thale des Todes auf. Damals, als ich mit Winnetou die Komantschen dorthin verfolgte, war das Thal nicht ihr Ziel; sie zogen hin und her, um uns irre zu f#252;hren und von ihrer Spur abzubringen; darum dauerte es mehrere Tage, ehe unser Rachewerk in jenem Thale zum Abschlusse kam. Heute aber wollte man direkt nach demselben und konnte es in sieben oder acht Stunden recht gut erreichen. Die Komantschen waren weit besser beritten, als wir, sie hatten sogar einige Pferde, welche man ausgezeichnet nennen konnte. Der Ritt ging durch eine Art von Furt #252;ber den Canadian und dann auf der andern Seite nordw#228;rts. Am Flusse gab es B#228;ume und Gras. Bald h#246;rten die ersteren auf, und als wir uns dann weiter vom Wasser entfernten, verschwand auch das letztere nach und nach. Das Todesthal hatte seinen Namen nicht etwa dem Umstande zu verdanken, da#223; wir dort den H#228;uptling erschossen und begraben hatten, sondern weil es in einer wie ausgestorbenen Gegend lag. »Starke Hand« hatte es damals aufgesucht, wohl um sich in der Einsamkeit vor uns versteckt zu halten. Das Thal hatte die Form und Gestalt eines eingesunkenen Kraters. Die W#228;nde stiegen steil an und bestanden aus festem Gestein. Es gab nur einen Weg, um zu Pferde in den Kessel hinabzukommen; zu Fu#223;e konnte man wohl auch an andern Stellen kletternd hinab- und hinaufgelangen. Die Thalsohle bildete einen Kreis, dessen Umfang man in einer halben Stunde abgehen konnte. Am n#246;rdlichen Rande drang ein kleines Wasser aus dem Boden; es schmeckte aber leicht nach Schwefel und verschwand bald wieder in der Erde, doch reichte es aus, einigen Kr#228;utern und Gr#228;sern das Leben zu fristen. Um die Mittagszeit wurde unterwegs ausgeruht; und zu unserer Freude erhielten wir dabei wieder eine Portion getrocknetes Fleisch. Da konnte das Kunstst#252;ck versucht werden. Wir bekamen die H#228;nde frei und a#223;en. Als wir fertig waren, wurden wir wieder gebunden. Ich achtete mit gro#223;er Spannung auf Emery. Er langte mit der unbefangensten Miene nach dem Riemen, mit welchem er gefesselt werden sollte, legte ihn sich auf das linke Handgelenk, lie#223; dort den Knoten sch#252;rzen und legte dann seine beiden H#228;nde auf den R#252;cken, um nun auch die Rechte binden zu lassen. Der Rote lie#223; das ganz so geschehen, untersuchte, als er fertig war, die Fessel genau und machte dann ein so zufriedenes Gesicht, da#223; ich #252;berzeugt war, Emery habe als Hexenmeister Fiasko gemacht. Darum fragte ich ihn: »Nun, du hast dich get#228;uscht? Der Rote hat deine Fessel so genau untersucht und nichts gefunden.« »Und doch ist er betrogen. Ich kann jeden Augenblick mit der Hand heraus. Ich wollte, ich k#246;nnte es dir zeigen. Wei#223;t du, was ich m#246;chte?« »Nun?« »Heute abend auf das Essen verzichten. Wenn ich nicht essen will, braucht man mir die Arme nicht frei zu geben; dann bleibt der Riemen, wie er jetzt ist, und ich kann in jedem Augenblick los. Esse ich aber, so wei#223; ich nicht, ob mir das Kunstst#252;ck wieder so gelingt, wie jetzt.« »Es kann aber sehr leicht Mi#223;trauen erwecken, wenn du nicht essen willst; denn wem der Arm so lange Zeit nach hinten gefesselt ist, der ergreift jede Gelegenheit, ihn einmal frei und nach vorn zu bekommen.« »Das ist sehr richtig. Es k#246;nnte wirklich auffallen, und so will ich lieber nicht auf das Essen verzichten.« Als wir wieder aufgebrochen waren, ritten wir drei nebeneinander. Wir hatten Winnetou in der Mitte, und es gelang uns, ihn in kurzen Worten, welche von den vor und hinter uns reitenden Roten in ihrem Zusammenhange nicht verstanden wurden, mitzuteilen, was wir f#252;r eine Absicht hegten. Sein sch#246;nes, hellbronzenes Gesicht blieb vollst#228;ndig unbeweglich, als er die frohe Botschaft h#246;rte; dann sagte er leise: »Frei, ja, doch nicht ohne meine Silberb#252;chse!« »Und auch ich nicht ohne meine Gewehre,« stimmte ich in deutscher Sprache und laut, zu Emery gewendet, bei. »Und wenn das nicht m#246;glich ist?« fragte dieser. »So hole ich sie mir sp#228;ter. Die Freiheit ist ein kostbares Gut; was thue ich aber hier in solcher Gegend mit ihr, wenn ich keine Waffen habe?« »Sehr richtig; aber es handelt sich nebenbei auch um das Leben!« »Das giebt den Ausschlag. Also fort, selbst ohne Waffen! Aber wenn mir das Leben sicher w#228;re, so w#252;rde ich die Gefangenschaft nicht eher verlassen, als bis ich meine Waffen wieder in den H#228;nden h#228;tte.« Es war vielleicht eine Stunde vor der D#228;mmerung, als wir an dem Rande des Todesthales anlangten. Wir ritten die steile und schmale Senkung hinab, einer hinter dem andern und langsam wie ein Leichenzug. Wenn wir wirklich da nicht wieder heraufkommen sollten! Ich sch#252;ttelte den Gedanken mit den Achseln von mir ab. Nein! Wenn wer bestimmt war, unten zu bleiben, dann die Komantschen, aber nicht wir! Als wir die Thalsohle erreichten, lenkte der H#228;uptling nach der Stelle hin, wo das Wasser aus dem Felsen trat. Dort hielt er an und stieg vom Pferde; die andern thaten ebenso, denn hier am Wasser sollte die Nacht zugebracht werden. Als wir abgestiegen waren, wurde der Versuch gemacht, die Pferde zu tr#228;nken; sie wollten aber das schwefelhaltige Wasser, welches wie faule Eier roch und schmeckte, nicht nehmen. W#228;hrenddem lie#223; ich meinen Blick #252;ber das Thal hin schweifen. Am n#246;rdlichen Rande, da, wo die Felsen am steilsten aufstiegen, befand sich die Spalte, in welcher wir damals den H#228;uptling begraben hatten. Sie war nicht gro#223;, unten vielleicht nicht ganz sechs Fu#223; breit, und verj#252;ngte sich so schnell, da#223; sie in Mannesh#246;he eine Breite von nur noch zwei Spannen betrug; von da aus ging sie in gleicher Breite in eine betr#228;chtliche H#246;he hinauf. Da sie in solcher H#246;he unm#246;glich verschlossen werden konnte, so hatte die Luft Zutritt, und wenn wir wirklich hier eingesperrt werden sollten, so konnten wir zwar verhungern und verdursten, aber doch wenigstens nicht ersticken. Die Steinplatte, welche man vorgelegt hatte, war schwer und unten breiter als der Spalt; ihre H#246;he betrug drei Ellen. Trotz ihrer Schwere gen#252;gte sie nicht, uns im Grabe festzuhalten, denn wir drei M#228;nner waren stark genug, sie von innen nach au#223;en umzuwerfen und uns dadurch den Weg in die Freiheit zu bahnen. Aber es lagen Steine genug in der N#228;he, vor und an der Platte einen so gro#223;en Haufen aufzut#252;rmen, da#223; es uns unm#246;glich wurde, die Platte auch nur einen Zoll weit zu l#252;ften. Die Roten f#252;hrten uns zun#228;chst nach dem Grabe. Sechs von ihnen waren n#246;tig, die Platte zu entfernen. Als dies geschehen war, trat der H#228;uptling vor die Oeffnung und sagte in feierlichem Tone: »Hier liegt Atescha-Mu begraben, der gro#223;e H#228;uptling der Komantschen. Sein Geist ist in die ewigen Jagdgr#252;nde eingegangen, wo er vergebens auf die Seelen seiner M#246;rder gewartet hat, die ihn dort bedienen sollen. Er mag zur#252;ckkehren, um zu h#246;ren, was ich, sein Sohn und R#228;cher, ihm zu sagen habe!« Er wartete eine kleine Weile, jedenfalls um dem Geiste seines Vaters Zeit zu geben, den Weg von den ewigen Jagdgr#252;nden bis hierher zur#252;ckzulegen, und fuhr dann fort: »Die "starke Hand" wurde von Winnetou und Old Shatterhand verfolgt und get#246;tet. Die beiden feindlichen Krieger sind jetzt in meine Hand geraten und sollen seinen Tod mit ihrem Leben bezahlen. Jeder Tote geht so in die ewigen Jagdgr#252;nde ein, wie er im Augenblicke des Sterbens beschaffen ist. Wollten wir die M#246;rder qu#228;len und verwunden, so w#252;rden sie schwach und blutend zu Atescha-Mu gelangen und ihm nur schlechte Diener sein k#246;nnen; darum werden wir sie nicht besch#228;digen, sondern sie zu seinen Gebeinen einmauern, damit sie ohne Wunden sterben und er starke Diener bekommt, mit denen er in den ewigen Jagdgr#252;nden vor allen Abgeschiedenen prangen kann. Howgh!« Die Platte wurde wieder vorgelegt, ohne da#223; es mir m#246;glich gewesen war, einen Blick in das Grab zu werfen. Man f#252;hrte uns nach dem Wasser zur#252;ck, doch durften wir nicht dort bleiben. Ungef#228;hr f#252;nfundzwanzig Schritte davon befand sich ein schmaler Einschnitt in den Felsen, in welchen wir gebracht wurden. Wir mu#223;ten uns da niedersetzen, und nachdem man uns an den F#252;#223;en gefesselt hatte, blieben zwei Mann zur#252;ck, um uns zu bewachen. Die andern gingen wieder zum Wasser, nachdem der H#228;uptling den beiden W#228;chtern die gr#246;#223;te Vorsicht und Aufmerksamkeit eingesch#228;rft hatte. Diese Vorsichtsma#223;regel hatte man getroffen, weil der Felseneinschnitt sich au#223;erordentlich gut zur Aufnahme von uns eignete. Wir hatten von drei Seiten Felsen, und auf der vierten sa#223;en die bis an die Z#228;hne bewaffneten W#228;chter; da waren wir den Roten viel sicherer, als wenn sie uns mit drau#223;en am Wasser behalten h#228;tten. »Ein verw#252;nschter Einfall, uns hier hereinzustecken!« brummte Emery in deutscher Sprache. »H#246;chst unangenehm, da#223; sie auf diesen Gedanken gekommen sind!« »Warum?« fragte ich. »Weil wir hier eingesperrt sind und schwerlich herauskommen werden.« »Meinst du? Mir ist es im Gegenteile sehr lieb, da#223; sie es gethan haben.« »Das begreife ich nicht.- Hier sehen wir nichts. Drau#223;en h#228;tten wir alles h#252;bsch beobachten k#246;nnen und hatten nach allen Seiten Raum.« »Aber wir konnten auch selbst besser beobachtet werden. La#223; es erst dunkel werden; dann k#246;nnen uns die W#228;chter nicht mehr sehen, und wir machen uns frei, ohne da#223; sie es bemerken. Hier sind nur vier Augen auf uns gerichtet; drau#223;en am Wasser aber w#228;ren wir allen Blicken ausgesetzt gewesen.« »Hm, mag sein! Du hast eben die Eigenschaft, allem Schlechten eine gute Seite abzugewinnen.« Es wurde dunkel, und man brannte ein kleines Feuer an, doch leider nicht am Wasser, wo die Indianer lagen, sondern vor unserer Spalte. Zu einem gro#223;en Feuer, an welchem Fleisch gebraten werden konnte, war kein gen#252;gendes Material vorhanden; die d#252;rren Abf#228;lle der Pflanzen, welche es hier gab, reichten aber hin, eine kleine Flamme zu n#228;hren, die unsere Bewachung erleichterte. Das war freilich h#246;chst unangenehm. Der Felseneinschnitt, in welchem wir uns befanden, bot Raum f#252;r nur drei Personen. Das Feuerchen brannte vor dem- demselben, und ungef#228;hr vier Schritte davor sa#223;en die W#228;chter. Wollten wir sie #252;berw#228;ltigen, so mu#223;ten wir #252;ber das Feuer hinweg, und da fanden sie jedenfalls Zeit, die Waffen zu ergreifen oder wenigstens Hilferufe auszusto#223;en, durch welche die andern herbeigerufen wurden. Dazu leuchtete der Schein des Feuers, so klein es war, zu uns herein, soda#223; es leicht war, uns zu beobachten. »Da hast du es!« sagte Emery. »Oder giebst du mir auch jetzt noch nicht recht?« »Nein. Mir ist die Beleuchtung ebenso unangenehm, wie dir; aber es ist trotzdem besser, wir befinden uns hier als drau#223;en. Drau#223;en l#228;gen wir gewi#223; inmitten der Roten, hier haben wir es nur mit zweien zu thun. Und denkst du etwa, da#223; das Feuer die ganze Nacht brennen wird?« »Nat#252;rlich! Sie werden sich h#252;ten, es ausgehen zu lassen.« »Wenn sie genug Holz haben, ja. Aber bis es Tag wird, m#252;ssen wenigstens acht Stunden vergehen, und ich glaube nicht, da#223; das Feuerungsmaterial bis dahin reichen wird. Sieh nur, wie schnell die kleinen Pfl#228;nzchen verbrennen, und wie winzig der Haufen ist, den sie davon gesammelt haben!« Aber man sammelte, wie wir bald sahen, noch weiter; der Haufen wurde gr#246;#223;er und gr#246;#223;er, doch nicht so gro#223;, da#223; er bis zum Anbruch des Tages reichen konnte. Wir bekamen das Abendbrot sehr sp#228;t; es bestand wieder aus einem St#252;ck Fleisch. Man nahm uns dazu die Handfesseln ab, welche dann wieder angelegt wurden. Zu unserer Freude gl#252;ckte es dabei Emery, den, der ihn band, abermals zu t#228;uschen; er konnte auch nun die H#228;nde aus den Riemen bringen. Die beiden W#228;chter wurden in zweist#252;ndigen Zwischenr#228;umen abgel#246;st, und stets untersuchten die Neuangetretenen genau, ob unsere Banden noch in Ordnung seien. Keiner von ihnen merkte, da#223; Emerys Riemen gelockert werden konnte. Die Roten waren sehr lange wach. Wir h#246;rten ihre Stimmen bis nach Mitternacht. Jedenfalls sprachen sie von uns, und das war allerdings ein Gespr#228;chsstoff, den sie noch viel l#228;nger h#228;tten ausspinnen k#246;nnen. Endlich wurde es ruhig; sie schienen sich schlafen gelegt zu haben. Wir aber schliefen nat#252;rlich nicht; wir lagen mit den K#246;pfen nahe bei einander und unterhielten uns im Fl#252;stertone, soda#223; unsere W#228;chter nichts h#246;ren konnten. Das Feuerchen brannte noch, doch war der Holzhaufen jetzt so klein geworden, da#223; er in einer Stunde zu Ende sein mu#223;te. Wir bedienten uns jetzt der englischen Sprache, damit Winnetou sich mit beteiligen k#246;nne. »Verw#252;nschte Geschichte!« knurrte Emery. »Selbst wenn es uns gelingt, hinauszukommen, ist es nun beinahe zu sp#228;t geworden!« »Wieso zu sp#228;t?« fragte ich. »Das versteht sich doch ganz von selbst! Es ist drau#223;en zwar still, aber wir wissen doch nicht, ob sie alle schlafen; darum m#252;ssen wir noch warten, wenigstens noch eine Stunde. Und dann ist die Abl#246;sung nahe, welche sofort bemerkt, was geschehen ist.« »So warten wir eben, bis diese vor#252;ber ist.« »Das ist eine kostbare Zeit, die wir nicht wieder einholen k#246;nnen. Und wenn wir hier hinaus sind, k#246;nnen wir noch nicht gleich fort; denn wir m#252;ssen doch Pferde haben. Wer wei#223;, wie lange es dauert, ehe es uns gelingt, in den Sattel zu kommen. Leicht werden wir dabei erwischt!« »Man wird uns nicht dabei erwischen, weil es uns nicht einfallen wird, uns bei den Pferden aufzuhalten.« »Wie? Du willst, da#223; wir zu Fu#223;e fliehen?« »Ja.« »Zu Fu#223;e fort! Da kannst du darauf schw#246;ren, da#223; sie uns einholen werden!« »Gewi#223; nicht. Wir fliehen zu Fu#223;e, aber nicht weit, denn wir werden das Thal gar nicht verlassen.« »Nicht? Erkl#228;re dich deutlicher!« »Es handelt sich vor allen Dingen um unsere Waffen. Es ist anzunehmen, da#223; wir dieselben jetzt nicht erwischen k#246;nnen. Fliehen wir weit fort, so b#252;#223;en wir sie ein. Wir bleiben also hier, um den Augenblick zu erwarten, an welchem wir sie uns nehmen k#246;nnen.« »Wie ist es m#246;glich, hier zu bleiben? Giebt es denn ein Versteck, in welchem wir sicher sein k#246;nnten?« »Ja, im Grabe des H#228;uptlings.« »Ah! Das ist ein k#252;hner, ein verwegener Gedanke!« »Bei weitem nicht so verwegen, wie du denkst. Es w#228;re viel gewagter, wenn wir das Todesthal verlassen und #252;ber die weite Ebene fliehen wollten, wo wir auf gro#223;e Entfernung hin gesehen werden k#246;nnen. Wir h#228;tten die Verfolger gleich beim Beginn des Tages hinter uns und w#252;rden gewi#223; eingeholt. Was das zu bedeuten hat, wenn wir weder Pferde noch Waffen besitzen, das brauche ich dir nicht erst zu sagen.« »Aber ist es denn so gewi#223;, da#223; wir nicht zu den Pferden k#246;nnen und auch die Waffen zur#252;cklassen m#252;ssen?« »Beinahe gewi#223;. Auch handelt es sich nicht nur um die Waffen, sondern auch um die andern Gegenst#228;nde, welche man uns abgenommen hat.« »K#246;nnen wir nicht hinschleichen und sie heimlich nehmen?« »Wahrscheinlich nicht. Es ist vorauszusehen, da#223; wir dabei ertappt w#252;rden.« »So m#246;gen sie uns ertappen! Alle Wetter, wenn ich nur erst meine Glieder frei habe, dann will ich den Roten sehen, der mich wieder fangen soll!« »Meinst du, da#223; ich weniger entschlossen bin, als du? Aber ich habe keine Lust, mich, wenn ich einmal frei bin, wieder fangen zu lassen. Ich sage auch gar nicht, da#223; mein Gedanke, uns im Grabe des H#228;uptlings zu verstecken, unbedingt ausgef#252;hrt werden soll. Wenn wir uns von den Fesseln befreit haben, werden wir erst sehen, ob die Roten alle schlafen und wie es mit unsern Sachen steht. Dann wissen wir, wie wir uns zu entscheiden haben.« »Ja!« fl#252;sterte jetzt Winnetou, welcher bisher geschwiegen hatte. »Der Plan meines Bruders Shatterhand ist sehr gut. Die Komantschen werden nicht alle fortreiten, denn sie wissen, da#223; wir laufen m#252;ssen und unbewaffnet sind, uns also nicht wehren k#246;nnen. Sie werden denken, es sei sehr leicht, uns wieder festzunehmen. Darum wird der H#228;uptling nicht alle fortschicken, zumal doch jemand unsere Sachen bewachen mu#223;.« »Wieso unsere Sachen bewachen?« fragte Emery. »Mein Bruder wei#223; doch, da#223; wir unverletzt in die ewigen Jagdgr#252;nde gesandt werden sollen. Wenn dies geschieht, so giebt man uns auch alles mit, was wir besessen haben. Winnetou kennt die Gebr#228;uche der roten M#228;nner sehr genau. Unsere K#246;rper und Glieder sollen nicht besch#228;digt werden, damit wir in den ewigen Jagdgr#252;nden t#252;chtige und starke Sklaven des toten H#228;uptlings sein k#246;nnen. Da giebt man uns auch unsere Waffen und alles andere mit, damit die Gegenst#228;nde jenseits in das Eigentum der "starken Hand" gelangen. Durch unsere Gewehre wird der tote Komantsche in den ewigen Jagdgr#252;nden der ber#252;hmteste Krieger werden.« »Ah, so! Die Komantschen glauben also, da#223; alles, was man mit uns begr#228;bt, mit uns ins jenseitige Leben gelangt?« »Ja. Wir werden dem Toten geopfert und also dr#252;ben seine Diener sein; folglich wird ihm alles geh#246;ren, was wir mit hin#252;ber bringen. Doch still, die Abl#246;sung kommt!« Unsere W#228;chter standen auf, um den beiden, welche jetzt kamen, Platz zu machen. Letztere untersuchten ebenso, wie es die vorigen gethan hatten, unsere Riemen und setzten sich dann nieder. Dabei schob der eine von ihnen die letzten Pflanzenstengel, welche es gab, in das Feuer, das nur noch einige Minuten brannte und dann verl#246;schte. Jetzt, da das Feuer nicht mehr brannte, wurde der Himmel f#252;r uns sichtbar. Es zogen Wolken dar#252;ber hin, zwischen denen nur einzelne Sterne herniederschimmerten. Es war drau#223;en vor unserm Felseneinschnitte so dunkel, da#223; wir die beiden Komantschen, obgleich sie h#246;chstens drei Meter von uns entfernt lagen, kaum sehen konnten. Als eine Viertelstunde vergangen war, zog Emery die H#228;nde aus dem Riemen und machte dann mit Hilfe seines kleinen Messerchens auch seine F#252;#223;e frei. Dann kn#252;pfte er unsere Riemen auf, was einige Zeit erforderte. Es w#228;re weit schneller gegangen, wenn er sie durchschnitten h#228;tte, aber wir brauchten sie f#252;r unsere W#228;chter. Das wollte ihm freilich nicht in den Kopf. Er fl#252;sterte uns zu: »Es w#228;re viel besser, sie zu t#246;ten, anstatt sie nur zu bet#228;uben. Ein einziger Ruf von ihnen kann uns gef#228;hrlich werden.« »Die M#246;glichkeit, da#223; sie Zeit zu einem Hilferufe bekommen, ist in beiden F#228;llen vorhanden,« antwortete ich ihm, »und man t#246;tet einen Menschen nur dann, wenn es unbedingt notwendig ist.« »Well, wie du willst! Wer macht sich #252;ber sie her? Wir drei?« »Nein, nur Winnetou und ich. Wir haben den Griff besser weg, als du. Ich nehme den rechts, und Winnetou fa#223;t den linken.« Unsere H#228;nde hatten von den Riemen gelitten; wir rieben und kneteten die Gelenke, um den Umlauf des Blutes zu unterst#252;tzen; dann gingen wir an das Werk, bei welchem es galt, au#223;erordentlich vorsichtig zu sein, denn die beiden Roten sa#223;en drau#223;en so, da#223; sie uns die Gesichter zukehrten. Wir mu#223;ten auf sie zukriechen. Wenn sie uns nur einen einzigen Augenblick eher bemerkten, als wir ihre Kehlen zwischen unsern H#228;nden hatten, war unser ganzer Plan zunichte. Gl#252;cklicherweise war es bei uns noch dunkler, als drau#223;en bei ihnen. Wir erhoben uns auf die Kniee und rutschten auf sie zu. Dabei schlossen wir die Augen soweit, da#223; wir eben nur noch unter den Lidern hervorblicken konnten, denn ein offenes Auge ist selbst in solcher Finsternis, wenn es durch eine seelische Erregung erleuchtet wird, zu erkennen. Es galt zweierlei: erstens mu#223;ten wir so schnell und sicher zugreifen, da#223; keine Zeit zu einem Ausrufe, selbst nicht zu einem R#246;cheln oder St#246;hnen blieb, und zweitens mu#223;te dies vollst#228;ndig ger#228;uschlos geschehen, weil jeder h#246;rbare Sto#223; oder Fall die andern Roten aufmerksam machen konnte. Ganz von selbst verstand es sich, da#223; wir zu gleicher Zeit zugreifen mu#223;ten, wenn der Coup gelingen sollte. Wir kamen ihnen n#228;her und n#228;her. Da ber#252;hrte Winnetou meinen Arm; das war das Zeichen. Ich schnellte mich sofort vorw#228;rts und hatte im n#228;chsten Augenblick den einen Komantschen mit beiden H#228;nden am Halse. Von vorn ist der Griff viel schwerer, als von hinten; er gelang uns aber dennoch, Winnetou ebenso wie mir. Die W#228;chter sanken unter unserm Gewicht hinten#252;ber; es war nichts zu h#246;ren, als nur ein leises, leises Gurgeln, welches nicht bis hin#252;ber zu dem Lagerplatz am Wasser dringen konnte. Dann kam der bekannte Hieb gegen die Schl#228;fe, um sie zu bet#228;uben, worauf wir ihnen die Kehlen vorsichtig und nach und nach freigeben konnten, damit sie nicht ersticken m#246;chten. Ein Teil unserer Aufgabe war also gl#252;cklich gel#246;st. Die Roten hatten keine Waffen, als nur ihre Messer bei sich gehabt; wir nahmen dieselben an uns und hatten nun wenigstens etwas, womit wir uns wehren konnten. Sie bekamen Knebel in den Mund und wurden fest gebunden, worauf wir ihre bewegungslosen Gestalten dorthin schoben, wo wir vorher gelegen hatten. »Meine Br#252;der m#246;gen hier warten.« fl#252;sterte der Apatsche; »Winnetou wird an das Wasser kriechen, um zu erfahren, wozu wir uns entschlie#223;en m#252;ssen.« Er entfernte sich mit der Ger#228;uschlosigkeit einer Schlange. Ganz gegen meine Erwartung dauerte es kaum zwei Minuten, bis er wiederkam; dies war kein gutes Zeichen. »Wir k#246;nnen weder zu den Pferden, noch zu den Waffen,« meldete er. »Bei den Pferden steht eine Wache. Unser ganzes Eigentum liegt abgesondert am Wasser, und daneben sitzt der H#228;uptling, welcher nicht schl#228;ft. Die Freude, den Tod seines Vaters an uns r#228;chen zu k#246;nnen, hat ihn wach gehalten. Winnetou hat sich das gedacht.« »K#246;nnen wir ihn denn nicht ebenso #252;berfallen, wie die W#228;chter hier?« »Nein, denn rund um ihn liegen seine Krieger, welche wir ber#252;hren und also aufwecken w#252;rden, wenn wir zu ihm wollten.« »Ja, es bleibt uns nichts #252;brig, als uns zu verstecken und das Weitere abzuwarten,« sagte ich. »Kommt also nach dem Grabe!« Wir schlichen uns fort, was wir zun#228;chst in kriechender Stellung thaten; dann, als wir entfernt genug waren, konnten wir uns erheben. Bei dem Grabe angekommen, l#252;fteten wir den Stein auf einer Seite soweit, da#223; wir in den Spalt kriechen konnten, wozu unsere Kr#228;fte ausreichten. Weit schwerer aber war es, ihn von innen wieder ganz heranzuziehen, was uns erst nach vieler M#252;he und Anstrengung gelang. Da der Boden drau#223;en aus hartem Felsen bestand, durften wir hoffen, da#223; man dort nicht sehen werde, da#223; der Stein wieder bewegt worden war. Unsere Zufluchtsst#228;tte war nichts weniger als bequem, denn der Spalt war zwar ziemlich tief, aber auch sehr niedrig. Hinten lagen die Ueberreste der »starken Hand«. Wir mu#223;ten uns eng zusammenschmiegen, um mit denselben nicht in Ber#252;hrung zu kommen. Gl#252;cklicherweise gab es in dem Grabe keinen Moderoder F#228;ulnisgeruch, da die Luft von oben her stets Zutritt gehabt hatte. So sa#223;en und hockten wir also eng nebeneinander und warteten mit fast fieberhafter Spannung auf den Anbruch des Tages. Eine Abl#246;sung der W#228;chter war nicht mehr n#246;tig, da die beiden letzten ihren Posten gerade zwei Stunden vor Morgengrauen angetreten hatten. Es stand zu erwarten, da#223; der Himmel sich in einer kleinen halben Stunde erhellen werde. Eine solche Zeit ist wenig, kann einem aber in der Lage, in welcher wir uns befanden, zu einer Ewigkeit werden. Wir sprachen kein Wort, denn einmal machte uns die Aufregung stumm, und sodann konnten wir uns so nahe bei den Gebeinen des H#228;uptlings jenes, ich m#246;chte sagen, heiligen Gef#252;hles nicht erwehren, dem sich an einer St#228;tte des Todes selten der Mensch zu entziehen vermag. Die Zeit verging. Ich sa#223; vorn an dem Steine und legte zuweilen mein Auge an die schmale L#252;cke, welche es zwischen ihm und der Felswand gab. Ich sah, da#223; es zu d#228;mmern begann. Die Entscheidung nahte, denn sobald es nur ein wenig hell wurde, mu#223;te der H#228;uptling bemerken, da#223; die beiden W#228;chter nicht da sa#223;en, wo sie sitzen sollten. Da unterbrach Emery nun doch die Stille: »Kannst du sehen, Charley?« »Nur erst drei, h#246;chstens vier Schritte weit; es wird aber mit jedem Augenblicke heller.« »Da wird der L#228;rm in wenigen Minuten beginnen. Wir sind doch th#246;richt gewesen, uns hier einzusperren! Wenn man entdeckt, da#223; wir hier stecken, sind wir verloren!« »So gewi#223;, wie du denkst, noch lange nicht!« »Was w#252;rdest du denn thun?« »Das einzige, was uns in diesem Fall retten k#246;nnte, n#228;mlich mich auf den H#228;uptling werfen, um mich seiner zu bem#228;chtigen. Befindet er sich in unserer Gewalt, so k#246;nnen wir unterhandeln.« »Aber wenn man uns nun gar nicht hinaus l#228;#223;t!« »Pah! Man mu#223;!« »Sondern Steine vor der Platte drau#223;en aufh#228;uft!« »Dazu geh#246;rt Zeit. Wir drei sind stark; ein Augenblick gen#252;gt, die Platte umzuwerfen - - horch!« Drau#223;en war ein lauter, schriller Schrei erklungen, jener Schrei, welchen der Indianer ausst#246;#223;t, wenn er die Seinen auf eine Gefahr aufmerksam machen will. »War das der H#228;uptling? Sieh hinaus, Charley, schnell, schnell!« W#228;hrend unsers Gespr#228;ches, so kurz dasselbe gewesen war, hatte die Helle des Morgens so zugenommen, da#223; ich, als ich das Auge nun wieder an die L#252;cke legte, bis an das Wasser sehen konnte. Der ganze Lagerplatz und die Umgebung desselben lag vor meinem Blick. Ja, der H#228;uptling hatte den Schrei ausgesto#223;en. Er stand vor dem Felseneinschnitte, in welchem wir gesteckt hatten, und sah die beiden W#228;chter gefesselt und geknebelt in demselben liegen. Sein Schrei hatte die andern Roten erweckt; sie waren aufgesprungen und eilten zu ihm hin. Zun#228;chst entstand ein kurzer Wirrwarr von sich durcheinander dr#228;ngenden Menschen und Stimmen; dann wurde es still. Der H#228;uptling lie#223; die von uns Ueberrumpelten von ihren Fesseln und Knebeln befreien und befragte sie. Ich sah sie vor ihm stehen; wir hatten sie also nicht get#246;tet. Dann erhob sich wieder ein Geheul. Die Roten richteten ihre Blicke rings umher; sie sahen nichts von uns; wir mu#223;ten also aus dem Thale sein. Der H#228;uptling rief ihnen laute Befehle zu. Sie bewaffneten sich, eilten zu den Pferden, stiegen auf und ritten fort, den steilen, schmalen Weg hinauf, den wir heruntergekommen waren. Ich sah einen nach dem andern da oben verschwinden. Aber nicht alle verlie#223;en das Thal. Drei blieben zur#252;ck, n#228;mlich der H#228;uptling und die beiden W#228;chter, ob die letzteren zur Strafe, oder weil sie sich nicht so schnell hatten erholen k#246;nnen, das wu#223;te ich nicht. Der erstere setzte sich wieder dort nieder, wo er w#228;hrend der Nacht gesessen hatte; sie aber standen in einiger Entfernung von ihm. Er war nat#252;rlich zornig #252;ber sie, und sie wagten sich nicht an ihn heran. »Wenn die Roten nur eine Spur von Klugheit besitzen, werden sie augenblicklich wiederkommen!« meinte Emery. »Wieso?« fragte ich. »Wenn sie hinauf auf die Ebene kommen und uns nicht sehen, m#252;ssen sie sich doch sagen, da#223; wir noch im Thale sein m#252;ssen!« »Nein. Sie werden annehmen, da#223; wir Zeit genug gehabt haben, soweit zu kommen, da#223; wir nicht mehr gesehen werden k#246;nnen. Sie werden nach Spuren suchen und keine finden. Infolgedessen wissen sie nicht, in welcher Richtung wir geflohen sind, und werden sich also in mehrere Abteilungen trennen, um uns nach verschiedenen Gegenden zu verfolgen. Ich bin jetzt #252;berzeugt, da#223; unser Plan gelingen wird.« Wir warteten. Nach vielleicht einer Viertelstunde kam einer der Reiter zur#252;ck und machte dem H#228;uptlinge eine Meldung. Dieser stand auf und bestieg sein Pferd; er befahl den beiden W#228;chtern, dasselbe zu thun, und ritt mit ihnen und dem Boten fort, unsere Gewehre und andere Sachen am Wasser liegen lassend. Ich sah sie hinter dem Felsen, da wo der Pfad m#252;ndete, verschwinden und bald darauf weiter oben wieder erscheinen. »Es gelingt!« jubelte ich. »Es gelingt viel besser, als ich erwarten konnte. Der H#228;uptling ist geholt worden und hat auch die W#228;chter mitgenommen. Unsere Sachen liegen alle dort, und unsere Pferde stehen auch da!« »Dann hinaus, hinaus, schnell, schnell!« rief Emery. Er wollte in seinem Eifer aufspringen und stie#223; mit dem Kopfe gegen den niedrigen Felsen, da#223; er mit einem Wehelaute wieder zur#252;cksank. »Noch nicht,« antwortete ich. »Wir m#252;ssen warten, bis sie oben angekommen sind und nicht mehr heruntersehen k#246;nnen.« Nach kurzer Zeit war das geschehen. Wir stie#223;en die Platte nach au#223;en, da#223; sie umfiel. Wir traten hinaus; wir waren frei! Emery wollte sogleich hin zu unsern Gewehren, doch Winnetou warnte: »Mein Bruder mag sich nicht #252;bereilen! Erst wollen wir den Stein wieder vor das Grab legen. Der H#228;uptling kehrt jedenfalls zur#252;ck. Er w#252;rde, wenn er von oben herunterblickt, das Grab offen sehen und sofort seine Krieger rufen.« »Was schadet das! Wir haben sie nun nicht mehr zu f#252;rchten!« »Doch noch. Wir m#252;ssen auch hinauf. Es giebt nur den einen Pfad, und wenn sie ihn besetzen, k#246;nnen wir nicht fort.« »So schie#223;en wir sie nieder!« »Wenn sie sich hinter den Felsenecken verbergen, k#246;nnen wir sie nicht treffen, w#228;hrend aber ihre Kugeln uns erreichen.« Wir haben also mit vereinten Kr#228;ften den schweren Stein auf und lehnten ihn wieder an die Spalte; dann eilten wir an das Wasser, um unsere Sachen schnell an uns zu nehmen. Es fehlte nichts von allem, was man uns abgenommen hatte. Welche Wonne, als ich meine beiden Gewehre wieder hatte, und dazu die ganze Munition! »Nun aber fort!« rief Emery, indem er sich anschickte, zu den Pferden zu gehen. »Noch nicht!« sagte ich. »Wir m#252;ssen erst wissen, wie es da oben auf der Ebene steht.« »Das ist doch nicht notwendig! Die Roten k#246;nnen uns nichts anhaben! Kein Indsman darf es wagen, uns nahe zu kommen, da wir unsere Gewehre haben.« »Sobald wir uns im Freien befinden, ja. Jetzt aber stecken wir noch in diesem tiefen Thalkessel und wissen nicht, ob wir zu Pferde hinaufkommen k#246;nnen, ohne bemerkt zu werden. Wir m#252;ssen erst hinaufsteigen, um zu rekognoszieren.« »Uebertriebene Vorsicht! Ich halte das f#252;r ganz unn#246;tig, will mich aber f#252;gen.« Wir stiegen also den steilen Weg hinauf. Da der H#228;uptling jeden Augenblick zur#252;ckkehren konnte, vielleicht nicht allein, sondern in Begleitung von noch andern Roten, so nahmen wir den Gang m#246;glichst vorsichtig vor. Wir eilten #252;ber offene Stellen so schnell wie m#246;glich hinweg und blieben, wenn wir Deckung hatten, halten, um vorw#228;rts zu lauschen, ob die Schritte eines Menschen oder Pferdes zu h#246;ren seien. Und das war gut! Denn eben befanden wir uns an einer neuen Kr#252;mmung des Weges und horchten um die Ecke, als wir Hufschlag h#246;rten. Winnetou war voran. Er blickte vorsichtig um den Felsen und wendete sich dann zu uns zur#252;ck, um leise zu sagen: »Der H#228;uptling kommt.« »Allein?« »Ja.« Das Ger#228;usch der Huftritte schwieg. Der Komantsche hielt an und sah in das Thal hinab. H#228;tten wir den Stein nicht wieder vor das Grab gelegt gehabt, so w#228;re ihm das unbedingt aufgefallen und er h#228;tte sich sofort sagen m#252;ssen, da#223; wir noch unten im Thale seien. So aber sch#246;pfte er keinen Verdacht und ritt weiter. »Was thun?« fragte Emery. »Ihn festnehmen,« antwortete ich. »Aber nicht hier. Der Ort pa#223;t nicht dazu, und ein Hilferuf von ihm w#252;rde von seinen Leuten geh#246;rt werden. Kommt schnell wieder hinab!« Wir kehrten um und rannten zur#252;ck. Unten angekommen, blieben wir da, wo der Weg ins Thal m#252;ndete, halten. Da lag ein gro#223;es Felsst#252;ck, hinter welchem sich ein Mann verstecken konnte. Winnetou kauerte sich dort nieder und sagte: »Meine Br#252;der m#246;gen vollends um die Ecke gehen, damit er sie nicht sieht. Ich lasse ihn vor#252;ber, springe dann hinter ihm auf das Pferd und nehme ihn fest. Darauf m#246;gen meine Br#252;der von vorn auf ihn eindringen.« Emery und ich gingen die zwanzig Schritte weiter, die wir noch bis zur Einm#252;ndung des Weges zu machen hatten, und postierten uns dort hinter die Ecke. Kurze Zeit sp#228;ter h#246;rten wir den H#228;uptling kommen. Wir lauschten dem Hufschlage seines Pferdes. Jetzt mu#223;te er beim Verstecke des Apatschen sein - jetzt an demselben vor#252;ber - da blieb das Pferd stehen; ein unterdr#252;ckter Schrei lie#223; sich h#246;ren. Wir sprangen hinter der Ecke hervor. Da hielt das Pferd auf dem Wege; Winnetou kniete auf demselben hinter dem Komantschen und hatte ihn mit beiden H#228;nden am Halse fest. Wir sprangen hinzu und zogen den vor Schreck ganz bewegungslosen Roten vom Pferde herunter, entwaffneten ihn und banden ihm mit seinem eigenen Lasso die Arme fest an den Leib. Darauf brachten wir ihn nach einer Stelle, wo wir mit ihm nicht von oben gesehen werden konnten, zogen ihn da nieder und banden ihm auch die Beine zusammen, so da#223; er nun wie ein Kind im Wickel vor uns lag. »Meine Br#252;der m#246;gen hier bei ihm bleiben,« sagte Winnetou. »Ich steige schnell wieder nach oben, um zu sehen, was die Komantschen jetzt thun.« Er entfernte sich. Der »gro#223;e Pfeil« lag zu unsern F#252;#223;en und betrachtete uns mit Augen, in denen sich eine unbeschreibliche Wut aussprach. Ein anderer an seiner Stelle h#228;tte h#246;chst wahrscheinlich geschwiegen; er hatte geglaubt, da#223; wir l#228;ngst fort seien und brannte nun darauf, zu erfahren, wie es uns gelungen sei, ihn in die Falle zu bringen; darum fragte er: »Wo hat Old Shatterhand mit seinen Gef#228;hrten gesteckt, da#223; wir ihn nicht haben sehen k#246;nnen?« »Im Grab deines Vaters.« »Uff! Warum seid ihr nicht sofort geflohen?« »Weil wir nicht ohne unsere Pferde und Waffen fort wollten. Du siehst, da#223; wir sie uns geholt haben.« »Winnetou und Old Shatterhand sind sehr verwegene Krieger!« stie#223; er w#252;tend hervor. »So siehst du also ein, da#223; die Krieger der Komantschen viel kl#252;ger sein m#252;#223;ten, wenn es ihnen gelingen sollte, uns festzuhalten. Ihr habt uns ergreifen k#246;nnen, weil ein b#246;ser Mensch uns euch verriet; zum zweitenmal bringt ihr das aber nicht fertig. Und uns gar in das Grab deines Vaters sperren, das war ein Gedanke, den nur ein so junger Krieger, wie du bist, haben konnte. Du siehst, da#223; wir deinen Vater nicht in den ewigen Jagdgr#252;nden bedienen werden!« »Und doch werdet ihr das thun? Ihr seid noch nicht entkommen!« »O, wir f#252;hlen uns so sicher, als ob gar keine Krieger der Komantschen auf der Erde w#228;ren! Ich brauche nur dieses eine Gewehr, welches du hier in meiner Hand siehst, um sie alle nacheinander in die ewigen Jagdgr#252;nde zu senden. Du wirst von dem Gewehre geh#246;rt haben.« »Ja. Der b#246;se Geist hat es dir gegeben. Du kannst mit demselben schie#223;en, so oft du willst, ohne da#223; du zu laden brauchst.« »Wenn du das wei#223;t, so darfst du auch nicht sagen, da#223; deine Krieger uns wieder ergreifen werden!« Er schwieg, schlo#223; eine Weile die Augen, #246;ffnete sie dann wieder und fragte, indem er einen forschenden Blick auf mich warf: »Ich bin in eurer Gewalt. Was werdet ihr mit mir thun?« »Du hast uns einem qualvollen Tode #252;berantworten wollen. Wir sollten dort im Grabe der "starken Hand" langsam verschmachten. Welches Schicksal erwartest du daf#252;r von uns?« »Den Tod. Ihr werdet mich martern; aber es wird kein Laut der Klage #252;ber meine Lippen kommen!« »Wir werden dich nicht martern; wir werden dich auch nicht t#246;ten. Du hast uns nicht gequ#228;lt, sondern uns als tapfere Krieger geachtet; wir werden also fortreiten und dich hier liegen lassen, damit deine Krieger dich dann finden und von den Banden frei machen. Winnetou und Old Shatterhand d#252;rsten nicht nach Menschenblut; sie h#228;tten damals auch deinen Vater nicht erschossen, wenn die vier Bleichgesichter nicht so unschuldigerweise von ihm verbrannt worden w#228;ren.« In diesem Augenblicke kehrte Winnetou zur#252;ck. Er hatte den letzten Teil meiner Rede geh#246;rt und sagte zu dem H#228;uptlinge: »Ja, der "gro#223;e Pfeil" mag seine Krieger davon benachrichtigen, da#223; Winnetou ein Freund aller roten M#228;nner ist und auch die S#246;hne der Komantschen nur dann als Feinde betrachtet, wenn sie sich als solche gegen ihn verhalten. Du hast uns t#246;ten wollen; wir k#246;nnten nun dein Leben daf#252;r fordern. Du sollst es behalten. Eines aber werden wir euch nehmen. Wir wollten ein Bleichgesicht fangen, welches ein gro#223;er Verbrecher ist. Du hast dich dieses Mannes angenommen und ihn mit seinem Weibe, welches nicht sein Weib ist, entkommen lassen. Dann hast du uns hierher geschafft. Dadurch hat der Mann einen gro#223;en Vorsprung gewonnen, welchen wir nur mit sehr guten Pferden wieder einholen k#246;nnen. Die Krieger der Komantschen haben Pferde hier, welche viel besser sind, als die unserigen. Wir werden sie gegen drei der eurigen umtauschen.« »Ist Winnetou, der ber#252;hmte und tapfere H#228;uptling der Apatschen, ein Pferdedieb geworden?« fragte der Gefangene. »Nein; aber du bist schuld, da#223; der Fl#252;chtling entkommen ist, und sollst nun daf#252;r sorgen, da#223; wir ihn einholen k#246;nnen. Ich nehme dein Pferd, und du hast dir den Verlust selbst zuzuschreiben. Howgh!« Er bestieg das Pferd des Komantschen, lenkte in den Bergweg ein und winkte uns, ihm zu folgen. Emery wollte sein Pferd holen, aber Winnetou sagte: »Meine Br#252;der m#246;gen ihre Tiere hier stehen lassen. Da oben werden sie viel bessere finden.« Er ritt voran, ohne den Komantschen nur noch einmal anzusehen, und wir folgten ihm. Es war leicht begreiflich, da#223; der Gefangene sich dar#252;ber #228;rgerte, sein Pferd zu verlieren; es war ein prachtvolles Tier; einige gleich vortreffliche hatte ich bei den andern Komantschen gesehen. Darum war ich jetzt sehr neugierig, was ich da oben auf der Ebene vorfinden w#252;rde. Wir sollten gute Komantschenpferde bekommen. Auf welche Weise, das fragte ich nicht, da Winnetou es nicht freiwillig sagte. Er ritt wortlos voran wie einer, der gar nicht vor- vorsichtig zu sein braucht; er mu#223;te seiner Sache sehr sicher sein. Als wir oben angekommen waren, sah ich nun freilich, da#223; die Komantschen sich so sorglos wie m#246;glich verhalten hatten. Sie suchten noch immer nach unserer F#228;hrte. Sie hatten sich getrennt, um nach allen Richtungen zu forschen. Wir sahen sie rundum, schon weit von uns entfernt, dahinschreiten, indem sie in geb#252;ckter Haltung den Boden betrachteten. Da unsere Spuren leicht von den Pferden ausgetreten werden konnten und die Tiere beim Suchen #252;berhaupt hinderlich waren, hatten sie dieselben an einer Stelle zusammengebracht und dort unter der Aufsicht eines einzigen Roten stehen lassen. Die Stelle war gar nicht weit von uns; wir hatten h#246;chstens sechshundert Schritte zu gehen. Der W#228;chter sa#223; an der Erde, mit dem Gesicht von uns abgewendet, und blickte hinaus ins Weite, die Bem#252;hungen seiner Kameraden beobachtend. »Der Mann w#252;rde die Schritte meines Pferdes h#246;ren,« sagte Winnetou l#228;chelnd. »Ich werde also hier ein wenig warten, und meine Br#252;der m#246;gen leise zu ihm gehen, um sich dort die zwei besten Pferde auszuw#228;hlen.« Er blieb einstweilen halten. Ich nahm den Stutzen schu#223;fertig in die Hand, um den Roten einzusch#252;chtern, und schlich mit Emery auf ihn zu. Er schenkte den vergeblichen Bem#252;hungen seiner Kameraden eine so ungeteilte Aufmerksamkeit, da#223; wir die Pferde erreichten, und nahe hinter ihm standen, ohne da#223; er es bemerkte. Da sagte ich: »Wird mir der Sohn der Komantschen vielleicht sagen, was seine Br#252;der so angelegentlich da drau#223;en suchen?« Er blickte sich um, sah uns, fuhr wie von einer Spannfeder geschnellt empor und starrte uns an. »Hat mein Bruder meine Frage verstanden?« fuhr ich fort. »Old - Shatterhand!« stammelte er. »Ja, ich bin es. Und kennst du den Krieger, welcher dort auf dem Pferde sitzt?« »Winnetou, auf dem Pferde des H#228;uptlings!« »Allerdings! Also sage, was suchen deine Br#252;der da drau#223;en?« »Sie - suchen - - euch!« antwortete er, noch immer ganz au#223;er sich. »Uns? So eile schnell hin, und sage ihnen, da#223; wir uns hier befinden!« Er machte keine Miene, der Weisung Folge zu leisten, sondern starrte mich noch immer wie eine Geistererscheinung an. Da richtete ich die M#252;ndung des Gewehres auf ihn und drohte: »Eile, sage ich dir, sonst bekommst du augenblicklich eine Kugel.« »Uff!« rief er erschrocken, wendete sich und rannte davon, so schnell ihn seine Beine fortzutragen vermochten. Nun hatten wir freie Hand. Winnetou kam hingeritten, und wir w#228;hlten uns von den Pferden, welche alle gesattelt waren, die zwei besten aus. Der Indianer lief wie ein Schnelll#228;ufer und stie#223; dabei ein Geheul aus, das weithin zu h#246;ren war. Seine Kameraden wurden aufmerksam; sie sahen, da#223; er auf uns deutete, und rannten auf ihn zu. Dadurch wurde Raum f#252;r uns frei. Wir stiegen auf und galoppierten in s#252;dlicher Richtung davon, wo sich jetzt kein Indianer mehr in Schu#223;weite befand. Sp#228;ter bogen wir dann wieder westlich ein.--- |
||
|