"Satan und Ischariot III" - читать интересную книгу автора (Май Карл)

Viertes Kapitel. Im Pueblo.

Es w#228;re unn#252;tz und auch Zeitverschwendung gewesen, wenn wir jetzt noch den Spuren Thomas Meltons h#228;tten folgen wollen. Es stand fest, da#223; er sich jetzt auf dem k#252;rzesten Wege zu seinem Sohne befand, darum wendeten wir uns s#252;dwestlich, um den Umweg, welchen wir gestern hatten machen m#252;ssen, einzuholen. Diese Richtung f#252;hrte uns zwischen der Sierra Madre und den Zunibergen hindurch.

Sonderbar! Als wir die Berge hinter uns hatten, gab es sofort eine ganz andere Witterung als bisher. Der ewig heitere Himmel umzog sich t#228;glich einigemale mit schweren, dunklen Wolken, und sandte einen heftigen Gewitterregen herab, um sich schnell wieder aufzukl#228;ren. Wir befanden uns im Quellgebiete des kleinen Colorado, in welcher Gegend um diese Jahreszeit solche heftige Regen mit heiterem Himmel t#228;glich wiederholt abwechseln. Dies war uns in einer Beziehung lieb, in der andern aber nicht. Die Feuchtigkeit lockte ein lebhaftes Gr#252;n hervor; es gab #252;berall Wasser und genug Futter f#252;r die Pferde; aber unsere Kleider wurden Tag und Nacht nicht trocken, und ein solcher Zustand konnte so pl#246;tzlich nach der gro#223;en Hitze, welche wir hinter uns hatten, f#252;r unsere Gesundheit gef#228;hrlich werden. Wir waren, Vogel nat#252;rlich ausgenommen, gewohnt, bei gr#246;#223;ter Hitze oder K#228;lte im Freien zu kampieren; jetzt aber w#228;re uns ein trockenes Obdach des Abends recht willkommen gewesen.

Gegen Abend des dritten Tages nach dem Tode Harry Meltons erkl#228;rte uns Winnetou, da#223; wir morgen in der N#228;he des Flujo blanco ankommen w#252;rden. Es regnete heftig; das war kein Regen mehr, sondern ein herabst#252;rzender See, welcher einen beinahe vorn Pferde herunterschlug. Es that mir nur leid um den armen Franz Vogel, welcher so etwas nicht gewohnt war und die Unbilden dieses Wetters doch mit m#246;glichster Ergebung zu tragen versuchte.

Wir befanden uns in einer Gegend, in der es hier und da ganze Gruppen von B#228;umen und Str#228;uchern gab, was auf Quellen und Wasserl#228;ufe schlie#223;en lie#223;. S#252;dlich von uns lag die Sierra Blanca, welche wir freilich in dem Regen nicht sehen konnten.

Dann waren die Wolken wie weggeblasen, und der blaue Himmel lachte #252;ber uns, aber freilich auf wie lange! Jetzt hatten wir wieder freie Aussicht. Droben auf der Sierra schien es fortzuregnen; je weiter herunter aber, desto klarer und durchsichtiger war die Luft. Hatte man noch vor nur f#252;nf Minuten keine zehn Schritte weit durch den Regen zu sehen vermocht, so konnte man jetzt - ah, sogar den Mann sehen, welcher da oben auf der H#246;he stand, auf welche wir zuritten. Da oben war es kahl; es gab keinen Baum. Der Mann mu#223;te schon im Regen da oben gestanden haben und demselben ganz schutzlos preisgegeben gewesen sein. Jetzt bewegte er sich. Er kam herabgestiegen und erreichte den Fu#223; des Berges gerade, als wir dort vor#252;ber wollten. Er war ein Indianer in den mittleren Jahren, halb in Leder, halb in Callico gekleidet und machte in der Freundlichkeit, mit welcher er uns gr#252;#223;te, einen gar nicht #252;blen Eindruck. Waffen hatte er nicht bei sich. Er betrachtete uns mit neugierigen Blicken und schien gar zu gern mit uns sprechen zu wollen. Darum fragte ich ihn:

»Zu welchem Stamme geh#246;rt mein roter Bruder?«

»Ich bin ein Zuni,« antwortete er. »Woher kommt mein wei#223;er Bruder?«

»Von Acoma her#252;ber.«

»Und wo will er hin?«

»An den Colorado und dann noch weiter. Ist mein Bruder in der Gegend bekannt?« »Ja. Ich wohne hier in der N#228;he mit meinem Weibe.«

»Giebt es vielleicht einen Ort, an welchem man die Nacht lagern kann, ohne vom Regen weggesp#252;lt zu werden?«

»Es giebt einen, und wenn es meinen Br#252;dern recht ist, will ich sie in das Haus, in welchem ich wohne, f#252;hren.«

»Ah, es giebt hier ein Haus?«

»Ja. Meine Br#252;der m#246;gen kommen und es sich ansehen. Wenn es ihnen gef#228;llt, k#246;nnen sie bei mir bleiben. Kein Regen dringt durch die Decke, und das Feuer brennt w#228;hrend der ganzen Nacht.«

Er schritt uns voran, und wir folgten ihm.

»Ein Zuni? Was sind das f#252;r Leute?« fragte mich Emery. »Bist du schon einmal mit einem oder mehreren von ihnen zusammengekommen?«

»Ja. Die Zuni sind die zahlreichsten unter allen Puebloindianern, und haben fr#252;her gar keine unbedeutende Rolle gespielt. Sie sind friedliebend und gelten f#252;r begabter, als die andern Pueblos.«

»Der Mann sieht nicht verd#228;chtig aus. Ich bin neugierig, was das f#252;r ein Bauwerk ist, welches er als sein "Haus" bezeichnet. Es w#228;re gar nicht #252;bel, wenn wir eine Nacht unter Dach und Fach zubringen und dabei unsere Kleider einmal trocknen k#246;nnten.«

Der Zuni f#252;hrte uns #252;ber eine gro#223;e Grasfl#228;che, durch welche sich ein schmaler Bach schl#228;ngelte. Am Ende derselben stand das »Haus«, ein gro#223;er Mauerw#252;rfel, in welchem es nur eine einzige Oeffnung gab, durch die man in das Innere gelangen konnte. Die Mauern bestanden aus Lehm, aus weiter nichts, das Dach aus Schilf, welches au#223;en und innen auch mit Lehm beworfen war. Die vier W#228;nde umschlossen einen einzigen Raum, welcher allen Zwecken zu dienen schien. In einem Winkel lagen verschiedene Fr#252;chte als Ertr#228;gnisse der Bodenarbeit des Indianers. In der andern Ecke befand sich eine Lagerst#228;tte, welche aus Laub und Fellen bestand. In der Mitte der Hinterwand, der Th#252;r gegen#252;ber, stand ein Herd, eine einfache Erh#246;hung des Fu#223;bodens, welcher auch aus Lehm bestand. Daneben lag Vorrat von Holz, das zum Gebrauche zugerichtet war. Die Th#252;r#246;ffnung konnte mit Hilfe einiger Felle verhangen werden. Das Interessanteste f#252;r uns waren gro#223;e St#252;cke ger#228;ucherten Wildpretes, welche an der Decke hingen. Der Zuniindianer war wahrscheinlich ein gro#223;er J#228;ger vor dem Herrn.

Als wir in das Haus traten, erhob sich von dem Lager eine Frau, welche uns neugierig anschaute und sich dann entfernte, ohne sich zun#228;chst wieder sehen zu lassen.

»Dies ist mein Haus,« sagte der Indianer. »Wenn es meinen Br#252;dern gef#228;llt, m#246;gen sie bleiben, solange es ihnen beliebt.«

Ein Blick Winnetous belehrte mich, da#223; er nichts dagegen habe, hier zu bleiben; darum antwortete ich dem Zuni:

»Wenn uns mein Bruder ein Feuer anbrennen lassen will, damit wir unsere Kleider trocknen k#246;nnen, werden wir bei ihm bleiben.«

»Das Feuer wird sofort brennen.«

Er kauerte sich an den Herd nieder, um anzuz#252;nden, was mich einigerma#223;en wunderte, weil er doch eine Frau besa#223;, welche diese Arbeit #252;bernehmen konnte. Gew#246;hnlich ist ein Indianer zu stolz f#252;r solche Besch#228;ftigungen.

F#252;r die Pferde gab es drau#223;en einen eingepf#228;hlten Raum, in welchen wir sie trieben, nachdem wir ihnen die S#228;ttel abgenommen hatten; die letzteren sollten uns als Kopfkissen dienen. W#228;hrend der Zuni Feuer machte, erkundigte ich mich bei ihm:

»Wie lange wohnt mein Bruder schon in dieser Gegend?«

»So lange ich lebe,« antwortete er.

»So kennt er auch das Wasser, welches Flujo blanco genannt wird?« »Ja, es ist nicht weit von hier.« »Ob dort wohl Menschen wohnen?«

Diese Frage hatte f#252;r uns die gr#246;#223;te Wichtigkeit, und ich war neugierig, was und wie er darauf antworten w#252;rde. Er entgegnete ganz unbefangen.

»Ja, es giebt dort rote und wei#223;e Menschen.« »Seit wann?«

»Seit mehreren Jahren.« »Befindet sich etwa ein Pueblo dort?«

»Ja, ein Pueblo, welches seit undenklichen Zeiten den Zunis geh#246;rte. Da kamen einst mehrere Indianer aus Mexiko, aus der Sonora her#252;ber, als die Gegend noch zu Mexiko geh#246;rte; sie fanden Gold an dem Wasser und kauften den Zunis das Pueblo ab. Die Bezahlung bestand in Waffen, welche sie sp#228;ter brachten. Seitdem geh#246;rte das Pueblo einem H#228;uptling der Yumaindianer. Vor einigen Jahren kam der Enkel desselben an das Wasser. Er brachte eine sehr sch#246;ne wei#223;e Squaw und mehrere Krieger und deren Frauen und Kinder mit. Sie wohnten in dem Pueblo. Der H#228;uptling ging mit seiner Frau oft fort, nach der gro#223;en Stadt, welche Frisko hei#223;t, und kam nur selten einmal zur#252;ck. Dann starb er, und ich sah seine wei#223;e Squaw eine lange Zeit nicht mehr. Seit einigen Tagen aber ist sie wieder dort mit einem wei#223;en Mann.«

»Kamen sie geritten?«

»Gefahren. Sie sa#223;en in einer alten Postkutsche. Ein Kutscher war dabei und ein F#252;hrer aus Albuquerque, welcher auf seinem Pferde nebenher ritt. Gestern in der Nacht kam noch ein Wei#223;er. Ich habe geh#246;rt, da#223; er der Vater des Wei#223;en ist, den die Squaw mitgebracht hat.«

»Von wem erfuhrst du das?«

»Von ihm selbst.«

»Wann?«

»Als er bei mir einkehrte.«

»Hm! Er kam mitten in der Nacht und ist bei dir eingekehrt? Das ist doch seltsam! Wer dein Haus des Nachts findet, mu#223; es genau kennen. Ist er denn schon fr#252;her bei dir gewesen?«

»Nein. Aber mein Feuer brannte, und ich hatte die Th#252;r offen; da leuchtete es weit in die Gegend hinaus; er sah es und kam herbei, um mich nach dem Pueblo zu fragen. Er wartete bei mir, und als es Tag geworden war, habe ich ihn hingef#252;hrt.«

»Wie weit ist es bis dorthin?«

»Wer schnell reitet, der kommt in zwei Stunden hin.«

»So bist du also befreundet mit den Wei#223;en und Roten, die dort wohnen?«

»Ja.«

»Hat man dir denn nicht gesagt, da#223; wir kommen w#252;rden?« »Nein. Ihr wollt auch hin?«

»Ja. W#252;rdest du uns den Weg zeigen, wenn es morgen fr#252;h hell geworden ist?«

»Gern.« »Ist er schwierig zu finden?«

»Wer den Ort nicht genau kennt, der reitet am Eingange zum Pueblo vor#252;ber, ohne etwas zu bemerken. Der Flujo flie#223;t durch ein Thal, welches dort von sehr steilen und sehr hohen Felsenw#228;nden eingeschlossen ist. Auf der linken Seite des Flusses sind die Felsen ein klein wenig auseinandergetreten, und dadurch wurde ein enger Gang gebildet, welcher nach dem Pueblo f#252;hrt.«

»Wir m#246;chten die Bewohner desselben #252;berraschen. Sie wissen zwar, da#223; wir kommen, aber nicht wann. K#246;nntest du uns hinbringen, ohne da#223; wir unterwegs bemerkt werden?«

»Sehr leicht. Ich werde euch so leiten, da#223; kein Mensch euch sehen kann.«

»Ist das Pueblo gro#223;?«

»Nein, aber au#223;erordentlich fest und sicher. Kein Feind k#246;nnte es ersteigen, wenn die Bewohner sich verteidigen. Wenn man von dem Flusse aus durch den engen Weg geht, gelangt man in ein weites, rundes Loch, welches rings von Felsen umgeben ist, die so steil sind, da#223; kein Mensch hinangelangen kann. Der Boden des Loches ist gr#252;n; es stehen da viele B#228;ume, Str#228;ucher und andere

Pflanzen. Da k#246;nnen die Pferde weiden, und da bauen die Yumaindianer ihre K#252;rbisse, Zwiebeln und andere Fr#252;chte, welche sie brauchen. Ganz vorn, gerade da, wo der Weg in das Loch m#252;ndet, ist das Pueblo an dem Felsen emporgebaut. Es ist schmal, aber sehr hoch, obgleich es nicht ganz bis zur Zinne der Felsen reicht. Da wohnte die wei#223;e Squaw mit ihrem Yumah#228;uptlinge, und da wohnt sie jetzt wieder mit dem Wei#223;en und seinem Vater.«

Das erz#228;hlte der Mann in aller Aufrichtigkeit. Es war klar, da#223; er uns nicht f#252;r Feinde der Bewohner des Pueblo hielt, sonst h#228;tte er sich wohl geh#252;tet, so offen mit uns zu sein. Am wenigsten aber h#228;tte er uns die Oertlichkeit so genau beschrieben. Es war also meines Erachtens nach kein Grund vorhanden, Mi#223;trauen gegen ihn zu heben, und Winnetou war auch meiner Ansicht; das ersah ich aus seiner Miene, ohne da#223; ich ihn zu fragen und er es mir besonders zu sagen brauchte.

Und dennoch war ich von diesem Zuniindianer nicht vollst#228;ndig befriedigt. Ich vermochte mir freilich nicht gleich zu sagen, warum; aber als ich l#228;nger dar#252;ber nachdachte und ihn weiter beobachtete, kam ich auf den Grund des Argwohnes, der trotz alledem in mir lag. Es war die gro#223;e Freundlichkeit, welche er gegen uns zeigte. Der Indianer ist in jeder Beziehung zur#252;ckhaltend; ganz besonders aber zeigt er sich gegen Fremde erst dann wohlwollend, wenn er sie n#228;her kennen gelernt hat. Von dem Zuni aber wurden wir wie alte, liebe Bekannte behandelt, und er war von einer geradezu erstaunlichen Aufrichtigkeit gegen uns. Er hatte mit der J#252;din und den Meltons gesprochen; sollten ihm diese denn wirklich nicht gesagt haben, da#223; von ihrem Hiersein m#246;glichst niemand etwas erfahren solle?

Dazu kam noch ein Zweites. Sein Weib hatte das Haus verlassen und war nicht wiedergekommen. Drau#223;en donnerte und blitzte es wieder, und der Regen str#246;mte abermals, wie aus Sch#252;sseln gegossen, herab. Was that die Frau in diesem Wetter drau#223;en? Die Ursache, die sie im Freien hielt, mu#223;te eine sehr wichtige sein, besonders da ihr Mann Arbeiten verrichtete, die sonst der Squaw obzuliegen pflegen.

Zu diesen Arbeiten geh#246;rte auch die Speisung seiner G#228;ste. Er spendete uns aus seinem Vorrate ein ger#228;uchertes Wildviertel, welches er f#252;r uns zerlegte, ohne aber mitzuessen. Als wir ihn dazu aufforderten, erkl#228;rte er, kurz vorher gegessen zu haben.

Das glaubte ich ihm nicht. Er hatte da oben auf dem Berge gestanden, im str#246;menden Regen, wie ein W#228;chter, der seinen Posten nicht verlassen darf. Als er uns gesehen hatte, war er heruntergekommen. Je mehr ich dar#252;ber nachdachte, desto auff#228;lliger kam mir dieser Umstand vor. Es war ja beinahe so, als ob er von da oben aus nach uns ausgeschaut h#228;tte! Kurz und gut, ich nahm mir vor, vorsichtig zu sein. Ich trug infolgedessen die Gewehre, welche wir abgelegt hatten, in den einen Winkel und legte auch die S#228;ttel da nieder. Als Winnetou dies sah, zog er seine Brauen ein ganz klein wenig empor. Das war nach seiner Weise gerade Soviel, als ob er zu mir gesagt h#228;tte: »Warum das? Hegst du etwa Verdacht? Nun, da wollen wir uns freilich vorsehen.«

Der Zuni hatte auch Waffen, n#228;mlich eine Flinte, welche aber nicht viel zu taugen schien, und einen Bogen mit K#246;cher und Pfeilen. Diese Gegenst#228;nde hingen an einem Pflocke, welcher in die Wand geschlagen war. W#228;hrend wir a#223;en, hockte er nach Indianerart in unserer

N#228;he und schien sich dar#252;ber zu freuen, da#223; es uns so vortrefflich schmeckte. Wir fragten ihn nach dem Wildreichtum der Gegend, und da klagte er #252;ber die Gilenno-Apatschen, welche oft her#252;berk#228;men und dann alles Wild vertilgten.

»Diese Hunde haben hier nichts zu suchen!« sagte er. »Warum bleiben sie nicht dr#252;ben auf dem Gebiete, welches ihnen niemand streitig macht! Ich hasse #252;berhaupt alle Apatschen.«

»Alle! Warum? Man hat doch nie geh#246;rt, da#223; die Zunis Krieg gegen sie gef#252;hrt haben!«

»Weil wir zu schwach gegen sie sind. Sie nehmen uns weg, was uns geh#246;rt, ohne da#223; wir uns wehren k#246;nnen. Sie sind alle Diebe und R#228;uber, welche man von der Erde vertilgen sollte!«

»Alle? Es giebt viele wackere und ber#252;hmte M#228;nner unter ihnen!«

»Das glaube ich nicht. Mein Bruder mag mir doch einmal einen nennen!«

»Nun zum Beispiel Winnetou!«

»Schweig auch von diesem! Wenn ich euch morgen nach dem Pueblo bringe, werdet ihr von den dortigen Yumaindianern h#246;ren, was f#252;r ein r#228;udiger Schakal er ist.«

»Ist er denn jemals ein Feind der Yumas gewesen?«

»Stets! Einmal aber hat er sie in so gro#223;e Verluste gebracht, da#223; sie es ihm nie vergessen werden. Wehe ihm, wenn er einmal in ihre H#228;nde fiele!«

»Gro#223;e Verluste? Wie ist das gewesen?«

»Sie hatten eine Hazienda #252;berfallen und kostbaren Raub davongetragen; um diesen hat er sie gebracht. Und dann standen ihre Krieger bei einem alten Bergwerke, in welchem fremde Bleichgesichter arbeiten sollten. An dem

Ertrage hatten auch die Yumas teil; Winnetou aber hat sie auch darum betrogen.«

»Wie ist das m#246;glich? Er ist doch ein einzelner Mann. Wie kann er einem ganzen Stamme solchen Schaden zuf#252;gen?«

»Er war nicht allein, sondern es befand sich ein zweiter bei ihm, welcher noch viel, viel schlimmer ist als der H#228;uptling der Apatschen, ein Bleichgesicht, Old Shatterhand gehei#223;en.«

»Hm, der Westmann! Da besinne ich mich. Wenn ich mich nicht irre, habe ich von dieser Angelegenheit geh#246;rt. War es nicht die Hazienda del Arroyo, und das Bergwerk hie#223; Almaden alto, um welche es sich damals handelte?«

»Hatten denn die Yumas Ursache, die Hazienda zu #252;berfallen, auszurauben und in Brand zu stecken?« »Das - das wei#223; ich nicht,« antwortete er verlegen.

»Es ist nur die Raublust gewesen; ich wei#223; es gewi#223;. Und bei dem Bergwerke handelte es sich um ein noch gr#246;#223;eres Verbrechen.«

»Das ist nicht wahr!«

»Doch! Man hatte eine gro#223;e Anzahl von Bleichgesichtern ins Land gelockt und sperrte sie in das Quecksilberbergwerk ein. In demselben sollten sie als Gefangene ohne Lohn arbeiten, bis ein qualvoller Tod sie von ihren Leiden erl#246;ste.«

»Was ging das Winnetou und Old Shatterhand an?«

»Die armen Menschen waren Landsleute von Old Shatterhand; darum errettete er sie.«

»Und trat dabei als Feind der Yumas auf! Wunderst du dich nun noch dar#252;ber, da#223; sie ihn und Winnetou hassen?«

»Ja, denn wenn ich mich recht erinnere, haben die beiden M#228;nner dann Frieden mit den Yumas geschlossen.«

»Der gilt nichts mehr. Ich sage nochmals, wehe ihnen, wenn sie den Yumas einmal in die H#228;nde fallen sollten!«

Der Zuni sprach jetzt, ganz entgegengesetzt von seiner vorherigen Freundlichkeit, mit einer Erbitterung, welche mir unerkl#228;rlich war. Darum sagte ich:

»Du scheinst ein sehr guter Freund der Yumas zu sein, denn du sprichst gerade so zornig, als ob du selbst einer w#228;rst.

Ach bin ihr Freund, und ihre Feinde sind auch die meinigen!« gestand er ein.

»Du scheinst aber von ihnen falsch unterrichtet worden zu sein. Winnetou und Old Shatterhand haben damals sehr mild gegen die Yumas gehandelt; sie haben die Roten mehreremale besiegt und ganz in ihrer Gewalt gehabt, sind aber trotzdem ungemein nachsichtig mit ihnen verfahren. Schweigen wir von der Sache!«

»Ja, schweigen wir, denn wenn ich daran denke, m#246;chte ich den Apatschen und seinen wei#223;en Freund nicht anders, als am Marterpfahle sehen!«

Er wendete sich von uns ab, lehnte sich mit dem R#252;cken an die Wand und starrte d#252;ster in das Feuer. Seine Freundlichkeit war zu Ende. Winnetou warf mir einen bezeichnenden Blick zu.

H#228;tte der Zuni gewu#223;t, da#223; wir die beiden waren, die er so gern an dem Marterpfahle sehen wollte! Eigentlich war es auff#228;llig, da#223; er nicht auf diesen Gedanken kam. Er mu#223;te es doch dem Apatschen ansehen, da#223; er ein Indianer war. Warum fragte er ihn nicht, zu welchem Stamme er geh#246;rte? Winnetou w#228;re viel zu stolz gewesen, seinen Namen zu verleugnen. Und dann die Silberb#252;chse und mein Henrystutzen! Jedermann kannte die beiden Gewehre, wenn auch nur vom H#246;rensagen. Dort lehnten sie in der Ecke, und der Schein des Feuers fiel hell auf sie. Wenn der Zuni nur einen Blick hinwarf, mu#223;te er wissen oder wenigstens ahnen, wen er vor sich hatte. Der Mann wurde mir immer unbehaglicher.

Da endlich kam seine Frau wieder. Sie war so durchn#228;#223;t, da#223; ihre Kleider sich eng an ihren K#246;rper legten. Ohne einen Blick auf uns zu werfen, ging sie an uns vor#252;ber und nach dem Lager, auf welchem sie bei unserer Ankunft gesessen hatte; dort setzte sie sich wieder hin. Sie war nicht h#228;#223;lich, hatte aber ein unst#228;tes, versch#252;chtertes Wesen und schien mehr die Sklavin ihres Mannes zu sein.

»Wo mag sich das arme Weib in solchem Wetter herumgetrieben haben!« meinte Emery in deutscher Sprache, da es m#246;glich war, da#223; der Zuni ein wenig englisch verstand. »Welchen Grund kann es geben, jetzt da hinaus zu gehen und stundenlang drau#223;en zu bleiben!«

»Einen sehr triftigen,« antwortete ich. »Wie weit, sagte vorhin der Zuni, da#223; es nach dem Flujo blanco sei?«

»Zwei Stunden zu reiten.«

»Und wie lange ist die Frau ungef#228;hr abwesend gewesen?«

»Gewi#223; #252;ber vier Stunden, und - ah, meinst du etwa, da#223; sie bei den Meltons gewesen ist?«

»Ich halte es f#252;r sehr m#246;glich, um unsere Ankunft zu melden.«

»Deinen Scharfsinn sonst in allen Ehren, Charley, diesmal aber verrechnest du dich!«

»M#246;glich, aber nicht wahrscheinlich. Ich m#246;chte behaupten, da#223; der Zuni uns sofort erkannt hat, als er uns kommen sah, und da#223; seine Freundlichkeit nur Maske war.«

»Das w#228;re! Wenn du recht h#228;ttest, k#246;nnte es f#252;r uns unangenehm werden! Wir sollen hier abgefangen werden?«

»Wahrscheinlich.«

»Dann m#252;ssen wir augenblicklich fort!« »Nein, wir bleiben!«

»Mensch, willst du dich hier ergreifen lassen?« »Nein.«

»Aber dies wird ganz gewi#223; geschehen, wenn du wartest, bis sie kommen!«

»Zu warten brauchen wir nicht, denn sie sind, wenn ich mich nicht #252;berhaupt irre, jedenfalls schon da.« »Meinst du?«

»Ja. Sie sind wahrscheinlich gleich mit der Frau gekommen.« »Und stehen drau#223;en?«

»Wetter! Und wir sitzen hier bei offener Th#252;r am hellen Feuer! Einige Sch#252;sse, und man ist mit uns fertig!«

»Keine Sorge! Die Meltons wollen uns lebendig haben, und werden uns darum nicht bekommen!«

Um f#252;r den Notfall gleich einige Kugeln versenden ZU k#246;nnen, ging ich nach der Ecke und holte meinen Stutzen. Bei dieser Gelegenheit trat ich auch an die Th#252;r und zog die Felle so vor, da#223; nur ein schmaler Streifen offen blieb, durch welchen der Rauch abziehen konnte. Nun war es unm#246;glich, uns von drau#223;en am Feuer sitzen zu sehen. Damit war aber der Zuni nicht zufrieden.

»Warum verschlie#223;est du die Th#252;r?« fragte er mich. »Willst du, da#223; wir hier ersticken?«

»Der Rauch zieht auch jetzt noch ab; kein Mensch erstickt, antwortete ich.

»Aber die Th#252;r mu#223; offen sein!«

Er stand auf.

»Ich bitte dich, sie zuzulassen, weil man uns von drau#223;en sehen kann.« »Wer soll drau#223;en sein!« »Vielleicht wei#223;t du es.«

»Es ist niemand da, und die Th#252;r wird wieder ge#246;ffnet!«

Er wollte hingehen, um die Felle zu entfernen. Diese Hartn#228;ckigkeit lie#223; meine Vermutung als Gewi#223;heit erscheinen.

»Bleib stehen, sonst schie#223;e ich!« rief ich ihm zu, indem ich den Stutzen auf ihn anlegte.

Er drehte sich herum zu mir und erschrak, als er das Gewehr auf sich gerichtet sah.

»Du willst auf mich schie#223;en?« rief er aus.

»Ja, wenn du dich nicht sofort hin zu deiner Squaw setzest.«

»Warum dorthin?«

»Frage nicht, sondern gehorche!«

»Das Haus geh#246;rt mir und nicht euch!«

»In diesem Augenblicke ist es unser. Es kommt ganz auf dich an, ob es dir wieder geh#246;ren wird.«

»Ihr seid meine G#228;ste; ich habe euch zu mir gebracht. Behandelt man seinen Wirt in dieser Weise?«

»Ja, weil er uns nur eingeladen hat, um uns zu verderben. Also setze dich augenblicklich, wenn du nicht eine Kugel haben willst!«

Er that, als ob er gehorchen wolle, und n#228;herte sich dabei der Stelle, an welcher seine Flinte hing. Ich stand schnell auf, stellte mich vor dieselbe, deutete nach dem Lager und sagte:

»Nicht hierher, sondern dorthin sollst du gehen. Und nun mache schnell, sonst ist's mit meiner Geduld zu Ende!«

Er stand vor mir und blitzte mich w#252;tend mit seinen dunklen Augen an.

»Schnell!« wiederholte ich. »Ich bin Old Shatterhand und hier sitzt Winnetou, von denen du vorhin gesprochen hast. Du willst uns nur am Marterpfahle sehen, wirst uns aber wohl auch so betrachten m#252;ssen!«

Da lie#223; er ein ver#228;chtliches Lachen h#246;ren und sagte:

»Glaubst du, da#223; ich #252;ber eure Namen erschrecken soll? Das f#228;llt mir nicht ein! Ich habe schon, als ich euch kommen sah, gewu#223;t, wer ihr seid!«

»Dachte es!«

»Ihr kamt hierher, um zu t#246;ten, seid aber selbst dem Tode in die Arme gelaufen. Wei#223;t du, wer ich bin?« »Nun?«

»Kein Zuni, sondern einer jener Yumakrieger, welche mit ihrem H#228;uptlinge und seiner wei#223;en Squaw hierhergezogen sind. Heute wirst du die Rache f#252;r die Hazienda del Arroyo und f#252;r Almaden alto erfahren!«

Er wendete sich von mir und schritt nach dem Lager zu, machte aber pl#246;tzlich eine Wendung und sprang, den Fellvorhang beiseite schiebend, zur Th#252;r hinaus. Ich h#228;tte ihn durch einen Schu#223; daran hindern k#246;nnen, wollte dies aber nicht gern thun. Seine Frau richtete sich langsam auf; wir sollten es nicht bemerken. Sie wollte auch pl#246;tzlich fortspringen. Da fragte ich sie:

»Sehnst du dich vielleicht nach deinem Manne?«

Sie antwortete nicht.

»Wenn du ihm folgen willst, so thue es; wir halten dich nicht.« Sie sah mir mit ungewissem Blicke ins Gesicht und fragte: »Was werdet ihr mit mir thun, wenn ich lieber bleibe?«

»Nichts, wir k#228;mpfen nicht mit Frauen. Bleib also getrost sitzen und thue, was dir gef#228;llt; nur darfst du uns auch nicht st#246;ren in dem, was wir thun werden.«

»Sennor, du bist gut! Ich werde hier bleiben und nichts thun, was euch mi#223;fallen kann.«

Nachdem wir den verschobenen Th#252;rvorhang wieder zugezogen hatten, versahen sich auch die andern drei mit ihren Gewehren. Ich setzte mich wieder an das Feuer. Emery und Winnetou folgten meinem Beispiele; Vogel aber sagte in #228;ngstlichem Tone:

»Um des Himmels willen, setzen Sie sich doch nicht wieder dorthin!«

»Warum nicht?« fragte ich.

»Weil man dort von den Kugeln, die durch die Th#252;r kommen, getroffen wird! Die Feinde schleichen sich an die Th#252;r und sehen unter dem Vorhange herein.«

»Das gerade ist's, was wir wollen.«

»Da#223; sie dann schie#223;en?«

»Dazu kommen sie nicht. Wir sind schneller als sie. Wenn wir uns hinter die Wand versteckten, k#246;nnten sie uns nicht sehen und w#252;rden also auch nicht zu schie#223;en versuchen; wir k#228;men also um das Vergn#252;gen, ihnen eine Lehre zu geben. Setzen Sie sich nur getrost mit her! Sie haben nichts zu f#252;rchten. Sie k#246;nnen sich auf unsere Augen verlassen, nur m#252;ssen Sie sich h#252;ten, selbst auch die Th#252;r zu beobachten. Die Kerle da drau#223;en w#252;rden dies bemerken. Blicken Sie also #252;berall hin, nur nicht nach der Th#252;r!«

»Aber wenn sie nun auf den Gedanken kommen, das Haus zu st#252;rmen?«

»Wie wollen sie das anfangen?«

»Indem sie sich pl#246;tzlich zur Th#252;r hereinst#252;rzen.«

»Das werden sie bleiben lassen! Sie wissen genau, da#223; in diesem Falle alle unsere Gewehre auf sie gerichtet sein w#252;rden. Dem Schnellfeuer meines Stutzens entk#228;me keiner von ihnen. Sie sind auch gar nicht so zahlreich, da#223; sie sich nicht zu schonen brauchten.«

Er setzte sich nieder, mit dem R#252;cken nach der Th#252;r gerichtet, zog aber von Zeit zu Zeit ganz unwillk#252;rlich die Schultern in die H#246;he; es war ihm jedenfalls ganz so zu Mute, als ob er jeden Augenblick von drau#223;en eine Kugel zu erwarten habe. Wir unterhielten uns mit Absicht laut, um die drau#223;en #252;ber unsere Wachsamkeit zu t#228;uschen. Scheinbar uns gar nicht um den Fellvorhang bek#252;mmernd, hatten wir denselben aber dennoch scharf im Auge. Er wurde zuweilen von dem drau#223;en gehenden Winde hin und her bewegt; das machte unsere Beobachtung nat#252;rlich schwer.

Da sah ich zwischen seinem untern Rande und dem Erdboden die M#252;ndung eines Gewehres erscheinen; sie wurde h#246;chstens zwei Zoll weit hereingesteckt; da flog aber auch schon die Silberb#252;chse an Winnetous Wange; sein Schu#223; krachte und drau#223;en erscholl ein Schrei. Die Gewehrm#252;ndung wurde zur#252;ckgezogen.

»Der das versucht hat, kommt nicht wieder,« lachte Emery. »Die Kerle sind wirklich Pr#252;gel wert! Uns hier fangen zu wollen!«

»Meinen Sie, da#223; ihnen dies nicht gelingt?« fragte Vogel.

»Keine Rede davon! Wir brauchen uns nur an die Th#252;r zu legen und das Feuer ausgehen zu lassen, da#223; sie uns nicht sehen k#246;nnen, so putzen wir einen nach dem andern von ihnen weg.«

»Noch besser ist's, wir steigen auf das Dach,« bemerkte ich. »Da haben wir Aussicht nach allen Seiten.«

Winnetou nickte. Die Decke war nicht mehr als f#252;nf Ellen hoch. Man konnte, um die unserigen zu schonen, mit der Flinte des Indianers ein Loch hineinsto#223;en. Doch mu#223;ten wir vorher das Feuer ausgehen lassen, sonst h#228;tte dasselbe zum Loch hinausgeleuchtet und unsere Absicht verraten. Als es nicht mehr brannte, nahm Emery die Flinte von der Wand und begann zu arbeiten. Winnetou sollte ihm helfen, ihn abl#246;sen. Ich

ging zur Th#252;r, um etwaige Ueberraschungen fernzuhalten.

Ich lag auf dem Boden und schob den Kopf langsam zwischen der Mauer und dem Ledervorhange hinaus. Vor der Th#252;r war niemand. Ich blickte nach rechts, an der #228;u#223;eren Mauer hin - niemand war zu sehen! Nach links - - ah, da kam einer geschlichen, langsam, leise, nach echter Indianerweise. Ich wartete, bis er nur noch drei Fu#223; von der Th#252;r entfernt war, fuhr dann blitzschnell hinaus, nahm ihn mit der linken Hand bei der Brust, gab ihm mit der Rechten acht, zehn, zw#246;lf schallende Ohrfeigen rechts und links und schleuderte ihn dann weit fort, wo er zu Boden flog. Es war ein Indianer; er hatte sein Gewehr, welches er in der Hand hielt, fallen lassen; ich hob es auf und nahm es mit ins Haus. Der Mann kam gewi#223; auch nicht sogleich wieder. H#228;tte es sich nicht um mehr gehandelt, so w#228;re mir die Ohrfeigenscene h#246;chst spa#223;haft erschienen. Uebrigens hatte es aufgeh#246;rt, zu regnen, und der Himmel begann, sich wieder aufzukl#228;ren. Nach kurzer Zeit war in der

Decke ein so gro#223;es Loch entstanden, da#223; wir durchsteigen konnten. Wir drei andern kamen von Emerys Schultern leicht auf das Dach, und der letztere wurde dann heraufgezogen. Nat#252;rlich standen wir nicht aufrecht da oben, sondern bewegten uns nur kriechend, sonst w#228;ren wir beim Scheine der jetzt wieder sichtbaren Sterne bemerkt worden. Wir verteilten uns. Ich nahm die vordere, Winnetou die hintere, Emery die rechte und Vogel die linke Giebelseite des Hauses.

Als ich mich vor die Kante geschoben hatte und da hinabblickte, sah ich fast gerade unter mir zwei Kerle stehen. Um ihnen nicht lebensgef#228;hrlich zu werden, schickte ich ihnen nur zwei Revolversch#252;sse hinab. Sie schrieen vor Schreck #252;ber den unerwarteten Angriff laut auf und rannten eiligst davon. Auf der hintern Seite fiel jetzt ein Schu#223; aus Winnetous Silberb#252;chse, und dann ert#246;nte seine sonore Stimme durch die Nacht:

»Fort von den Pferden, sonst trifft der n#228;chste Schu#223; gerade in den Kopf!«

Da hinten lag n#228;mlich am Hause der eingefriedigte Platz, auf welchem wir unsere Pferde untergebracht hatten. Eben als der Apatsche seine Wache begann, hatte man sie fortschaffen wollen. Auch auf den beiden andern Seiten wurde geschossen. Die Kerle schlichen eben um das ganze Haus herum; nun aber zogen sie sich so weit wie m#246;glich von demselben zur#252;ck. Ihre Absicht, sich unser zu bem#228;chtigen, war schm#228;hlich mi#223;gl#252;ckt. Es wagte sich keiner mehr heran, und als es Tag geworden war, lie#223; sich kein Mensch in der weiten Umgebung sehen.

Wir stiegen wieder hinab. Da lag die Frau noch da, wo sie gestern abend gelegen hatte. Sie schien mit keiner gro#223;en Zuneigung an ihrem Manne zu hangen. Winnetou ging zu ihr hin und fragte:

»Warum ist meine rote Schwester nicht hinaus zu ihrem Manne gegangen?«

»Weil sie nichts mehr von ihm wissen will,« antwortete sie. »Sennores, schenkt mir ein wenig Geld, damit ich zu meinem Stamme zur#252;ckkehren kann!«

»Du willst nach der Sonora hinab?« fragte ich erstaunt.

»Ja, Sennor.«

»Und wahrscheinlich ganz allein den weiten Weg mitten zwischen so viele fremde St#228;mme hindurch!« »Ich f#252;rchte die St#228;mme nicht. Eine arme Squaw hat keinen Feind.«

»Das ist wahr. Kein Krieger wird dir ein Leid thun. Warum aber willst du denn fort von deinem Manne?« »Weil er mich gezwungen hat, unsern Stamm zu verlassen und mit hierher zu gehen. Ich habe die Eltern

und Br#252;der daheim, und hier sterbe ich vor Sehnsucht langsam hin.» »Ist dein Mann nicht freundlich mit dir?« »Er ist ein b#246;ser Mensch. Ich hasse ihn!«

»Gut! Wir werden dir soviel geben, da#223; du unterwegs #252;berall bezahlen kannst, was du brauchst.«

Ich gab ihr, so viel ich konnte, Emery leistete das Zehnfache; Vogel spendete einige Dollars, und Winnetou langte ein Goldkorn aus seinem G#252;rtel, um es ihr zu schenken. Da rief sie aus:

»Sennores, ich danke euch! Ihr solltet hier euer Verderben finden und #252;bt doch Barmherzigkeit an mir. Wie freue ich mich, da#223; der Anschlag gegen euch nicht gelungen ist!«

»Welche Absicht hatte man denn eigentlich?« erkundigte ich mich.

»Ihr solltet hier bei uns schlafen und im Schlafe ergriffen werden.«

»Von wem stammt der Plan?«

»Von den beiden Wei#223;en, welche Vater und Sohn sind. Der Sohn kam zuerst mit der wei#223;en Squaw hier an; er hat euch f#252;r tot gehalten; dann kam sein Vater und erz#228;hlte, ihr bef#228;ndet euch hart hinter ihm und h#228;ttet seinen Bruder ermordet und ausgeraubt. Da mu#223;ten wir auf den Berg steigen, um nach euch auszuschauen und euch einzuladen, in unser Haus zu kommen. Als ihr angekommen waret, mu#223;te ich trotz des Wetters nach dem Flujo blanco reiten, um die beiden Sennores dort zu benachrichtigen. Sie ritten sofort mit mir und nahmen alle ihre Krieger mit.«

»Konntest du uns nicht warnen?«

»Nein. Mu#223;te ich euch nicht f#252;r b#246;se Menschen halten? Aber als du so freundlich zu mir sprachest, erkannte ich, da#223; wir get#228;uscht worden waren. Nun habt ihr mich gar so reichlich beschenkt; ich wollte, ich k#246;nnte euch dankbar sein!«

»Das kannst du, wenn du uns die Auskunft erteilst, um welche wir dich bitten werden.« »Frage nur, Sennor! Ich werde dir gern alles sagen, was ich wei#223;.«

»Ich will dir vertrauen, denn dein Auge hat einen guten und ehrlichen Blick. Dein Mann hat uns gestern abend die Lage eures Pueblo beschrieben. Denkst du, da#223; er uns da nicht get#228;uscht, sondern die Wahrheit gesagt hat?«

»Er hat euch nicht belogen, denn es war ihm von dem Vater der wei#223;en Sennores befohlen worden, die Wahrheit zu sagen.«

»Aber wir sollten doch hier in dem Hause festgehalten werden!«

»Das war der Anfang des Planes. Falls das nicht gelingen sollte, wollte man euch in eine zweite Schlinge locken.«

»Kennst du diese?«

»Ja, denn jeder und jede von uns mu#223;te sie kennen, und alle waren froh, Rache wegen damals an euch nehmen zu k#246;nnen.«

»Hoffentlich werden wir von dir etwas #252;ber die Schlinge erfahren!«

»Ich sage es dir. Mein Mann mu#223;te euch das Pueblo beschreiben, denn wenn der Anschlag hier Mi#223;lang, wollte man euch dorthin locken.«

»Es bedarf keiner Lockung, denn wir sind fest entschlossen, das Pueblo unter allen Umst#228;nden aufzusuchen.«

»Das w#252;rde euer Ende sein, wenn ich euch jetzt nicht warnen k#246;nnte. Da ihr hier nicht #252;berrumpelt worden seid, so werden alle unsere Leute, welche in der Nacht hier waren, nach dem Pueblo reiten und dabei recht deutliche Spuren machen, damit ihr den Weg leicht finden k#246;nnt. Es geht in das Thal des Flujo blanco hinab, #252;ber diesen hin#252;ber und dann eine Strecke am linken Ufer hinauf, bis das Thal so eng wird, da#223; nur noch der Flu#223; und ein einziger Reiter Platz findet. Gerade an dieser Stelle #246;ffnet sich der Felsen; ein schmaler Weg f#252;hrt hinein und nach dem Pueblo; zu beiden Seiten sind hohe Felsen, welche kein Mensch erklettern kann. Da hinein will man euch haben. Die H#228;lfte unserer Leute erwartet euch in dem Felsenwege; die andere H#228;lfte hat sich unterwegs in einen Hinterhalt gelegt, um euch vor#252;berzulassen und dann zu folgen. Zwischen diese beiden Abteilungen sollt ihr kommen.«

»Kein #252;bler Plan! Eine Felsenenge, die uns zwingt, einzeln hintereinander zu reiten, rechts und links senksenkrechte Felsw#228;nde und vorn und hinten eine Feindesschar!«

»So ist es Sennor. Der Alte hat den Plan ausgedacht.«

»Wie gesagt, nicht #252;bel; aber er hat einen Fehler oder gar gleich mehrere, denn wenn du uns auch nicht gewarnt h#228;ttest, w#252;rden wir in die Falle niemals gegangen sein. Wir lassen uns von diesem Alten nichts vormachen. Wenn er uns fangen will, mu#223; er es listiger anfangen und nicht so plump wie hier. Sein erster Versuch ist mi#223;gl#252;ckt, auch ohne da#223; wir gewarnt worden sind; sein zweiter w#252;rde noch viel weniger gelingen. Also die eine H#228;lfte eurer Leute soll sich in einen Hinterhalt legen und uns vor#252;berlassen, w#228;hrend die andere H#228;lfte uns voran nach dem Pueblo reitet?«

»So ist es, Sennor.«

»Und dabei sollen auch noch deutliche Spuren gemacht werden? Meine Schwester mag glauben, da#223; wir nicht blind sind. Wir w#252;rden die Spuren z#228;hlen und sofort bemerken, da#223; die H#228;lfte derselben pl#246;tzlich fehlt. Ja, diese H#228;lfte w#252;rde nicht einmal fehlen; sie kann doch nicht in der Luft verschwinden; wir w#252;rden an der F#228;hrte erkennen, da#223; eine H#228;lfte dahin und die andere dorthin geritten ist. Wir w#252;rden von den Pferden steigen, dem Hinterhalte heimlich folgen und ihn vernichten.«

»Aber wie wolltet ihr dann durch die Enge kommen?«

»Vielleicht gingen wir gar nicht hinein, und selbst wenn wir es th#228;ten, h#228;tten wir keine Feinde hinter uns, sonder nur vor uns. Die Feinde m#252;#223;ten ebenso einzeln hintereinander halten wie wir; es k#246;nnte also von jeder Seite nur der vorderste k#228;mpfen, und da w#252;rde von euch wohl niemand #252;brig bleiben, um die Leichen eurer Gefallenen zu z#228;hlen.«

Ich sah, da#223; sie durch diese Darlegung in gro#223;e Best#252;rzung geriet. Sie rief bittend aus:

»Sennor, thut dies nicht! Ich will nicht, da#223; durch meine Warnung unsere Leute get#246;tet werden. Lieber w#252;rde ich mich selbst t#246;ten!« »Beruhige dich! Wir betrachten die Yumas nicht als unsere Feinde. Wir haben damals Frieden mit ihnen geschlossen und wollen an ihnen wie an Freunden handeln. Wenn es auf uns ankommt, wird keinem von euch ein Leid geschehen. Wir wollen nur die beiden Wei#223;en haben, die euch doch gar nichts angehen; das ist alles. Wir werden versuchen, unsern Zweck durch List zu erreichen, so da#223; es gar nicht zum Kampfe kommt. Sag mir also, ist die Felsenenge der einzige Weg, welcher in das Pueblo und aus demselben herausf#252;hrt?«

»Ja; es giebt keinen zweiten.«

»Kann man nicht die Felsen ersteigen, durch welche rings das Loch gebildet wird?«

»Nein; das ist unm#246;glich, denn sie sind so gerade und steil wie die Mauern dieses Hauses. Wenn du es w#252;nschest, kann ich es euch zeigen.«

»Wann? Wo?«

»Gleich jetzt. Der Flu#223; liegt tief und die Ebene hoch. Wer da wei#223;, wo das Pueblo liegt, der kann bis an seinen obern Rand reiten und von da aus auf die Wohnungen niederblicken.«

»Das m#252;ssen wir freilich sehen. Willst du uns f#252;hren?«

»Ja. Steigt auf eure Pferde und reitet von hier aus gerade nach S#252;den, bis ihr an einen gro#223;en alleinliegenden Felsen kommt; dort erwartet mich. Ich mu#223; einen Umweg machen, damit meine Spur nicht mit der eurigen zusammenf#228;llt.«

Wir trugen unsere S#228;ttel hinter das Haus und legten sie unseren Pferden auf. Der angebliche »Zuni« besa#223; zwei Pferde; auf dem einen war er fort; das andere stand mit den unsrigen in der Umpf#228;hlung; die Frau wollte auf demselben nachkommen.

Wir ritten in der angegebenen Richtung fort und sahen nach einer halben Stunde den Felsen vor uns liegen, an welchem wir warten sollten. Schon nach kurzer Zeit kam die Squaw; sie ritt uns voran, und wir folgten ihr, jetzt nach Westen zu.

Es war ein buschiges Land, durch welches wir kamen, eine Hochebene, in welche sich die Wasserl#228;ufe tief eingeschnitten hatten. Es ging im Trabe wohl eine Stunde lang #252;ber dieses Hochplateau dahin, bis wir an einen Busch kamen, #252;ber welchen die Kronen vieler B#228;ume emporragten. Er besa#223; eine bedeutende Ausdehnung, welche eine hufeisenf#246;rmige Gestalt zu haben schien. Hier stieg die Squaw ab und band ihrem Pferde die Vorderbeine zusammen, soda#223; es nicht weit fortzulaufen vermochte. Wir thaten mit unsern Pferden dasselbe und folgten ihr dann in den Busch hinein. Sie f#252;hrte uns quer durch denselben, blieb nach einer Weile stehen und sagte:

»Noch einige Schritte, und wir befinden uns an dem Rande des tiefen Loches, in welchem ihr das Pueblo sehen werdet. Nehmt euch in acht, damit man euch nicht zuf#228;llig von unten erblickt!«

Infolge dieser Warnung legten wir uns auf die Erde nieder und krochen zwischen den letzten B#252;schen hindurch, bis wir pl#246;tzlich vor uns hatten, was wir sehen wollten. Es g#228;hnte uns eine Tiefe entgegen, welche so senkrecht hinunter fiel, da#223; es einen fast schwindeln konnte. Der Boden bestand aus einer grasigen Matte, auf welcher

vielleicht zwanzig Pferde und einige hundert Schafe weideten. Letztere waren jedenfalls bestimmt, ihr Fleisch zur Nahrung der Bewohner herzugeben. Aus dem Grase erhoben sich hohe B#228;ume, welche aber, von unserm Standorte aus betrachtet, wie kleine Gew#228;chse erschienen.

»Wieder ein Thalkessel!« sagte Winnetou, der neben mir lag.

Der Apatsche hatte wohl Grund, diese Worte auszusprechen. Ja, wieder einmal so ein Thalkessel! W#228;hrend unserer Kreuz- und Querz#252;ge hatten solche Kessel wiederholt eine bedeutende Rolle f#252;r uns gespielt. Wie oft waren diese Oertlichkeiten f#252;r unsere Gegner verh#228;ngnisvoll geworden, w#228;hrend wir uns stets geh#252;tet hatten, unsern Aufenthalt in einer derartigen Falle zu nehmen! Und wenn dies einmal nicht zu umgehen gewesen war, so hatten wir es fast immer zu bereuen gehabt.

Und der Kessel, welchen wir jetzt vor uns hatten, konnte denen, welche darin wohnten, zu einem wahren Gef#228;ngnisse werden, da es, wie wir deutlich sahen, nur einen einzigen Weg gab, auf dem sie ihn verlassen konnten, n#228;mlich die schmale Felsenenge, von welcher die Squaw gesprochen hatte.

Der Kessel hatte eine beinahe kreisrunde Form, und seine Felsenw#228;nde stiegen gerade wie Mauern v#246;llig lotrecht in die H#246;he. Es gab da keinen Absatz oder Vorsprung, welcher zu erklimmen war, keinen Ri#223;, in dem man in die H#246;he klettern konnte. Das Ganze kam mir vor wie ein riesiger B#228;renzwinger, der so gebaut ist, da#223; die Bewohner unten auf dem Boden bleiben m#252;ssen.

Wir lagen dem Eingange schr#228;g gegen#252;ber und sahen nun freilich, wie eng er war. Ein einzelner Reiter hatte eben Platz, hindurchzukommen. Neben dem Eingange, welcher hinaus zum Flujo blanco, zum Fl#252;#223;chen f#252;hrte, erhob sich der Bau, den die J#252;din ihr »Schlo#223;« genannt hatte. Und sie hatte gar nicht so unrecht gehabt, dem Baue diese Bezeichnung zu geben.

Das Schlo#223; war ein Pueblo, gerade so in terrassenf#246;rmig #252;bereinander liegenden Stockwerken gebaut, wie es fr#252;her beschrieben worden ist. Man sah, da#223; sich in fr#252;heren Zeiten eine gro#223;e Steinmasse vom Felsen losgel#246;st hatte und in die Tiefe gest#252;rzt war; die Brocken derselben hatte man zum Baue des Pueblo verwendet. Dasselbe lehnte sich mit seiner hintern Seite eng an die Felsenwand und z#228;hlte acht sich deutlich von einander unterscheidende Stockwerke, welche ebensoviele Terrassen oder Plattformen bildeten, da jedes h#246;her liegende immer ein St#252;ck hinter dem n#228;chst tiefern zur#252;cktrat. Das Ganze glich einer regelm#228;#223;igen vierseitigen Pyramide, welche, senkrecht durchschnitten gedacht, mit der einen H#228;lfte im Freien lag, w#228;hrend die andere H#228;lfte in den Felsen hineingebaut zu sein schien. Acht Leitern lagen an, an jedem Stockwerke eine. Wenn auch nur die unterste weggenommen wurde, konnte kein Fremder den Bau ersteigen, der mit seinen #252;bereinander liegenden Felsenst#252;cken den Eindruck einer uneinnehmbaren Zwingburg machte.

Bei den Verh#228;ltnissen jener Zeit, in welcher das Pueblo errichtet wurde, hatte es seinen Zweck gewi#223; vollkommen erf#252;llt. Es war schon an und f#252;r sich uneinnehmbar gewesen, wozu dann noch der Umstand kam, da#223; es nicht drau#223;en im Freien, sondern hier in der Verborgenheit lag, in die man nur durch den so #252;beraus schmalen Eingang dringen konnte, den zu verteidigen einige wenige M#228;nner gen#252;gten. Die Festung war nur durch Ueberrumpelung, nicht einmal durch Aushungern zu nehmen gewesen, denn wenn die Thalsohle g#228;rtnerisch

verwertet gewesen war, so hatte sie an Gem#252;sen und Fr#252;chten gewi#223; so viel geliefert, wie die Bewohner zum Leben brauchten, und Wasser war auch mehr als genug da; es gl#228;nzte uns aus einem ziemlich gro#223;en Becken entgegen, welches kreisf#246;rmig in die Mitte des Erdgeschosses eingebaut worden war. Wahrscheinlich wurde es von einer unterirdischen Quelle gespeist.

Was uns am meisten interessierte, waren die Menschen, welche wir sahen. Vor dem schmalen Eingange lagerte eine Anzahl von Indianern, welche ihn, mit Gewehren bewaffnet, zu verteidigen hatten. Ihr Anf#252;hrer - denn dies schien er zu sein - sa#223; #252;ber ihnen auf der ersten Plattform des Pueblo, und zwar in sch#246;ner Gesellschaft, n#228;mlich Jonathan Meltons und der J#252;din. Der erstere hatte ein Gewehr in der Hand.

»Siehst du, Sennor, da#223; es so ist, wie ich gesagt habe?« fragte mich die Indianerin. »Die Krieger am Eingange warten auf euch. Und die andern Krieger haben sich drau#223;en am Flusse in Hinterhalt gelegt, um euch durch die Enge hereinzutreiben.«

»Wo ist der Vater des jungen Wei#223;en, welcher da unten sitzt?«

»Drau#223;en bei dem Hinterhalte. Er macht dort und sein Sohn hier den Anf#252;hrer. Sie glauben, da#223; sie euch ganz gewi#223; fangen werden.«

Da meinte der Englishman:

»Wie sch#246;n k#246;nnten wir den Jonathan hier wegputzen! Soll ich ihm eine Kugel hinunterschicken?«

»Ja nicht!« antwortete ich. »Erstens wollen wir ihn doch lebendig haben und zweitens w#252;rdest du ihn wohl kaum treffen.«

»Oho! Meinst du, da#223; ich nicht schie#223;en kann!«

»Pshaw! Du wei#223;t, da#223; ich deine Fertigkeit kenne; aber ein Schu#223; von hier oben herab in die Tiefe ist allemal eine h#246;chst unsichere Sache. Auch ich wage es nicht zu behaupten, da#223; ich ihn treffen w#252;rde.«

»Well! Und drittens?«

»Drittens w#252;rden wir durch den Schu#223; verraten, wo wir uns befinden, und uns damit den gr#246;#223;ten Schaden thun. Es k#246;nnte das ganze Gelingen unserer Absichten dadurch vollst#228;ndig in Frage gestellt werden.«

»Gut, also nicht schie#223;en. Aber was denn thun? Wollen wir hier hinabspringen, um den lieben Jonathan beim Schopfe zu nehmen?«

»Hinab? Vielleicht ja, wenn auch nicht springen. Schau hin#252;ber zum Pueblo! Wie weit ist es wohl von hier oben, also von der Kante der Felswand, bis hinunter auf seine oberste Plattform?«

»Ich sch#228;tze wenigstens vierzig Ellen.«

»So weit ist es allerdings.«

»Willst du etwa eine so lange Leiter bauen?« l#228;chelte er.

»Wenn du Witze machen willst, so sieh zu, da#223; sie geistreicher ausfallen!«

»Hm, ja, die Sache ist freilich ernst. In das Pueblo m#252;ssen wir unbedingt, und da es unm#246;glich ist, da vorn durch den Eingang hereinzukommen, so m#252;ssen wir freilich hier hinunter.«

»Von einer Unm#246;glichkeit will ich nicht gerade sprechen. Ich habe schon der Squaw erkl#228;rt, auf welche Weise wir uns den Zugang erzwingen k#246;nnten. Aber das Erzwingen setzt einen offenen Angriff voraus, und wenn wir auch wirklich den Thalkessel da unten unverletzt erreichten, so k#246;nnte man uns von den Terrassen des Pueblo aus ganz gem#228;chlich wegputzen. Nein, ich meine, da#223; es auch m#246;glich ist uns hereinzuschleichen, nat#252;rlich des Nachts. Da m#252;#223;ten wir aber die feindlichen Wachen leise #252;berw#228;ltigen und wohl gar erstechen, und das m#246;chte ich vermeiden. Es bleibt uns also doch nichts #252;brig, als von hier oben aus hinunter zu kommen.«

»Wohl mit Hilfe unserer Lassos?«

»Ja.«

»Du, das ist gef#228;hrlich, weil wir die Lassos gekauft haben. H#228;tten wir sie selbst gemacht, so w#228;re uns ihre Festigkeit garantiert; aber an gekauften Riemen sich in eine solche

Tiefe hinabzulassen, ist mehr als das Leben gewagt; man kann fast sicher sein, da#223; sie rei#223;en.« »Sie werden halten, denn sie sind mit Fett getr#228;nkt und dann ger#228;uchert worden.«

»Dennoch m#246;chte ich mich ihnen nicht anvertrauen. Denkst du auch daran, da#223; sie bei der Tiefe ins Schwingen kommen m#252;ssen?«

»Ja. Ich werde dein Mi#223;trauen dadurch zerstreuen, da#223; ich mich zuerst herablasse; ich ziehe dann die Lassos unten straff an, so da#223; ihr herunterklettern k#246;nnt, ohne ins Schwingen zu geraten.«

»Well! Versuche es, und wenn es gelingt, will ich gern nachkommen. Doch frage vorher die Squaw, ob -«

»Nein, nein!« unterbrach ich ihn. »Die Frau darf nichts davon wissen, da#223; wir hier herab wollen. Ich glaube zwar, da#223; sie es ehrlich mit uns meint, aber es ist auf alle F#228;lle besser, wenn sie nichts erf#228;hrt. Sie kann, selbst wenn sie entschlossen ist, nichts zu verraten, sich doch ihrem Manne oder einem andern Yuma gegen#252;ber verschnappen.«

»Dann ist es gut, da#223; wir jetzt deutsch gesprochen haben. Wo mag der Apatsche hingegangen sein?«

Winnetou war n#228;mlich nach rechts hin zwischen den

B#252;schen verschwunden. Ich ahnte seine Absicht und antwortete also:

»Es ist wirklich sonderbar, mit welcher Uebereinstimmung Winnetou und ich bei solchen Angelegenheiten zu denken pflegen. Ich bin #252;berzeugt, er ist da hin#252;ber, um, gerade #252;ber dem Pueblo liegend, hinabzuschauen und dabei zu #252;berlegen, wie wir hinunterkommen k#246;nnten.«

Ich hatte das Richtige getroffen. Winnetou kehrte nach kurzer Zeit zur#252;ck und sagte:

»Es giebt nur einen Weg, der uns ohne Blutvergie#223;en zum Ziele f#252;hrt. Wir m#252;ssen uns auf die Plattform hinunterlassen.«

Er bediente sich bei diesen Worten der Siouxsprache aus demselben Grunde, der uns veranla#223;t hatte, deutsch zu sprechen.

»Meinst du, da#223; unsere Lassos dazu ausreichen?« fragte ich ihn. »Ja.«

»Und da#223; sie nicht zerrei#223;en?«

»Sie werden festhalten. Unsere drei Lassos sind so lang, da#223; sie, wenn wir sie zusammenbinden, bis hinunter auf die oberste Plattform des Pueblo reichen werden.«

»Wie aber befestigen wir sie oben?«

»Es steht ein Baum hart am Rande, dessen Wurzeln so fest sind, da#223; er uns halten wird. Hoffentlich stimmt mein Bruder meinem Vorschlage bei, heute abend hinunter zu klettern?« »Ja; ich stand ja im Begriffe dir denselben Vorschlag zu machen. Was thun wir aber bis zu der Zeit, in welcher wir ihn ausf#252;hren k#246;nnen?«

»Kann sich mein Bruder die Frage nicht selbst beantworten?«

»Vielleicht. Es gilt vor allen Dingen daf#252;r zu sorgen, da#223; die Feinde nicht erraten, war wir zu thun beabsichtigen.«

Winnetou nickte mir einverstanden zu und sagte:

»Ja, wir m#252;ssen ihre Aufmerksamkeit von hier oben ablenken. Wie denkt mein Bruder, da#223; das am besten geschehen kann?«

»Wir m#252;ssen sie zu der Ansicht bringen, da#223; wir sie unten am Flusse angreifen werden.«

»Richtig! Sie m#252;ssen glauben, da#223; wir uns durch die Enge an das Pueblo schleichen wollen. Um diese Absicht zu erreichen, m#252;ssen wir hinab zu ihnen.«

»Jetzt schon?« fragte Emery.

»Ja,« antwortete der Apatsche. »Sie sollen und m#252;ssen uns doch sehen, oder wenigstens m#252;#223;ten sie bemerken, da#223; wir uns da unten aufhalten.«

»Das ist aber viel zu gef#228;hrlich. Wenn wir uns ihnen zeigen, werden sie uns einfach wegschie#223;en.«

»Das k#246;nnen sie nur dann, wenn wir ihnen so nahe k#228;men, da#223; uns ihre Kugeln erreichen k#246;nnten. Das werden wir aber nicht thun.«

»Es liegt ja ein Teil von ihnen im Hinterhalte; diese Leute m#252;ssen uns kommen sehen, w#228;hrend wir nicht wissen, wo sie stecken; wir k#246;nnen ihnen also geradezu in die H#228;nde laufen.«

»Nein, denn wir haben Augen und auch Ohren. Und vielleicht wei#223; die Frau, wo der Hinterhalt zu suchen ist.«

Als wir uns darauf bei ihr erkundigten, antwortete sie:

»Wenn ihr wieder mit nach unserm Hause zur#252;ckkehrt und der F#228;hrte folgt, welche da gemacht worden ist, damit ihr sie leichter sehen Sollt, so kommt ihr an einen kleinen Bach, welcher sich in den Flujo blanco ergie#223;t. Dort wollten sie sich trennen. Die eine Abteilung wollte am Flujo abw#228;rts nach dem Pueblo gehen, und die andere sollte dem Bache soweit folgen, da#223; sie von euch nicht gesehen werden kann; sie liegt zwischen B#252;schen versteckt.«

»Und wartet wahrscheinlich jetzt mit Schmerzen auf uns,« f#252;gte ich hinzu; »denn die erste Abteilung ist am Pueblo angekommen; wir sehen die Krieger da unten liegen. Wollen wir die Herrschaften noch l#228;nger auf uns warten lassen?«

»Nein, wir reiten jetzt hinunter nach dem Flusse,« meinte Winnetou. Und sich zu der Frau wendend, fuhr er fort:

»Meine Schwester wird es ehrlich mit uns meinen?«

»Ja,« antwortete sie einfach und mit einem Gesicht, dem man es ansah, da#223; sie die Wahrheit sagte.

»Da sollst du belohnt werden. Wenn wir die beiden wei#223;en M#228;nner durch List und ohne Kampf in die H#228;nde bekommen, so geben wir dir noch mehr Gold, als du schon erhalten hast. Werden wir aber durch dich verraten, so wird die erste Kugel, welche wir abschie#223;en, dich treffen. Das glaube mir! Wir belohnen gern; wir wissen aber auch zu bestrafen!«

»Ich will heimlich fort von hier, aber den Meinen nicht schaden. Ihr wollt sie nicht t#246;ten, sondern schonen, und ihr gebt mir Gold, da#223; ich leichter nach der Sonora kommen kann; darum habe ich euch freiwillig gesagt, was ihr wissen wolltet, und werde euch nicht verraten.«

»So mag meine Schwester jetzt nach ihrem Hause zur#252;ckkehren.«

Sie wollte der Aufforderung folgen, aber wir wu#223;ten doch noch etwas nicht, was von gro#223;er Wichtigkeit war; selbst der sonst so umsichtige Winnetou hatte vergessen, sich darnach zu erkundigen; darum fragte ich sie:

»Du kennst wohl die R#228;ume des Pueblo genau?« »Alle.«

»Wei#223;t du, wo die wei#223;e Squaw wohnt, welche mit dem Wagen angekommen ist?« »In der ersten Etage des Pueblo.« »Wo ist der Eingang zu ihr?«

»Auf der zweiten Terrasse von unten. Es ist ein Loch, durch welches eine Leiter hinunterf#252;hrt. Das Loch befindet sich in der Mitte der Plattform.«

»Also in der ersten Etage. Da wohnen die Indianer wohl unter ihr in dem Erdgeschosse?« »Nein,«

»Zu was wird dasselbe benutzt?«

»Zur Aufbewahrung der Vorr#228;te, des Maises und der andern Fr#252;chte und Gem#252;se, die im Thale erbaut werden. Auch ist der Brunnen dort.«

»Ich sehe ihn. Es ist eine Cisterne?«

»Nein; das Wasser kommt vom Flusse hereingelaufen.«

»So steht die kleine Wasserfl#228;che, welche wir von hier aus sehen, also mit dem Flujo blanco in Verbindung?«

»Ja. Das Wasser versiecht nie, weil der Flu#223; nie ganz austrocknet.« »Wo wohnen denn nun die Deinen, die Yumaindianer?« Art den oberen Etagen.«

»Und wei#223;t du vielleicht, wo sich die beiden Wei#223;en aufhalten, der Vater und der Sohn, die wir haben

wollen?«

»Der Sohn wohnt in der ersten Etage.« »Und der Vater? Wo wohnt der?« »In der Etage #252;ber seinem Sohne.«

»Wie kann die wei#223;e Squaw sich hier in der Wildnis wohl f#252;hlen? Es mu#223; ihr doch alles fehlen, was eine Wei#223;e n#246;tig hat, um zufrieden zu sein!«

»Es fehlt ihr nichts, denn der H#228;uptling hat alles, was sie w#252;nschte, damals angeschafft. Es war sehr schwer, die vielen Sachen durch die Wildnis herbeizuschaffen; aber sie hatte ihn so verblendet, da#223; ihm keine Anstrengung f#252;r sie zu gro#223; erschien. Unsere M#228;nner waren immer nach Prescott oder Santa Fe unterwegs, um zu holen, was sie sich bestellte.«

»Besa#223; denn euer H#228;uptling den Reichtum, welcher n#246;tig war, so au#223;erordentliche W#252;nsche zu erf#252;llen?«

»Darnach darfst du mich nicht fragen, denn ich kann nicht dar#252;ber sprechen. Kein roter Mann und keine rote Squaw wird sagen, wo das Gold und Silber liegt, welches die Wei#223;en so gern haben wollen.«

»Gut! Ich wei#223; nun alles, was ich wissen wollte. Du kannst heimkehren. Aber vergi#223; ja nicht, was Winnetou dir gesagt hat. Bist du unehrlich, so bekommst du eine Kugel; bist du aber treu, so wirst du noch mehr Gold von uns erhalten.«

»Wann, Sennor?«

»Sobald wir die beiden Wei#223;en in unsern H#228;nden haben.« »Und wo?«

»In deinem Hause. H#246;chst wahrscheinlich kommen wir daran vor#252;ber, wenn wir diese Gegend verlassen.« »So bitte ich euch, es ja niemand sehen zu lassen, wenn ihr mir etwas gebt.«

»Keine Sorge! Wir werden dich f#252;r den Nutzen, den wir von dir haben, doch nicht in Schaden bringen?«

Sie stieg wieder auf ihr ungesatteltes Pferd und ritt davon. Wir setzten uns auch auf. Sie verschwand nach Nordosten, denn dies war die Richtung, in welcher ihr Haus lag. Wenn man von dort aus nach dem Flujo blanco wollte, mu#223;te man sich gerade westlich wenden; wir mu#223;ten also, um von dem Punkte, an welchem wir uns befanden, dorthin zu gelangen, nordwestlich reiten. Wie weit, das war nicht schwer zu berechnen, da wir wu#223;ten, wieviel Zeit wir gebraucht hatten, um hierher zu kommen. Von dem Hause bis an den Flujo waren zwei Reitstunden; wir brauchten jedenfalls kaum die H#228;lfte der Zeit, zumal wir unsere Pferde schnell laufen lie#223;en.

Nach drei Viertelstunden erreichten wir die F#228;hrte, welche die Yumas f#252;r uns so deutlich zur#252;ckgelassen hatten, und alle Anzeichen verrieten, da#223; der Flu#223; jetzt nahe war. Da erkundigte sich Emery bei dem Apatschen:

»Was habt ihr denn nun eigentlich vor? Ihr wollt euch den Yumas zeigen. Aber wo und in welcher Weise das geschehen Soll, davon habe ich noch kein Wort geh#246;rt.«

Mein Bruder hat es noch nicht geh#246;rt, weil er nicht darnach gefragt hat. Wir werden den Hinterhalt aufsuchen, in welchem die zweite Abteilung steckt und auf uns lauert.«

Offen aufsuchen?« »Nein, heimlich.«

»Aber ich denke, sie sollen euch sehen; da d#252;rft ihr doch nicht heimlich vorgehen!«

»Ja, sie sollen uns sehen, aber erst dann, wenn wir bei ihnen sind.«

»Ah! Also angeschlichen! Da k#246;nnen wir aber unm#246;glich die Pferde mitnehmen!«

»Nein. Wir lassen sie zur#252;ck. Unser Bruder Vogel wird bei ihnen bleiben; er k#246;nnte ja #252;berhaupt nicht mit uns gehen, weil er das Anschleichen nicht versteht und uns nur schaden w#252;rde.«

»So m#252;ssen wir vor allen Dingen ein gutes Versteck f#252;r ihn und die Pferde suchen, damit er uns nicht etwa gar samt ihnen abhanden kommt.«

Ein solcher Ort war bald gefunden, eine weit ausgestreckte Gruppe von B#252;schen, welche wir rechts von uns erblickten. Dorthin ritten wir, stiegen ab, versteckten da unsere Pferde und gaben Vogel alle Anweisungen, welche wir unter den gegenw#228;rtigen Verh#228;ltnissen f#252;r n#246;tig hielten. Er sah es gar nicht gern, da#223; wie ihn nicht mitnahmen, mu#223;te aber doch zugeben, da#223; er zu dem, was wir vor hatten, nicht das n#246;tige Geschick besa#223; und uns wenigstens keinen Vorteil bringen konnte.

Als wir ihn in guter Sicherheit wu#223;ten, kehrten wir nach der Spur der Yumas zur#252;ck und folgten ihr weiter. Das geschah von jetzt an so vorsichtig wir m#246;glich, da anzunehmen war, da#223; sie uns, weil wir nicht gekommen waren, aus lauter Ungeduld einen Kundschafter entgegengeschickt hatten. Wir nahmen uns jeden einzelnen Baum oder Busch zur Deckung und verlie#223;en ihn nicht eher, als bis wir uns #252;berzeugt hatten, da#223; sich kein Feind vor uns befand.

Auf diese Weise kamen wir nach einiger Zeit in die N#228;he des tiefen Felsenthales, welches der Flujo in die Hochebene eingeschnitten hatte. Das Thal bildete einen Canon, auf welchen wir uns senkrecht zubewegten; das hei#223;t, die Linie, in welcher er verlief, bildete mit derjenigen, der wir folgten, zwei rechte Winkel.

Pl#246;tzlich senkte sich das Terrain abw#228;rts. Es war wie eine Art schmaler Hohlweg, welcher hinunter zum Flusse f#252;hrte. Wir stiegen ihn nicht hinab, denn Winnetou, der an alles dachte, sagte:

»Ehe wir dem hohlen Wege folgen, m#252;ssen wir erst sehen, wohin er f#252;hrt. Gehen wir also seitw#228;rts von ihm weiter, bis wir den Rand des Canons erreichen.«

Das geschah. Bald kamen wir auf der hohen Felsenkante an, von der aus wir hinab zum Flusse blicken konnten. Wir sahen die Stelle, an welcher der Hohlweg auf ihn m#252;ndete. Der Stelle gegen#252;ber am andern Ufer befand sich die M#252;ndung eines Baches, jedenfalls desselben, von welchem die Squaw gesprochen hatte. Er kam zwischen den Felsen herausgeflossen und lie#223; zwischen diesen und sich so viel Platz, da#223; man l#228;ngs seiner Ufer gehen und auch reiten konnte. Emery deutete in diese Richtung und sagte:

»Also da drin steckt der Hinterhalt! Wie wollen wir hinankommen, ohne bemerkt zu werden? Wenn wir am Bache aufw#228;rts gehen, m#252;ssen uns die Kerle kommen sehen!«

»M#252;ssen wir daran aufw#228;rts gehen?« fragte ich ihn. »Es mu#223; doch einen andern Weg geben, und wenn er nicht hier zu finden ist, so werden wir ihn uns anderswo suchen.«

»Ah! Du willst den Roten von hinten kommen?«

»Ja. Sie erwarten, da#223; wir ihnen bachaufw#228;rts folgen, nicht aber, da#223; wir von dr#252;ben her bachabw#228;rts kommen; wir werden sie also wahrscheinlich #252;berrumpeln.«

»Dann m#252;ssen wir aber #252;ber den Flu#223; hin#252;ber, #252;ber den Canon, #252;ber die Felsen, ohne da#223; wir fliegen k#246;nnen!«

»K#246;nnen wir nicht fliegen, so steigen wir. Kommt jetzt zum Hohlwege! Wir kennen nun das Terrain, und ich denke, da#223; wir unsern Zweck erreichen werden.«

Wir gingen also die kurze Strecke bis zum Hohlwege zur#252;ck und stiegen denselben hinab, nat#252;rlich mit der Vorsicht, die in solchen Verh#228;ltnissen geboten war. Unten am Flusse angekommen, sahen wir, da#223; die Spur der Yumas sich teilte; die eine H#228;lfte war aufw#228;rts geritten, die andere #252;ber den Flu#223; und den Bach hinaufgegangen. Das h#228;tten wir gesehen, auch wenn wir nicht von der

Squaw unterrichtet gewesen w#228;ren. Wie die beiden Meltons uns eine solche Blindheit hatten zutrauen k#246;nnen, war mir geradezu unbegreiflich. Jedem Menschen w#228;re die Spur aufgefallen, und nun erst einem Winnetou!

Auch wir gingen #252;ber den Flu#223;, folgten aber nicht etwa dem Bache, weil da oben die Yumas auf uns warteten, sondern schritten dem Flujo blanco entlang abw#228;rts weiter, bis wir eine passable Stelle des Ufers fanden, wo wir hinaufstiegen. Nun standen wir auf der Hochebene jenseits des Flusses und gingen auf derselben weiter, schr#228;g links nach dem tiefen Bette des Baches zu, wo wir auch bald eine Stelle fanden, wo wir hinuntersteigen konnten.

Die Yumas erwarteten uns von links her, am Bache aufw#228;rts kommend; wir aber befanden uns nun rechts von ihnen und schlichen uns abw#228;rts auf sie zu. Das geschah nat#252;rlich mit noch viel gr#246;#223;erer Vorsicht, als wir bisher angewendet hatten. Emery schien noch immer nicht im klaren #252;ber die Absicht zu sein, die Winnetou und ich verfolgten. Als wir einmal an einer gutgedeckten Stelle anhielten, fragte er mich: »War es denn eigentlich notwendig, diese Anstrengung zu machen, Charley?«

»Ja,« antwortete ich. »Die Yumas erwarten, da#223; wir kommen. K#228;men wir nicht, so w#252;rden sie uns suchen; sie f#228;nden unsere F#228;hrte, die nach dem Pueblo f#252;hrt, und wenn es ihnen auch wahrscheinlich nicht gel#228;nge, uns zu #252;berfallen, so w#228;re unsere Absicht doch verraten und mit Sicherheit darauf zu rechnen, da#223; man uns empfangen w#252;rde, wenn wir uns abends an den Lassos in den Thalkessel hinablie#223;en.«

»Hm, mag so sein; aber wir konnten uns an einem andern Ort verstecken, um den Abend abzuwarten!«

»H#228;tte nichts gefruchtet, Emery. Wir m#252;ssen sie irre machen; sie m#252;ssen denken, da#223; wir durch die Flu#223;enge nach dem Pueblo wollen. Und dann, denke doch, wie h#252;bsch wir sie t#228;uschen! Sie schauen und horchen den Bach hinunter, weil sie denken, da#223; wir am Flusse aufw#228;rts gehen oder, wenn wir die zweite F#228;hrte entdecken sollten, am Bache hinauf kommen; in beiden F#228;llen w#252;rden wir ihnen gerade in die Arme laufen. Nun aber befinden wir uns #252;ber ihnen und kommen von einer Seite, von der sie uns nicht erwarten.«

»Nun, und dann, was haben wir davon?«

»Was wir davon haben?« fragte ich erstaunt. »Welche Frage?«

»Du wunderst dich #252;ber sie? Du willst den Roten doch nichts thun! Ja, wenn wir sie erschie#223;en wollten oder d#252;rften, so h#228;tte es doch einen Zweck, hier in der Hitze herumzuklettern und unter Lebensgefahr herumzuschleichen. Wenn ihnen aber nichts geschehen soll, so k#246;nnen wir sie nur erschrecken und m#252;ssen sie dann laufen lassen.« »Ja, sie, aber einen andern nicht, den alten Melton. Den werden wir fassen, falls es m#246;glich ist; dann haben wir heut abend nur noch seinen Sohn zu ergreifen. Bist du nun zufriedengestellt?«

»Wenn es so ist, ja. Da#223; es dem alten Melton gelte, davon habt ihr nichts gesagt.«

»Weil es sich von selbst verstand. Nun aber weiter, sonst werden die Kerle ungeduldig und sind imstande, ihr Versteck zu verlassen.«

Wir schlichen weiter, jetzt nicht mehr gehend, sondern auf dem Boden kriechend; jeder Augenblick konnte uns die Gesuchten zeigen.

»Uff!« h#246;rte ich da auf einmal den Apatschen im Tone des Erstaunens sagen.

Er war uns einige Schritte voran, hatte sich erhoben, stand an einem dichten Strauche und deutete daran vor#252;ber nach dem lichten Platze, der vor ihm lag. Wir huschten zu ihm hin und wurden von gleicher Verwunderung oder vielmehr Entt#228;uschung ergriffen. Das Gras des Platzes war niedergetreten; hier hatten die Yumas gesteckt, aber keiner von ihnen war zu sehen.

»Fort!« meinte Winnetou.

»Ja, wenn es n#228;mlich keine Finte ist,« warnte ich. »Es ist m#246;glich, da#223; sie unser Kommen bemerkt und sich nur zur#252;ckgezogen haben, um uns mit ihren Kugeln zu empfangen.«

»Wollen sehen,« meinte der Apatsche. »Meine Br#252;der m#246;gen hier ein wenig warten.«

Er ging eine Strecke zur#252;ck, sprang dann #252;ber den Bach und kam dann auf der andern Seite wieder herangekrochen. Dort gab es so viel Gestr#228;uch und Gestr#252;pp, da#223; die Yumas, falls sie vor uns steckten, ihn nicht sehen konnten. Er kam wie eine Schlange dr#252;ben vor#252;ber und verschwand dann auf ungef#228;hr zehn Minuten. Dann kehrte er zur#252;ck. Er ging dabei aufrecht, ein Zeichen, da#223; er keinen Feind gesehen hatte.

»Fort,« rief er uns schon von weitem zu. »Ueber den Flu#223;. Ich konnte ihre Spuren sehen, bis sie im Wasser verschwanden.«

»Fatal!« zankte da Emery. »Sie sind jedenfalls hinauf nach dem Pueblo, weil ihnen die Geduld ausgegangen ist. Mit der Ergreifung des alten Melton ist es also nichts.«

»Wenn es nur das w#228;re, wollte ich es loben!« meinte ich.

»Nur das? Was weiter k#246;nnte den geschehen sein?«

»Sie sind #252;ber den Flu#223;; wenn sie da unsere F#228;hrte sehen, so ---«

»Alle Wetter, ja! Dann sind sie derselben nach. Sie werden also am Ufer abw#228;rts gehen, das Ufer ersteigen und, gerade so wie wir, nach dem Bache kommen. Wir brauchen also nur hier sitzen zu bleiben und sie in Empfang zu nehmen! Gl#252;cklicher konnte man sich das ja gar nicht lenken!«

»Ich bin nicht so froh wie du. Ja, wenn sie unsere Spur gesehen haben, so sind sie ihr gewi#223; gefolgt; aber es fragt sich nur, wie! Wenn sie r#252;ckw#228;rts gegangen, woher wir gekommen sind, so m#252;ssen sie Vogel und unsere Pferde finden.«

»Das w#228;re das gr#246;#223;te Pech, welches wir haben k#246;nnten!« »Mehr als Pech! Wir m#252;ssen schnell weiter, um zu erfahren, wohin sie sich gewendet haben.«

Wir eilten den Bach hinab und an den Flu#223;. Schnell ging es durch das seichte Wasser, und da s#228;hen wir denn auf dem Boden, da wo der Hohlweg in den Flu#223; m#252;ndete, viel mehr Spuren, als wir vorhin gesehen hatten. Ich betrachtete sie, konnte aber nicht klug werden; Emery ging es ebenso, und auch Winnetou sch#252;ttelte den Kopf. Er betrachtete die Eindr#252;cke, ma#223; sie mit den Fingern aus, sch#252;ttelte wieder den Kopf und sagte endlich:

»Vielleicht sind die Yumas schon wieder zur#252;ck. Meine Br#252;der m#246;gen mir schnell zu unseren Pferden folgen!«

Wir rannten den Hohlweg hinauf. Oben angekommen, wo es Gras gab, sahen wir zu unserem Schrecken allerdings, da#223; die Yumas hier gewesen waren; sie hatten unsere F#228;hrte gesehen und waren ihr gefolgt, aber leider nicht vorw#228;rts, wohin wir gegangen, sondern zur#252;ck, woher wir gekommen waren. Jetzt gab es einen Dauerlauf nach den B#252;schen, wo wir Vogel mit unsern Pferden gelassen hatten. Es fiel uns nicht ein, vorsichtig zu sein; es galt unserm Gef#228;hrten und unsern Pferden. Wir brachen laut, wie gehetztes Wild, durch die B#252;sche, die Gewehre in der Hand, um sofort zuschlagen oder schie#223;en zu k#246;nnen.

Jetzt waren wir da - - aber unsere Pferde waren fort und Vogel mit ihnen. Der Rasen war nicht zerstampft, keine Spur eines Kampfes war zu sehen. Unser ber#252;hmter Violinvirtuos war ganz regelrecht #252;berrumpelt worden. Die Spuren gingen von hier aus in einem Bogen zur#252;ck nach dem Hohlwege. Wir so erfahrenen, wir klugen, wir #252;berklugen Menschen hatten eine ganz armselige, eine ganz besch#228;mende Schlappe erhalten.

Emery h#228;tte vor Wut platzen m#246;gen; er fuhr uns an:

»Da steht ihr nun und starrt einander an! Wo ist denn der alte Melton, den ihr fangen wolltet? W#228;ret ihr mir gefolgt, so st#228;nden wir nicht da wie Schuljungen, die Pr#252;gel bekommen haben!«

»Hat mein Bruder Emery noch keinen Fehler gemacht?« fragte Winnetou in seiner ruhigen Weise.

»Genug, genug!« antwortete der Englishmann in possierlicher Aufrichtigkeit. »Aber wir d#252;rfen uns hier nicht aufhalten; wir m#252;ssen fort; wir m#252;ssen ihn befreien; kommt also rasch, kommt!«

Er rannte fort. Als er aber sah, da#223; wir ihm nur langsam folgten, blieb er stehen und rief uns zu:

»So kommt doch nur, kommt! Es ist keine Zeit zu verlieren!«

»Wohin denn?« fragte ich. »Nach dem Pueblo?«

Nach dem - - ah, du meinst, da#223; sie ihn dorthin geschleppt haben? Dann geht es freilich nicht so schnell, wie ich dachte!«

»Gewi#223; k#246;nnen wir nicht jetzt, am hellen Tage, hin und die Festung erst#252;rmen. Wir w#252;rden uns doch nur die K#246;pfe einrennen.«

»Was aber thun wir bis zur Nacht?«

»Warten - weiter nichts.«

»So kommt! Wir wollen wieder nach dem Rande #252;ber dem Pueblo, wo wir heut abend hinab wollen. Von dort aus k#246;nnen wir sehen, was sie mit unsern Pferden und mit Vogel machen!« »Und wenn die Yumas nach uns suchen, finden sie auch diese Spur, kommen uns nach und vereiteln unser Rettungswerk! Dann bekommen wir nicht nur die beiden Meltons nicht, sondern auch Vogel ist verloren -von unseren Pferden gar nicht zu reden.«

»Aber wo wollen wir sonst die lange Zeit zubringen?!«

»Ich werde es euch zeigen,« sagte Winnetou. »Meine Br#252;der m#246;gen mir folgen!«

Er schritt voran, nach dem Hohlwege zu, und setzte sich, als er bei demselben angekommen war, hinter den B#252;schen nieder.

»Ist es meinen Br#252;dern so recht, hier zu sitzen?« fragte er.

»Mir nicht!« antwortete Emery m#252;rrisch. »Da sitzen wir den Feinden ja gerade vor der Nase!«

»Das ist doch das einzig richtige,« erkl#228;rte ich ihm. »Weil die Yumas ganz bestimmt wieder hier herkommen werden, sobald sie Vogel nach dem Pueblo gebracht haben.«

»Werden sich h#252;ten!«

»Wenigstens werden die Meltons einen oder einige Kundschafter senden, um zu erfahren, wo wir sind und was wir thun.«

»Und wenn die Kerle kommen! Was dann?«

»Wir schicken sie nach dem Pueblo zur#252;ck und lassen die Meltons gr#252;#223;en. Auf diesem Wege erlangen wir die Sicherheit, da#223; unserm Gef#228;hrten kein Leid geschieht.«

»Hm, ja; das will ich gelten lassen. Der arme Teufel befindet sich in einer Gefahr, die gar nicht gr#246;#223;er sein kann!«

»So gar gro#223; ist sie nicht! So lange wir noch da sind, braucht er nichts zu f#252;rchten.« »Oho! Denke doch an die Erbschaft!« »Nun? Weiter!«

»Wenn er ihnen das sagt, bringen sie ihn auf der Stelle um!« »Er wird doch nicht so dumm sein, ihnen das zu sagen!«

»Warum nicht! Ich denke gerade, da#223; er es in seiner Angst, in seinem Aerger sagt.«

»Er wird es sagen,« behauptete Winnetou in seiner ruhigen Weise. »Er wird es sagen, und gerade darum hat Winnetou sich hierher gesetzt.«

Jetzt passierte mir etwas Seltenes; n#228;mlich ich erriet nicht, was der Apatsche mit diesen Worten meinte. Als er sah, da#223; ich ihn fragend anblickte, fuhr er fort:

»Glaubt mein Bruder Scharlieh, da#223; die Meltons sich vor uns f#252;rchten?« »Werden sie denken, da#223; sie uns hier fangen und vernichten k#246;nnen?«

»Nein. Ich bin im Gegenteile #252;berzeugt, sie wissen, da#223; ihre Rolle wahrscheinlich bald zu Ende gespielt ist.«

»Ja, #252;berfallen und t#246;ten lassen wir uns nicht von ihnen; Vogel haben sie fangen k#246;nnen, uns aber nicht. Wir haben ihr Nest entdeckt. Sollten sie entkommen, so sind wir immer wieder hinter ihnen her und lassen ihnen keine Ruhe, bis wir sie ergriffen haben. Das wissen sie. Auf einmal f#228;llt Vogel in ihre H#228;nde, wirft ihnen ihre Verbrechen vor und sagt, da#223; er der einzige und richtige Erbe ist. Was werden sie thun?«

»Ihn sofort umbringen!« antwortete Emery im Tone der Ueberzeugung.

»Ist mein Bruder Scharlieh derselben Ueberzeugung?«

»Nein,« erwiderte ich, denn ich wu#223;te nun, was Winnetou gemeint hatte. »Der Mord k#246;nnte ihre Lage nicht verbessern, sondern er w#252;rde sie nur verschlimmern, weil die M#246;rder dann bei uns auf kein Erbarmen mehr rechnen d#252;rften.«

»Mein Bruder hat recht; denn wenn sie ihn nicht t#246;ten, sondern ihn als Geisel gebrauchen, ist Rettung f#252;r sie m#246;glich.«

»So meint mein Bruder Winnetou, da#223;, wenn wir hier sitzen bleiben, bald ein Kundschafter und dann ein Unterh#228;ndler kommen wird?«

»Ja.«

»Mein Bruder ist der Scharfsinnigste von uns dreien. Er irrt sich nie, und ich bin jetzt auch #252;berzeugt, da#223; seine Vermutung sich erf#252;llen wird.«

»Ich zweifle sehr daran,« brummte Emery unwillig. »Und selbst wenn es sich bewahrheiten sollte, w#252;rdet ihr mit diesen Menschen in Unterhandlung treten?«

»Ja. Man thut, was klug ist. Es gilt zun#228;chst, daf#252;r zu sorgen, da#223; dem jungen Manne kein Leid geschieht, und dies k#246;nnen wir nur dadurch erreichen, da#223; wir scheinbar auf die Vorschl#228;ge, welche uns etwa gegemacht werden, eingehen oder sie wenigstens in Ueberlegung ziehen. Wir sind heute unvorsichtig und dadurch ungl#252;cklich gewesen, doch ist bei dem Ungl#252;cke ein gro#223;es Gl#252;ck, welches mich mit dem Unfalle vollst#228;ndig auszus#246;hnen vermag.«

»Welches Gl#252;ck?«

»Da#223; wir unsere Lassos bei uns haben. H#228;tten wir sie bei den Pferden zur#252;ckgelassen, so w#228;ren sie uns verloren, und ich w#252;#223;te nicht, wie wir Vogel befreien wollten.«

»Pshaw! Heraus mu#223; er auf jeden Fall; eher ruhe ich nicht!«

»Aber unter welcher Vermehrung der Gefahren und Schwierigkeiten! So aber bin ich #252;berzeugt, da#223; er schon morgen fr#252;h wieder frei sein wird. Ich hoffe n#228;mlich, da#223; -«

Winnetou unterbrach mich durch einen Wink, den er mir gab. Er lag so, da#223; er ein St#252;ck in den Hohlweg hinein- und hinabblicken konnte; ich sah seine Augen funkeln; dann h#246;rte ich Schritte; es kam jemand, langsam und vorsichtig, wie einer, der seiner Sache nicht sicher ist. Wir schoben uns noch weiter ins Geb#252;sch hinein; da kam er - ein Indianer. Er sah nach links und rechts, und als er rundum niemand erblickte, trat er vollends aus dem Hohlwege heraus und begann, die Spuren zu mustern, welche sich von uns und seinen Leuten hier im Grase befanden.

Jetzt kehrte er uns den R#252;cken zu. Winnetou erhob sich und stellte sich leise hinter ihn; auch ich stand leise auf, und Emery folgte ger#228;uschlos unserm Beispiele. Jetzt fragte der Apatsche laut:

»Was sucht mein roter Bruder hier im Grase?«

Der Yuma fuhr herum, sah uns und lie#223; vor Schreck seine Flinte fallen. Winnetou schleuderte sie schnell mit dem Fu#223;e fort und f#252;gte hinzu:

»Hat mein Bruder etwas verloren?«

Ich sah es wie einen blitzartigen Entschlu#223; #252;ber das braune Gesicht des Yuma gehen und schnellte mich mit drei Schritten vor den Hohlweg hin. In demselben Augenblicke that er das Gleiche. Er flog mir gerade in die Arme, die ich fest um ihn schlang; er machte zwar einen Versuch, sich loszurei#223;en, als ihm dieser aber nicht gelang, verhielt er sich still und lie#223; sich von Winnetou vollends entwaffnen. Als ich ihn dann aus dem Hohlwege zur Seite f#252;hrte, wo wir gesteckt hatten, und ihm befahl, sich niederzusetzen, gehorchte er ohne Widerstreben. Winnetou legte sich so, da#223; er hinter dem Busche hervor den Hohlweg #252;berblicken konnte, und sagte dann zu dem Gefangenen:

»Wei#223; mein Bruder, wer wir sind?«

Der Gefangene nickte.

»Er mag unsere Namen sagen!«

»Winnetou und Old Shatterhand; das andere Bleichgesicht kenne ich nicht.«

»Dieser wei#223;e Mann ist ein ber#252;hmter J#228;ger, der sich noch nie vor einem Feinde gef#252;rchtet hat. Mein Bruder hat unsere Namen richtig genannt. Wo hat er sie geh#246;rt, oder hat er uns vielleicht selbst kennen gelernt?«

»In der Sonora, bei der Hazienda del Arroyo und in Almaden alto habe ich euch gesehen.«

»Wenn mein Bruder sich erinnert, was dort geschehen ist, so wird er auch wissen, da#223; wir nicht Feinde der Yuma sind, denn wir haben Frieden mit ihnen geschlossen. Warum treten die Yumas hier gegen uns auf?«

Der Gefragte antwortete nicht.

»Wir haben damals Hunderte von Yumas besiegt, und jetzt seid ihr so wenige. Meint ihr, da#223; ihr diesmal gl#252;cklicher sein werdet?«

»Wir wohnen in einem Pueblo, in das kein Feind kommen kann!«

»Mein Bruder irrt sich. Der Felsen von Almaden alto war viel fester und viel schwerer zu ersteigen, als euer Pueblo; wir sind dennoch hineingekommen und haben den Besitzer sogar gefangen herausgeschafft. Und Almaden alto wurde von vielen Yumas bewacht, und hier mein Bruder Shatterhand hat es ganz allein erobert. Wie leicht ist es uns da, in euer Pueblo zu gelangen! Ihr k#246;nnt alle wachen; wir werden uns doch, wenn wir wollen, ungesehen durch die Flu#223;enge und den schmalen Eingang schleichen. Wenn wir dies

thun, seid ihr verloren; daher rate ich euch, es nicht so weit kommen zu lassen!«

Diese Worte nahmen dem Yuma einen Stein vom Herzen. Er war gefangen; wir konnten ihn t#246;ten; jetzt aber antwortete er schnell:

»Warum giebt der H#228;uptling der Apatschen einen Rat, der nicht befolgt werden kann?« »Nicht befolgt? Warum?« fragte Winnetou, obgleich er den Roten recht gut verstanden hatte. »Weil die, an welche er gerichtet ist, den Rat nicht h#246;ren k#246;nnen.« »Wir werden dich zu ihnen senden.«

Da hellte sich das Gesicht des Yuma noch mehr auf und er sagte:

»So la#223; mich gehen! Ich werde meinen Br#252;dern sagen, welchen Rat du mir gegeben hast.«

»Warte noch! Seit wann sch#228;men sich rote Krieger nicht, Sklaven eines Weibes, einer wei#223;en Squaw zu sein?«

»Wir sind nicht ihre Sklaven.«

»Ihr seid es. Ihr fangt um ihretwillen sogar Feindschaft mit drei ber#252;hmten Kriegern an, von denen ihr wi#223;t, da#223; sie euch, sobald sie nur wollen, vernichten werden. Um dieses Weibes willen nehmt ihr Menschen in Schutz, welche Diebe und M#246;rder sind und nicht einmal zu einem Stamme der roten M#228;nner geh#246;ren. Man sollte euch verachten!«

Das Auge des Yuma blitzte zornig auf. Er beherrschte sich aber und sagte: »Die Wei#223;e war die Squaw unseres H#228;uptlings; nur deshalb dienen wir ihr noch.«

»Welcher rote Krieger hat jemals der Squaw seines H#228;uptlings gedient und noch dazu nach dem Tode desselben? Mein Bruder mag seinen Gef#228;hrten sagen, was Winnetou von ihnen denkt, wenn sie die wei#223;e Frau und deren beiden Freunde noch l#228;nger besch#252;tzen. Ihr habt einen jungen Wei#223;en gefangen, der unser Freund ist; ihr habt uns unsere Pferde geraubt; ihr habt uns gestern abend #252;berfallen, um uns zu fangen und zu t#246;ten. Das alles fordert unsere Rache heraus, und diese wird euch unvermeidlich treffen, wenn ihr euch nicht zu der S#252;hne versteht, welche ich von euch fordere.«

»Was verlangt Winnetou von uns?«

»Unsere Pferde, den jungen Mann, von dem ich eben sprach, und die beiden Wei#223;en, welche bei der Squaw im Pueblo wohnen.«

»Das ist sehr viel verlangt! Und was bietet uns Winnetou daf#252;r?« »Alles! Das Leben!«

Man sah es dem Yuma an, da#223; er einen gro#223;en Respekt vor Winnetou hatte, dennoch zuckte es ironisch um seine d#252;nnen Lippen, als er hierauf antwortete:

»Wenn man uns das Leben nehmen will, werden wir es auch zu verteidigen wissen. Oder meint der

H#228;uptling der Apatschen, da#223; ihn keine Kugel trifft?«

»Ja. Hier bei euch bin ich vor jeder Kugel sicher; ich wei#223; das so genau, weil ich euch kenne. Also du wei#223;t, was ich verlange: Den Vater und seinen Sohn, die bei euch wohnen; den jungen Wei#223;en, den ihr ergriffen habt, und unsere Pferde.«

»Und was wird geschehen, wenn unsere Krieger nicht in deine Forderungen willigen?«

»Das sage ich nicht; aber ihr werdet es bald erfahren. Jetzt kannst du gehen. Wir bleiben noch hier, bis die Sonne zehn H#228;nde breit vom westlichen Horizonte entfernt ist. Habt ihr dann noch nicht geantwortet, so entscheidet der Tomahawk zwischen uns, und wir kommen in der Dunkelheit am Flusse hinauf, schie#223;en jeden weg, der uns im Wege liegt, dringen in euer Pueblo ein und holen uns alles, was ihr uns verweigert. Dann werden eure Frauen und Kinder ein Heulen und Schreien beginnen #252;ber den Tod, der ihre M#228;nner und V#228;ter hinweggerafft hat!«

»Winnetou ist ein gro#223;er Krieger; aber die Yumas sind keine M#228;use, welche furchtsam aus ihren L#246;chern fliehen, wenn sie den Feind kommen h#246;ren!«

»Ihr werdet ihn gar nicht h#246;ren. Er wird mitten unter euch sein, ehe ihr es denkt.« »So haben wir unsere Messer, sie ihm ins Herz zu sto#223;en!«

»Das k#246;nnt ihr nicht, weil ihr ihn gar nicht sehen werdet. Mein Bruder mag jetzt gehen und in sein Pueblo zur#252;ckkehren, um uns Antwort zu bringen. Je eher wir dieselbe bekommen, desto besser wird es f#252;r die Yumas sein.«

»Darf ich mein Gewehr mitnehmen?«

»Nein. Ein Gefangener bekommt seine Waffen erst dann, wenn Friede geschlossen ist, nicht eher.«

Der Yuma stand auf und verschwand stolzen Schrittes und erhobenen Hauptes im Hohlwege. Sein Stolz lie#223; nicht zu, uns merken zu lassen, wie froh er war, uns so heiler Haut entkommen zu sein. Als er fort war, fragte Emery:

»Ist mein Bruder Winnetou vielleicht der Ansicht, da#223; die Yumas uns aus Angst die drei Personen und unsere Pferde ausantworten werden?«

»Nein,« antwortete der Apatsche; »aber Winnetou wei#223; genau, wie es nun kommen wird.« »Ich bin wirklich neugierig, dies zu h#246;ren!«

»Der Yumakrieger ist ausgesandt worden, zu erkunden, wo wir uns befinden, aber nicht etwa, weil man uns angreifen will, denn nun, da unser Gef#228;hrte gefangen worden ist, wei#223; man, da#223; wir doppelt vorsichtig sein werden. Er kehrt jetzt zur#252;ck und erz#228;hlt den Meltons, wo er uns getroffen hat, da#223; wir ihn #252;berw#228;ltigt und was ich ihm alles aufgetragen habe. Was von mir verlangt worden ist, werden wir nicht bekommen, sondern man wird uns anderes anbieten.«

»Was?«

»Den Gefangenen und unsere Pferde. Au#223;erdem wird man dem ersteren einen Teil der Erbschaft versprechen und daf#252;r verlangen, da#223; wir uns entfernen und nie wieder etwas gegen die beiden Meltons vornehmen. Meine Br#252;der glauben nicht, was ich sage? Sie werden bald erfahren, da#223; ich recht habe, da#223;

ich mich nicht irre. Wir werden nicht lange zu warten haben, bis eine Botin kommt.« »Eine Botin?« fragte Emery erstaunt.

»Ja. Die Meltons werden sich h#252;ten, selber zu kommen, und was sie uns zu sagen haben, das k#246;nnen sie keinem Yuma anvertrauen; da giebt es nur eine Person, welche sie senden k#246;nnen, und das ist die wei#223;e Squaw, von der sie wohl auch glauben, da#223; wir uns von ihrem sch#246;nen Gesicht betr#252;gen lassen werden.«

Ich hatte alle Achtung vor dem Scharfsinne des Apatschen; wie oft war ich von der Untr#252;glichkeit seines Instinktes f#246;rmlich betroffen worden; jetzt aber war ich doch der Ansicht, da#223; er zu viel behaupte, gab aber dem Gedanken keine Worte. Er schien zu ahnen, was ich dachte, denn er sagte zwar auch nichts, aber sein Auge ruhte mit jenem, ich m#246;chte sagen, #252;berlegen l#228;chelnden Ausdrucke auf mir, den ich immer an ihm beobachtet hatte, wenn er seiner Sache sicher, ich aber anderer Meinung gewesen war und sich seine Behauptung dann doch bewahrheitet hatte.

Wir warteten wohl #252;ber eine Stunde lang. Wir lagerten jetzt so, da#223; wir alle drei in den Hohlweg blicken konnten. Da sahen wir einen Roten kommen; es war der Yuma, mit welchem wir vorhin gesprochen hatten.

»Nun, Winnetou, ist's etwa die wei#223;e Squaw?« fragte Emery.

»Noch nicht,« antwortete der Gefragte in gleichm#252;tigem Tone.

»Es w#228;re auch wenigstens sonderbar, wenn sie uns ein Weib als Unterh#228;ndler senden wollten; es war das eine Unglaublickeit.«

»Mein Bruder wird wohl noch manches als Wahrheit erkennen m#252;ssen, was er vorher f#252;r unglaublich gehalten hat. H#246;ren wir, was der Mann uns zu sagen hat!«

Der Yuma kam langsam zu uns heran, setzte sich zu uns, als ob sich das von selbst verstehe und dabei f#252;r ihn keine Gefahr vorhanden sei, und wartete, bis wir ihn anreden w#252;rden. Winnetou war zu stolz, das zu thun; mir fiel es auch nicht ein, das erste Wort zu sagen, und Emery schien wohl Lust dazu zu haben, weil er neugierig war, ich bat ihn aber durch einen Blick, zu schweigen. So war also der Yuma doch gezwungen, das Wort zu ergreifen. Er that dies, indem er fragte:

»Meine Br#252;der haben wohl nicht gedacht, da#223; ich so schnell zur#252;ckkehren werde?«

»Wir haben gar nicht mehr an dich gedacht,« antwortete Winnetou. »Ob du wiederkommen w#252;rdest oder nicht, das war wohl f#252;r euch von gro#223;er Wichtigkeit, uns aber konnte es sehr gleichg#252;ltig sein.«

»Ich habe deine Botschaft ausgerichtet.«

Er glaubte, es werde nun eine neugierige Frage kommen, da dieselbe aber ausblieb, f#252;gte er hinzu: »Ich habe sie den beiden M#228;nnern gesagt, welche bei der wei#223;en Squaw wohnen.« »Und nicht den Yumakriegern?« entfuhr es dem Englishman.

»Auch ihnen; es haben sie also alle geh#246;rt. Der Vater dessen, welcher der Mann der wei#223;en Squaw geworden ist, hat mich zu euch gesandt, um euch die Antwort zu sagen.«

»Und die lautet?« »Die wei#223;e Squaw soll zu euch gehen, um mit euch zu sprechen.«

Ueber Winnetous Gesicht ging ein leises, aber siegbewu#223;tes L#228;cheln; der Englishman aber fuhr zornig auf:

»Die wei#223;e Squaw? Meinst du, da#223; wir mit Weibern zu verhandeln pflegen?«

»Der Mann, der mich geschickt hat, war der Ansicht, da#223; ihr gern mit ihr sprechen w#252;rdet.«

»Warum ist er nicht selbst gekommen?«

»Weil er keine Zeit dazu hat.«

»So mag er seinen Sohn schicken!«

»Auch dieser wird nicht kommen. Sie denken, da#223; ihr sie nicht wieder fortlassen w#252;rdet.«

»K#246;nnte m#246;glich sein! H#228;tten auch alle Veranlassung dazu!«

Dies hatte Emery in seinem grimmigsten Tone gesagt; da aber meinte Winnetou:

»Wenn ein Unterh#228;ndler zu uns kommt, so halten wir ihn nicht zur#252;ck, wenn er wieder gehen will, er mag sein, wer er will. Der H#228;uptling der Apatschen ist nicht gewohnt, mit einem Weibe zu verhandeln; damit aber die Krieger der Yumas erfahren m#246;gen, da#223; wir so freundlich wie m#246;glich mit ihnen sein wollen, gebe ich die Erlaubnis, da#223; die Frau kommen darf. Geh also nach dem Pueblo und sage es ihr!«

Er entfernte sich, und wir warteten nun mit Spannung auf die Ankunft der Angeh#246;rigen des zarten Geschlechtes, welche nach allem, was geschehen war, die Stirn hatte, mit uns sprechen zu wollen.

»Nun,« meinte der Apatsche zu Emery, »hat mein Bruder die Erfahrung gemacht, da#223; selbst das Unm#246;gliche m#246;glich werden kann?«

»Das ist allerdings der Fall! Wie die Person es wagen kann, zu uns zu kommen, ist mir unbegreiflich. Bin neugierig, was sie uns mitteilen wird!«

»Das, was ich gesagt habe. Winnetou wird ihr kein Wort g#246;nnen; meine Br#252;der m#246;gen mit ihr reden.«

»Ich nicht, denn ich bef#252;rchte, so grob zu werden, da#223; ich alles verderben w#252;rde. Charley, willst du das Amt #252;bernehmen?«

»Auch mich widert es an; aber ich sehe, da#223; ich den Umst#228;nden Rechnung tragen mu#223;. Sprich mir aber nicht darein; du k#246;nntest unserer Angelegenheit dadurch Schaden bringen.«

Man war im Pueblo jedenfalls von unserer Einwilligung #252;berzeugt gewesen, denn wir hatten noch nicht lange gewartet, so sahen wir die J#252;din unten im Hohlwege erscheinen. Sie hatte eine junge Indianerin bei sich, welche einen aus Rohr und Schilf geflochtenen leichten Sessel trug.

Die Judith hatte Toilette gemacht, hier in der Wildnis an der Grenze zwischen Neu-Mexiko und Arizona! Als sie sich uns n#228;herte, nahm ihr Gesicht ein siegreiches L#228;cheln an; sie nickte uns gr#252;#223;end zu, gab der Indianerin einen Wink, den Stuhl uns gegen#252;ber zu setzen, nahm Platz und sagte:

»Ich bin erfreut, Sennores, Sie so wohl zu sehen. Der weite Ritt scheint auf Ihre Gesundheit keinen nachteiligen Einflu#223; ausge#252;bt zu haben; darum hoffe ich, da#223; Ihr Wohlbefinden auf unsern Gegenstand von guter Wirkung sein werde!«

Wir waren weder aufgestanden, noch hatte sie einen Gru#223; von uns empfangen. Mein Gesicht war gewi#223; kein freundliches, als ich ihr antwortete:

»Keine Redensarten! Bleiben wir streng bei der Sache, welche uns zusammenf#252;hrt! Sie wohnen jetzt mit dem sogenannten Small Hunter und mit seinem Vater im Pueblo?«

»Ja.«

»Sie wu#223;ten in New-Orleans noch nicht, da#223; dieser Mann sein Vater war. Wann haben Sie es erfahren?« »Hier, als der Vater ankam.«

»So kennen Sie nun wohl auch den richtigen Namen Ihres Br#228;utigams?« Sie schwieg, und erst als ich meine Worte wiederholte, fragte sie: »Mu#223; ich Ihnen das sagen?«

»Sie m#252;ssen nicht; Sie k#246;nnen es leugnen; aber wir w#252;rden wohl eher einig werden, wenn Sie die Wahrheit sagten. Sch#228;men werden Sie sich wahrscheinlich nicht, das zu thun.«

Sie err#246;tete nicht und erbleichte nicht; sie antwortete lachend:

»Mir wurde gesagt, da#223; ich mich vor Ihnen weder zu sch#228;men noch zu f#252;rchten h#228;tte. Sie sind uns ungef#228;hrlich; darum kann ich Ihnen ohne besondere Angst sagen, da#223; ich den Namen meines Verlobten allerdings kenne.«

»Jonathan Melton und sein Vater hei#223;t Thomas Melton. Nicht wahr?« »Sehr richtig.« »Und sein Oheim?« »Harry Melton.«

»Wissen Sie, wo der letztere sich gegenw#228;rtig befindet?«

»Das werden Sie wohl besser wissen als jeder andere! Sie haben ihn ja erstochen.« »Von wem wissen Sie das?«

»Von seinem Bruder. Einem so gewaltth#228;tigen Menschen, wie Sie sind, ist alles, selbst so ein Raubmord zuzutrauen.«

»Hm! Sie halten mich also f#252;r gewaltth#228;tig?«

»Nat#252;rlich, denn ich habe alle Ursache dazu! Oder haben Sie mich nicht schon einmal durchpeitschen lassen wollen?«

»Allerdings, und ich gestehe ihnen, da#223; es mich jetzt eine gewaltige Anstrengung kostet, nicht gewaltth#228;tig zu sein. Bleiben wir aber ruhig; das ist besser. Da Sie den Namen ihres Verlobten kennen, wissen Sie auch, weshalb ich mich hier befinde?«

»Ja. Er hat es mir aufrichtig gesagt.«

»Und Sie gestehen es ebenso aufrichtig zu! Sie wissen also, da#223; er ein Betr#252;ger ist?«

»Betr#252;ger? Was der eine so nennt, nennt der andere anders. Jonathan ist ein Pfiffikus, und es f#228;llt mir nicht ein, ihn darum zu tadeln.«

»Ich begreife das. Sie haben abgewirtschaftet; Sie besitzen nichts mehr, als den Stein- und Lehmhaufen, den Sie so hochtrabend Ihr Schlo#223; nannten und den Ihnen jeder Indianer streitig machen kann. Nun ist es Ihnen sehr willkommen, da#223; Ihr Jonathan ein gro#223;es Erbe angetreten hat, welches Sie mit verzehren wollen. Habe ich recht?«

»Warum sollte ich Ihnen unrecht geben! Es w#252;rde doch zu nichts f#252;hren!« »Aber bedenken Sie, da#223; Sie dadurch zur Mitschuldigen werden!«

»Was ist Schuld, Sennor! Schuld ist alles, was das Gewissen beschwert; das meinige aber ist leicht.«

»Um diese Leichtheit beneide ich Sie nicht. Da Sie mit einer geradezu verbl#252;ffenden Aufrichtigkeit sprechen, will ich ebenso offen sein, Ich bin gekommen, Ihren Jonathan zu fangen.«

»Das wissen wir,« lachte sie.

»Und da Sie sich als Mitschuldige bekennen, habe ich gro#223;e Lust, auch Sie festzunehmen!« Jetzt #228;nderte sie doch die Farbe und fragte schnell und in unsicherm Tone: »Sennor, ich bin Parlament#228;rin. Wollen Sie mich etwa gleich hier behalten?« »Das k#246;nnte ich!«

»Nein, denn das w#228;re doch wohl gegen alles V#246;lkerrecht!«

»V#246;lkerrecht! Wo es sich um so gro#223;e, so schauderhafte Verbrechen handelt! Habe ich Ihnen versprochen, Sie nach dem Pueblo zur#252;ckkehren zu lassen?«

»Nein, aber das verstand sich doch ganz von selbst!«

»Es war nicht so selbstverst#228;ndlich, wie Sie meinen; doch will ich Sie beruhigen. Es f#228;llt mir nicht ein, Sie zur#252;ckzuhalten. Sie k#246;nnen ungehindert in Ihre ehrenwerte Gesellschaft zur#252;ckkehren. Wenn es mir noch n#246;tig erscheinen sollte, mich Ihrer Person zu versichern, so werde ich das so sp#228;t wie m#246;glich thun.«

»Eine sehr freundliche R#252;cksicht f#252;r mich!« l#228;chelte sie mich an.

»O nein; es hat einen ganz andern Grund. Ich mag Sie nicht bei mir haben, und darum will ich Sie so lang wie m#246;glich von mir fern halten. Das ist die wahre Ursache.« »Sie halten Ihr Versprechen, Sennor. Sie sind ebenso aufrichtig mit mir, wie ich mit Ihnen. Ich habe Sie geha#223;t vom ersten Augenblicke, an dem ich Sie sah!«

»Danke! So eine wirkliche, wahre und echte Ehre ist mir lange nicht widerfahren.«

»Und darum,« fuhr sie schnell fort, »ist es mir ein wahrer Hochgenu#223;, jetzt mit Ihnen verhandeln zu k#246;nnen - doch, vom Verhandeln kann eigentlich keine Rede sein! Ich bin nur gekommen, mir einen hohen Genu#223; zu bereiten, indem ich Ihnen sage, da#223; Sie sich hier ganz vergeblich bem#252;hen. Sie bekommen weder einen Menschen in die Hand, noch einen Pfennig von dem Gelde, das Sie haben wollen! Sind Sie denn wirklich so verr#252;ckt, zu glauben, da#223; Sie in unser Pueblo dringen k#246;nnen?«

»Und wenn es mir dennoch gel#228;nge, in den Felsenkessel zu gelangen?«

»Das ist eben unm#246;glich. Ich wei#223; zwar von damals her, da#223; Sie es verstehen, sich glatt und unbemerkt wie eine Schlange durchzudr#228;ngen, aber bei der hiesigen Oertlichkeit ist das unm#246;glich. Sie m#252;#223;ten #252;ber unsere W#228;chter wegsteigen.«

»Das ist doch nicht schwer! Es giebt gewisse Griffe und gewisse Stiche, welche einem #252;ber f#252;nf und #252;ber zehn W#228;chter weghelfen. Ich gebe Ihnen mein Wort, da#223; ich, wenn ich nur will, ganz gewi#223; in Ihr Thal komme!«

»Ja, die gewissen Griffe. und Stiche sind Ihnen freilich zuzutrauen. Es ist nur gut, da#223; Sie davon sprechen; da kann man doch seine Vorbereitungen treffen. Aber selbst wenn Sie wirklich in unsern Thalkessel gelangten, was h#228;tten Sie davon? Sie w#228;ren dann noch immer nicht im Pueblo.«

»Das w#252;rde man ersteigen.«

»Bilden Sie sich nicht ein, allm#228;chtig zu sein! Und w#228;ren Sie im Pueblo, so h#228;tten Sie noch niemand von uns fest, Wir sind bewaffnet und w#252;rden Sie wahrlich nicht schonen! Und noch weniger Hoffnung h#228;tten Sie, das Geld zu bekommen!«

»Ich bin im Gegenteile #252;berzeugt, da#223; ich es mir doch hole!«

»Keinen Pfennig! Aber, Sennor, Ihre verr#252;ckte Idee hat Ihnen bisher so viel M#252;he gemacht, da#223; wir Mitleid mit Ihnen haben und Ihnen etwas zukommen lassen wollen.«

»Was denn wohl, meine g#252;tige Sennora?«

»Sie wissen wohl, wo Vogel sich gegenw#228;rtig befindet?«

»Ja.«

»Das ist wieder ein eklatanter Beweis, da#223; es mit Ihrer vielger#252;hmten Klugheit nicht allzuweit her ist. Welcher vern#252;nftige Mensch kommt auf die Idee, einen solchen unerfahrenen Knaben mit hierher zu nehmen! Was hindert uns, ihn unsch#228;dlich zu machen?«

»Das h#228;tte nicht den geringsten Vorteil f#252;r Sie!«

»Nicht? Wirklich nicht?«

»Durch den Tod des einen Erben, der noch mehrere Nebenerben hat, werden Sie noch lange nicht der rechtliche Besitzer der Erbschaft. Das Verbrechen bleibt Verbrechen. Sie werden sich wohl h#252;ten, den

jungen Mann zu ermorden.«

»Ich? Nun ja, mir ist es sehr gleichg#252;ltig, ob er stirbt oder ob er leben bleibt. Aber Jonathan und sein Vater werden ihn gewi#223; t#246;ten, wenn ich unverrichteter Sache von Ihnen zur#252;ckkehre.«

»Unverrichteter Sache! Sie haben uns also gewisse Antr#228;ge zu Stellen, gewisse Vorschl#228;ge zu machen?« »Ja. Wir sind bereit, Ihnen gewisse Vorteile abzulassen -« »Und verlangen daf#252;r noch gr#246;#223;ere Vorteile f#252;r sich selbst!«

»Wohl kaum! H#246;ren Sie, was ich Ihnen alles biete! Sie bekommen Ihre Pferde wieder, auch den jungen Menschen, der sich Vogel nennt und mit Hunter verwandt gewesen zu sein behauptet -«

»Sch#246;n!«

»Vogel erh#228;lt hunderttausend Dollars in guten Wertpapieren und Sie bekommen zehntausend Dollars in ebenso sichern Papieren.«

»F#252;r mich?«

»Ja. Bedenken Sie, was das hei#223;t, da Sie dem

Onkel Melton, als Sie ihn erstachen, sein Geld abgenommen haben. Sie gelangen also in den Besitz eines Verm#246;gens!«

»Sehr richtig, Sennora!«

»Daf#252;r verlangen wir weiter nichts, als da#223; -«

Sie stockte und sah mich forschend an, was ich zu dem Folgenden wohl sagen w#252;rde. »Nun, als da#223; -?« fragte ich.

»Als da#223; Sie die Verfolgung Jonathans und seines Vaters aufgeben, nie wieder gegen irgend einen Menschen von dieser Angelegenheit sprechen.«

»Nat#252;rlich, nat#252;rlich!«

»Und Vogel und seine Verwandten bestimmen, sich mit den hunderttausend Dollars zufrieden zu geben und ebenso verschwiegen zu sein, wie Sie sein werden.«

»Welch eine Bescheidenheit, welch eine wirklich gro#223;artige Bescheidenheit!«

»Nicht wahr? F#252;r das viele Geld ein wenig Verschwiegenheit! Kann man etwa weniger verlangen?«

»Nein, auf keinen Fall.«

»Sie sind also einverstanden?«

»Ja.«

»Das freut mich! Ich glaubte wirklich nicht, da#223; Sie so verst#228;ndig sein w#252;rden, so schnell Ihren Vorteil zu erkennen. Wenn Sie alle drei einverstanden sind, so -«

»Wir sind einverstanden,« unterbrach ich sie, »vollst#228;ndig einverstanden. Nur haben Sie sich noch nicht erkundigt, auf welchen Punkt sich das Einverst#228;ndnis bezieht.«

»Nun, auf welchen?«

»Darauf, da#223; die Meltons die allergr#246;#223;ten Schurken sind, welche es unter der Sonne giebt.« »Das geh#246;rt doch nicht hierher!«

»Geh#246;rt vielleicht auch die andere Wahrheit, #252;ber welche wir gleichfalls so einverstanden sind, nicht hierher, n#228;mlich die, da#223; Sie eine ebenso gro#223;e Schurkin sind wie die beiden Meltons zusammen?«

»Sennor, wozu die Redensarten! Wollen Sie unser sch#246;nes Uebereinkommen zerst#246;ren?«

Sie mochte wirklich geglaubt haben, da#223; ich auf ihren Vorschlag eingehen wolle, denn ich hatte so ruhig und gleichm#252;tig gesprochen, wie es trotz meiner Emp#246;rung m#246;glich war. Erst jetzt schien sie zu bemerken, da#223; eine Ironie des Grimmes aus mir gesprochen hatte. Sie war bei ihren letzten Worten aufgestanden, als ob sie sich im Zorne entfernen wolle. Ich erhob mich nun auch aus dem Grase und antwortete:

»Unser Uebereinkommen? Haben Sie denn in Wirklichkeit annehmen k#246;nnen, da#223; ich mit Ihren mehr als wahnsinnigen Forderungen einverstanden sei?«

»Wahnsinnig nennen Sie dieselben? Wahnsinnig?« rief sie aus. »Ueberlegen Sie sich doch, was ich Ihnen biete!«

»Ich brauche es mir nicht zu #252;berlegen! Vogel wird ohnehin alles bekommen, alles, au#223;er dem nat#252;rlich, was bis jetzt schon von dem Gelde verschwunden ist!«

»Das zu sagen, ist Wahnsinn. Greifen Sie zu?«

»Nein.«

»So bekommen Sie Ihre Pferde nicht wieder!« »Ich hole sie mir!« »Und Vogel stirbt!«

»Wird ihm auch nur ein Haar gekr#252;mmt, so bezahlen Sie es mit Ihrem Leben, Sennora Judith! Merken Sie sich das! Es ist mein bitterster Ernst!«

»M#246;chte wissen, wie und wann Sie an mich kommen wollten!«

»Das werden Sie erfahren! Ich d#228;chte, Sie h#228;tten allen Grund, nicht allzu zuversichtlich zu sein. Sie haben Winnetou und Old Shatterhand ja kennen gelernt!«

»Daf#252;r werden Sie uns nun auch kennen lernen. Also gehen Sie auf meine Vorschl#228;ge ein?« »Nein und wieder nein!«

»So sind wir fertig!«

»F#252;r diesen Augenblick, nicht aber f#252;r sp#228;ter. Ich denke vielmehr, unser neues und sch#246;nes Verh#228;ltnis wird erst jetzt beginnen!«

»Drohen Sie immerhin; ich lache Sie doch aus!«

Sie gab der Indianerin, die w#228;hrend unserer Unterhaltung fern gestanden hatte, einen Wink, den Sessel aufzunehmen, und schritt dem Hohlwege zu. Dort angekommen, blieb sie stehen, blickte eine kurze Zeit sinnend nieder, kehrte dann um, kam wieder zu mir und sagte:

»Sennor, ich will Sie trotz alledem noch einmal warnen. Trauen Sie sich wirklich zu, in unser Felsennest einzudringen?«

»Ja. Es ist nicht eine Spur von Gefahr dabei!«

»Und ich sage Ihnen, da#223; wir uns bis auf den Tod verteidigen werden!«

»Ist mir gleichg#252;ltig. Ich habe noch ganz andere Gegner vor mir gehabt, als die Meltons sind. Sie selbst rechne ich nat#252;rlich gar nicht.«

»O, ich bitte, mich doch zu rechnen, und zwar sehr! Wenn es Ihnen trotz aller Erwartung durch irgend einen g#252;nstigen Zufall gelingen sollte, in meine N#228;he vorzudringen, w#252;rde ich Sie ohne Gnade niederschie#223;en!«

»Thun Sie das, Sennora!«

»Ja, ich werde es thun; darauf k#246;nnen Sie sich verlassen. Ich k#228;mpfe um einen Preis, der mir hoch genug ist, einen Mord zu begehen. Ich habe mich an den Reichtum gew#246;hnt; ich kann und mag ohne ihn nicht leben; er wird mir jetzt wieder geboten, und Sie wollen mir ihn rauben. Nehmen Sie sich also auch vor mir in acht!«

Sie machte eine Bewegung, sich wieder fort zu wenden, besann sich aber und f#252;gte noch hinzu: »Wir glaubten, Sie w#252;rden auf meine Vorschl#228;ge eingehen, dennoch -«

»Dann w#228;re ich ein Subjekt, welches Ihnen und den Meltons gleichgestellt werden m#252;#223;te,« unterbrach ich sie.

Sie fuhr, ohne auf meine Worte zu achten, weiter fort:

»Dennoch dachten wir auch daran, da#223; Sie sich doch vielleicht weigern k#246;nnten. F#252;r diesen Fall erhielt ich den Auftrag, Ihnen bis morgen mittag eine Frist zur Ueberlegung zu geben.«

»Sehr freundlich von Ihnen!«

»Allerdings, denn es ist eine Gnadenfrist. Morgen mittag werde ich wieder hierher kommen. Werden Sie hier sein?«

»Jedenfalls, n#228;mlich wenn wir uns nicht schon vorher wiedergesehen haben.«

»Das werden Sie nicht fertig bringen!« lachte sie. »Also morgen mittag. Leben Sie wohl, Sie gro#223;er Held und Retter von Leuten, die Sie nichts angehen!«

»Nicht so schnell, nicht so schnell, Sennora! Wir gehen ein St#252;ckchen mit.« »Warum?« fragte sie verwundert, indem sie stehen blieb.

»Weil wir als Caballeros wohl wissen, was sich schickt, wenn man den Besuch einer Dame erhalten hat. Wir bringen Sie zu den Ihrigen.«

»Da wird man auf Sie schie#223;en!«

»H#246;chstens auf Sie, nicht aber auf uns!«

»Nein, nein, auf Sie! Bleiben Sie, bleiben Sie ja!«

»Pah! Gehen Sie nur; wir f#252;rchten uns nicht.«

»Nun, wenn Sie erschossen werden wollen, so habe ich nichts dagegen; es kann mir nur lieb sein. Also machen Sie, was Sie wollen!«

Sie ging mit ihrer Indianerin den Hohlweg hinab; ich schritt dicht hinter ihr; dann folgten mir Winnetou und Emery, die wohl nicht gleich begriffen, was ich eigentlich f#252;r eine Absicht verfolgte. Unten am Flusse angekommen, wendete sich die J#252;din links, in den engen Canon hinein. Als sie sah, da#223; ich ihr auch da auf der Ferse blieb, hielt sie den Schritt an und sagte erregt:

»Ich glaube gar, da#223; Sie weitergehen wollen!«

»Nat#252;rlich will ich das!«

»Aber ich sagte Ihnen schon, da#223; die Indianer, welche da oben auf mich warten, auf Sie schie#223;en werden!«

»Meine teuere Sennora, haben Sie doch uni uns keine Angst! Sie sehen ja, da#223; wir ganz dicht hinter Ihnen gehen. Sobald jemand auf uns schie#223;t, wird er Sie treffen, doch nicht uns. Sie sind unser Schild!«

Sie erschrak.

»Gehen Sie; gehen Sie! Kehren Sie zur#252;ck!« rief sie aus. »Ich gehe sonst keinen Schritt weiter!«

»Nicht? Nun, Sie werden mit sich sprechen lassen. Es war eine gro#223;e Thorheit von den Meltons, Sie zu uns zu schicken. Wir sind zwar anst#228;ndig genug, Sie zur#252;ckkehren zu lassen, ja, wir werden Sie sogar zwingen, zur#252;ckzukehren, aber wir gehen mit.«

»Nein, nein, Sie bleiben!« zeterte sie.

»F#228;llt uns gar nicht ein! Es ist Ehrensache f#252;r uns, Sie zu begleiten. Sie lachten mich aus, als ich sagte, da#223; es uns sehr leicht sein w#252;rde, durch die Felsenenge zu kommen; nun mu#223; ich Ihnen doch beweisen, da#223; wir von Ihnen unschuldigerweise verlacht worden sind. Sie werden heute wieder erfahren, da#223; Winnetou und Old Shatterhand sehr genau wissen, wie man etwas anzufangen hat. Also bitte, gehen Sie weiter!«

»Ich gehe nicht!«

»So zwinge ich Sie! Z#252;rnen Sie mir nicht, sch#246;nste Sennora, wenn Ihr Schwanenhals ein wenig mit meiner Faust in Ber#252;hrung kommen sollte.«

»Wagen Sie es, Unversch#228;mter!«

»Pah! Vorw#228;rts, Fr#228;ulein Silberberg!«

Ich nahm sie hinten beim Genick; da lie#223; sie sich niedersinken und blieb sitzen, indem sie ausrief. »Und wenn Sie mich t#246;ten, bringen Sie mich nicht fort!«

»Sie Spa#223;vogel! T#246;ten werde ich Sie nicht, und dennoch werden Sie gehen. Also vorw#228;rts, ich habe keine Lust, mich an dem, was ich thun will, von einer Person Ihres Schlages hindern zu lassen. Auf mit Ihnen!«

Ich nahm sie nur bei dem einen Oberarme, aber mit einem Drucke, unter welchem sie sofort mit einem Schmerzensschrei auffuhr. Sie schritt weiter. Wenn sie den Schmerz nicht mehr f#252;hlte, blieb sie Stehen; sobald ich aber die Hand wieder zusammenschlo#223;, ging sie schnell vorw#228;rts. Winnetou und Emery folgten eng hinter mir. Der erste hielt seine B#252;chse auf der rechten und der andere auf der linken Seite an mir vor#252;ber schu#223;bereit. So konnten sie schie#223;en, w#228;hrend jeder, der uns eine Kugel senden wollte, Judith treffen mu#223;te.

Es war mit keineswegs angenehm, so verfahren zu m#252;ssen, denn die J#252;din mochte moralisch noch so tief stehen, sie war doch ein Weib; aber es handelte sich nicht nur um die Befreiung Vogels, sondern um das Gelingen unseres ganzen Planes; da konnte ich mich nicht von zarten Bedenken abhalten lassen.

Der Canon wurde immer enger. Bald sahen wir Indianer, welche hinter einem Strauche an einem Felsen auf der Lauer lagen. Auch sie sahen uns. Die junge Indianerin war mit dem Stuhle vorausgeeilt und hatte sie benachrichtigt. Sie konnten nicht schie#223;en, lie#223;en uns aber so nahe kommen, da#223; ich meinen Revolver zog und, die J#252;din immer vor mich herschiebend, einige Schrecksch#252;sse abgab. Da rissen sie aus. So trieben wir sie von Strecke zu Strecke immer weiter zur#252;ck, bis ich einen nach dem andern seitw#228;rts verschwinden sah, und zwar, wie wir dann wohl bemerkten, in der Felsenenge, welche aus dem Canon des Flujo blanco nach dem Felsenkessel des Pueblo f#252;hrte.

Wir kamen bei dieser Enge an. Das war die Stelle, welche uns heute fr#252;h so gef#228;hrlich hatte werden sollen. Darum sagte ich zu Judith:

»Hier sollten wir erdr#252;ckt werden. Die H#228;lfte der Yumas wollte uns in der Enge erwarten, und die andere H#228;lfte, welche unten am Bache im Hinterhalte lag, hatte die Aufgabe, uns dann von hinten zu dr#228;ngen. Sie sehen, da#223; es nicht so leicht ist, mit uns Kom#246;die zu spielen, w#228;hrend es uns gar nicht schwer geworden ist, dahin zu gelangen, wohin wir wollten.«

»Sie sind ein Teufel, ein wahrer Teufel!« zischte sie mich an.

»Dem widerspreche ich nicht, Sennora. Ich gestehe sogar sehr gern, da#223; es mir allerdings ein wirkliches Vergn#252;gen machen wird, jedem eine Kugel entgegenzuschicken, der es wagen sollte, das Pueblo durch diese Felsenenge zu verlassen. Da drinnen stecken jetzt alle Ihre Leute beisammen; sie sind eingeschlossen. Wir setzen uns jetzt vor den Eingang und lassen niemand heraus. Wir sind zwar nur drei Personen, aber bedenken Sie, da#223; wir au#223;er unsern Gewehren sechs Revolver haben, wozu mein Stutzen kommt, von denen der alte Melton Ihnen einige St#252;ckchen erz#228;hlen kann. Wir haben in Summa #252;ber sechzig Sch#252;sse, ohne da#223; wir zu laden brauchen. Sagen Sie das Ihren Leuten! Sagen Sie ihnen auch, da#223; wir keinen Pardon geben, wenn dem Gefangenen etwas geschieht! Und vergessen Sie nicht, auch zu erw#228;hnen, da#223; wir ein sehr scharfes Geh#246;r besitzen! Wollte sich jemand trotz alledem herausschleichen, so w#252;rden wir ihn schon von weitem h#246;ren, und eine t#246;dliche Kugel w#228;re ihm sicher. Und nun gehen Sie hinein! Wir brauchen Sie nicht mehr. Aber da Sie uns f#252;r morgen mittag bestellt haben, werden wir zu dieser Zeit noch hier sitzen. Haben Sie uns dann wieder etwas zu sagen, so bin ich gern bereit, zu erfahren, ob Sie noch so stolz sprechen, wie Sie heute gesprochen haben. Der "gro#223;e Held und Retter" sagt Ihnen lebewohl!«

Ich lie#223; ihren Arm los, und sie verschwand augenblicklich in der Enge. Wir setzten uns, die Gewehre schu#223;fertig haltend, vor derselben nieder. Es war schon nicht mehr sehr hell hier im tiefen Canon; der Tag neigte sich zur R#252;ste.

»Alle Wetter, Charley, war das ein Gedanke von dir!« fl#252;sterte Emery. »Wer h#228;tte geglaubt, da#223; es m#246;glich sei, am hellen Tage mit heiler Haut bis hierher zu kommen!«

»Pah! Der Gedanke war einfach genug; er lag so nahe, da#223; man jeden, der ihn nicht gefa#223;t h#228;tte, f#252;r einen Idioten halten m#252;#223;te.«

»Obgleich du das sagst, glaube ich nicht, da#223; ich auf ihn gekommen w#228;re. Nun haben wir gewonnen! Das Pueblo ist unser!«

»Noch lange nicht. Aber ich denke, da#223; die Meltons fliehen werden.«

»Alle Wetter! Dann k#246;nnten wir ihnen wieder, wer wei#223; wie weit, nachlaufen!«

»Daran dachte ich. Es lag also nahe, ihnen die Flucht abzuschneiden, den Weg zu verlegen. Es gibt nur einen einzigen Weg, vor welchem wir jetzt sitzen. Sie wissen, da#223; wir da sind, da#223; wir auf jeden schie#223;en werden, der sich aus der Enge wagen wollte; sie werden sich h#252;ten, das zu thun; wir haben sie also fest.«

»Wenn das nur so sicher w#228;re! Es ist doch denkbar, da#223; sie alle zugleich einen Ausfall machen.«

»Alle zugleich! Wie w#228;re das m#246;glich? Es kann ja nur immer einer heraus. F#252;r zwei ist kein Platz. Wie sie nacheinander k#228;men, w#252;rden wir sie empfangen. Wir brauchen gar nicht drei zu sein; es gen#252;gt einer von uns, den Ausgang zu bewachen.«

»Hm, hast recht. Die Kerle stecken jetzt in ihrer eigenen Falle. Aber wir k#246;nnen doch nicht ewig hier sitzen; wir m#252;ssen hinein!«

»Nat#252;rlich! Wenn es dunkel geworden ist, schleichen wir uns fort. Leider haben wir keine Pferde. Wir m#252;ssen also den weiten Weg zum Felsenrand hinauf zu Fu#223; machen.«

»Dann wird aber hier der Ausgang frei!«

»Ja, aber das wissen sie nicht. Sie denken, wir bleiben hier, und wagen sich nicht heraus.« »Aber wenn wir uns oben herabgelassen haben, dann sehen sie uns und werden hier heraus fliehen.« »Das kann der Fall sein, ist aber nicht zu verhindern.« »O doch. Einer von uns mu#223; hier bleiben.«

»Hm! Das lie#223;e sich wohl machen. Was sagt mein Bruder Winnetou dazu?«

»Unser Bruder Emery hat recht,« antwortete der Apatsche. »Er mag hier zur#252;ckbleiben. Mit seiner

Doppelb#252;chse und seinen zwei Revolvern kann er alle, die herauswollen, zur#252;ckhalten.«

»Ja, das werde ich,« stimmte der Englishmann bei. »Ich bin zudem kein gro#223;er Turner und Kletterer; die Partie an den Lassos herab w#228;re mir sehr schwer gefallen. Hier aber habe ich nichts zu thun, als loszudr#252;cken, wenn jemand die Nase heraussteckt.«

»Aber werden wir zwei alles, was es im Pueblo zu thun giebt, fertig bringen?« fragte ich Winnetou. »Ja« nickte er.

»Die beiden Meltons ergreifen?« »Ja; ich den einen und du den andern.«

»Und uns gegen die Yumas wehren, die uns daran hindern wollen?«

»Sie hindern uns nicht. Sie werden gar nicht im Pueblo sein. Sie liegen gewi#223; da drin vor der Enge, wo sie in den Felsenkessel m#252;ndet. Wie wir h#252;ben wachen, da#223; sie nicht heraus k#246;nnen, so wachen jene dr#252;ben, damit wir nicht hinein k#246;nnen.«

»Ich gebe es zu. Aber es ist immerhin ein k#252;hner Gedanke, wenn nur zwei M#228;nner es wagen, sich von einem so hohen Felsen in einen so tiefen Kessel hinabzulassen, in welchem sich so viele Feinde befinden. Die d#252;mmste Kugel wirft den Tapfersten #252;ber den Haufen.«

»Die Yumas werden gar nicht schie#223;en. Sie befinden sich nicht im Pueblo, sondern am Ausgange des Kessels. Im Pueblo sind nur die beiden Meltons und die J#252;din. Mit diesen Dreien werden wir wahrscheinlich fertig, ohne da#223; die Yumas etwas davon merken. Dann kann uns niemand etwas anhaben, da die Meltons uns, wie vorhin die J#252;din, dann als Schutz und Schirm dienen werden.

Mein Bruder Scharlieh stellt sich die Sache viel schwerer vor, als sie ist.«

So etwas hatte Winnetou mir noch nicht gesagt. Ich wu#223;te, da#223; er nicht an meinem Mute zweifelte, und doch war es mir, als ob ich mich zu sch#228;men h#228;tte. Die Ausf#252;hrung unsers n#228;chtlichen Unternehmens kam mir eben schwerer und gef#228;hrlicher vor, als ihm. Das Pueblo hatte einen f#252;r den Angreifer gef#228;hrlichen Bau. Wer in eine Wohnung wollte, mu#223;te durch ein in der Decke derselben befindliches Loch steigen. Ehe man da den Fu#223;boden erreichte, konnte man zehn Kugeln oder Messerstiche erhalten haben. Und vorher die Passage an den Lassos herab! Es gab wahrscheinlich Sternenschein. Wie leicht konnten wir, oben am Lasso h#228;ngend, unten gesehen werden! Dann wurden wir wahrscheinlich »abgeschossen«, wie zum Beispiel auf der Vogelwiese zu Tiegelhausen oder Pfannenstadt von der l#246;blichen Sch#252;tzengilde allj#228;hrlich zur sch#246;nen Sommerzeit ein h#246;lzerner Vogel »abgeschossen« wird.

Als ich das dem Apatschen erkl#228;rte, lie#223; er sein bekanntes L#228;cheln sehen und sagte:

»Mein Bruder hat eine viel zu hohe Meinung von den M#228;nnern, welche sich jetzt da drin beim Pueblo befinden. Die Yumas bewachen die Felsenenge. Werden sie das im Dunkeln thun?«

»Nein. Sie werden sicher ein Feuer anz#252;nden. Sie m#252;ssen jeden Augenblick gew#228;rtig sein, da#223; wir von hier aus eindringen. Im Dunkeln k#246;nnte uns das gelingen; bei einem Feuer aber nicht.«

»Sie werden bei diesem Feuer sitzen. Das blendet aber ihre Augen so, da#223; sie nicht sehen k#246;nnen, was oben an der dunkeln Felsenwand geschieht. Sie werden uns nicht bemerken.« »Aber wenn die Meltons und vielleicht auch Judith im Dunkeln oben auf der Plattform sitzen! Die k#246;nnen uns sehen.«

»Ja, die k#246;nnten uns sehen, werden es aber nicht. Mein Bruder darf nicht vergessen, da#223; sie uns auch dann noch hier an dieser Stelle vermuten. Ihre Aufmerksamkeit wird also stets nach dieser Gegend, nach dem Eingange gerichtet sein. Nach der Felswand aber werden sie gar nicht schauen.«

Ich sah ein, da#223; er recht hatte, und f#252;hlte mich beruhigt. Ich war so bedenklich gewesen, weil meiner Ansicht nach der entscheidende, der letzte Schlag heute fallen sollte. Mi#223;gl#252;ckte uns dieser, so stand zu bef#252;rchten, da#223; wir dann nichts mehr thun konnten.

Emery hatte sich die Worte des Apatschen von dem Feuer zu Herzen genommen. Er stand auf und entfernte sich, um d#252;rres Holz zusammenzusuchen; ich half ihm dabei. Es war besser, wenn er ein Feuer hatte, das zweierlei Nutzen zugleich gew#228;hrte. Erstens diente es zur Beleuchtung, und zweitens war es, wenn es nicht au#223;erhalb, sondern innerhalb der Felsenenge angez#252;ndet wurde, ein Hindernis f#252;r jeden, der aus derselben heraus wollte.

Als es dunkel geworden war, kamen leichte Rauchwolken durch die Enge zu uns herausgedrungen. Die Yumas hatten also drinnen ihr Feuer angez#252;ndet. Wir h#228;uften nun auch Holz in dem Eingange zusammen und steckten es in Brand. Wir hatten soviel Feuermaterial zusammengelesen, da#223; die Flamme die ganze Nacht hindurch gen#228;hrt werden konnte.

Nun w#228;re es ein gro#223;er Fehler gewesen, h#228;tte Emery in der N#228;he des Feuers sitzen bleiben wollen. Er suchte sich einen Platz im Geb#252;sch, wo er im Dunkeln sa#223;, gerade dem Feuer gegen#252;ber. So konnte er #252;ber das letztere hinweg ein St#252;ck in die Enge hineinblicken und schon beizeiten jeden sehen, der etwa herausdringen wollte. Nun war es f#252;r Winnetou und mich Zeit, zu gehen. Ich lie#223; mir den Lasso des Engl#228;nders geben, weil wir ihn brauchten. Er hatte ihn, gerade so wie wir, in Schlingen gebunden von der rechten Achsel auf die linke H#252;fte herunterh#228;ngen.

»Ja hast du ihn,« sagte er. »Ich will hoffen, da#223; er nicht zerrei#223;t. Wann werdet ihr oben ankommen?«

»Fr#252;hestens in f#252;nf Viertelstunden, weil wir nicht reiten k#246;nnen.«

»Ist es euch nicht m#246;glich, mir ein Zeichen zu geben, wenn ihr unten seid?«

»Nein, denn das Zeichen w#252;rde uns wahrscheinlich verraten,«

»Aber ich m#246;chte euch doch gern helfen, wenn es zum Kampfe kommen sollte!«

»Hoffentlich brauchen wir dich nicht.«

»Und wenn aber doch?«

»So horche nach der Felsenenge. Giebt es gew#246;hnliche Sch#252;sse oder sonstigen L#228;rm, so bleibst du auf deinem Posten und l#228;ssest niemand heraus. H#246;rst du aber den starken tiefen Knall meines B#228;rent#246;ters, der sicherlich bis hier herausdringen wird, so befinden wir uns in Gefahr und du kommst #252;ber und durch die beiden Feuer hinein in den Felsenkessel. Sobald ich dich erscheinen sehe, werde ich dir zurufen, was du thun sollst.«

»Well! so mag es sein. Hoffentlich giebt's keine Schrammen oder gar L#246;cher in unsern Personen zu flicken. Heute haben wir die beiden Halunken endlich fest, und ich glaube nicht, da#223; sie uns wieder entkommen werden.«

Ich war derselben Meinung, als ich ihm nun die Hand gab, um mich mit dem Apatschen zu entfernen.

Es war jetzt hier im Canon so dunkel, da#223; ein gew#246;hnlicher Mann die Hand vor dem Auge nicht h#228;tte sehen k#246;nnen. Unsere Sehwerkzeuge aber waren so ge#252;bt, da#223; wir wenigstens nicht an die B#228;ume rannten, nicht in das Wasser strauchelten und auch leidlich schnell fortkamen. Als wir dann das Thal des Flusses und nachher auch den Hohlweg hinter uns hatten, wurde es besser, denn die Sterne leuchteten uns zur Gen#252;ge.

Wir schritten so rasch wie m#246;glich vorw#228;rts, und zwar ohne uns zu unterhalten, da es nichts Wichtiges zu sprechen gab. Dennoch dauerte es #252;ber eine Stunde, ehe wir oben auf der Hochebene am Rande des Thalkessels ankamen. Winnetou f#252;hrte mich zu dem Baume, an welchem die Lassos befestigt werden sollten.

Unten brannte da, wo die Felsenenge in den Kessel m#252;ndete, ein gro#223;es Feuer; sonst war alles dunkel. Tiefe Stille herrschte. Wenn die Yumas sich unterhielten, wenn irgend ein Pferd schnaubte oder es sonst ein Ger#228;usch in der Tiefe gab, so h#246;rte man hier oben nichts davon.

»Denkt mein Bruder, da#223; wir gleich hinuntergehen?« fragte Winnetou.

»Ja.«

»Aber die Yumas sind jetzt noch zu wachsam. Es w#228;re wohl besser, wenn wir noch warteten.« »Ganz wie mein Bruder will.«

Wir legten uns also nieder und trafen zun#228;chst unsere Vorbereitungen, deren es nicht viele gab. Wir hatten nur die Lassos zusammenzubinden, weiter nichts. Als dann vielleicht eine Stunde vergangen war, machten wir uns ans Werk. Da gab es zun#228;chst einen kurzen Streit. Jeder wollte der erste sein, weil das gef#228;hrlich war. Winnetou behielt schlie#223;lich die Oberhand, indem er sagte:

»Der erste darf nicht hinunterklettern, sondern er mu#223; hinabgelassen werden, und da du st#228;rker bist als ich, so mu#223;t du oben bleiben und den zweiten machen.«

Wir hatten das eine Ende der zusammengebundenen Lassos an den Stamm des Baumes befestigt; er schlang sich das andere #252;ber Brust und R#252;cken und unter den Armen hindurch, hing seine B#252;chse #252;ber und kniete am Rande des Abgrundes nieder. Ich nahm das Riemenseil in die H#228;nde, stemmte die F#252;#223;e fest ein und lie#223; es langsam durch die Finger gleiten. Da das Seil #252;ber die Felsenkante ging, so trug dieselbe einen Teil der Last mit, und ich brauchte mich fast gar nicht anzustrengen. Die Lassos waren noch nicht ganz abgelaufen, so merkte ich, da#223; Winnetou unten angekommen war. Er zog sie fest an, da#223; ich nicht in Schwingung geraten sollte. Ich hatte es nun freilich schwerer, als er. Sich an einem starken Seile vierzig Ellen hinabzulassen, das ist leicht, aber sich an einem d#252;nnen Lasso so tief hinabzugreifen, das ist schwer. Man kann, wenn man nicht die F#252;#223;e zu Hilfe nimmt, das Fleisch von den H#228;nden verlieren. Es ging also langsam; aber als ich unten bei Winnetou anlangte, waren meine H#228;nde zwar gl#252;hend hei#223;, doch Schmerzen hatte ich nicht. Meine beiden Gewehre hatte ich nat#252;rlich, #252;ber den R#252;cken geh#228;ngt, mitgebracht.

Wir befanden uns auf der obersten Plattform. Gar nicht weit von uns lehnte die Leiter, und wenige Schritte davon sahen wir ein offenes Loch, den Eingang zu der unter uns liegenden Etage, auf dessen Decke oder Dach wir standen.

»Hast du etwas Verd#228;chtiges bemerkt?« fragte ich den Apatschen.

»Nein,« antwortete er.

»Vielleicht ist jemand unter uns. Wir m#252;ssen in das Loch horchen.«

»Das ist nicht n#246;tig, denn es ist niemand da. Bef#228;nde sich irgend wer unter uns, so w#252;rde die Leiter nicht au#223;en an- , sondern nach innen im Loche liegen.

»Das ist richtig. Steigen wir also auf die n#228;chste Plattform hinab!«

Wir krochen nach der Leiter und stiegen nicht von Sprosse zu Sprosse, sondern rutschten gleich an derselben hinab, weil das viel schneller ging. Auch hier gab es ein Loch, welches offen stand, und auch hier lehnte eine Leiter au#223;en an. Es befand sich also auch niemand in der Etage, auf deren Plattform wir jetzt standen. Winnetou deutete nach dem Feuer hinab und sagte:

»Da unten sitzen die Krieger alle, welche, wie wir geh#246;rt haben, die obersten Stockwerke bewohnen; dieselben sind also leer.«

Schon stand ich im Begriff, ihm beizustimmen, als wir unter uns die Stimme eines kleinen Kindes h#246;rten. »Was ist das!« fl#252;sterte der Apatsche. »Es sind also dennoch Menschen hier!«

»Still!« warnte ich. »Wir haben nur an die Krieger, also an die M#228;nner gedacht, die Frauen und Kinder aber vergessen. Wir m#252;ssen au#223;erordentlich vorsichtig sein und d#252;rfen nicht das geringste Ger#228;usch verursachen, sonst kommen die Squaws heraus, um nachzusehen.«

»Das k#246;nnen sie nicht, weil die M#228;nner, als sie nach unten stiegen, die Leitern mit nach au#223;en genommen haben. Die andern Familienglieder k#246;nnen also nicht eher heraus, als bis die Krieger wieder heraufkommen und die Leitern in die L#246;cher hinablassen.«

So huschten wir unh#246;rbar von einer Terrasse immer auf die n#228;chst tiefere herab, bis wir auf der vierten angekommen waren, an welcher die Leiter zu unserm Leidwesen nicht au#223;en lehnte; sie steckte in dem Loche.

»Das ist gef#228;hrlich,« raunte mir Winnetou zu. »Es kann jeden Augenblick jemand heraufkommen und uns sehen. Wir m#252;ssen fort!«

»Wieder aufw#228;rts?«

»Nein, auf die n#228;chste Plattform hinunter.«

»Aber wie? Es giebt ja keine Leiter da, und aus dem Loche ziehen k#246;nnen wir sie doch unm#246;glich, weil man das sofort bemerken w#252;rde. Wir holen uns die vorige her, auf welcher wir soeben herabgekommen sind.«

»Nein. Es k#246;nnte jemand hier aus der Wohnung kommen, die Leiter sehen, welche gar nicht hergeh#246;rt, Verdacht sch#246;pfen und L#228;rm machen.«

»So m#252;ssen wir ohne Leiter hinab!«

»Aber wie?«

»Wir helfen einander. Komm!«

Die Etagen waren nicht viel #252;ber vier Ellen hoch; man konnte also notgedrungen auch ohne Leiter hinab, aber freilich nicht springen, weil dies L#228;rm verursacht h#228;tte. Wir krochen nach der Kante unserer Plattform vor. Aus dem Eingangsloche der tieferen Terrasse gl#228;nzte ein sehr matter, kaum bemerkbarer Lichtschein zu uns herauf.

»O weh!« fl#252;sterte ich dem Apatschen zu. »Da unten liegt die dritte Plattform, also die Decke des zweiten Stockwerkes, in welchem Melton der Vater wohnt. Er ist in seiner Wohnung und hat Licht. Das ist h#246;chst gef#228;hrlich f#252;r uns, zumal wir keine Leiter haben und also bef#252;rchten m#252;ssen, Ger#228;usch zu verursachen.«

»Um so schneller m#252;ssen wir hinab. Ich werde meinen Bruder an seinem langen B#228;rent#246;ter hinunterhinunterlassen; dann mag er sich hart an die Mauer stellen, damit ich auf seine Schultern steigen kann.«

Ich gelangte auf die angegebene Weise gl#252;cklich hinunter. Winnetou stieg von oben auf meine Schultern. Um ihm dann mit meinen verschlungenen H#228;nden eine weitere, tiefe Stufe zu geben, mu#223;te ich das Gewehr weglegen; ich lehnte es an die Mauer neben mich. Der Apatsche trat in meine H#228;nde und wollte von da den einen Fu#223; auf den Boden setzen; der Schritt war aber zu weit; er strauchelte, stie#223; an den schweren B#228;rent#246;ter, und dieser st#252;rzte, einen lauten, schweren Schlag verursachend, um. Und das gerade #252;ber der Wohnung des alten Melton!

»Schnell fort und an das #228;u#223;erste Ende der Terrasse!« fl#252;sterte ich. »Dann niederducken; denn er wird h#246;chst wahrscheinlich kommen!«

Wir huschten auf dem Dache hin und bis zum Ende desselben, wo wir uns platt niederlegten. Kaum war dies geschehen, so sahen wir den Alten erscheinen. Er kam mit dem ganzen Oberk#246;rper aus dem Loche, und fragte im Pueblodialekte laut: »Payu ti-i - ist wer hier?«

Als er keine Antwort bekam, stieg er vollends heraus und schritt langsam #252;ber die Plattform hin, gl#252;cklicherweise in uns entgegengesetzter Richtung. Er hatte Verdacht gesch#246;pft. Als er auf jener Seite nichts sah, kam er auf diese, doch nicht soweit, da#223; er uns sehen konnte. Dann kehrte er an das Loch zur#252;ck und stieg hinab. Als seine Gestalt verschwunden war, krochen wir hin und blickten vorsichtig hinab. Da das Loch nur so gro#223; war, da#223; ein starker Mann hindurch konnte, so war von dem unter uns liegenden Raume nicht viel zu sehen. In die viereckige Stelle, welche wir #252;berblickten, ragten zwei Beine eines Stuhles herein; das war alles, was sich unsern Augen bot. Das Licht brannte jedenfalls nicht unter uns, sondern in einem nebenanliegenden Gemache. Ein leises H#252;steln lie#223; sich von Zeit zu Zeit vernehmen, sonst war es still. Thomas Melton befand sich jedenfalls allein da unten.

»Was thun wir?« fragte ich den Apatschen leise.

»Wir m#252;ssen ihn haben,« antwortete er. »Er hat niemand bei sich; besser k#246;nnen wir ihn nicht bekommen.« »Aber wie! Wollen wir hinab?«

»Nein. Ehe einer von uns hinunter k#228;me, h#228;tte er ihn bemerkt und machte L#228;rm oder griff gar zu den Waffen, was noch schlimmer w#228;re.«

»So mu#223; er herauf!«

»Ja. Ruf ihn! Aber nicht mit lauter Stimme, sonst merkt er, da#223; es eine fremde ist.«

»Gut, ich werde ihn t#228;uschen. Nimm du ihn bei der Kehle, aber gleich so, da#223; er keinen Laut aussto#223;en kann. Das #252;brige thue dann ich.«

Ich beugte mich in das Loch hinab und rief in jenem unterdr#252;ckten, hastig heimlichen Tone, bei welchem fast alle Stimmen sich #228;hnlich klingen:

»Vater, Vater, bist du unten?«

»Ja,« antwortete er, und ich h#246;rte ein Ger#228;usch, wie wenn jemand von einem Stuhle aufsteht. »Was willst du!«

Er hielt mich also, wie ich beabsichtigt hatte, f#252;r seinen Sohn.

»Komm herauf, schnell, schnell!«

»Warum?«

»Mach nur, mach schnell!«

»So rede doch laut! Oder soll es niemand h#246;ren?«

Bei diesen Worten h#246;rte ich ihn kommen. Ich zog schnell den Kopf zur#252;ck, und Winnetou hielt die H#228;nde griffbereit. Wir knieten beide an der Seite des Loches, der er, wenn er die Leiter heraufkam, den R#252;cken zukehren mu#223;te. Wir h#246;rten ihn steigen. Jetzt erschien sein Kopf, sein Hals; die Schultern kamen aus dem Loche hervor.

»Was ist's denn? Wo bist - -«

Weiter kam er mit seiner Frage nicht, denn Winnetou hatte ihm die Finger wie eiserne Klammern um den Hals gelegt. Zwei Faustschl#228;ge von mir gegen seinen Kopf, dann griff ich ihm rasch unter die Arme, um ihn zu halten, sonst w#228;re er hinuntergest#252;rzt, denn seine F#252;#223;e hatten den Halt verloren; sie waren von der Leitersprosse abgeglitten.

»Er ist ohnm#228;chtig,« fl#252;sterte Winnetou mir zu. »La#223; ihn los, damit er an der Leiter hinunterrutscht!«

»Nein, denn das w#252;rde einen lauten Fall geben, und sein Sohn wohnt unter ihm. Ich halte ihn fest; steige du hinter ihm hinab und unterst#252;tze ihn; da kommt er ohne Ger#228;usch auf den Boden zu liegen.«

Das war eher gesagt, als gethan. Das Loch war nicht weit genug f#252;r zwei, und die Gestalt Meltons nahm die ganze Leiter ein, soda#223; die F#252;#223;e des Apatschen nur schwer die Sprossen treffen konnten. Doch endlich war er unten und nahm den leblosen K#246;rper in Empfang. Ich stieg nach.

Als ich unten angekommen war, zog ich zun#228;chst die Leiter zu uns herab, damit wir nicht gest#246;rt werden konnten; dann sah ich mich schnell um. Wir befanden uns zwischen vier kahlen Lehmw#228;nden, die nichts einschlossen als nur die Leiter und den alten Holzstuhl, dessen zwei Hinterbeine ich vorhin gesehen hatte. Rechts und links f#252;hrten Th#252;r#246;ffnungen weiter. Ich warf einen Blick nach rechts hinein, wo Melton vorhin gesessen hatte. Ebenso vier kahle W#228;nde, ein alter Tisch, zwei Holzst#252;hle und ein Lager, welches aus mehrfach #252;bereinander gelegten Fellen und Decken bestand. Das sah sehr triste aus, war aber f#252;r einen Mann wie Thomas Melton mehr als genug. Ich zog mein Messer, schnitt eine Lagerdecke in lange Fetzen und kehrte dann zu Melton zur#252;ck, um ihm H#228;nde und F#252;#223;e zu binden. Ein St#252;ck der Decke bekam er auf den Mund gebunden, da#223; er nicht laut werden konnte. Nun hatten wir Zeit, wenn auch nicht lange, uns umzusehen. Auf dem Tische stand eine primitive Thonlampe, welche mit schlechtem Oel gespeist wurde; diese mu#223;te uns leuchten.

Es lagen sechs R#228;ume nebeneinander, die nur ganz sp#228;rlich das hatten, was man M#246;bel nennen k#246;nnte. Man sah, da#223; alles mit dem Beile gefertigt war. In einer der Stuben, die aber nicht Stuben zu nennen waren, denn sie hatten keine Fenster und durch die Th#252;r#246;ffnungen konnte auch kein Licht dringen, fanden wir die Waffen des Alten. Wie lie#223;en sie liegen. Zu unserer Beruhigung diente der Umstand, da#223; die Etage durch kein Innenloch mit der tieferen verbunden war. Von da unten, wo Jonathan Melton mit der J#252;din wohnen sollte, konnte also w#228;hrend unserer Abwesenheit niemand herauf und den Alten befreien. Wir kehrten zu diesem zur#252;ck und zogen ihn in die Stube, in welcher die Lampe gestanden hatte. Dort legten wir den Tisch um, mit der Platte nach unten und den Beinen nach oben; dann schoben wir den K#246;rper des Gefangenen zwischen die vier Beine hinein, und banden ihn an dieselben fest. Nun konnte er unm#246;glich von selbst loskommen. Darauf l#246;schten wir die Lampe aus, legten die Leiter an, stiegen auf die Plattform zur#252;ck und zogen die Leiter empor, um mit Hilfe derselben auf die n#228;chst tiefere Etage, derjenigen Jonathan Meltons, zu kommen.

Das Th#252;rloch derselben war auch offen, und hier drang ein sehr heller Lichtschein nach oben. Nachdem wir die Leiter herabgelassen und an derselben niedergestiegen waren, schlichen wir uns nach dem Loche und horchten zun#228;chst. Zwei Personen sprachen miteinander, eine m#228;nnliche und eine weibliche; ich erkannte Jonathans und Judiths Stimmen. Auch hier f#252;hrte eine Leiter hinab, weshalb drau#223;en an der Terrasse keine lag. Das Loch war fast noch einmal so gro#223; als die, welche wir bisher gesehen hatten; darum lag, als ich hinunterblickte, ein gr#246;#223;erer Raum als beim alten Melton vor mir. Ich sah au#223;er der Leiter freilich nichts als wieder F#252;#223;e, und zwar vier; diesmal waren es keine Stuhlbeine, sondern zwei mit M#228;nnerstiefeln und zwei mit kleinen Pantoffeln bekleidete F#252;#223;e. Jonathan und Judith schienen auf einer Bank nebeneinander zu sitzen. Eben h#246;rte ich die letztere sagen:

»Du denkst also, da#223; die drei Menschen drau#223;en vor unserm Eingange halten bleiben?«

»Ja,« antwortete er. »Um uns zu bewachen!«

»Und wir k#246;nnen sie nicht verjagen?«

»Nein. Es giebt leider nur diesen einen Weg nach au#223;en. Und wenn hundert und noch mehr Mann hier beisammen w#228;ren, so k#246;nnten wir nichts machen, weil die Passage durch die Enge nur einzeln m#246;glich ist. Die ersten w#252;rden von ihnen erschossen, und w#252;rden mit ihren Leibern f#252;r die andern den Weg verstopfen. Mein einziger Trost ist der, da#223; wir hier Proviant f#252;r Monate, und Wasser f#252;r eine ganze Ewigkeit besitzen. Bis dahin wird den drei Halunken wohl die Geduld ausgegangen sein!«

»Solange brauchen wir nicht zu warten. Komm, mein Lieber, ich will dir etwas zeigen!«

»Was?«

»Das wirst du sehen. Wir steigen nach unten.«

Nach unten steigen? Da mu#223;ten sie doch h#246;chst wahrscheinlich zur Leiter heraufkommen. Wir entfernten uns also schleunigst von dem Loche und legten uns in der entferntesten Ecke der Terrasse nieder, um nicht gesehen zu werden. Wir warteten aber vergeblich; sie kamen nicht. Es schien, man konnte aus der ersten Etage von innen nach dem Erdgeschosse gelangen, Wir krochen also bis an die Kante der Plattform vor und blickten vorsichtig hinab, sahen aber nichts. Wir h#228;tten gern gewu#223;t, was die J#252;din ihrem Jonathan zu zeigen hatte; jedenfalls hing es mit der Frage des Entkommens zusammen. Erst nach l#228;ngerer Zeit wagten wir uns zum zweitenmal an das Loch. Die beiden sa#223;en wieder unten und spannen das Thema, welches sie vorhin abgerissen hatten, weiter. Gleich der Anfang ihres nunmehrigen Gespr#228;ches lie#223; vermuten, da#223; es einen f#252;r uns sehr wichtigen Inhalt haben werde, denn sie sprachen von der M#246;glichkeit der Flucht, des Entkommens aus dem Thalkessel. Ich beugte den Kopf tiefer hinab, um ihre Worte leichter verstehen zu k#246;nnen; da aber fa#223;te Winnetou leider meinen Arm, zog mich zur#252;ck und fl#252;sterte mir zu:

»Rasch fort; da oben kommt jemand; ich h#246;re es!«

Wir befanden uns, wie bereits erw#228;hnt, auf der zweiten Terrasse, von unten herauf gerechnet, also in so unbedeutender H#246;he #252;ber der Sohle des Thales, da#223; wir, wenn wir aufrecht standen, von dem Scheine des Feuers, welches am Eingange brannte, getroffen wurden. Wir durften uns also nicht aufrichten und schoben

uns kriechend von dem Loche weg, wo wir uns im Lampenlichte befunden hatten. Ich hatte kein Ger#228;usch geh#246;rt, konnte mich aber auf die scharfen Sinne des Apatschen verlassen.

Als wir uns eine kleine Strecke von dem Loche entfernt hatten, hielten wir an, um zu lauschen. Es war nichts zu h#246;ren. Darum fragte ich Winnetou mit leiser Stimme:

»Was f#252;r ein Ger#228;usch hat mein Bruder vernommen?«

»Neben uns Schritte und auch eine Stimme.«

»Aber es kommt niemand. Es wird nicht auf der n#228;chsten, sondern auf einer noch h#246;heren Plattform gewesen sein.«

»Nein; es war gleich #252;ber uns. Ich wei#223; ganz genau, da#223; - -«

Er hielt inne, denn gerade #252;ber uns h#246;rten wir eine leise, und zwar m#228;nnliche Stimme sagen: »Komme doch weiter! Warum bleibst du hier stehen?«

»Weil ich etwas gesehen habe, was mir auff#228;llt,« wurde ebenso leise geantwortet, doch h#246;rten wir es. »Was?«

»Zwei K#246;pfe waren da unten #252;ber dem Loche,« »Das ist doch nicht auff#228;llig!«

»Zwei K#246;pfe, welche lauschten? Das soll nicht auff#228;llig sein?« »Nein. Es werden die Dienerinnen dagesessen haben.« »Nein. Es waren M#228;nner.« »Rote? Es sind Krieger von uns gewesen.«

»Nein. Es war ein Indianer, dessen Kopf nur mit seinem langen Haare bedeckt war, und ein Wei#223;er, der einen Hut trug.«

»Also ein Krieger von uns, und vielleicht der Vater des jungen Bleichgesichtes.« »Auch das nicht, denn der Vater besitzt einen andern Hut. Es waren Fremde!« »Das ist unm#246;glich!«

»Ich w#252;rde das auch denken, wenn ich sie nicht, gerade als ich den Rand hier erreichte, ganz deutlich gesehen h#228;tte.«

»Nun lege dich nieder! Wir wollen einmal hinabsehen.«

Wir h#246;rten am Ger#228;usche, da#223; sie sich niederlegten und #252;ber die Kante der Terrasse herabblickten. Wir befanden uns gerade unter ihnen. Ein Gl#252;ck, da#223; wir nichts Helles an unsern Anz#252;gen hatten! Dennoch mu#223;ten sie, wenn sie scharfe Augen besa#223;en, uns sehen. Darum vergingen f#252;r uns einige Minuten gro#223;er Spannung; dann h#246;rten wir die Frage:

»Siehst du etwas?«

»Nein.«

Ach auch nicht. Du wirst dich jedenfalls get#228;uscht haben. Wie sollen Fremde in unser Thal und gar herauf auf die Plattform kommen!«

»Das kann ich mir auch nicht erkl#228;ren.«

»Der Eingang ist doch von unsern Kriegern besetzt.«

»Sie sind aber dennoch da!«

»Ich glaube es nicht. Steigen wir also weiter, und sehen wir einmal nach! Du wirst finden, da#223; kein Mensch vorhanden ist.«

»Ja, sehen wir nach!«

Wir h#246;rten, da#223; sie aufstanden und nach der Stelle gingen, an welcher wir vorhin die Leiter angelegte hatten.

»Sie kommen herab!« fl#252;sterte Winnetou. »Eilen wir nach der andern Seite!«

Wir huschten schleunigst nach dem linken Ende der Terrasse, w#228;hrend die beiden Roten an der rechten Seite derselben herabgestiegen kamen. Dort legten wir uns nieder und dr#252;ckten uns eng an die Lehmmauer.

»Wir glaubten, da#223; nur Frauen und Kinder da oben in den Wohnungen seien, haben uns aber geirrt,« fl#252;sterte Winnetou. »Hoffentlich sehen uns die beiden nicht!«

»Und wenn sie uns aber sehen, was thun wir da?« fragte ich.

»Wir fassen sie.«

»Sie d#252;rfen aber nicht laut werden!«

»Nein. Wir nehmen sie mit der linken Hand bei der Gurgel und sto#223;en ihnen mit der rechten das Messer ins Herz.«

»Nein, t#246;ten wollen wir die armen Teufel nicht.«

»Dann ist es fraglich, ob es uns gelingen wird, sie so zu #252;berw#228;ltigen, da#223; sie nicht schreien k#246;nnen.« »O wir haben den Griff nach dem Halse schon so oft ge#252;bt!« »Er kann auch einmal mi#223;lingen.«

Er hatte ganz recht; aber das Mi#223;lingen war auch beim Gebrauche der Messer m#246;glich, und so war es jedenfalls besser, das Leben der beiden zu schonen.

Da sie aufrecht gingen und also vom Lichte des Feuers getroffen wurden, konnten wir sie sehen. Sie waren die Leiter herabgestiegen und kamen nun langsam und das Terrain vorsichtig pr#252;fend von der rechten Seite der Plattform nach der linken gegangen. Aus der Sorgfalt, mit der sie dabei verfuhren, schlossen wir, da#223; sie ganz gewi#223; bis zu unserm Winkel kommen w#252;rden.

Und so geschah es auch; sie kamen n#228;her und n#228;her. Sie befanden sich noch zehn, acht, sechs, vier Schritte von uns. Ich hoffte, da#223; sie noch weiter herankommen w#252;rden; dann w#228;ren wir rasch aufgesprungen, um sie zu packen. Sie blieben aber stehen und starrten mit vorgebeugten K#246;rpern zu uns her.

»Was liegt dort?« fragte der eine.

»Das ist ein Mensch,« antwortete der andere.

»Nein, es sind zwei. Wer seid ihr?«

Diese Frage richtete er in lautem Tone an uns. Wir antworteten nicht, weil wir dachten, da#223; sie dann n#228;her herankommen w#252;rden.

»Was wollt ihr hier?«

Ich sah, da#223; er ein Messer zog, und der andere folgte dem Beispiele. Jetzt durften wir nicht z#246;gern, obgleich die Partie nicht so gut f#252;r uns stand, wie wir erwartet und gew#252;nscht hatten; ihre Messer konnten uns gef#228;hrlich werden. Wir sprangen also auf und warfen uns auf sie. Ich gab demjenigen, auf den ich meinen Angriff richtete, einen Schlag auf den Arm, da#223; er das Messer fallen lie#223;, und wollte ihn dann beim Halse nehmen; aber er trat schnell einen Tritt zur#252;ck und streckte die beiden H#228;nde vor, um mich abzuhalten. Dadurch gingen einige Augenblicke verloren. Der Schein des Feuers fiel gerade auf mein Gesicht; er erkannte mich und rief, so laut er konnte:

»Zu Hilfe, zu Hilfe! Hier oben ist Old Shatterhand!«

Da schlug ich ihm die Faust auf den Kopf, da#223; er niederst#252;rzte, b#252;ckte mich schnell nieder, legte ihm das Knie auf den Leib und die H#228;nde uni den Hals. Er brachte kein Wort mehr heraus, aber hinter mir h#246;rte ich den andern br#252;llen:

»Auch Winnetou ist hier! Kommt schnell herauf! Zu Hilfe, Hilfe, Hil - -!«

Der dritte Hilferuf erstickte in einem ersterbenden St#246;hnen. Mein Yuma war #252;berw#228;ltigt; er bewegte sich nicht, und als ich mich nun nach Winnetou umsah, lag dieser auf seinem Gegner und bearbeitete den Kopf desselben mit der Faust.

»Was thun wir mit ihnen?« fragte er mich. »Sie zu fesseln, haben wir keine Zeit.« »Wir werfen sie #252;ber den Rand auf die erste Terrasse hinab. Schnell, schnell!«

In der n#228;chsten Sekunde flogen die beiden K#246;rper hinunter; da konnten sie uns nicht schaden. Wir aber eilten hin zu dem Loche. Ein Kopf war in demselben erschienen, der Kopf Jonathan Meltons, welcher auf der Leiter stand und aus dem Loche sah, um nach der Ursache der Hilferufe zu forschen. Er sah uns kommen und rief im Tone des gr#246;#223;ten Schreckes:

»Winnetou und Old Shatterhand! Alle tausend Teufel! Die sind - - «

Weiter h#246;rten wir nichts, denn er verschwand, und als wir das Loch erreichten, war es zu sp#228;t, ihn zu fassen. Er war bereits unten angekommen, und man zog soeben die Leiter unten weg, soda#223; wir nicht hinuntersteigen konnten. Die Ueberrumpelung des jungen Melton war uns also nicht gelungen. Das brauchte uns aber nicht zu #228;rgern, denn er konnte nicht zum Thale hinaus und war uns also sicher.

Die Hilferufe hatten das ganze Pueblo alarmiert. Ueber uns kamen die Weiber und Kinder aus den L#246;chern, und schrieen zu ihren M#228;nnern und V#228;tern hinab. Diese waren unten an ihrem Feuer aufgesprungen. Einige standen dort, ganz bewegungslos vor Staunen; andere kamen herbeigerannt, um die Terrassen zu ersteigen und uns anzugreifen. Da erhob Winnetou seine weithin schallende Stimme und rief:

»Ja, hier stehen Old Shatterhand und Winnetou. Die Krieger der Yumas m#246;gen sich nicht heraufwagen, denn sowie ihre K#246;pfe auf der ersten Leiter erscheinen, schie#223;en wir unsere Kugeln hindurch! Auch m#246;gen sie nicht versuchen, durch die Felsenenge zu fliehen, denn auch drau#223;en am Ausgange erwartet sie der sichere Tod. Und die

Squaws da oben m#246;gen mit ihren Kindern schnell wieder in ihre L#246;cher kriechen und sich dort still verhalten, sonst werden sie erschossen!«

Auf diese Worte trat tiefe Stille ein. Was #252;ber uns, in den h#246;heren Etagen vorging, konnten wir nicht sehen, aber die dort eingetretene Ruhe lie#223; vermuten, da#223; die Weiber dem Befehle des Apatschen gehorcht hatten. Und auf die M#228;nner war er von derselben Wirkung gewesen, denn es wagte keiner, die zur ersten Etage f#252;hrende Leiter zu ersteigen. Denen, die das beabsichtigt hatten, rief Winnetou zu:

»Kehrt augenblicklich zum Feuer zur#252;ck! Wer nicht sogleich gehorcht, bekommt eine Kugel!«

Die Yumas kannten den Apatschen; sie hatten einen solchen Respekt vor ihm und seiner Silberb#252;chse, da#223; sie eiligst nach dem Feuer liefen. Als sie alle wieder dort standen, warf ich ihnen die Frage zu:

»Wer ist euer Anf#252;hrer? Er mag einige Schritte vortreten, denn Old Shatterhand m#246;chte mit ihm reden!«

Es dauerte eine kleine Weile, ehe ein Roter einige z#246;gernde Schritte machte und uns zurief:

»Einen H#228;uptling giebt es hier nicht mehr; es gilt der eine soviel wie der andere, doch will ich h#246;ren, was Old Shatterhand uns zu sagen hat.«

»H#246;re und siehe erst etwas anderes! Blicke nach dem Holzaste, welcher dort rechts aus dem Feuer ragt; er wird sofort verschwinden.«

Ich legte den B#228;rent#246;ter an und zielte; es war bei der flackernden, unsichern Beleuchtung ein schlechter Schu#223;, doch dr#252;ckte ich getrost ab, und der Ast wurde von der Kugel getroffen und so zerschnitten, da#223; die aus dem Feuer ragende Spitze desselben gegen den Felsen flog.

»Uff, uff!« erklangen die Stimmen der erstaunten Roten.

»Habt ihr gesehen, wie sicher unsere Kugeln gehen?« rief ich ihnen dann zu. »Ebenso sicher werden wir auch eure Herzen und K#246;pfe treffen, wenn ihr nicht thut, was wir von euch verlangen!«

»Was fordert mein wei#223;er Bruder von uns?« fragte der Yuma.

»Sehr wenig. Wir sind nicht als eure Feinde gekommen. Wir wollen euch weder t#246;ten oder verwunden, noch uns an dem vergreifen, was euer Eigentum ist. Wir wollen nichts von euch haben als die beiden Bleichgesichter, welche sich hier bei euch versteckt haben.«

»Warum wollt ihr sie fangen?«

»Weil sie mehrere gro#223;e Verbrechen begangen haben, welche Strafen finden m#252;ssen.«

»Das k#246;nnen wir nicht zugeben, weil wir ihnen versprochen haben, sie euch nicht auszuliefern.«

»Ich verlange nicht, da#223; rote Krieger ein Versprechen, welches sie gegeben haben, brechen sollen. Was habt ihr ihnen noch versprochen?«

»Nichts.«

»So sage ich euch, da#223; ihr euer Wort halten sollt, denn ihr werdet sie nicht ausliefern, sondern wir holen sie uns selbst. Oder seid ihr die Verpflichtung eingegangen, sie zu verteidigen, falls es uns gelingen sollte, hier heimlich einzudringen?«

»Von diesem Falle ist nichts erw#228;hnt worden, weil wir ihn gar nicht f#252;r m#246;glich gehalten haben, und wenn du - uff, uff, uff!«

Er unterbrach seine Rede mit diesem Ausrufe des Schreckes, weil in diesem Augenblicke etwas geschah, wor#252;ber man allerdings leicht erschrecken konnte. N#228;m- N#228;mlich Emery hatte meinen Schu#223; geh#246;rt; ich hatte ihn durch denselben eigentlich nicht herbeirufen wollen, denn wir brauchten seine Hilfe nicht; er war aber doch in die Felsenenge eingedrungen, kam aus derselben heraus und mit einem k#252;hnen Sprunge #252;ber das brennende Feuer geflogen, und zwar mitten unter die Roten hinein, welche ganz erstarrt #252;ber das so pl#246;tzliche Erscheinen des k#252;hnen Englishman waren. Er sandte nat#252;rlich seinen Blick nach oben, sah uns stehen und rief zu uns herauf, indem er sein Gewehr schwang:

»Charley, was soll ich thun? Soll ich die Kerle ein wenig totschlagen?«

»Nein, das ist nicht n#246;tig, denn wir werden uns in G#252;te einigen. Komm aber herauf zu uns!«

»Da#223; ich von ihnen hinterr#252;cks erschossen werde, w#228;hrend ich die Leiter ersteige!«

»Es wird keiner schie#223;en, denn wenn es einer nur wagen wollte, seine Flinte zu erheben, w#252;rde ihn sofort meine Kugel treffen. Also komm!«

Er kam der Aufforderung nach und wurde von den Roten nicht daran gehindert. Waren sie erst so erschrocken dar#252;ber gewesen, da#223; Winnetou und ich uns so pl#246;tzlich mitten im Pueblo befanden, so hatte das Erscheinen Emerys sie nun vollst#228;ndig verbl#252;fft. Sie dachten gar nicht daran, von ihren Gewehren Gebrauch zu machen, die #252;brigens so schlecht waren, da#223; wir sie jetzt, des Nachts, gar nicht zu f#252;rchten brauchten. Als Emery unsere Terrasse erreicht hatte, sagte er:

»lch sehe, da#223; ihr gl#252;cklich herabgekommen seid. Wo stecken die Meltons? Wi#223;t ihr das?«

»Ja. Doch warte, ich mu#223; erst mit den Roten da unten fertig werden,« antwortete ich ihm. Und mich an diese wendend, fuhr ich weiter zu ihnen fort:

»Meine roten Br#252;der haben gesehen, da#223; wir uns nicht vor ihnen f#252;rchten, da#223; sie sich vielmehr ganz in unserer Gewalt befinden. Ebenso wissen sie, da#223; wir nur die beiden Bleichgesichter fordern. Werden sie uns unbel#228;stigt damit abziehen lassen?«

»Du verlangst also gar nichts von uns?« fragte der Sprecher.

»Nichts!«

»Verlangst du etwa die wei#223;e Squaw, welche hier wohnt?« »Nein.«

»Sie war die Squaw unsers H#228;uptlings, die wir besch#252;tzen m#252;#223;ten!«

»Wir m#246;gen sie nicht haben und werden euch das gro#223;e Gl#252;ck, sie besch#252;tzen zu d#252;rfen, nicht rauben.« »Und was ihr geh#246;rt, das la#223;t ihr ihr auch?«

»Ja. Was ihr rechtm#228;#223;iges Eigentum ist, werden wir nicht anr#252;hren.«

»So sind wir bereit, mit euch Frieden zu schlie#223;en. Wo soll die Pfeife des Friedens geraucht werden?«

»Hier oben bei uns.«

»So sollen wir alle hinaufkommen?«

»Nein. Es gen#252;gt, da#223; du allein kommst; du hast f#252;r deine Br#252;der gesprochen und wirst auch f#252;r sie handeln. Also komm, und bring dein Kalumet mit!«

Es konnte mir nicht einfallen, alle Yumas heraufzulassen; das w#228;re eine gro#223;e Unvorsichtigkeit gewesen. Er kam allein und nahm die alte schmierige Pfeife vom Halse, an welchem er sie mittels eines Riemens h#228;ngen hatte. Tabak hatte er in einem Beutel, der in seinem G#252;rtel steckte. Wir setzten uns nieder und lie#223;en die Pfeife in die Runde gehen. Obgleich wir dabei die sonst gebr#228;uchlichen Ceremonien m#246;glichst abk#252;rzten, konnten wir dann, als die Pfeife leer geraucht war, doch #252;berzeugt sein, da#223; die Yumas unser Uebereinkommen respektieren w#252;rden. Das bekr#228;ftigte auch der Sprecher, der am Schlusse aufstand und in beteuerndem Tone sagte:

»Es ist also Friede geschlossen zwischen uns und euch, und wir werden ihn halten. Ihr seid nur drei Krieger, und wir sind unser so viele; dennoch sind wir ganz in eure H#228;nde gegeben, denn wir haben kein solches Zaubergewehr, wie Old Shatterhand besitzt. Werden meine Br#252;der wirklich ihr Wort halten und uns nichts thun und nichts nehmen?«

»Ja,« antwortete ich. »Wir haben noch nie unser Wort gebrochen.«

»So werde ich euch beweisen, da#223; auch wir es ehrlich meinen. Unsere Krieger sollen alle ihre Flinten und Messer heraufsenden und sie hier bei euch niederlegen. Dann seid ihr sicher, da#223; wir wirklich friedlich gesinnt sind.«

»Mein roter Bruder mag den Befehl dazu erteilen. Dann w#252;nschen wir, da#223; ihr das Feuer bis zum Anbruche des Tages unterhaltet und da#223; keiner von euch sich davon entfernt. Willigst du ein?«

»Ja.«

»Und sodann wirst du uns sagen, wie wir den jungen Wei#223;en, den wir haben wollen, am leichtesten in unsere Hand bekommen?«

»Nein, das werde ich nicht sagen, weil wir versprochen haben, ihn und seinen Vater nicht an euch auszuliefern; es w#252;rde aber soviel wie eine Auslieferung sein, wenn ich thun wollte, was du jetzt von mir

verlangst.«

»Das gebe ich zu. Aber daf#252;r wirst du mir etwas anderes sagen: Wo befinden sich unsere Pferde?« »Sie weiden oder schlafen da dr#252;ben unter den B#228;umen, wo es dunkel ist.« »Man hat die Satteltaschen leer gemacht?« »Ja.«

»Wer besitzt die Gegenst#228;nde, welche sich in denselben befanden?« »Die beiden Wei#223;en, welche ihr gefangen nehmen wollt.«

»Ihr habt mit unsern Pferden ein junges Bleichgesicht ergriffen. Ist es verwundet?« »Nein.«

»Wo befindet es sich?«

»Das junge Bleichgesicht ist hier im Pueblo eingesperrt worden.« »Wo?«

»Das wei#223; ich nicht.«

»Soll ich das glauben? Du mu#223;t es doch wissen!«

»Nein. Man hat es uns nicht gesagt. Wir haben nur gesehen, da#223; er zwei Leitern ersteigen mu#223;te.« »Also bis auf diese Terrasse?«

»Ja und dann mu#223;te er hier durch das Loch hinuntersteigen in die Wohnung der wei#223;en Squaw.« »Giebt es dort R#228;ume, welche sich zum Einsperren eines Gefangenen eignen?« »Nein, denn die R#228;ume sind lauter Wohnungen. Vielleicht hat man ihn eine Leiter tiefer geschafft.« »Das m#252;#223;tet ihr doch gesehen haben!«

»Nein, denn von diesem Stockwerke aus f#252;hrt auch von innen ein Loch in das Erdgescho#223; hinab.« »Wo ist dieses Loch?«

»Ganz am Ende der rechten Seite, in dem hinteren Raume, wo die wei#223;e Squaw ihre K#252;che hat.« »Wo pflegt sie zu schlafen?«

»In dem vorletzten Gemache auf derselben Seite. Jetzt hast du alles erfahren, was ich sagen darf. Nun will ich die Waffen bringen lassen.«

Er entfernte sich, um den betreffenden Befehl zu erteilen. Die freiwillige Auslieferung der Gewehre und Messer w#228;re im stande gewesen, alles Mi#223;trauen, wenn wir ja noch welches gehegt h#228;tten, zu zerstreuen. Es verstand sich ganz von selbst, da#223; wir dem Loche, welches den Eingang zu der Wohnung Judiths bildete, unsere unausgesetzte Aufmerksamkeit geschenkt hatten. Wir befanden uns ganz in der N#228;he desselben, und es war doch immerhin die M#246;glichkeit vorhanden, da#223; Jonathan Melton zur Leiter heraufkommen und uns eine Kugel zusenden k#246;nne. Zu bemerken w#228;re noch, da#223; die beiden Indianer, welche wir auf die Plattform des Erdgeschosses hinabgeworfen hatten, schon l#228;ngst eiligst von derselben hinabgestiegen waren und sich den ihrigen dort am Feuer beigesellt hatten. Sie waren ohne Schaden davongekommen.

Jetzt wurden die Waffen gebracht, die wir in unserer N#228;he niederlegen lie#223;en. Als sich die Tr#228;ger entfernt hatten, befanden wir uns wieder allein und konnten nun darangehen, Vogel zu befreien und Jonathan Melton zu ergreifen.

Zun#228;chst erz#228;hlte ich dem Englishman, da#223; wir mit Hilfe des Lassos gl#252;cklich von der H#246;he auf das Pueblo gekommen waren und Melton, den Vater, schon in die H#228;nde bekommen hatten.

»Das habt ihr gut gemacht!« sagte er. »Hoffentlich ist es nicht schwerer, nun auch seinen saubern Sohn festzunehmen.«

»Nicht schwerer? Ich meine, da#223; es ganz im Gegenteil gef#228;hrlich, und zwar sehr gef#228;hrlich ist, weil wir durch das Loch hinabsteigen m#252;ssen.«

»Allerdings. Was weiter?«

»Willst du uns etwa voransteigen?«

»Ja, sofort!«

Er schickte sich auch wirklich an, dies augenblicklich zu thun. Ich zog ihn aber schnell zur#252;ck und warnte:

»Halt doch! Kannst du dir nicht denken, da#223; Melton mit seinem Gewehre und seinen Revolvern unten steht, um uns gem#252;tlich das Lebenslicht auszublasen?«

»Ah, Wetter, das ist wahr! Wir m#252;ssen eben hinunter, und da das Licht unten brennt, so ist das, was du Vorsicht nennst, ganz unm#246;glich.«

»Sie ist m#246;glich. Du wirst schon sehen. Vorher aber m#252;ssen wir bestimmen, wer von uns hier oben zu bleiben hat.«

»Du meinst, es ist notwendig, da#223; einer hier bleibt?«

»Unbedingt. Es handelt sich um unsere Sicherheit. Was mich betrifft, so mu#223; ich hinab. Und weil es da unten voraussichtlich Heimlichkeiten zu entdecken giebt, worin Winnetou Meister ist, so schlage ich vor, da#223; er mit mir geht.«

»Hm, ich mu#223; mich f#252;gen, obgleich ich auch gro#223;e Lust besitze, mir das Innere des "Schlosses" einmal anzusehen.«

»Das kannst du sp#228;ter mit weit mehr Mu#223;e thun. Wir lassen dir unsere Gewehre hier.«

»Was? Die wollt ihr nicht mitnehmen?«

»Nein. Es wird da wahrscheinlich zu steigen und zu klettern geben, wobei sie uns nur hinderlich sein w#252;rden.«

»Aber wenn es zu einem Kampfe mit Jonathan kommen sollte!«

»So brauchen wir die Gewehre sicher nicht. Wir sind zwei gegen einen und haben die Messer und Revolver.

Also hier sind meine Gewehre, und nun will ich zun#228;chst sehen, wie es da unten steht.«

Ich legte den Hut ab, steckte den Kopf in das Loch, hielt mich am Rande desselben fest und lie#223; mich leise und langsam, soweit die Arme reichten, tiefer sinken. Man hatte von innen die Leiter weggenommen. Winnetou und Emery hielten mich drau#223;en fest, soda#223; ich nicht hinabst#252;rzen konnte. So kam ich mit dem Kopfe nach unten soweit, da#223; ich den Raum #252;berblicken konnte. Ich sah die Bank, auf welcher Judith und Jonathan vorhin gesessen hatten, einen Tisch und zwei St#252;hle. Ueber dem Tische hing ein Spiegel. Dieses unter andern Verh#228;ltnissen h#246;chst einfache M#246;blement war f#252;r das Pueblo fein zu nennen. Die beiden Th#252;r#246;ffnungen, welche nach rechts und links f#252;hrten, waren durch bunten Kattun verh#228;ngt. Also hinter dem Vorhange rechts wohnte Judith und links Jonathan. Da sah ich, da#223; sich der erstere bewegte; es erschien eine Frauenhand mit einem Revolver; ich zog schnell den Kopf zur#252;ck, da knallte auch schon der Schu#223;. Nat#252;rlich war ich im n#228;chsten Augenblicke au#223;erhalb des Loches.

»Wetter, das war gef#228;hrlich! Wer hat geschossen?« fragte Emery.

»Judith!«

»Da konntest du jetzt das sch#246;nste Loch im Kopfe haben. Wo steht sie denn?« »Hinter dem Vorhange in einem Nebengemache.« »Und Jonathan?«

»Den habe ich nicht gesehen. Wahrscheinlich steht er auf der andern Seite auf der Lauer.«

»Das ist eine fatale Lage. Wir k#246;nnen nicht hinab.«

»O doch! Ich springe hinab.«

»Da schie#223;t man von beiden Seiten auf dich!«

»Das mu#223; ich freilich riskieren; wahrscheinlich aber bin ich rascher, als die beiden Belagerten. Die Lampe, welche unten brennt, steht auf dem Tische; wenn ich sie schnell ausblasen kann, bin ich ziemlich sicher, nicht getroffen zu werden. Holt dort die Leiter her! Wenn ich von unten rufe, steckt ihr sie in das Loch, und Winnetou kommt hinunter.«

»Aber bedenkst du auch, da#223; du au#223;erdem den Hals brechen kannst, wenn du hinabspringst!« »Da m#252;#223;te es etwas tiefer sein. Also jetzt, es sei gewagt!«

Die Ausf#252;hrung meines Vorsatzes, hinabzuspringen, war nur dadurch m#246;glich, da#223; das Loch doppelt so weit war, als die andern Eing#228;nge, die wir gesehen hatten. Ich stellte mich gerade dar#252;ber, das eine Bein h#252;ben und das andere dr#252;ben. Um gleich bewaffnet zu sein, zog ich den Revolver. Indem ich die F#252;#223;e h#252;ben und dr#252;ben von der Kante des Loches abgleiten lie#223;, fiel ich in aufrechter Stellung hinunter und kam auf die Zehen zu stehen. Ein schneller Schritt zur Lampe, die ich ausblies, zwei ebenso rasche Schritte wieder zur#252;ck und nach der andern Seite - da knallte auch schon der Revolver; die J#252;din hatte auf mich geschossen und sie h#228;tte mich sicher getroffen, wenn ich nur einen Moment l#228;nger dort am Tische bei der Lampe stehen geblieben w#228;re. Jetzt mu#223;te ich zur List greifen. Ich warf mich nieder, und zwar so, da#223; man es h#246;ren mu#223;te, und begann, zu st#246;hnen. Ich wollte dadurch Jonathan herbeilocken. Zun#228;chst aber machte sich nur Judith bemerkbar!

»Himmel, ich habe ihn getroffen! Sind Sie verwundet?« Ich antwortete mit einem weitern St#246;hnen und R#246;cheln. »Er stirbt, er stirbt! Ich habe ihn erschossen! Licht her, Licht!«

Das klang ja ganz so, als ob es gar nicht ihre Absicht gewesen sei, mich zu treffen. Ich glaubte, sie w#252;rde hereinkommen, um die ausgel#246;schte Lampe anzubrennen, h#246;rte aber, da#223; sie sich nach innen entfernte. Da stand ich wieder auf und huschte in den zweiten Raum, in welchem sie gestanden hatte. Weiter hinten, mehrere Zimmer weiter, gab es einen Lichtschein, welcher durch die Vorh#228;nge drang. Er kam n#228;her und wurde heller und st#228;rker. Der Kattun der n#228;chsten Th#252;r wurde auseinandergezogen, und da stand sie, die J#252;din, eine zweite Thonlampe in der Hand und mich mit weit aufgerissenen Augen anstarrend; sie lie#223; den Revolver, welchen sie in der andern Hand trug, fallen.

»Guten Abend, Sennora!« gr#252;#223;te ich. »Sie verzeihen doch, da#223; ich Sie in ihrer H#228;uslichkeit st#246;re? Da Sie wahrscheinlich nicht hinaufgekommen w#228;ren und ich Sie doch sprechen mu#223;te, war ich gezwungen, herunterzukommen.«

»Da - da - da stehen Sie ja!« rief sie aus.

»Allerdings! Oder meinen Sie, da#223; ich mich setzen darf?«

»Sie - Sie - Sie lagen doch da drau#223;en. Ich h#246;rte Sie fallen!«

»Das habe ich auch geh#246;rt!«

»Ich glaubte Sie im Sterben, und nun - nun - stehen Sie hier vor mir! Sind Sie denn nicht verwundet?« »Nein.«

»Aber warum r#246;chelten Sie da so entsetzlich?«

»Ich habe die Angewohnheit, nur zu meiner Unterhaltung zu r#246;cheln.«

»Und ich war so erschrocken dar#252;ber! Ich hatte Sie ja nur erschrecken wollen.«

»Sonderbar! Und das soll ich glauben?«

Sie k#246;nnen es glauben! Sie sollten nicht herunterkommen.«

»Und als ich unten war, schossen Sie doch noch auf mich! Sennora, dar#252;ber werden wir sp#228;ter sprechen. Jetzt bitte ich, mir zu sagen, wo Mr. Jonathan Melton sich befindet; ich habe mit ihm zu sprechen.«

»Er ist nicht hier!«

»Sie verleugnen ihn? So mu#223; ich ihn mir suchen!« »Suchen Sie!«

»Das werde ich freilich thun, und Sie haben die G#252;te, mir dazu zu leuchten!« »Ich bin nicht Ihre Dienerin. Hier haben Sie die Lampe!«

Sie hielt mir das kleine, vasenartige Gef#228;#223; hin; ich sch#252;ttelte den Kopf und antwortete: »Sie sind hier daheim, und ich bin unbekannt; ich mu#223; Sie also bitten, mich zu f#252;hren!« »Und ich thue es nicht.« »Sie werden es thun!«

»So kommen Sie! Sie sind im stande, eine Dame zu maltraitieren und vielleicht gar zu schlagen!«

»Das ist mir allerdings unter Umst#228;nden zuzutrauen! Also bitte, gehen Sie voran! Ich bleibe hart hinter Ihnen. Sollte es irgend jemanden hier geben, der einen Angriff auf mich beabsichtigt, so dienen Sie mir als Schild und m#252;ssen au#223;erdem gew#228;rtig sein, da#223; Ihnen mein Messer in den R#252;cken dringt. Sie haben zweimal auf mich geschossen; ich habe also gar keine Veranlassung, Sie zu schonen!«

»Es ist niemand hier. Kommen Sie!«

Sie sagte das in einem Tone, der mich irre machte. Das klang so glaubhaft, und doch mu#223;te Melton sich hier befinden. Sie f#252;hrte mich nach rechts, durch die R#228;ume, welche sie selbst bewohnte. Die Ausstattung lie#223;, die Verh#228;ltnisse und die Oertlichkeit in Betracht gezogen, nichts zu w#252;nschen #252;brig. Hinter jedem Th#252;rvorhang glaubte ich, auf Melton zu treffen; er war nicht da!

Dann kehrten wir um; sie f#252;hrte mich auf die linke Seite, also in seine Wohnung hin#252;ber. Dieser sah man es an, da#223; sie fr#252;her der Aufenthalt eines Indianerh#228;uptlings gewesen war. Der Gesuchte war auch hier nicht zu sehen!

»Nun, haben Sie ihn?« fragte sie mich im Tone und mit einem Blicke des Triumphes.

»Bis jetzt noch nicht. Er ist irgendwo hier versteckt, und ich werde nicht eher ruhen, als bis ich ihn gefunden habe.«

»So thut mir's um Ihre Ruhe leid, zu welcher Sie niemals kommen werden. Mr. Melton ist seit mehreren Stunden fort.«

»Wohin?«

»Wei#223; ich es? Er ist nicht mehr hier, nicht mehr im Pueblo und #252;berhaupt nicht mehr in der Gegend desselben.«

»Und vor einer halben Stunde habe ich ihn noch gesehen!«

»Das ist nicht wahr!«

»Ich h#246;rte ihn sogar mit Ihnen sprechen, vorn auf der Bank unter dem Eingange. Kehren wir jetzt dorthin zur#252;ck! Sie werden noch andern Besuch bekommen.«

»Wen?« »Winnetou.«

»Herrlich!« meinte sie in sp#246;ttischem Tone. »Ich bin begierig, ob zwei so ber#252;hmte Westm#228;nner die Spur finden werden!«

»Ich hab' sie schon, Sennora! Da, wo die Leiter jetzt liegt, welche an Ihrem Eingange fehlt, nachdem ich sie kurz vor her noch dort gesehen habe.«

»Und wo liegt sie jetzt?« fragte sie mich sp#246;ttisch.

»Ich werde sie Ihnen zeigen.«

»Da m#252;#223;ten Sie allwissend sein. Ich wei#223;, was f#252;r eine Sp#252;rnase Sie besitzen, aber so lang ist sie doch nicht, wie sie sein m#252;#223;te, wenn Sie mit ihr an die Leiter sto#223;en wollten!«

»Werden sehen. Kommen Sie jetzt mit nach dem Eingange!«

Als wir dort anlangten, rief ich Winnetou. Die Leiter, nat#252;rlich eine andere, als die, von der wir jetzt gesprochen hatten, wurde herabgelassen, und dann kam der Apatsche herniedergestiegen. Er w#252;rdigte die J#252;din keines Blickes, blickte besorgt an mir hernieder und fragte:

»Jonathan Melton?«

»Nicht zu sehen.«

»Werden suchen.«

Jetzt nahm ich der J#252;din die Lampe aus der Hand und leuchtete. Sie ging neugierig hinter uns her. Wir begaben uns zun#228;chst hin#252;ber nach der linken Seite, der M#228;nnerwohnung. Die Beschreibung derselben hat kein Interesse. Es gab auch hier niemals Tageslicht, und wo die Au#223;enluft Zutritt fand, das h#228;tte ich auch nicht sagen k#246;nnen. Wir fanden nichts und begaben uns also nach der rechten Seite.

Was mir dort, ohne da#223; ich es erw#228;hnte, aufgefallen war, das bemerkte der Apatsche sofort auch. Der Indianer hatte uns gesagt, da#223; die wei#223;e Squaw im letzten Raume auf dieser Seite zu kochen und im vorletzten zu schlafen pflege. Es gab ganz hinten allerdings eine K#252;che. In der hintersten Ecke war eine Art Herd aus Lehm errichtet und dar#252;ber ein Loch durch die Decke gebrochen, durch welches der Rauch abziehen konnte. Auch Teller, Tassen, Sch#252;sseln und anderes Geschirr gab es, dazu einen gro#223;en irdenen Wasserkrug.

In der andern Ecke stand oder vielmehr lag das Bett, bestehend aus einer Art Matratze, mehreren Fellen und Decken. In dem vorletzten Raume hingen Kleidungsst#252;cke; auf jedem Tische befanden sich mehrere Toilettengegenst#228;nde, und auf der Erde, dem Fu#223;boden, lagen verschiedene andere Sachen. Man sah es, da#223; dieselben absichtlich so hingeworfen worden waren.

»Nun?« fragte sie jetzt. »Der gro#223;e und ber#252;hmte H#228;uptling der Apatschen ist auch da. Was haben Sie gefunden? Nichts!«

»Allerdings nichts,« antwortete ich.

»Und Sie behaupten doch, die Spur zu haben!«

»Die haben wir und das Finden wird sofort beginnen.«

Wir standen im vorletzten Raume. Winnetou brachte es doch nicht fertig, auch jetzt noch zu schweigen; er war zwar zu stolz, sich direkt an die J#252;din zu wenden, sagte aber, da#223; sie es h#246;rte, zu mir:

»Wenn die Squaw ein Mann w#228;re, w#252;rde Winnetou ihr eine Antwort geben. Mein Bruder reiche mir die Lampe her!«

Ich gab sie ihm. Er b#252;ckte sich nieder und leuchtete auf den Boden, indem er mich fragte: »Glaubt mein Bruder, da#223; die Sachen stets hier liegen?« »Nein. Sie sind vor ganz kurzer Zeit hergeworfen worden.« »Wozu?«

»Um den Raum zu f#252;llen. Man soll nicht sehen, was hier eigentlich fehlt.«

»Mein Bruder hat sehr richtig gesprochen. Er blicke in diese Ecke. Was ist da zu bemerken?«

»Ein langes Viereck, welches von dem andern Teil des Bodens absticht.«

»Wie lang und breit ist dieses Viereck?«

»Gerade so lang und breit wie das Bett, welches jetzt drau#223;en in der K#252;che liegt.«

»Richtig! Das Bett hat also stets hier gelegen; die Squaw hat hier geschlafen. Warum hat sie ihr Bett so pl#246;tzlich hin#252;ber neben den Herd geschafft?«

»Um damit etwas zu verdecken, was wir nicht sehen sollen.«

»So ist es. Old Shatterhand mag also mit in die K#252;che gehen.«

Als wir dr#252;ben standen und Winnetou nach den Decken griff, um sie wegzunehmen, rief Judith:

»Sennores, was soll das hei#223;en! Hoffentlich ist Ihnen die Ruhest#228;tte einer Dame heilig!«

»Allerdings,« antwortete ich. »Darum wollen wir sie wieder dorthin schaffen, wo sie sich stets befunden hat. Hier in der K#252;che haben Sie nie geschlafen.«

»Stets!«

»Auf der Leiter?«

»Auf der Leiter! Was meinen Sie?«

»Ich meine nat#252;rlich die Leiter, welche wir suchen. Uebrigens habe ich Ihnen eine sehr wichtige Frage

noch nicht vorgelegt. Wo steckt der junge Sennor, welcher hier gefangen ist?« »Ich wei#223; es nicht. Um M#228;nnerangelegenheiten habe ich mich nicht gek#252;mmert.« »Er hat aber in Ihre Wohnung herabsteigen m#252;ssen!« »Davon wei#223; ich nichts.«

»Wenn Sie es wirklich nicht wissen, werden wir es Ihnen sagen; er steckt unter Ihrem Bette.« Da legte sie sich pl#246;tzlich auf die Decken nieder und rief:

»Hieran darf sich kein Mensch vergreifen! Es ist eine Roheit, eine Gemeinheit, welche Sie begehen wollen!«

»Stehen Sie auf, Sennora!«

»Nein! Ich werde nur der Gewalt weichen. Sie haben mich ja schon pr#252;geln wollen. Thun Sie es doch jetzt!«

Es widerstrebte mir, Gewalt anzuwenden, aber was wollte man mit dem obstinaten Frauenzimmer anders thun? Da kam mir Winnetou zu Hilfe, welcher trotz seines ernsten Charakters doch zuweilen den Schalk im Nacken hatte; er sagte:

»Wer nicht freiwillig geht, wird weggeschwemmt!«

Er nahm das gro#223;e, th#246;nerne Wassergef#228;#223; vom Boden auf, welches so schwer war, da#223; er es kaum zu tragen vermochte, und n#228;herte sich damit dem Bette.

»Himmel! Er will das Wasser auf mich sch#252;tten!« rief Judith und sprang auf.

Winnetou hatte das Gef#228;#223; noch nicht wieder an seinen Ort gestellt, so hatte ich schon alles, was zu dem Bette geh#246;rte, auf die Seite gerissen. Da sahen wir denn, was wir erwartet hatten. Ein Loch f#252;hrte von hier in das Erdgescho#223; hinab; es war zugedeckt, und die Decke bestand aus Rundh#246;lzern, welche aus starken Aesten zugeschnitten und mit Riemen zusammengebunden waren.

»Nun, Sennora, meinen Sie nicht, da#223; die gesuchte Leiter gleich hier zum Vorscheine kommen wird?« fragte ich.

Sie antwortete nicht.

Wir hoben die Decke weg und leuchteten in das Loch hinab. Da lehnte die Leiter.

»Hier ist sie. Sie sehen also, Sennora, da#223; ich vorhin garwohl wu#223;te, wo die Spur zu suchen sei. Wollen Sie die G#252;te haben, uns voranzusteigen!«

»F#228;llt mir nicht ein! Gehen Sie nur immer allein!«

Ach mu#223; darauf bestehen, da#223; Sie mitgehen! Sie k#246;nnten, wenn wir Sie allein hier oben lie#223;en, uns irgend einen Streich spielen. Man wei#223; nicht, wie die Tiefe da unten beschaffen ist, und ob wir dann wieder heraufk#246;nnten.«

Ach gehe nicht mit!«

»Da zwingen Sie mich wirklich, Sie wieder beim Arme zu nehmen, denn hinunterschwemmen k#246;nnen wir Sie doch unm#246;glich.«

Ich streckte den Arm nach ihr aus; da schritt sie auf das Loch zu und sagte w#252;tend:

»R#252;hren Sie mich nicht wieder an! Mich schmerzt der Arm noch jetzt, den Sie mir am Tage so #252;bel zugerichtet haben. Sie sind ein entsetzlicher Mensch. Ich steige ja hinab!«

Und sie stieg hinab. Ich folgte ihr mit der Lampe, und Winnetou kam hinter mir. Als wir die letzte Sprosse hinter uns hatten, umfing uns eine feuchte, modrige Luft. Wir befanden uns in einem langen, schmalen Gange, und zwar am Ende desselben.

»Wohin f#252;hrt der Gang, Sennora?« erkundigte ich mich.

»Sehen Sie selbst nach!« antwortete sie kurz.

»Giebt es vielleicht rechts oder links Zimmer?«

»Suchen Sie!«

Die beiden W#228;nde des Ganges bestanden aus Lehm; es gab keine einzige Oeffnung in denselben. Als wir ihn halb durchschritten hatten, kamen wir an eine Stelle, wo der Boden nicht aus Erde, sondern aus starken, dicken H#246;lzern bestand, welche nebeneinander lagen, ungef#228;hr in der Weise, wie man Senk- oder andere Gruben zu bedecken pflegt. Ich kniete nieder und entfernte zwei oder drei von diesen H#246;lzern. Ein tiefer liegender Wasserspiegel schimmerte von da unten herauf. Ich nahm eins der H#246;lzer und hielt es in das Wasser hinab, um dasselbe zu sondieren. Es war nicht ganz zwei Ellen tief, und der #252;ber dem Wasser bis zum Fu#223;boden liegende Raum mochte eine Elle betragen.

»Uff!« sagte der Apatsche im Siouxdialekte. »Mein Bruder hat die Cisterne gesehen, welche sich drau#223;en vor dem Pueblo befindet, gerade in der Mitte desselben?«

»Ja.«

»Wir stehen gerade in der Mitte des Ganges, welcher die Breite des Pueblo einnimmt. Sollte das Wasser mit der Cisterne in Verbindung stehen?«

»Wahrscheinlich.«

»Dann kommt es aus dem Flusse, und wenn man in dies Loch steigt und in dem unterirdischen Wasser weitergeht, kann man in den Flujo blanco hinausgelangen.«

»So ist es; so ist es! Und der junge Melton ist uns auf diesem Wege entwischt.«

»Das w#228;re au#223;erordentlich zu beklagen. Wir m#252;ssen die Squaw zwingen, es uns zu sagen!«

»Ob sie sich zwingen l#228;#223;t!«

»Sie mu#223;, und wenn - horch! Hat mein Bruder nicht einen Seufzer geh#246;rt?« »Nein.«

»Es war da hinten im Gange. Wir wollen einstweilen weitergehen.«

Ich brachte die H#246;lzer wieder an ihre Stelle, und dann setzten wir unsere Nachforschung fort. Ja, jetzt h#246;rte auch ich einen Seufzer oder vielmehr ein r#246;chelndes St#246;hnen. Wir beschleunigten unsere Schritte und kamen an das Ende des Ganges, ohne darauf zu achten, da#223; die J#252;din zur#252;ckblieb. Ich mu#223;te an Vogel denken, den wir suchten; darum die Eile und darum auch die erw#228;hnte Achtlosigkeit. Und richtig, da lag er, mit Riemen gefesselt und an einen in den Boden getriebenen Pfahl gebunden. Man hatte ihm ein altes Tuch mehrfach #252;ber Mund und Nase befestigt, soda#223; er nicht schreien und rufen, sondern nur st#246;hnen und kaum atmen konnte. Der Knebel wurde nat#252;rlich zuerst entfernt. Da that er einen tiefen Atemzug und rief:

»Dem Himmel sei Dank! Ich sah Sie da hinten im Gange erscheinen und hatte Angst, da#223; Sie nicht ganz bis hierher kommen, sondern wieder umkehren w#252;rden. Bitte, machen Sie die Riemen los!«

Sie wurden durchschnitten; er konnte also aufstehen. indem er sich reckte und streckte, fragte ich ihn:

»Haben Sie viel Angst ausgestanden?«

»Nat#252;rlich!«

»Sie konnten sich doch sagen, da#223; wir kommen w#252;rden!«

»O, da#223; Sie in das Pueblo dringen w#252;rden, das traute ich Ihnen schon zu, aber da#223; Sie diesen Ort finden w#252;rden, das konnte ich kaum glauben. Ich habe um mein Leben gebangt!«

»So ist es, wenn man Pferde bewachen soll und dabei einschl#228;ft!«

»Ich konnte nicht daf#252;r. Ich war eigentlich gar nicht m#252;de, sondern nur die Langeweile war es, welche mich eingeschl#228;fert hat. Als ich pl#246;tzlich aufgeweckt wurde, war ich auch schon gefesselt. Ich wurde durch den Canon und die Felsenenge nach dem Pueblo geschafft und da verh#246;rt.«

»Von wem?«

»Von den beiden Meltons und der J#252;din. Sie haben das Weib bisher nur f#252;r leichtsinnig gehalten; sie ist aber schlecht, ebenso schlecht wie die Meltons, denn sie wei#223;, da#223; der Reichtum, den Jonathan besitzt, die Frucht des Betruges, des Verbrechens ist. Ich geriet in Wut, und die machte mich unvorsichtig.«

»Sie sagten, da#223; Sie der rechtm#228;#223;ige Erbe sind?«

»Ja. Sie k#246;nnen sich das Staunen und die darauffolgende Freude denken! Man sagte mir, da#223; ich sterben m#252;sse, und schaffte mich hierher.«

»Es war nicht so schlimm gemeint. Man wollte Ihnen Angst machen, um Sie m#252;rbe werden zu lassen. Es ist uns ja ein Angebot gemacht worden, welches ich abgeschlagen habe. Sp#228;ter mehr davon. Sagen Sie uns jetzt, ob man Sie nach unsern Absichten ausgefragt hat!«

»Nat#252;rlich hat man dies gethan! Die Meltons wollten wissen, welchen Plan Sie verfolgten, um zum Ziele zu gelangen; ich habe aber nichts gesagt.«

»Das war gut. Doch wollen wir nicht l#228;nger hier verweilen. Wir k#246;nnen oben besser miteinander reden. Kommen Sie. Wie ich sehe, ist die J#252;din schon voraus.«

Wir kehrten durch den Gang zur#252;ck. Als wir an das Ende gelangten und die Leiter emporsteigen wollten, war sie fort. Wir sahen einander an.

»Was sagt mein Bruder dazu?« fragte Winnetou, indem ein halb lustiges L#228;cheln um seine Lippen spielte. »Dummk#246;pfe sind wir gewesen!«

»Wir k#246;nnen nicht hinauf!« klagte Vogel. »Wir sind also gefangen!«

»Nein,« antwortete Winnetou. »Und wenn wir gefangen w#228;ren, dann aber nur f#252;r kurze Zeit. Wir m#252;ssen zun#228;chst sehen, ob wir oben den Deckel #246;ffnen k#246;nnen.«

»Wir k#246;nnen ja nicht hinauf; es ist keine Leiter da!«

»Es ist eine da,« antwortete ich. »Wir selbst sind die Leiter. K#246;nnen Sie ein wenig klettern? Sind Sie Turner?«

»Ja.«

»Stellen Sie sich auf Winnetous Schultern; ich kniee nieder, und Winnetou tritt auf die meinigen. Dann reichen Sie bis oben an die Decke und k#246;nnen versuchen, ob der Deckel sich heben l#228;#223;t.«

Die Probe wurde gemacht, doch ohne guten Erfolg. Judith war emporgestiegen, hatte die Leiter nachgezogen und den Deckel auf das Loch gelegt. Auf welche Weise sie ihn so fest oder schwer gemacht hatte, da#223; Vogel ihn nicht heben konnte, das wu#223;ten wir nicht.

»Was ist da zu thun?« fragte der letztere. »Ich bin kaum frei und schon wieder ein Gefangener.«

»Sir Emery wartet oben. Wenn wir nicht kommen, so holt er uns.«

»Aber wenn auch er #252;berlistet wird!«

»So haben wir den Weg durch das Wasser.«

»Welches Wasser?«

»Wissen Sie nicht, da#223; sich in der Mitte des Ganges Wasser unter dem Boden befindet?« »Nein.«

»Das Wasser scheint mit dem Flusse drau#223;en in Verbindung zustehen. Wir vermuten sogar, da#223; Jonathan Melton uns vorhin auf diesem Wege entkommen ist.«

»Was? Wie? Wann d#252;rfte das wohl gewesen sein?«

»Vor wenig #252;ber einer Stunde.«

»Ah, um die Zeit ungef#228;hr sah ich hier ein Licht herabkommen und h#246;rte leise sprechen. Verstehen konnte ich die Worte nicht; ebensowenig vermochte ich die Personen zu erkennen; es schienen mir zwei zu sein. Sie kamen bis in die Mitte des Ganges, wo das Licht eine Zeit lang stehen blieb, bis es sich wieder entfernte.« »Das ist die J#252;din mit Jonathan Melton gewesen; er ist uns entkommen! So fatal das ist, so bildet es doch auch ein Gl#252;ck f#252;r uns, weil wir nun einen Ausweg wissen. Wir werden gar nicht warten, bis Sir Emery uns vermi#223;t, sondern den Wasserweg sofort antreten. Jetzt haben wir noch Oel genug hier in der Lampe, denselben zu erleuchten; sp#228;ter m#252;#223;ten wir ihn im Finstern zur#252;cklegen, was weit schwieriger ist, da wir ihn nicht kennen. Stimmt mir mein Bruder Winnetou bei?«

Der Apatsche war ganz meiner Meinung, und der Violinvirtuos hatte uns gegen#252;ber keinen Willen. Winnetou und ich machten uns nicht das mindeste daraus, wenn wir ein wenig na#223; wurden, und Vogel mu#223;te sich notgedrungen in das kleine Uebel ergeben. Wir gingen also in die Mitte des Ganges zur#252;ck und nahmen die H#246;lzer weg. Nachdem wir uns das Schuhwerk ausgezogen und die Revolver und sonstigen Sachen, welche nicht feucht werden durften, verwahrt hatten, stiegen wir in das Wasser, welches mir nicht einmal bis an die Brust reichte.

Ich mu#223;te dabei lebhaft an einige fr#252;here Ereignisse denken, welche dem jetzigen zwar #228;hnlich, aber viel gef#228;hrlicher gewesen waren. Um ein geraubtes M#228;dchen aus dem Harem zu retten, war ich einst in Aegypten in einen Kanal gedrungen, welcher aus dem Nile unterirdisch in den Hof des betreffenden Hauses f#252;hrte. Der

Kanal war nur durch Zertr#252;mmerung eines starken Holzgitters und nach Lossprengung eines sehr festen Blechsiebes zu passieren gewesen, und w#228;hrend der Arbeit hatte ich mich, auch mit dem Kopfe, ganz unter Wasser befunden. Ich war auf eine halbe Sekunde dem Tode des Erstickens, des Ertrinkens nahe gewesen. Ein ganz #228;hnliches Ereignis hatte ich im Norden der Vereinigten Staaten erlebt, wobei der Ort von allen Seiten von feindlichen Indianern umgeben gewesen war, Wie ungef#228;hrlich war dagegen unsere heutige Lage!

Ich ging mit der Lampe voran. Wir mu#223;ten uns b#252;cken, um nicht oben anzusto#223;en. Vor wieviel hundert Jahren war der Kanal wohl gebaut worden! Er bestand aus einer Art von Ziegeln, welche sich sehr gut erhalten hatten. Die Luft war schlecht, doch nicht so sehr, da#223; wir bel#228;stigt worden w#228;ren. Wenn mich meine Berechnung nicht trog, ging der Kanal durch die Felsenenge hinaus nach dem Flusse. Wir mu#223;ten also unter dem Wege hinaus, auf dem Emery vorhin in den Thalkessel und nach dem Pueblo gekommen war.

Der Weg war keineswegs kurz. Endlich bemerkten wir, da#223; die Luft mit jedem Schritte besser wurde, und dann fiel der Schein unserer Lampe auf dichte Zweige, welche vor mir niederhingen. Ich l#246;schte das Licht aus, schob die Zweige auseinander, ging noch zwei Schritte vorw#228;rts und stand -im Flusse, dessen Wasser gerade so tief wie dasjenige im Kanale war. Die Zweige geh#246;rten einem Schlinggew#228;chse an, welches die M#252;ndung des Kanales vollst#228;ndig verdeckte und verbarg.

Winnetou und Vogel traten hinter mir auch ins Freie; dann erstiegen wir das Ufer und befanden uns im Canon des Flujo blanco neben der Felsenenge.

»Hier ist Melton auch herausgekommen,« sagte Winne- Winnetou leise. »Meint mein Bruder, da#223; er sich vielleicht noch in der N#228;he befindet?«

»Nein. Er ist jedenfalls fort. Er hat sich wohl keinen Augenblick aufgehalten.«

»Unser Bruder Emery mu#223; nicht aufgepa#223;t haben, sonst h#228;tte er ihn sehen oder h#246;ren m#252;ssen!«

»Ich glaube vielmehr, als Melton hier aus dem Kanale kam, ist Emery schon bei uns drin auf dem Pueblo gewesen.«

Das Feuer, welches bei dem Englishman hier gebrannt hatte, war ausgegangen. Wir schritten #252;ber die Asche desselben in die Felsenenge hinein. Am jenseitigen Ende derselben brannte das Feuer der

Yumaindianer, #252;ber welches Emery hinweggesprungen war. Es blieb uns nichts #252;brig als denselben Sprung zu thun. Ich voltigierte als der vorderste #252;ber die Flammen hinweg und ri#223; zwei oder drei von den Yumas, welche jenseits sa#223;en, #252;ber den Haufen. Die Roten sprangen erschrocken auf und starrten mich an. Da kam auch Winnetou geflogen. Das war ihnen dann doch zu r#228;tselhaft! Sie wu#223;ten uns droben im Pueblo, und jetzt kamen wir wie von einer Sehne geschnellt, #252;ber das Feuer herein in den Thalkessel geflogen. Sie rissen die Augen und die M#228;uler auf und brachten vor Erstaunen nicht einmal einen Ausruf hervor.

Jetzt kam auch Vogel gesprungen. Das war f#252;r sie noch wunderbarer. Das junge Bleichgesicht steckte ja als Gefangener hinter den starken Mauern des Terrassenbaues, und jetzt war er nicht nur frei, sondern er kam aus dem Freien herein zu ihnen!

»Uff, uff, uff!« erklang es endlich doch rundum, und derjenige, mit welchem wir die Friedenspfeife geraucht hatten, f#252;gte hinzu:

»Thut der gro#223;e Winnetou heute ein Wunder? Oder besitzen unsere Br#252;der zwei Leiber, da#223; sie dort im Pueblo und auch jetzt hier bei uns sein k#246;nnen?«

»Das mag sich unser roter Bruder einmal #252;berlegen,« antwortete ich. »Wenn er keine Erkl#228;rung des Wunders findet, wird sie ihm vielleicht einmal im Traume kommen.«

Wir gingen zu der Leiter, welche am Erdgeschosse des Pueblo lag, und stiegen diese und auch die n#228;chste empor. Es l#228;#223;t sich denken, mit welchem Erstaunen uns Emery kommen sah! Er stand oben am Eingange zu der Wohnung der J#252;din Wache. Er erwartete uns nat#252;rlich aus diesem Loche zur#252;ck, und nun kamen wir aus dem Thale herauf! Er kam uns bis an die Leiter entgegen und rief mit lauter, verwunderter Stimme:

»Ihr hier! Und Master Vogel auch, von dem ich denke, da#223; er-«

»Still!« unterbrach ich ihn. »Schrei nicht so! Die J#252;din soll nichts h#246;ren. Hast du sie gesehen, seit wir von dir fort sind?«

»Ja, unten in ihrer Wohnung. Ich blickte zuweilen hinunter und habe sie da hin und her gehen sehen.« »Ist dir nichts dabei aufgefallen?«

»Nein. Sie hat die Lampe wieder angesteckt, welche du vorhin ausgel#246;scht hast.« »Und ist dir denn unser Ausbleiben nicht als zu lang vorgekommen?«

»Ein wenig wohl; aber ihr konntet ja zu thun haben. Was ist denn geschehen? Es mu#223; einen heimlichen Weg aus dem Thale geben, den ihr entdeckt habt!«

»So ist es. Die sch#246;ne Judith hatte es b#246;s mit uns vor; sie glaubt uns in der Falle, und es sollte mich wundern, wenn sie nicht versuchte, nun auch dich zu #252;berlisten.«

Ich erz#228;hlte ihm, was wir erlebt hatten, und f#252;gte dann hinzu:

»Wir werden uns nicht sehen lassen. Ich bin #252;berzeugt, sie hat etwas gegen dich vor und wird bald heraufkommen, um es auszuf#252;hren. Bin neugierig, wie sie es anfangen wird, auch dich in ihre Gewalt zu bringen.«

Hierauf ging ich mit Winnetou und Vogel nach der Stelle, an welcher die Gewehre der Yumas lagen. Wir stellten sie zu Pyramiden zusammen und setzten uns dahinter, soda#223; wir von dem Loche aus nicht gesehen

werden konnten.

Wie gedacht, so geschehen. Nach einiger Zeit kam Judith die Leiter heraufgestiegen und sah sich nach Emery um. Er stand in einiger Entfernung von ihr.

»Sennor!« rief sie. »Der Anf#252;hrer der Yumas soll mit noch drei Indianern herauf und in meine Wohnung kommen.«

»Wer hat das befohlen?«

»Sennor Shatterhand. Er ist unten bei Sennor Melton.«

»Warum schickt Old Shatterhand Sie? Er konnte es mir doch selbst sagen!«

»Er hat keine Zeit. Die Sennores haben sehr wichtige Dinge zu besprechen. Sie reden, glaube ich, von der Erbschaft.«

»Was sollen die Roten dabei?«

»Ich wei#223; es nicht. Shatterhand l#228;#223;t sagen, Sie sollen sich beeilen!« »Gut! Sagen Sie ihm, da#223; die Roten bald kommen werden!« Sie stieg wieder hinab. Emery kam zu uns und fragte: »Was mag sie im Schilde f#252;hren?«

»Das ist doch sehr leicht zu erraten. Sie glaubt, uns fest zu haben, und will sich nun auch deiner bem#228;chtigen. Sie l#228;#223;t also die Roten kommen, um sie zu #252;berreden, dich festzunehmen.«

»Aber welchen Zweck verfolgt sie dabei? Was kann es ihr denn n#252;tzen, wenn sie uns fest hat?«

»Viel, sehr viel! Sie sendet ihrem Jonathan einen Boten nach, der ihn zur#252;ckbringen soll. Stecken wir dann fest, so ist sein Spiel gewonnen.«

»So m#252;#223;te sie doch wissen, wohin er ist!«

»Nat#252;rlich wei#223; sie das.«

»Ah, wenn wir es erfahren k#246;nnten!«

»Wir erfahren es durch List.«

»Wie?«

»Indem ich mich f#252;r Melton senior ausgebe.«

»Sie kennt dich ja! Sie wird dich doch nicht etwa mit ihm verwechseln!«

»Sie wird mich f#252;r ihn halten. Sie wei#223; noch nicht, da#223; er gefangen ist; sie wird ihn unter allen Umst#228;nden benachrichtigen wollen, wohin sein Sohn ist. Bei dieser Gelegenheit erfahre ich es.«

»Und doch begreife ich nicht, wie du das anfangen willst!«

»Komm mit herunter zu ihr! Bin neugierig, was sie f#252;r ein Gesicht machen wird, wenn sie mich sieht. Sag zun#228;chst zu ihr, da#223; du mich sprechen willst!«

Wir stiegen die Leiter hinab und horchten. Sie schien in dem Zimmer zu sein, in dem die Kleider hingen. Emery ging voran, und ich folgte ihm bis zum letzten Vorhange. Er schob denselben auseinander und trat zu ihr ein.

»Sie sind es, Sennor?« h#246;rte ich sie sagen. »Ich erwartete die Indianer. Wann kommen sie?«

»Ich habe ihnen noch nichts gesagt.«

»Warum nicht? Sennor Shatterhand hat es sehr eilig.«

Ach m#246;chte vorher mit ihm sprechen. Wo befindet er sich?«

»Dr#252;ben auf der andern Seite. Aber warum thun Sie nicht sofort, was er haben will? Warum wollen Sie erst mit ihm reden?«

»Weil mir die Sache verd#228;chtig vorkommt. Wozu braucht er Indianer? Er hat ja mich und Winnetou, der sich bei ihm befindet!«

»Ja, ich wei#223; es nicht.«

»Aber ich will es wissen! F#252;hren Sie mich zu ihm!« »Das darf ich nicht. Er hat jede St#246;rung verboten.«

»St#246;rung? Pshaw! Ich, sein Freund, st#246;re ihn nie; die Indianer aber w#252;rden ihn st#246;ren! Also, wo ist er?«

»Dr#252;ben auf der andern Seite, wie ich schon sagte.«

»Und Sie wollen mich nicht zu ihm hin#252;berbringen?«

»Nein, denn es ist mir verboten worden.«

»So gehe ich allein!«

»Sie werden ihn nicht finden!«

»Sofort finde ich ihn, sofort. Soll ich es Ihnen beweisen?« »Ja,«

»Gut, Sennora! Hier haben Sie ihn!«

Er schob den Vorhang auseinander, nahm meine Hand und zog mich hinein. Als sie mich erblickte, stand sie vor Schreck sprachlos.

»Sie sehen, Sennora,« sagte ich, »ich werde nicht nur schnell gefunden, sondern ich finde mich auch selbst schnell zurecht. Kaum unter uns in der Unterwelt eingesperrt, sehen Sie mich wieder hier oben, ohne da#223; Sie die G#252;te gehabt haben, mir die Leiter hinabzulassen. Sie freuen sich doch jedenfalls dar#252;ber, mich so wohl wiederzusehen?«

»Ja, ja, ich freue mich; ganz, ganz au#223;erordentlich freue ich mich!« rief sie aus, indem sie die F#228;uste ballte und die Z#228;hne zusammenbi#223;.

»So will ich Ihre Freude durch die Mitteilung verdoppeln, da#223; auch Winnetou und Sennor Vogel sich an der Oberwelt befinden. Der unterirdische Kanal hat nicht nur Ihren Verlobten, sondern auch uns an die Freiheit gef#252;hrt.«

Da fuhr sie mich wie eine Katze an:

»Sie haben tausendmal mehr Gl#252;ck, als Sie Verstand besitzen! Aber freuen Sie sich nur nicht zu sehr! Den sch#246;nsten, den gelungensten Streich habe doch ich Ihnen gespielt!«

»Welchen denn?«

»Eben den, da#223; ich Melton fortgeholfen habe. Er ahnte von dem Kanale nichts. Kein Mensch wu#223;te, da#223; man durch das Wasser aus dem Pueblo gelangen kann; ich wu#223;te es allein. Mein Mann, der H#228;uptling, hat mir das Geheimnis f#252;r etwaige Notf#228;lle mitgeteilt.«

»Und ein solcher Notfall war heute eingetreten!«

»Ja. Ich zeigte ihm erst heute den Rettungsweg, und kaum eine halbe Stunde sp#228;ter h#246;rten wir Ihre Namen rufen. Sie waren da. Jonathan aber beeilte sich, Ihnen zu entkommen, und er - er ist Ihnen auch entkommen!«

»Mag er! An seiner Person liegt mir gar nichts. Das Geld hat er doch dagelassen.«

»Meinen Sie? Meinen Sie das wirklich? Wie klug Sie sind! Und f#252;r wie dumm sie ihn halten! Sie denken, hier nur zuzugreifen zu brauchen! Aber da irren Sie sich gewaltig. Er hat das Geld mitgenommen.«

»Nur einen Teil desselben!«

»Nein, das ganze, das ganze! Es war eine ganze Ledertasche voller Staats- und Wertpapiere!« »Alle Wetter! Das ist freilich Pech! Und sein Alter ist auch fort!« Ich sagte das in m#246;glichst zornigem Tone.

»Auch?« fragte sie, indem ihre Augen vor Vergn#252;gen funkelten. »Woher wissen Sie das?«

»Sein Nest ist leer.«

»Haben Sie denn sein Nest gekannt?«

»Es liegt eine Etage #252;ber Ihnen. Wir sind nicht durch die Felsenenge gekommen, sondern an mehreren zusammengekn#252;pften Lassos in das Thal heruntergeklettert, und gerade als man uns bemerkte und um Hilfe rief, ist der alte Melton unten am Feuer bei den W#228;chtern gewesen und zur Felsenenge hinaus entwischt.« »Herrlich, herrlich!« jubelte sie. »Gleich darauf ist sein Sohn durch den Kanal geflohen, und sie haben sich jedenfalls getroffen und sind miteinander fort.«

»Wohin?«

»Wohin? Ja, ja, das fragen Sie! Das m#246;chten Sie wohl gar zu gern wissen?«

»Nat#252;rlich. Ich bin in diesem Falle ebenso -neugierig wie Sie. Sie m#246;chten doch wohl auch gern wissen, wohin Ihr Geliebter Ihnen entwischt ist?«

»Mir entwischt, mir, hahaha!« lachte sie.

»Lachen Sie nur! Sie t#228;uschen mich doch nicht. Er ist auch Ihnen entwischt. Sie werden ihn und sein Geld niemals wiedersehen.«

»Niemals? Sennor, ich sage ihnen, da#223; ich ihn wiedersehen werde, sobald ich nur will!« »Unsinn! Sie wissen nicht, wohin er sich gewendet hat.«

»Ich wei#223; nicht nur das, sondern ich wei#223; sogar auch, wo er auf mich warten wird.« »Und Sie wissen das allein? Ich wei#223; es auch!«

»Sie? Ich glaube, Sie phantasieren! Den Ort kennen nur zwei, n#228;mlich er und ich.«

»Drei! Rechnen Sie mich auch dazu. Ehe ich das Pueblo verlasse, werde ich Ihnen den Namen sagen.«

»Nichts werden Sie, gar nichts! Ich h#246;re wohl, was Sie wollen. Sie wollen es machen, wie die Kinder, wenn sie gern etwas erfahren wollen, und Sie meinen, ich sei so dumm, mich von Ihnen soweit bringen zu lassen, da#223; ich im Aerger herausplatze. Da verrechnen Sie sich aber ungeheuer! Es ist heute #252;berhaupt ein Tag des falschen Rechnens f#252;r Sie. Jonathan ist Ihnen mit seinem Gelde entkommen, und sein Vater ist auch fort mit dem Gelde, welches er bei sich hatte. Ja, wenn Sie wenigstens den erwischt h#228;tten! Dem brauchten Sie nur die Stiefel auszuziehen. Er hat seinen Anteil zwischen den Doppelsch#228;ften stecken.«

»Donnerwetter!« stie#223; ich, der ich niemals fluche, jetzt absichtlich hervor. »Zwischen den Doppelsch#228;ften! Und den konnte ich schon mehreremale erwischen! Das ist doch ein Pech, ein riesenhaftes Pech!«

»Ja, das ist freilich Pech, und Sie glauben gar nicht, wie sehr ich mich dar#252;ber freue! Ich hasse Sie mit jeder Ader, in jeder Fingerspitze; darum freut es mich unendlich, da#223; Sie wie der Fuchs vor dem leeren H#252;hnerstalle stehen. Und das Beste dabei ist, da#223; Sie die Meltons niemals wiedersehen werden.«

»Oho! Ich hefte mich an ihre Fersen, bis ich sie habe!«

»Nie, nie wird das geschehen; daf#252;r ist gesorgt! Der H#252;hnerstall ist leer, f#252;r immer leer, Sennor!« »O nein, Sie befinden sich ja noch darin!«

»Ich? Was haben Sie an mir! Ich bin arm; ich besitze fast gar nichts mehr. Dazu kommt, da#223; Sie #252;berhaupt die Hand von mir lassen m#252;ssen.«

»Ich mu#223; nicht, sondern es kommt nur auf meinen Willen an.«

»Auf Ihren Willen! In Beziehung auf mich haben Sie gar keinen Willen und gar keine Macht. Was habe ich denn gethan, was Ihnen das Recht giebt, sich an mir zu vergreifen? Haben Sie #252;berhaupt das Recht jemals besessen, jemand Gewalt anzuthun? Ich glaube vielmehr, Sie haben sich stets nur mit fremden Angelegenheiten besch#228;ftigt und in fremden Gew#228;ssern gefischt. Hoffentlich haben Sie da f#252;r sich soviel zusammengeangelt, da#223; Sie nun endlich einmal aufh#246;ren k#246;nnen! Das nennen Sie aber wohl, sich ihrer hilfsbed#252;rftigen Mitmenschen annehmen, Sie Unikum von einem Menschenfreunde Sie?«

»Ja, ich habe schon viel geangelt und werde auch noch mehr angeln. Zun#228;chst werden Sie an meinem Haken h#228;ngen bleiben. Ich werde mich Ihrer Person versichern.«

»Aus welchem Grunde, mit welchem Rechte?«

»Nur mit dem Rechte des St#228;rkern. Ich k#246;nnte sagen, Sie sind Mitschuldige der beiden Meltons. Aber das hat mir nicht ein. Ich halte Sie fest und lasse Sie bewachen, bis ich hier fertig bin. Dann k#246;nnen sie meinetwegen laufen, wohin Sie wollen, sogar hinter Ihrem Jonathan her. Neugierig bin ich jetzt nur, wie Sie in Ihrer K#252;che das Loch so fest verbarrikadiert haben, da#223; wir nicht heraus konnten.«

Ich nahm die Lampe und leuchtete in die K#252;che.

Das Bett lag wieder auf dem Loche, und auf dem Bette stand die Leiter, so fest gegen die Decke gestemmt, da#223; wir den Deckel allerdings unm#246;glich h#228;tten heben k#246;nnen.

»Das haben Sie gut gemacht!« sagte ich. »Wenn der Kanal nicht gewesen w#228;re, h#228;tten wir bis zum j#252;ngsten Tage da unten stecken k#246;nnen. Wir werden Sie von jetzt an streng bewachen, damit Sie, solange wir hier bleiben, nicht wieder auf solche Anschl#228;ge kommen k#246;nnen. Emery, du bleibst jetzt hier, bis du abgel#246;st werden wirst, und beh#228;ltst diese sch#246;ne Sennora gut im Auge.«

Er blickte mich einigerma#223;en verwundert an; ich gab ihm aber einen von ihr unbemerkten Wink, welcher ihm sagte, da#223; ich eine ganz bestimmte Absicht verfolgte. Sie rief mir, als ich ging, nach:

»Ich danke Ihnen, Sennor, da#223; Sie mir den Herrn hier lassen. Bef#228;nden Sie sich an seiner Stelle, verm#246;chte ich es nicht auszuhalten. Erf#252;llen Sie nun aber auch das Versprechen, das Sie mir gegeben haben!«

»Welches?« fragte ich mit Absicht, indem ich stehen blieb.

»Sie wollten mir sagen, wohin Jonathan entwichen ist, und wo ich mit ihm zusammentreffen werde.« »Gut, ich halte Wort!«

Ich stieg hinauf auf die Plattform und bat Winnetou, nun endlich mit zu dem alten Melton zu gehen. Wir mu#223;ten also eine Terrasse h#246;her, nahmen die Leiter, mit deren Hilfe wir hinauf gelangten, mit an das Loch, stellten sie hinein und stiegen hinab. Ich wu#223;te, wohin ich die Lampe gestellt hatte, und steckte sie an. Noch ehe aber der Docht Licht fa#223;te, h#246;rten wir, da#223; Melton voller Leben war. Der Tisch bewegte sich, an den wir ihn gebunden hatten.

Als wir Licht hatten, gaben wir ihm zun#228;chst den Mund frei. Er stie#223; einen w#252;sten Fluch aus und rief. »Also habe ich doch richtig geh#246;rt! Old Shatterhand und Winnetou, diese Namen wurden gerufen!«

»Ja, Ihr habt Euch nicht get#228;uscht, Master Melton« antwortete ich. »Wir sind ja nur aus dem Grunde, euch dies zu beweisen, hierher gekommen.«

»W#228;ret Ihr doch beim Teufel geblieben!«

»H#228;tten wir das gethan, so s#228;#223;en wir da drau#223;en im Steinger#246;ll bei Euerm Bruder, den Ihr ermordet habt. Er war ein Teufel, ein Satan im wahrsten Sinne des Wortes. Ihr habt ihm seinen Lohn gegeben und werdet auch den Eurigen erhalten.«

»Haltet Euer L#228;stermaul! In solcher Lage kann vom Morde keine Rede sein. Wenn es auf Tod und Leben geht, ist ein jeder sich selbst der N#228;chste.«

»Und da schl#228;gt und sticht man seinen eigenen Bruder nieder? Wi#223;t Ihr, wie er Euch genannt hat?« »Wie?«

»Judas Ischariot. Und diesen Namen hat Euch auch Kr#252;ger-Bei und haben Euch noch andere gegeben. Eure Seligkeit scheint zu sein, Eure Wohlth#228;ter zu verraten und mit Undank zu belohnen. Wo steckt das Geld, welches Ihr Eurem Bruder abgenommen habt?«

»Ich habe keines.«

»Ihr habt es ihm genommen! Wir sahen es, und er sagte es dann auch.« »Hat er denn noch gesprochen?«

»Ja. Sein letztes Wort war ein Fluch f#252;r Euch. Also, wo habt Ihr das Geld?« »Das geht Euch nichts an!«

»Es geht uns sogar viel an, denn es geh#246;rt dem rechtm#228;#223;igen Erben des alten Hunter.« »Bringt mir doch diesen Erben!« »Das k#246;nnte man wohl thun!«

»Ja, man k#246;nnte, aber man kann doch nicht,« lachte er schadenfroh.

»Man kann! Master Vogel ist frei! Wir haben ihn aus dem Gange, an dessen Ende er an den Pfahl gebunden war, geholt.«

»Was? Habt Ihr! Wirklich?« rief er aus, indem er an den Fesseln zerrte. »Wer hat Euch den Ort verraten?«

»Niemand. Haben ihn selbst gefunden.«

»Das ist nicht wahr. Jemand mu#223; es Euch gesagt haben!«

»Wir brauchen keinen Verr#228;ter Eures Gelichters. Unsere Gedanken reichen allein f#252;r so etwas aus.« »Ihr habt doch nur durch Judiths Wohnung hinunter gekonnt! Wie steht es mit der J#252;din?« »Sehr wohl.«

»Und mit Jonathan, meinem Sohne?« »Auch so gut. Die beiden haben sich so unendlich lieb, da#223; man sie n#228;chstens am Galgen trauen wird.«

»Wie? Ist Jonathan etwa gefangen?«

»Verlangt Ihr, da#223; er es besser haben soll, als Ihr?«

»Gefangen, gefangen!« st#246;hnte er. Und dann fuhr er knirschend fort:

»Ihr waret aber doch nur vier Personen!«

»Sogar nur drei, denn einen hattet Ihr gefangen.«

»Die H#246;lle hat Euch geholfen! Aber das Geld werdet Ihr doch nicht bekommen! Es ist so gut versteckt, da#223; Ihr es selbst mit dem Teufel nicht zu finden verm#246;chtet.«

»Wir werden es schon noch bekommen!«

»Nie, nie! Au#223;er Ihr seid klug und m#228;#223;igt Euch in Euren Absichten und Forderungen. Nehmt das an, was wir Euch durch Judith anbieten lie#223;en, sonst bekommt Ihr gar nichts! Mein Sohn hat das Geld so gut verborgen, da#223; Ihr es unm#246;glich finden k#246;nnt. Und niemand wei#223; den Ort, als nur er.«

»Und Ihr!«

»Ja, ich!«

»Und Judith!«

»Ich glaube nicht, da#223; er ihr es gesagt hat. So etwas ist nichts f#252;r Weiber.« »O, die Liebe ist mitteilsam!«

»Das ist Nebensache. Die Hauptsache ist, da#223; Ihr nichts finden werdet. Was habt Ihr davon, wenn Ihr uns fangt und der Polizei ausliefert und doch nichts bekommt.«

»Das w#228;re freilich nicht sehr tr#246;stlich.«

»Also! Habt Verstand! La#223;t uns los, und nehmt Geld an! Ihr habt die Wahl. Entweder habt Ihr uns, aber kein Geld, oder Ihr gebt uns frei und bekommt Geld.«

»Wieviel?«

»Ich biete Euch das Doppelte von dem, was wir Euch durch Judith bieten lie#223;en.«

»Dann bekommt der Erbe nur einen Pappenstiel, und Ihr habt immer noch Millionen und die Freiheit dazu. Das ist denn doch ein schlechter Handel. Und meint Ihr etwa, da#223; ich Euch der Polizei #252;bergebe? Ich werde mich h#252;ten, Euch so lange und so weit mit mir herumzuschleppen!«

»Was wollt Ihr denn thun?«

»Euch einfach eine Kugel geben.« »Sir, das w#228;re Mord!«

»Nein, sondern nur gerechte Strafe. Ihr habt noch mehr verdient. Denkt an Eure Thaten! In Fort Uintah habt Ihr einen Offizier und zwei Soldaten ermordet, in Fort Edward den Schlie#223;er, dr#252;ben in Tunis den echten Small Hunter. Wie oft habt Ihr dann mir nach dem Leben getrachtet! Ich habe das volle Recht, Euch den Garaus zu machen. Und Euer Sohn hat nichts Besseres verdient. Dabei habe ich den Brudermord noch ganz vergessen. Ihr seid ein Scheusal, und der Mensch, der Euch vernichtet wie ein wildes Tier, verdient einen Gotteslohn.«

»Was hilft Euch der Lohn, wenn er nicht in Geld besteht!«

»Es giebt noch andere, bessere Reicht#252;mer als Geld; nur habt Ihr keine Ahnung davon. Ihr seid mir so oft zum Schaden anderer Menschen entkommen; jetzt habe ich Euch fest, und Ihr werdet die Freiheit nicht wieder sehen. Wir werden #252;ber Euch beraten. Sehr wahrscheinlich wird mit dem kommenden Morgen Euer letzter Tag anbrechen.«

»Das werdet Ihr unterbleiben lassen, denn Ihr seid nicht meine Richter!«

»Wir sind es. Wir befinden uns im wilden Westen und handeln nach den Gesetzen desselben. Selbst wenn wir fr#252;heres gar nicht erw#228;hnen wollen, so habt Ihr uns in letzter Nacht #252;berfallen und uns dann am Tage einen Hinterhalt gestellt. Das ging uns ans Leben. Leben gegen Leben, so hei#223;t das Gesetz der Prairie!«

»Nehmt doch Verstand an, Sir! Wir wollen teilen.«

»Nein. Wir wollen alles!«

»Das bekommt ihr nicht. Ich habe mein letzte Gebot gethan. Ihr bekommt entweder die H#228;lfte oder nichts!«

»Wir bekommen mehr!«

»Nichts bekommt Ihr, gar nichts!« schrie er w#252;tend. »Ermordet uns; t#246;tet uns; es ist mir nun egal! Ich werde mit dem frohen Gedanken sterben, da#223; Ihr dann arme Teufel seid und bleibt, denn das Geld werdet Ihr niemals, niemals, niemals finden.«

Das dreifache Niemals br#252;llte er f#246;rmlich heraus. Ich antwortete um so ruhiger:

»Ereifert Euch nicht! In Beziehung auf das Geld irrt Ihr Euch. Ich wei#223;, was ich wei#223;. Die Ledertasche, in welcher Euer Sohn das seinige stecken hat, kenne ich.«

»Leder - -?« fragte er atemlos. »Habt Ihr sie gesehen?«

Er sah mich dabei an, als ob sein Leben von meiner Antwort abh#228;ngig sei.

»Gesehen! Pshaw! Was n#252;tzte es mir, wenn ich sie nur gesehen h#228;tte!«

»Sir, Master, Mensch, Ihr habt sie vielleicht schon?!«

»Hm! Das ist die Tasche Eures Sohnes; die geht Euch nichts an. Aber Ihr habt auch Geld, Euren Anteil und den Eures Bruders, den Ihr ihm abgenommen habt.«

»Ja, das habe ich, das habe ich!« br#252;llte er au#223;er sich. »Aber das werdet Ihr nicht bekommen. Wenn Euch der Teufel Jonathans Geld in die Hand gespielt hat, so sagt eben dem Teufel Euren Dank daf#252;r; mein Geld aber, meins, das meinige, davon werdet Ihr Eure H#228;nde lassen!«

»O, ich brauch sie nur darnach auszustrecken!«

Ich legte bei dem Worte meine beiden Zeigefinger auf seine F#252;#223;e. Er zuckte zusammen und fragte, indem ihm die Augen aus den H#246;hlen treten zu wollen schienen:

»Hierher? Meint Ihr, da#223; ich so dumm gewesen bin, es in die Str#252;mpfe zu verstecken und mir dadurch eine Schar von H#252;hneraugen zu holen?«

»In die Str#252;mpfe nicht, aber in die Stiefel.«

Er schluckte und brachte dann m#252;hsam hervor:

»In die Stiefel? Zieht sie mir doch einmal aus, und schaut hinein! Ihr k#246;nnt sie solange aussch#252;tten und aussch#252;tteln, wie Euch beliebt; es f#228;llt kein elender Cent heraus!«

»Das hat seinen guten Grund, weil das Geld nicht in den Stiefeln, sondern zwischen den Doppelsch#228;ften steckt.«

Da fiel sein Kopf weiter nach hinten; er schlo#223; die Augen und wiederholte mit ersterbender Stimme: »Zwischen - den - - Doppel - - sch#228;ften - -!«

Dann aber b#228;umte er sich unter seinen Fesseln zwischen den Tischbeinen empor und br#252;llte, indem sein Gesicht sich blaurot f#228;rbte:

»Wage es, meine F#252;#223;e anzur#252;hren, elender Hund, wage es! Ich zersprenge meine Banden und rei#223;e euch, dich und deinen roten Halunken von Winnetou in tausend St#252;cke!«

»Elender Wurm! Deine Drohung ist verr#252;ckt! Wir werden dir das Geld noch lassen, nat#252;rlich nur so lange, wie es uns beliebt. Jetzt binden wir dich los; du wirst mit uns gehen.«

»Wohin?« fragte er bedeutend ruhiger, da wir ihm die Stiefel nicht auszogen.

»Das wirst du sehen. Aber sei gehorsam, und verhalte dich ruhig, sonst hast du auch nicht die allergeringste Schonung von uns zu erwarten!«

Wir banden ihn vom Tische los und gaben ihm die F#252;#223;e frei. Er mu#223;te mit aus dem Loche klettern dann auf die n#228;chste Terrasse hinunter und in die Wohnung der J#252;din steigen. Dort banden wir ihm die Beine und F#252;#223;e wieder fest zusammen und legten ihn in den Raum, welcher an denjenigen stie#223;, der unter dem Loche lag. Es war finster in demselben. Judith befand Sich, von Emery bewacht, drei R#228;ume davon entfernt.

Ich ging zu ihr. Sie sa#223; auf einem Stuhle, drehte Emery den R#252;cken zu und that, als ob sie mein Kommen gar nicht bemerke.

»Soll ich dich bald abl#246;sen lassen?« fragte ich den Englishman, indem ich die Augen schlo#223;, den Kopf auf die Seite neigte und die Hand an denselben legte.

Das war die Pantomime des Schlafens. Emery verstand mich sofort und antwortete: »Ich bin freilich m#252;de; ich mu#223; ein wenig schlafen.«

»Ja, wer soll dich abl#246;sen? Ich habe zu thun; Winnetou ist ebenso besch#228;ftigt, und Vogel m#246;chte ich einen so wichtigen Posten nicht anvertrauen.«

»Wichtig? Er wird doch wohl auf ein Frauenzimmer aufpassen k#246;nnen!«

»Das k#246;nnte er; aber ich habe noch einen andern Gefangenen gebracht, den #228;lteren Melton.«

Da fuhr Judith mit einem schnellen Rucke herum und sagte:

»Ich denke, der ist Ihnen entkommen? Sie sagten es doch vorhin!«

»Er ist uns doch noch in die H#228;nde gefallen.«

»Sie sind ein Teufel, wirklich ein Teufel! Was werden Sie mit ihm thun?«

»Zun#228;chst nehmen wir ihm die Stiefel, um einmal in die Doppelsch#228;fte zu blicken. Sie sehen, Sennora, da#223;

Ihre Freude vorhin eine sehr verfr#252;hte und Ihr Hohn ein sehr schlecht angebrachter war!«

»H#228;tte ich doch geschwiegen! H#228;tte ich doch nichts gesagt! Nun ist das viele Geld verloren, und ich habe sogar geplaudert, ohne dazu veranla#223;t oder aufgefordert worden zu sein!«

»Sie irren sich. Sie sind von mir veranla#223;t worden.«

»Ich w#252;#223;te nicht!«

»O doch! Ich will aufrichtig sein und Ihnen sagen, da#223; der alte Melton sogleich, als wir kamen, in unsere H#228;nde fiel, noch ehe Sie wu#223;ten, da#223; wir hier waren. Wir #252;berrumpelten ihn in seiner Wohnung und fesselten ihn. Geld hatte er; das war sicher. Wir h#228;tten nun gar zu gern gewu#223;t, wo es steckte, und das konnten wir am leichtesten von Ihnen erfahren.«

Da stand sie vom Stuhle auf, kam einen Schritt n#228;her und fragte erregt:

»So haben Sie mich get#228;uscht?«

»Allerdings. Ich sagte Ihnen, da#223; er uns entkommen sei, und machte dazu ein m#246;glichst entt#228;uschtes Gesicht. Sie gerieten, wie ich erwartet hatte, in helles Entz#252;cken; ich schob mit noch einigen Redensarten nach; Sie f#252;hlten sich erhaben #252;ber uns und platzten voller Hohn mit seinen Stiefelsch#228;ften heraus. Ich hatte meine Absicht also auf die glanzvollste Weise erreicht.«

Sie stand einige Sekunden wie in tiefster Verlegenheit; dann fuhr sie pl#246;tzlich auf mich los, krallte mir mit den zehn gekr#252;mmten Fingern vor dem Gesichte herum und schrie in giftigem Tone:

»L#252;gner, Schwindler, Ungeheuer! So also betr#252;gen Sie die Menschen! Sie verbergen unter dem ehrlichsten Gesichte, welches man sich denken kann, eine Hinterlist, eine Heimt#252;cke, die gar nicht zu beschreiben ist! Ich m#246;chte Ihnen das Gesicht zerkratzen.«

Sie macht die H#228;nde abwechselnd auf und zu, und zeigte dabei ein verz#252;cktes Gesicht, um anzudeuten, welche au#223;erordentliche Wonne es ihr gew#228;hren w#252;rde, wenn es ihr m#246;glich w#228;re, ihre Drohung mit dem

Zerkratzen in die Wirklichkeit zu #252;bersetzen. Ich l#228;chelte ihr ruhig entgegen und antwortete:

»Ich brauche nur zu wollen, so begehen Sie eine noch viel gr#246;#223;ere Dummheit als die war, von welcher wir sprachen.«

»Nein, nie, niemals!« beteuerte sie zornig. »Die Freude, von Ihnen #252;berlistet worden zu sein, mache ich Ihnen gewi#223; nicht wieder! So durchtrieben wie Sie bin ich auch! Denken Sie denn, ich wisse nicht, was Sie wieder vorhaben? Sie wollen wieder irgend etwas aus mir herauslocken, und haben mir zu diesem Zwecke eine gro#223;artige L#252;ge gesagt!«

»Eine L#252;ge? Darf ich erfahren, welche L#252;ge?«

»Die, da#223; Sie den alten Melton gefangen haben!«

Die Antwort war gerade diejenige, welche ich haben wollte. Sie ahnte nicht, da#223; sie jetzt von mir auf ein Eis gef#252;hrt wurde, welches gar nicht glatter und gef#228;hrlicher sein konnte. Sie befand sich auf dem besten Wege, die zweite und noch gr#246;#223;ere Dummheit, welche ich ihr vorhergesagt hatte, zu machen.

»Das soll eine L#252;ge sein?« meinte ich. Ach m#246;chte wissen, welchen Zweck ich mit dieser Unwahrheit verfolgen k#246;nnte!«

»Sie wissen es, und ich wei#223; es auch. Oder k#246;nnen Sie mir beweisen, da#223; Sie mir die Wahrheit gesagt haben?«

»Ja.«

»Wo befindet sich Melton? Zeigen Sie mir ihn doch!« »Ich kann ihn nicht bringen; er ist gefesselt.«

»Leere Ausrede! Ich kann doch zu ihm gehen. Das werden Sie mir aber nat#252;rlich nicht erlauben!« »Warum nicht? Von Herzen gern!« »So kommen Sie!« »Ja, kommen Sie!«

Ich nahm die Lampe und ging mit ihr hinaus, nach der Stube, in welcher er lag. Als sie ihn erblickte, rief sie erschrocken aus:

»Es ist wahr, wirklich wahr! Sennor, Sennor, wie konnten Sie sich fangen lassen!« »Sind Sie denn nicht auch gefangen?« fragte er zornig.

»Das ist etwas anderes! Sie sind ein Mann; Sie hatten Ihre Waffen; ich aber bin - -«

»Still!« unterbrach ich sie. »Ich habe Ihren Wunsch erf#252;llt und Ihnen den Gefangenen gezeigt; aber ich kann nicht dulden, da#223; Sie mit Ihm sprechen. Er bleibt bis fr#252;h hier liegen. Wenn es hell geworden ist, werden wir uns den Spa#223; machen, seine Stiefel einer kleinen Besichtigung zu unterwerfen. Kommen Sie jetzt!« ich drehte mich um und ging, mit aller Absicht ihr voran. Ich gab mir dabei den Anschein der gr#246;#223;ten Unbefangenheit, bemerkte aber doch, da#223; sie ihm hinter mir ein Zeichen gab. Dieses Zeichen konnte nat#252;rlich nichts anderes bedeuten, als da#223; sie, wenn es m#246;glich zu machen sei, zu ihm kommen wolle. Sie dazu zu verf#252;hren, war eben meine Absicht. Ich wollte von ihr erfahren, wohin Jonathan geflohen war, und das sagte sie dem Alten ganz gewi#223;, wenn sie zu ihm gelangen konnte.

»Nun, halten Sie mich noch immer f#252;r einen

L#252;gner?« fragte ich sie, als wir wieder in dem Zimmer angekommen waren.

»Diesmal haben Sie die Wahrheit gesagt, aber ich werde mich dennoch doppelt in acht nehmen. Mir stellen Sie keine Falle wieder!«

»Warten Sie nur! Und dich, Emery, bitte ich, ja recht aufmerksam zu sein; die beiden Gefangenen d#252;rfen nicht zusammen kommen. Die Sennora w#228;re wohl gar im stande, dem Alten zur Flucht zu verhelfen. Nach zwei Stunden komme ich, um dich abzul#246;sen; eher ist es mir nicht m#246;glich.«

»Well, werde meine Pflicht thun, obgleich ich verteufelt m#252;de bin.«

Ich gab ihm einen Wink und ging; infolgedessen begleitete er mich hinaus bis zum Eingange. Dort fragte er leise:

»Was ist's mit dem Schlafen? Weshalb soll ich m#252;de sein?«

»Ich will haben, da#223; sie zu dem Alten geht. Sprich jetzt vielleicht zehn Minuten m#246;glichst laut mit ihr, damit sie nicht h#246;rt, was hier vorn vorgeht; dann schl#228;fst du scheinbar ein, und wachst nicht eher auf, als bis ich wiederkomme!«

»Und wenn sie fortgeht?«

»So hinderst du sie nicht.«

»Aber sie macht den Alten dann vielleicht wirklich los?« »Nein; ich schaffe ihn fort und lege mich an seiner Stelle hin.«

»Uff, w#252;rde Winnetou sagen! Famoser Gedanke! Bin au#223;erordentlich neugierig, wie der Streich enden wird.«

Er kehrte zu der J#252;din zur#252;ck, und ich holte

Winnetou, welcher sich inzwischen nach oben entfernt hatte, wieder herab. Wir verbanden dem alten Melton wieder den Mund und die Nase, und schafften ihn hin#252;ber in die linke Abteilung der Etage; dann mu#223;te Winnetou mich genau so binden, wie Melton gefesselt war und mich an dessen Stelle legen. Er hatte mir den G#252;rtel abgenommen, und auch in Beziehung auf den Anzug und sonst hatten wir die m#246;glichste Aehnlichkeit hergestellt.

Als der Apatsche darauf wieder nach oben gestiegen war, wartete ich mit gro#223;er Spannung auf das Ergebnis dieser Veranstaltung. Von ihrem Kommen war ich vollst#228;ndig #252;berzeugt; ob sie mir aber das sagen w#252;rde, was ich wissen wollte, das war h#246;chst ungewi#223;.

Ich h#246;rte sie mit Emery sprechen; nach einiger Zeit verstummte das Gespr#228;ch. Nun verging eine Viertelstunde und noch eine, sogar noch eine dritte; dann f#252;hlte ich ein leises Wehen wie von

Frauenkleidern; sie kam. Eine Hand tastete nach mir und traf mich an das Bein. Ich zuckte mit demselben wie einer, welcher erschrickt; da h#246;rte ich eine leise Stimme warnend sagen:

»Still, ganz still, Sennor Melton! Ich bin es!«

»Wer?« fl#252;sterte ich ebenso leise. Im Fl#252;stern klingen tausend Stimmen gleich. »Ich, Judith! Wollen Sie fort?« »Wetter! Wenn ich k#246;nnte!«

»Sie k#246;nnen, denn ich helfe Ihnen. Haben Sie vorhin meinen Wink bemerkt?« »Ja.«

»Shatterhand ist ein alberner Wicht, dem ich mit wahrer Freude diesen Streich spiele. Ich habe mir vorhin Ihre Fesseln angesehen. Heben Sie die H#228;nde auf, ich habe ein Messer mit.«

Ich folgte der Aufforderung; sie durchschnitt die Armfessel und dann auch die an den F#252;#223;en; ich richtete mich in sitzende Stellung auf, und verursachte dabei mit Absicht einiges Ger#228;usch. Sie sollte mich zur Vorsicht mahnen, damit ihr dann meine kurzen Antworten nicht auffallen k#246;nnten. Viele Worte durfte ich nicht machen, weil sie mich sonst wohl gar erkennen konnte.

»Leise, leise!« warnte sie. »Sonst wacht mein W#228;chter auf!«

»W#228;chter?« fragte ich.

»Ja. Er ist eingeschlafen, ein Gl#252;ck f#252;r Sie, denn morgen will man Ihnen Ihr Geld nehmen, und mit Ihrer Freiheit und Ihrem Leben steht es ebenso schlimm. Sie m#252;ssen fort zu Jonathan.«

»Wo ist er?«

»Auch entflohen. Ich habe ihm fortgeholfen. Er geht hinauf zu den Mogollonindianern, deren H#228;uptling Bitsil-Iltscheh (* "Starker Wind".) hei#223;t. Er war ein Freund meines Mannes und wird Jonathan gern bei sich aufnehmen und ihm allen Schutz gew#228;hren. Wenn Sie nachfolgen und dem H#228;uptling sagen, da#223; ich Sie schicke, werden Sie dieselbe Aufnahme finden. Ich komme sp#228;ter nach.«

»Wann?«

»Wenn die vier Menschen fort sind, welche sich hier wie die Herren der ganzen Welt geb#228;rden. Ich mu#223; bleiben, um zu erfahren, was sie dann thun, und wohin sie sich wenden. Dann komme ich nach und werde Jonathan am Klekie-Tse (* Wei#223;er Felsen.) treffen, wo er mich erwartet. Nun machen Sie sich fort, doch h#252;ten Sie sich, da#223; Sie nicht erwischt werden. Hier ist das Messer, nur ein Tischmesser, aber Sie haben ja keine andere Waffe!«

Sie entfernte sich. Ich wartete noch eine Weile und stand dann auf, um auf die Terrasse zu steigen. Dort sa#223; Winnetou. Ich fragte ihn:

»Kennt mein Bruder Bitsil-Iltscheh, den H#228;uptling der Mogollonindianer?«

»Ja,« antwortete er. »Er ist ein tapferer Krieger und hat noch nie sein Wort gebrochen.« »Giebt es in seinem Gebiete einen Ort, welcher Klekie-Tse genannt wird?«

»Ja; ich kenne ihn. Warum fragt mein Bruder nach dem H#228;uptlinge und nach diesem Orte?«

»Weil Jonathan Melton dorthin ist.«

»Uff! Woher wei#223; das Old Shatterhand?«

Ich erz#228;hlte es ihm. Da meinte er, leise vor sich hinlachend:

»Mein Bruder ist nicht nur klug wie ein Fuchs, sondern sogar kl#252;ger wie eine Squaw, was Winnetou nicht von sich sagen kann. Wir werden nach dem wei#223;en Felsen reiten.«

Als die gegen Emery erw#228;hnten zwei Stunden vergangen waren, stieg ich hinab, scheinbar, um ihn abzul#246;sen. Er sa#223; auf einem Stuhl, hielt den Kopf gesenkt und stellte sich schlafend. Judith sa#223; auf einem zweiten Stuhle; ihr Blick traf herausfordernd und triumphierend den meinigen.

»Ah, was ist denn das!« rief ich aus. »Ich glaube gar, du schl#228;fst!«

Er that, als ob er erwache, zog eine verlegene Miene und antwortete:

»Ah, wirklich! Ich war doch eingeschlafen, aber das kann nur einige Minuten gewesen sein.«

»Einige Minuten?« lachte Judith. »Sennor, Sie haben fast zwei Stunden lang in einem Atem geschlafen.«

»Was haben Sie denn gethan, w#228;hrend Sir Emery schlief?« fragte ich.

»Verschiedenes. Ich bin sogar ein wenig durch die R#228;ume gegangen.«

»Waren Sie etwa auch bei Melton?«

»Nat#252;rlich! Ich kann Ihnen sogar sagen, da#223; Sie sein Gef#228;ngnis leer finden werden.«

»Leer? Sind Sie bei Sinnen?«

»Sogar sehr. Er ist seinem Sohne nach.«

»Da mu#223; ich doch gleich - -«

Ich stellte mich h#246;chst aufgeregt, nahm die Lampe und rannte hinaus; sie kam rasch hinterher, um sich an meinem Aerger zu weiden. Emery aber folgte #252;beraus gem#228;chlich nach. Ich war nat#252;rlich w#252;tend, als ich die zerschnittenen Fesseln sah.

»Es hat ihm jemand geholfen!« rief ich aus. »Er selbst konnte sich unm#246;glich selbst die Fesseln zerschneiden. W#252;#223;te ich, wer - - ah, Sennora, ich glaube, Sie wissen am besten, wer es gewesen ist!«

»Meinen Sie?« fragte sie mit l#228;chelnder Ueberlegenheit. »Nun ich will aufrichtig sein und nicht leugnen. Ja, ich war es, Sennor.«

»Sie, Sie haben ihn befreit! Sie haben das gewagt?«

»Ja, ich, kein anderer Mensch! Jetzt sehen Sie wohl, wer Dummheiten macht, ich oder Sie! Wo ist nun die zweite, noch gr#246;#223;ere Dummheit, welche Sie so zuversichtlich von mir erwarteten? Erf#252;llen Sie mir doch Ihr Versprechen, mir zu sagen, wo Jonathan Melton zu finden ist! Ja, ja - -« und dabei lachte sie aus vollem Halse - - »so ein Gesicht wie das Ihrige, ist das Ideal der Albernheit. Gehen Sie hin, und bessern Sie sich, Sennor!«

»Hm, ja, ich will hingehen; aber bitte, gehen Sie mit, Sennora, damit Sie sehen, wie ich mich bessere!« »Das sei Ihnen gew#228;hrt. Schreiten Sie gef#228;lligst voran!«

Es war kein Zweifel, sie f#252;hlte sich als Siegerin, als mir weit #252;berlegen. Ich f#252;hrte sie hin#252;ber nach der Stube, in welche wir Melton geschafft hatten. Emery kam hinter uns her, einen ganz unbeschreiblichen Ausdruck im Gesicht. Als wir beim Vorhange angekommen waren, sagte sie:

»Also hier wollen Sie mir Ihre Besserung zeigen? Na, so #246;ffnen Sie!«

»Ja, Sennora, meine Besserung, und zu gleicher Zeit aber auch die zweite Dummheit, welche ich Ihnen prophezeit habe. Da sehen Sie sie liegen!«

Ich schob die Vorh#228;nge auseinander. Sie trat ein, warf einen Blick in den Raum, fuhr zur#252;ck und schrie: »Melton! Da liegt ja Melton!«

Ihr Auge irrte ratlos zwischen ihm und mir hin und her.

»Ja, Melton,« antwortete ich. »Ganz nat#252;rlich! Wen haben Sie denn zu sehen erwartet?«

»Melton, Melton!« wiederholte sie. »Das ist doch unm#246;glich! Das ist Zauberei! Darf ich mit ihm sprechen, Sennor?«

»Nein. Folgen Sie mir wieder in Ihre Wohnung hin#252;ber.«

Dort angekommen, warf sie sich auf einen Stuhl und sah mich fragend an. Das #252;berlegene Gesicht von vorhin war verschwunden.

»Ich pflege Wort zu halten, Sennora,« begann ich. »Ich wollte Ihnen sagen, wohin Jonathan Melton geflohen ist. Er befindet sich unterwegs zu dem "Starken

Winde", dem H#228;uptling der Mogollonindianer. Sp#228;ter wollen Sie ihm folgen, um ihn am wei#223;en Felsen zu treffen. Ist es so richtig oder nicht?«

Da sprang sie vom Stuhle auf und fragte:

»Wer hat das verraten? Wer hat Ihnen das gesagt?«

»Sie selbst sind es, die es mir gesagt hat.«

»Ich - ich - -?«

»Ja. Erinnern Sie sich gef#228;lligst Ihrer Worte: Dieser Shatterhand ist ein alberner Wicht, dem ich mit wahrer Freude diesen Streich spiele! Mir ist es au#223;erordentlich lieb, da#223; Sie sich eine solche Freude bereitet und

mir einen solchen Streich gespielt haben. Ich w#252;nsche, mir w#252;rden stets so schlimme Streiche gespielt!«

Sie sah mich ganz fassungslos an und stotterte schlie#223;lich: Ach - ich - ich verstehe Sie nicht!« »So mu#223; ich Ihnen zu Hilfe kommen. Wissen Sie, wem Sie die Fesseln zerschnitten haben?« »Doch Melton?«

»Nein. Sie haben ihn j a soeben gefesselt dr#252;ben liegen sehen. Sie sind so g#252;tig gewesen, mich, verstehen Sie wohl, mich aus der Gefangenschaft zu befreien.«

»Sie - Sie -?«

»Ja. Und nun kommt die Dummheit, die Sie nie wieder begehen wollten. Jonathan Melton ist fort, der Hauptth#228;ter, mit dem ganzen Gelde. Sie wissen, wohin er ist, und ich mu#223;te es erfahren. Ich brachte Ihnen also seinen Vater, schaffte ihn aber gleich wieder fort, lie#223; mich binden und legte mich an seine Stelle. Da#223; Sie kommen w#252;rden, wu#223;te ich, denn ich hatte gesehen, da#223; Sie ihm einen Wink gaben. Sir Emery mu#223;te sich schlafend stellen. Sie schlichen sich fort, kamen zu mir, schnitten meine Fesseln entzwei und hatten die zarte Aufmerksamkeit f#252;r mich, mir alles zu sagen, was ich wissen wollte. Jetzt wissen Sie hoffentlich, warum vorhin mein Gesicht immer d#252;mmer geworden ist. Sie thun mir leid, und es ist keineswegs angenehm, einer Dame solche Dinge sagen zu m#252;ssen. Wir wollen also davon abbrechen, und ich schlie#223;e nur die Bemerkung daran, da#223; ich Sie binden lassen Mu#223;, weil Ihnen sonst wohl gar der Gedanke kommen k#246;nnte, den wirklichen Melton wirklich zu befreien.«

»Binden, mich binden? Das dulde ich auf keinen Fall!« rief sie aus. »Wollen Sie sich der ungeheuern Roheit schuldig machen, sich an einer Dame zu vergreifen und ihr Fesseln anzulegen? Zuzutrauen ist es Ihnen freilich!«

»Regen Sie sich nicht auf. Ihr Verh#228;ltnis zu Jonathan verst#246;#223;t gegen die Strafgesetze. Sie wissen, da#223; er ein Gauner, ein M#246;rder ist, und leisten ihm doch Vorschub; Sie wollen an dem Genusse seiner Beute teilnehmen; das macht Sie zu seiner Mitschuldigen. Ich habe es also gar nicht mit einer Dame, sondern mit einer Gaunerin zu thun, und wenn ich diese verhindere, uns noch weiteren Schaden zu thun, so ist das kein Akt der Roheit, sondern eine wohlberechtigte Ma#223;regel, die ich nicht umgehen kann, und welche Sie sich selbst zuzuschreiben haben.«

»Aber ich kann Ihnen doch nicht mehr schaden!«

»O doch! Ich k#246;nnte sie allerdings unsch#228;dlich machen, ohne da#223; ich Sie fessele, und ich bin auch bereit dazu, aber nur unter der Bedingung, da#223; Sie mir einige Fragen der Wahrheit gem#228;#223; beantworten.«

»Gut; fragen Sie!«

»Vorher mache ich Sie darauf aufmerksam, da#223; es

Ihnen nicht gelingen wird, mich zu t#228;uschen. Ich werde es bemerken, wenn Sie l#252;gen, und dann, das sage ich Ihnen, haben Sie doppelte Strenge zu erwarten.«

»Ich werde aufrichtig sein.«

»Das hoffe ich um Ihretwillen. Also sagen Sie, ob Melton ein Pferd hat!« »Er hat eines aus dem Hause, wo Sie eine Nacht zugebracht haben.«

»Ist Melton bewaffnet?«

»Er hat Gewehr, Messer und Revolver mitgenommen.«

»Aber er ist, soviel ich wei#223;, noch nie in dieser Gegend gewesen. Wird er den Weg zu den Mogollonindianern finden?«

»Ja. Er braucht nur dem Flujo blanco aufw#228;rts zu folgen und sich dann nach der Sierra Blanca zu wenden, deren Berge er vor sich liegen sieht; da trifft er ganz gewi#223; auf sie.«

»Und wo liegt der "wei#223;e Felsen", an welchem Sie mit Jonathan Melton zusammentreffen wollen?« »Auch in der Sierra Blanca.«

»Wie ist Melton denn eigentlich auf den Gedanken gekommen, zu den Mogollons zu fliehen?«

»Ich habe es ihm gesagt und ihm auch den Felsen als Stelldichein vorgeschlagen. Aufrichtiger k#246;nnte ich gar nicht sein!«

»O doch!«

»Wieso? Ich wei#223;, da#223; Sie ihn verfolgen werden und habe Ihnen dennoch gesagt, wohin er geht und wo er auf mich wartet. Ich bringe ihn also in die Gefahr, von Ihnen festgenommen zu werden. K#246;nnen Sie von mir mehr verlangen?«

»Ja. Ich habe bereits mehr von Ihnen verlangt.

Ich habe die Wahrheit verlangt und Sie haben mich belogen.«

»Das ist nicht wahr! Es ist wahr, da#223; er zu den Mogollons ist und am wei#223;en Felsen auf mich warten wird!«

»Ja, das ist wahr. Das konnten Sie weder leugnen noch verschweigen, weil Sie es mir schon gesagt haben, als Sie meine Fesseln zerschnitten und mich f#252;r den alten Melton hielten. Da#223; Sie diese Aussage notgedrungen wiederholt haben, d#252;rfen Sie sich nicht als Verdienst anrechnen. Aber Ihre Angaben, wo die Mogollons wohnen und wo der wei#223;e Felsen zu suchen ist, waren falsch.«

»Nein; sie sind richtig!«

»Pah! Sie t#228;uschen mich nicht! Sie haben mir sagen m#252;ssen, wohin Melton geht, mir aber eine falsche Richtung, gerade die entgegengesetzte, angegeben, damit wir Zeit verlieren sollen und er welche gewinne, um uns zu entkommen. Auf und an der Sierra Blanca wohnen die Nijora-Apatschen, zu denen wir kommen w#252;rden, wenn wir den von Ihnen angegebenen Weg einschl#252;gen, uns also vom Flujo blanco aus ostw#228;rts wendeten. Wir m#252;ssen im Gegenteile westlich gehen, dann kommen wir an die Mogollonberge, von welchen die Indianer, zu denen Melton will, ihren Namen haben. Sie sehen, da#223; ich mich nicht t#228;uschen lasse.«

»Wenn Sie recht haben, Sennor, dann bin ich selbst falsch unterrichtet!«

»L#252;gen Sie nicht weiter! Sie wollen uns irre f#252;hren, haben also meine Warnung nicht beachtet und werden nun gefesselt.«

»Das werden Sie nicht thun!« schrie sie auf. »Ich dulde es nicht!« Da sagte Emery:

»Was machst du nur so viele Worte mit ihr! Dort h#228;ngen Riemen. Komm, binde sie!«

Er trat mit einem raschen Schritte hinter sie, ergriff ihre Arme und dr#252;ckte ihr die Ellbogen auf dem R#252;cken zusammen. Sie war #252;ber diese schnelle Handlungsweise so verbl#252;fft, da#223; es ihr gar nicht beikam, sich zu wehren. Ich schlang ihr einen Riemen um die Vorderarme und einen zweiten um die Fu#223;gelenke; dann legten wir sie auf den Boden nieder. Nun war es ihr unm#246;glich, den alten Melton aufzusuchen und ihm irgend welchen Beistand zu leisten, und es brauchte sich von uns niemand zu ihr zu setzen, um sie zu bewachen. Ich stieg mit Emery hinauf zu Winnetou, welcher oben sa#223; und mir auf mein Befragen sagte, da#223; der »wei#223;e Felsen« nicht in der Sierre Blanca, sondern in den Mogollonbergen liege. Wir hatten der J#252;din also nicht unrecht gethan.

Auf der Plattform warteten wir, bis der Morgen anbrach. Die Yumas lie#223;en ihre Feuer ausgehen, kamen aber nicht herauf zu uns, sondern blieben unten sitzen. Sie betrachteten uns als Herren des Pueblo. Nun wurde der alte Melton zu uns heraufgeholt. Es verstand sich ganz von selbst, da#223; er kein Wort davon erfahren durfte, da#223; uns sein Sohn entkommen war und wohin er sich gewendet hatte. Wir wollten ihm die Stiefel ausziehen; er br#252;llte vor Wut dar#252;ber und stie#223; mit den gefesselten Beinen so um sich, da#223; wir ihm die M#246;glichkeit, diese zu bewegen, nehmen mu#223;ten. Wir legten eine Leiter auf die Terrasse und banden ihn auf derselben fest; die Oberschenkel wurden bis zu den Knieen h#252;ben und dr#252;ben festgeschn#252;rt. Auch jetzt noch w#228;lzte er sich mitsamt der Leiter schreiend hin und her, soda#223; Winnetou und Emery auf ihn knien mu#223;ten, um ihn festzuhalten; erst dann brachte ich die Stiefel herab.

Sie waren mit d#252;nnem Leder gef#252;ttert, und ich f#252;hlte gleich beim ersten Antasten, da#223; etwas zwischen den Sch#228;ften und dem Futter steckte. Die Naht, welche das letztere an dem Oberleder festhielt, war neu; das Geld war also wohl erst vor kurzem in den Stiefeln versteckt worden. Wahrscheinlich war die J#252;din beim N#228;hen behilflich gewesen, und so kam es, da#223; sie wu#223;te, wo Melton seinen Raub verborgen hielt.

Ich trennte mit dem Messer das Futter los. Melton schrie nicht mehr; er hatte sich darein gefunden, aber seine Augen waren mit ha#223;gl#252;henden Blicken auf meine H#228;nde gerichtet. Der eine Stiefel enthielt ein d#252;nnes Papierpaket, wie ein Couvert geformt, der andere aber deren zwei. Ich #246;ffnete die letzteren. Der Inhalt bestand je aus zehntausend Pfund Sterling (200 000 Mk.) in Noten der Bank von England. Dem dritten Umschlag entnahm ich f#252;nfzehntausend Dollars (60 000 Mk.) in guten Bankpapieren.

»Master Melton, wollt Ihr uns wohl sagen, wie Ihr zu dem Gelde kommt!« forderte ich ihn auf.

»Hole Euch der Teufel!« br#252;llt er mich an. »Von mir erfahrt ihr nichts.«

»Denkt das nicht! Es giebt Mittel, Euch zum Sprechen zu bringen, und da wir unbedingt wissen m#252;ssen, welcher Herkunft die Summen sind, werden wir sie in Anwendung bringen, wenn Ihr uns die Auskunft verweigert.«

»Versucht es doch!«

»Das werden wir. Ich mache Euch aber vorher darauf aufmerksam, da#223; es f#252;r einen fr#252;hern tunesischen Offizier gar keine Ehre ist, Pr#252;gel zu bekommen.«

»Pr#252;gel? Ihr wollt mich pr#252;geln?«

»Ja. Also wollt Ihr uns Auskunft erteilen?« »Nein, und wenn ihr mich totschlagt, ihr Halunken!«

»La#223;t Euch doch nicht auslachen! Eigentlich brauchen wir gar keine Auskunft. Wir sind klug genug, sie uns selbst zu geben; aber die Best#228;tigung wollen wir von Euch h#246;ren, und wenn Ihr sie uns verweigert, so werden wir Euch die Zunge l#246;sen.«

»Nun, wenn ihr so klug seid, so sagt es doch einmal!«

»Ihr und Euer Bruder habt je f#252;nfzigtausend Dollars als Anteil an der ergaunerten Erbschaft bekommen; sie sind Euch von Jonathan in englischem Gelde ausgezahlt worden.«

»F#252;nfzigtausend Dollars! Lumperei, wenn es sich um Millionen handelt! Meint Ihr, da#223; wir damit zufrieden gewesen w#228;ren?«

»Nein, das meine ich nicht. Ihr sollt jedenfalls noch mehr bekommen und habt, da Ihr fliehen und Euch dabei von Jonathan trennen mu#223;tet, diese Summe einstweilen auf Abschlag erhalten.«

»Seht doch einmal, wie gescheit Ihr seid, Master Shatterhand! Wo kommen dann aber die #252;brigen f#252;nfzehntausend Dollars her?«

»Die geh#246;rten Euerm Bruder. Er hat stets Geld besessen, nat#252;rlich nur unrechtlich erworbenes. Ihr habt ihm die F#252;nfzehntausend mit dem andern Gelde abgenommen.«

»Da seid Ihr auf dem Holzwege. Das Geld ist mein; es hat nicht ihm geh#246;rt.«

»Kann mir gleichg#252;ltig sein. Wir werden Euch das Sprechen lehren. Hier steht der Erbe, den ihr betrogen habt; er mag Euch die Zunge l#246;sen. Master Vogel, steigt doch einmal die Terrassen hinab, und holt

Euch von den B#252;schen da dr#252;ben einige recht h#252;bsche, biegsame St#246;cke.«

Vogel ging; als er mit den St#246;cken zur#252;ck kam, hatten wir Melton von der Leiter gebunden und schn#252;rten ihn wieder so darauf, da#223; seine R#252;ckseite nach oben kam.

»Nun, wollt Ihr sprechen?« fragte ich ihn.

»Schlagt zu!« knirschte er. »Aber ich sage Euch, da#223; es Euch das Leben kosten wird!«

»Pah! Macht Euch doch nicht durch solche alberne Drohungen l#228;cherlich! Wer soll uns denn das Leben nehmen? Ihr befindet Euch doch in unsern H#228;nden.«

»Aber mein Sohn nicht!«

»T#228;uscht Euch nicht!«

»Leugnet immerhin! Er ist fort. Wenn Ihr ihn bekommen h#228;ttet, w#228;re er sicher hier, und Ihr w#252;rdet Eure Fragen nicht an mich, sondern an ihn richten.«

»M#246;glich! Aber da wir sie nun einmal an Euch richten, werdet Ihr sie uns auch beantworten. Haut zu, Master Vogel!«

Der Violinvirtuos begann den soeben vom Busch geschnittenen Bogen aus Leibeskr#228;ften zu streichen, doch

ohne Erfolg. Melton bi#223; die Z#228;hne zusammen und gab keinen Laut von sich. Da sagte Emery:

»Das ist nichts. Unser kleiner Master Vogel hat kein rechtes Mark in den Knochen. Gebt einmal einen Stock her! Ich m#246;chte wetten, da#223; er bei mir zum Sprechen kommt.«

Melton stie#223; gleich beim ersten Hiebe des Englishman einen Schrei aus, denn das Fleisch war auseinander gesprungen; der zweite und dritte Schlag hatte denselben Erfolg, und als die n#228;chsten Hiebe ins rohe Fleisch schnitten, konnte er die Schmerzen doch nicht ertragen und schrie:

»Haltet an! Ich will es sagen!«

»Nun, die zehntausend Dollars?« fragte ich.

»Sie sind von der Erbschaft,« gestand er ein.

»Die einen Zehntausend habt Ihr Euerm ermordeten Bruder abgenommen?« »Nein.«

Sofort erhielt er von Emery zwei so kr#228;ftige Hiebe, da#223; er br#252;llte:

»Ja, ja, sie sind von ihm!«

»Und die f#252;nfzehntausend Dollars?«

»Die geh#246;rten mir; ich habe sie in Tunis erspart.«

»L#252;ge! Weiter, Emery!«

Der Engl#228;nder schlug wieder zu, und da zeterte Melton endlich:

»Halt ein, halt ein! Ja, sie sind von meinem Bruder. Nun wi#223;t ihr alles. Haltet also ein!«

»Sch#246;n! Ihr habt nun erfahren, da#223; Ihr wohl zum Sprechen zu bringen seid, und es ist Eure Schuld, wenn Euch nachher nach unserm Aufbruche das Reiten einige kleine Unannehmlichkeiten bereitet.«

»Was? Ich soll mit Euch fort? Ihr habt doch nun das Geld und k#246;nnt zufrieden sein! La#223;t mich hier!«

»Seid Ihr verr#252;ckt geworden, Master? Euch hier lassen!«

»Ihr habt ja, was Ihr wollt, und wi#223;t auch, was Ihr wissen wolltet. Wozu kann Euch meine Person noch n#252;tzen!«

»Welche Frage! Ich habe Euch eines mehrfachen Mordes wegen durch den ganzen wilden Westen gejagt; ich habe Euch in Aegypten und Tunesien gesucht. Dort seid Ihr wieder zum M#246;rder geworden. Ihr wagtet Euch in die Vereinigten Staaten zur#252;ck, um eine Millionenerbschaft zu ergaunern, und ich folgte Euch #252;ber das

Meer. Jetzt jagten wir Euch #252;ber die Prairien bis hierher, und nun wir Euch endlich, endlich ergriffen haben, mutet Ihr uns zu, Euch laufen zu lassen! Das ist doch mehr als nur verr#252;ckt!«

»Ihr wollt mich morden?«

»Nein; das werden wir dem Henker #252;berlassen.«

»Alle Wetter! Ihr wollt mich etwa wieder ausliefern, wie damals in Fort Edward?« »Allerdings. Und zwar werden wir h#252;bsch daf#252;r sorgen, da#223; Ihr nicht wieder entwischen k#246;nnt.« »Nehmt Verstand an, Master! Was kann es Euch n#252;tzen, mich h#228;ngen zu sehen!«

»Nichts, gar nichts; das ist wahr. Aber trotzdem m#252;#223;t Ihr h#228;ngen, denn nur Euer Tod kann mir die Ueberzeugung geben, da#223; Ihr unsch#228;dlich geworden seid.«

»Nun gut! Wenn Ihr mir nicht glaubt, so will ich mich mit sehr viel Geld loskaufen.«

»Ihr habt ja keines!«

»Wir haben doch die Erbschaft!«

»Unsinn! die bekommen wir auch ohne da#223; wir Euch laufen lassen! Ihr seid dem Strafgesetze, dem Scharfrichter verfallen, und wenn wir Euch laufen lie#223;en, w#252;rden wir ein Verbrechen begehen. Nein, nein, wir nehmen Euch mit und liefern Euch dahin, wo Ihr hingeh#246;rt!«

»So macht, was ihr wollt, ihr Hunde, und seid tausendmal verflucht!«

»Ja, wir werden thun, was uns beliebt, und Euer tausendfacher Fluch wird auf Euch selbst zur#252;ckfallen. Hier, Master Vogel, habt Ihr das viele Geld; es sind gegen dreimalhunderttausend Mark; sie geh#246;ren Euch.«

»Er mag dreimalhunderttausendmal daran ersticken!« schrie mich Melton an.

Vogel erbleichte. Er hielt die drei Umschl#228;ge in der Hand und sagte, diesmal in deutscher Sprache, zu mir: »Himmel, welch ein Geld! Das Blut will mir nach dem Herzen gehen, es ist zu viel, viel zu viel!« Er wollte mit uns teilen, ich sagte aber:

»Sie werden hoffentlich noch mehr bekommen. Stecken Sie das Geld zu sich, und verwahren sie es gut!«

»Sie nehmen also nichts?«

»Nein!«

»Gut, so nehme ich es einstweilen zu mir. Sp#228;ter aber sprechen wir weiter dar#252;ber.«

Melton wurde von der Leiter gebunden. Es machte ihm Schmerzen, zu stehen. Wir gaben ihm die Beine frei, und er mu#223;te mit uns von den Terrassen steigen, denn wir mu#223;ten fort.