"Satan und Ischariot III" - читать интересную книгу автора (Май Карл)Drittes Kapitel. Ein Brudermord.Es fiel uns nat#252;rlich gar nicht ein, nach dem Punkte am Canadian zur#252;ckzukehren, wo wir Jonathan Melton zuletzt gesehen hatten; wir h#228;tten damit nur unn#252;tz Zeit vergeudet; wir ritten vielmehr, soweit das Terrain uns das erlaubte, gerade unter der Luftlinie, die nach Albuquerque f#252;hrte. Wir erlebten unterwegs nichts, was erw#228;hnt werden m#252;#223;te, und kamen gegen Abend des vierten Tages am Ziele an. Die Stadt Albuquerque hat ihren Namen nach dem Herzoge gleichen Namens, welcher Vizek#246;nig von Mexiko war, erhalten. Albuquerque bedeutet Wei#223;-Eiche (alba quercus). Sie zerf#228;llt in zwei verschiedene Teile, die einander vollst#228;ndig un#228;hnlich sind, n#228;mlich in die alte spanische und in die junge amerikanische Stadt. Ein breiter, unbebauter Raum trennt die beiden Stadtteile voneinander. Der alte spanische Typus hat sich hier in jeder Beziehung rein erhalten, und nirgends stellt sich diesem das Neuamerikanische ablehnender gegen#252;ber als hier. Das neue Albuquerque hatte genau das Aussehen anderer amerikanischer Pilzst#228;dte: sehr schlechte, ungepflasterte Gassen und Stra#223;en mit Holzsteigen an den Seiten f#252;r die Fu#223;g#228;nger. Die H#228;user waren meist Bretterbauten mit L#228;den aller Art und Trinklokalen jeden Genres. Die Stadt liegt am linken Ufer des Rio Grande del Norte; am rechten Ufer breitet sich das gro#223;e Dorf Atrisco aus. Selbst wenn wir nicht besser unterrichtet gewesen w#228;ren, h#228;tten wir gewu#223;t, da#223; die Gesuchten, falls sie noch anwesend waren, nicht in dem spanischen, sondern im amerikanischen Stadtteile zu finden seien. Wir wu#223;ten aber, da#223; das Zusammentreffen im Salon von Plener hatte stattfinden sollen. Freilich h#252;teten wir uns, das Etablissement sofort zu dreien aufzusuchen, vielmehr hielten wir vor einem andern sogenannten Hotel an, das aber diesen Namen nicht verdiente. Hier blieb ich mit Winnetou; dann ritt Emery zu Plener, um sich dort einzuquartieren. Er von uns dreien fiel dort am wenigsten auf, und hatte die Aufgabe, sich dort m#246;glichst wenig sehen zu lassen und daf#252;r aber desto genauere Erkundigungen einzuziehen. Es war, wie gesagt, gegen Abend, als wir ankamen. Wir waren ziemlich erm#252;det und wollten zeitig schlafen gehen. Als ich das dem Aufw#228;rter beim Abendessen sagte, meinte er: »Daran thut ihr sehr unrecht, Gentlemen. Ich sage Euch, Albuquerque ist ein trauriges Nest, und wenn einem einmal so etwas geboten wird, soll man es genie#223;en, anstatt sich ins Bett zu legen.« »Was giebt es denn? Ihr seid ja ganz begeistert, Master!« »Es ist auch darnach! Ihr solltet die Spanierin nur sehen, Sir!« »Habe schon manche Spanierin gesehen! Was ist sie denn?« »S#228;ngerin. Ich sage Euch, das ganze Albuquerque ist verr#252;ckt auf sie. Sie wollte nur einen Abend singen, hat aber, einen solchen Anklang gefunden, da#223; sie sich entschlo#223;, noch zwei Abende zuzugeben. Heute singt sie zum letztenmal.« »Wie ist denn der Name dieses au#223;erordentlichen Wesens?« »Pajaro.« »Ein sch#246;nklingender Name!« »Echt spanisch. Und eine echte Spanierin ist sie, obgleich sie am liebsten deutsche Lieder zu singen scheint.« »Wie? Eine Spanierin, welche deutsche Lieder singt?« »Ja. Wundert Euch das? Sie wird gewi#223; wissen, warum sie das thut. Man mag von diesen Deutschen denken und sagen, was man will; aber Leder haben sie, Lieder und Melodien wie kein anderes Volk. Und Sennora Marta Pajaro wei#223; diese Lieder zu singen! Dann m#252;#223;t Ihr ihren Bruder auf der Geige h#246;ren! Ich sage Euch, es giebt keinen zweiten Violinvirtuosen, wie er einer ist, dieser Francisco Pajaro!« »Also Marta Pajaro und Francisco Pajaro? Ihr macht mich neugierig. Ich werde doch vielleicht gehen, um die beiden Leute zu h#246;ren. Wo ist das Konzert?« »Im Salon hier gegen#252;ber. Es sind keine Billets mehr zu haben. Alles verkauft und vergriffen. Nur ich habe noch einige. Der Platz kostet eigentlich einen Dollar; wenn Ihr zwei Dollars bezahlt, k#246;nnt Ihr ein Billet haben.« »Ah, Ihr wollt hundert Prozent verdienen! Meinetwegen! Gebt zwei Billets her!« Warum ich mir die Billets kaufte trotz des doppelten Preises? Sehr einfach: Pajaro hei#223;t Vogel; die Geschwister hie#223;en Martha und Franz. Mu#223;te ich da nicht an meine alten Bekannten aus der Heimat denken, an die Leute, wegen deren Erbschaft ich mit Winnetou nach Aegypten und Tunis gegangen und jetzt wieder nach Amerika gekommen war? Eine Spanierin, die deutsche Lieder singt, war mir nicht recht einleuchtend. Es war weit eher denkbar, da#223; die S#228;ngerin eine Deutsche war, die jetzt, hier in Neu-Mexiko, einen spanischen Namen trug. Ich sagte das Winnetou, und er war sofort bereit, mit in das Konzert zu gehen. Es war nur noch eine halbe Stunde bis zum Beginn desselben; wir mu#223;ten uns also sputen und gingen hin#252;ber. Der Aufw#228;rter hatte nicht zu viel gesagt, wenigstens was das Publikum betraf. Auch der » Saloon« war ein Brettergeb#228;ude; er hatte einen solchen Umfang, da#223; wohl sechshundert Menschen sitzen konnten, und doch waren nur noch wenige St#252;hle frei, welche ganz hinten standen. Wir setzten uns auf zwei derselben. Schon nach wenigen Minuten waren auch die #252;brigen besetzt, und die vielen Menschen, welche dann noch kamen, mu#223;ten in den Zwischenr#228;umen und G#228;ngen stehen. Es war keine B#252;hne vorhanden; man hatte ein Podium errichtet, auf welchem ein Fl#252;gel stand. Daneben war ein kleiner Raum durch Vorh#228;nge f#252;r die K#252;nstler abgesondert. Als das Zeichen zum Beginn gegeben wurde, traten letztere auf das Podium. Ja, sie waren es, Franz Vogel mit seiner Schwester, der einstigen Punktiererin. Er hatte die Violine in der Hand, und sie setzte sich an das Instrument, ihn zu begleiten. Er spielte ein Bravourst#252;ck, und ich h#246;rte, da#223; er gegen fr#252;her ganz bedeutende Fortschritte gemacht hatte. Martha sa#223; so, da#223; ich sie im Profile sah. Sie hatte sich jetzt vollst#228;ndig entwickelt und war noch sch#246;ner geworden. Der Kummer, die Leiden der letzten Jahre hatten ihr Gesicht durchgeistigt und ihren Z#252;gen einen wehm#252;tigen Ernst aufgepr#228;gt, der mich mit Wehmut erf#252;llte. Beide zogen sich nach dem ersten St#252;cke zur#252;ck. Die zweite Nummer war f#252;r Martha, und Franz begleitete. Sie sang eine spanische Romanze, und zwar so vortrefflich, da#223; sie dieselbe wiederholen mu#223;te. Sie hatte keinerlei Toilettenk#252;nste angewendet und trug ein langes, schwarzes Kleid, welches hoch und eng am Halse anschlo#223;. Ihr ganzer Schmuck bestand aus einer einzigen Rose im Haare. Die Geschwister teilten sich in das Programm, wechselten einander nach jeder Nummer ab und begleiteten sich gegenseitig. Martha sang hernach zwei Hochlandslieder, eine spanische Serenade, und dann folgte das pr#228;chtige deutsche Lied: »Ich sah dich nur ein einzig Mal, Da war's um mich geschehen; Ich f#252;hlte deiner Augen Strahl Durch meine Seele gehen.« Ja, das war deutsche Innigkeit und Gem#252;tstiefe. Solche Lieder kann nur Deutschland haben. Der gr#246;#223;te Teil des Publikums verstand kein Wort des Textes, und doch folgte ein Applaus, da#223; das Geb#228;ude zu zittern schien. Die S#228;ngerin mu#223;te zwei Strophen wiederholen. Winnetou hatte nat#252;rlich Franz Vogel erkannt. Er fragte mich jetzt: »Will mein Bruder nicht einmal hingehen, um zu fragen, wo sie wohnen? Wir m#252;ssen doch mit ihnen reden.« Er hatte recht. Die K#252;nstler traten heute zum letztenmal auf; vielleicht reisten sie schon morgen ab; ich mu#223;te mit ihnen sprechen. Ich stand also von meinem Stuhle auf, um zu ihnen zu gehen. Dabei mu#223;te ich mich durch die auf dem Gange stehende Menge dr#228;ngen, was die Augen auf mich zog. Da h#246;rte ich den erschrockenen, halblauten, aber doch vernehmlichen Ausruf: »All devils! Du, das ist ja Old Shatterhand!« Ich blickte nach der Stelle, wo die Worte erklungen waren. Da sa#223;en zwei M#228;nner nebeneinander, welche breite Sombreros trugen. Unter den riesigen Kr#228;mpen waren nur die dunklen Vollb#228;rte zu sehen, und als sie bemerkten, da#223; ich hinsah, drehten sie sich auf die Seite. Das fiel mir auf; aber die Nennung meines Namens hatte vieler Blicke auf mich gerichtet; das genierte mich, und darum ging ich weiter. Die Geschwister befanden sich w#228;hrend der Pausen hinter dem Vorhange. Ich blieb vor demselben stehen und fragte deutsch: »Ist es einem Bekannten erlaubt, Zutritt zu nehmen?« Da wurde der Vorhang ge#246;ffnet; ich trat hinein und stand vor ihnen. »Wer - wer - was - - Sie, Sie sind es?« fragte Franz, indem er vor Ueberraschung zwei Schritte zur#252;ckwich. »Herr Doktor!« schrie Martha auf. Es war mir, als ob sie wankte; ich machte eine Bewegung, sie zu st#252;tzen; da fa#223;te sie meine H#228;nde und k#252;#223;te sie, ehe ich es zu verhindern vermochte, und brach dabei in ein lautes Schluchzen aus. Ich f#252;hrte sie zum Stuhle, dr#252;ckte sie sanft auf denselben und sagte zu ihrem Bruder: »Wie froh bin ich, zu sehen und zu h#246;ren, da#223; Sie sich hier befinden. Ich habe Ihnen Wichtiges zu sagen, darf Sie aber jetzt nicht st#246;ren, sondern will Sie nur fragen, wo Sie wohnen.« »Im letzten Hause vor der Stadt am Flusse,« antwortete er. »Darf ich Sie nach dem Konzerte dorthin begleiten?« »Ja, ja, wir bitten Sie sehr darum.« »Gut! Ich werde also hierher kommen, um Sie abzuholen. Winnetou ist auch hier.« Martha hielt die H#228;nde vor das Gesicht und weinte; ich ging, um die Aufregung abzuk#252;rzen. Als ich an die Stelle kam, wo mein Name genannt worden war, wollte ich die beiden M#228;nner sch#228;rfer als vorher ins Auge fassen; ihre St#252;hle waren leer; sie waren fort. W#228;re ich doch vorhin nicht weiter gegangen! Es dauerte jetzt eine l#228;ngere Weile, ehe die Geschwister wieder erschienen. Martha mu#223;te sich beruhigen, bevor sie sich zeigen konnte. Ihr Bruder trug ein Konzertst#252;ck vor; dann sang sie. Als der rauschende Beifall verklungen war, zeigte sich das Publikum so begeistert, da#223; sich niemand entfernen wollte; es dauerte sehr lange, ehe der Saal sich leerte. Winnetou ging auch; er wollte mich allein mit den Geschwistern lassen, und das war mir nicht unlieb, denn wir h#228;tten doch deutsch gesprochen, und das verstand er nicht vollst#228;ndig. Als ich glaubte, annehmen zu d#252;rfen, da#223; keiner der begeisterten Zuh#246;rer mehr willens sei, der S#228;ngerin bel#228;stigend in den Weg zu treten, begab ich mich in ihr kleines Kabinett, um sie abzuholen. Sie sagte nichts, und auch ich schwieg. Ich bot ihr den Arm, und wir verlie#223;en das Lokal-Ihr Bruder konnte nicht gleich mitkommen, da er mit dem Wirte gesch#228;ftlich zu thun hatte. Der Abendhimmel war von jener Bl#228;ue, welche Neu-Mexiko, wo es oft w#228;hrend eines ganzen Jahres nicht regnet, eigen ist. Man konnte, obgleich der Mond nicht am Himmel stand, fast wie am Tage sehen. Das Haus, in welchem die Geschwister f#252;r die kurze Zeit ihres hiesigen Aufenthaltes Logis genommen hatten, lag noch eine Strecke weiter nahe am Flusse. Die Wirtin war eine Witwe spanischer Abstammung. Martha hatte nicht in einem der #246;ffentlichen Gasth#228;user wohnen wollen. Dieselben wurden zwar Hotels genannt, boten aber keine Bequemlichkeit, waren #252;berteuer und dabei Lokale, in denen alle m#246;glichen Menschen und Existenzen verkehrten, so da#223; man seiner Bequemlichkeit und Ruhe, ja selbst wohl auch seines Lebens nicht sicher war, Der schmale, ausgetretene Pfad, den wir gingen, f#252;hrte hart am Ufer des Flusses hin. Da stand allerlei Geb#252;sch, hinter dem dichtes Schilf aus dem Wasser ragte. Die Wirtin #246;ffnete; sie hatte auf die Heimkehr der Geschwister gewartet und zeigte ein einigerma#223;en verwundertes Gesicht, als sie ihre Mitbewohnerin mit einem fremden Manne erblickte; doch sagte sie nichts und leuchtete uns eine schmale Treppe hinauf in das kleine Obergescho#223;, in welchem die dreizimmerige Wohnung der beiden lag. H#228;user mit einem solchen Gescho#223; sind in Albuquerque #228;u#223;erst selten. Nachdem sie eine Lampe angez#252;ndet hatte, entfernte sie sich, doch nicht, ohne da#223; sie vorher von Martha erfahren hatte, da#223; ihr Bruder gleich nachkommen werde. Nun sa#223;en wir einander gegen#252;ber. Es mu#223;te gesprochen werden; darum wollte ich es sein, welcher begann: »Sie wissen nat#252;rlich, da#223; Ihr Bruder dr#252;ben bei mir in der Heimat gewesen ist, um mir mitzuteilen, wie es bei Ihnen stand?« »Ja. Ich bin es ja eigentlich gewesen, welcher ihm den Mut gemacht hat, sich an Sie zu wenden.« »Geh#246;rte solch ein Mut dazu?« »Gewi#223;. Er meinte, sie w#252;rden wohl kaum bereit sein, nach allem, was fr#252;her vorgekommen war, sich unser noch einmal anzunehmen.« »Da bin ich freilich von ihm nicht so beurteilt worden, wie es mir lieb sein w#252;rde. Uebrigens war es ja wohl Winnetou, der Sie auf mich lenkte. Oder nicht?« »Ja. Der herrliche Mann wurde uns geradezu von Gott gesandt. Er errettete uns aus tiefer Not, und nur den Mitteln, mit denen er uns unterst#252;tzte, haben wir es zu verdanken, da#223; wir die Konzerttournee, auf welcher wir uns jetzt befinden, beginnen konnten.« »Darf ich wissen, wie das gesch#228;ftliche Ergebnis ausgefallen ist?« »Ausgezeichnet! Wo wir zum erstenmal auftreten, werden wir mit sichtbarem Zweifel empfangen; stets aber sind wir dann st#252;rmisch aufgefordert worden, dem ersten Konzerte mehrere folgen zu lassen. So war es auch hier.« »Und wohin reisen Sie nun?« »Wir gehen nach Santa Fe und dann nach dem Osten.« »Ah! Sie sind mit Ihren bisherigen Erfolgen nicht zufrieden? Sie wollen Million#228;rin werden!« Sie senkte die Augen, und ihr Gesicht nahm einen viel ernsteren Ausdruck als vorher an, als sie antwortete: »Million#228;rin? Ich mag es nicht wieder sein, wenigstens nicht um den Preis, den ich damals daf#252;r bezahlen mu#223;te. Ich sah sehr bald ein, da#223; ich verblendet gewesen war. Und von meinen Erfolgen sprechen Sie? Glauben Sie ja nicht, da#223; die im stande sind, mich trunken zu machen! Sie wissen, da#223; ich schon damals lieber daheim, als #246;ffentlich singen wollte. Mein Ideal war nicht das einer S#228;ngerin, die jeder h#246;ren darf, der das Entree bezahlt. Und noch viel lieber w#228;re es mir heute, wenn ich damals von dem Kapellmeister nicht "entdeckt" worden w#228;re. Er nahm mich unter einen Zwang, dem nur sehr schwer zu widerstehen war. H#228;tte er das nicht gethan, so w#228;re ich eine arme Punktiererin geblieben und - -« Sie z#246;gerte, weiterzusprechen; da ich aber nichts sagte, fuhr sie fort: »Und w#228;re vielleicht trotzdem gl#252;cklich geworden oder vielmehr so gl#252;cklich geblieben, wie ich zu jener Zeit war.« »Hoffentlich darf ich Sie nicht zu den Ungl#252;cklichen rechnen!« Da schlug sie die Augen wieder auf, blickte sinnend #252;ber mich hinweg und antwortete- »Was hei#223;t Gl#252;ck und was Ungl#252;ck? Man darf Gl#252;ck nicht mit immerw#228;hrender Wonne und Ungl#252;ck nicht mit einem fortgesetzten Seelenschmerze vergleichen. Fragen Sie mich aber, ob ich - zufrieden bin, dann antworte ich mit einem ja, wenn ich mich dazu - zwinge.« Das Gespr#228;ch schien eine etwas peinliche Wendung zu nehmen; darum war es mir lieb, da#223; jetzt ihr Bruder kam. Er hatte ein Paket unter dem Arme, legte es auf den Tisch, deutete mit der Linken darauf, reichte mir die Rechte und sagte in frohem Tone: »Herzlich willkommen, Herr Doktor! Wer h#228;tte so etwas ahnen k#246;nnen! Ich war starr vor Erstaunen, aber auch vor Freude, als ich Sie erblickte. Nun wollen wir aber auch das Willkommen feiern. Dazu habe ich etwas mitgebracht. Raten Sie, was!« »Wein jedenfalls?« »Ja, aber was f#252;r welchen? Da, lesen Sie!« »Riedesheimer Berg!« las ich. »Ja,« nickte er lachend, indem er mir die Flasche noch n#228;her hielt. »Nun wundern Sie sich wohl? »Nein, gar nicht. Ich #228;rgere mich vielmehr.« »Wor#252;ber?« »Weil er falsch ist.« »Erst kosten, erst kosten!« »Ist nicht n#246;tig, denn sogar die Etikette ist gef#228;lscht, denn der Ort hei#223;t R#252;desheim, nicht aber Riedesheim.« »Ah!« machte er entt#228;uscht, indem er die Etikette genauer betrachtete. »Das habe ich gar nicht bemerkt.« »Ein famoser, orthographischer Schnitzer! Wenn die Etikette hier h#252;ben gedruckt worden ist, wo mag dann da erst der Wein zusammengequirlt worden sein! Wieviel haben Sie f#252;r die Flasche bezahlt?« »F#252;nfzehn Dollars.« »Zwei Flaschen?« »Eine!« »So! Da geht es noch. Es giebt R#252;desheimer, f#252;r welchen man sogar dr#252;ben an der Quelle weit mehr bezahlt. Die drei#223;ig Dollars lassen sich verschmerzen. Also versuchen wir den famosen R#252;desheimer!« Er hatte drei Gl#228;ser gef#252;llt. Wir stie#223;en an und f#252;hrten sie an den Mund. Die beiden Geschwister nahmen einen Schluck und machten dann unheimliche Gesichter. Ich trank aber gar nicht, denn ich hatte schon von dem Geruche genug. Das war ja der reine Essig- und Rosinenmoder! Wir setzten die Gl#228;ser auf den Tisch, und Franz Vogel schimpfte. »Dar#252;ber lassen Sie sich ja keine grauen Haare wachsen!« sagte ich. »Ich bin nicht zu Ihnen gekommen, um zu trinken. Sch#252;tten Sie das Zeug weg, und setzen Sie sich! Wir haben von etwas Besserem zu sprechen.« »Ja, von Ihren Erfolgen dr#252;ben in Aegypten!« meinte er, indem er mich in gro#223;er Spannung anblickte. »Die Aufgabe war zu schwer. Ich bin #252;berzeugt, da#223; Sie nichts ausgerichtet haben. Es w#228;re ja dem kl#252;gsten Menschen der Erde unm#246;glich, den Gesuchten auf die wenigen und nebelhaften Anhaltepunkte hin, welche es gab, zu finden.« »Hm! Im Nebel rennen oft Leute ganz zuf#228;llig zusammen, welche sich bei reiner, klarer Luft wahrscheinlich nicht gesehen h#228;tten!« »Wie - was?! Sagen Sie so? Das l#228;#223;t vermuten, da#223; Ihre Reise doch nicht ganz vergeblich gewesen ist?« »Das l#228;#223;t vermuten, da#223; ich Ihre Frau Schwester zu etwas zwingen werde, was ihr sehr zuwider zu sein scheint.« »Zu was?« »Sie behauptete vorhin, als Sie noch nicht hier waren, da#223; sie keine Lust habe, wieder Million#228;rin zu werden.« ' »Million#228;rin?! Ist es etwa das, wozu Sie sie zwingen wollen?« Aa. Ich nehme meine Worte in vollstem Ernste.« »Das w#228;re ja mehr als erstaunlich, mehr als wunderbar!« rief er aus, indem er von seinem Sitze aufsprang. Auch seine Schwester richtete ihre Blicke in gr#246;#223;er Spannung auf mein Gesicht, sagte aber nichts. »Es ist gar nichts Wunderbares an der Sache,« fuhr ich fort. »Wunderbar k#246;nnte man nur das eine nennen, da#223; sie noch immer nicht zu Ende ist.« »So sagen Sie schnell, wie war es denn eigentlich? Sie waren damals der Ansicht, da#223; der Reisebegleiter von Small Hunter ein Betr#252;ger sei und Jonathan Melton hei#223;e.« »So ist es.« »Haben Sie ihn getroffen?« »Ja, und Small Hunter auch, den einen tot und den andern lebend.« »Welcher war es, der lebte?« »Melton; Small Hunter ist tot.« »Mein Himmel! So sind wir die Erben des riesigen Verm#246;gens!« »Der Millionen!« f#252;gte ich hinzu. Er legte sich die H#228;nde auf den Kopf und rief aus: »Wer das glauben k#246;nnte! Welche Freude! Schon um unserer Eltern willen! Jetzt f#252;hle ich es, da#223; man vor Freude vom Schlage getroffen, oder gar wahnsinnig werden kann. Kommen Sie, kommen Sie; ich mu#223; Sie umarmen, Sie einziger, einziger Mensch!« Er wollte mich von meinem Stuhle aufziehen. Ich wehrte ab und versuchte, seine freudige Aufregung dadurch zu d#228;mpfen, da#223; ich ihn bat: »M#228;#223;igen Sie sich! Die Angelegenheit ist noch nicht bei dem Punkte angelangt, an welchem sie stehen m#252;#223;te, wenn Sie Grund h#228;tten, vor Freude wahnsinnig zu werden. Ja, es ist richtig, da#223; Sie die Erben sind; aber das Verm#246;gen ist leider nicht mehr da. Jonathan Melton hat es.« »O Himmel! Dann hat es ihm der Rechtsanwalt Fred Murphy #252;bergeben?« »Derselbe,« entgegnete ich und erz#228;hlte ihm den Zusammenhang. »So mu#223; Melton das Geld augenblicklich herausgeben! Wo steckt der Halunke? Ich reise sofort von hier ab, um ihn aufzusuchen und zur Zur#252;ckgabe zu zwingen!« Er nahm bei diesen Worten eine so drohende Stellung an, und machte dabei ein so grimmiges Gesicht, da#223; es Melton, wenn er es gesehen h#228;tte, sicherlich angst geworden w#228;re. »Nun!« fuhr er fort, als ich nicht augenblicklich antwortete. »Wo steckt dieser Mensch?« »Hier in Albuquerque,« antwortete ich ruhig. »Was? Hier - in - Albuquerque?« Ja. Begreifen Sie das nicht? Ich bin doch ausgezogen, den Menschen zu entlarven; ich bin seiner Spur gefolgt; also ist doch, wenn ich mich hier befinde, nicht allzu schwer zu denken, da#223; seine Spur mich hierher gef#252;hrt hat.« »Ah, so! Das ist freilich richtig! Also hier ist er, hier! Ich werde - -« »Halt!« unterbrach ich ihn, weil er sich schon nach der Th#252;r wendete. »Warten Sie noch ein Weilchen! Er steht n#228;mlich nicht drau#223;en auf der Treppe, um Ihnen gem#252;tlich in die Arme zu laufen. Ich wollte vorhin sagen: er ist entweder hier oder wenigstens hier gewesen, und zwar vor ganz kurzer Zeit, vor l#228;ngstens zwei Tagen.« »Da sind wir ja schon l#228;nger hier! Und haben keine Ahnung von seiner Anwesenheit! Und Sie wissen nicht, ob er noch hier, oder schon wieder fort ist? Konnten Sie denn nicht erfahren, wo er seinen Aufenthalt hier nehmen wollte?« »Ich habe es erfahren. Wahrscheinlich ist er in Pleners SaIon abgestiegen.« »Pleners Salon! Da bin ich t#228;glich mehreremal gewesen! Vielleicht habe ich mit ihm sogar an einem Tische gesessen!« »Die M#246;glichkeit ist allerdings vorhanden.« »Und nichts davon gewu#223;t! Aber daran bin doch ich nicht schuld, denn ich bin ohne alle Ahnung gewesen! Sie, Sie, Sie tragen die Schuld! Haben Sie sich denn nicht sofort, als Sie hier ankamen, nach ihm erkundigt?« »Erkundigt? F#228;llt mir nicht ein! Ich will sehr gern die Schuld auf mich nehmen, vorsichtig gewesen zu sein. Konnte ich mich bei ihm sehen lassen? Wenn er mich bemerkte, machte er sich heimlich von dannen.« »Das ist freilich wahr; entschuldigen Sie! Die Millionen machen mich ganz verwirrt.« »Sammeln Sie sich! Sie k#246;nnen #252;berzeugt sein, da#223; von mir keine Vorsichts- oder sonst irgendwo gebotene Ma#223;regel vers#228;umt worden ist. Dieser Mensch hat es uns sehr schwer gemacht; er ist uns immer wieder entwischt, nicht etwa, weil wir gro#223;e Fehler begangen h#228;tten, sondern weil er viel Gl#252;ck gehabt hat. Setzen Sie sich wieder ruhig her, und lassen Sie sich erz#228;hlen!« Ich zog ihn auf seinen Sitz nieder und berichtete unsere Erlebnisse. Nat#252;rlich dr#228;ngte es Mich, dabei die Th#228;tigkeit Winnetous und des Englishman hervorzuheben. Man kann sich sehr leicht denken, mit welcher Aufmerksamkeit die Geschwister meiner Erz#228;hlung folgten. Ich wurde von hundert und wieder hundert Fragen, Ausrufen und dergleichen unterbrochen, soda#223; es lange dauerte, bis ich fertig wurde. Endlich war ich mit meinem Berichte bei der gegenw#228;rtigen Stunde angekommen und konnte mich an der Verwunderung weiden, welche die beiden erf#252;llte. Der Bruder fiel mit #252;berschw#228;nglichen Ausdr#252;cken des Lobes #252;ber mich her; ich wehrte ihn mit der Bemerkung ab: »Sagen Sie das nicht mir, sondern Sir Emery und Winnetou, die Sie ja bald sehen werden. Die beiden haben alles Lob verdient, wenn es uns gelingen sollte, die Angelegenheit zum guten Ende zu bringen.« Die Schwester gab mir stumm die Hand, sie sagte nichts, und das war mir lieber als die #252;berlaute AnAnerkennung ihres Bruders. Dieser ging aufgeregt im Zimmer hin und her, brummte, sch#252;ttelte den Kopf, stie#223; unverst#228;ndliche Worte aus, drohte mit den F#228;usten, als ob er Melton vor sich habe, bis ich diesem Gebaren durch die Bemerkung ein Ende machte: »Zanken Sie sich nicht mit der Luft, mein lieber Freund! Dadurch erreichen Sie nichts. Nun ich Ihnen alles erz#228;hlt habe, werde ich nach meinem Hotel gehen. Jedenfalls ist Emery schon dagewesen, oder noch da, uni zu berichten, wie es in Pleners Salon steht. Befindet sich Jonathan Melton noch dort, so entkommt er uns gewi#223; nicht wieder. Ist er aber schon fort, so reiten wir ihm morgen fr#252;h nach. Und was seinen Vater und seinen Oheim anbetrifft, so - hm, so m#246;chte ich fast behaupten, da#223; sie hier sind, ja, da#223; ich sie sogar gesehen habe.« Und ich berichtete die Scene im Konzertsaal. »Die beiden M#228;nner trugen Sombreros?« meinte er nachdenklich. »Sagen Sie mir, von welcher Gestalt die beiden alten Meltons sind!« »Lang und hager; die H#246;he wird wohl bei beiden gleich sein.« »So habe ich sie wahrscheinlich vorhin, als ich kam, gesehen!« »Und wo?« »Zwischen hier und dem ersten Hause, auf unserm Fu#223;wege am Flusse.« »Ah! Sollten Sie es auf mich abgesehen haben?« »Schwerlich! Sie wissen ja nicht, da#223; Sie sich hier befinden.« »Denken Sie das nicht! Die Meltons sind sehr erfahrene Westm#228;nner. Nehmen wir an, da#223; sie mit den beiden Personen im Konzerte identisch sind. Sie haben mich gesehen und erkannt; sie haben sich sofort gesagt, da#223; ich nur ihretwegen hier bin; darum sind sie schleunigst fortgegangen.« »Aber hierher? Sie konnten doch nicht wissen, da#223; Sie zu uns gehen w#252;rden!« »Das ist richtig; aber sie sind auch nicht direkt von dort hierher gegangen, sondern sie haben sich in der N#228;he des Konzertlokales versteckt, um zu erfahren, wo ich mich aufhalte, wo ich wohne. Sie haben gesehen, da#223; ich mit Ihrer Schwester den Weg nach hier eingeschlagen habe, sind uns gefolgt und wollen nun auf mich warten, wahrscheinlich um mich unsch#228;dlich zu machen. Wurden Sie von ihnen gesehen?« »Nat#252;rlich! Ich mu#223;te an ihnen vor#252;ber. Und jetzt f#228;llt mir ein, da#223; sie zu erschrecken schienen, als sie meine Schritte hinter sich h#246;rten und sich nach mir umdrehten.« »Es ist so hell drau#223;en, da#223; man alles sehen kann. Haben Sie bemerkt, wie die beiden bewaffnet waren?« »Nach Messern, Pistolen oder Revolvern habe ich nicht geschaut; ich war zu schnell an ihnen vor#252;ber; aber Gewehre hatten sie in den H#228;nden.« »Das ist der sicherste Beweis, da#223; sie schie#223;en wollen. Niemand schleppt jetzt Gewehre in der Stadt herum. Im Konzerte haben sie die Flinten nicht mitgehabt, folglich haben sie sich dieselben geholt, weil sie etwas vorhaben, wobei sie ihrer bed#252;rfen. Und was sie vorhaben, das ersehe ich daraus, da#223; sie sich in der N#228;he Ihrer Wohnung aufgestellt haben. Es gilt ohne allen Zweifel mir.« Da bat Martha, indem sie schnell meine Hand ergriff: »Um des Himmels willen, gehen Sie nicht fort! Sie m#252;ssen hier bleiben!« »Das ist unm#246;glich, weil Winnetou und Emery auf mich warten.« »Sie m#246;gen warten bis morgen fr#252;h!« »Bis dahin kann gar manches geschehen, wobei meine Gegenwart notwendig ist. Jedenfalls warten Sie schon jetzt mit Ungeduld auf mich. ich mu#223; fort, wirklich fort.« »Und ich lasse Sie nicht fort!« rief sie, indem sie sich auch meiner andern Hand bem#228;chtigte. »Man will Sie erschie#223;en, bedenken Sie doch, was das hei#223;t!« »Das hei#223;t, da#223; schon mancher Mann auf mich hat schie#223;en wollen und auch wirklich geschossen hat, und Sie sehen mich trotzdem heil und gesund hier bei Ihnen.« »Diesmal aber ist die Gefahr zu gro#223;. Drau#223;en stehen zwei M#246;rder, h#246;ren Sie, zwei M#246;rder!« »Das w#228;re nur dann gef#228;hrlich, wenn ich es nicht w#252;#223;te. Nun ich aber davon unterrichtet bin, hat es gar kein Bedenken. Es sind zwei F#228;lle m#246;glich, und in beiden giebt es keine Gefahr f#252;r mich. Der eine Fall ist, da#223; die Meltons annehmen, da#223; Sie mich von ihrer Gegenwart am Flusse benachrichtigen. Sie sind also fortgegangen, weil Ihr Hinterhalt unn#252;tz ist, da ich gewarnt worden bin.« »Und der andere Fall?« »Sie befinden sich trotz der Begegnung noch drau#223;en. Um mich zu #252;berraschen, m#252;ssen sie sich verbergen; sie stecken also im Geb#252;sch des Ufers, ich aber werde mich ganz selbstverst#228;ndlich h#252;ten, diese Richtung einzuschlagen. Ich mache einen Umweg.« »Das sehen sie, eilen Ihnen nach und schie#223;en Sie nieder! Nein, Sie bleiben da; ich bitte, bitte!« Ihre Bitte war dringend; ich sah, da#223; sie sich wirklich #228;ngstigte, durfte aber nicht nachgeben; darum antwortete ich, indem ich meine H#228;nde aus den ihrigen befreite: »Versuchen Sie nicht, mich zu halten; ich mu#223; fort, wirklich fort, denn - -« Ich hielt mitten in der Rede inne, denn drau#223;en fiel ein Schu#223; und gleich darauf ein zweiter. Dann rief eine Stimme: »Da dr#252;ben war es! Drauf, auf die Strauchdiebe!« Das war Emerys Stimme. Ich nahm die Lampe, dr#252;ckte sie Franz Vogel in die Hand und sagte: »Leuchten Sie mir! Schnell, schnell! Ich mu#223; fort!« Martha wollte mich am Arme zur#252;ckhalten; ich ri#223; mich aber los, und eilte aus dem Zimmer und die Treppe hinunter. Unten konnte ich die Th#252;re nicht #246;ffnen, da ich den Mechanismus nicht kannte. Darum mu#223;te ich warten, bis Vogel nachkam. Als ich dann drau#223;en vor derselben stand und mich umblickte, konnte ich trotz der ungew#246;hnlichen Helligkeit nichts sehen. Droben an der Treppe stand Martha und rief herab: »Bleiben Sie doch! Sie haben ja geh#246;rt, da#223; es Ernst ist!« »F#252;r mich nicht mehr. F#252;r mich ist die Gefahr vor#252;ber, denn die Kerle sind vertrieben worden, aber wenn ihre Sch#252;sse getroffen haben, so ist es mir um meinen Winnetou leid.« »Winnetou?« fragte Vogel. »Sie meinen, da#223; er hier gewesen ist?« »Ja. Ich habe Bothwells Stimme erkannt; dieser hat nicht gewu#223;t, da#223; ich hier bin; er kann es nur von Winnetou erfahren haben, und der hat ihn auf keinen Fall allein gehen lassen, sondern ihn ganz gewi#223; begleitet.« »Und um Winnetou thut es Ihnen leid?« »Ja, denn dieser ist's, der eine Kugel erhalten hat, falls n#228;mlich wirklich einer getroffen wurde. Emery ist, wie ich aus seinem Ausrufe h#246;re, den Attent#228;tern nach; die Stimme des Apatschen aber haben wir nicht geh#246;rt; er mu#223; - - ah, Gott sei Dank, da dr#252;ben kommen zwei Gestalten! Das macht mir das Herz so leicht, so leicht! Sie sind's; sie sind's, und keiner scheint verletzt zu sein!« Die beiden kamen schnell #252;ber das freie Feld her#252;bergelaufen. Winnetou und Emery waren es. Ich sprang ihnen in meiner Freude entgegen und fragte: »Wurde einer von euch getroffen?« »Nein,« antwortete Emery. »Die Kugeln waren zwar sehr gut gemeint, aber um so schlechter gezielt. Wer wei#223;, wer die Schufte gewesen sind! Jedenfalls ein paar hiesige Elendsritter, welche es auf andere Leute abgesehen hatten und uns mit diesen verwechselt haben.« »Denkt das nicht! Es war auf mich abgesehen. Die Strauchritter waren die alten Meltons, wenn mich nicht alles t#228;uscht.« »Wetter! Ist das m#246;glich?« »Nicht nur m#246;glich, sondern sogar mehr als wahrscheinlich.« »Der Tausend! Wenn das wirklich so w#228;re, #228;rgerte ich mich tot! Warum glaubst du, da#223; sie es waren?« »Das sollst du erfahren; aber um keinen Fehler zu begehen und nichts zu vers#228;umen, mu#223; ich wissen, wohin die beiden Halunken gefl#252;chtet sind.« »Fort sind sie, fort!« »Und ihr habt sie nicht eingeholt? Winnetou ist doch ein gro#223;er L#228;ufer!« Da erkl#228;rte der Apatsche: »Winnetou war schnell hinter ihnen her; fast hatte er sie ereilt; aber da standen zwei Pferde, sie sprangen auf und galoppierten fort.« »Ah, ist's so? Und da ihr eure B#252;chsen nicht mit hattet, konntet ihr ihnen keine Kugeln nachsenden. Der Plan war gar nicht schlecht ausgedacht; sie sind fort und werden nicht zur#252;ckkehren.« »Meinst du?« fragte Emery. »Wenn sie umkehren und sich heranschleichen, geraten wir abermals in Gefahr.« »Sie sind fort; ich wei#223; es sicher. Nun sie auch euch gesehen und wenigstens Winnetou erkannt haben, werden sie sich h#252;ten, sich nochmals hierher zu wagen. Kommt mit herauf! Die Sennora wird es gestatten!« Es war mir lieb, da#223; ich die beiden Gef#228;hrten hier hatte, wir konnten so ohne Weitl#228;ufigkeit mit Franz Vogel das weitere besprechen. Und Martha war nat#252;rlich hocherfreut, die beiden M#228;nner, denen sie soviel zu verdanken hatte, bei sich zu sehen. Als wir uns wieder im Zimmer befanden, forderte ich zun#228;chst Emery auf: »Erz#228;hle vor allen Dingen, wie sich der Vorfall jetzt drau#223;en abgespielt hat!« »Schlecht hat er sich abgespielt, herzlich schlecht!« z#252;rnte er. »H#228;tte ich geahnt, da#223; die beiden Kerls da drau#223;en im Felde lagen, so -« »Im Felde?« unterbrach ich ihn. »Ja. Wo sonst?« »Nicht in den B#252;schen am Flusse?« »Nein. Warum fragst du?« »Nachher! Erz#228;hle nur weiter!« »Ich ging in euer Hotel, um mit euch zu reden, und traf nur Winnetou, der mir sagte, wen du gefunden hattest. Wir warteten auf dich. Du kamst nicht; da gingen wir zu dir.« »Aber Winnetou kannte doch dieses Haus nicht!« »Unsinn! Wir sind doch keine Kinder, die nicht wissen, wie man etwas erf#228;hrt, was man wissen will! Wir haben nat#252;rlich nach der Wohnung der Herrschaften gefragt. Wir schlenderten am Flusse her, um zu erfahren, ob vielleicht etwas Unangenehmes der Grund deines langen Ausbleibends sei, da erhoben sich pl#246;tzlich zwei Gestalten rechts von uns im Felde, h#246;chstens vierzig bis f#252;nfzig Schritte von uns. Wir sahen, da#223; sie die Gewehre auf uns anlegten und warfen uns nieder, gerade als die Sch#252;sse aufblitzten. Dann sprangen wir auf und eilten auf sie zu. Die Halunken drehten um und schossen davon, was ihre Beine nur laufen konnten. Winnetou war mir voran; du wei#223;t, da#223; er besser l#228;uft, als ich; er kam ihnen n#228;her und n#228;her; da standen pl#246;tzlich, wie aus der Erde hervorgezaubert, zwei Pferde, auf welche sie sprangen; fort ging's im Galopp. So ist's geschehen.« Winnetou f#252;gte hinzu, indem ein leichtes L#228;cheln #252;ber sein sch#246;nes Gesicht glitt: »Winnetou war dem einen sehr nahe und kam gerade recht, den Schwanz seines Pferdes zu erfassen und ihn beim ersten Sprunge des Tieres wieder loszulassen.« »Ihr habt doch Revolver mit. Warum habt ihr nicht geschossen?« »Weil wir nicht wu#223;ten, wer es war,« antwortete Emery. »H#228;tte ich geahnt, wen wir vor uns hatten, so w#228;re es jedenfalls anders geworden!« »Mein Bruder mag nicht so sprechen,« sagte der Apatsche. »Wir haben nicht klug, sondern wie Knaben gehandelt, welche keine Erfahrung besitzen. Sie schossen; sie waren M#246;rder, und M#246;rder l#228;#223;t man nicht entlaufen. Wir h#228;tten, als wir uns niederwarfen, liegen bleiben sollen; sie h#228;tten geglaubt, wir seien getroffen worden und verwundet, oder gar tot. Sie w#228;ren zu uns gekommen, um nachzusehen, und wir h#228;tten dann - wei#223; mein Bruder Emery, was wir dann gethan h#228;tten?« »Alle Wetter!« rief Bothwell begeistert. »Nat#252;rlich wei#223; ich es! Wir h#228;tten sie gepackt und nicht wieder fortgelassen. Wir sind doch zwei Kerle, die es mit solchen Menschen aufnehmen d#252;rfen. Ja, du hast recht, wir haben wie Schulbuben gehandelt. Wie konnten wir nur so dumm sein! Sage mir das einmal, Charley!« »Das ist leicht zu sagen,« antwortete ich. »Ihr ginget unbefangen und ahnungslos eures Weges und mu#223;tet also sehr betroffen sein, als ihr, so nahe der Stadt dazu, pl#246;tzlich mit Gewehren angefallen wurdet. Es ist ein Zeichen au#223;erordentlicher Geistesgegenwart, da#223; ihr sofort niedergefallen seid. Mehr kann kein Mensch selbst vom gewandtesten und ber#252;hmtesten Westmanne verlangen.« »Well! Das beruhigt mich. Dennoch w#228;re es besser gewesen, wenn wir Winnetous List in Anwendung gebracht h#228;tten. Aber das ist nun vor#252;ber; sprechen wir nicht mehr davon, da uns das nur zum Aerger gereichen w#252;rde!« »Ja, sprechen wir lieber von der Meldung, welche du uns in das Hotel bringen wolltest! Hattest du uns etwas Wichtiges zu sagen?« »Ja. Jonathan Melton ist hier gewesen und mit seiner Braut bei Plener abgestiegen.« »Wann?« »Gestern vormittags. Die beiden haben mit einander gespeist, neue Pferde eingetauscht und sind dann gleich wieder fortgereist.« »Zu Wagen?« »Ja. Vorher hat ihnen Plener einen F#252;hrer besorgen m#252;ssen, welcher mit ihnen abgeritten ist. Sie fahren #252;ber Acoma nach dem kleinen Colorado hin#252;ber.« »Wenn man das glauben darf! Es k#246;nnte darauf angelegt sein, uns irre zu f#252;hren.« »Dann m#252;#223;te Plener mit Jonathan unter einer Decke stecken!« »Ist nicht n#246;tig. Jonathan kann ihn belogen haben, um uns von ihm t#228;uschen zu lassen.« »M#246;glich! Plener macht den Eindruck eines geriebenen Hoteliers, aber ein Schurke ist er sicher nicht. Und warum sollte sich Jonathan mit solchen Vorsichtsma#223;regeln abgeben? Er wird das nicht f#252;r n#246;tig halten, da er sehr wahrscheinlich #252;berzeugt ist, da#223; wir da dr#252;ben im Thale des Todes von den Komantschen umgebracht worden sind.« »Es ist m#246;glich, da#223; er das denkt und sich also ziemlich sicher f#252;hlt. War das alles, was du zu sagen hattest?« »Nein. Plener selbst wollte ich nicht weiter fragen und bel#228;stigen, konnte aber von seinen Leuten nichts weiteres erfahren, soda#223; ich mich heute abend wieder an ihn wendete. Da sind heute vormittag zwei M#228;nner in seinen Salon gekommen, haben eine gute Zeche gemacht und ihn gefragt, ob ein Sennor mit einer Sennora zu Wagen bei ihm vorgesprochen habe. Er hat ihnen der Wahrheit nach die Auskunft gegeben, wie mir; dann sind sie fort.« »Sie kamen zu Fu#223;?« »Ja. Und jetzt f#228;llt mir ein, da#223; er mir so nebenbei bemerkte, sie h#228;tten sehr gro#223;e Sombreros gehabt.« »Also Vater und Onkel Melton! Sie sind so vorsichtig gewesen, nicht bei Plener abzusteigen, sondern nur f#252;r kurze Zeit bei ihm einzukehren.« »Aber warum sind sie bis heute abend hier geblieben und nicht sofort ihrem lieben Jonathan gefolgt?« »Wahrscheinlich weil sie erm#252;det waren, und auch ihren Pferden Ruhe g#246;nnen mu#223;ten.« »Wenn sie nicht ihre m#252;den Pferde gegen frische umgetauscht haben! Geld werden sie wahrscheinlich haben.« »Nat#252;rlich. Jonathan hat sie gewi#223; damit versorgt. Sie sind von New-Orleans aus einen andern Weg, als den seinigen hier heraufgeritten, der Vorsicht halber. Heut abend besuchten sie das Konzert, um sich zu unterhalten, und sahen mich. Sie vermuteten ganz selbstverst#228;ndlich, da#223; ihr bei mir seid, schlichen sich hinter mir her und warteten am Flusse, um auf mich zu lauern. Da kam hier Master Vogel an ihnen vor#252;ber. Sie wu#223;ten, da#223; er der Bruder der Dame ist, bei der ich mich befand, und vermuteten, da#223; er mich warnen werde.« »Und doch entfernten sie sich nicht? Man sollte meinen, sie h#228;tten sich darauf gleich aus dem Staube gemacht.« »Ist ihnen nicht eingefallen. Ich war allein und hatte kein Gewehr bei mir; das wu#223;ten sie; es war also sehr leicht, mit mir anzubinden. Sie brauchten mich ja nur von weitem niederzuschie#223;en; meine Revolver konnten mir in die Ferne nichts n#252;tzen. Und wie pfiffig haben sie es angefangen!« »Pfiffig? Ich meine im Gegenteile, da#223; sie nicht d#252;mmer handeln konnten.« »O nein. Es war wirklich pfiffig, da#223; sie sich nicht am Flusse versteckten. Ich war ja gewarnt und wu#223;te, da#223; sie dort standen. Darum war anzunehmen, da#223; ich den R#252;ckweg #252;ber das Feld einschlagen w#252;rde. Das hatte ich mir auch wirklich vorgenommen. Sie legten sich also ins Feld auf die Lauer, und zwar nicht allzu weit vom Flusse weg, um mich auch dann treffen zu k#246;nnen, falls ich den dortigen Weg einschlagen sollte. Da kamt ihr, und sie erkannten euch.« »Auch mich?« »Nat#252;rlich. Winnetou ist nicht zu verkennen, selbst dann nicht, wenn es nicht so hell ist, wie heute abend. Sie hatten mich gesehen; sie sahen Winnetou und wu#223;ten nun auch, wer du bist. Ihr waret ihnen ebenso gef#228;hrlich, wie ich es bin; darum schossen sie auf euch. Wir m#252;ssen Gott danken, da#223; ihnen der Anschlag nicht gelungen ist.« »Allerdings. Eigentlich war es nur auf dich abgesehen, dann aber standen wir n#228;her dem Tode als du, denn als die Kugeln um uns pfiffen, befandest du dich hier in vortrefflicher Sicherheit. Wie sie aber nur auf den Gedanken gekommen sind, ihre Pferde bereit zu halten?« »Weil sie mich im Konzerte gesehen haben. Vielleicht haben sie dann auch, ehe sie gingen, Winnetou bemerkt. Sie sagten sich, da#223; wir sie suchen w#252;rden, und waren auf ihre Flucht bedacht. Als sie mir bis hierher gefolgt waren, holten sie oder einer von ihnen ihre Pferde und hielten dieselben bereit, um, sobald die t#246;dlichen Sch#252;sse auf mich gefallen seien, ihres Weges zu reiten.« »Wohin?« »Wahrscheinlich in ganz derselben Richtung, welche Jonathan eingeschlagen hat. Sie haben sich doch jeden- jedenfalls vor ihrer Trennung in New-Orleans mit ihm dar#252;ber besprochen.« »Aber wie sie bis hierher anders geritten sind, als er, so k#246;nnen sie sich auch jetzt in gleicher Weise verhalten!« Da bemerkte Winnetou: »Das Schlo#223; der wei#223;en Squaw, wohin sie wollen, liegt, wie wir wissen, zwischen dem kleinen Colorado und der Sierra Blanca. Dorthin giebt es nur einen guten Weg, wie jeder wei#223;, der einmal in jener Gegend gewesen ist; dies ist der Weg, den das Bleichgesicht Jonathan einschl#228;gt. Warum sollen sein Vater und sein Oheim einen weitern und schlechtern Weg einschlagen?« »Das denke auch ich,« stimmte ich bei. »Die alten Meltons sind sehr erfahrene B#246;sewichter; die geben sich gewi#223; nicht mit gro#223;en Beschwerden ab, wenn das nicht unbedingt notwendig ist. Ich bin vollst#228;ndig #252;berzeugt, da#223; sie auch #252;ber Acoma reiten. Morgen, sobald es Tag geworden ist, folgen wir ihnen auf demselben Wege.« »Und ich reite mit!« rief Franz Vogel begeistert aus. »Sie?« lachte ich. »Wollen Sie in der wilden Sierra Blanca Konzerte geigen?« »Ja. Es verlangt mich, diesen Meltons eine Melodie vorzugeigen, an welcher sie genug haben sollen!« »Das #252;berlassen Sie am besten uns, lieber Freund. Sie sind ein sehr t#252;chtiger Musiker, aber Ihre Noten stehen nicht da drau#223;en in den Kanons des Colorado. Wir reiten den Meltons nach, um ihnen ihren Raub abzujagen; dabei k#246;nnen Sie uns gar nichts n#252;tzen. Wir werden nicht lange fort sein. Gehen sie inzwischen nach Santa Famp;, um einige Konzerte zu geben; wir suchen Sie dort auf und legen Ihnen Ihre Millionen in den Scho#223;.« »Nein, nein! Sie wollen den Spitzbuben, den M#246;rdern nach, um mich reich zu machen, und ich soll inzwischen Konzerte geben? Ich w#228;re nicht im stande, einen Bogenstrich zu thun! Thun Sie mir nicht das Zuleide, da#223; Sie mich hier sitzen lassen! Ich m#252;#223;te ja gar keine Ehre im Leibe haben, wenn ich darauf eingehen wollte!« Er hatte eigentlich recht. Wir sollten uns f#252;r ihn in Gefahr begeben; es war nicht mehr als billig, da#223; er an ihr teilnahm. Das mochte auch Emery denken, denn er fragte ihn: »K#246;nnen Sie denn leidlich reiten?« »Nicht nur leidlich. Das lernt man hier zu Lande bald.« »Und mit Waffen umgehen?« »Ein Meistersch#252;tze bin ich freilich nicht; aber geschossen habe ich doch schon zuweilen, und wenn ich bis auf drei Schritte an den Kerl herangehe, den ich treffen will, schie#223;e ich gewi#223; nicht an ihm vorbei. Sie sehen, da#223; ich entschlossen bin, mich auf alle F#228;lle zu beteiligen. Also ist es am besten, Sie nehmen mich mit sich.« »Hm! Was meinst du, Charley? Er ist nicht #252;bel couragiert!« Ich zuckte die Achsel, sprach aber nicht dagegen. Es giebt auch eine Courage, welche ihren Grund in der Unkenntnis der Verh#228;ltnisse und Gefahren hat, denen man entgegengeht. Eine Fliege summt dreist in das Lampenlicht, weil sie nicht wei#223;, da#223; sie in der Flamme umkommen wird. Jetzt begann auch Martha zu bitten, ihren Bruder doch mitzunehmen. Sie hatte mein Achselzucken bemerkt und wendete sich an Emery. Der ritterliche Englishman war eigentlich ein wenig Damenherr; er konnte den Bitten der sch#246;nen, jungen S#228;ngerin nicht widerstehen und fragte mich schlie#223;lich: »Hast du etwa gro#223;artige Gr#252;nde dagegen, Charley?« »Nein. Sprich mit Winnetou dar#252;ber; er mag entscheiden.« Wenn ich Winnetou sprechend hier aufgef#252;hrt habe, so mu#223; ich bemerken, da#223; wir ihm das Vorhergehende immer #252;bersetzen mu#223;ten. Wir sprachen ja deutsch. Als Emery ihm die Angelegenheit vorgetragen hatte, erkl#228;rte er: »Winnetou w#252;rde ganz dagegen sein, denn der junge Mann wird uns mehr st#246;ren und schaden, anstatt n#252;tzen k#246;nnen; aber ihm soll der Raub geh#246;ren, den die Diebe bei sich haben, und so d#252;rfen wir ihm seinen Wunsch nicht abschlagen. Er mag aber ja nicht denken, da#223; es ein Vergn#252;gen ist, mit uns zu reiten. Wir werden volle acht Tage im Sattel sitzen m#252;ssen, um an das Ziel zu gelangen. »Ich werde das gern aushalten!« versprach Vogel in englischer Sprache. »Wenn mein junger Bruder sich bis zum Anbruch des Tages hier ein gutes Pferd mit Sattel und Zaum kaufen kann, dazu ein Gewehr mit Munition, so wird er mit uns reiten' k#246;nnen, sonst aber nicht, denn wir haben keine Zeit, auf ihn zu warten.« Da nahm mich Vogel beim Arm und bat: »Helfen Sie mir, bester Herr Doktor! Pferde giebt es hier, Gewehre und Munition auch, wenn auch zu hohen Preisen. Die meisten Stores sind noch offen. Wollen Sie?« »Gern. Wir k#246;nnen damit bald fertig sein, und haben dann noch einige Stunden f#252;r den Schlaf.« Da geschah etwas, was ich nicht erwartet hatte. N#228;mlich Martha fragte mich: »Meinen Sie, da#223; die J#252;din mit Jonathan Melton gl#252;cklich dort ankommen wird?« »Wahrscheinlich.« »Dann bitte, kaufen Sie zwei Pferde und einen Damensattel!« »Verstehe ich Sie recht? Sie wollen ein Pferd f#252;r sich?« »Ja, ich reite mit Ihnen.« »Das ist unm#246;glich, ganz und gar unm#246;glich!« »Gewi#223; nicht! Die J#252;din bringt dasselbe fertig.« »Die sitzt im Wagen- Das ist etwas anderes.« Sie lie#223; sich aber von mir nicht zur#252;ckweisen; Emery mu#223;te innerlich #252;ber ihren Wunsch lachen, blieb aber #228;u#223;erlich ernst und h#246;flich; er wollte nicht Nein sagen, und so wiesen wir sie an Winnetou, indem wir #252;berzeugt waren, da#223; es ihm besser als uns gelingen werde, ihr ihre Bitte abzuschlagen, ohne sie dadurch zu beleidigen. Und das gelang ihm auch. Der Angriff der jungen, unternehmungslustigen Frau war also siegreich abgeschlagen. Winnetou, Emery und ich nahmen von Martha Abschied; die beiden ersteren begaben sich heim; ich aber ging mit Vogel noch auf die sp#228;te Suche nach einem Pferde und den anderen Gegenst#228;nden, welche er brauchte. Wir mu#223;ten verschiedene Misters, Masters und Sennores aus dem Schlafe wecken, und wegen der St#246;rung der Nachtruhe verschiedene Dollar und Piaster mehr bezahlen. Besondere M#252;he verursachte uns das Pferd. Alte, abgetriebene Ziegenb#246;cke konnten wir genug und #252;berall bekommen, aber kein Tier, wie wir es brauchten. Erst als wir die achte, neunte oder zehnte Th#252;r fast eingeschlagen und die Bewohner vom Lager aufgeklopft hatten, kamen wir zu einem braven Manne, welcher uns, weil er sah, da#223; wir Not darum hatten, einen zwar alten, aber sonst noch ganz gelenkigen Braunen, welcher vierzig Dollars wert war, f#252;r »lumpige« achtzig #252;berlie#223;. Vogel z#246;gerte gar nicht, den Preis zu zahlen. Seine Konzerte hatten soviel eingebracht, da#223; er sich die Ausgabe gestatten konnte. Dabei war es so sp#228;t geworden, da#223; ihm, da er noch Vorbereitungen zu treffen hatte, keine Zeit zum Schlafe #252;brig blieb. Eine Stunde nach Tagesanbruch holte er uns ab; wir ritten #252;ber den Flu#223; nach Atrisco hin#252;ber, und dann s#252;dwestlich dem Rio Puerco zu. Es ist nicht n#246;tig, die Einzelheiten des Rittes zu beschreiben; erw#228;hnt sei nur, da#223; Vogel als Reiter sich recht leidlich hielt, wenn wir auch seinetwegen langsamer reiten mu#223;ten, da sein Pferd mit unsern Komantschenrossen nicht immer gleichen Schritt zu halten vermochte. Hier und da gab es Stellen, denen die F#228;hrte zweier Pferde deutlich eingepr#228;gt war; das war jedenfalls die Spur der Br#252;der Melton. Sie hatten den Vorsprung einer ganzen Nacht vor uns; aber gewisse untr#252;gliche Anzeichen verrieten, da#223; wir uns ihnen zwar langsam, aber unausgesetzt n#228;herten. H#228;tten wir Vogel nicht bei uns gehabt, so w#228;ren wir durch einen Parforceritt schnell an sie herangekommen. Am Abend des zweiten Tages erreichten wir Acoma, ein altes Indianerpueblo, wo die Meltons gewi#223; auch angehalten hatten. Unter Pueblos versteht man die festen, burgartigen St#228;dte der alten se#223;haften Bev#246;lkerung des Landes; man z#228;hlt ihrer in Neu-Mexiko nur noch etwa zwanzig; die bedeutendsten sind Taos, Laguna, Isleta und Acoma. Man darf sich unter den alten St#228;dten oder D#246;rfern nicht Ortschaften mit einzelstehenden H#228;usern oder H#228;user- H#228;userreihen und Gassen denken. Sie wurden, um Schutz gegen feindliche Ueberf#228;lle zu bieten, als Burgen errichtet; sie sind auch Burgen, aber in architektonischer Beziehung nicht in unserm Sinn des Wortes. Sie sind schwerf#228;llige Lehm- oder Felsenbauten, je nachdem dieses oder jenes Material vorhanden war, ohne Stil und #228;u#223;ere Gliederung, wenn man nicht das Gliederung nennt, da#223; jedes h#246;here Stockwerk #252;ber dem untern zur#252;cktritt. Man denke sich zwei weit auseinanderstehende Felsenw#228;nde, zwischen denen einst gr#246;#223;ere oder kleinere Bl#246;cke lagen. Die Bl#246;cke wurden nebeneinander gew#228;lzt und mit Lehm verbunden, bis eine Mauer entstand, welche von der einen Felsenwand bis an die andere reichte und die H#246;he eines Stockwerkes hatte. In der Mauer gab es weder Th#252;r- noch Fenster#246;ffnung. Der Raum zwischen ihr und den Felsw#228;nden wurde durch weitere Lang- und Querw#228;nde aus Lehm in eine beliebige Anzahl von Vierecken zerlegt, und dann das Ganze mit einer dicken Lehmschicht zugedeckt. In der Lehmdecke befanden sich L#246;cher, welche als Eingang in die Vierecke und Wohnungen dienten. Ueber dem Erdgescho#223; wurde aus demselben Materiale und in derselben Weise ein erstes, zweites, drittes usw. Stockwerk errichtet, doch so, da#223; jedes h#246;here Stockwerk einige oder mehrere Meter zur#252;ckweicht, und also in der Decke des tieferliegenden einen freien, balkonartigen Raum vor sich liegen hat. Oft haben auch diese terrassenf#246;rmig #252;bereinander liegenden Geschosse weder Th#252;r noch Fenster, sondern nur L#246;cher in der Decke. Man mu#223; also, um in eine Wohnung zu gelangen, in das h#246;here Stockwerk hinauf- und dann durch das betreffende Loch wie in einen Keller hinuntersteigen. Das Erdgescho#223; ist stets nur durch eine Leiter zu erklettern, welche au#223;en an die #246;ffnungslose Mauer gelehnt ist. Wird sie auf das platte Dach gezogen, so ist der Zutritt f#252;r einen Feind zwar nicht unm#246;glich gemacht, aber doch au#223;erordentlich erschwert und mit Gefahren verbunden. Zuweilen sind die Lehmmauern, welche dann von einem Stockwerk zum andern f#252;hren, treppenartig abgestuft, so da#223; man hinaufsteigen kann; meist aber werden auch die h#246;heren Geschosse nur durch angelehnte Leitern verbunden, welche je, den Augenblick hinaufgezogen werden k#246;nnen. Man sieht leicht ein, da#223; der Gedanke, welcher den Bauwerken zu Grunde liegt, in Beziehung auf die Verteidigung des Platzes bei der Art der damaligen Angriffswaffen ein ganz vortrefflicher ist. Waren alle Leitern der verschiedenen Stockwerke emporgezogen, so mu#223;te der angreifende Feind mit Hilfe mitgebrachter Leitern zun#228;chst die Plattform des Parterres ersteigen, wobei er sich den Geschossen aller oberen Terrassen aussetzte und auch noch in Gefahr stand, vom Innern des untern Stockwerkes aus angegriffen zu werden. Hatte er nach m#246;rderischem Kampfe die erste Plattform in seinen Besitz gebracht, so mu#223;te er mit denselben Schwierigkeiten und Gefahren die zweite ersteigen und erk#228;mpfen; dabei mu#223;te er frei und ohne allen Schutz k#228;mpfen, w#228;hrend die Verteidiger #252;ber ihm infolge des terrassenartigen Baues stets gute Deckung hatten. Diese Beschreibung gilt einem Pueblo der regelm#228;#223;igsten Bauart; solche sind aber sehr selten. Die andern sind ein unregelm#228;#223;ig zusammengeschachtelter Komplex von verschiedenartigen Lehmzellen, welcher meist in einer trostlosen Umgebung liegt und den Eindruck eines h#228;#223;lichen Tr#252;mmerhaufens macht. Und in diesen k#252;nstlichen hohlen Lehmw#252;rfeln wohnten einst Hunderte und Tausende von Menschen zusammen, deren Verkehr nur dadurch erm#246;glicht wurde, da#223; man aus einer Zelle #252;ber die platten D#228;cher der unteren Herbergen durch ein Loch in die andere stieg! Jetzt kann man freilich nicht mehr von »tausend« sprechen. Die Bewohner der Pueblos d#252;rfen keineswegs mit den thatkr#228;ftigen freien Indianern verglichen werden. Sie sind gutm#252;tige, gen#252;gsame, ganz unwissende Menschen, wahrscheinlich verk#252;mmerte Abk#246;mmlinge der alten Azteken. Meist Katholiken, sind sie doch eigentlich keine Christen. Sie beten noch immer heimlich zu ihrem Manitou und h#228;ngen an alten, heidnischen Gebr#228;uchen, welche dem Christentume widerstreben. Daran tr#228;gt die alte, iberische Indolenz die Schuld, welche alles gehen l#228;#223;t, wie es eben geht, das Auftreten und Umsichgreifen der Scheinheiligkeit beg#252;nstigt, es aber nicht zu einem wahren, begeisterten und #252;berzeugungstreuen Glauben kommen l#228;#223;t. Beschimpfe man die heilige Religion, der Puebloindianer wird ruhig bleiben und lachen; greift man ihn aber bei seinem Aberglauben an, den er aus der heidnischen Zeit #252;berkommen hat, so kann der sonst so harmlose Mann sich in einen rachs#252;chtigen und gef#228;hrlichen Starrkopf verwandeln. Diese Indianer treiben ein wenig Ackerbau, ein wenig Viehzucht und ein wenig Hausindustrie, doch das alles auf der niedrigsten Stufe. Die kleinen Aecker liegen gew#246;hnlich in der N#228;he des Pueblo, und werden mit geradezu kindisch einfachen Werkzeugen bestellt. Das Neue und Praktische wird beharrlich zur#252;ckgewiesen; es stimmt nicht mit ihren Ueberlieferungen zusammen. Lieber ernten sie Hunger vom steinigten Lande, als da#223; sie es d#252;ngen und anders, als mit einem einfachen Stocke oder h#246;lzernen Haken bearbeiten. Ebenso steht es mit der Viehzucht. Man sieht einige magere H#252;hner, einige Schweine und viele Hunde. Sonderbarerweise laufen die bissigen K#246;ter frei umher, w#228;hrend die Schweine - sollte man es denken! - - an Ketten liegen. Ihre Kunstfertigkeit besteht in der Anfertigung von K#246;rben, Beuteln und verschiedenen Geflechten. Sie brennen Kr#252;ge und Urnen, welche keinen Kunstwert besitzen. Aus Thon stellen sie allerlei Figuren her, welche geradezu l#228;cherlich sind. Der Sinn f#252;r sch#246;ne Formen ist ihnen vollst#228;ndig versagt. Die Figuren werden bei uns von vierj#228;hrigen Kindern viel besser auf der Schiefertafel gezeichnet; sie dienen meist als Spielwerkzeuge; oft haben sie auch eine geheim religi#246;se, heidnische Bedeutung. In diesem Falle werden sie in der »Estufa« aufgestellt. Dies ist ein kleiner Raum, welcher von niedrigen, nur drei Fu#223; hohen Mauern eingefa#223;t wird, zwischen denen stets zwei hohe Stangen stehen. Vielleicht sollen -diese ein Fingerzeig gen Himmel sein. Es wird sehr darauf gesehen, da#223; diese Estufa von keinem Unberufenen ber#252;hrt oder gar betreten wird. Also wir kamen gegen Abend in Acoma an und fragten nach dem Governor, unter welchem man sich freilich nicht einen Gouverneur nach unserm Sinne, einen hochgestellten Beamten, sondern eine Art Dorfschulzen vorzustellen hat. Da, wo man spanisch spricht, hat selbst der kleinste Beamte einen hohen, vollt#246;nenden Titel, und spanisch verstehen die meisten Puebloindianer mehr oder weniger gel#228;ufig zu reden. Die ganze Bev#246;lkerung war zusammengelaufen und betrachtete uns mit nicht eben freundlichen Augen. Das mu#223;te einen besondern Grund haben. Wir wollten nichts fordern und verlangen, und fragten nur deshalb nach dem Governor, weil wir beabsichtigten, ihn um Auskunft #252;ber die drei Meltons zu bitten. Als wir abgestiegen waren, zeigte sich niemand bereit, unsere Pferde zu halten, uns Wasser zu zeigen und uns zum Governor zu f#252;hren. Eigent#252;mlicherweise war kein junges M#228;dchen zu sehen, aber einige sehr h#252;bsche Knaben bemerkte ich. Da sich niemand unser annehmen wollte und sich alle so zur#252;ckhaltend, ja feindselig gegen uns verhielten, waren wir auf uns selbst angewiesen. Wir befestigten also die Z#252;gel unserer Pferde an Felsst#252;cken und gingen aus, um Wasser zu suchen, wobei wir mit finstern Blicken betrachtet wurden. Ich kam mit Emery an ein kleines G#228;rtchen, in welchem ein armseliges Gem#252;se und einige Blumen standen. Emery b#252;ckte sich, um sich einen Rettich anzueignen, den er nat#252;rlich gut bezahlt h#228;tte; da sprang einer der h#252;bschen Knaben herbei und fa#223;te ihn von hinten, um ihn wegzuziehen. Emery sch#252;ttelte ihn kr#228;ftig von sich ab und griff wieder zu; da nahm ich den Freund beim Arme und zog ihn mit mir fort. Gerade vor uns sahen wir die Estufa. Emery trat hinzu, sah #252;ber die niedrige Mauer und schlug ein lautes Gel#228;chter auf. Es standen da ein Dutzend der oben erw#228;hnten Figuren, welche allerdings h#246;chst l#228;cherlich waren, breitbeinige Kerls mit wurstartigen Armen, die sie in unm#246;glichen Haltungen vorstreckten. K#246;pfe und Stirn ohne Nase, mit zwei L#246;chern von oben als Augen, und einem gro#223;en Loche unten als Mund. Es gab sitzende Gestalten mit ungeheuerlichen B#228;uchen und drei K#246;pfen, einen oben, einen auf dem R#252;cken und einen auf der Brust; die Ohren waren l#228;nger als die Arme. Emery griff zu, um eine dieser Figuren wegzunehmen und zu betrachten, ich zog ihn abermals zur#252;ck und erkl#228;rte ihm die Bedeutung dieser th#246;nernen Gestalten. Er lachte und ging weiter. Die Menge folgte ihm; nur der Knabe blieb zur#252;ck, sah mich mit ungewissen Blicken an, brach dann mit einer raschen Bewegung eine Blume aus dem winzigen G#228;rtchen, reichte sie mir hin und sagte: »Ich danke! Der Rettich wuchs f#252;r meinen Vater; es ist der einzige.« Das war keine Knaben-, sondern eine M#228;dchenstimme, und nun fiel mir ein, da#223; in einigen Pueblos sich die M#228;dchen wie Knaben kleiden. Sie tragen Hosen und scheiteln sich die kurzgeschnittenen Haare auf der Seite, was die Verwechslung sehr beg#252;nstigt. Ich wollte ihr gern ein Gegengeschenk machen, aber was? Da fiel mir ein, da#223; ich das kleine, neusilberne Etui eines verloren gegangenen Bleistiftspitzers noch im G#252;rtel hatte. ich nahm es heraus, schraubte es auf und wieder zu, um ihr zu zeigen, wie es zu handhaben sei und hielt es ihr dann hin. »Nimm das f#252;r die Blume, sch#246;ne Puebla!« Sie sah mich staunend an und wagte nicht, zuzugreifen. Das kleine B#252;chschen war ja ein kostbares Kunstwerk, ein unerreichbarer Gegenstand f#252;r sie. »Hier, nimm f#252;r die Blume; es ist dein!« wiederholte ich. »Mein?« fragte sie zweifelnd, aber mit strahlenden Augen. »Ja. Deine Blume ist mir lieber, als diese kleine Kaja.« »Und mir deine Kaja viel lieber, als meine Blume! Ich danke dir! Du bist gut, sehr gut; ich habe es dir gleich angesehen!« Sie nahm das B#252;chschen, k#252;#223;te mir schnell die Hand und sprang mit einem lauten Jauchzer davon, um die Leiter zu ihrer Wohnung hinanzusteigen und dort ihren gro#223;en Schatz zu verbergen. Mit wie wenigem man doch einen Menschen gl#252;cklich machen kann! Und wie reich sich oft ein einziges freundliches Wort belohnt! Ich sollte das sehr bald erfahren. Jetzt kam Winnetou, um uns zu holen. Er hatte Wasser gefunden. In der N#228;he des Pueblo befand sich eine Art Cisterne, in welcher das wenige Regenwasser des Jahres gesammelt wurde. Wir f#252;hrten unsere Pferde dorthin und schickten uns an, mit Hilfe des dazu vorhandenen Thongef#228;#223;es, das an einem Stricke hing, Wasser zu sch#246;pfen; da kamen die Indianer unter lautem Geschrei herbei, um uns daran zu verhindern. Wasser mu#223;ten wir haben; das war gewi#223;, denn morgen kamen wir, wie wir wu#223;ten, durch eine Gegend, in welcher es keinen Tropfen gab; darum griffen Winnetou und Emery und infolgedessen auch Vogel zu ihren Gewehren, um sich den Trank f#252;r sich und die Pferde mit Gewalt zu verschaffen. Die Pueblos wichen zur#252;ck, da sie sehr wohl wu#223;ten, da#223; sie, obgleich in solcher Ueberzahl, nichts gegen die Gewehre auszurichten vermochten; ihre Waffen waren gar zu erb#228;rmlich. Es war klar, da#223; die armen Leute ein Recht auf ihr weniges Wasser hatten, und darum erschien es mir hart, es ihnen abzuzwingen. Etwas wenigstens mu#223;ten sie daf#252;r haben; darum bat ich meine Gef#228;hrten, von ihrem feindseligen Verhalten abzulassen und gab den Leuten einige kleine Silberst#252;cke, indem ich ihnen erkl#228;rte, da#223; ich damit das Wasser bezahlen wolle. Sie #228;nderten darauf sofort ihr Verhalten und lie#223;en uns sch#246;pfen. Da der Abend nahte, mu#223;ten wir einen Ort suchen, an welchem wir die Nacht zubringen wollten. Die feindselige Haltung der Indianer lie#223; den Gedanken nicht aufkommen, in ihrer N#228;he oder gar in dem Pueblo selbst zu schlafen. Zwar trauten wir ihnen keineswegs ein f#252;r uns gef#228;hrliches Beginnen zu, aber Widerw#228;rtigkeiten konnten uns doch bereitet werden, und so f#252;hrten wir unsere Pferde eine ansehnliche Strecke von ihnen fort und legten uns da drau#223;en im Freien nieder. Es verstand sich ganz von selbst, da#223; wir die Nacht reihum wachen wollten. Es mochte ungef#228;hr zwei Stunden nach Einbruch der Dunkelheit sein, als wir eine Gestalt bemerkten, welche sich vom Pueblo her uns langsam n#228;herte; sie blieb in einiger Entfernung von uns stehen. Wir riefen sie an und forderten sie auf, vollends herbei zu kommen. Da antwortete sie: »Ich will mit dem guten Sennor sprechen.« Es war die Stimme des M#228;dchens, welches mir die Blume gegeben hatte. »Geh hin!« forderte mich Emery auf. »Denn jedenfalls bist du gemeint.« Ich folgte der Aufforderung. Als ich die Indianerin erreicht hatte, sagte sie: »Wir m#252;ssen leise sprechen, denn ich bin heimlich gekommen, weil ich nicht haben will, da#223; dir etwas B#246;ses geschehe.« »Von wem?« »Von den beiden Wei#223;en, welche heute bei uns angekommen sind.« »Ah, ihr habt sie also gesehen! Wann ist das gewesen?« »Drei Stunden vorher, ehe ihr kamt.« »Wie lange haben sie sich hier bei euch aufgehalten?« Da trat sie ganz an mich heran und sagte noch leiser als bisher: »Sie sind noch hier!« »Noch hier? Das ist f#252;r uns eine sehr wichtige Botschaft, f#252;r welche ich dir gro#223;en Dank schuldig bin.« »Du bist mir keinen Dank schuldig, sondern ich will dir danken, indem ich dir dies sage. Die beiden M#228;nner sprachen von euch; sie benachrichtigten uns, da#223; ihr hinter ihnen kommen w#252;rdet.« »Und forderten euch auf, uns feindlich zu behandeln?« »Ja. Sie sagten uns, da#223; ihr unsere Estufa zerst#246;ren und die Figuren der G#246;tter vernichten wollet.« »Das f#228;llt uns ja gar nicht ein! Was sagten sie noch von uns?« »Da#223; ihr gef#228;hrliche M#228;nner seid, die schon viele Mordthaten begangen haben, und Diebe, welche gekommen sind, uns auszurauben.« »Das ist eine ungeheure L#252;ge! Ich sage dir, da#223; es umgekehrt ist. Die beiden M#228;nner sind R#228;uber und Diebe, welche schon manchen Mord und viele Unthaten auf dem Gewissen haben. Darum jagen wir hinter ihnen her, um sie zu fangen und bestrafen zu lassen. Wir sind ehrliche Leute.« »Ich glaube es, Sennor. Du siehst nicht aus wie ein so b#246;ser Mann und bist freundlich mit uns gewesen. Darum habe ich mich fortgeschlichen, um dich zu retten.« »Zu retten?« Danach m#252;ssen wir in einer Gefahr schweben?« »Ja, ihr befindet euch in Gefahr. Inwiefern, das wei#223; ich nicht genau; aber die beiden M#228;nner sind noch hier.« »Ah! Wo? Kannst du mir das sagen?« »Ich k#246;nnte es sagen, aber ich darf nicht, weil ich nicht zur Verr#228;terin an meinen Leuten werden will.« »Gut, so will ich dich nicht danach fragen; aber sagen darfst du mir wohl, worin die Gefahr besteht, welche uns von den Leuten droht?« »Der Tod, glaube ich. Was wirklich geschehen soll, das wissen nur wenige M#228;nner von uns; den Frauen und Kindern aber ist gar nichts verraten worden. Aber diese Verschwiegenheit l#228;#223;t mich vermuten, da#223; man gegen euch nichts Geringes und nichts Gew#246;hnliches im Sinne hat.« Mit diesen Worten huschte sie eiligst fort, so da#223; ich ihr nicht einmal Dank sagen konnte. Ich erfuhr hier wieder einmal, wie schnell sich oft das Gute ganz von selbst belohnt. Wir waren zwar mi#223;trauisch, keineswegs aber um unser Leben besorgt gewesen. Das M#228;dchen hatte uns wahrscheinlich vom Tode errettet. »Meine Gef#228;hrten waren nicht wenig erstaunt, als ich ihnen sagte, was ich erfahren hatte. Emery wollte sofort nach dem Pueblo, um die Bewohner desselben zur Rechenschaft zu ziehen; Winnetou aber entgegnete ihm: »Mein Bruder mag nicht zu schnell handeln. Die roten Leute haben die L#252;gen geglaubt, welche man ihnen gesagt hat. Wollen wir sie deshalb t#246;ten?« »Sie verdienen es, weil sie uns auch an das Leben wollen!« antwortete der Englishman. »Das wissen wir nicht gewi#223;. Uebrigens sind ihrer viele, und wir sind nur vier.« »Ich f#252;rchte mich nicht vor ihnen!« »Mein Bruder wird gewi#223; nicht glauben, da#223; Winnetou sich f#252;rchtet; aber vier Personen k#246;nnen kein Pueblo angreifen, sie m#246;gen noch so tapfer sein, wenigstens nicht offen.« »Aber wir k#246;nnen doch die Leute zwingen, uns die Meltons auszuliefern!« »Zwingen? Also Kampf mit ihnen? Das ist's ja eben, was wir verh#252;ten m#252;ssen. Wenn wir sie angriffen, w#252;rden die Meltons ihnen helfen oder die Zeit des Kampfes zur Flucht benutzen. Wir k#246;nnen das, was mein Bruder haben will, nur durch List erreichen. Wir warten, bis sie kommen. Sie wissen wahrscheinlich, wo wir uns jetzt befinden; darum werden wir eine andere Stelle aufsuchen, an welcher wir in der Nacht bleiben. Man wird uns suchen. Jedenfalls haben wir dies von den Meltons zu erwarten, welche wir festnehmen, sobald sie kommen.« Er hatte recht, und wir handelten nach seinem Vorschlage, indem wir unsern Lagerplatz in noch gr#246;#223;ere Entfernung verlegten. Nun, da wir gewarnt waren, konnten wir uns nur dar#252;ber freuen, da#223; die Meltons hier geblieben waren. Wir brauchten sie nicht erst einzuholen. Wir hatten sie hier, und es bedurfte keiner gro#223;en Selbst#252;bersch#228;tzung, um unsererseits sagen zu k#246;nnen, da#223; sie in unsere H#228;nde fallen w#252;rden. Wir richteten uns auf die Weise ein, da#223; zwei von uns schliefen, w#228;hrend die beiden andern wachten, und wechselten darin ab. Ich hatte mit Vogel zu wachen. Als wir Winnetou zum zweitenmale abl#246;sten, war die Nacht schon fast vergangen, ohne da#223; wir irgend etwas Verd#228;chtiges bemerkt hatten; das mu#223;te uns auffallen. »Wer wei#223;, ob man #252;berhaupt etwas gegen uns vorgehabt hat,« meinte Emery. »Das M#228;dchen kann sich geirrt haben!« »Schwerlich!« antwortete ich. »Aber es kommt ja niemand!« »Weil man uns nicht gefunden hat, und wohl auch weil die Roten eingesehen haben, da#223; es gef#228;hrlich ist, sich uns zu n#228;hern.« »So m#252;ssen wir warten, bis es Tag geworden ist; dann aber bestehe ich darauf, die Pueblos zu zwingen, uns die Meltons auszuliefern.« »Sie w#252;rden das nicht k#246;nnen, weil die Meltons dann nicht mehr da sein werden. Wenn es sich herausstellt, da#223; bis zum Anbruche des neuen Tages nichts gegen uns unternommen werden kann, werden sie keinen Augenblick z#246;gern, sich aus dem Staube zu machen.« »Das m#246;chte ich nicht als so sicher hinstellen. Ebenso wahrscheinlich ist es, da#223; sie bleiben. Sie werden von den Pueblos unterst#252;tzt.« »Das w#228;re die gr#246;#223;te Dummheit, welche sie begehen k#246;nnten. Blieben sie hier, etwa um uns mit Hilfe der Pueblos anzugreifen, so w#228;ren sie sicher, in unsere H#228;nde zu geraten oder von unsern Kugeln zu fallen. Die Halunken sind schlau genug, dies zu wissen. Auch kennen sie die Pueblo-Indianer jedenfalls gut genug, um sich sagen zu k#246;nnen, da#223; diese sich nicht sehr nahe an uns wagen werden, weil unsere Gewehre weitertragen, als alle ihre Waffen. Ich bin #252;berzeugt, da#223; sie fortgehen.« »So haben wir das Nachsehen!« »Allerdings. Aber dem k#246;nnte ja wohl vorgebeugt werden, indem wir unsern Standort abermals verlassen und uns westlich vom Pueblo lagern. Das ist die Richtung, welche sie einzuschlagen haben. Vielleicht h#246;ren wir sie, falls sie nicht allzu weit an uns vor#252;berreiten.« Auch Winnetou war der Ansicht, und so ver#228;nderten wir zum zweitenmale unsern Lagerplatz. Als das geschehen war, setzte ich mich mit Vogel nicht etwa zu den beiden andern, welche sich wieder schlafen gelegt hatten, sondern wir trennten uns, indem wir uns ein St#252;ck von ihnen entfernten, ich rechts und Vogel links von ihnen. Dadurch, da#223; wir uns so weit auseinander befanden, lag f#252;r unser Geh#246;r eine viel gr#246;#223;ere Strecke offen, als wenn wir zusammen geblieben w#228;ren. Um noch besser und weiter h#246;ren zu k#246;nnen, legte ich mich mit einem Ohre auf die Erde. So warteten wir still und unbeweglich eine lange Zeit, bis es ungef#228;hr drei Viertelstunden vor Tagesanbruch sein mochte. Da vernahm ich ein Ger#228;usch. Es erklang aus der Gegend her, in welcher Vogel lag, und wenn ich mich nicht t#228;uschte, so war es der Hufschlag zweier Pferde, welche von dem Pueblo herkamen und dann in die Ebene hinausliefen. ich stand auf, ging zu Vogel und fragte: »Haben Sie nicht etwas geh#246;rt?« »Ja, Schritte von Menschen.« »Wie viele k#246;nnen es gewesen sein?« »Wer kann mit den Ohren z#228;hlen! Es waren viele. Sie kamen vom Pueblo her und dann an uns vor#252;ber, aber weit von hier.« »Das ist dasselbe, was ich auch geh#246;rt habe; aber Sie irren sich. Das waren keine Menschen, sondern Pferde.« »Ich m#246;chte aber doch wetten, da#223; es Menschen gewesen sind. Und #252;ber zehn waren es ganz gewi#223;.« »Sie sind nicht so ge#252;bt wie ich. Es waren zwei Pferde, welche mit ihren Hufen die Erde so treffen, da#223; ein Unerfahrener allerdings denken kann, es seien #252;ber zehn Menschen. Wir m#252;ssen Winnetou und Sir Emery wecken, denn ich bin #252;berzeugt, da#223; es die Meltons gewesen sind.« Als die Genannten erwachten und meine Meldung h#246;rten, waren sie gleicher Meinung mit mir. Emery sagte: »Ja, sie waren es; sie sind fort, und wir m#252;ssen ihnen augenblicklich nach.« »Nein,« entgegnete Winnetou. »Meine Br#252;der m#252;ssen mit mir warten, bis es hell geworden ist, damit wir die Spuren sehen k#246;nnen.« »Das brauchen wir nicht. Wir kennen ja die Richtung, in welcher sie reiten.« »Nein, die kennen wir nicht,« antwortete ich. »Winnetou hat recht. Wir m#252;ssen unbedingt warten.« »Wir wissen doch, da#223; sie nach dem kleinen Colorado reiten. Wenn wir das auch thun, m#252;ssen wir auf ihre Spur treffen.« »Aber es ist m#246;glich, da#223; sie von jetzt an eine andere Richtung einschlagen, um uns irre zu f#252;hren.« »Da m#252;ssen sie sich doch sagen, da#223; das vergeblich sein d#252;rfte!« »O nein. Sie haben keine Ahnung davon, da#223; wir ihr Ziel kennen; sie sind sp#228;ter in Albuquerque angekommen, als ihr sauberer Jonathan, und er hat ihnen also nicht erz#228;hlen k#246;nnen, was geschehen ist, seit sie sich von ihm getrennt haben. Sie glauben also, wir folgen ihnen und wissen nichts von ihm und dem Orte, an welchem sie ihn treffen wollen. Darum ist es sehr leicht m#246;glich, da#223; sie auf den Gedanken kommen, uns in eine andere Gegend zu locken.« »Well! Aber was schadet das? Wir reiten eben nach dem Colorado, um ihren Jonathan zu fassen. Wenn sie von dieser Richtung abweichen, so lassen wir sie laufen.« »Wir wollen aber auch sie haben!« »Wir bekommen sie sicher bei ihrem Jonathan. Wenn wir diesen haben, so warten wir, bis sie kommen. Und kommen werden sie.« »Das ist gar nicht sicher. Ich m#246;chte lieber das Gegenteil behaupten. Und wenn sie wirklich kommen, so werden sie dies mit solcher Vorsicht thun, da#223; es gewi#223; au#223;erordentlich schwer sein wird, sie zu erwischen.« »Das behauptest du mit solcher Sicherheit?« »Ja. Ich habe meine Gr#252;nde dazu. Frage Winnetou! Er wird mir beistimmen.« »Warum sollten sie sich sp#228;ter noch mehr in acht nehmen, als jetzt?« »Das ist doch so einfach! Sie wollen uns fortlocken. Wenn sie bemerken, da#223; wir ihnen nicht folgen, so m#252;ssen sie nat#252;rlich annehmen, da#223; wir nach dem "Schlosse" der J#252;din seien, und zwar ihnen voran. Sie m#252;ssen auch hin, und da versteht es sich ganz von selbst, da#223; sie, wenn sie kommen, dies nur mit #228;u#223;erster Vorsicht thun werden.« »Hm! Das ist allerdings nun zu begreifen.« »Dazu kommt, da#223; wir dann leicht zwischen zwei Feuer kommen k#246;nnen, vor uns haben wir Jonathan Melton und hinter uns die beiden.« »Pshaw! Jonathan ist gar nicht zu f#252;rchten!« »Richtig! Aber du vergissest, da#223; er eine Anzahl von Indianern bei sich hat, welche mit der J#252;din und ihrem verstorbenen Manne, ihrem H#228;uptlinge, aus der Sonora her#252;bergezogen sind. Mit diesen Leuten haben wir doch unbedingt zu rechnen.« »Das ist richtig. Du meinst also, da#223; wir den Meltons nachreiten, selbst wenn sie einen andern Weg einschlagen?« »Ja. Wir m#252;ssen sie haben. Darum k#246;nnen wir nicht eher von hier fort, als bis es Tag geworden ist und wir ihre Spuren sehen k#246;nnen.« »Auch m#252;ssen wir warten, um unsere Pferde noch einmal zu tr#228;nken,« bemerkte Winnetou. »Sie haben zwar gestern abend Wasser bekommen, aber wir wissen nicht, wohin es geht und ob wir heute und morgen wieder welches finden.« Wir blieben also sitzen, bis der erste Schimmer des Tages im Osten erschien und wir das Pueblo sehen konnten. Wir ritten hin und bemerkten, da#223; alle Be- Bewohner wach waren. Das war ein Beweis, da#223; sie in der Nacht etwas gegen uns vorgehabt hatten. Als sie sahen, da#223; wir nach der Cisterne wollten, kam einer von ihnen auf uns zu und sagte: »Wenn ihr eure Pferde tr#228;nken wollt, m#252;#223;t ihr wieder bezahlen!« »Wer bist du denn, da#223; du dies zu verlangen hast?« »Ich bin der H#228;uptling des Pueblo.« »Ah so! Wir wollten gestern mit dir reden und haben nach dir gefragt. Warum antwortete man uns nicht?« »Weil ich nicht hier war.« »Das ist eine L#252;ge, denn ich erinnere mich ganz genau, dein Gesicht gesehen zu haben. Wann bist du denn von hier fortgegangen?« »Gestern fr#252;h.« »So bist du also vorgestern und auch die vorigen Tage hier gewesen?« »Ja.« »Dann wirst du uns wohl sagen k#246;nnen, ob in der Zeit Fremde hier gewesen sind.« »Es war niemand hier.« »Aber gestern sind doch zwei wei#223;e Reiter zu euch gekommen?« »Nein. Als ich heimkam, hat man mir nur von euch erz#228;hlt. W#228;ren noch andere dagewesen, so h#228;tte man es mir auch gesagt.« »Es sind zwei Reiter da gewesen. Sie haben uns in der Nacht gesucht, um uns zu t#246;ten!« Er erschrak und antwortete: »Sennor, wie k#246;nnt Ihr so etwas behaupten! Wir sind ehrliche und friedliche Leute, die nichts B#246;ses thun!« »W#228;ret ihr wirklich so ehrliche Leute, so w#252;rdest du uns nicht bel#252;gen. Eigentlich sollten wir euch daf#252;r z#252;chtigen; aber wir wollen das nicht thun, denn wir sind Christen. Wir wissen, da#223; die beiden M#228;nner, von denen ich spreche, vor kaum einer Stunde fortgeritten sind. Da wir aber sie nicht f#252;rchten und euch verachten, werden wir so thun, als ob nichts geschehen sei und euch sogar euer Wasser bezahlen.« Er bekam die verlangte Summe; wir tr#228;nkten unsere Pferde, tranken auch selbst und ritten dann fort, zun#228;chst nach Spuren gar nicht suchend. Aber dann, als wir au#223;er Sicht der Indianer waren, trennten wir uns, um nach der F#228;hrte zu forschen. Der Apatsche fand sie zuerst. Sie hatte zun#228;chst eine westliche Richtung, machte dann aber einen Bogen nach Nordwest. »Siehst du!« sagte ich zu Emery. »Die von mir angedeutete M#246;glichkeit wird zur Wirklichkeit. Die Kerle sind vom richtigen Wege abgewichen.« »Das ist fatal! Wer wei#223;, wie weit sie uns mit sich fortschleppen und wie lange Zeit wir brauchen, um wieder auf den rechten Weg zu kommen!« »Ja, wenn wir ihnen im Galopp folgen k#246;nnten, so h#228;tten wir sie bald eingeholt!« »Warum thun wir dies denn nicht?« »Vogels Pferd kommt nicht mit fort.« Als ich das sagte, stieg Winnetou ab, betrachtete die Spur sehr aufmerksam und fragte dann Vogel: »Mein junger Bruder hat nicht gelernt, eine F#228;hrte zu lesen?« »Nein,« antwortete der Gefragte. »Wenn die Stapfen nicht ganz deutlich sind, finde ich sie nicht.« »So d#252;rfen wir ihn nicht allein zur#252;cklassen, weil er uns nicht finden und sich verirren w#252;rde. Die Meltons reiten gute Pferde; dennoch k#246;nnen wir sie bald einholen, um sie zu fangen. Winnetou wird jetzt mit Old Shatterhand die Verfolgung beginnen. Wir beide gen#252;gen, diese Menschen festzunehmen. Mein Bruder Emery mag mit dem jungen Manne auf unserer F#228;hrte folgen.« Das Gesicht des Englishman bewies, da#223; er nicht sehr dar#252;ber erbaut war, da#223; er zur#252;ckbleiben sollte, doch sagte er nichts dagegen. Wir ritten im Galopp fort, und er blieb mit Vogel hinter uns. Der Vorsprung, welchen die Meltons vor uns hatten, betrug ungef#228;hr eine Stunde. Selbst wenn sie, wie Winnetous Meinung gewesen war, gute Pferde hatten, mu#223;ten wir sie mit unsern vortrefflichen Komantschenrossen noch vor Mittag eingeholt haben, falls es zu einem Wettrennen kommen sollte. War das nicht der Fall, so erreichten wir sie noch viel fr#252;her. Es kam ganz darauf an, ob sie uns zeitig genug bemerken w#252;rden oder nicht. Wir ritten #252;ber die #246;de Steppe. Der Boden war steinhart; doch sorgten wir daf#252;r, da#223; eine deutliche F#228;hrte hinter uns blieb. Die Spur der Meltons war dagegen nur von Zeit zu Zeit zu erkennen. Sie hatten sich in acht genommen; wir sollten im Aufsuchen derselben m#246;glichst viel Zeit verlieren. Es geh#246;rte also keine geringe Aufmerksamkeit dazu, ihr im Galopp zu folgen, ohne sie zu verlieren. Hier bew#228;hrte sich, wie schon so oft, die Meisterschaft des Apatschen. Nach und nach ging die Ebene in eine wellenf#246;rmige Gegend #252;ber. Es gab Erhebungen und Senkungen, welche je l#228;nger desto bedeutender wurden. Nach zwei Stunden konnte man schon von Bergen reden. Das waren die s#252;dlichen Ausl#228;ufer der Sierra Madre. Es ging immer in gerader Richtung fort, bergauf und bergab, doch gab es dabei keine Schwierigkeit, weil die H#246;hen weder sehr hoch noch auch sehr steil waren. Sie zeichneten sich durch den g#228;nzlichen Mangel der Vegetation aus. Die dritte Stunde war vor#252;ber; wir hatten eine Kuppe erreicht und konnten das vor uns liegende Thal und den jenseits sich erhebenden Berg #252;berblicken. Da sahen wir die Meltons deutlich vor uns. Sie hatten das Thal bereits hinter sich und ritten dr#252;ben die Berglehne hinan. Um ihnen, ehe sie uns bemerkten, m#246;glichst nahe zu kommen, jagten wir im schnellsten Tempo ins Thal hinab. Sie konnten den Hufschlag unserer Pferde nicht h#246;ren. Doch drehte sich, als wir noch nicht unten angekommen waren, der eine von ihnen um. Er sah uns, machte seinen Bruder auf uns aufmerksam, und nun trieben sie ihre Pferde mit einer Schnelligkeit den Berg empor, da#223; Winnetou l#228;chelnd sagte: »Das werden ihre Pferde nicht lange aushalten. Diese Menschen sind uns sicher.« »Wie denkst du, da#223; wir uns ihrer bem#228;chtigen?« fragte ich. »Durch Drohung,« antwortete er. »Wir reiten ihnen so nahe, bis sie unsere Stimmen h#246;ren k#246;nnen, und gebieten ihnen, anzuhalten, abzusteigen und ihre Waffen abzulegen. Wenn sie nicht gehorchen, so m#252;ssen wir schie#223;en. Wir werden sie nicht t#246;ten, sondern nur verwunden, denn wir wollen sie lebendig haben.« »Wahrscheinlich werden sie, wenn sie uns nahe genug sehen, auch auf uns schie#223;en wollen.« »Dann werden wir schneller sein als sie und ihnen eine Kugel in den Arm geben.« Er sprach so zuversichtlich, und doch sollte es anders kommen, als er dachte. Als wir auf der jenseitigen H#246;he anlangten, sahen wir die Meltons unten im Thale. Sie trieben ihre Pferde zur gr#246;#223;ten Eile an und sahen sich von Zeit zu Zeit nach uns um. So ging es bergauf und bergab, und so oft wir eine H#246;he erreichten, bemerkten wir, da#223; wir ihnen wieder n#228;her gekommen waren. Ihre Pferde begannen zu erm#252;den, w#228;hrend die unserigen noch nichts davon merken lie#223;en. Als wir uns abermals auf einer Kuppe befanden, sahen wir zwei H#246;henz#252;ge vor uns liegen, welche sich vor unsern Augen lang gegen West erstreckten. Zwischen ihnen lag ein schmales, ebenes und schnurgerades Thal, dessen Sohle stellenweise ganz mit Steintr#252;mmern bedeckt war. Das Ganze hatte das Aussehen, als ob ein Geschlecht von Giganten hier einen riesigen Graben, einen Kanal gebaut h#228;tte, der nun ausgetrocknet war. Auf diesen Kanal jagten die Meltons zu, und wir folgten ihnen. Die Hetze konnte h#246;chstens noch eine Viertelstunde dauern. Da geschah etwas, was uns vor Grauen die Haare emporziehen wollte. Die beiden Br#252;der, welche wir von hinten und in der Entfernung nicht zu unterscheiden vermochten, galoppierten #252;ber eine Stelle, in welcher Ger#246;ll und gr#246;#223;ere Steintr#252;mmer lagen. Da stolperte das Pferd des einen und st#252;rzte, den Reiter unter sich begrabend. Der andere sah es, hielt an und sprang ab, um trotz der Gefahr, welche jedes Verweilen mit sich brachte, dem Bruder aufzuhelfen. Sp#228;ter sahen wir, da#223; der Gest#252;rzte Thomas Melton war. Sein Bruder Harry wollte das Pferd aufzerren, brachte es aber nicht empor, weil es den Vorderfu#223; gebrochen hatte. Es gelang ihm nur, es zur Seite zu ziehen, wodurch Thomas frei wurde; dieser sprang auf, und wir sahen an ihren heftigen Gestikulationen, in welcher ungeheuren Aufregung sie sich befanden. Es war nur ein Pferd da; nur einer konnte auf demselben weiter fliehen; der andere mu#223;te in k#252;rzester Zeit von uns eingeholt werden. »Zwei Reiter und ein Pferd! Wir haben sie sicher!« rief Winnetou. Wir st#252;rmten eng nebeneinander auf den Riesenkanal zu. Da geschah das Entsetzliche. Harry Melton, welchem das unverletzte Pferd geh#246;rte, wollte es wieder besteigen; sein Bruder hinderte ihn daran; er wollte auch hinauf. Sie stritten sich um das Pferd, freilich nur wenige Augenblicke lang, denn das ganze, grausige Ereignis ging viel schneller vor sich, als man es zu erz#228;hlen vermag. Harry dr#228;ngte seinen Bruder von sich ab und setzte den Fu#223; in den Steigb#252;gel, um sich aufzuschwingen; da holte hinter ihm Thomas mit dem Gewehre aus und versetzte ihm einen solchen Kolbenhieb auf den Kopf, da#223; der Getroffene zu Boden st#252;rzte. Wir sahen, da#223; der andere sich eine kurze Weile zu ihm niederbeugte, dann sich wieder aufrichtete, auf das Pferd sprang und fortgaloppierte. Was er im Niederb#252;cken gethan hatte, konnten wir erst sp#228;ter sehen. Von dem Augenblicke an, in welchem das Pferd gest#252;rzt war, bis zu demjenigen, in welchem Thomas Melton davonritt, waren nicht zwei Minuten vergangen, und in dieser kurzen Zeit war es uns nicht m#246;glich gewesen, bis auf Schu#223;weite heranzukommen. Wir trieben unsere Pferde noch mehr an als bisher und kamen so bald an die Stelle, an welcher Harry Melton und das Pferd seines Bruders lagen. Letzteres schlug mit den drei gesunden Beinen um sich, gab sich alle M#252;he, sich aufzurichten, fiel aber immer wieder nieder. Melton aber lag bewegungslos im Steinger#246;ll. Wir hielten an und stiegen ab. Er blutete aus einer tiefen Wunde in der linken oberen Brust. »Bruderm#246;rder!« rief der Apatsche grimmig aus. »Ja, ein Bruderm#246;rder!« stimmte ich bei, indem ein Grauen mir durch und #252;ber den ganzen K#246;rper zitterte. »Reiten wir weiter, um ihn zu fangen?« »Nein. Er bleibt uns gewi#223;. Wir haben es hier wahrscheinlich mit einem Sterbenden zu thun; da m#252;ssen wir bleiben. Vielleicht ist er auch noch zu retten.« Winnetou widersprach nicht, obgleich er einen sehns#252;chtigen Blick vorw#228;rts warf, wo der davoneilende M#246;rder noch deutlich zu sehen war. Wir rissen dem Verwundeten, der au#223;erdem von dem Kolbenhiebe bet#228;ubt war, den Rock herunter und die Weste auf. Das unter derselben liegende Hemd war ganz mit Blut getr#228;nkt. Wir mu#223;ten die Weste auch entfernen und den ganzen Oberk#246;rper entkleiden. Das Blut flo#223; reichlich, doch nicht so stark, da#223; eine sehr schnelle Verblutung zu bef#252;rchten war. Der Mann holte Atem; da#223; das Blut nicht sto#223;weise mit jedem Atemzuge aus der Wunde flo#223;, war ein beruhigendes Zeichen. Wir versuchten, letztere zu verbinden, und waren nicht ganz ohne Erfolg dabei. Leider hatten wir kein Wasser. Nun sa#223;en wir lange Zeit bei Harry Melton, um auf sein Erwachen zu warten. Es verging lange Zeit, ehe er die Augen #246;ffnete. Er griff mit beiden H#228;nden nach dem Kopfe und stierte uns ausdruckslos an. Dann schien ihm die Besinnung zu kommen; er erkannte uns, stie#223; einen Fluch aus und wollte aufspringen, sank aber gleich wieder nieder. »Bleibt liegen, Master!« sagte ich. »Der Tod steckt Euch in der Brust, und je mehr Ihr Euch bewegt, desto schneller wird er mit Euch fertig.« Er sah an sich herab, bemerkte das Blut, den notd#252;rftigen Verband und fragte mit leiser, stockender Stimme: »Blut - Blut - wo - woher?« »Aus Eurer Brust!« »Von - von wem?« »Der Messerstich ist von Eurem Bruder.« »Von - von - von Thomas - von meinem Bruder!« Er schlo#223; die Augen, um den ungeheuerlichen Gedanken auszudenken; dann #246;ffnete er sie wieder und ein wilder Grimm ging #252;ber sein noch immer diabolisch sch#246;nes Gesicht, als er z#228;hneknirschend hervorstie#223;: »Gott verdamme ihn, den M#246;rder, den Judas Ischariot! Er hat mich Euch ausgeliefert!« »Das w#252;rde das Geringste noch sein. Wahrscheinlich hat er Euch nicht nur uns, sondern auch dem Tode ausgeliefert. Macht Eure Rechnung mit dem Leben!« »Wo - ist er?« »Fort, auf Eurem Pferde.« »Ja, ja, jetzt wei#223; ich es. Sein Pferd st#252;rzte, und ich stieg ab, ihm zu helfen. Er wollte dann auf dem meinigen fort; wir stritten uns, und ich stieg auf. Mehr wei#223; ich nicht.« Er hatte das nat#252;rlich nicht hintereinander, sondern nur mit Unterbrechungen sagen k#246;nnen. Ich berichtigte ihn: »Ihr seid nicht aufgestiegen; er hinderte Euch daran, indem er Euch mit dem Gewehrkolben niederschlug. Dann sahen wir, da#223; er sich auf Euch niederb#252;ckte; da hat er Euch das Messer in die Brust gesto#223;en.« »Niederb#252;ckte?« fragte er und f#252;gte dann schnell hinzu: »Wo ist mein Rock?« »Da liegt er.« »Gebt her, gebt her!« Ich gab ihm denselben hin, der auch blutig war. Er suchte mit zitternden H#228;nden nach der Brusttasche. Es war nichts drin. »Leer!« st#246;hnte er. »Leer! Er hat sie genommen!« »Was?« »Die Brieftasche mit dem Gelde! 0 der Judas, der Judas! Und ich bin sein Bruder!« »Wem geh#246;rte das Geld?« »Mir, mir!« »Aber es war gestohlenes, geraubtes?« Er schwieg, und erst als ich meine Frage noch zweimal wiederholt hatte, antwortete er: »Das geht euch den Teufel an, ihr, ihr -!« Er sah sein Messer, welches wir ihm aus dem G#252;rtel gezogen hatten, neben sich liegen, griff nach demselben und z#252;ckte es gegen mich. Es bedurfte trotz seiner Verwundung keiner kleinen Anstrengung, es ihm aus der Hand zu winden. »Gebt Euch keine M#252;he, uns von Eurer Gesinnung zu #252;berzeugen,« sagte ich ihm; »wir kennen sie, auch ohne da#223; Ihr Euch vergeblich mit dem Messer bem#252;ht.« Das kurze Ringen mit mir hatte ihn angestrengt; das Blut flo#223; st#228;rker aus der Wunde; er schlo#223; die Augen. W#228;hrend ich mich bem#252;hte, die Blutung zu stillen, sprach er wie abwesend, langsam, in Pausen und mit leiser Stimme: »Gefangen - ergriffen! Winnetou - Shatterhand, die Hunde! - Beraubt - erstochen - von Thomas -verdammter Judas - verdammter Ischariot! O Rache, Rache - Rache!« Er schien sich in einem halbwachen Zustande zu befinden, was ich benutzte, um vielleicht etwas zu erfahren, indem ich sagte: »Er hat Euch Euern Anteil an Hunters Geld genommen, der Schurke!« »Ja - Hunters Geld!« nickte er, ohne die Augen zu #246;ffnen. »Und er hatte doch ebensoviel!« »Ja, gerade soviel!« »Das #252;brige hat alles Jonathan!« »Jonathan - - alles! Rache - - Rache!« »Die wird ihm werden! Wir reiten ihm nach bis - -« Ich wartete mit Spannung, was er sagen w#252;rde. »Bis an den Flujo blanco - Whitefork -« hauchte er. »Wo die J#252;din ihr Schlo#223; hat?« »Ihr Schlo#223; - - ihr Pueblo.« Dann ri#223; er pl#246;tzlich die Augen auf, starrte mir ins Gesicht und schrie mich an: »Wer bist du?« »Ihr kennt mich doch!« »Ja, ich - kenne Euch. Old Shatterhand - - Winnetou, die beiden Teufel - Teufel - Teufel! Was fragst du mich? La#223;t mich in Ruh!« »Ich denke, wir sollen Euch an Eurem Bruder r#228;chen?« »R#228;chen -! Ja - ja - ja! Jagt ihm nach - schie#223;t ihn nieder -nehmt ihm das Geld, und bringt - -« Dann ballte er pl#246;tzlich beide F#228;uste und fuhr fort: »Nein, nein - ich sage nichts, gar nichts! Mag Thomas kommen! Ihr seid - seid - Ihr erfahrt nichts - nichts -nichts von mir! Geht in die H#246;lle - H#246;lle - H#246;lle!« Er sank hinten#252;ber und war still. Das Blut flo#223; reichlicher; da er sich aber nicht mehr bewegte, gelang es uns, es abermals zu stillen. Er fiel in Schlaf. Winnetou war bisher still gewesen; er lie#223; sein Auge forschend auf dem Gesichte des Schlafenden ruhen und sagte dann: »Er wird diesen Ort hier nicht wieder verlassen.« »Dann wollen wir hoffen, da#223; er noch bereut, ehe er stirbt!« »M#246;chte es bald zu Ende sein, damit wir aufbrechen k#246;nnen, um seinen Bruder zu verfolgen. Du hast Mitleid mit ihm?« »Ja.« »Er verdient es nicht. Er war schlimmer als ein Tier. Weit mehr Mitleid verdient das Pferd hier, welches nie ges#252;ndigt hat. Winnetou wird seinen Schmerzen ein Ende machen.« Das Pferd m#252;hte sich, vor Schmerz schnaubend, noch immer vergeblich ab, sich aufzurichten. Der Apatsche hielt ihm die M#252;ndung seiner Silberb#252;chse an den Kopf, und gab ihm die erl#246;sende Kugel. Als der Schu#223; krachte, fuhr Melton mit dem Oberk#246;rper empor, blickte erschrocken und mit weitaufgerissenen Augen umher und fragte: »Wer hat geschossen? Galt das dem - dem - -« Ohne die Frage ganz auszusprechen, sank er wieder nieder und blieb nun stundenlang so liegen. Zuweilen fl#252;sterte er etwas, was wir nicht verstehen konnten. Diese #228;u#223;erliche Ruhe schien Schlaf zu sein, war es aber nicht. Seine Seele war wach; das sahen wir an den verschiedensten Ausdr#252;cken, welche unaufh#246;rlich #252;ber sein Gesicht glitten. »Jetzt wissen wir genau, wo das "Schlo#223;" der J#252;din liegt,« bemerkte ich zu Winnetou. »Ja, am Flujo blanco; er hat es verraten.« »Kennt mein Bruder diesen Flu#223;?« »Ich war nicht dort, aber in der N#228;he und werde ihn sehr leicht finden. Er kommt von der Sierra Blanca herab und wird von den Yankees White-Fork genannt.« Um die Mittagszeit kam Emery mit Vogel nach. Als der Abend angebrochen war, kam das Ende. Melton sprang mit einem Male auf, stie#223; den Namen seines Bruders mit Verw#252;nschungen aus, welche man unm#246;glich niederschreiben kann, und fiel dann tot zu Boden. Sein Ende war schmerzloser, als er es verdient hatte; leider aber hatte f#252;r seine Seele nichts geschehen k#246;nnen. Am n#228;chsten Morgen begruben wir ihn unter Steinen, die seinen K#246;rper vor den Schn#228;beln und F#228;ngen der Geier sch#252;tzten. Dann verlie#223;en wir den traurigen Ort. - |
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