"Satan und Ischariot III" - читать интересную книгу автора (Май Карл)

Siebtes Kapitel. Schlu#223;.

Der Tag verging, und die D#228;mmerung sank tiefer. Der Abend war sch#246;n; die Sterne standen am Himmel, und die d#252;nne Sichel des jungen Mondes, der im Beginne des ersten Viertels stand, neigte sich bereits dem Horizonte zu. Die gute Luna war bescheidenerweise, um nicht so lange gesehen zu werden, schon am Tage aufgegangen. Die n#228;chtliche Helle war mir eigentlich nicht angenehm, doch stand im Osten eine Wolke vor, und da der Abendwind aus derselben Richtung kam, durfte ich hoffen, da#223; sie sich nach und nach ausbreiten und die Sterne verdunkeln werde.

Wir jagten, ohne ein Wort zu sprechen, #252;ber den weiten Plan dahin. Der Nijora hielt sich bescheiden hinter mir; an meiner Seite zu reiten, wagte er nicht. Nur einmal wurden wenige Worte gewechselt. Er kannte als Nijora die Gegend, in welcher wir uns befanden, genau, ich aber nicht, weil wir gestern nicht von dem tiefen Wasser, sondern von dem wei#223;en Felsen nach dem Quell des Schattens gekommen und also weiter westlich geritten waren. Darum fragte ich ihn, als ich glaubte, das Stelldichein bald erreicht zu haben:

»Mein Bruder l#228;#223;t mich den Weg finden. Sind wir auf der geraden, richtigen Linie nach der Quelle des Schattens?«

»Old Shatterhand findet jeden Weg, auch wenn er ihn noch nicht kennt,« antwortete er.

»Ich glaube, da#223; wir nur noch eine Viertelstunde zu reiten haben, um dort anzukommen. Ist das richtig?«

»Es ist genau so, wie mein wei#223;er Bruder sagt.« infolgedessen ritten wir noch eine kleine Strecke weiter; dann hielten wir an, und ich gab einen Schu#223; aus dem B#228;rent#246;ter ab. Ich erwartete nun, den Schu#223; Winnetous zu h#246;ren; anstatt dessen ert#246;nte eine Stimme aus nicht zu gro#223;er Ferne:

»Hier bin ich. Ich habe die Stimme des Gewehres meines Freundes Scharlieh erkannt.«

Dann sah ich Winnetou auf uns zugeritten kommen. Er gab mir seine Hand und sagte dabei:

»Du hast den Ort so genau abgesch#228;tzt, da#223; du ganz nahe bei mir hieltest. Ich konnte dir mit meinem Munde anstatt mit einem Schusse antworten.«

»Bist du schon lange hier?« erkundigte ich mich.

»Nein, denn ich konnte die Mogollons erst dann umschleichen, als es dunkel geworden war.« »Aber gesehen hast du sie fr#252;her?«

»Ja. Ich war immer so nahe hinter ihnen, wie ich es wagen konnte.« »Sie lagern an der Quelle des Schattens?«

»Ja. Mein Bruder wei#223;, da#223; so viele Krieger nicht da, wo die Quelle aus der Erde kommt, Platz haben. Dort sitzt nur der H#228;uptling mit drei alten, hervorragenden Kriegern. Die andern alle haben sich am Wasser weiter abw#228;rts gelagert.«

»Haben sie Posten ausgestellt?«

»Nein. Die Mogollons sind sehr unvorsichtige Menschen. Sie scheinen zu glauben, da#223; sich niemand als nur sie in der Gegend befinden kann.«

»Wei#223;t du, wo der Wagen steht?«

»Ich bin zweimal um das ganze Lager geschlichen und habe ihn deutlich gesehen. Er steht nicht weit von dem H#228;uptlinge im Wasser.«

»Und wo befinden sich die beiden Gefangenen?«

»Sie sitzen in dem Wagen. Nur ein einziger W#228;chter steht dabei.«

»Auch ich m#246;chte ihn und #252;berhaupt das ganze Lager sehen.«

»Das ist nicht schwer, und wenn du noch einige Zeit warten willst, wird es noch leichter sein. Die Wolke, welche jetzt fast gerade #252;ber uns steht, hing noch vor kurzem #252;ber dem #246;stlichen Horizonte; in einer halben Stunde wird sie auch den jetzt noch hellen Teil des Himmels bedeckt haben. Willst du so lange warten?«

»Ja, denn obgleich keine Gefahr dabei ist, ziehe ich es doch vor, vorsichtig zu sein.«

Er hatte in Beziehung auf die Wolke recht. Sie hatte sich immer mehr ausgearbeitet und bedeckte nach der von ihm angegebenen Zeit den ganzen Himmel. Da sagte er:

»Jetzt k#246;nnen wir aufbrechen. Die Pferde bleiben hier, der Krieger der Nijoras wird sie bewachen.« »So lasse ich auch die beiden Gewehre bei ihm zur#252;ck. Sie sind mir bei dem Beschleichen im Wege.« »Gieb ihm nur den B#228;rent#246;ter; den Henrystutzen aber will ich nehmen.« »Warum?«

»W#228;hrend du die Mogollons beschleichest, bleibe ich in der N#228;he und lausche. Solltest du Ungl#252;ck haben, so wird ein L#228;rm entstehen, den ich sicher h#246;re. Dann schie#223;e ich den Stutzen so viele Male rasch hintereinander ab, da#223; sie erschrecken und vor Ueberraschung von dir lassen.«

»Gut! Wenn ich ergriffen werden sollte und du ziehst ihre Aufmerksamkeit nur so lange auf dich, da#223; sie einige Augenblicke nicht auf mich achten, wird das gen#252;gen, mich wieder frei zu machen.«

Ich gab also dem Nijora die schwere B#252;chse; Winnetou nahm meinen Stutzen, und dann entfernten wir uns nach S#252;den, wo die Quelle des Schattens lag.

Es war jetzt infolge der Wolke so d#252;ster, da#223; man nicht ein Zehntel soweit und so scharf sehen konnte wie vorhin, als die Sterne schienen. Nach etwas #252;ber zehn Minuten hielt Winnetou an und erkl#228;rte mir mit leiser Stimme:

»Wenn du noch hundert Schritte weiter gehst, wirst du dich bei den ersten B#252;schen befinden, welche du genau kennst, da wir dort gewesen sind. Geradeaus von dort kommt das Wasser, an dem der H#228;uptling sitzt, aus der Erde. Es flie#223;t nach links; dort sitzen die andern Krieger. Zwischen ihnen und dem H#228;uptlinge steht der Wagen.«

»Und wo sind die Pferde?«

»Die weiden jenseits des Geb#252;sches im freien Grase.« »So will ich versuchen, mich an den H#228;uptling zu machen.« »Da mu#223; mein Bruder aber au#223;erordentlich vorsichtig sein.«

»Warum giebt mir Winnetou diesen Rat? Ist er bei mir n#246;tig? Der H#228;uptling sitzt nahe am Quell; dort steht viel Gestr#228;uch, hinter dem ich mich verstecken kann, wenn nicht rechts davon auch noch Krieger liegen.«

»Vorhin gab es dort keine.«

»So glaube ich auch nicht, da#223; sich sp#228;ter welche dort gelagert haben, denn dort giebt es kein Wasser.« »Willst du etwa auch mit den Gefangenen sprechen?« »Ja, wenn es m#246;glich ist.«

»Da mu#223; ich dich aber doch warnen, obgleich du vorhin meine Worte #252;belgenommen hast. Es ist sehr gef#228;hrlich, zu ihnen zu gelangen, und noch gef#228;hrlicher ist es, gar mit ihnen zu sprechen.«

»Ich werde keine Vorsicht au#223;er acht lassen und meinen Vorsatz nur dann ausf#252;hren, wenn ich mich vorher #252;berzeugt habe, da#223; ich es wagen darf. Also, wenn mir etwas passieren sollte, wirst du schie#223;en, aber nicht eher, als bis du zwei oder drei Sch#252;sse aus meinem Revolver geh#246;rt hast.«

»Ich werde das thun, doch ist es besser, wenn ich es nicht zu thun brauche.«

Jetzt verlie#223; ich den Apatschen und schritt langsam und leise weiter. Mein Fu#223; stie#223; an einen Stein. Da kam mir ein Gedanke. Der Stein konnte mir von Vorteil sein. Er hatte die Gr#246;#223;e einer halben Hand; ich hob ihn auf und steckte ihn ein. Darauf b#252;ckte ich mich nieder und tastete rings umher; es gab da noch f#252;nf oder sechs Steine von #228;hnlicher Gr#246;#223;e, welche ich auch zu mir steckte. Dann ging ich weiter.

Als ich vielleicht sechzig Schritte vorw#228;rts gekommen war, legte ich mich nieder, um mich nun kriechend zu bewegen. Bald kam ich an die ersten B#252;sche. Es war ganz dunkel. Die Mogollons brannten keine Feuer. Darnach hatte ich Winnetou gar nicht gefragt, eine Unterlassungss#252;nde, welche eigentlich unbegreiflich war.

Da#223; die Feinde im Dunkeln sa#223;en, war mir unlieb und doch auch wieder lieb: ich konnte sie nicht sehen, aber desto schwerer konnten sie auch mich bemerken. Da#223; sie es unterlassen hatten, Feuer anzuz#252;nden, schien ihrerseits doch die Folge von Vorsicht zu sein, denn sie verhielten sich so ruhig, da#223; ich kein Ger#228;usch vernahm, obgleich ich mich bereits sehr nahe bei ihnen befand.

Immer nur Zoll um Zoll geradeaus kriechend, schob ich mich von einem Busche zum andern und h#246;rte endlich Stimmen. Zugleich drang mir der Geruch von Tabak in die Nase, von Tabak, wie ihn die Indianer zu rauchen pflegen, n#228;mlich eine Mischung von sehr viel wildem Hanf und sehr wenig Tabak. Und nun sah ich doch ein Feuer, aber ein so kleines, da#223; es von weitem schwer zu bemerken war. Es brannte in einer kleinen Vertiefung des Bodens, damit der Schein nicht weit dringen solle und wurde nur von einigen d#252;nnen Zweigen gen#228;hrt. Es hatte also nur den Zweck, mit Hilfe desselben die Pfeifen in Gang zu erhalten.

So klein es war, es verbreitete doch in seiner n#228;chsten N#228;he soviel Licht, da#223; ich den H#228;uptling und die drei alten Krieger, welche an der Quelle sa#223;en, erkennen konnte. Es gab dort zwei nahe beisammenstehende B#252;sche; ich schob mich hin zu ihnen und schmiegte mich so eng an ihre Wurzelst#246;cke, da#223; selbst jemand, der vor#252;berging, mich nur dann sehen konnte, wenn er sich zuf#228;llig niederb#252;ckte. Jetzt befand ich mich so nahe bei den vier Roten, da#223; ich jedes ihrer Worte verstehen konnte.

Ja, jedes ihrer Worte - wenn sie n#228;mlich gesprochen h#228;tten; leider aber thaten sie das nicht. Sie rauchten und rauchten, ohne auch nur eine Silbe gegenseitig auszutauschen. Ich wartete f#252;nf Minuten, zehn Minuten, eine Viertelstunde und noch eine Viertelstunde sie sprachen kein Wort! Das war nicht nur eine Geduldprobe, sondern weit mehr als das. Der starke, fatale Geruch des wilden Hanfes schien es nur auf mich abgesehen zu haben; er drang mir in die Nase und reizte mich zum Niesen. Gl#252;cklicherweise war ich ge#252;bt im Unterdr#252;cken des Reizes zum Husten und Niesen, doch allzulange darf man sich dem auch nicht aussetzen. Schon wollte ich mich zur#252;ckziehen, da erschallte drau#223;en vor den B#252;schen ein lauter Ruf:

»Uff!« sagte da der H#228;uptling. »Die Kundschaften«

Also Kundschafter kamen. Die mu#223;ten ihre Meldung machen, wobei es jedenfalls etwas zu erlauschen gab. Ich blieb also liegen und f#252;hlte keine Spur mehr von dem vorigen Reize zum Niesen. Der Geist hat also auch die Nase in seiner Gewalt.

Jetzt h#246;rte man den Hufschlag von Pferden und den dumpfen Sto#223; von F#252;#223;en, welche aus dem Sattel sprangen und die Erde ber#252;hrten. Zwei M#228;nner erschienen; der eine kam nahe heran, und der andere blieb weiter zur#252;ck stehen. Der erstere war der Sprecher, sagte aber noch nichts, weil er aus Ehrerbietung auf die Anrede des H#228;uptlings warten mu#223;te. Dieser verharrte im Gef#252;hle seiner W#252;rde eine ganze Weile in tiefem Schweigen und unterbrach es endlich mit den Worten:

»Meine jungen Br#252;der kehren sp#228;t zur#252;ck; sie m#252;ssen weit nach S#252;den gekommen sein. Bis wohin sind sie gewesen?«

»Bis #252;ber das dunkle Thal hinaus.«

»Haben sie den Weideplatz der Nijoras gesehen?«

»Nein; so weit sind wir nicht gekommen.«

»Aber den Weg, welchen wir zu reiten haben, habt ihr euch eingepr#228;gt?«

»Wir kennen ihn so gut, als ob wir ihn hundertmal geritten w#228;ren.« »Ist er beschwerlich?«

»Nein. Nur auf die Platte des Canons und dann wieder hinab zu kommen, wird f#252;r den Wagen schwer sein.«

»Habt ihr keinen von den Hunden der Nijoras gesehen?«

»Einen einzigen zwischen der Platte des Canons und dem dunklen Thale.«

»Woher kam er?«

»Von Nord und ging nach S#252;d.«

»Er kam also von hier und ritt heimw#228;rts?«

»Er ritt heimw#228;rts; ob er aber von hier kam, das konnten wir nicht erfahren.« »Hat er euch bemerkt?«

»Nein. Wir erblickten ihn eher, als er uns sehen konnte, und hatten Zeit, ihm auszuweichen.«

»Warum habt ihr ihn nicht gefangen genommen?«

»Wir glaubten, es sei besser, ihn vor#252;berreiten zu lassen.«

»Trug er Kriegsfarben?«

»Nein.«

»Also der Weg nach der Platte des Canons und von dieser wieder hinab ist f#252;r den Wagen zu schwer?« »Er ist so steil und eng, da#223; es gro#223;e M#252;he machen wird, ihn mit nach dem dunklen Thale zu nehmen.« »Uff! Ich habe euch geh#246;rt; ihr k#246;nnt euch zu den andern lagern.«

Die beiden entfernten sich. Ich glaubte, die vier w#252;rden sich nun #252;ber das Geh#246;rte besprechen, aber sie schwiegen wieder wie vorher. Es verging eine Viertelstunde, bis ich endlich erkannte, da#223; das Sprichwort:

»Gut Ding will Weile haben« ein sehr richtiges ist, denn da lie#223; der H#228;uptling die Frage h#246;ren:

»Was sagen meine drei Br#252;der zu den Worten dieser Kundschafter?«

»Uff!« antwortete der erste.

»Uff!« meinte nach einer Weile der zweite.

»Uff!« erwiderte der dritte. Und dieser war doch so redselig, hinzuzuf#252;gen: »Der H#228;uptling mag zuerst sagen, was seine Meinung ist.«

Der also Aufgeforderte wartete f#252;nf oder sechs Minuten und sagte dann:

»Glauben meine Br#252;der, da#223; der Hund, dem unsere zwei Krieger begegnet sind, ein Kundschafter gewesen ist?«

»Nein,« antwortete der Aelteste von ihnen. »Er m#252;#223;te hier gewesen sein, wenn er ein Kundschafter w#228;re. Wir haben aber, als wir ankamen, keine Spur gesehen. Also kam er aus einer andern Richtung und ist kein Kundschaften«

»Mein Bruder hat richtig gesprochen. Aber haben unsere Sp#228;her gut gehandelt, indem sie ihn vor#252;berlie#223;en?«

»Ja. Wenn er unbehelligt in sein Lager kommt, wird man nicht denken, da#223; Feinde so nahe sind.«

»Wenn er aber doch ein Sp#228;her gewesen w#228;re! Wir werden sp#228;ter sehen, ob es gut gewesen ist, da#223; sie ihn haben entkommen lassen.«

Der H#228;uptling befand sich ganz auf der richtigen F#228;hrte, denn der Nijora, den die beiden Mogollons gesehen hatten, war derjenige, den ich heute fr#252;h vom tiefen Wasser fortgeschickt hatte. Doch wenn sie ihn auch ergriffen h#228;tten, w#228;re das wohl nicht von Nachteil f#252;r uns gewesen, weil er jedenfalls nichts gestanden haben w#252;rde. Der H#228;uptling fuhr fort:

»Und was sagen meine Br#252;der zu dem Wagen?«

»Wir h#228;tten ihn im Lager zur#252;cklassen sollen,« antwortete wieder der Aelteste. »Die Gefangenen k#246;nnen aber doch nicht reiten!«

»So h#228;tten auch sie zur#252;ckbleiben m#252;ssen; sie waren uns dort sicher. Wir konnten einige erfahrene Krieger bei ihnen lassen!«

»Die h#228;tten sie nicht verteidigen k#246;nnen.« »Gegen Winnetou und Old Shatterhand?«

»Ja. Mein Bruder hat ja geh#246;rt, da#223; die beiden ber#252;hmten M#228;nner mit ihren Gef#228;hrten auf dem Pueblo gewesen sind, um den Wei#223;en zu fangen, welcher sich Melton nennt. Dieser ist ihnen entflohen, und sie werden ihm nachkommen.«

»Wenn sie seine Spur entdecken!«

»Diese zwei Krieger finden jede F#228;hrte; sie werden auch die Spur Meltons finden und ihr folgen. Sie haben die Hunde der Nijoras gegen uns aufgehetzt; darum sandte ich ihnen Melton mit f#252;nfzig Kriegern entgegen. Treffen diese auf sie, so werden sie gefangen genommen. Treffen unsere Krieger aber nicht auf sie, so wird Winnetou mit Old Shatterhand und den andern nach unserm Lager am wei#223;en Felsen reiten, dort umkehren und uns nachkommen.«

»Dann haben wir eine gro#223;e Gefahr in unserm R#252;cken!«

»Sie bilden keine Gefahr f#252;r uns, denn wenn sie uns einholen werden, haben wir die Nijoras l#228;ngst besiegt und werden auch sie so in Empfang nehmen, da#223; sie uns nicht entkommen k#246;nnen. Es ist also gut, da#223; wir die Gefangenen mitgenommen haben, denn wenn wir sie an dem wei#223;en Felsen zur#252;ckgelassen h#228;tten, so w#228;ren selbst zwanzig oder drei#223;ig Krieger nicht im stande, sie gegen die List Old Shatterhands und Winnetous festzuhalten.«

Der gute H#228;uptling der Mogollons hatte wirklich eine ganz vortreffliche Meinung von uns. Leider waren alle seine Voraussetzungen und Berechnungen falsch. H#228;tte er das geahnt und dazu gewu#223;t, da#223; ich hier in seiner N#228;he lag und seine Worte h#246;rte, so w#228;re er wohl nicht so ruhig in seiner Rede fortgefahren, wie er es jetzt that:

»Den Wagen mu#223;ten wir nehmen, weil die Gefangenen nicht reiten k#246;nnen und zu Pferde unsern Zug verlangsamt h#228;tten.«

»Aber wenn wir ihn nicht durch die Hohlwege bringen, so m#252;ssen sie doch noch reiten!« meinte der Aelteste.

»Es wird sich finden, ob die Hohlwege zu schmal sind. Wenn wir morgen fr#252;h mit dem ersten Grauen des Tages aufbrechen, so lassen wir die Gefangenen unter einer gen#252;genden Bedeckung zur#252;ck; sie k#246;nnen uns in einigen Stunden nachfolgen. Wir erreichen also die Hohlwege eher als sie und k#246;nnen Stellen, welche zu eng sind, vielleicht weiter machen.«

»Haben wir Zeit genug, uns solange aufzuhalten?«

»Es bedarf jedenfalls nicht langer Zeit. Mit Hilfe der Tomahawks ist bald ein St#252;ckchen Felsen losgeschlagen. Howgh!«

Dies Wort war das Zeichen, da#223; er die Angelegenheit als abgethan betrachtete, und da er nun nicht weiter sprach, so schwiegen die andern drei auch. Ich wu#223;te, da#223;, wenn sie wieder ein Gespr#228;ch beginnen w#252;rden, dies erst nach einer langen Pause geschehen werde, und solange zu warten, konnte mir nicht einfallen. Ich kroch also unter den B#252;schen zur#252;ck und wendete mich nach links, wo, wie Winnetou gesagt hatte, der Wagen stand. Ich sah ihn am diesseitigen Ufer des Quellb#228;chleins stehen, welches hier nur anderthalb Fu#223; breit war. Jenseits, doch ganz in der N#228;he, sa#223; ein Indianer im Grase, der sein Gewehr neben sich liegen hatte. Das war der W#228;chter.

Zun#228;chst kroch ich noch weiter, denn ich mu#223;te wissen, in welcher Entfernung sich die n#228;chsten Mogollon befanden. Es waren vielleicht zw#246;lf bis vierzehn Schritte bis zu ihnen. Als ich das erfahren hatte, kroch ich wieder zur#252;ck zum Wagen. Es war eine alte, hoch und breit gebaute Ueberlandpostkusche, ein wahres Unget#252;m, wie es jetzt keins mehr giebt.

Wie bereits wiederholt erw#228;hnt, hatte die Wolke die Sterne verfinstert, soda#223; man nicht weit sehen konnte. Unter dem alten Karren aber war es noch finsterer als rund umher, und da ich im tiefen Schatten lag, konnte die Wache mich nicht erkennen, w#228;hrend ich sie ziemlich deutlich sitzen sah.

Zu meinem gro#223;en Erstaunen bemerkte ich, da#223; das nach meiner Seite gerichtete Fenster des Wagens offen war, eine gro#223;e Unvorsichtigkeit der Mogollons, wenn die Gefangenen sich drin befanden. Vielleicht waren sie nicht drin, sondern anderswo, und Winnetou hatte sich geirrt. Vielleicht aber - hm, das w#228;re dumm! vielleicht sa#223; ein zweiter W#228;chter drin bei ihnen, und dann war es allerdings zu erkl#228;ren, da#223; ein Fenster offen stand.

Ich hatte mir vorgenommen, mit ihnen zu reden, und wollte nun, da ich einmal da war, nicht gern darauf verzichten. Wie das aber nun anfangen? Ich hielt nur zwei F#228;lle f#252;r annehmbar: entweder sie waren nicht drin, oder sie sa#223;en drin, und dann befand sich jedenfalls ein Mogollon bei ihnen. Wie nun erfahren, welcher

von den F#228;llen der richtige war, aber ohne mich dabei in Gefahr zu bringen? Ich erhob mich halb, doch beim Rade, soda#223; zwei R#228;der zwischen mir und dem dr#252;ben sitzenden W#228;chter waren und er mich unm#246;glich sehen konnte, klopfte an die Th#252;r und lie#223; mich dann sofort niederfallen. Ich hatte so geklopft, da#223; die Insassen es h#246;ren mu#223;ten, jener W#228;chter es aber nicht h#246;ren konnte. Sa#223; ein Mogollon drin, so blickte er jetzt ganz gewi#223; zum offenen Fenster heraus. Ich sah empor. Mit gegen den Himmel gerichteten Augen konnte ich alles deutlich erkennen - es erschien kein Kopf. Ich klopfte noch einmal, doch mit demselben Erfolge. Mehr als Fortsetzung dieser Versuche, als weil ich mir einen Erfolg davon versprach, klopfte ich zum drittenmal, und da antwortete mir ein vorsichtig leises Klopfen am Boden des Wagens. Ah, sie waren also dennoch drin! Und zwar ohne Aufsicht! Aber wahrscheinlich gefesselt, sonst h#228;tte man das Fenster nicht offen gelassen und ihnen einen W#228;chter hineingegeben. Ich richtete mich also ganz auf, hielt den Kopf an den offenen Schlag und fragte leise hinein:

»Mr. Murphy, seid Ihr da?«

»Yes,« antwortete es ebenso leise.

»Habt Ihr drin Platz auf dieser Seite?«

»Ja. Wollt Ihr etwa herein, Sir?«

»Ja.«

»Um Gottes willen, da gebt Ihr Euch ja augenblicklich gefangen!«

»F#228;llt mir nicht ein! Drin bin ich viel sicherer als hier au#223;en. Schreit die Wagenth#252;r, wenn sie ge#246;ffnet wird?«

»Nein. Die metallenen Angeln sind verloren gegangen und durch lederne B#228;nder ersetzt worden.« »Gut, ich komme also hinein!«

Diese Fragen und Antworten waren, wie die Situation es mit sich brachte, in hastiger Weise gegeben worden. Ich lie#223; mich wieder in das Gras nieder und blickte zwischen den Vorder- und Hinterr#228;dern zu dem W#228;chter hin#252;ber. Er sa#223; noch genau so dort wie vorher. Ich zog einen Stein heraus, zielte gut und warf ihn so, da#223; er mehrere Schritte jenseits des W#228;chters in das Gras fiel. Der letztere h#246;rte das Ger#228;usch; er stand schnell auf und horchte. Ich nahm einen zweiten Stein aus der Tasche und warf ihn weiter, als ich den ersten geworfen hatte. Der Mogollon lie#223; sich betr#252;gen und entfernte sich in der Richtung des Schalles, den er geh#246;rt hatte; er sah und h#246;rte also nicht nach uns her#252;ber. Im Nu war ich wieder auf, #246;ffnete die Th#252;r, stieg ein und zog sie hinter mir wieder zu; sie gab dabei nicht das leiseste Ger#228;usch von sich. Als ich nun mit den H#228;nden tastete, f#252;hlte ich links die beiden, welche nebeneinander sa#223;en; der Sitz zu meiner rechten Hand war leer, und ich lie#223; mich darauf nieder. Zu meiner abermaligen Verwunderung sah ich, da#223; das jenseitige Fenster auch offen stand.

»Ihr seid es also doch, Sir!« fl#252;sterte der Advokat mir hastig zu. »Welche Verwegenheit von Euch! Ihr wagt -«

»Still!« unterbrach ich ihn. »Jetzt kein Wort! Ich mu#223; zun#228;chst den W#228;chter beobachten.«

Als ich hinausblickte, sah ich diesen zur#252;ckkehren. Er war wohl mi#223;trauisch geworden, denn er trat dr#252;ben an den Wagenschlag und fragte in das Innere herein:

»Sind die beiden Bleichgesichter noch drin?«

Er hatte sich in einem ganz schlechten Englisch ausgedr#252;ckt. »Yes!« antworteten beide zugleich.

Ich glaubte, dies werde genug f#252;r den Roten sein, hatte mich aber geirrt, denn er sagte, und zwar nun in seinem spanisch-indianischen Mischmasch:

»Es gab ein Ger#228;usch. Sind die Fesseln noch fest? Ich werde sie untersuchen.«

Er setzte den Fu#223; auf den Wagentritt und langte mit den Armen durch das Fenster, um die dr#252;ben sitzende S#228;ngerin zu betasten. Als er sich #252;berzeugt hatte, da#223; ihre Fesseln in Ordnung waren, sprang er dr#252;ben ab und kam um den Wagen herum auf die andere Seite. Schnell r#252;ckte ich hin#252;ber und dr#252;ckte mich soviel wie m#246;glich zusammen. Er erschien am andern Fenster, griff herein und untersuchte die Banden des Rechtsgelehrten. Als er auch diese im besten Zustande fand, verschwand er mit einem unverst#228;ndlichen Murmeln. Ich r#252;ckte auf die Mitte meines Sitzes, und als ich von da aus hinauslauschte, sah ich, da#223; er sich auf seiner fr#252;hern Stelle wieder niedersetzte.

»Jetzt k#246;nnten wir sprechen,« sagte ich. »Nur h#252;tet Euch, da#223; "s" und andere Zischlaute zu laut auszusprechen! Er hat sich beruhigt.«

»Mein Himmel, in welcher Gefahr habt Ihr Euch befunden!« meinte Murphy. »Er brauchte nur hin#252;ber zu greifen, so hatte er Euch!«

»Oder ich ihn! Habt keine Sorge um mich! Es ist ganz so, wie ich sagte: ich bin hier viel sicherer als drau#223;en. Ich werde hier in dem Wagen bleiben, so lange es mir gef#228;llt, und ihn verlassen, wenn es mir beliebt.«

»Aber es handelt sich nicht nur um die Freiheit, sondern auch um das Leben!« h#246;rte ich Martha mit zitternder Stimme sagen.

»Um keins von beiden; ich bin vollst#228;ndig sicher! Welcher Art sind eure Fesseln?«

»Zun#228;chst sind wir aneinander gebunden, durch ein Lasso, welches man um uns gewunden hat. Sodann hat man uns die H#228;nde auf den R#252;cken befestigt. Und drittens tragen wir eine Schlinge um den Hals, deren Ende unten am Sitze befestigt ist. Wir k#246;nnen also gar nicht aufstehen, ohne uns zu erw#252;rgen.«

»Das ist freilich eine sehr komplizierte Art, sich eurer Personen zu versichern. Da ist eigentlich gar kein W#228;chter n#246;tig, und nun wundere ich mich nicht mehr dar#252;ber, da#223; man die Fenster ge#246;ffnet hat, um euch wenigstens Luft zu g#246;nnen.«

»Die Fenster? Das ist hier eine h#246;chst imagin#228;re Sache. Fenster giebt es ja nicht; der liebensw#252;rdige H#228;uptling hat sie herausgemacht. Ihr werdet wissen, welchen ungeheuren Wert zwei Glasscheiben f#252;r einen solchen Kerl haben.«

»Allerdings. Also darum standen die Fenster offen! Sch#246;n! Nun handelt es sich vor allen Dingen darum, euch zu sagen, was ihr zu thun habt, falls ich hier bei euch entdeckt werden sollte.«

»Was?«

»Wartet noch! Erst mu#223; ich eure Fesseln untersuchen; dann kann ich es euch sagen.«

Ich fand die Banden so, wie Murphy sie mir beschrieben hatte.

»So,« sagte ich dann, »Jetzt wei#223; ich, wohin ich mein Messer zu f#252;hren habe.« »Euer Messer?«

»Ja. H#246;rt wohl auf meine Worte! Bleibe ich jetzt unentdeckt, so wird eure Gefangenschaft bis morgen fr#252;h dauern; entdeckt man mich aber, so seid ihr sofort frei.

Pa#223;t auf! Wenn ich hier bemerkt werde, so ist es mein erstes, eure Fesseln zu zerschneiden. Dazu bedarf es nicht mehr als zehn Sekunden. Dann halte ich die Roten uns mit meinen zwei Revolvern vom Halse, w#228;hrend ihr die Th#252;r hier zu meiner linken Hand #246;ffnet, hinausspringt und in gerader Richtung durch die B#252;sche lauft. Dort werdet ihr Sch#252;sse h#246;ren. Es ist Winnetou, den ihr bei seinem Namen ruft. Wenn ihr ihn erreicht habt, seid ihr sicher, denn alle diese drei- oder vierhundert Mogollons werden, wenn sie den Namen Winnetou rufen h#246;ren, es nicht wagen, euch in die Dunkelheit hinein zu verfolgen.«

»Gut, aber Ihr? Wollt Ihr etwa hier zur#252;ckbleiben?«

»F#228;llt mir nicht ein! Sobald ich bemerke, da#223; ihr fort und in Sicherheit seid, komme ich nach.« »Wenn Ihr k#246;nnt! Man wird Euch umringen, Euch erstechen, erschie#223;en!«

»Pshaw! Denkt doch nicht solche Sachen! Ihr kennt den Westen nicht; ich aber kenne ihn und wei#223;, wie es kommen wird. Vielleicht wird der H#228;uptling nach euch sehen, oder wenn der W#228;chter abgel#246;st wird, #252;berzeugt sich der neue Posten, da#223; ihr noch da seid. Nur bei diesen beiden Gelegenheiten ist es m#246;glich, da#223; man mich entdeckt. Wir haben es auf alle F#228;lle mit zwei, h#246;chstens drei oder vier Personen zu thun, und diese schie#223;e ich in nicht mehr und nicht weniger Augenblicken nieder. Das wird freilich L#228;rm, aber auch t#252;chtige Verwirrung geben, und niemand wird sich dahin wagen, wo geschossen wird, also hierher nach dem Wagen. Inzwischen seid ihr lange fort, und es bedarf h#246;chstens noch einiger Sch#252;sse, um auch mich in Sicherheit zu bringen. Wahrscheinlich aber kann ich gleich mit euch die Flucht ergreifen.«

»Tod und Wetter!« meinte der Advokat. »Es handelt sich hier um nicht weniger als um alles, und da redet Ihr in einer Weise, so kalt und so ruhig, als ob Ihr einem kleinen Kinde zu erkl#228;ren h#228;ttet, da#223; zweimal acht nicht f#252;nfzehn, sondern sechzehn giebt!«

»Wie anders soll ich sprechen? Es droht mir jetzt nicht die allerkleinste Gefahr. Also jetzt wi#223;t ihr, was ihr zu thun habt f#252;r den Fall, da#223; irgend ein Neugieriger mich erwischt. Geschieht dies nicht, so werdet ihr morgen fr#252;h befreit werden.«

»Gebe der Himmel, da#223; Eure zuversichtlichen Worte sich bewahrheiten, da#223; wir frei werden! Dann aber sind wir noch lange nicht fertig. Es giebt noch mehr zu thun. Wir m#252;ssen Jonathan Melton haben.«

»Den habe ich.«

»Was - wie - Sir -!«

»Still, still!« warnte ich, ihn unterbrechend. »Nennt Ihr das "fl#252;stern"? Wenn der Rote es h#246;rt!« »Ist es wahr! Soll ich das glauben? Sir, ich m#246;chte laut Hurra und Viktoria schreien!« »Das la#223;t bleiben! Sp#228;ter k#246;nnt Ihr meinetwegen schreien, da#223; Euch der Atem ausgeht.«

»Wo habt Ihr ihn denn ergriffen?« »Am tiefen Wasser, an welchem auch Euer Wagen gehalten hat. Die Millionen habe ich auch.«

»Wo, wo?« fragte er begierig. »Hier in meiner Brusttasche.«

»Wie! Was? Ihr tragt die ungeheure Summe bei Euch!«

»Nat#252;rlich! Soll ich sie etwa an einen Baum h#228;ngen oder in die Erde vergraben?«

»Und wagt Euch damit hierher, mitten zwischen vierhundert Feinde und in diese Ueberlandpostkutsche hinein? Wenn man Euch erwischt, ist das Geld wieder verloren.«

»Man wird mich eben nicht erwischen! Ich bin der festen Ueberzeugung, da#223; hier meine Tasche ein besserer Aufbewahrungsort f#252;r dieses Geld ist, als es Euer Geldschrank in New Orleans war. Uebrigens mag Euch der Umstand, da#223; ich es bei mir trage, beweisen, wie sicher ich mich hier in der alten Kutsche f#252;hle, und ich w#252;nsche sehr, da#223; es, wenn ich es den rechtm#228;#223;igen Eigent#252;mern #252;bergeben habe, bei diesen keinen gr#246;#223;eren Gefahren ausgesetzt ist als jetzt bei mir! Doch, wir sind von unserem eigentlichen Thema abgekommen. Wir wollen von Jonathan Melton reden.«

»Ja, wie er in Eure H#228;nde gekommen ist. Ich w#252;nsche, Ihr h#228;ttet sehen und h#246;ren k#246;nnen, wie er sich gegen mich benommen hat, als er zu den Mogollons kam und mich als deren Gefangenen vorfand!«

»Gab er sich noch immer f#252;r den wirklichen Small Hunter aus?«

»Das fiel ihm gar nicht ein. Ich h#228;tte ihn mit meinen H#228;nden erw#252;rgen k#246;nnen!«

»Sein Gest#228;ndnis wird uns sp#228;ter sehr n#252;tzlich sein.«

»Er teilte mir sogar mit teuflischer Schadenfreude mit, da#223; ich den Osten niemals wieder sehen w#252;rde und da#223; auch Mrs. Werner hier verschwinden m#252;sse.«

»Daf#252;r wird er ihn selbst wiedersehen, und zwar in Eurer und in unserer Gesellschaft. Er ist endlich unsch#228;dlich gemacht worden, obgleich er die Hoffnung hegt, sich wieder befreien zu k#246;nnen.«

»So! Hegt er die wirklich?«

»Er hat es mir in das Gesicht gesagt.«

»Der Schurke! Erz#228;hlt, erz#228;hlt, Sir! Ich mu#223; wissen, wie er in Eure H#228;nde geraten ist und wie er sich dabei benommen hat!«

Es braucht wohl kaum erw#228;hnt zu werden, da#223; wir uns w#228;hrend der Unterredung mit der #228;u#223;ersten Vorsicht benahmen, und da#223; der drau#223;en sitzende W#228;chter w#228;hrend derselben oft und scharf beobachtet wurde. Dem Advokaten, der sich wohl in seinen Gesetzesparagraphen aber nicht in der Wildnis heimisch f#252;hlte, war es um sich selbst bange und um mich erst recht himmelangst zu Mute, und da#223; sich die S#228;ngerin in nicht geringerer Angst befand, verstand sich von selbst. Ich aber hatte wirklich keine Sorge, weder um die beiden, noch um mich selbst. Der Innenraum der alten Kutsche war in Wirklichkeit f#252;r mich ein besserer Aufenthalt, als jeder andere Ort in der N#228;he. So konnte ich denn mit beinahe vollst#228;ndiger Unbefangenheit erz#228;hlen, was ich zu erz#228;hlen hatte, nur da#223; ich #246;fters einen Blick hinaus auf den W#228;chter warf, um zu sehen, da#223; er noch an seinem Platze sa#223;. Aber so ganz ohne gef#228;hrliche Unterbrechung sollte mein Bericht denn doch nicht zu Ende gehen. Ich war damit noch nicht ganz fertig, als ich gezwungen war, zu schweigen. Ich h#246;rte Schritte, und als ich hinausblickte, sah ich einen Roten kommen, der unsern Posten voraussichtlich abzul#246;sen hatte. Der letztere stand auf; der erstere aber kam an den Wagen, stellte sich auf das Trittbrett und f#252;hrte die Untersuchung der Fesseln ganz in der Weise, wie sein Vorg#228;nger aus, erst auf der rechten dann auf der linken Seite der Kutsche. Es verstand sich ganz von selbst, da#223; ich mich beidemal in die entgegengesetzte Ecke meines Sitzes dr#252;ckte, welchem Umstande ich es zu verdanken hatte, da#223; die Gefahr gl#252;cklich vor#252;berging.

Der vorige W#228;chter war fortgegangen, und der jetzige hatte sich fast genau an dieselbe Stelle gesetzt. Als die beiden Gefangenen nun kurz erfahren hatten, was ihnen #252;ber Jonathan Melton zu wissen n#246;tig war, fuhr ich fort:

»Die Mogollons werden fr#252;h, sobald der Tag zu grauen beginnt, aufbrechen. Ihr sollt mit dem Wagen unter Bedeckung noch f#252;r einige Zeit zur#252;ckbleiben. Diese Bedeckung werden wir Ueberfallen, und dann seid ihr frei.»

»Wie das klingt!« meinte der Advokat. »Die Bedeckung werden wir #252;berfallen, und dann seid ihr frei! Als ob das nur so glatt abgehen m#252;#223;te, wie beim Papierschneiden! Meint Ihr denn, da#223; die Bedeckung sich nicht wehren wird?«

»Vielleicht, oder sogar wahrscheinlich thut sie es.«

»Schrecklich! Und das sagt dieser Mann so ruhig! Sir, ich bitte Euch, bringt mich nur dieses Mal gl#252;cklich heim! Es soll mir nie im Leben wieder einfallen, nach dem wilden Westen zu gehen! Was meint Ihr wohl, wird die Bedeckung, die bei uns zur#252;ckzubleiben hat, stark sein?«

»Schwerlich. Der H#228;uptling wird sicher nur soviel Reiter bei euch lassen, wie unumg#228;nglich n#246;tig sind, ungef#228;hr zehn.«

»Die k#246;nnen doch nichts gegen Euch und Eure hundert Nijoras machen!«

»Volle hundert haben wir nicht, da wir eine Anzahl zur Bewachung der heute gefangenen Mollogons verwenden m#252;ssen, dennoch werden wir aber eurer Bedeckung sechs- oder siebenmal #252;berlegen sein. Dazu kommt der Schreck, den die Leute haben werden, wenn wir so unerwartet #252;ber sie herfallen. Ich denke, da#223; wir die Sache ganz ohne Blutvergie#223;en abmachen werden. So, nun will ich gehen.«

»Nehmt Euch in acht, da#223; Euch nicht doch noch schlie#223;lich der Posten bemerkt!«

»Den schicke ich fort, wie den vorigen. Pa#223;t auf!«

Ich zog zwei Steine aus der Tasche; da sagte Martha, und zwar in deutscher Sprache, w#228;hrend wir uns bis jetzt der englischen bedient hatten:

»Sie haben so viel, so au#223;erordentlich viel f#252;r uns gethan und gewagt; f#252;gen Sie jetzt noch die Erf#252;llung einer gro#223;en Bitte hinzu!«

»Gern, wenn ich kann.«

»Sie k#246;nnen. Schonen Sie sich! Warum m#252;ssen nur Sie immer voran sein! Ueberlassen Sie den Ueberfall morgen doch andern!«

»Ich danke Ihnen f#252;r die Freundlichkeit, welche f#252;r mich in Ihrer Bitte liegt. Da#223; ich mich schone, versteht sich ganz von selbst; doch will ich Ihnen gern versprechen, da#223; ich mich morgen ganz besonders in acht

nehmen werde.«

Ich mu#223;te ihre Bitte doch beantworten, und konnte dies nicht gut in einer andern Weise thun. Nun warf ich einen Stein hinaus. Wir pa#223;ten auf und sahen, da#223; der Posten aufmerksam wurde; beim zweiten Steine stand er auf, und als ich dann noch einen dritten, den letzten, weiter hin#252;berwarf, entfernte er sich in der Richtung des Ger#228;usches, welches dadurch verursacht worden war.

»Gute Nacht! sagte ich. »Es wird alles gut ablaufen; habt also keine Sorge! Auf Wiedersehen morgen fr#252;h!«

Durch das Fenster greifend, #246;ffnete ich die Th#252;r, stieg hinaus und machte sie leise wieder zu, um mich dann gleich auf den Boden niederzuwerfen, denn ich sah, da#223; der Posten schon zur#252;ckkehrte. Auch ihn hatte der Fall der Steine mi#223;trauisch gemacht. Er setzte sich nicht nieder, sondern trat, ganz wie sein Vorg#228;nger, zum Wagen, um das Innere zu untersuchen, gl#252;cklicherweise auf der mir entgegengesetzten Seite. Es war als wahr- wahrscheinlich anzunehmen, da#223; er dann auch diesseits kommen werde; darum rollte ich mich so schnell und so weit wie m#246;glich fort und blieb dann liegen, um nicht etwa seine Aufmerksamkeit durch irgend eine Bewegung auf mich zu ziehen. Er kam aber nicht her#252;ber, sondern blieb dr#252;ben und setzte sich wieder nieder. Nun kroch ich weiter. Da ich jetzt wu#223;te, wo die Feinde sich befanden und da#223; ich keinen von ihnen vor mir hatte, konnte ich mich bald vom Boden erheben und den Weg zu Winnetou gehend zur#252;cklegen.

Er stand noch genau da, wo ich ihn verlassen hatte. Ich fragte ihn: »Ist dir die Zeit lang geworden?«

»Nein,« antwortete er. »Mein Bruder ist zwar l#228;nger, als ich dachte, fortgeblieben, aber da kein L#228;rm zu h#246;ren war, wu#223;te ich, da#223; er eine Gelegenheit zum Lauschen gefunden habe, und war also ohne Sorge um ihn.«

»Ja, ich habe gelauscht; doch komme fort zu unsern Pferden! Wir haben keine Veranlassung, hier stehen zu bleiben, und es ist f#252;r alle F#228;lle besser, wenn wir uns nicht so sehr in der N#228;he des feindlichen Lagers befinden.«

Der Nijora sa#223; bei den drei Pferden. Als er uns kommen sah, stand er ehrerbietig auf. Wir setzten uns und forderten ihn auf, dies auch zu thun. Er gehorchte, doch so, da#223; zwischen uns und ihm die bei den Roten gebr#228;uchliche Respektentfernung lag.

Wir sa#223;en eine Weile stumm. Ich wu#223;te, da#223; Winnetou mich nicht fragen oder zum Sprechen aufforden werde, darum begann ich:

»Mein Bruder mag einmal raten, wo ich gesessen habe!«

Er warf mir einen pr#252;fenden Blick zu, senkte das Auge nachdenklich zu Boden und antwortete dann:

»Waren die beiden Gefangenen noch in dem Wagen?«

»Ja.«

»So hast du bei ihnen gesessen. Wei#223; mein Bruder, was er da gethan hat?« »Was?«

»Er hat den gro#223;en Geist versucht, welcher seine guten Menschen nur dann besch#252;tzt, wenn sie sich nicht ohne Ursache in Gefahr begeben. Wer sich ohne Grund in ein rei#223;endes Wasser st#252;rzt, kann, selbst wenn er ein guter Schwimmer ist, leicht darin umkommen. Ich mu#223; meinen Bruder ob seiner Verwegenheit tadeln!« »O, im Inneren des Wagens war ich weit sicherer, als anderswo!«

Ich erz#228;hlte ihm, was ich gesehen und geh#246;rt hatte. Am wichtigsten war f#252;r uns der Umstand, da#223; der Wagen nach dem Aufbruche der Mollogons zur#252;ckbleiben und erst sp#228;ter nachkommen sollte.

»Wir werden die Bedeckung #252;berfallen und die beiden Gefangenen befreien,« sagte der Apatsche.

»Das ist auch meine Ansicht; es fragt sich aber, ob sie die richtige ist. Es gibt einen sehr triftigen Grund, den Wagen und seine Bedeckung unbel#228;stigt fortzulassen, n#228;mlich die Enge der beiden Hohlwege. Findet der H#228;uptling der Mogollons, da#223; sie so breit sind, da#223; der Wagen hindurch kann, so wird er unbesorgt weiterreiten und annehmen, da#223; derselbe ihm folgen werde. In diesem Falle k#246;nnen wir die Gefangenen befreien, ohne da#223; er es zu fr#252;h bemerkt.«

»Und wenn aber die Wege zu eng sind?«

»So wird er halten bleiben, um die schmalen Stellen mit Hilfe der Tomahawks erweitern zu lassen. Ist dann der Wagen zur bestimmten Zeit nicht da, so wird er Verdacht sch#246;pfen und Boten zur#252;cksenden. In diesem Falle ist es notwendig, von der Befreiung der beiden Gefangenen zun#228;chst noch abzusehen.«

»Mein Bruder hat recht.«

Nach diesen Worten fiel er in ein l#228;ngeres Nachdenken. Ich konnte leicht erraten, womit er sich besch#228;ftigte, und hatte mich da nicht geirrt, denn als er zu einem Resultate gekommen war, sagte er:

»Wir k#246;nnen die Bedeckung des Wagens getrost #252;berfallen, denn die Wege sind so breit, da#223; er hindurch kann.«

»Wei#223;t du das genau?«

»Ja, ich habe den Wagen gesehen und kenne seine Breite. Da wir die Mogollons oben auf der Platte #252;berfallen wollen, so handelt es sich nur um den einen Weg, welcher hinauf-, nicht aber auch um den andern, der jenseits wieder hinabf#252;hrt; der erstere aber bietet kein Hindernis. Ich bin jetzt im Geiste dort gewesen, und habe mit den Augen meiner Seele jede Stelle ausgemessen. Der Wagen kann hindurch.«

»So werden sich die Mogollons also nicht unten aufhalten, sondern ohne Verz#246;gerung hinauf zur Platte reiten.«

»So ist es. Wir k#246;nnen also die zur#252;ckgebliebene Bedeckung des Wagens getrost #252;berfallen.« »Wie meinst du, da#223; das am besten geschehen k#246;nnte?«

»Mein Bruder hat die Oertlichkeit gesehen und mag mir seine Meinung sagen!«

»Ich m#246;chte dabei keinen Menschen t#246;ten oder verwunden. Um das zu erreichen, mu#223; der Ueberfall eine Ueberrumpelung sein; er mu#223; ganz pl#246;tzlich geschehen.«

»H#228;lt mein Bruder dies f#252;r m#246;glich? Jeder Mo- Mogollon, welcher hier zuf#228;llig au#223;erhalb der B#252;sche steht, mu#223; uns doch kommen sehen und wird L#228;rm machen.«

»So m#252;ssen wir nicht hier auf dem Wege, also von Norden her, sondern von S#252;den kommen, weil die

Mogollons von dort her am allerwenigsten einen Feind erwarten k#246;nnen. Der H#228;uptling reitet mit #252;ber dreihundert Mann nach S#252;den. Wenn wir eine halbe Stunde sp#228;ter aus dieser Gegend kommen, k#246;nnen die Zur#252;ckgebliebenen uns unm#246;glich f#252;r Feinde halten. Ja, sie werden h#246;chstwahrscheinlich denken, wir seien eine Schar der Ihrigen, welche aus irgend einem Grunde zur#252;ckkehren mu#223;te, und erst dann, wenn sie unsere Gesichter erkennen, werden sie ihren Irrtum einsehen. Dann aber ist es schon zu sp#228;t f#252;r sie.«

»Mein Bruder hat das Richtige getroffen, wie immer; sein Plan wird ausgef#252;hrt. Was dann aber weiter?«

»Von der Quelle des Schattens bis auf die Platte des Canons, auf welcher der Kampf stattfinden soll, sind drei Stunden zu reiten. Ich m#246;chte die Gefangenen, welche wir heute gemacht haben und morgen fr#252;h noch machen werden, nicht mit nach der Platte nehmen. Sie hindern uns, und k#246;nnen uns sogar gef#228;hrlich werden.«

»Was soll denn mit ihnen geschehen?«

»Sie m#246;gen unter hinreichender Aufsicht an der Schattenquelle zur#252;ckbleiben. Da sie sich nur drei Stunden von uns befinden, sind sie uns jedenfalls sicher genug. Lassen wir vierzig Nijoras bei ihnen, welche wir unter den Befehl Emerys stellen, so ist's gerade so gut, als ob sie sich unter unsern Augen bef#228;nden.«

»Auch darin stimme ich meinem Bruder bei, denn wenn wir sie mitnehmen, m#252;ssen wir k#228;mpfen und sie zugleich beaufsichtigen, wobei ihnen irgend ein unerwarteter Umstand die Freiheit verschaffen kann. Sie m#246;gen also zur#252;ckbleiben. Hat mein Bruder die Absicht, sich direkt am Kampfe zu beteiligen?«

»Das kommt auf die Umst#228;nde an. Ich t#246;te nicht gern einen Menschen; aber die Nijoras sind unsere Freunde und Br#252;der geworden, und wir m#252;ssen ihnen also gegen die Mogollons beistehen, welche nicht nur ihre Feinde, sondern auch die unserigen sind. Wir haben die Aufgabe, den Mogollons zu folgen, sie durch den Hohlweg hinauf auf die Platte und den dort wartenden Nijoras in die H#228;nde zu treiben. Das m#252;ssen wir auf jeden Fall thun. Was dann noch zu geschehen hat, werden die Umst#228;nde ergeben. Am liebsten w#228;re es mir freilich, wenn die Mogollons ihre Waffen streckten, ohne den Kampf zu beginnen.«

»Das werden sie nicht thun oder h#246;chstens nur dann, wenn ihnen kein Zweifel bleibt, da#223; der Widerstand sie in den sichern Tod treiben w#252;rde.«

»So mu#223; man ihnen das zu beweisen suchen! Der Plan, den wir dem H#228;uptlinge der Nijoras mitgeteilt haben, will ja diesen Erfolg erreichen.«

»Denkt mein Bruder, da#223; der H#228;uptling nach diesem Plane handeln wird?«

»Ich meine es; wenigstens w#228;re er ein gro#223;er Thor, wenn er es nicht th#228;te; und wie ein Thor ist er, den ich zwar nur erst einmal gesehen habe, mir nicht vorgekommen.«

»Dennoch w#228;re es n#252;tzlich, ja sogar notwendig, Gewi#223;heit dar#252;ber zu erlangen, ob er unsern Vorschl#228;gen Folge geleistet hat. Willst du ihm einen Boten senden, um ihn fragen zu lassen?«

»Nein, denn dazu ist die Zeit zu kurz. Ehe der Bote ihn erreicht und wieder zu uns zur#252;ckkehrt, ist es zu sp#228;t; auch w#252;rde er sicher den Mogollons begegnen und von ihnen weggefangen werden. Auch gen#252;gt es nicht, nur zu erfahren, ob der H#228;uptling nach unsern Weisungen handeln will, sondern es ist notwendig, zu wissen, da#223; er wirklich nach denselben handeln wird.«

»Du meinst also eine Beaufsichtigung. Dann m#252;#223;te einer von uns beiden hin. Das ist's doch, was du sagen willst?«

»Das ist es. Und nur dann, wenn du bei ihm bist oder ich bei ihm bin, kann er bestimmt werden, von unn#252;tzem Blutvergie#223;en abzusehen. Ich kenne die beiden Gefangenen, weiche hier zu befreien sind, und habe es mehr wie du mit der Erbschaftsangelegenheit, also mit der Bewachung Jonathan Meltons, zu thun, geh#246;re also mehr hierher. Du bist viel l#228;nger als ich ein Freund der Nijoras; also reite du zu ihrem H#228;uptlinge.«

»Du sagst es, und ich bin einverstanden; ich werde sofort aufbrechen.« »Nimmst du den jungen Krieger mit, der sich bei uns befindet?« »Ja.«

»So bitte ich dich, ja darauf zu sehen, da#223; auf der Platte der Wald dicht besetzt wird und hinter dem Felsenzuge sich genug Krieger aufstellen. Geschieht das, so giebt es f#252;r die Mogollons keinen Ausweg. Wenn sie sich nicht ergeben, so werden sie entweder wie zusammengetriebenes Wild niedergeschossen oder in den tiefen Canon getrieben, dessen Grund sich mit ihren zerschmetterten Gliedern f#252;llen w#252;rde.«

»Du kannst #252;berzeugt sein, da#223; ich nichts unterlassen werde, was einen friedlichen Ausgang herbeizuf#252;hren vermag; gehen aber die Mogollons nicht darauf ein, so kann ich nicht verhindern, da#223; sie in den sichern Tod rennen. Bringe du sie nur den Hohlweg heraufgetrieben!«

Nachdem noch einige andere Bemerkungen ausgetauscht worden waren, setzte er sich zu Pferde; der Nijora stieg auch auf; dann ritten sie davon, nat#252;rlich zun#228;chst einen Bogen schlagend, um das feindliche Lager zu umgehen. Die Entscheidung nahte.

Nun befand ich mich allein. Ich ritt noch ein St#252;ck zur#252;ck, um beim Anbruche des Morgens nicht von den MogolIons gesehen zu werden, pflockte mein Pferd an und legte mich nieder. Zum Schlafen etwa? Ich h#228;tte schlafen d#252;rfen, denn ich befand mich an einer Stelle, an welcher kein Un- oder Ueberfall zu erwarten war; aber ich hatte am Tage genugsam ausgeruht, und mu#223;te daran denken, da#223; wir jetzt, in der heutigen Nacht, an dem Schlusse unserer vielen und schweren Bem#252;hungen standen. Die H#228;nde unter dem Kopfe und die Augen gen Himmel gerichtet, an welchem die Sterne jetzt wieder erschienen, da das Gew#246;lk im Westen verschwunden war, dachte ich an all die Ereignisse von jenem Tage an, an welchem ich Harry Melton, den Ermordeten, in Guaymas zum erstenmal gesehen hatte. Welche Ereignisse, welche Sorgen, M#252;hen, Entt#228;uschungen und Gefahren lagen zwischen jenem Tage und dem heutigen Abend! Die Lehre aus allem, allem, was ich in dieser Zeit erfahren und erlebt hatte, bestand in den wenigen und doch so schwerwiegenden Worten: Bewahre dir allezeit ein gutes Gewissen!

So sann und sann ich, bis meine Gedanken weniger scharf wurden; dann tr#228;umte ich halb, halb wachte ich, und endlich schlief ich doch ein. Da ich mich nicht in meine Decke geh#252;llt hatte, wurde ich von der empfindlich k#252;hlen Luft geweckt. Der Stand der Sterne sagte mir, da#223; es ungef#228;hr eine Stunde vor Morgen war.

Bald darauf h#246;rte ich Pferdegetrappel von Norden her. Ich ging dem Schalle entgegen, und legte mich auf die Erde. Ein Zug von Reitern kam, eine Strecke voran zwei; der eine war ein Wei#223;er, der andere ein Roter, welcher wohl den F#252;hrer machte. Ich stand auf und rief sie an, und zwar mit verstellter Stimme:

»Halloo, Mesch'schurs! Wohin der Ritt?«

Die beiden parierten sofort ihre Pferde und griffen zu ihren Gewehren. Der Wei#223;e antwortete:

»Wen geht es etwas an, wohin wir reiten? Komm n#228;her, Bursche, und lasse dich sehen, wenn du keine Kugel kosten willst!«

»Versteht Ihr denn, einen Menschen zu treffen, Mister Emery?«

»Emery? Der Kerl kennt mich! Wer mag - - Alle Wetter, bin ich dumm!« unterbrach er sich. »Das ist doch jedenfalls kein anderer als der alte Charley, den sie Shatterhand nennen! Komm her, mein Kind, und sage uns, wo der Apatsche steckt!«

»Steigt ab; dann sollst du es erfahren. Wir m#252;ssen hier halten. Ist alles in Ordnung, Emery?« »Alles.«

»Und Jonathan?«

»Kommt da hinten mit seiner lieben Judith geritten. Dunker hat sich sein erbarmt, und mag nun keinen Augenblick mehr von ihm lassen.«

Der Zug hielt an, und alle stiegen ab. Ich ging vor allen Dingen zu Melton. Eben war er vom Pferde genommen, und neben Judith auf die Erde gelegt worden. Dunker stand bei ihnen.

Dann sah ich nach den gefangenen Mogollons. Sie lagen auf der Erde, zwei und zwei mit den R#252;cken gegeneinander zusammengebunden. Die waren uns sicher; die konnten nicht entfliehen. Dann erz#228;hlte ich Emery, Dunker und dem Unterh#228;uptlinge, was ich mit dem Apatschen beobachtet und besprochen hatte, und fragte hierauf den letzteren:

»Kennt mein roter Bruder vielleicht eine nahe, an der Schattenquelle liegende Stelle, von welcher aus wir die abziehenden Mogollons beobachten k#246;nnen, ohne von ihnen bemerkt zu werden?«

»Es giebt eine solche,« antwortete er. »Sobald mein Bruder es w#252;nscht, werde ich ihn zu derselben f#252;hren.«

»Gut! Wir m#252;ssen sehr bald aufbrechen, da der Morgen nahe ist. F#252;nfzig deiner Krieger m#246;gen uns begleiten, um die zur#252;ckbleibenden Feinde zu #252;berfallen. Die andern f#252;nfzig bleiben zur Bewachung der Gefangenen hier.«

»Und ich?« fragte Dunker.

»Ihr m#252;#223;t unbedingt bei Melton bleiben, den ich Euch anvertraut habe.«

»Well! Ich bin also sein Kerkermeister. Da mag er den Gedanken an eine Flucht nur immer fallen lassen!« »Aber ich darf doch mit?« erkundigte sich Emery. »Ich m#246;chte dich bitten, auch hier zu bleiben.« »Warum? M#246;chte gar zu gern dabei sein.«

»Um zu sehen, wie wir zehn oder zw#246;lf Indianer fangen? Das ist nichts. Bedenke, da#223; wir au#223;er Melton noch f#252;nfzig Gefangene zu bewachen haben. Die mu#223; ich unter ganz sicherer Obhut wissen. Es ist ein Vertrauensposten f#252;r dich, Emery.«

»Gut! Wenn du es mir von dieser Seite klar und fein machst, kann ich es nicht gut grob nehmen. Wann sollen wir nach der Quelle kommen?«

»Ich schicke euch einen Boten.«

Nach kurzer Zeit stiegen f#252;nfzig Nijoras wieder auf. Ihr Unterh#228;uptling setzte sich mit mir an ihre Spitze, und f#252;hrte uns nicht s#252;d-, sondern westw#228;rts, um die Quelle des Schattens nach dieser Richtung zu umgehen. Sp#228;ter lenkten wir nach S#252;den, und dann nach Osten ein; der Bogen war geschlagen, und wir hielten vor einer langgestreckten, nicht bedeutenden und schmalen Anh#246;he, auf welcher Geb#252;sch zu stehen schien.

»Wir befinden uns an Ort und Stelle,« sagte der Unterh#228;uptling. »Wie weit von der Quelle?« erkundigte ich mich.

»F#252;nf Minuten. Wer auf diese kleine H#246;he steigt und sich da hinter das Geb#252;sch legt, kann die ganze Gegend der Quelle des Schattens #252;berblicken und wird doch selbst nicht gesehen.«

»Das ist gut. Warten wir, bis es Tag geworden ist. Aber gebt gut auf die Pferde acht, damit nicht etwa eines davonl#228;uft und uns verr#228;t!«

Die Warnung war eigentlich unn#252;tz, denn niemals wird ein Indianerpferd sich weit von seinesgleichen entfernen. Wir lagen am Fu#223;e der Anh#246;he, bis die Sterne nach und nach erblichen und ein leiser D#228;mmerschein im Osten zu bemerken war. Dann stieg ich mit dem Unterh#228;uptlinge hinauf. Wir legten uns hinter die B#252;sche und warteten, bis es hell genug war, die unter und vor uns liegende Gegend zu #252;berblicken. Das dauerte nicht lange.

Das Geb#252;sch, welches uns Deckung gab, lief auf dem R#252;cken der Anh#246;he hin, stieg jenseits derselben hinab, verbreiterte sich nach und nach, wurde da, wo die Quelle aus der Erde trat, wieder schm#228;ler und h#246;rte nachher ganz auf, um in die grasige Prairie #252;berzugehen.

»Das ist ja herrlich!« sagte ich zu dem Indsman. »Wir k#246;nnen uns das Terrain ja gar nicht besser w#252;nschen!«

»So ist mein wei#223;er Bruder mit mir zufrieden?«

»Vollst#228;ndig, vollst#228;ndig! Die Stelle ist die allerbeste f#252;r unsere Absichten. Wir k#246;nnen die ganze Gegend #252;berblicken und den Abzug der Mogollons beobachten. Dann brauchen wir gar keine Pferde, um die zur#252;ckgebliebenen Feinde durch die Schnelligkeit unseres Kommens zu #252;berraschen; wir lassen sie vielmehr hier. Wir k#246;nnen ja ganz heimlich im Geb#252;sch hier hinuntersteigen, und uns bis an die Quelle schleichen. Besser konnten wir es wirklich nicht treffen.«

Der Indianer wollte es sich nicht merken lassen, doch sah ich es ihm sehr wohl an, da#223; er stolz auf das Lob war.

Wir sahen das Lager der Mogollons vor uns; sogar die Decke der Postkutsche war zu sehen; sie ragte aus den B#252;schen heraus. Die Roten waren vom Schlafe erwacht und bereiteten sich zum heutigen Ritte vor. Viele a#223;en; einige wuschen sich erst; andere hatten mit ihren Pferden zu thun. Nach einiger Zeit ert#246;nte ein schriller Schrei, das Zeichen zum Aufbruche. Jeder eilte zu seinem Pferde, um es zu besteigen; dann bildete sich der Zug, immer ein Reiter hinter dem andern, soda#223; wir sie leicht z#228;hlen konnten; es waren ihrer dreihundert und vier; ihre lange Linie bewegte sich nach S#252;den, wo, wie wir #252;berzeugt waren, das Verderben ihrer wartete.

Die Zur#252;ckgebliebenen sahen den Davonziehenden nach; sie standen vor dem Geb#252;sch, ihrer zehn Mann. Da#223; es nicht mehr waren und vielleicht einer, oder einige noch hinter den B#252;schen steckten, ergab der Umstand, da#223; wir nur vierzehn Pferde weiden sahen, zehn Reitpferde und vier f#252;r den Wagen.

Als die Fortziehenden im S#252;den verschwunden waren, konnten wir an das Werk gehen. Zehn Mann zu #252;ber- #252;berwinden, brauchten wir nicht mehr als eben so viele. Dennoch ordnete ich an, da#223; drei#223;ig Mann mitgehen und die #252;brigen dann mit den Pferden nachkommen sollten; besser ist doch immer besser.

Durch die B#252;sche gedeckt, gingen wir auf der Anh#246;he hin, stiegen jenseits hinab und folgten dann dem Geb#252;sch weiter, bis wir in der N#228;he der Quelle ankamen. Ich kroch vor, um zu rekognoszieren. Die zehn armen Teufel sa#223;en am Wasser, und machten Fr#252;hst#252;ck. Ich sch#228;mte mich fast, mit der dreifachen Uebermacht #252;ber sie herzufallen. Sie waren, als die Nijoras #252;ber sie kamen, so erschrocken, da#223; keiner von ihnen sich wehrte oder zu entfliehen suchte; in einem Nu hatte man sie gebunden. Ich aber war an die alte Postkutsche getreten, #246;ffnete den einen Schlag derselben und rief hinein:

»Guten Morgen, Mrs. Werner und Mr. Murphy! Hier bin ich, um mein Wort zu halten.«

Martha stie#223; einen Jubelruf aus, und schlo#223; dann die Augen. Sie war zwar nicht ohnm#228;chtig geworden, aber die Freude #252;bermannte sie. Ich zog das Messer, schnitt ihre Fesseln entzwei, hob sie heraus und setzte sie in das Gras, da sie zu schwach zum Stehen war. Da rief der Advokat ungeduldig:

»Nun auch mich, Sir! Wie lange soll ich warten!«

»Nur Geduld, Mr. Murphy! Man kann nicht mehreren auf einmal dienen. Auch Ihr sollt frei sein.«

Als ich ihn losgeschnitten hatte, kam er herausgestiegen, reckte und renkte seine Glieder und sagte:

»Gott sei Dank! Das Elend ist zu Ende. Das war eine f#252;rchterliche Situation da drin in dem alten Karren!«

F#252;r mich hatte er ein Wort des Dankes nicht, daf#252;r aber eines von anderer Art. Er legte seine Linke auf meine Schulter und fragte:

»Sir, ist bei Euch noch alles in Ordnung?« Dabei klopfte er mir mit der Rechten auf die Brust. »Habt Ihr die Brieftasche noch?«

»Ja. Sonderbare Frage!«

»Weil ich wissen mu#223;, wieviel es noch ist.«

»Warum m#252;#223;t, h#246;rt Ihr, m#252;#223;t denn gerade Ihr es wissen?«

»Weil ich - alle Wetter, das versteht sich doch ganz von selbst!«

»Nein, das versteht sich nicht so ganz von selbst.«

»Ich bin doch der Erbschaftsverwalter und habe zu bestimmen, was mit dem Gelde werden und wer es bekommen soll!«

»Bildet Euch das nicht ein! Erbschaftsverwalter waret Ihr, seid es aber nicht mehr. Und was aus dem Gelde werden und wer es bekommen soll, habt Ihr nicht mehr zu bestimmen, seit Ihr so pfiffig gewesen seid, die ganze Erbschaft einem Betr#252;ger ohne alle genaue Pr#252;fung nur so in die Tasche zu stecken.«

»So werde ich Euch eines andern belehren!«

Das sagte er in drohendem Tone; ich antwortete ruhig.

»Ich bef#252;rchte, da#223; Ihr da einen sehr unaufmerksamen Sch#252;ler an mir haben werdet.«

»O, Ihr werdet schon aufmerken m#252;ssen! Also gebt Ihr das Geld nicht heraus?« »Nein.«

»Auch wenn ich es Euch befehle?«

»Befehlen? La#223;t Euch doch nicht auslachen. Dieses Geld werde ich so lange behalten, bis der rechtm#228;#223;ige Eigent#252;mer gefunden ist.«

»Wollt Ihr etwa bestimmen, wer derselbe ist?«

»Das brauche ich nicht, denn er hat sich schon gefunden, und ich kenne ihn.«

»Ich kenne ihn auch. Er hat die Erbschaft auf amtlichem Wege aus meiner Hand zu erhalten. Also heraus damit! Wollt Ihr oder wollt Ihr nicht?«

»Nein! Uebrigens ersuche ich Euch, Euern jetzigen Ton abzulegen; ich bin ihn nicht gewohnt! Es w#252;rde Euch ein ganz anderer ziemen!«

»So? Meint Ihr? Welcher denn?«

»Der des Dankes. Ich bin Euer Retter, sogar Euer Lebensretter. W#228;re ich nicht, so w#252;rdet Ihr den Osten niemals wiedersehen. Ich schnitt Euch hier los. Habe ich ein einziges Wort des Dankes daf#252;r erhalten? Der Bettler sagt Dank f#252;r einen Bissen Brot. Ich habe Euch die Freiheit und das Leben zur#252;ckgegeben, und bekomme Grobheiten daf#252;r! Wenn Ihr glaubt, mir damit zu imponieren, so irrt Ihr Euch sehr!«

»Und Ihr imponiert mir noch viel weniger. Warum Ihr das Geld nicht herausgeben wollt, das wei#223; ich gar zu wohl! Ihr wollt das Geld nicht herausgeben, um so im stillen f#252;r Euch - -«

»Halt! Nicht weiter, kein Wort weiter!« donnerte ich ihn an. »Es giebt Dinge, auf welche man nur mit der Faust antwortet!«

»Eure Faust? Phsaw! Vor der habe ich gar, gar keinen Respekt, obgleich Ihr Euch Old Shatterhand schimpfen la#223;t! Ihr wollt einen Teil des Geldes in Eure eigene Tasche verschwinden lassen, und - -«

Er sprach nicht weiter, denn er flog in einem weiten Boden durch die Luft, #252;ber den n#228;chsten Strauch und jenseits desselben zur Erde nieder.

Martha war vor Angst emporgesprungen. Sie erfa#223;te meine beiden H#228;nde, indem sie in flehendem Tone rief.

»Um Gottes willen, t#246;ten Sie ihn nicht! Er hat nicht eine Spur des Rechtes, so mit Ihnen zu reden; er hat Sie schwer beleidigt, ich f#252;hle mich mit Ihnen gekr#228;nkt und werde nie wieder mit ihm reden, au#223;er wenn ich mu#223;; aber t#246;ten Sie ihn nicht!«

»T#246;ten? Pah! Ich habe ihn nur auch ein wenig "wegwerfend" behandelt; das ist alles. Er wird sich wahrscheinlich h#252;ten, mir jemals wieder so nahe zu kommen und so nahe zu treten wie jetzt, sonst werfe ich den Ehrent#246;ter in die Luft, da#223; er an der Sichel des Mondes h#228;ngen bleibt!«

Da kamen die zwanzig Nijoras mit den Pferden. Ich gab einem von ihnen den Befehl, zur#252;ckzureiten und

Emery und Dunker mit ihrer Truppe zu holen. Die Pferde thaten sich zun#228;chst am Wasser g#252;tlich, und verbreiteten sich sodann #252;ber die saftige Grasfl#228;che. Murphy war aufgestanden, und hatte sich auf die Seite gedr#252;ckt. Er sa#223; hinter einem Busche, und rieb sich verschiedene Teile seines K#246;rpers. Martha hatte sich wieder erholt. Sie wollte von Dankesworten #252;berflie#223;en; ich bat sie aber, zu schweigen, und sie that mir den Gefallen, die Bitte zu erf#252;llen.

Dann kamen unsere zur#252;ckgebliebenen Krieger mit den Gefangenen geritten. Die zehn Mogollons stie#223;en Ausrufe des Schreckens aus, als sie ihre f#252;nfzig gefangenen Kameraden erblickten. Ich wollte eben einen Befehl geben, welcher die Ueberbringung der Leute betraf, als meine Aufmerksamkeit durch ein lautes Br#252;llen in Anspruch genommen wurde. Der Advokat stie#223; es aus. Er hatte Jonathan Melton gesehen, war aufgesprungen, warf sich auf diesen, den man schon vom Pferde genommen hatte, ri#223; ihn zu Boden und bearbeitete mit beiden F#228;usten und unter w#252;tendem Geschrei das Gesicht des Betr#252;gers, der sich gegen den Angriff nicht zu wehren vermochte.

Emery und Dunker warfen mir fragende Blicke zu. Sie wu#223;ten nicht, sollten sie Murphy wegrei#223;en oder ihn gew#228;hren lassen.

»Bindet schnell Melton los!« rief ich Dunker zu.

Da Jonathan soeben von dem Pferde gehoben worden war, hatte man ihm die Beine noch nicht wieder gefesselt, und nur seine H#228;nde waren gebunden. Es gen#252;gte ein Augenblick, ihm dieselben frei zu geben, und kaum war dies geschehen, so gebrauchte er sie zur Abwehr gegen den Angreifer, der noch immer nicht von ihm lassen wollte. Es entstand ein Pr#252;gelei, welcher alle Indianer, Freie und Gefangene, mit unendlichem Behagen zuschauten. Bald war der eine oben, bald der andere; es dauerte lange, ehe es zur Entscheidung kam, wer der Sieger war, und als dieser Moment endlich eintrat, zeigte es sich, da#223; sie beide unterlegen waren, denn sie hatten einander so mitgespielt, da#223; sie beide nebeneinander vollst#228;ndig ermattet liegen blieben.

Emery war zu mir getreten, hatte mich ganz verwundert angesehen und gefragt:

»Warum giebst du zu, da#223; Murphy solche Hiebe bekommt? Du hast Melton ja geradezu gegen ihn losgelassen!«

»Weil er sich nichts anma#223;en soll. Wer giebt ihm das Recht, Melton zu maltraitieren? Vorhin verlangte er unter Drohungen das Geld von mir und sagte mir, anstatt sich f#252;r seine Befreiung zu bedanken, ich g#228;be es nicht heraus, um mir einen Teil davon heimlich anzueignen.«

»Pfui! Du hast ihm doch daf#252;r beide F#228;uste in die Augen gegeben?«

»Nein. Ich habe die Z#252;chtigung dem lieben Jonathan #252;berlassen.«

»Well, auch kein #252;bler Gedanke! Bist doch ein origineller Kerl, alter Scout! Nun liegen sie da und schnappen nach Atem. Ist beiden recht geschehen; kann weder dem einen noch dem andern etwas schaden. Aber den Melton sollen wir doch wieder fesseln?«

»Ja; doch Judith wird frei gegeben.«

»Die! Warum?«

»Damit sie Mrs. Werner bedienen kann.«

»Ganz richtig! Diesen Gedanken h#228;tte ich nicht gehabt. Aber ob sie sich dazu hergeben wird?« »Werde es ihr schon plausibel machen!«

Die J#252;din erstaunte nicht wenig dar#252;ber, da#223; man ihr die Fesseln abnahm; ich stand bei der S#228;ngerin und rief sie zu mir her.

»Mamsell Silberberg, es liegt in Ihrer Hand, sich Ihre Lage zu erleichtern,« sagte ich.

»Wie - wie - wie nennen Sie mich?« fragte sie, indem sie mir frech in die Augen blickte. »Was haben Sie mit mir vor?«

»Sie werden dahin gebracht, wohin wir Melton bringen.« »Ich gehe nicht mit! Ich habe andere und heiligere Pflichten.« »Welche denn?«

»Ich mu#223; zu meinem Vater, der mich braucht.« »Wo ist denn der liebe Mann zu finden?« »Das geht Sie nichts an!«

»Dann gehen mich auch die R#252;cksichten nichts an, welche Sie so pl#246;tzlich gegen ihn vorgeben. Sie haben ihn nie genannt, sich wahrscheinlich gar nicht um ihn gek#252;mmert, und nun sch#252;tzen Sie auf einmal diese "heiligen"

Pflichten vor. Leider aber d#252;rfen wir dieselben nicht beachten. Sie sind Meltons Mitschuldige; Sie k#246;nnen vollen Aufschlu#223; #252;ber ihn und seine Verbrechen geben, und wir haben daf#252;r zu sorgen, da#223; dies am richtigen Ort geschehen wird.«

»So wollen Sie mich weiter mit sich schleppen?«

»Nicht schleppen, sondern mitnehmen! Wir d#252;rfen Sie doch nicht hier im wildesten Westen verkommen lassen und werden Sie in sch#246;nere und civilisiertere Gegenden bringen.«

»Ich will aber nicht!« rief sie aus, indem sie mit dem Fu#223;e stampfte.

»Um Ihren Willen werden wir uns wohl nicht viel bek#252;mmern. Also h#246;ren Sie: Mrs. Werner braucht eine Dienerin. Wollen Sie die Stelle annehmen, so wird Ihnen soviel wie m#246;glich Erleichterung werden.«

»Dienerin, Dienstbote, Dienstm#228;dchen?« lachte sie h#246;hnisch auf. »F#228;llt mir nicht ein, mich so weit wegzuwerfen! Niemals!«

»Wie Sie wollen! Aber dann werden Sie wieder gefesselt!«

»Ist mir gleich; thun Sie es! Ich bin Lady; ich bin Dame; und gerade f#252;r diese Frau hier w#252;rde ich erst recht keinen Finger regen. Ich bin die Witwe eines H#228;uptlings, also eines Mannes, der ein Herrscher war!«

»Gut! Ich werde Ihnen also die ledernen Witwenschleier wieder um die H#228;nde und F#252;#223;e legen lassen«

Ein Wink von mir gen#252;gte; sie wurde wieder gebunden. Es war auch besser so, denn wenn sie die

Erlaubnis gehabt h#228;tte, sich frei zu bewegen, w#228;re es ihr doch vielleicht gelungen, heimlich mit Melton zu paktieren und ihm zur Flucht zu verhelfen.

Seit dem Abzuge der Mogollons waren nun beinahe drei Viertelstunden vergangen. Emery machte mich auf diesen Umstand aufmerksam. »Wir m#252;ssen fort,« sagte er, »sonst kommen wir nicht zur rechten Zeit an den Hohlweg.«

»Du sagst "wir"?«

»Nat#252;rlich! Oder ist das falsch? Hei#223;t das etwa, da#223; ich nicht mitgehen soll?« »Ja.«

»Das bilde dir nicht ein; ich bleibe auf keinen Fall hier zur#252;ck!«

»Ich denke, du wirst nicht nur bleiben, sondern dich sogar freiwillig dazu erkl#228;ren.«

»Den Kuckuck werde ich! W#228;hrend andere k#228;mpfen, will ich nicht als Faulpelz oder gar als Feigling hier auf der B#228;renhaut liegen bleiben!«

»Es kann weder von Faulheit noch gar von Feigheit die Rede sein. Du wei#223;t, da#223; Winnetou fort ist, um darauf zu sehen, da#223; unser Plan strikte ausgef#252;hrt wird. Er mu#223;te fort, sonst h#228;tten uns die Nijoras vielleicht alles verdorben. Wenn alles klappen soll, mu#223; einer von uns unten am Hohlwege stehen; er hat mit wenigen Leuten die ganze Gewalt des R#252;cksto#223;es, welcher die Mogollons wieder den Hohlweg herabdr#228;ngen wird, auszuhalten. Wer soll das sein?«

»Du nat#252;rlich. Das ist eine heikle Aufgabe und ich habe nicht Lust, mir sp#228;ter wegen irgend eines Fehlers die Schuld am Mi#223;lingen zuschieben zu lassen. Wer da unten postiert ist, mu#223; mit dem Apatschen, der oben kommandiert, im innern Zusammenhange stehen; das ist bei dir der Fall, bei mir aber nicht.«

»Gut! Also Winnetou oben auf der Platte und ich unten am Hohlwege; das siehst du ein, und das ist abgemacht. Nun giebt es noch einen dritten Posten, welcher zwar anderer Art, aber ebenso wichtig ist wie die beiden vorhergehenden.«

»Der hier an der Quelle?«

»Ja. Es handelt sich um die Gefangenen, von denen Melton der wichtigste ist. Entkommt er, so wei#223;t du, was das hei#223;t. Dabei sind sechzig Mogollons zu bewachen, die Yumas der J#252;din gar nicht mitgerechnet. Ein kleiner, ganz unbedachter Umstand kann die Kerls zur Rebellion bringen und zur Freiheit f#252;hren,«

»Sie sind ja alle gefesselt!«

»Dies gibt uns eben nur dann Sicherheit, wenn ein zuverl#228;ssiger Mann hier gebietet; ist dies aber nicht der Fall, so kann das kleinste Versehen zum Verderben f#252;hren. Denke dir den Schreck, wenn ich mit f#252;nfzig oder sechzig Mann hier fortritte, um #252;ber dreihundert Mogollons in den Hohlweg zu treiben, und es erschienen pl#246;tzlich hinter uns die sechzig oder siebzig Gefangenen, welche sich losgemacht h#228;tten!«

»Alle Wetter! Das w#228;re allerdings eine fatale Geschichte. Ihr w#252;rdet zwischen den beiden Haufen erdr#252;ckt, und mit euerm ganzen sch#246;nen Plane w#228;re es zu Ende!«

»Das siehst du also ein? Wir brauchen hier einen t#252;chtigen Kerl. Soll ich den Posten etwa Dunker anvertrauen?« »Dunker? Hm! Er ist ein guter Pfadfinder und auch sonst ein ganz passabler Mensch, aber ihm Wichtiges oder gar sehr Wichtiges anvertrauen, das m#246;chte ich doch nicht.«

»Ganz meine Meinung. Dann bleibt von uns nur einer #252;brig.«

»Well! So mu#223; ich es also #252;bernehmen. Du hast mich richtig breitgeschlagen.«

»Habe ich dir nicht gesagt, da#223; du dich selbst anbieten w#252;rdest? Ich wu#223;te es.«

»Hm, eigentlich wu#223;te ich es auch; aber es w#228;re mir lieb gewesen, wenn ich da oben auf der Platte h#228;tte mit zuschlagen d#252;rfen.«

»Es fragt sich noch, ob es #252;berhaupt zum Zuschlagen kommt. Also du wirst hier kommandieren. Wie viel Leute brauchst du, um die Gefangenen in Schach zu halten?«

»Zehn werden gen#252;gen, da alle gefesselt sind. Denkst du nicht?«

»Ich denke es. Siebzig eng gefesselte Menschen sind sogar mit noch weniger Kr#228;ften in Schach zu halten, n#228;mlich wenn nichts passiert. Da man aber nicht eine Stunde weit in die Zukunft blicken kann, ist es besser, man sieht sich vor. Nimm drei#223;ig! Mir bleiben da noch immer siebzig.«

»Daf#252;r hast du aber auch die schwerste Partie eures Planes auszuf#252;hren, und zwar mit noch nicht ganz einmal dem vierten Teile der Leute, welche Winnetou oben auf der Platte hat.«

»Es gen#252;gt. Was mir an Leuten mangelt, mu#223; ich durch die Taktik zu ersetzen suchen.«

»Taktik! Ganz milit#228;rwissenschaftlich!«

»Allerdings,« lachte ich. »Hundertundsiebzig Leute brauche ich; siebzig habe ich; folglich fehlen gerade hundert. An die Stelle der hundert mu#223; hier die alte Ueberlandpostkutsche treten. Ist das nicht Taktik?«

»Sprichst du im Ernste? Willst du sie etwa als Kanone gebrauchen? Dann bin ich neugierig, womit du sie laden wirst!«

»Nicht als Kanone, sondern als Sturmbock.«

»Sturmbock? Das ist ja eine ganz und gar mittelalterliche Maschine!«

»Die ich aber in die Neuzeit #252;bersetze, denn mein Sturmbock wird lebendig und nicht von totem Holz und Eisen sein.«

»Begreife ich nicht!«

»Und ist doch so ungeheuer einfach! Du siehst doch ein, da#223; wir den Wagen mitnehmen m#252;ssen?«

»Nein, das sehe ich vielmehr ganz und gar nicht ein. Wie wollt ihr euch frei bewegen k#246;nnen, wenn ihr den alten Kasten mit euch schleppt!«

»So h#246;re! Wir d#252;rfen den Mogollons, wenn sie in den Hohlweg eingedrungen sind, keine Zeit und auch keinen Raum lassen, umzukehren. Wir m#252;ssen uns also hart hinter ihnen befinden; das ist aber gef#228;hrlich, weil sie sich umdrehen und auf uns werfen k#246;nnen. Da dient uns denn die Kutsche als Maske. Wenn diese

hinter den Mogollons erscheint, werden die letzteren uns f#252;r ihre eigenen Krieger halten.«

»Ah, richtig! Fein ausgedacht! Aber die Sache hat einen Haken. Bei der Kutsche waren zehn Krieger; du aber kommst mit siebzig, das mu#223; doch verd#228;chtig erscheinen.«

»O nein. Du hast die f#252;nfzig vergessen, die bei Melton waren und hier gefangen liegen. Man wird denken, da#223; es diese sind.«

»Richtig, richtig! Die f#252;nfzig haben die zehn mit der Kutsche hier getroffen und sich mit ihnen vereinigt. Da betr#228;gt der Unterschied nur zehn, was wohl nicht auffallen wird. Und dann? Was geschieht dann?«

»Das wirst du sofort h#246;ren.«

Ich rief den Unterh#228;uptling zu mir und bat ihn:

»Rufe deine Leute zusammen und sage ihnen, da#223; ich sechs gute Reiter brauche, welche sich mit mir zu einem gef#228;hrlichen Unternehmen freiwillig vereinigen sollen!«

Er folgte der Aufforderung und da meldeten sich denn nicht mehr und nicht weniger als - alle. Nun erkl#228;rte ich ihm und den Seinen, soda#223; sie alle es h#246;rten:

»Wir m#252;ssen den Mogollons mit dem Wagen folgen, soda#223; sie uns f#252;r die Ihrigen halten und wir gleich nach ihnen in den Hohlweg eindringen k#246;nnen. Wenn sie die Platte oben erreicht haben und da sehen, da#223; sie eure tapfern Br#252;der in einer unangreifbaren Stellung vor sich haben, werden sie umkehren wollen. Das m#252;ssen wir verh#252;ten. Ich will ihnen durch den Wagen den R#252;ckweg versperren. Um den steilen Hohlweg hinanzukommen, mu#223; ich wenigstens acht Pferde anspannen. Keiner von euch kann fahren; ich werde mich also selbst auf den Bock setzen, um die hintersten zwei Pferde an der Deichsel zu lenken. Auf jedem der sechs vorderen Pferde soll einer von euch sitzen, um sie anzutreiben. Wenn wir hinter den Mogollons anlangen, werden sie die sechs zun#228;chst f#252;r Br#252;der ihres Stammes halten. Sp#228;ter aber, wenn wir ihnen n#228;her kommen, steht zu bef#252;rchten, da#223; sie uns erkennen und auf uns schie#223;en. Also haben die sechs Reiter vor dem Wagen eine sehr gef#228;hrliche Aufgabe zu erf#252;llen. Darum w#252;nsche ich, da#223; die Leute sich freiwillig melden m#246;chten. Wer jetzt noch Lust hat, mag seinen rechten Arm erheben!«

Da flogen alle Arme empor.

»Du siehst, da#223; es keinen Feigling unter uns giebt,« sagte der H#228;uptling mit stolzem L#228;cheln. »Wenn Old Shatterhand sich vorn auf den Wagen setzt und sein Leben wagt, wird kein einziger dieser Krieger zur#252;ckbleiben.«

»Gut, machen wir es also noch anders! Die sechs Krieger, welche ich haben will, m#252;ssen ausgezeichnete Reiter sein, denn es gilt, den Wagen im Galopp den

Hohlweg emporzurei#223;en und unter den voranreitenden Mogollons eine m#246;glichst gro#223;e Verwirrung anzurichten. Ich kenne euch nicht; ihr selbst m#252;#223;t euch kennen. Sucht mir die sechs besten und sichersten Reiter aus!«

Das nahm der Unterh#228;uptling in die Hand. Es war auch nicht leicht, da es galt, keinen zur#252;ckzusetzen und keinen zu beleidigen, doch brachte er in kurzer Zeit die sechs zusammen, ohne da#223; die andern murrten. Wie ich zu meiner Beruhigung h#246;rte, waren die Stangenpferde noch da, welche den Wagen bis an den wei#223;en Felsen gezogen hatten. H#228;tte ich zwei halbwilde Indianerpferde an die Deichsel nehmen m#252;ssen, so w#228;re diese mir ganz sicher abgebrochen worden. Es war auch schon ohnedies anzunehmen, da#223; die Fahrt eine gef#228;hrliche sein werde. Gl#252;cklicherweise befand sich das Riemenzeug in leidlichem Zustande. Die sechs Vorderpferde brauchten kein Geschirr; es reichte f#252;r jedes ein Lasso hin, welcher an die Deichsel und an den Bauchgurt befestigt wurde. Die Vorbereitungen wurden schnell getroffen, und bald stand der Wagen mit acht Pferden bereit zur Fahrt. Emery kam zu mir und sagte in ungew#246;hnlich ernstem Tone:

»Konnte sich kein anderer auf den Bock setzen? Mu#223;t gerade du dich den feindlichen Kugeln bieten?«

»Wahrscheinlich wird nicht viel geschossen werden,« antwortete ich, »und es trifft, wie du wei#223;t, nicht jede Kugel. Aber ich will nicht leichtsinnig sein. Ich k#246;nnte doch eine Kugel bekommen oder st#252;rzen oder sonstwie verletzt oder gar von den Pferden fortgerissen werden. Da gilt es, unser Geld in Sicherheit zu bringen. Willst du die Brieftasche aufbewahren, bis ich wiederkomme?«

»Gern, wenn du es w#252;nschest. Wann aber denkst du, da#223; du wiederkommst?«

»Ich denke, da#223; in vier Stunden alles entschieden sein wird. Kann ich dann aus irgend einem Grunde nicht zur#252;ckkehren, so werde ich dir wenigstens einen Boten senden.«

»Thue das, Charley! Ich werde die Ankunft desselben mit der gr#246;#223;ten Spannung erwarten.«

»Und la#223; dir Melton nochmals an das Herz gelegt sein. Mag geschehen, was nur immer geschehe, er darf nicht wieder loskommen. Jage ihm lieber eine Kugel in den Kopf, als da#223; du ihn entwischen l#228;#223;t!«

»Hab' kein Sorge! Dunker l#228;#223;t ihn keinen Augenblick aus der Beobachtung. Der schneidet sich eher die rechte Hand ab, als da#223; er ihn entfliehen l#228;#223;t. Um eins bitte ich dich, wenn du es mir nicht #252;bel nimmst!«

»Was?«

»Wage nicht zu viel, alter Charley! Du wei#223;t, es giebt Leute in dieser Gegend, die lieber selbst dem leibhaftigen Tode entgegenblicken als dir in die erstarrten Augen sehen m#246;chten. Versprich mir das, he, ja?«

Wahrhaftig, dem braven Englishman standen die Thr#228;nen im Auge, so sehr hing er an mir! Er stellte sich die Gefahr, welcher ich entgegenging, viel gr#246;#223;er vor, als sie war. Ich reichte ihm ger#252;hrt die Hand und antwortete:

»Hab' Dank, guter Emery, f#252;r deine Sorge! Du darfst versichert sein, da#223; ich mich nicht blind ins Verderben st#252;rze. Es giebt noch andere Leute, welche auch w#252;nschen, da#223; ich noch lange lebe. Denke daran, da#223; ich Eltern daheim habe, die ich bald wiedersehen will! Freilich, dem Mutigen lacht der Erfolg, und wenn ich ihn durch ein kleines Wagnis leichter und schneller erringen kann als sonst, so stehe ich nicht gern hintenan. Hier ist die Brieftasche mit dem Gelde; komm mit hinter den Wagen, damit niemand sieht, da#223; du sie einsteckst!«

Als wir miteinander fertig waren, kam auch noch Martha und sagte:

»Es giebt so auff#228;llige Vorbereitungen, und ich h#246;re hier und da ein Wort, aus dem ich schlie#223;e, da#223; Sie beabsichtigen, sich in eine Gefahr zu st#252;rzen. Bitte dringend, mir zu sagen, ob dies wirklich so ist!«

»Es ist nicht so,« antwortete ich. »Ich unternehme mit Ihrem Wagen eine Fahrt nach der Platte des Canons; das ist alles.«

»Nach der Platte, auf welcher der Kampf stattfinden soll! Also wohl gar eine Fahrt in den Tod?«

Ihre Augen hatten sich erweitert und waren mit einem gro#223;en, #228;ngstlich starren Blicke auf mich gerichtet.

»In den Tod?« lachte ich heiter auf. »Das lassen Sie sich von einer Bef#252;rchtung sagen, welche gar keinen Grund hat. Aller Wahrscheinlichkeit nach werde ich die sehr ungef#228;hrliche Rolle eine Friedensvermittlers auf mich zu nehmen haben.«

»So gehen Sie mit Gott! Es bleibt hier jemand zur#252;ck, dessen beste W#252;nsche Sie begleiten.«

Noch war ich damit besch#228;ftigt, zur Anfeuerung der Pferde aus Riemen und dem mehrfach zusammengelegten Lasso, welcher den elastischen Stiel bilden sollte, einen Kantschu zusammenzusetzen, da schickte Jonathan Melton zu mir, um mir zu sagen, da#223; er notwendig mit mir zu sprechen habe. Als ich zu ihm kam und ihn nach seinem Begehr fragte, antwortete er, mich finster anblickend:

»Ich sehe, da#223; Ihr fort wollt. Wohl in den Kampf?«

»Ja.«

»Habt Ihr das Geld einstecken?« »Warum fragt ihr?«

»Weil Ihr es nicht der Vernichtung aussetzen d#252;rft!« »Wenn ich es bei mir habe, wird es nicht vernichtet.«

»Doch! Ich sage Euch, da#223; Ihr nicht zur#252;ckkehren werdet. Ihr geht dem sichern Tode entgegen. Aber wenn Ihr versprecht, mich frei zu lassen, werde ich Euch retten, indem ich Euch den Plan der Mogollons verrate.«

»So! Also Eure Freunde und Bundesgenossen wollt Ihr verraten! Das sieht Euch #228;hnlich, wird Euch aber nichts n#252;tzen, denn ich kenne den Plan schon lange.«

»Woher?«

»Weil ich, wie Ihr schon wi#223;t, die Beratung der Mogollons am wei#223;en Felsen und dann auch vorgestern abend Euer Gespr#228;ch mit der J#252;din am Bache des Schlangenberges belauscht habe. Die Mogollons wollen nach dem dunkeln Thale; wir aber haben uns darauf vorbereitet, sie schon vorher in der Weise zwischen uns zu nehmen, da#223; wohl keiner von ihnen entkommen wird. In einigen Stunden schon werde ich Euch die Siegesbotschaft senden.«

»So setzt Euch in den Wagen, fahrt zum Teufel und bleibt in der H#246;lle in alle Ewigkeit!«

Er drehte sich von mir ab, und ich ging. Dieser Wunsch aus dem Munde eines solchen Mannes konnte mir nur Gl#252;ck bringen. Ihm die Freiheit f#252;r die Enth#252;llung einer Thatsache geben, die mir schon l#228;ngst bekannt war, l#228;cherlich!

Der Kantschu wurde fertig gemacht; dann konnte die Fahrt beginnen. Da mir zwei Gewehre dabei zu viel waren, lie#223; ich den B#228;rent#246;ter bei Emery zur#252;ck. Den Stutzen hing ich um und bestieg dann den hohen Bock der Kutsche; Dunker gab mir die Z#252;gel herauf; die sechs Vorreiter schwangen sich auf ihre Pferde, und der alte Postkasten setzte sich in Bewegung. Ich mu#223;te unwillk#252;rlich denken: »In welchem Zustande wird er mit uns oben auf der Platte des Canons ankommen!«

Die Stangen- oder Deichselpferde waren das Ziehen am Wagen gewohnt, die andern aber nicht. Letztere sprangen bald vorw#228;rts, bald her#252;ber oder hin#252;ber; sie machten die ersteren irre, und so wurde die Kutsche zun#228;chst nicht fortgezogen, sondern fortgeschleudert. Erst als die sechs Roten ihre Z#252;gel und Schenkel in der richtigen Weise gebrauchten, h#246;rte das Schleudern auf, und die Bewegung des Wagens wurde weniger gef#228;hrlich. Da es aber hier nicht das gab, was man einen Weg zu nennen pflegt, und die Vorreiter nicht die Hindernisse, welche der Boden uns bot, zu vermeiden verstanden, war die Fahrt trotzdem keine bequeme, und wir kamen #252;ber Stellen, an denen ich meine ganze Aufmerksamkeit aufbieten mu#223;te, um das Umwerfen zu vermeiden.

Die Nijoras, welche unter Emerys Aufsicht die Gefangenen an der Quelle des Schattens zu bewachen hatten, blieben nat#252;rlich zur#252;ck; die andern folgten uns, indem sie einer hinter dem andern hinter dem Wagen herritten.

Es war nicht n#246;tig, den Weg nach der Platte des Canons zu kennen; wir brauchten nur den Spuren zu folgen, welche die Mogollons hinterlassen hatten. Die Entfernung dorthin betrug drei Stunden. Ich mu#223;te so fahren, da#223; wir die Mogollons kurz vor dem Hohlwege einholten. Eher uns sehen zu lassen, war nicht geraten, weil da die Gefahr nahe lag, da#223; sie uns als Feinde erkennen und, anstatt weiter zu reiten, sich gegen uns wenden w#252;rden. Wir hatten auch in dieser Beziehung den gef#228;hrlichsten Teil unserer kriegerischen Aufgabe auf uns genommen. Um nicht etwa vor der Zeit an einer dazu geeigneten stelle, welche uns der Aussicht beraubte, auf sie zu sto#223;en, schickte ich einen Reiter voran, welcher ihren Nachtrab beobachten und uns benachrichtigen sollte, falls wir demselben fr#252;her, als ich es beabsichtigte, nahe kamen.

Zun#228;chst ritten und fuhren wir rasch, um den Vorsprung, welchen die Mogollons hatten, einzuholen; sp#228;ter war das nicht so gut m#246;glich, weil, wie ich h#246;rte, das Terrain immer schwieriger wurde. Nach fast zwei Stunden trafen wir auf den Kundschafter, welcher uns benachrichtigte, da#223; die Mogollons ungef#228;hr zehn Minuten weit vor uns seien. Wir durften nun nur noch gleichen Schritt mit ihnen halten. W#228;re die Gegend eben gewesen, so h#228;tten sie uns sehen m#252;ssen; so aber gab es jetzt Berge, Th#228;ler und Wegeswindungen, in und hinter denen wir verborgen bleiben konnten.

Nach abermals einer Viertelstunde brachte uns der Kundschafter einen Nijoraindianer, auf den er gesto#223;en war. Der erstere meldete mir:

»Dieser Krieger hat hinter einem Felsen gesteckt, um nicht von den Feinden gesehen zu werden. Er will dir eine Botschaft von Winnetou bringen.«

»Was l#228;#223;t er mir sagen?«

»Da#223; alles so geschehen ist, wie du angeordnet hast.« »So stecken eure Krieger hinter der Felsenh#246;he verborgen?«

»Ja und auch im Walde, bis fast heran an die Stelle, wo der Hohlweg auf die Platte des Canons m#252;ndet.« »Wo habt ihr eure Pferde?«

»Hinter der H#246;he, wo sie so verborgen sind, da#223; sie von den Mogollons nicht gesehen werden k#246;nnen.« »Das ist gut. Wo aber hast du denn das deinige?«

»Ich habe es zur#252;ckgelassen. Winnetou gebot es mir, weil ich da keine sichtbaren Spuren mache und mich auch leichter verbergen kann.«

»Du dachtest also, da#223; wir gleich hinter den Mogollons kommen w#252;rden?«

»Der H#228;uptling der Apatschen sagte es. Ich bin im Hohlweg herab und dann euch vorsichtig entgegengegangen. Als ich die Mogollons erblickte, versteckte ich mich, und als sie vor#252;ber waren, ging ich weiter, bis ich auf deinen Kundschafter traf, den ich als einen Freund erkannte.«

»Wie reitet der H#228;uptling der Mogollons?«

»An der Spitze seiner Leute.«

»Und wie lange haben wir noch zu reiten, bis wir an den Anfang des Hohlweges kommen?« »Die H#228;lfte der Zeit, welche die Bleichgesichter eine Stunde nennen.«

»Es ist gut. Schlie#223; dich unsern Kriegern an. Du wirst auch zu Fu#223;e leicht mit ihnen fortkommen, weil sie jetzt langsam reiten m#252;ssen.«

Unser Zug setzte sich wieder in Bewegung. Die Bodengestaltung war uns jetzt so g#252;nstig, da#223; wir den Mogollons noch n#228;her r#252;cken konnten. Der Kundschafter war wieder vorausgeritten. Als wir das n#228;chste Mal auf ihn trafen, meldete er, da#223; der Feind nur noch f#252;nf Minuten von uns entfernt sei. Es ging immer in Windungen zwischen Bergen dahin, und wir hatten endlich die Mogollons in der n#228;chsten Kr#252;mmung vor uns. Wir gelangten in diese. Als wir ihr Ende erreichten, traten die Bergw#228;nde auseinander, indem sie sich auf einen freien Platz #246;ffneten.

Dieser war nicht gro#223;. Rechts und links gab es hohe Felsen, und jenseits lag eine sehr steile, mit dichtem Walde bewachsene H#246;he. Am Fu#223;e, ganz rechts unten, wo der Wald aufh#246;rte, sah ich die M#252;ndung des Hohlwegs, in welchen die Mogollons soeben eindrangen. Wir warteten, bis die letzten von ihnen verschwunden waren, und jagten dann #252;ber den freien Platz hinweg, um dann unten am Wege f#252;r einige Augenblicke halten zu bleiben.

Jetzt befand sich der Feind in der Falle. Droben auf der Platte erwarteten ihn unsere Genossen, und unten befanden wir uns. Wir waren stark genug, ihm die R#252;ckkehr unm#246;glich zu machen.

Bisher war das Gelingen noch zweifelhaft gewesen. H#228;tten die Mogollons uns hinter sich bemerkt und sich gegen uns gewendet, so w#228;ren wir nicht stark genug gewesen, sie zur#252;ckzuwerfen. Und selbst wenn uns dies gelungen w#228;re, h#228;tte der gr#246;#223;te Teil von ihnen nach den Seiten hin entkommen k#246;nnen, allerdings nur unter Zur#252;cklassung ihrer Pferde, da die Flucht nur durch das Ueberklettern der Bergw#228;nde zu bewerkstelligen m#246;glich gewesen w#228;re. Nun aber steckten sie im Hohlwege, dessen hohe und steile Seiten nicht zu erklettern waren; sie mu#223;ten also vorw#228;rts, weil sie weder zur#252;ck noch seitw#228;rts konnten.

Das Plateau, auf welchem sie eingeschlossen werden sollten, hatte folgende Gestalt:

[Bild eines Dreiecks]

Es bildete ein Dreieck, dessen Fl#228;che aus Felsen bestand. Die hintere Seite a ist die langgestreckte, felsige H#246;he, hinter welcher ein Teil unserer Krieger versteckt lag. Die vordere Seite b deutet den Wald an, in welchem sich der andere Teil der Nijoras verborgen hatte; er fiel von der Platte sehr steil nach unten. Das c bezeichnete den tiefen Canon, auf dessen Grund niemand, ohne zerschmettert zu werden, gelangen konnte. Bei e ist die Oeffnung des Hohlweges auf die Platte, und bei d f#252;hrt der Weg jenseits wieder hinab.

Das hochgelegene Dreieck, welches f#252;r die Mogollons verh#228;ngnisvoll werden sollte, war von dreihundert Nijoras besetzt. Hunderf#252;nfzig steckten hinter der H#246;he a; sie wurden von ihrem H#228;uptlinge kommandiert. Die andern hundertf#252;nfzig lauerten im Walde, und Winnetou war es, der hier befehligte. Der Plan war nun, die Mogollons bei e heraufkommen und l#228;ngs des Canons c ruhig bis beinahe nach dem Auswege d weiterreiten zu lassen. Ehe sie diesen erreichten, mu#223;te ich mit meinen Nijoras bei e erschienen sein. Dann waren die Mogollons so fest eingeschlossen, da#223; sie sich, wenn sie vern#252;nftig handeln wollten, ergeben mu#223;ten. Sie befanden sich frei und schutzlos auf der oberen Platte, w#228;hrend die Nijoras durch den Wald und die Felsenh#246;he gedeckt waren. Um sie da zu vertreiben, h#228;tten beide gest#252;rmt werden m#252;ssen, wobei der Untergang der Mogollons unausbleiblich gewesen w#228;re. Und hierbei mu#223; ber#252;cksichtigt werden, da#223; es Indianern niemals einf#228;llt, einen solchen Sturmangriff zu unternehmen.

Der H#228;uptling der Mogollons langte als der Voranreitende zuerst auf der Platte an. Er blieb einige Augenblicke halten, um sich umzusehen. Als er nichts Verd#228;chtiges bemerkte, ritt er weiter, und seine Leute folgten ihm. Dieser Mann war von einer so unvorsichtigen Sicherheit, da#223; er nicht einen einzigen seiner Leute vorausgesandt hatte, um die Gegend nach Feinden abzusuchen. Als der letzte der Mogollons auf der Platte erschien, war die Spitze ihres Zuges auf dem Halbierungspunkte der L#228;nge des Canons angelangt. Man mu#223;te sie nun noch zwei Minuten reiten lassen und sich ihnen dann zeigen. Leider aber war der H#228;uptling der Nijoras zu ungeduldig, diesen Zeitpunkt abzuwarten. Er lag auf der H#246;he a hinter einem gro#223;en Steine, legte sein Gewehr auf den Anf#252;hrer der Mogollons an und scho#223;, doch ohne zu treffen. Sofort erhoben sich seine Leute hinter ihren Verstecken, lie#223;en ihr Kriegsgeheul erschallen und schossen ihre Gewehre auch ab, freilich mit demselben Mi#223;erfolge, weil die Entfernung jetzt noch zu gro#223; war. Winnetou sagte sich, da#223; die mit ihm im Walde versteckten Nijoras dem schlechten Beispiele folgen w#252;rden, und rief mit seiner weithin schallenden Stimme:

»Noch nicht schie#223;en! Bleibt im Walde stecken!«

Es lag ihm dabei nicht nur daran, einen #252;bereilten Angriff zu verhindern, sondern noch vielmehr w#252;nschte er, unn#252;tzes Blutvergie#223;en zu verh#252;ten. Das war ja die Hauptforderung, welche wir gestellt hatten und auf die der H#228;uptling der Nijoras eingegangen war. Leider aber hatte Winnetou seinen Befehl in den Wind gerufen. Seine hunderf#252;nfzig Nijoras erschienen unter den vordersten B#228;umen und schossen unter Aussto#223;ung ihres Kampfgeheules auch auf die MogolIons. Viele der letzteren wurden getroffen.

" Starker Wind" der H#228;uptling derselben, hatte sein Pferd erschrocken angehalten. Er sah die H#246;he vor sich mit Feinden besetzt; zu seiner Linken wimmelte der Wald ebenso von ihnen; rechts g#228;hnte der tiefe Canon; ritt man vorw#228;rts, so kam man der Felsenh#246;he n#228;her, von welcher aus die Kugeln jetzt noch nicht hatten treffen k#246;nnen; #252;brigens war es viel weiter dorthin, als nach dem Hohlwege zur#252;ck, wo sich noch jetzt das Ende seines Zuges befand. Darum warf er sein Pferd herum, richtete sich hoch im Sattel auf, winkte mit dem erhobenen Arme zur#252;ck und schrie seinen Leuten zu:

»Umkehren, umkehren! Wir sind eingeschlossen. Schnell wieder den Hohlweg hinab!«

Winnetou oder ich an seiner Stelle h#228;tte freilich anders gehandelt; ihm aber hatte der Schreck #252;ber den so ganz unerwarteten Angriff auf dem gef#228;hrlichen Terrain die Ueberlegung geraubt. Er sprengte zur#252;ck, und seine Leute folgten seinem Beispiele. Dabei wurden die einen von den andern aufgerollt, und es bildete sich ein wirrer Kn#228;uel von Reitern, deren jeder danach trachtete, so rasch wie m#246;glich den Hohlweg zu erreichen. Und in diesen Kn#228;uel wurde Kugel um Kugel von den Nijoras aus dem Walde gesandt. Das war das reine Morden. Darum sprang der Apatsche aus dem Walde in das Freie heraus, schwang sein Gewehr abwehrend in der Luft und rief:

»Nicht schie#223;en, nicht schie#223;en! Winnetou befiehlt es euch!«

Gl#252;cklicherweise hatte sein Anblick eine gr#246;#223;ere Wirkung auf seine Untergebenen als vorhin seine Worte; das Schie#223;en h#246;rte auf. Aber die Folgen des vorzeitigen Angriffes schienen nicht verhindert werden zu k#246;nnen, denn die Mogollons hatten den Hohlweg wieder erreicht und drangen hinein.

Was nun thun? War ich denn noch nicht da? Als Winnetou sich dieses fragte, sah er, da#223; die Flucht der Feinde stockte; sie konnten nicht weiter, nicht zur#252;ck, und das hatte seinen guten Grund.

Als ich mit meinen Nijoras unten am Waldessaume angekommen war, hatte ich nur f#252;r einige Minuten halten lassen. Ich horchte nach oben. Nichts lie#223; sich h#246;ren. Da lenkten die sechs Vorreiter auf meinen Zuruf in den Hohlweg ein, und hinter dem Wagen folgten die Krieger. Die Entscheidung war da. Wie w#252;rden wir oben ankommen?

Die beiden Seiten des Hohlweges bestanden aus Glimmerschiefergestein; sie traten so nahe zusammen, da#223; allerdings stellenweise nur zwei Reiter nebeneinander Platz fanden. Das waren aber auch die engsten Stellen; der Wagen hatte also den n#246;tigen Raum. Daf#252;r aber machte uns das Ger#246;ll zu schaffen, mit welchem der Boden bedeckt war. Es gab oft auch gr#246;#223;ere Steine, an denen die R#228;der zerbrechen konnten. Da galt es, auszuweichen. Wir fuhren in raschem Schritte bergauf und hatten, wie ich nachher merkte, die H#228;lfte des Weges zur#252;ckgelegt, als ich oben Sch#252;sse fallen h#246;rte.

»Habt ihr es geh#246;rt? Man schie#223;t!« rief ich den Vorreitern zu. »Man hat den Kampf begonnen, ohne auf uns zu warten. Treibt die Pferde an! Jetzt mu#223; es im Galoppe gehen!«

Sie trieben ihre Tiere mit den Sporen an, und ich schlug mit dem Kantschu auf die Deichselpferde; sie griffen aus, und rissen den Wagen im raschen Laufe vorw#228;rts. Da gab es freilich kein vorsichtiges Lenken und kein Ausweichen mehr. Die alte Kutsche neigte sich bald nach rechts, bald nach links; sie machte S#228;tze wie ein Tier, welches #252;ber Steine springt. Ich hielt mich mit der linken Hand auf meinem hohen Sitze fest und mu#223;te mir alle M#252;he geben, nicht herabgeschleudert zu werden, zumal ich mit derselben Hand auch die Z#252;gel zu halten hatte; mit der Rechten schwang ich den Kantschu.

Da ert#246;nte vor uns ein mehrstimmiger Schrei. Ich blickte auf, und sah zusammengedr#228;ngte Reiter vor uns im Hohlwege halten. Das waren die zur#252;ckfliehenden Mogollons.

»Weiter, weiter!« schrie ich den Vorreitern zu. »Ja nicht halten! Reitet und fahrt sie #252;ber den Haufen!«

Die braven, verwegenen Kerls gehorchten. Laut aufbr#252;llend trieben sie ihre Pferde weiter. Die letzteren hatten noch nie einen Wagen gezogen; auf besserem Wege vorhin hatten sie doch gehorcht; jetzt aber h#246;rten sie hinter sich das Rattern und Krachen der alten Kutsche, dazu die Hiebe, die sie bekamen, die Sporen, das Geheul - sie wurden scheu und st#252;rmten vorw#228;rts, unaufhaltsam, ohne auf das Hindernis, welches ihnen entgegenstand, zu achten. Der Zusammenprall erfolgte. Wird er gelingen? Wer wird zur#252;ckgedr#228;ngt werden, wir, die wir von unten kommen, oder die Mogollons, welche von oben kommen, also gr#246;#223;ere Sto#223;kraft besitzen?

Ein Augenblick des Stockens trat ein; die vordern Pferde der beiden Parteien waren zusammengesto#223;en; unser Wagen stand.

»Vorw#228;rts, vorw#228;rts!« schrie ich. »Haut mit den Flintenkolben auf ihre Pferde ein!«

Die Mogollons brauchten nur unsere Vorderpferde niederzuschie#223;en; daran dachten sie aber nicht. Hinter sich den Feind, und vor sich jetzt den eigenen Wagen mit fremden Reitern und einen wei#223;en Kutscher, der sich wie toll geb#228;rdete; sie verloren einige kostbare Sekunden. Meine sechs Nijoras folgten meinem Rufe; sie rissen ihre Gewehre von den Schultern und schlugen mit ihnen nach vorn, auf alles, was sie erreichen konnten; ihre eigenen Pferde dr#228;ngten sch#228;umend vorw#228;rts; ich hieb mit aller Kraft auf die Deichselpferde ein; der Wagen bewegte sich wieder; die Mogollons drehten sich um, und dr#228;ngten heulend zur#252;ck. Wir folgten, keine Spanne Raum zwischen ihnen und uns lassend - wir hatten gewonnen; der lebendige Sturmbock that seine Schuldigkeit. Hinter dem Wagen folgten meine Nijoras; sie schrieen und br#252;llten aus Leibeskr#228;ften; es war wirklich kein Wunder, wenn die Feinde schon allein durch diesen Spektakel zur#252;ckgetrieben wurden.

Jetzt erreichte der Wagen die Stelle, an welcher der Hohlweg auf die Platte m#252;ndete. Mit einem Blicke #252;bersah ich die ganze Situation. Links die Abteilung des Apatschen unter den B#228;umen, er selbst au#223;erhalb des Waldes, mit der Silberb#252;chse in der Hand nach uns her#252;berblickend - jenseits der Platte die andere Abteilung der Nijoras auf dem Felsen -nahe bei und vor mir die Feinde, dicht zusammengedr#228;ngt, alle mit

dem Blicke des Schreckens nach dem Wagen starrend. Das mu#223;te ausgenutzt werden.

»Nicht weiter! Setzt euch hier fest, und la#223;t keinen durch!« rief ich zur#252;ck, und im n#228;chsten Augenblicke h#246;rten die sechs Vorreiter meinen Befehl:

»Immer weiter, weiter! Geradeaus, mitten unter sie hinein!«

Und vorw#228;rts ging es! Wir drangen in den wirren Haufen der Mogollons ein; wir zerteilten ihn; wir brachen uns Bahn. Ich hatte freilich auf die Best#252;rzung dieser Indianer gerechnet, aber da#223; sie ihre Waffen nicht gegen uns erheben w#252;rden, das hatte ich nicht f#252;r m#246;glich gehalten. Sie wichen heulend und schreiend rechts und links zur#252;ck und lie#223;en den Wagen vor#252;ber, ohne zu versuchen, ihn auf irgend eine Weise anzuhalten. Dies geschah ganz nahe am Canon. Wie leicht konnten unsere scheugewordenen Pferde uns nach dem Rande, und dann hinabrei#223;en! Aber die sechs Nijoras waren so gute Reiter, da#223; sie selbst jetzt noch ihre Tiere in der Gewalt hatten.

So drangen wir durch den Haufen der Feinde, welcher sich hinter uns immer wieder schlo#223;, hindurch, indem ich mich um keinen von ihnen k#252;mmerte, sondern nur immer auf meine beiden Pferde einhieb. Es war - - ah, da hielt, als fast der hinterste von ihnen, einer auf seinem Pferde und starrte mir mit weitge#246;ffneten Augen entgegen. Auch er war von der Ueberraschung wie gel#228;hmt. Ich kannte ihn, denn ich hatte ihn gesehen, als ich am wei#223;em Felsen, im Wasser steckend, die Versammlung der Mogollons belauschte; es war der starke Wind, ihr H#228;uptling.

»Links #252;ber die Ebene; haltet dr#252;ben an den Felsen!« rief ich meinen sechs Vorreitern zu.

Mit der Rechten die Z#252;gel schnell #252;ber den dazu angebrachten Eisenhaken werfend, griff ich mit der Linken nach meinem Stutzen und sprang, gerade als der Wagen nach links gerissen wurde, von dem hohen Bocke herab. Ich kam nicht nur mit den F#252;#223;en, sondern auch mit den H#228;nden auf der Erde an, richtete mich aber schnell auf, stand mit einem schnellen Sprunge bei dem H#228;uptlinge, griff in die Z#252;gel seines Pferdes und ri#223; es vorn empor. Es knickte hinten zusammen - ein rascher Schwung, und als es vorn wieder niederkam, sa#223; ich hinter dem H#228;uptlinge auf der Kruppe seines Pferdes, welches mit uns beiden davonscho#223;, hinter dem Wagen her, #252;ber die Platte nach links hin#252;ber.

Einen solchen Ueberfall hatte er nicht erwarten k#246;nnen; aber er besa#223; Geistesgegenwart genug, nach seinem Messer zu greifen; das Gewehr war ihm entfallen. Er wollte von vorn nach hinten auf mich stechen, kam aber nicht dazu, denn ich warf, um die H#228;nde frei zu bekommen, mein Gewehr #252;ber und legte ihm alle zehn Finger so nachdr#252;cklich um den Hals, da#223; er die Hand mit dem Messer sinken lie#223; und dann mit den beiden Armen machtlos in der Luft herumfuhr. Der Atem ging ihm aus.

Von dem Augenblicke an, in welchem ich mit dem Wagen die Platte erreicht hatte, bis jetzt war gewi#223; nicht mehr als kaum eine Minute vergangen. Man glaubt nicht, was in solcher Lage alles in einer Minute geschehen kann. Hinter mir heulten die Mogollons vor Wut #252;ber die Entf#252;hrung ihres H#228;uptlings; am Walde und von der Felsenh#246;he herab br#252;llten die Nijoras vor Entz#252;cken, und ich, o ich selbst war gar nicht etwa sehr entz#252;ckt. Ich hatte den H#228;uptling am Halse festzuhalten; mein Gewehr hing locker und schlug mir um die Ohren; das Pferd war ganz konfus geworden, was ich ihm #252;brigens gar nicht verdenken konnte; es rannte bald nach rechts, bald nach links; es bockte; es wollte uns herunter haben, und ich hatte doch keine Macht dar#252;ber, denn der H#228;uptling hatte die Z#252;gel fallen lassen; sie schleiften nach, und ich sa#223; soweit hinten, da#223; ich nicht mit den F#252;#223;en in die B#252;gel konnte; es war das reine Kunst-Jokey-Reiten, nur schwerer und gef#228;hrlicher, als man es im Zirkus zu sehen bekommt. Es ging nicht anders, ich mu#223;te den H#228;uptling abwerfen; hoffentlich brach er nicht den Hals. Er hatte die B#252;gel ebenso wie die Z#252;gel verloren; ich zog ihn auf die Seite und gab mir M#252;he, das eine seiner Beine auf die andere Seite zu bringen, denn ich wollte ihn herabgleiten lassen, wobei er nicht so leicht verungl#252;cken konnte, als wenn er herabgeschleudert wurde. Aber diese menschenfreundliche Absicht hatte einen weniger freundlichen Erfolg. Er war ohnm#228;chtig geworden, lag schwer in meinem rechten Arme, und als ich mich vorbog, um mit der andern Hand sein linkes Bein zu heben, machte das Pferd, durch diese ungew#246;hnliche Bewegung noch mehr beunruhigt, einen m#228;chtigen Seitensprung und wir flogen beide auf die hier leider steinharte Mutter Erde herab.

Einige Augenblicke lag ich da, gerade so bewegungslos wie er; dann versuchte ich, mich aufzurichten. Es war mir, als ob ich von einem Windm#252;hlenfl#252;gel #252;ber ganz Elberfeld und Barmen hinweggeschleudert worden w#228;re; im Kopfe hatte ich wenigstens zwanzig summende Bienenst#246;cke, und vor meinen Augen flimmerten so viele Nordlichter, wie man droben in Lappland binnen zehn Jahren zu sehen bekommt. Ich mu#223;te manches und verschiedenes gebrochen haben.

Da h#246;rte ich Sch#252;sse. Dadurch aufmerksam gemacht, blickte ich zur#252;ck und sah mehrere Mogollons, welche auf mich zujagten, um ihren H#228;uptling wiederzuholen; es war von den Nijoras auf sie geschossen worden. Wenn sie mich erreichten, war ich verloren, und sie befanden sich schon so nahe, da#223; sie mich haben mu#223;ten, ehe jemand mir zu Hilfe kommen konnte. In dieser Gefahr erfuhr ich, wie schon so oft, wieder einmal, was der Geist #252;ber den K#246;rper vermag: Ich sprang auf; die Bienenst#246;cke waren weg, die Nordlichter verschwanden, und von Schmerzen f#252;hlte ich keine Spur mehr, wenigstens in diesem Augenblicke. Unweit von mir lag mein Stutzen, der gl#252;cklicherweise nicht zerbrochen war. Ich sprang hin, hob ihn auf und legte ihn auf die vier Kerls an - - vier Sch#252;sse und vier Kugeln, jedem

Pferde eine in die Brust; die Tiere brachen nach wenigen Schritten zusammen; die abgeworfenen Reiter rafften sich auf und hinkten eiligst von dannen, indem von rechts und links her Sch#252;sse auf sie fielen, welche aber nicht so gut trafen, wie die meinigen getroffen hatten.

Kaum hatten die vier sich zur Flucht gewendet, so f#252;hlte ich die Schmerzen wieder, der Kopf brummte wie vorher und die brillanten Nordlichter flammten abermals vor den Augen. Da kam der H#228;uptling der Nijoras auf die gute Idee, mir eine Anzahl seiner Leute zu senden. Er konnte das eher und leichter thun als Winnetou, da ich mich mehr in der N#228;he der Felsenh#246;he, als in der des Waldes befand. Diese Leute fingen das Pferd des "starken Windes" ein, fesselten letzteren und trugen ihn fort, w#228;hrend ich, auf zwei von ihnen gest#252;tzt, mit nach der H#246;he humpelte.

Dabei bemerkte ich, da#223; ich nichts gebrochen hatte; aber t#252;chtige Quetschungen waren vorhanden, und man wei#223;, da#223; Quetschungen weit schmerzhafter als Br#252;che sind. Bei der Felsenh#246;he angelangt, legte man den gefangenen H#228;uptling nieder und setzte mich neben ihn. Der Mann war uns so wichtig, da#223; ich ihn selbst bewachen wollte, da ich in meinem Zustande jetzt doch nichts anderes und besseres zu thun vermochte.

Das Flimmern vor den Augen und das Summen um die Ohren lie#223;en auf Blutandrang nach dem Kopfe schlie#223;en; da waren kalte Umschl#228;ge angezeigt. Diese w#228;ren gewi#223; zu haben gewesen, weil Wasser wahrscheinlich zu finden war. Der Wald lag in der N#228;he, und wo Wald ist, pflegt es auch Wasser zu geben. Aber ich verzichtete doch auf die Umschl#228;ge, da ich mich mit denselben vor den Roten h#228;tte sch#228;men m#252;ssen.

Wie die Angelegenheit dr#252;ben am Canon stand, konnte ich wegen des Flimmerns nicht sehen. Da#223; jemand dort laut sprach, das h#246;rte ich, konnte aber wegen des Summens vor den Ohren die Stimme nicht unterscheiden. Da kam der "schnelle Pfeil", der H#228;uptling der Nijoras, zu mir, um sich nach meinem Befinden zu erkundigen.

»Ich bin gest#252;rzt, habe aber nichts gebrochen,« antwortete ich kurz. »Wer ist es, der da dr#252;ben redet?«

»Winnetou.«

Zu wem spricht er?«

»Zu den Feinden.«

»Was wird der H#228;uptling der Apatschen zu den MogolIons sagen?« »Da#223; sie sich nicht wehren, sondern sich ergeben sollen.« »D#252;rfen sie ohne ihren H#228;uptling dar#252;ber beschlie#223;en?«

»Warum nicht? Sie m#252;ssen, wenn sie nicht wollen. Er ist unser Gefangener, und kann ihnen also keinen Rat erteilen. Ja, er ist unser Gefangener, und das wird uns gro#223;e Vorteile bringen. Wir haben es deiner Verwegenheit zu verdanken.«

»Es war keine Verwegenheit, sondern nur ein rasch entschlossenes Handeln. Ich sah den Schreck, welcher die Mogollons alle befangen hielt, und machte ihn mir zu nutze. Und wenn eine Gefahr dabei war, so war sie wenigstens nicht bedeutend.«

»Sie konnten auf dich schie#223;en!«

»Sie haben es aber nicht gethan. Wer aber hat denn hier oben geschossen, ehe ich vorhin gekommen -war? Die Mogollons?«

»Nein,« antwortete er verlegen. »Wir haben es gethan, ich glaubte, die Feinde sicher zu haben.«

»Du h#228;ttest nichts glauben, sondern dich genau nach unserm Plane richten sollen! H#228;tte ich mich noch nicht im Hohlwege befunden, so w#228;ren die Mogollons gewi#223; entkommen. Ich #252;bergab dir einen Gefangenen. Hast du ihn gut bewachen lassen?«

»Ja. Wir haben ihn mitgebracht. Er ist bei den Pferden, welche hinter der Felsenh#246;he weiden.« »Warum brachtest du ihn mit?«

»Weil ich glaubte, du m#246;chtest ihn m#246;glichst bald sehen, und weil er bei den Kriegern besser aufgehoben ist, als im Dorfe bei den Squaws und Greisen.«

»Du hast recht gehandelt. Und das junge Bleichgesicht, welches ich dir auch mitgab?«

»Ist auch mit da. Er wollte nicht von dem Gefangenen weichen, sondern ihn bewachen. Soll ich beide holen lassen?«

»Sp#228;ter, doch jetzt noch nicht. Kommt dort nicht Winnetou mit zwei Indianern auf uns zu?« »Ja.«

Da#223; ich die drei zu erkennen vermochte, bewies, da#223; es mit meinen Augen doch schon besser stand. Der Kopf war mir leichter geworden. Nicht so gut schien es mit dem gefangenen H#228;uptlinge zu stehen. Er lag noch immer mit geschlossenen Augen da. Das konnte nicht nur die Folge davon sein, da#223; ich ihn am Halse festgepackt hatte; der Sturz vom Pferde mu#223;te ihm noch mehr geschadet haben.

Die beiden Indianer, welche Winnetou brachte, waren Mogollons, alte Krieger, welcher Umstand erraten lie#223;, da#223; sie zur Beratung gekommen seien. Sie blieben ernst und h#246;flich in einiger Entfernung stehen; der Apatsche trat heran, und wendete sich zun#228;chst in beinahe strengem Tone an den H#228;uptling der Nijoras mit den Worten:

»Wer war es, der bei euch den ersten Schu#223; abgegeben hat?« »Ich. Ich glaubte, da#223; die richtige Zeit gekommen sei.«

»Wir hatten doch besprochen, da#223; ich zuerst schie#223;en sollte, falls dies mir als notwendig erscheinen w#252;rde. Du bist ein H#228;uptling, und h#228;ttest dich mehr als jeder andere nach unsern Vereinbarungen halten sollen. Wei#223;t du, wieviel Tote die Feinde haben?«

»Nein.«

»Acht, und verwundet sind weit mehr. Das h#228;tte unterbleiben k#246;nnen.«

»Sie haben es verdient. Wenn ihnen ihr Vorhaben gegl#252;ckt w#228;re, h#228;tten sie viele meiner Krieger get#246;tet und dann auch noch andere Greuelthaten begangen.«

»Das ist richtig; aber du h#228;ttest doch Wort halten sollen. Winnetou hat noch nie das seinige gebrochen.« Nach diesem Verweise wendete er sich an mich:

»Mein Bruder hat eine gro#223;e Heldenthat vollbracht. Man wird an allen Orten davon erz#228;hlen. Wie steht es an der Quelle des Schattens?«

»Gut. Wir haben die Bedeckung des Wagens ergriffen, und die Gefangenen sind gut bewacht.«

»Und wie steht es mit meinem lieben Bruder? Der Fall vom Pferde war schwer. Hat er dir Schaden gethan?«

»Meine Glieder sind ganz geblieben.«

»So schone dich! Die kleinste Verletzung kann die schlimmsten Folgen tragen. Du hast mehr als genug gethan; was noch zu thun ist, das m#246;gen andere Leute thun.«

»Ich f#252;hle mich beinahe wieder so wohl, wie vorher. Du hast zwei Krieger der Mogollons mitgebracht. Wahrscheinlich soll eine Beratung stattfinden?«

»Ja; sie wollen mit ihrem H#228;uptlinge sprechen.«

»Hier liegt er. Er hat sich noch nicht geregt. Hoffentlich hat er nicht den Hals gebrochen.« »Ich werde ihn untersuchen.«

Er beugte sich zu ihm nieder, und meldete nach einer Weile:

»Es ist ihm weiter nichts geschehen, als da#223; er mit dem Kopfe auf den Felsen aufgeschlagen ist. Er wird nach einiger Zeit erwachen, und wir m#252;ssen also solange warten.«

»So werde ich inzwischen in den Hohlweg zu meinen Nijoras gehen. Ich mu#223; einen zu Emery nach der Quelle des Schattens senden.«

»Um ihm unsern Sieg zu verk#252;nden?«

»Ja, und auch um ihm mit allen, die sich bei ihm befinden, herbeizurufen.« »Daran thut mein Bruder recht, denn sonst w#252;rde Emery den zur#252;ckkehrenden Mogollons begegnen.«

Ich stand auf und ging fort. Winnetou hatte gesagt: »Sonst w#252;rde Emery den zur#252;ckkehrenden Mogollons begegnen.« Das war wieder einmal ein Beweis, wie innerlich wir miteinander einverstanden waren, ohne da#223; wir miteinander #252;ber den Gegenstand zu sprechen brauchten. Er wollte die Mogollons zur#252;ckkehren, sie also nicht als Gefangene der Nijoras gelten lassen, und das war auch meine Ansicht.

Die ersten Schritte, welche ich vorw#228;rts that, verursachten mir ziemliche Schmerzen, welche ich aber ertragen mu#223;te. Dann minderten sie sich ein wenig, doch nicht viel. Dennoch gab ich mir M#252;he, gerade und mit erhobenem Haupte #252;ber die Platte zu gehen und dem Hohlwege zuzuschreiten. Als ich mich dem Walde n#228;herte, riefen mir die dort befindlichen Nijoras frohlockend zu.

Links, in der N#228;he des Canonrandes, hockten die Mogollons in drei langen Reihen am Boden, wobei jeder den Z#252;gel seines hinter ihm stehenden Pferdes hielt. Sie sahen mich kommen und blieben, indem ich vor#252;berschritt, mit ihren Augen an mir hangen, ohne eine Miene zu verziehen; dabei aber flogen zwischen ihnen aus den halbge#246;ffneten Lippen leise Worte hin und her, und ich sah ihnen an, da#223; der Sturz vom Pferde mich bei ihnen doch nicht in Unehre gebracht hatte.

Als ich einen Nijora als Boten abgeschickt hatte, kehrte ich wieder zu Winnetou zur#252;ck. Die beiden Mogollons hatten sich auf der Stelle, an welcher sie vorhin gestanden hatten, niedergesetzt. Winnetou sa#223; neben ihrem H#228;uptlinge; ich setzte mich an die andere Seite desselben, und der "schnelle Pfeil" hockte sich nach Indianerart uns gegen#252;ber nieder.

Nach einiger Zeit begann der »starke Wind« sich zu regen. Er wollte erst die Arme und dann die Beine bewegen, vermochte das aber nicht, weil er gefesselt war; dann schlug er die Augen auf. Sein erster Blick fiel auf mich. Er starrte mich eine Weile an, und fragte dann:

»Ein Bleichgesicht! Wer bist du?«

»Man nennt mich Old Shatterhand,« antwortete ich.

»Old Shatterhand!« wiederholte er mit sichtlichem Schreck. Dann schlo#223; er die Augen. Er schien nachdenken zu wollen, aber seine Gedanken schwer sammeln zu k#246;nnen, wie ich aus dem Spiele seiner Mienen ersah. Dann hob er die Lider wieder empor und sagte:

»Ich bin gefesselt. Wer hat mich binden lassen?«

»Ich.«

Wieder schlo#223; er die Augen; als er sie dann #246;ffnete, hatten sie einen helleren Ganz. Die Besinnung war ihm jetzt vollst#228;ndig zur#252;ckgekehrt. Er schien mich mit seinem Blicke durchbohren zu wollen, als er sagte:

»Ich besinne mich. Du kamst auf dem Wagen, sprangst herab zur Erde und dann auf mein Pferd. Weiter wei#223; ich nichts, denn du nahmst mich beim Halse, um mich zu erw#252;rgen.«

»Du irrst. Ich wollte dich nicht erw#252;rgen, nicht t#246;ten, sondern dich nur einstweilen unsch#228;dlich machen. Das ist mir gelungen.«

»Ja, es ist dir gelungen. Ein Bleichgesicht springt auf mein Pferd, reitet mit mir fort, bet#228;ubt mich und macht mich zum Gefangenen. Wer so k#252;hn gewesen w#228;re, mir vorher zu sagen, da#223; dies m#246;glich sei, dem h#228;tte ich mit meinem Tomahawk den Kopf gespalten. Ich darf mich nie wieder vor meinen Kriegern sehen lassen. Es ist eine Schande, in dieser Weise gefangen zu werden.«

»Nein. Es ist nie eine Schande, von Winnetou oder Old Shatterhand besiegt zu werden.« »Aber du wirst mir meine Medizin nehmen!« »Nein. Ich lasse sie dir; du darfst sie behalten.« »Oder meinen Skalp!«

»Auch den nicht. Hast du jemals geh#246;rt, da#223; einer der beiden, die ich nannte, einen Feind skalpiert hat?« »Nein.«

»Du wirst also sowohl deinen Skalp, als auch deine Medizin behalten; glaubst du noch immer, da#223; du dich vor den deinen nicht mehr sehen lassen darfst?«

»Nein. Ich wei#223; jetzt, da#223; ich mich nicht zu sch#228;men brauche. Old Shatterhand hat H#228;uptlinge geworfen, welche noch nie besiegt worden waren; sie waren vorher ber#252;hmt, und sind auch dann ber#252;hmt geblieben. Aber bist du nicht in dem Pueblo der Yumas gewesen?«

»Ich war dort mit Winnetou.«

»Wie seid ihr dann geritten?«

»Nach dem Berge der Schlangen, und von da aus hierher.«

Ich sagte ihm die Wahrheit, ohne ihm die n#228;heren Einzelheiten mitzuteilen. Er betrachtete mich lange mit einem nachdenklich schlauen Blicke, und fragte dann:

»Bist du unterwegs nicht von einem Bleichgesichte angegriffen worden?«

»Ja.«

»Woher hast du den Wagen, auf dem du sa#223;est, als du kamst?« »Der Wagen geh#246;rt jetzt mir,« antwortete ich ausweichend.

»Uff! Noch niemand hat geh#246;rt, da#223; Old Shatterhand und Winnetou im Wagen fahren! Wo ist Winnetou?« »Hier an deiner andern Seite.«

Er hatte nach mir gewendet gelegen, und Winnetou noch nicht gesehen. Jetzt drehte er sich zu ihm und sagte:

»Der ber#252;hmte H#228;uptling der Apatschen hat meine Krieger geschont; er wollte nicht auf sie schie#223;en lassen. Wie viele Krieger der Nijoras sind hier vorhanden?«

Ich antwortete an Winnetous Statt:

»So viele, da#223; ihr ihnen nicht entgehen k#246;nnet.«

»Weshalb hatten sie die Platte des Canons umzingelt?« »Um euch zu fangen.«

»Aber wu#223;te er denn so gewi#223;, da#223; wir heute kommen w#252;rden?«

»Erst nicht. Er hat es sp#228;ter von mir erfahren.«

»Du?« fragte er erstaunt, »Von wem hast denn du es erfahren?«

»Von dir. Ich habe dich am wei#223;en Felsen belauscht, als ihr Beratung hieltet.«

»Uff! Am wei#223;en Felsen? Die Beratung wurde mitten in unserm Lager gehalten!«

»Ich wei#223; es, denn ich war dort. Ihr redetet so laut, da#223; ich jedes Wort zu h#246;ren vermochte. Ich war den Flu#223; herabgeschwommen, und legte mich gerade hinter dir am Ufer hin. Als ich genug geh#246;rt hatte, schwamm ich weiter, bis ich aus dem Lager kam. Da die Nijoras meine Freunde sind, du mich aber fangen lassen wolltest, habe ich sie nat#252;rlich benachrichtigt und ihnen den Rat gegeben, euch hier auf der Platte des Canons zu erwarten.«

»So bist also du es, dem wir unsere Niederlage zu verdanken haben?« »Ja.«

Es war ein ganz eigent#252;mlicher Blick, den er lange auf mir ruhen lie#223;; es lag nicht Ha#223;, nicht Rache oder dergleichen darin. Dann fragte er:

»Hast du alle gesehen, welche an der Beratung dort am Wasser teilgenommen haben?« »Ja. Es war auch ein Bleichgesicht dabei, welches Melton hei#223;t.« »Der Mann sagte uns, da#223; du unser Feind seist!«

»Er hat euch belogen. Old Shatterhand ist der Freund aller roten M#228;nner, die sich nicht feindlich zu ihm verhalten.«

»Wei#223;t du, wo sich Melton jetzt befindet?«

»Er wird seiner wei#223;en Squaw entgegengeritten sein, mit welcher er in dem Pueblo wohnte.«

Diese diplomatische Antwort befriedigte ihn, wie ich aus seiner Miene ersah. Er nahm an, da#223; wir Melton mit seinen f#252;nfzig Kriegern nicht begegnet seien, und mochte von diesem Rettung erhoffen. Dann fragte er weiter:

»Bist du an der Quelle des Schattens gewesen?«

»Ja, am Abende nach eurer Beratung, als ich mich unterwegs zu den Nijoras befand.«

Nach einem l#228;ngeren Sinnen fuhr er fort:

»Warum sitzen die beiden alten Krieger meines Stammes hier?«

»Sie sind gekommen, sich mit dir zu beraten #252;ber die Bedingungen, unter denen du wieder frei werden

kannst.«

»Welche Bedingungen sind das?«

Er hatte dem gerade vor ihm sitzenden H#228;uptlinge der Nijoras noch keinen Blick geg#246;nnt; jetzt antwortete dieser:

»Danach mu#223; du mich fragen.«

Der Mogollon antwortete, ohne ihn auch jetzt anzusehen:

»Ich spreche mit Old Shatterhand, und mit keinem andern. Also, welche Bedingungen sind dies?« Ich erkl#228;rte ihm:

»Eigentlich w#228;re euer Leben verfallen, dazu eure Skalpe, eure Medizinen, eure Pferde und Waffen und alles, was ihr bei euch habt; wir aber, n#228;mlich Winnetou und ich, werden mit dem H#228;uptlinge der Nijoras reden, da#223; er euch weniger strenge Forderungen stellt.«

»Warum dieser?«

»Weil er der Sieger ist.«

»Du irrst. Wir sind von Old Shatterhand und Winnetou besiegt worden, und die beiden sind es also, denen wir erlauben werden, uns Bedingungen zu stellen. Ich bin bereit, sie von dir zu h#246;ren.«

Er sah mich erwartungsvoll an, ich hingegen warf einen fragenden Blick auf Winnetou. Dieser antwortete mir:

»Was mein Bruder Charlieh sagt, ist gut; ich werde ihm beistimmen.« Nun konnte ich dem »starken Wind« meine Antwort geben:

»Ihr seid ausgezogen, die Nijoras zu #252;berfallen. Ich wei#223;, da#223; du nicht nur ein tapferer, sondern auch ein wahrheitsliebender Krieger und H#228;uptling bist, der sich vor nichts und niemand f#252;rchtet; du wirst mir also die Wahrheit nicht verschweigen?«

»Nein,« antwortete er stolz.

»Was h#228;ttet ihr gethan, wenn die Nijoras sich verteidigt h#228;tten?«

»Sie get#246;tet, ihre Frauen und Jungfrauen mit uns fortgef#252;hrt, und alle ihre Habe mit uns genommen.«

»Ich h#246;re, da#223; du die Wahrheit gesagt hast. Das Gesetz der Wildnis aber hei#223;t: "Gleiches mit Gleichem". Jetzt sind die Nijoras Sieger. Was habt ihr zu erwarten?«

»Dasselbe Schicksal.«

»Mit diesen Worten h#228;ttest du eigentlich euer Schicksal selbst entschieden, wenn ich mich nicht mit Winnetou hier bef#228;nde. Wir haben den Nijoras unsere Hilfe angeboten, ihnen aber unsere Bedingungen gesagt, unter denen wir dies thun w#252;rden.«

»Welche waren das?« fragte er, rasch aufblickend. »Euer Leben soll geschont werden.« »Wie steht es aber mit unsern Medizinen?« »Die d#252;rft ihr behalten.«

»Uff! Wir d#252;rfen also heimkehren nach unserm Lager am wei#223;en Felsen?« »Ja.«

»So binde mich los! Ich gehe sofort darauf ein. Wir werden augenblicklich zur#252;ckreiten.«

»Halt! So schnell geht das nicht! Das Leben und die Medizinen haben wir beide euch erhalten; ob wir euch auch noch anderes erhalten k#246;nnen, ist eine andere Frage, welche der H#228;uptling der Nijoras zu entscheiden hat.«

Letzterer machte eine wegwerfende Handbewegung und sagte:

»Meine Br#252;der haben bemerkt, da#223; der gefangene H#228;uptling der Mogollons nicht mit mir reden will, ja er hat mich sogar noch nicht ein einzigesmal angeblickt. Wie soll ich da mit ihm reden? Wie kann er gute Bedingungen von mir erwarten!«

Da fiel der Mogollon schnell ein:

»Ich spreche mit dir. Schau her, ich sehe dich an! Also sprich, was du von uns verlangst!« Der Nijora z#246;gerte eine Weile; dann antwortete er:

»Winnetou, der ber#252;hmte H#228;uptling der Apatschen, und Shatterhand, der gro#223;e J#228;ger und Krieger der Wildnis, sind meine Freunde und Br#252;der. Ihre Herzen sind mild und weich, obgleich ihre Arme die St#228;rke des B#228;ren besitzen. Sie erblicken nicht gern Blut, und sehen nicht gern die Wolke der Betr#252;bnis #252;ber ein Angesicht gehen. Ich m#246;chte so handeln wie sie, um ihnen dankbar zu sein daf#252;r, da#223; sie die Pfeife der Bruderschaft mit mir geraucht haben. Das ist das eine. Die MogolIons wollten uns #252;berfallen, um uns zu t#246;ten und alle unsere Habe mit sich fortzunehmen; es ist ihnen nicht gelungen; anstatt dessen haben wir sie besiegt, und es ist kein Tropfen Blut von unserer Seite geflossen. Das ist das andere. Darum ist auch meine Seele zur Milde geneigt, und so will ich von den Mogollons nur ihre Pferde und ihre Waffen verlangen.«

»Uff!« rief der »starke Wind«, »darauf gehen wir nicht ein!«

»So seid ihr meine Gefangenen und werdet das Schicksal erleiden, welches wir bei euch erlitten h#228;tten.«

»Nur besiegte Krieger k#246;nnen in Gefangenschaft geraten. Sind die meinigen besiegt?«

»Ja.«

»Nein! Schau hin! Dort sitzen sie. Haben sie nicht alle ihre Waffen noch in den H#228;nden? Sie werden sich verteidigen!«

»Um vom ersten bis zum letzten niedergeschossen zu werden. Und dann soll dir ein anderes Schicksal

bereitet werden: du wirst am Marterpfahle sterben und mit dir alle deine Krieger, welche in unsere H#228;nde geraten; das aber werden alle sein, welche nicht erschossen werden, denn keiner, kein einziger wird uns entkommen!«

»Versuche es doch! Ihr k#246;nnet und d#252;rfet uns doch gar nicht t#246;ten, da ihr Winnetou und Old Shatterhand unser Leben und unsere Medizinen versprochen habt!«

Wenn er allein hierauf pochte, konnte es freilich zu keiner Einigung kommen; darum sagte ich ihm in ernstem Tone:

»Es war da vorausgesetzt, da#223; ihr euch ergebt; thut ihr das nicht, so k#246;nnen wir euch nicht retten. Ich kann dir nur raten, auf die Bedingungen des H#228;uptlings der Nijoras einzugehen.«

»Sie sind zu hart!«

»Nein, sondern sie sind zu mild. Du w#252;rdest ganz andere stellen, wie du ja selbst gesagt hast.« »Darf ich mir diese schwere Sache #252;berlegen?« »Ja. Ist die H#228;lfte des Sonnenlaufes genug daf#252;r?« »Ja,« antwortete er.

»Gut. Deine beiden alten Krieger m#246;gen n#228;her kommen, um sich mit dir zu besprechen. Vorher aber verlange ich, da#223; alle deine Leute ihre Waffen an uns abgeben.«

»Das werden sie nicht!«

»O, das werden sie! Denn wenn du nicht schnell den Befehl erteilst, la#223; ich den Kampf beginnen, der dann nur in einer Niedermetzelung eurer Leute bestehen wird.«

»Aber das darfst du doch nicht! Du hast mir ja soeben eine Frist gegeben und mir gesagt, da#223; ich mit den beiden Kriegern beraten soll! Die Waffen k#246;nnen wir ja erst dann abgeben, wenn die Frist zu Ende ist und wir uns in eure Forderungen f#252;gen!«

»Das ist richtig. Dennoch verlange ich sie schon jetzt von euch, doch nur vorl#228;ufig, weil ich sicher sein will, da#223; deine Leute die Waffen nicht eher brauchen, als bis die Frist abgelaufen ist.«

»Bekommen sie sie wieder?«

»Wenn die Frist zu Ende ist, nat#252;rlich, und erst dann sollst du uns sagen, was du beschlossen hast.« Da rief ihm einer der beiden Alten zu:

»Das ist eine schlimme Falle, o H#228;uptling! Wenn du in dieselbe gehst, sind wir alle verloren.«

»Schweigt« herrschte er ihm zu. »Hast du schon einmal geh#246;rt, da#223; Old Shatterhand sein Wort gebrochen oder da#223; Winnetou eine L#252;ge gesagt hat? Wenn die beiden es versprechen, ist es so, als h#228;tte es der gro#223;e Manitou gesagt!«

Und sich wieder an mich wendend, fuhr er gelassen fort: »Also du bef#252;rchtest Unruhen, und nur darum sollen wir die Waffen einstweilen #252;bergeben.«

»Ja.«

»Und wir bekommen sie wieder, noch bevor ich meine Entscheidung sage?«

»Ich gebe dir mein Wort.«

»Und Winnetou verspricht es auch?«

»Auch ich gebe mein Wort,« antwortete der Apatsche.

Da gebot der »starke Wind« seinen beiden Alten:

»Die Worte der beiden gro#223;en Krieger sind wie zwei Eide. Geht hin zu unsern Kriegern; fordert ihnen die Waffen ab, und la#223;t sie auf einen Haufen in die Mitte der Platte tragen, den die Leute der Nijoras dann bewachen m#246;gen! Das befehle ich; es soll sogleich geschehen! Dann kehrt ihr hierher zu mir zur#252;ck, um mit mir Beratung zu halten!«

Sie standen vom Boden auf, und entfernten sich. Ich und der Mogollon wu#223;ten recht wohl, was wir thaten, nur waren unsere Gr#252;nde verschieden.

Ich erwartete Emery mit den Gefangenen. Wenn er kam, und die hier auf der Platte befindlichen Mogollons sahen ihre Kameraden als Gefangene, dann war es sicher, da#223; sie, wenn sie ihre Waffen hatten, zu denselben griffen, um sie zu befreien. Aus diesem Grunde hatte ich mein Verlangen gestellt. Wenn die Mogollons unbewaffnet waren, so konnte Emery getrost erscheinen.

Und er, der Mogollon? Er rechnete eben auf Jonathan Melton mit seinen f#252;nfzig und auf die zehn, welche bei dem Advokaten und der S#228;ngerin zur#252;ckgeblieben waren. Diese sechzig, zu denen #252;brigens noch die Yumas kamen, konnten schon etwas erreichen. Darum ging er auf meine Forderung ein, um uns einzuschl#228;fern und sicher zu machen.

Die Mogollons gehorchten ihrem H#228;uptlinge ohne Widerstreben. Als wir einige Nijoras zu ihnen schickten, lieferten sie ihnen nach und nach alle ihre Flinten, Pfeile, Lanzen, Messer und Tomahawks aus. Diese Gegenst#228;nde wurden in die Mitte der Platte in einen Haufen zusammengetragen und dann auf meinen Befehl von nicht weniger als zwanzig wohlbewaffneten Nijoras bewacht. Darauf kehrten die beiden Alten zu ihrem H#228;uptlinge zur#252;ck. Sie setzten sich bei ihm nieder, denn wir hatten ihnen Platz gemacht. Es war nicht unsere Absicht, zu erfahren, was sie mit ihm sprachen; darum stellten wir ihnen zwar zwei Posten hin, welche aufpassen Sollten, da#223; die Fesseln des H#228;uptlings nicht gelockert oder gar gel#246;st w#252;rden, doch in solcher Entfernung, da#223; auch diese nichts h#246;ren oder gar verstehen konnten.

Es war gar nicht n#246;tig, da#223; wir selbst bei ihm blieben; er war uns sicher. Selbst wenn die beiden W#228;chter nicht gut aufgepa#223;t h#228;tten und er von seinen Banden befreit worden w#228;re, h#228;tte er nach keiner Richtung entkommen k#246;nnen, weil rundum alles von den Nijoras besetzt war. Darum hatte ich nun Zeit, mich von dem H#228;uptlinge der letzteren hinter die Felsenh#246;he zu Franz Vogel f#252;hren zu lassen. Winnetou ging nicht mit; er blieb auf der Platte zur#252;ck, um die Oberaufsicht zu f#252;hren. Dazu war kein Mensch so vortrefflich geeignet wie er mit seinen so au#223;erordentlich scharfen und ge#252;bten Sinnen.

Es gab keinen Weg #252;ber die felsige H#246;he. Wir mu#223;ten von Stein zu Stein klettern, wobei jeder einzelne Schritt mir Schmerzen bereitete. Ich bemerkte, da#223; ich die Folgen meines Sturzes vom Pferde doch l#228;ngere Zeit mit mir tragen w#252;rde.

Jenseits der H#246;he, um deren Fu#223; sich der so oft erw#228;hnte Wald herumzog, gab es eine Art Prairie, auf

welcher dichtes Gras zu finden war. Dort flo#223; das

Wasser, dessen Dasein ich vermutet hatte. Die Pferde der Nijoras weideten unter der Aufsicht einiger junger Krieger. An in die Erde gerammten Pfl#246;cken war ein auf der Erde liegender Gefangener befestigt -Thomas Melton, und bei ihm sa#223; Franz Vogel, der Geiger, der beste und zuverl#228;ssigste W#228;chter, dem man den alten Spitzbuben anvertrauen konnte. Franz sah uns kommen, sprang auf, kam mir entgegen und rief in der lieben, deutschen Sprache: »Endlich, endlich sehe ich Sie! Was f#252;r eine Angst habe ich ausgestanden! Wie leicht konnte etwas Unvorhergesehenes geschehen und Sie abhalten oder gar Sie ins Ungl#252;ck bringen!«

»In diesem Falle w#228;re ich meiner Ansicht nach meines Wortes entbunden gewesen. Es ist aber nichts derartiges vorgekommen, und so sehen Sie mich bei Ihnen.«

»Zu meiner gro#223;en Freude! Nun geben Sie mir aber vor allen Dingen Auskunft. Ich h#246;rte vor einiger Zeit jenseits der H#246;he schie#223;en; dann war es wieder still. Das war so unheimlich. Ein Kampf mit einem Feinde, welcher einige hundert K#246;pfe stark ist, mu#223; doch wohl l#228;nger dauern!«

»Wenn gute Vorbereitungen getroffen sind, wie es hier geschehen ist, nein. Wir haben einstweilen Waffenstillstand.«

»Wie lange?«

»Gegen vier Stunden noch. Uebrigens bin ich in der Lage, Ihnen einige au#223;erordentlich freudige Botschaften zu bringen.«

»Welche, welche? Reden Sie doch!«

»Setzen wir uns ruhig nieder! Wer wird stehen bleiben, wenn er so sch#246;nen weichen Rasen unter sich hat!« »Ja, setzen wir uns! Doch dann reden Sie! Welche Ueberraschungen sind es, von denen Sie sprechen?« Als wir nun nebeneinander sa#223;en, antwortete ich:

»Ich denke zun#228;chst an zwei, obgleich es noch mehrere giebt. Sie werden Besuch bekommen von einem Herrn, der Sie eigentlich dr#252;ben in Frisco zu finden hoffte, Fred Murphy n#228;mlich.«

»Murphy? Etwa der Advokat aus New Orleans?«

»Derselbe.«

»Was will er von mir?«

»Das wird er Ihnen selber sagen. Uebrigens ist seine Reise vollst#228;ndig unn#252;tz gewesen. Aber Sie bekommen noch weiteren Besuch.«

»Mit diesem Murphy?«

»Ja.«

»Wen denn?« »Eine Dame, Ihre Schwester.«

»Was ist das doch wunderbar, so au#223;erordentlich wunderbar! Dazu geh#246;rt ein Mut, den ich weder meiner Schwester noch dem Advokaten zugetraut h#228;tte!«

»Mut? Sagen wir lieber, wenn wir offen sein wollen, Leichtsinn, oder um es etwas milder auszudr#252;cken, eine vollst#228;ndige Unkenntnis der Gefahren und Beschwerden, welche hier zu bestehen sind. Vor diesen habe ich Ihre Schwester damals in Albuquerque gewarnt, als sie, wie Sie sich erinnern werden, die Absicht aussprach, uns zu begleiten.«

»Sie haben recht, Sie haben recht! Aber da sie nun einmal hier ist, wollen wir ihr keine Vorw#252;rfe machen. Wie ist sie denn mit dem Advokaten zusammen- und mit ihm auf den Gedanken gekommen, uns hier aufzusuchen?«

Und ich erz#228;hlte ihm, was er wissen sollte. Er schlang die Arme um mich. Ich lie#223; es mir gefallen, wehrte aber, als er mich gar wiederholt k#252;ssen wollte, durch die Warnung ab:

»M#228;#223;igen Sie sich, liebster Freund! Wenn Sie jetzt Ihr ganzes Entz#252;cken ausgeben, haben Sie keine Freude f#252;r die zweite Ueberraschung #252;brig, welche Ihrer wartet.«

»Ach was! Mag es sein, was es will, es kann mich doch nicht so erfreuen wie die Nachricht, da#223; Sie meine Schwester aus den H#228;nden der Mogollons befreit haben?«

»Oho! Beteuern Sie nicht zu viel! Ich m#246;chte behaupten, da#223; die zweite Ueberraschung Sie noch weit mehr entz#252;ckt als die erste.«

»Wirklich? Dann heraus damit!«

»Heraus damit? Meinen Sie, da#223; ich die Sache in der Tasche habe?« »Nein. Das war doch ein ganz zuf#228;lliger Ausdruck.«

»Der aber ebenso zuf#228;llig ganz gut pa#223;t. Ich habe die Ueberraschung n#228;mlich wirklich in der Tasche.« »Dann bitte, bitte, zeigen Sie!«

»Hier!« sagte ich, indem ich Jonathan Meltons Portefeuille herauszog. »Eine Brieftasche?« meinte er, einigerma#223;en entt#228;uscht. Er nahm sie in die Hand und betrachtete sie von allen Seiten. »Oeffnen Sie doch,« forderte ich ihn auf.

Nun war es ein Genu#223; f#252;r mich, sein Mienenspiel zu beobachten. Welche Augen machte er, als er die Aufschrift des ersten Ledercouvertes las und dann, dasselbe aufschlagend, die Wertpapiere erblickte. Seine Seele, sein Herz, alle seine Sinne, sein Leben trat in seine Augen.

Er #246;ffnete ein Couvert nach dem andern; seine Augen wurden gr#246;#223;er und gr#246;#223;er; er war aufgesprungen und stand vor mir; seine H#228;nde zitterten, und seine Lippen bebten, aber sprechen konnte er nicht. Fast wollte es mir bange um ihn werden, denn auch die Freude kann sch#228;digen, sogar t#246;ten; da lie#223; er die Tasche pl#246;tzlich in das Gras fallen, warf sich selbst nieder, grub das Gesicht in die H#228;nde und weinte laut,

fast #252;berlaut und lange Zeit.

Ich sagte nichts; ich that die herausgefallenen Couverts in die F#228;cher der Tasche zur#252;ck, verschlo#223; die letztere und legte sie neben ihn hin. Dann wartete ich, bis sein Weinen in ein immer leiser werdendes Schluchzen #252;berging und dann erstarb. Er lag noch einige Minuten still da; dann richtete er sich auf, nahm die Tasche wieder in die Hand und fragte, noch immer thr#228;nenden Auges:

»Ist das - das - das von Jonathan Melton?«

»Ja,« antwortete ich und erz#228;hlte ganz kurz.

»Und ist es wirklich das Verm#246;gen des alten Hunter?« fragte er.

»Ich kann es getrost beschw#246;ren.«

»Und geh#246;rt mir oder vielmehr meiner Familie?«

»Nat#252;rlich!«

»Darf ich es dann einstecken?«

»Nein, weil ich es Ihnen vor den Augen derer #252;berreichen m#246;chte, welche sich dar#252;ber #228;rgern.«

»Gut, Sie haben recht. Hier ist die Brieftasche zur#252;ck. Meine Frage, ob ich sie einstecken darf, mu#223;te Sie beleidigen.«

»Nicht im geringsten. Ich werde sie nur noch kurze Zeit behalten, dann bekommen Sie sie wieder. Was Sie nachher damit thun, kann mir nicht gleichg#252;ltig sein, doch werde ich -«

»Warum nicht gleichg#252;ltig?« unterbrach er mich. »Sprechen Sie doch! Seien Sie aufrichtig!«

»Gern! Sie wissen, was es gekostet hat, dieses Geld endlich zu erwischen, oder vielmehr Sie wissen es noch nicht, wenigstens noch nicht alles. Jetzt haben wir es, Aber wir befinden uns im wilden Westen, und Sie sind ein hier ganz unerfahrener Mann. Meinen Sie, da#223; Ihre Tasche der richtige, der sicherste Ort f#252;r diese Millionen ist?«

Da rief er aus, als ob er #252;ber meine Frage und die Gefahren, welche dieselbe Aussicht stellte, au#223;erordentlich erschrocken sei:

»Nein, nein! Ich mag das Geld nicht, jetzt noch nicht! Behalten Sie es! Bei Ihnen ist es sicherer als bei mir, weit, weit sicherer als auch bei jedem andern. Ich br#228;chte es wahrscheinlich gar nicht nach Hause. Nein, nein, behalten Sie es, behalten Sie es!«

»Ihre Schwester hat auch dar#252;ber zu bestimmen. Wir werden sie also fragen, sobald sie hier angekommen ist. Und nun will ich Ihnen nochmals ausf#252;hrlicher erz#228;hlen, wor#252;ber ich Ihnen nur Andeutungen gemacht habe, n#228;mlich was seit dem Augenblicke, an welchem Sie mit dem H#228;uptlinge der Nijoras fortritten, geschehen ist.«

Ich h#228;tte ihm dies auch sp#228;ter erz#228;hlen k#246;nnen, aber erstens hatte ich jetzt Zeit dazu und zweitens that ich es wegen der Aufregung, in welcher er sich befand. So pl#246;tzlich einige Millionen in die Hand zu bekommen, das kann nicht jedermann vertragen. Es war jedenfalls eine Wohlthat f#252;r seine Nerven, wenn ich ihn veranla#223;te, seine Aufmerksamkeit auf meinen Bericht zu lenken.

Aus diesem Grunde erz#228;hlte ich m#246;glichst umst#228;ndlich, und zu meiner Genugthuung folgte er selbst dem Nebens#228;chlichen mit ungeteiltem Interesse. Ich h#246;rte erst auf, als ich mit meiner Erz#228;hlung bei dem gegenw#228;rtigen Augenblicke angekommen war. Da holte er tief, tief Atem und sagte:

»Also unter solchen Umst#228;nden und mit solcher Lebensgefahr haben Sie die Tasche an sich gebracht! Sie m#252;ssen den Inhalt der Tasche mit mir teilen!«

»Oho! Sind Sie etwa der einzige Erbe?«

»Leider nein! Aber ich werde meinen Willen dennoch durchsetzen! Sie werden wenigstens gerade und genau soviel bekommen wie jeder einzelne Erbe!«

»Beleidigen Sie mich nicht! Schweigen wir dar#252;ber! Wenn Sie sp#228;ter Gutes thun wollen, so denken Sie an Ihr armes Heimatd#246;rfchen und an dessen Bewohner, bei denen tausend Mark ein gro#223;es Verm#246;gen sind! Jetzt will ich einmal nach dem alten Melton sehen. Wie hat er sich verhalten, seit er sich bei den Nijoras befindet?«

»Er hat kein Wort gesprochen.« »Auch mit Ihnen nicht?«

»Nein, obgleich ich mich immer bei ihm befunden habe. Nur wenn er schl#228;ft, da st#246;hnt, #228;chzt und murmelt er vor sich hin, als ob ihn gro#223;e Schmerzen qu#228;lten. Ob dies das b#246;se Gewissen ist?«

»Nein, sondern der Grimm #252;ber den Verlust seines Geldes. Er thut Ihnen nicht den Gefallen, denselben zu erw#228;hnen, tr#228;umt aber des Nachts davon. Der Aerger, der sich nur im Traume #228;u#223;ert, aber des Tages jedenfalls wie ein Tiger an ihm fri#223;t und s#228;uft, ist ihm sehr gern zu g#246;nnen. Er hat weit andern Lohn als das verdient und wird ihn auch bekommen.«

Ich ging zu Melton. Dieser hatte unsere Unterredung nicht geh#246;rt, weil Franz Vogel mir vorhin entgegengekommen war und wir uns also in guter Entfernung von ihm befunden hatten. Auch gesehen war ich nicht von ihm geworden, denn er lag mit dem R#252;cken auf der Erde, den Kopf uns zugewendet. Als ich nun ganz pl#246;tzlich zu ihm trat, starrte er mich wie ein Gespenst an, schlo#223; die Augen, um sich zu besinnen, ob er wache oder tr#228;ume, und stie#223; dann st#246;hnend hervor:

»Der Deutsche, der tausendmal verdammte Deutsche!«

»Ja, es ist der Deutsche,« antwortete ich. »Ihr freut Euch doch, Master Melton, mich so gesund, frisch und wohl wieder vor Euch stehen zu sehen?«

Da #246;ffnete er die Augen wieder, ri#223; und zerrte wie ein Verr#252;ckter an seinen Fesseln und schrie dabei:

»Er ist's; er ist's wirklich! O w#228;re ich frei, o h#228;tte ich meine H#228;nde los! Umkrallen w#252;rde ich dich und dir das Fleisch von den Knochen rei#223;en, du Hund! Haben dich die Mogollons denn nicht erwischt? Oder warst du so feig, vor ihnen davonzulaufen?«

»Nein, Mr. Melton, sie haben mich nicht erwischt, obgleich sie mich wohl gern gehabt h#228;tten, zumal Euer lieber Jonathan mich ihnen sehr angelegentlich auf die Seele gebunden hatte.«

Da beherrschte er sich, nahm eine lauernde Miene an und fragte:

»Jonathan! Habt Ihr ihn etwa gesehen?«

»Es ist m#246;glich; genau kann ich es Euch aber leider nicht sagen.« »Wenn noch nicht, so werdet Ihr ihn ganz gewi#223; bald zu sehen bekommen!« »Das ist's ja, was ich w#252;nsche!«

»W#252;nscht es nicht, w#252;nscht es ja nicht!« geiferte er. »Er wird mich befreien, wird mich r#228;chen, wird wie eine Kugel #252;ber Euch kommen, die Euch den Kopf zerschmettert!«

»Das werde ich abwarten.«

»Lacht nicht #252;ber mich; lacht ja nicht #252;ber meine Drohung, denn sie wird sich erf#252;llen! Er kommt mit den MogolIons; sie werden ihre Feinde niederschmettern und Euch ergreifen. Dann wehe Euch, dreimal wehe, wehe, wehe!«

»Ihr seid ja, w#228;hrend wir uns nicht sahen, au#223;erordentlich dramatisch geworden! Leider befinde ich mich gerade jetzt nicht in der Stimmung, Eure Drohungen so tragisch zu nehmen, wie Ihr es w#252;nscht. Wir f#252;rchten die Mogollons keineswegs, denn wir kennen ihre Absichten und sind eben, dabei, dieselben zu Schanden zu machen.«

Er sah mich forschend an, ver#228;nderte den Ausdruck seines Gesichtes abermals und fragte:

»Ihr kennt ihre Absichten? Ah, wirklich? Ihr glaubt, denselben begegnen zu k#246;nnen? Solltet Ihr Euch da nicht zu viel zutrauen, Sir?«

»Schwerlich! Ihr kennt mich doch, wenn auch noch nicht ganz genau. Ich pflege den B#252;ffel stets bei den H#246;rnern, nicht aber bei dem Schwanze anzufassen. Geradeso werden wir es auch mit den Mogollons thun. Wir wissen alles. Euer Jonathan kommt mit den Mogollons; aber wir haben ihnen eine recht h#252;bsche Falle gestellt, in welcher sie sich so leicht fangen werden, da#223; wir nur die Th#252;r zuzuklappen brauchen.

Ich wei#223; genau, da#223; ich imstande bin, Euch schon nach einigen Stunden die Mogollons samt Euerm Jonathan als Gefangene zu zeigen.«

Er schien mich mit den Augen verschlingen zu wollen, als er auf meine Worte erwiderte:

»Gefangene? Auch Jonathan? Pshaw! Ihr wollt mich #228;ngstigen, mich #228;rgern; aber das soll Euch nicht gelingen!«

»Ihr seid f#252;r immer kalt gestellt, Mr. Melton; ob Ihr Euch freut oder #228;rgert, ist mir unendlich gleichg#252;ltig. Ich spreche der Wahrheit gem#228;#223;, und wenn Ihr das nicht glaubt, werdet Ihr den Beweis sehr bald zu sehen bekommen.«

»Alle Wetter, Ihr scheint wirklich Eurer Sache sicher zu sein! Uebrigens ist es mir sehr gleichg#252;ltig, ob die Mogollons die Nijoras ermorden oder diese jene umbringen. Mir ist es um etwas ganz anderes zu thun. Und wenn Ihr gescheit seid, k#246;nnt Ihr ein au#223;erordentlich gutes Gesch#228;ft dabei machen. Wollt Ihr?«

»Warum nicht, wenn das Gesch#228;ft ein ehrliches ist,« antwortete ich, sehr neugierig auf die Mitteilung, welche er f#252;r mich auf der Zunge hatte.

»Sehr ehrlich, au#223;erordentlich ehrlich, wenn n#228;mlich Ihr selbst es auch ehrlich dabei meint.« »Ich bin kein Schuft; das k#246;nntet Ihr nun wohl endlich wissen.«

»Ich wei#223; es und eben darum glaube ich, da#223; die MogolIons in eine Falle gehen werden. Und darauf gr#252;nde ich das Gesch#228;ft, welches ich Euch vorzuschlagen beabsichtige.«

»So redet!«

»Ich verlange von Euch einen Gefallen, einen ganz kleinen, geringen Dienst, und ich verspreche Euch daf#252;r einen Lohn, welcher unendlich gr#246;#223;er ist, als dieser armselige Dienst.«

»Ja, Ihr werdet es versprechen, aber nicht halten!«

»Stellt Euch sicher, stellt Euch sicher, Sir! Ihr thut mir den Gefallen erst dann, wenn Ihr den Lohn erhalten habt.«

»Das ist ein Vorschlag, der sich h#246;ren l#228;#223;t. Welchen Dienst verlangt Ihr?«

»Ihr la#223;t mich frei und gebt mir das Geld wieder, welches Ihr mir abgenommen habt.«

»Das ist allerdings ein au#223;erordentlich geringer Dienst, den ich Euch erweisen soll. Also Ihr verlangt Eure Freiheit und dazu das Geld, welches ich Euch aus den Stiefeln genommen habe! Wunderbar!«

»Werdet nicht h#246;hnisch, Sir, denn Ihr wi#223;t noch gar nicht, was ich Euch daf#252;r geben werde!«

»Ihr? Was habt Ihr denn noch? Was k#246;nntet Ihr mir geben?«

»Millionen!«

»Alle Wetter! Wo befinden sich denn Eure Millionen?«

»Das kann ich Euch erst sagen, wenn Ihr mir die Freiheit und mein Geld versprecht.« »Und ich soll die Millionen eher bekommen, als ich mein Versprechen zu halten brauche?« »Ja, zu Eurer Sicherheit. Ihr seht, da#223; ich es ehrlich mit Euch meine.«

»Allerdings. Mr. Melton, ich scheine mich in Euch geirrt, Euch vollst#228;ndig falsch beurteilt zu haben!«

»Das ist wahr. Gl#252;cklicherweise biete ich Euch jetzt die vortreffliche Gelegenheit, diesen Fehler zu Eurem gr#246;#223;ten Nutzen gut zu machen.«

»Sch#246;n! Bei diesem gegenseitigen gro#223;en Vertrauen wird sich das Gesch#228;ft wohl machen lassen. Millionen, das hat etwas zu bedeuten! Also, wo habt Ihr sie?«

»Gebt mir vorher das verlangte Versprechen!«

»Sagt mir vorher, wieviel Millionen es sind!«

»Zwei bis drei Millionen Dollars; es kommt nicht so genau darauf an. Also, wollt Ihr?« »Ja.«

»Ihr gebt mir Euer Wort, da#223; ich frei sein werde und mein Geld wiederbekomme?«

»Ja. Sobald ich die Millionen auf Eure Anweisung oder durch Eure Hilfe erhalten habe, la#223; ich Euch sofort frei und zahle Euch das Geld aus.«

»Ich kann dann gehen, wohin ich will?«

»Ja. Ich werde mich von dem Augenblicke an, in welchem ich Euch freilasse, nicht wieder um Euch bek#252;mmern.«

»Gut! Jetzt habe ich meine Forderung so verklausuliert, da#223; ich sicher bin.« »Gewi#223;. Nun aber die Millionen!«

»Sogleich! Wir m#252;ssen aufrichtig miteinander sein. Sagt einmal, Sir, glaubt Ihr wirklich, da#223; Ihr die Mogollons besiegen werdet?«

»Mehr als das. Wir werden sie fangen, vom ersten bis zum letzten.« »Auch meinen Sohn mit?« »Auch ihn.«

»Gut! Er ist zwar mein Sohn, aber ein Schurke gegen mich gewesen. Er hat Hunters Geld so geteilt, da#223; er fast das ganze behielt, ich aber eine wahre Lappalie bekommen habe. Es geschieht ihm ganz recht, wenn ich ihn daf#252;r verrate. Also, pa#223;t auf! Er wird eine schwarzlederne H#228;ngetasche bei sich haben - -«

»Sch#246;n!«

»In dieser Tasche befindet sich ein Portefeuille. Und in diesem Portefeuille stecken die Millionen.« »Ist das gewi#223;?«

»Kein Zweifel! Ich wei#223; es genau. Seid Ihr jetzt zufrieden?« »Eigentlich nicht.«

»Warum? Ihr bekommt doch die Millionen! Denkt nur, Millionen! Ich k#246;nnte verr#252;ckt werden dar#252;ber, da#223; ich sie Euch abtreten mu#223;!«

»Aber Ihr habt mich doch an der Nase gef#252;hrt. Ich h#228;tte ja die Millionen bekommen, auch ohne Euch ein Versprechen gegeben zu haben. Jonathan wird auf alle F#228;lle mein Gefangener; ich w#252;rde die Tasche unbedingt bei ihm finden.«

»Meinetwegen. Aber ich hoffe, da#223; Ihr wegen dieser kleinen List nicht zornig auf mich seid?«

»O bitte, ganz und gar nicht. Doch ebenso hoffe ich, da#223; Eure Angabe sich als richtig erweist, da#223; er das Geld auch wirklich noch hat, denn ich habe, wohl gemerkt, die Bedingung gestellt, da#223; ich es auf Eure Anweisung, durch Eure Hilfe bekommen mu#223;!«

»Das werdet Ihr auch!«

»Und was soll dann mit Jonathan geschehen? Vielleicht geht es ihm gar an das Leben!«

»Jeder ist seines Schicksales Fabrikant. Ich kann ihm nicht helfen. Er hat mir zu wenig gegeben, hat mich betrogen; ich sage mich von ihm los, und es ist mir ganz einerlei, was mit ihm geschieht. Stirbt er, so ist es mir ganz recht, denn ich habe dann sp#228;ter vor ihm Ruhe. Ihr aber macht das beste Gesch#228;ft dabei, viel, viel besser als das meinige!«

Das war ein Vater! Mir graute so vor ihm, da#223; es mir war, als ob mir ein St#252;ck Eis auf den R#252;cken gelegt w#252;rde. Doch #252;berwand ich mich und antwortete gelassen:

»Ja, mein Lohn ist sehr hoch, doch kann mich das nicht aus der Fassung bringen, denn ich bin schon reich. Die Millionen habe ich schon.«

Bei diesem Worte klopfte ich an die Tasche.

»Die m#246;chte ich einmal sehen!« lachte er.

»So will ich Euch diesen Gefallen thun. Ein bi#223;chen Spa#223; ist Euch doch wohl zu g#246;nnen. Seht also einmal her! Hier - hier - hier und hier!«

Ich zog die Brieftasche hervor, #246;ffnete sie und hielt ihm bei jedem "hier" eines der Couverte vor die Augen. Ah, was machte er da f#252;r ein Gesicht! Wie schnell ver#228;nderte sich da der Ausdruck desselben! Es war, als ob es ihm die Augen aus ihren H#246;hlen treiben wolle. Er ri#223; den Kopf so weit empor, wie seine Fesseln es zulie#223;en, und br#252;llte mich an:

»Das - das - das ist doch - - woher habt Ihr diese Brieftasche! 0, Ihr Teufel, Teufel, Teufel!« schrie er pl#246;tzlich und stierte mich dabei mit einem Blicke an, dessen Ausdruck gar nicht zu beschreiben ist.

»Regt Euch doch nicht so sehr auf!« antwortete ich.»Was schadet es, da#223; ich Eurem Sohn einen heimlichen Besuch in seinem Zelte abgestattet habe? Nur thut es mir leid um Euch. Ihr k#246;nnt Euer Wort nicht halten, mir nicht zu den versprochenen Millionen verhelfen. Ich habe sie nicht auf Eure Anweisung, oder durch Eure Hilfe. Nun kann ich Euch nicht freilassen.«

»Ni-i-icht?« dehnte er in einer Aufregung hervor, welche seinen ganzen K#246;rper zittern lie#223;. »Nein. Und das Geld k#246;nnt Ihr auch nicht bekommen.«

Er antwortete nicht. Sein Kopf sank hinten#252;ber; seine Wangen fielen ein, und seine Augen schlossen sich. Ich glaubte, es sei infolge der allzu gro#223;en Entt#228;uschung ein Ohnmachtsanfall #252;ber ihn gekommen, und wendete mich schon ab, um fortzugehen, da kam beim Ger#228;usch meines ersten oder zweiten Schrittes neues Leben #252;ber ihn. Er reckte die gefesselten Glieder, da#223; die Riemen krachten und die Pfl#246;cke sich bogen und br#252;llte mich an:

»Du stammst aus der H#246;lle! Wei#223;t du, wer du bist? Der Satanas, der leibhaftige Satanas!«

»Unsinn! Dein Bruder war der Teufel; ich habe ihn stets so genannt, vom ersten Augenblicke an, da ich ihn sah. Und du bist Ischariot, der Verr#228;ter. Du hast allen, die dir Gutes thaten, mit B#246;sem vergolten. Du nahmst deinem eigenen Bruder das Leben und das Geld, und soeben hast du deinen Sohn, deinen einzigen Sohn, dein Kind an mich verraten. Ja, du bist Ischariot und wirst sterben wie jener Verr#228;ter, welcher hinging und sich selbst aufhing. Du wirst nicht durch die Hand eines Henkers sterben, sondern dich selbst ermorden. M#246;ge Gott gn#228;diger gegen dich sein, als du selbst!«

Ich wendete mich von ihm und ging zu Franz Vogel, welcher, von ihm ungesehen, in der N#228;he gestanden und alles mit gesehen und geh#246;rt hatte.

»Ein entsetzlicher Mensch!« sagte der junge Mann. »Glauben Sie nicht, da#223; er sich noch bessern kann?«

»Ich w#252;nsche jedem S#252;nder eine reuige Umkehr, und im Himmel ist Freude #252;ber ein jedes verlorenes Schaf, welches sich wiederfinden l#228;#223;t; dieser hier aber wird sich nicht finden lassen, sondern sich vor der Reue verstecken. Er ist noch schlimmer, noch viel gottloser als sein Bruder, der durch seine Hand den Tod gefunden hat. Man m#246;chte weinen, wenn Thr#228;nen hier helfen k#246;nnten.«

»Ich f#252;rchte mich jetzt vor ihm. Soll ich mit Ihnen gehen?«

»Nein. Bleiben Sie noch hier. Die jungen Kerls, welche die Pferde bewachen, sind noch unerfahren; sie k#246;nnten sich von ihm zu einer Unvorsichtigkeit verleiten lassen. Und dr#252;ben, jenseits der H#246;he, ist es noch nicht sicher f#252;r Sie. Wir haben Waffenstillstand, aber keinen Frieden; es kann noch zum Kampfe kommen.«

»Halten Sie mich f#252;r feig?«

»Nein; aber Sie d#252;rfen sich den Kugeln, welche viel- vielleicht pfeifen werden, nicht aussetzen, denn Sie haben eine Schwester nach Hause zu begleiten und sich Ihren Eltern zu erhalten.«

Er gehorchte mir und blieb zur#252;ck. Der H#228;uptling, welcher mich herbeigef#252;hrt hatte, war l#228;ngst fort, und nun stieg ich #252;ber die H#246;he wieder hin#252;ber nach der Platte. Ich konnte sie oben von dem Felsen aus #252;berblicken; es war noch alles in dem Zustande, wie ich sie vorhin verlassen hatte. Winnetou befand sich bei den Waffen der Mogollons. Der gefesselte H#228;uptling lag noch unten bei seinen beiden #228;ltesten Kriegern, und der H#228;uptling der Nijoras hatte soeben den Befehl gegeben, da#223; gegessen werden solle.

Infolgedessen stieg eine Anzahl Nijoras hin#252;ber zu den Pferden, bei denen sich die Fleischvorr#228;te befanden, und kamen bald zur#252;ck, sie auszuteilen. Nun sah man l#228;ngs des Wildrandes, droben bei der H#246;he und unten bei den Waffenhaufen zahlreiche kauernde und kauende Indianergestalten. Auch ich bekam, ebenso wie Winnetou, einige St#252;cke Fleisch; man hatte f#252;r ihn und mich das beste, was es gab, ausgesucht.

Als die Zeit kam, in welcher ich die Ankunft Emerys bald erwarten konnte, schickte ich ihm einen Nijora entgegen, der schnell zur#252;ckkehren sollte, um mir die Ankunft des Zuges zu melden. Es hatte das seinen guten Grund. Ich mu#223;te wissen, wann man die sechzig Gefangenen brachte, um die n#246;tigen Vorkehrungsma#223;regeln gegen eine etwa unter den Mogollons ausbrechende Unruhe treffen zu k#246;nnen.

Es mochte zwei Stunden nach Mittag sein, als der Bote zur#252;ckkehrte und mir meldete, da#223; Emery in zehn Minuten da sein werde. Ich hatte Winnetou gesagt, was zu thun sei; er ging nach dem Walde, zu den dort postierten Nijoras, ich aber zu dem H#228;uptlinge derselben und sagte letzterem:

»Die Waffen dort werden von zwanzig deiner Leute bewacht, welche vielleicht nicht ausreichen d#252;rften.« »Warum nicht?« fragte er.

»Man wird in kurzer Zeit die Mogollons bringen, welche ich am tiefen Wasser und an der Quelle des Schattens gefangen habe. Es ist m#246;glich, da#223; ihre Br#252;der beim Anblicke derselben. w#252;tend werden und nach ihren Waffen laufen, um die Gefangenen zu befreien. Halte noch zwanzig Mann bereit. Sobald ich dir mit der Hand ein Zeichen gebe, schickst du auch sie hinab zum Waffenhaufen, der dann von vierzig Mann bewacht ist.«

Nach dieser Weisung ging ich zu dem "starken Winde" und seinen beiden Aeltesten, setzte mich zu ihm nieder und sagte:

»Die Bedenkzeit, welche ich dir gew#228;hrte, wird bald abgelaufen sein. Ihr habt euch besprochen. Seid ihr zu

einem Beschlusse gekommen?«

»Noch nicht,« antwortete er.

»So beeilt euch! Sobald die Zeit vor#252;ber ist, mu#223; ich eure Antwort haben.«

»Willst du uns die Zeit nicht verl#228;ngern?«

»Nein, das kann weder uns noch Euch Nutzen bringen.«

»Man erz#228;hlt sich, da#223; Old Shatterhand stets g#252;tig sei; warum bist du es nicht auch gegen uns?« »Ich bin es gewesen; ich habe euch Zeit genug gegeben.« »Aber nicht soviel, wie wir brauchen!«

»Ihr h#228;ttet viel weniger gebraucht, als ihr bekommen habt, wenn nicht hinter deiner Stirn Gedanken der Rettung durch Leute wohnten, welche dich nicht retten k#246;nnen.«

»Von welchen Leuten redest du?«

»Von den zehn Kriegern, welche du heute fr#252;h am Quell des Schattens zur#252;ckgelassen hast.« Er erschrak, beherrschte sich aber, und fragte ziemlich unbefangen:

»Du sprichst von zehn Kriegern? Meinst du vielleicht Mogollons, die an der Quelle des Schattens sind?« »Ja; sie waren dort, zwei wei#223;e Gefangene zu bewachen, einen Mann und eine Squaw. Ist es nicht so?« »Ich wei#223; nichts davon.«

»Sagtest du nicht, da#223; dein Mund nie die Unwahrheit rede? Und jetzt bel#252;gst du mich! Du selbst hast in der letzten Nacht an der Quelle des Schattens gelagert. Du sa#223;est bei einem kleinen Feuer, um Tabak zu rauchen, mit drei alten Kriegern am Wasser, und ich lag bei euch, um euch zu belauschen. Zwei Kundschafter kehrten zur#252;ck, und einer von ihnen meldete dir, da#223; sie einem Nijora begegnet seien. Giebst du das zu?

Er antwortete nicht; darum fuhr ich fort:

»Der Nijora, dem sie begegneten, war ein Bote, den ich dem "schnellen Pfeile" schickte, um ihm sagen zu lassen, wann ihr heute auf der Platte ankommen w#252;rdet. Dann kroch ich von euch fort und stieg trotz des W#228;chters, welcher dabei sa#223;, zu den Gefangenen in den Wagen, um ihnen zu sagen, da#223; ich sie heute fr#252;h befreien w#252;rde.«

»Uff, uff!« rief da der jetzt #252;berzeugte H#228;uptling. »Nur dir oder Winnetou kann so etwas gelingen. Hast du das Wort gehalten, welches du den Gefangenen gabst?«

»Ja. Als du aufbrachst, war ich mit meinen Kriegern hinter der H#246;he am Quell verborgen. Als ihr fort waret, brachen wir hervor, nahmen die zehn Krieger, welche du zur#252;ckgelassen hattest, gefangen, befreiten die beiden

Bleichgesichter, bespannten den Wagen mit acht Pferden und fuhren und ritten euch nach.« »Warum mit dem Wagen?«

»Eine Kriegslist, die uns gelungen ist. Es giebt #252;brigens noch mehr Krieger, von denen du denkst, da#223; sie zu den zehn sto#223;en w#252;rden.«

»Wo?«

»Bei Melton, dem du f#252;nfzig Krieger anvertraut hast.«

»Uff, uff!« rief der H#228;uptling, jetzt doppelt erschreckt. »Woher wei#223; du das?«

»Ich erfuhr es, als ihr es im Kriegsrate erw#228;hntet. Die M#228;nner sollten ausziehen, mich und Winnetou zu fangen.«

»Wei#223;t du denn, ob sie dann auch wirklich ausgezogen sind?«

»Ja. Ich habe sie gesehen am Brunnen des Schlangenberges. Ich lag auch dort am Wasser und habe Melton belauscht.«

»Uff! Kann Old Shatterhand sich unsichtbar machen?«

»Nein. Aber wenn die roten M#228;nner keine Augen und Ohren haben, so ist es leicht, sie zu behorchen. Melton sagte, da#223; er nach dem tiefen Wasser ziehen und von dort an dir folgen werde.«

»Hat er das gethan?«

»Ja. Aber als er mit seinen f#252;nfzig Kriegern nach dem tiefen Wasser kam, lag ich schon mit f#252;nfzig dort und nahm sie alle gefangen. Dann sind sie dir wirklich gefolgt, freilich aber als unsere Gefangenen.«

Er sah mir durchdringend in das Gesicht und fragte:

»Aber wo sind die Gefangenen? Du bist ja da!«

»Kann man gefangene Feinde w#228;hrend des Kampfes gebrauchen? Ich habe sie an der Quelle des Schattens zur#252;ckgelassen, aber sofort nach ihnen geschickt, als ich erriet, da#223; du Rettung von ihnen erhofftest. Du wirst sie sehen, denn sie werden bald erscheinen. Da schau! Dort kommen sie!«

Ich hatte gesehen, da#223; Winnetou unter den B#228;umen hervortrat und den Arm empor hob. Auf dieses Zeichen kamen auch seine hundertf#252;nfzig Nijoras hervor, knieten nieder und legten ihre Gewehre auf die entwaffneten Mogollons an.

»Was ist das? Was soll geschehen?« fragte mich der H#228;uptling der letzteren erschrocken. »Nichts wird geschehen, wenn deine Krieger sich ruhig verhalten,« antwortete ich. »Horch!« Winnetou lie#223; seine m#228;chtige Stimme erschallen:

»Die Krieger der Mogollons m#246;gen h#246;ren, was ich ihnen sage! Man wird jetzt ihre Br#252;der bringen, welche wir gefangen haben. Wer sich ruhig verh#228;lt, dem geschieht nichts; wer sich aber von seinem Platze

entfernt, der wir erschossen.«

»Ist dies sein Ernst?« fragte mich der H#228;uptling.

»Siehst du das nicht? Sind nicht die L#228;ufe aller seiner Nijoras auf deine Mogollons gerichtet?« »Ja. Und was sollen die Krieger, welche jetzt vom Felsen steigen?«

Vor dieser Frage hatte ich dem H#228;uptlinge der Nijoras einen Wink mit der Hand gegeben, und antwortete nun demjenigen der Mogollons:

»Das sind zwanzig M#228;nner, welche auf meinen Befehl hin die W#228;chter dort bei euern Waffen verst#228;rken sollen, weil es deinen Mogollons einfallen k#246;nnte, ihre Waffen zu holen, um ihre gefangenen Gef#228;hrten zu befreien.«

»Das w#228;re Thorheit, denn ihr w#252;rdet sie niederschie#223;en, noch ehe sie ihre Waffen erlangt h#228;tten.« Er wendete sich an die beiden Alten und befahl ihnen:

»Eilt zu unsern Kriegern und sagt ihnen, da#223; sie sitzen bleiben sollen, es geschehe, was geschehe. Dann kommt ihr wieder zu mir her#252;ber!«

Sie entfernten sich, um die Botschaft auszurichten, und kamen gerade zur richtigen Zeit, denn kaum waren sie dr#252;ben bei den Ihrigen angelangt, so sah ich Emery als den vordersten seines Zuges vorn an der Einm#252;ndung des Hohlweges erscheinen. Ich sprang auf, winkte ihm zu und rief:

»Hallo, Emery, alle zu mir her#252;ber!«

Er sah und h#246;rte mich, und nahm die Richtung auf uns zu. Ihm folgten seine Nijoras, in drei Gruppen geteilt, zwischen denen in zwei Gruppen die gefesselten Gefangenen ritten. Beim Anblicke derselben herrschte eine wahre Totenstille auf der Platte. Unsere Vorkehrungen waren also gut gewesen; sie hatten die gef#252;rchteten Ausschreitungen verhindert.

Ich richtete den H#228;uptling der Mogollons in sitzende Stellung auf, lehnte ihn mit dem R#252;cken an einen Stein, soda#223; er alles gut sehen konnte, und fragte ihn:

»Erkennst du dort die Gefangenen?«

»Melton,« antwortete er. »Die wei#223;e Squaw und der Mann und die Squaw, welche wir im Wagen bei uns hatten.«

»Z#228;hle deine Leute!« »Sechzig gefangene Krieger.«

»Die #252;brigen sind Yumas, welche sich bei der Squaw Meltons befanden. Auch sie haben wir gefangen genommen.«

Der Zug war jetzt bei uns angekommen, ritt an uns vor#252;ber und hielt dann an. Die gefangenen Mogollons senkten ihre K#246;pfe, als sie ihren H#228;uptling auch gefesselt bei mir liegen sahen. Melton blickte mir frech ins Gesicht. Als sich der Zug aufgel#246;st hatte, und alle Gefangenen von den Pferden genommen und auf die Erde gelegt worden waren, kamen die beiden Aeltesten zur#252;ck. Ich fragte ihren H#228;uptling:

»Willst du auch jetzt noch Bedenkzeit fordern?«

Er sah den beiden Alten in die Augen. Sie sch#252;ttelten stumm die K#246;pfe, und so antwortete er: »Nein. Wir ergeben uns.«

»Gut! Eure Waffen haben wir schon; da habt ihr nur noch die Munition und die Pferde abzugeben. Erst kommen die daran, welche da dr#252;ben sitzen, dann die Gefangenen, welche jetzt gekommen sind, und die letzten drei werdet ihr machen. Winnetou wird euch entlassen, weil ich keine Zeit dazu habe. Jeder von Euch, der entlassen worden ist, hat sofort von der Platte zu verschwinden, nat#252;rlich zu Fu#223;, da er kein Pferd mehr besitzt, und in der Richtung nach der Quelle des Schatten zu. Eine stunde, nachdem der letzte von euch fort ist, werde ich Krieger aussenden, welche jeden Mogollon, der sich noch in der Umgegend treffen l#228;#223;t, erschie#223;en m#252;ssen. Das merke dir!«

Nach dieser ernsten Verwarnung suchte ich den Apatschen auf und bat ihn, die Entlassung der Gefangenen zu leiten. Er war bereit dazu und holte sich mehrere Nijoras, welche ihm behilflich sein sollten. Ich aber ging nun zu Martha, welche von fern stand und auf mich wartete.

»Gott sei Dank, da#223; ich Sie unverletzt finde!« rief sie aus, indem sie mir beide H#228;nde entgegenstreckte. »Sie haben sich also doch geschont?«

»So, da#223; ich vor lauter Ungeschick vom Pferde fiel.«

»Doch ohne sich Schaden zu thun?«

»Sonntagsreiter thun sich niemals Schaden.«

»Scherzen Sie nicht! Wenn Sie gest#252;rzt sind, kann es nur in einer gef#228;hrlichen Situation gewesen sein. Darf ich erfahren, wie der Unfall erfolgt ist?«

»Sp#228;ter werde ich es Ihnen sagen. Jetzt habe ich Ihnen etwas zu zeigen. Kommen Sie.«

Ich stieg mit ihr #252;ber die Felsenh#246;he. Jenseits angekommen, zeigte ich auf ihren Bruder, welcher unter Pferden und mit dem R#252;cken gegen uns gerichtet, im Grase sa#223;.

»Da ist Ihr Bruder. Gehen Sie hin zu ihm; er will Ihnen etwas zeigen.«

»Was?«

»Etwas, was sich in dieser Brieftasche befindet. Nehmen Sie sie mit!« »Gehen Sie nicht mit hin?«

»Nein; ich mu#223; wieder nach der Platte, werde aber bald zur#252;ckkehren oder Sie holen lassen.«

Ich gab ihr die Brieftasche und kehrte um. Nach einigen Schritten h#246;rte ich einen freudigen Doppelschrei; als ich mich umsah, bemerkte ich, da#223; die Geschwister sich in den Armen lagen.

Als ich jenseits wieder ankam, trat der Advokat auf mich zu. Er zeigte ein sehr finsteres Gesicht und fragte in einem Tone, als ob er ein Vorgesetzter von mir sei:

»Ich sah Euch mit Mrs. Werner fortgehen. Wohin habt Ihr sie gebracht?«

»Warum fragt Ihr?«

»Weil die Lady unter meinem Schutze steht und es mir nicht gleichg#252;ltig sein kann, mit wem sie #252;ber die Berge steigt.«

»Und wenn sie das mit Old Shatterhand thut, habt Ihr da vielleicht etwas dagegen?« Er antwortete nicht.

»Sagt ja, so fliegt Ihr augenblicklich #252;ber die Platte hin#252;ber und in den Canon hinab! Ihr w#228;ret mir der richtige Kerl, mir zu imponieren! Was Euer Schutz wert ist, hat Mrs. Werner zur Gen#252;ge erfahren. Ihr habt ja nicht einmal das Geschick, Euch ganz allein zu sch#252;tzen! Aber da wir einmal bei einander stehen, will ich diesen Umstand, der sich wohl selten wiederholen wird, dazu ben#252;tzen, eine Frage an Euch zu richten. Hatte der alte Mr. Hunter auch Immobilien hinterlassen?«

»Was versteht Ihr unter Immobilien?« fragte er in wegwerfendem Tone.

»Liegende Gr#252;nde, H#228;user, Baustellen, Hypotheken, Nutzungsrechte, Realgerechtsame, Staatsrenten und so weiter.«

»Das habe ich Euch nicht zu beantworten.«

»So sage ich Euch, da#223; wir hier im wilden Westen sind, wo es verschiedene sehr probate Mittel giebt, verweigerte Antworten dennoch zu erhalten. Ich werde Euch gleich eines zeigen.«

Ich nahm mein Lasso von der H#252;fte. Als ich ihn um die Arme Murphys schlingen wollte, wehrte er sich dagegen.

»Haltet still, sonst schlage ich Euch nieder! Hier sind wir nicht in New Orleans, wo Ihr den gro#223;en Gesetzesmann gegen mich und Winnetou aufspielen k#246;nntet. Hier giebt es andere Gesetze, welche ich Euch kennen lehren werde!«

Ich hob ihn empor, sch#252;ttelte ihn in der Luft und steifte ihn so auf die Erde nieder, da#223; er laut aufschrie und nach Atem rang. Ich band ihm das eine Ende des

Lasso um die an den Leib gedr#252;ckten Arme, befestigte das andere an den Sattel des n#228;chststehenden Pferdes und stieg auf. Zun#228;chst im Schritt fortreitend, zog ich ihn hinter mir her; er konnte folgen; als ich aber zu traben begann, st#252;rzte er und wurde geschleift. Da br#252;llte er:

»Halt, halt! Ich will antworten!« ich hielt an, zog ihn am Lasso auf und sagte:

»Gut! Aber bei der n#228;chsten Weigerung galoppiere ich. Merkt Euch das! Wenn dann Eure Knochen in Unordnung geraten, habt Ihr es Euch selbst zuzuschreiben.«

»Ich antworte,« sagte er w#252;tend. »Aber falls Ihr einmal nach New Orleans kommt, werde ich Euch zur Rechenschaft ziehen und bestrafen lassen!«

»Sch#246;n, Mr. Murphy! Ich werde Euch die Gelegenheit sobald wie m#246;glich bieten, denn ich habe die Absicht, die Meltons dorthin zu bringen, und da ich in dieser Sache auch einiges mit Euch auszuklopfen habe, so m#246;get Ihr dabei Eure Beschwerde anbringen. Ich meine aber, da#223; die dortigen Richter den

Kuckuck darnach fragen werden, was hier in Neu Mexiko oder Arizona geschehen ist; sie haben in ihrem sch#246;nen Louisiana mehr als genug zu thun. Also Antwort jetzt! Hat Mr. Hunter auch Immobilien hinterlassen?«

»Ja.«

»Es giebt nat#252;rlich auch ein Verzeichnis dar#252;ber?« Er schwieg. Sofort setzte ich das Pferd wieder in Bewegung.

»Halt, halt, es giebt Verzeichnisse!« rief er. »Im Testamente und in den Nachla#223;akten.«

»So sorgt ja nicht etwa daf#252;r, da#223; die Verzeichnisse verloren gehen! Man kann Euch auch in Louisiana an den Lasso kn#252;pfen, aber nicht um den Leib, sondern um den Hals. Jonathan Melton hat die Immobilien nat#252;rlich versilbert?«

»Ja.«

»Da dies so schnell wie m#246;glich geschehen mu#223;te, sind die Immobilien verschleudert worden. Wer waren die K#228;ufer?«

Er wollte wieder nicht antworten, als ich aber schnell wieder in die Z#252;gel griff, rief er: »Ich und andere waren es.«

»Ah so! Bei den andern habt Ihr den Unterh#228;ndler gemacht? »Ja.«

»Sch#246;ne Sachen das, Sir, sehr sch#246;ne Sachen! Kann Euch an den Kragen gehen. Also darum ist es Euch nachtr#228;glich so angst geworden, da#223; Ihr Euch zu den richtigen Erben nach Frisco aufgemacht habt! Jetzt ist mir die Reise sehr erkl#228;rlich. Werde Euch auch ein wenig als Gefangenen betrachten. Uebrigens mu#223; ich Euch ohnedies fragen: Wer hat verkauft?«

»Melton.«

»War er der rechte Erbe?« »Nein!«

»Gelten also diese K#228;ufe?« »Nein.«

»Seht, wie gut und schnell Ihr antworten k#246;nnt, wenn Ihr an meinem Pferde h#228;ngt! Die Kaufgegenst#228;nde m#252;ssen zur#252;ckgegeben werden, und zwar genau in dem Zustande, in welchem sie sich beim Verkaufe befanden.«

»Wer aber soll die Verluste tragen, Sir?«

»Die K#228;ufer nat#252;rlich. Sie haben sich von einem Schwindler betr#252;gen lassen.« »Dann werde ich ein armer Mann!«

»Schadet nichts! Ihr werdet durch #228;hnliche Gesch#228;fte sehr bald wieder reich. Uebrigens kann Euch der Verlust gar nichts schaden, da Ihr es seid, der zu den Betr#252;gereien Meltons sein amtliches ja und Amen gegeben hat. F#252;r heute sind wir fertig. Sp#228;ter komme ich mit andern Erkundigungen, da ich mit Freuden die Begeisterung sehe, mit welcher Ihr dergleichen Ausk#252;nfte erteilt.«

Ich stieg ab und band ihn los. Er lief fort und versteckte sich, so fern von mir, als er konnte. Nun ging ich zu Jonathan Melton, welcher gefesselt am Boden lag. Sein Gesicht war von dem Faustkampfe mit dem Advokaten derb angeschwollen. Als er mich vor sich sah, drehte er sich auf die Seite.

»Der Kriegszug ist zu Ende, Mr. Melton,« sagte ich. »Eure guten Freunde sind fort; sie haben Euch im Stiche gelassen. Meint Ihr noch immer, da#223; Ihr mir entfliehen k#246;nnet?«

Da drehte er sich hastig wieder herum, und schrie mich an:

»Nicht nur entfliehen werde ich, sondern auch das Geld wieder bekommen.«

»Gratuliere Euch im voraus dazu! Habe #252;brigens eine freudige Ueberrraschung f#252;r Euch.«

Ich gab, ohne da#223; er es h#246;rte, den Befehl, seinen Vater #252;ber die H#246;he her#252;berzuschaffen. Als man ihn brachte, kamen

Franz Vogel und Martha mit. Der Alte wurde zu dem jungen gef#252;hrt. Als der erstere den letzteren erblickte, schien er zun#228;chst vor Schreck stumm geworden zu sein; dann rief er aus:

»Also doch, doch, doch! Du bist gefangen, auch gefangen! Wem hast du das zu verdanken?«

»Dem da!« antwortete Jonathan, nach der Stelle nickend, an welcher ich stand.

»Dem deutschen Hunde, dem wir #252;berhaupt alles schulden! Wo hast du dein Geld?«

»Es ist fort, der Deutsche hat es.«

»Nein, nicht mehr. Vorhin habe ich es bei ihm gesehen; jetzt aber hat es dieser Musikant, dem wir in Albuquerque zugeh#246;rt haben.«

»Du irrst dich!«

»Nein. Ich habe die Brieftasche bei ihm gesehen. Die S#228;ngerin hat sie ihm gebracht; dann z#228;hlte sie das Geld.«

»Ja, es ist so, Mr. Melton,« sagte ich zu Jonathan. »Die Lady und der junge Master sind, wie Ihr bereits wi#223;t, die rechtm#228;#223;igen Erben Mr. Hunters. Darum habe ich ihnen die Brieftasche #252;bergeben.«

»Meinetwegen!« lachte er h#246;hnisch. »Sie werden sie nicht lange haben!«

»Dann kommt sie wieder in Eure H#228;nde, wie Ihr meint? Ich habe schon einmal dazu gratuliert, und thue dies jetzt zum zweitenmale. Wenn Ihr sie dann habt, gratuliere ich zum dritten- und letztenmale. Dabei wollen wir es jetzt bewenden lassen.«

W#228;hrend dieser kurzen Szene bemerkte ich, da#223; die J#252;din mit Jonathan Blicke des Einverst#228;ndnisses wechselte. Sie schienen sich ausges#246;hnt zu haben. Ich hatte sie in letzter Zeit nicht selbst beobachten k#246;nnen und mu#223;te wissen, woran ich war; darum sagte ich kurze Zeit sp#228;ter, soda#223; niemand es h#246;ren konnte, zu ihr:

»Sennora, Ihre Yumaindianer sind mit den Mogollons fort; jedenfalls haben sie sich nach dem Pueblo gewendet. M#246;chten Sie nicht gern auch dort sein?«

Sie sah mich fragend an. Sie sagte sich wohl, da#223; mich nicht eine freundliche Teilnahme zu dieser Frage treibe, konnte aber meine Absicht nicht erraten.

»Wollen Sie mich vielleicht freigeben, da#223; ich ihnen dorthin folgen kann?« antwortete sie. »Vielleicht.«

»So haben Sie Ihre Ansicht #252;ber mich ge#228;ndert!«

»Das w#252;rde wohl nicht das Zeichen von Charakterschw#228;che sein.«

»Ein Mann soll nicht heute so, und morgen anders denken!«

»Auch wenn er sich heute irrt? Zum Eingest#228;ndnisse eines Irrtums geh#246;rt wohl mehr Mut oder Ueberwindung, als zum Festhalten einer irrigen Meinung. Ich habe mich in Ihnen geirrt.«

»Ah! Wieso?«

»Indem ich Sie f#252;r schlecht hielt. Sie sind aber nur leichtsinnig.« »Das ist kein Kompliment!«

»Soll es auch nicht sein. Sie haben sich nicht aus Bosheit, sondern aus Lebe an Jonathan Melton geh#228;ngt; Ihre Schuld oder vielmehr Mitschuld ist also nicht so schwer, wie ich bisher angenommen habe. Sie sind jetzt schon bestraft genug; ich will Sie nicht noch ungl#252;cklicher machen und Sie mitnehmen, um Sie den Gerichten auszuliefern. Sie sind frei. Sie k#246;nnen gehen, wohin Sie wollen.«

Diese Worte hatten eine ganz andere Wirkung, als man, wenn man nicht meiner heimlichen Ansicht war, h#228;tte erwarten sollen.

»Ich bleibe!« antwortete sie kurz entschlossen. »Welchen Grund haben Sie dazu?«

»Ich geh#246;re zu Jonathan. Wo er ist, da bin ich auch, und wo er hingeht, da gehe ich auch hin.«

»Die reine Ruth! Leider aber hei#223;en Sie Judith. Gestern h#228;tten sie einander beinahe umgebracht, und heute wollen Sie nicht von ihm lassen. Diese pl#246;tzliche neue Anh#228;nglichkeit mu#223; einen guten Grund haben. Darf ich ihn vielleicht erfahren?«

»Wenn Sie ihn wissen wollen, so raten Sie. Sie sind doch sonst so klug, warum nicht auch hier in diesem Falle?«

»Auch hier!«

»So? Nun, so sagen sie doch einmal!«

Sie sah mir dabei mit einem solchen Hohne in das Gesicht, da#223; ich beschlo#223;, meinen Vorsatz auszuf#252;hren. Ich antwortete:

»Als Sie glaubten, das Geld sei im Wasser verschwunden, war es mit Ihrer Liebe aus. Jetzt wissen Sie, da#223; Mr. Vogel es besitzt, und Jonathan behauptet, da#223; er es wiederbekommen werde; sofort ist die alte Liebe und eine neue, r#252;hrende Anh#228;nglichkeit wieder da. Ich kann Sie unterwegs unm#246;glich so streng halten, wie die m#228;nnlichen Gefangenen; vielleicht gelingt es Ihnen, sich in einem unbewachten Augenblicke von Ihren Fesseln zu befreien; dann ist es Ihnen leicht, auch Jonathan freizumachen; das geschieht nat#252;rlich in der Nacht; Sie nehmen Mr. Vogel das Geld ab, und verschwinden beide damit. Was sagen Sie zu dieser meiner Gedankenleserei?«

»Da#223; - da#223; sie nichts wert ist.«

Sie antwortete stockend; ich hatte also wohl das Richtige getroffen. Darum fuhr ich fort: »Wert oder nichts wert, ich werde darnach handeln. Ich gebe Sie frei.« »Ich will aber nicht frei sein!«

»Sch#246;n! Das steigert meinen Verdacht. Ich sollte Sie allerdings mitnehmen, denn Sie haben Strafe verdient; aber ich m#252;#223;te Sie doppelt beaufsichtigen lassen, und so ist es bequemer f#252;r uns, wenn wir uns Ihrer entledigen.«

»Das bringen Sie nicht fertig. Weisen Sie mich immer fort; ich bleibe hier!« »Mr. Dunker!«

Der lange Dunker kam herbei.

»Mr. Dunker, getraut Ihr Euch, diese Lady, auch wenn sie sich dagegen wehren sollte, zu Euch auf das Pferd zu nehmen?«

»Mit Vergn#252;gen!« lachte er. »Je mehr sie sich wehrt, desto lieber ist es mir. Werde ein sehr stilles und ruhiges Tabaksb#252;ndel aus ihr machen. Soll ich?«

»Ja. Nehmt Euch zwei Nijoras mit, die Euch helfen k#246;nnen. Ihr reitet nach der Quelle des Schattens; dorthin sind die Mogollons und die Yumas gezogen. Sobald Ihr auf solche Rote trefft, #252;bergebt Ihr ihnen die Lady und kehrt dann schnell zur#252;ck.«

»Well, soll prompt besorgt werden.«

Da kam der H#228;uptling der Nijoras zu mir. W#228;hrend ich mit ihm sprach, konnte ich beobachten, wie Judith sich gegen das Fortbringen wehrte. Dunker machte kurzen Proze#223; mit ihr; sie wurde gebunden und in eine Schlafdecke gewickelt; die zwei Nijoras, welche ihm dabei halfen, hoben sie zu ihm aufs Pferd und ritten mit ihm davon.

Der H#228;uptling legte mir die Frage vor, wo wir heute lagern wollten. Ich stimmte nicht daf#252;r, hier auf der Platte zu bleiben, denn man konnte den Mogollons, obgleich sie entwaffnet waren, doch nicht recht trauen.

Wenn sie des Nachts in Masse zur#252;ckkehrten, war, wenn auch Keine Gefahr, aber doch gro#223;e St#246;rung zu erwarten. Dazu kam, da#223; es den H#228;uptling und alle seine Leute nach ihrem Dorfe zog, und so wurde einstimmig beschlosssen, dorthin aufzubrechen.

Nach Verlauf einer Stunde waren wir marschbereit. Die erbeuteten Waffen und Pferde waren einstweilen verteilt worden; die Gefangenen hatte man auf die S#228;ttel festgebunden; Martha sa#223; in dem Wagen und ich auf dem Bocke; es ging fort. Ein Roter aber blieb zur#252;ck, um den langen Dunker und seine beiden Begleiter nachzubringen.

Es w#228;re #252;berfl#252;ssig, die Fahrt, welche sehr beschwerlich war, zu beschreiben. Nach zwei Stunden kamen wir durch das schon wiederholt erw#228;hnte »dunkle Thal«; sp#228;ter wurden wir von Dunker eingeholt - er hatte sich, wie er lachend erkl#228;rte, der Lady mit Eleganz entledigt und sie einigen sehr roten Gentlemen anvertraut - und ungef#228;hr eine Stunde vor Abend sahen wir die Bewohner des Lagerdorfes der Nijoras uns unter lautem Jubel entgegenkommen. Sie waren durch einen uns voranreitenden Boten von unserer Ankunft unterrichtet worden.

Es verstand sich ganz von selbst, da#223; der leichte Sieg heute und dann noch mehrere Tage gefeiert wurde. Winnetou, Emery, Dunker und ich waren hochangesehene G#228;ste. Wir wurden angestaunt und mit einer Aufmerksamkeit behandelt, als ob wir Abk#246;mmlinge der G#246;tter seien. Wir mu#223;ten f#252;nf Tage bleiben, halb gezwungen und halb freiwillig, denn wir hatten uns wirklich einmal t#252;chtig auszuruhen, und vor uns lag noch ein weiter, weiter Weg.

Die alte Kutsche war so bauf#228;llig geworden, da#223; wir sie zur#252;cklassen mu#223;ten. Daf#252;r bauten die Nijoras aus Stangen, gegerbten H#228;uten und Riemen eine allerliebste S#228;nfte f#252;r Martha.

Am letzten Tage vor unserm Aufbruche ritt ein Trupp Nijoras auf die Antilopenjagd; wir blieben daheim. Als die J#228;ger zur#252;ckkehrten, erhob sich gro#223;er L#228;rm im Dorfe.

Wir hatten im Zelte des H#228;uptlings gesessen und traten hinaus, um die Ursache zu erfahren. Die J#228;ger hatten einen sonderbaren Fang gemacht; sie brachten keine Antilopen, sondern zwei Gefangene mit, n#228;mlich einen Mogollonindianer und -- eine wei#223;e Squaw, Sennora Judith genannt.

Die J#228;ger waren eine Stunde von dem Dorfe auf sechs Mogollons und die J#252;din gesto#223;en; es hatte ein Scharm#252;tzel gegeben, bei welchem ein Mogollon und die »Squaw« ergriffen worden waren; die andern f#252;nf Gegner hatten das Weite gesucht. Am sonderbarsten kam mir der Umstand vor, da#223; alle sechs Mogollons mit Flinten bewaffnet gewesen waren. Woher hatten sie die?

Wir nahmen erst den Gefangenen vor. Er schwieg beharrlich; es war nichts aus ihm herauszubringen. Dann wurde Judith vorgef#252;hrt. Sie trat nicht etwa verlegen auf, sondern sah uns frech in die Gesichter.

»Was haben Sie in der N#228;he des Dorfes zu suchen?« fragte ich sie.

»Das k#246;nnen Sie sich denken!« lachte sie mich an.

»Nat#252;rlich Ihren Jonathan?«

»Ich habe Ihnen gesagt, da#223; ich zu ihm geh#246;re!«

»Sogar sehr geh#246;ren Sie zum ihm, sehr! Aber Sie wissen, da#223; wir auf Ihre Gesellschaft verzichtet haben. Wissen Sie, da#223; Ihre Begleiter ihr Leben auf das Spiel gesetzt haben, indem sie sich so nahe an die Nijoras wagten?«

»Das ist mir gleich.« »Wo haben die Kerls die Flinten her?« »Das brauchen Sie nicht zu wissen.«

»Sind Sie etwa gekommen, mich noch einmal zu veranlassen, Sie mitzunehmen?« »Welche Absicht sollte ich sonst haben?« »Melton zu befreien.«

»Sie meinen, da#223; wir uns in dieses gro#223;e Lager wagen wollten? So dumm waren wir nicht.«

»Des Nachts h#228;tte man es immer wagen k#246;nnen. Ihre eigentliche Absicht aber war eine andere. Sie haben sich auf die Lauer gelegt, um unsere Abreise zu bemerken. Dann wollten Sie uns folgen und uns #252;berfallen. Sie h#228;tten Ihren Jonathan und das Geld bekommen, und nebenbei h#228;tten die MogolIons sich f#252;r ihre Niederlage ger#228;cht.«

»Wunderbar, wie klug Sie sind!« rief sie lachend aus; aber es war ein erzwungenes Lachen; ich hatte wahrscheinlich das Richtige getroffen.

»Um so th#246;richter sind Sie. Ihr Leben war und ist ein trauriges, und ebenso traurig wird Ihr Ende sein!«

»Was geht das Sie an! Mein Leben und mein Ende ist meine Sache, aber nicht die Ihrige!«

»Doch auch mit die meinige! Wenn Sie sich stets in unsere Wege dr#228;ngen, besitzen wir gar wohl das Recht, uns um Sie zu bek#252;mmern. Aber wir werden daf#252;r sorgen, da#223; Sie uns nicht sogleich wieder bel#228;stigen k#246;nnen. Der H#228;uptling der Nijoras, unser Bruder, wird Sie einige Wochen hier gefangen halten; das wird das einzige Ergebnis Ihres jetzigen, unweiblichen Abenteuers sein.«

Man sah deutlich, da#223; sie erschrak; sie nahm sich aber zusammen und sagte, jetzt in bittendem Tone:

»Sie f#252;gen mir damit ein gro#223;es Unrecht zu. Ich will Melton nicht befreien, sondern bin nur in der Absicht gekommen, Sie zu bitten, mich mitzunehmen.«

»Bitten? Mit sechs Begleitern? Und in dieser Weise bewaffnet? Pah! das machen Sie einem andern wei#223;, aber mir doch nicht. Sie bleiben einige Wochen hier gefangen. Was dann aus Ihnen wird, das mag allerdings Ihre Sache und nicht die unserige sein. Fort mit Ihnen, hinaus! Wir m#246;gen Sie nicht mehr sehen.«

Sie ging; aber unter dem Eingange drehte sie sich noch einmal um und fragte:

»Melton soll also wirklich fortgeschafft und bestraft werden?«

»Ja.«

»So reisen Sie! Aber Sie werden bald etwas erleben, wenn ich nun auch nicht dabei sein kann!«

Aus dieser Drohung war mit gr#246;#223;ter Deutlichkeit zu ersehen, da#223; wir unterwegs hatten #252;berfallen werden sollen. Noch waren f#252;nf Mogollons da; wir mu#223;ten also vorsichtig sein. Es stand zu erwarten, da#223; sie sich heute abend n#228;herschleichen w#252;rden, um das Schicksal ihrer Anf#252;hrerin und ihres Kameraden zu erfahren. Darum zogen wir, sobald es dunkel geworden war, einen Ring von Lauschern, welche sich in das hohe Gras legen und dort unbeweglich halten mu#223;ten, um das Dorf. Das hatte Erfolg. Vier Mogollons wurden

erwischt; der f#252;nfte entkam.

Nun konnten wir am andern Morgen unsere Reise ohne Sorge antreten. Wir wurden von einer Schar Nijoras mehrere Stunden weit begleitet und waren von da unsere eigenen Herren. Die S#228;nfte Marthas wurde von Pferden getragen; die Nijoras hatten daf#252;r gesorgt, da#223; wir alle gut beritten waren, und so legten wir ganz stattliche Tagesm#228;rsche zur#252;ck. Wir vermieden die Gegend des Schlangenberges und den Flujo blanco mit dem Pueblo, welches wir auf dem Herwege erobert hatten. Von da an aber lenkten wir genau dahin ein, woher wir gekommen waren.

Hatte Jonathan Melton Hoffnung gehabt, befreit zu werden, so schien sie von Tag zu Tag mehr zu schwinden. Wir sorgten daf#252;r, da#223; er kein Wort mit seinem Vater sprechen konnte. Dieser befand sich in einem eigenartigen Zustande. Er murmelte immer unverst#228;ndliches Zeug vor sich hin, fuhr des Nachts angstheulend aus dem Schlafe auf und trieb allerhand Allotria, die uns um seinen Verstand bange machten.

So kamen wir jenseits des kleinen Colorado und vor Acoma gegen Abend in die Gegend, wo der alte Melton seinen Bruder ermordet hatte. Ohne da#223; etwas dar#252;ber gesprochen oder gar bestimmt worden war, hielten wir an der Stelle an, wo wir den Toten mit Steinen bedeckt hatten. Wir wollten die Nacht da lagern. Noch lag das Gerippe des gest#252;rzten Pferdes da; die Geier hatten es rein abgenagt. Es war ein schauerlicher Ort, der Ort des Brudermordes. H#228;tte man uns gefragt, warum wir gerade ihn f#252;r die Nacht gew#228;hlt hatten, es w#228;re wohl keiner von uns imstande gewesen, eine befriedigende Antwort zu geben.

Wir a#223;en, der alte Melton aber nicht. Er lag mit emporgezogenen Knieen an der Erde und st#246;hnte vor sich hin. Pl#246;tzlich, der Mond war eben aufgegangen, bat er mich:

»Sir, bindet mir die H#228;nde vom R#252;cken nach vorn!«

»Warum?« fragte ich.

»Damit ich sie falten kann. Ich mu#223; beten!«

Welch eine unerwartete Bitte! Durfte ich die Erf#252;llung verweigern? Gewi#223; nicht. Ich gab also dem langen Dunker die Genehmigung, weil dieser neben ihm sa#223;. Er band die H#228;nde hinten los. Noch ehe er sie vorn wieder zusammen gebunden hatte, fragte mich der Alte:

»Wo liegt mein Bruder, Sir?«

»Gleich neben Euch, unter dem Steinhaufen.«

»So begrabt mich bei ihm!«

Dunker stie#223; einen Schrei aus. Wir sahen, da#223; er Melton bei den H#228;nden fa#223;te. »Was giebt's denn, was ist los?« fragte ich.

»Er hat mir mein Messer aus dem G#252;rtel gezogen,« antwortete Dunker. »So nehmt es ihm rasch!«

»Es geht nicht; er h#228;lt zu fest! Er ersticht sich - er ersticht sich - es ist zu sp#228;t!«

Ich sprang hin, ri#223; Dunker weg und b#252;ckte mich auf den Alten nieder. Ein R#246;cheln drang aus seinem offenen Munde. Das Messer mit beiden H#228;nden fest am Griffe haltend, hatte er sich die lange Klinge bis an

das Heft ins Herz gesto#223;en; noch h#246;chstens einige Sekunden, dann war er tot.

Was soll ich weiter sagen! Solche Augenblicke mu#223; man erleben, aber dar#252;ber sprechen, dar#252;ber schreiben kann man nicht. Das ist das Gericht Gottes, welches schon hier auf Erden beginnt, und sich bis jenseits des j#252;ngsten Tages in alle Ewigkeit erstreckt! Auf derselben Stelle auch ganz derselbe Tod! Erstochen! Ich hatte ihm gesagt, er werde sterben wie Ischariot - von seiner eigenen Hand. Wie schnell war das in Erf#252;llung gegangen!

Wir waren so ergriffen, da#223; wir zun#228;chst nur stumm beten konnten. Und Jonathan, sein Sohn? Der lag da, sah in den Mond und sagte kein Wort, gab keinen Laut von sich.

»Mr. Melton,« rief ich ihn nach einiger Zeit an, »habt ihr geh#246;rt, was geschehen ist?«

»Ja,« antwortete er ruhig.

»Euer Vater ist tot!«

»Well, er hat sich erstochen.«

»Rei#223;t Euch das denn nicht das Herz aus der Brust?«

»Warum? Dem Alten ist wohl. Der Tod hier war das beste f#252;r ihn; er h#228;tte sonst doch baumeln m#252;ssen!«

»Mensch, Mensch, so redet Ihr von Euerm Vater?«

»Meint Ihr, da#223; er anders #252;ber mich gesprochen h#228;tte?«

Ich wu#223;te zwar, da#223; er recht hatte, antwortete aber doch:

»Gewi#223; anders, ganz anders!«

»Nein, Sir. Er h#228;tte mich ebenso wie jeden andern verraten und geopfert, wenn es f#252;r ihn von entsprechendem Nutzen gewesen w#228;re. Scharrt ihn zu seinem Bruder ein, den er umgebracht hat!«

Diese Gef#252;hllosigkeit und Herzensh#228;rte brachte mich noch weit mehr zum Grauen als der Selbstmord an sich. Kann es wirklich solche Menschen geben? Ja, es giebt welche! Sind sie aber dann noch Menschen zu nennen? Allerdings, und gerade weil sie Menschen sind, darf man bis zum letzten Augenblicke nicht an der M#246;glichkeit der Besserung zweifeln. Gott ist die Liebe, die Gnade, die Langmut und Barmherzigkeit! -

Wir begruben den Toten, ohne ihm das Messer aus der Brust zu ziehen, da, wo er es gewollt hatte, bei seinem Bruder. Hierauf ritten wir eine gro#223;e Strecke weiter, um erst dann anzuhalten und wieder zu lagern. Ich glaube, keiner von uns, au#223;er Jonathan und Murphy, hat in dieser Nacht geschlafen.

Am zweiten Tage darauf kamen wir in Albuquerque an, wo wir unsere Pferde ausruhen lie#223;en. Hier gaben wir unsere Erlebnisse und Aussagen zu den Akten und baten uns zur bessern Beaufsichtigung Meltons zwei Polizisten aus. F#252;r Martha wurde ein Wagen genommen; sodann ging es weiter, auf der Canadianstra#223;e bis Fort Bascom und von da aus auf der Red Riverstra#223;e nach dem Mississippi und bis New Orleans.

Wie staunten die Herren Detektives dort, als wir den Misseth#228;ter brachten, aus dem verborgensten Winkel des wilden Westens geholt! Und welch ein Aufsehen gab es, als nach und nach die Umst#228;nde bekannt wurden, unter denen wir ihn verfolgt und endlich ergriffen hatten. Winnetou, der "F#252;rst der F#228;hrtenfinder", war der Held des Tages; er lie#223; sich aber nicht sehen, und wir andern blieben ebenso versteckt. Leider

mu#223;ten wir lange, lange bleiben, um als Zeugen vernommen zu werden.

Es wurde bekannt, in welchem Hause Martha mit ihrem Bruder wohnte. Es sprach sich auch herum, da#223; sie eine sehr sch#246;ne Lady und eine excellente S#228;ngerin sei. Von da an gingen bei ihr t#228;glich wenigstens ein halbes Dutzend Heiratsantr#228;ge ein; er aber bekam eine angsterregende Ueberschwemmung von allen m#246;glichen Projekten, durch deren Ausf#252;hrung er das ihm jedenfalls zuzusprechende Verm#246;gen in k#252;rzester Zeit verdrei-, verzehn- und gar verhundertfachen k#246;nne.

Und es wurde der Familie Vogel zugesprochen. Murphy war durch meine Drohungen eingesch#252;chtert worden und bem#252;hte sich, den Schaden, welchen er angerichtet hatte, m#246;glichst auszugleichen. Davon aber, da#223; er an meinem Lasso gehangen hatte, um antworten zu lernen, erz#228;hlte er keinem Menschen etwas. Sp#228;ter aber habe ich einen von ihm geschriebenen Bericht #252;ber seine damaligen Erlebnisse gelesen, welcher, wenn ich mich nicht ganz irre, im "Crescent" erschien. Zu meiner gro#223;en Verwunderung und nachhaltigen Besserung las ich da schwarz auf wei#223;, da#223; er alles ganz allein gewagt, gethan, erreicht und in das richtige Geleis gebracht hatte, w#228;hrend

Winnetou, Emery, Dunker und ich nur ganz unbedeutende, nebens#228;chliche Personen gewesen waren. So kann man sich #252;ber seine eigenen, scheinbar gut im Ged#228;chtnisse aufbewahrten Erlebnisse im erstaunenswertesten Irrtum befinden! Ich habe mich seit jener Zeit stets geh#252;tet, etwas zu denken, zu sagen oder gar zu thun, wenn dabei drei oder f#252;nf Meilen in der Runde ein amerikanischer Advokat anzutreffen war. Meine Reiseerlebnisse sind in hundert amerikanischen Zeitungen und in tausend amerikanischen B#252;chern ab- und nachgedruckt worden, ohne da#223; man mich darum fragte oder, was ein vern#252;nftiger Mensch und Deutscher #252;brigens gar nicht verlangen kann, mir in Gnaden ein Exemplar davon gab; die amerikanischen Verleger sind steinreich geworden; mein einziges Honorar aber hat in einem bohnenstrohgroben Briefe bestanden, den der gebildetste dieser Gentlemen mir schrieb; die andern hielten es f#252;r geboten, mir gar nicht zu antworten. Wenn dazu dann noch so ein Mr. Fred Murphy kommt und, anstatt mich nur nachzudrucken, meine Erlebnisse f#252;r die seinigen erkl#228;rt, so kommt man, wenn man halbwegs ein gutes Gem#252;t besitzt und seinem Nebenmenschen etwas g#246;nnt, leicht auf den Gedanken, fernerhin h#252;bsch daheim zu bleiben, um auch einmal nachzudrucken, Mr. Murphy aber reisen zu lassen.

Und nun der Schlu#223;?!

Der lange Dunker steigt noch immer im wilden Westen herum. Von Emery wird der liebe Leser wohl bald wieder etwas h#246;ren. Kr#252;ger-Bei ist gestorben, wie k#252;rzlich auch die Zeitungen meldeten, leider aber nicht in seiner un#252;bertroffenen deutschen Ausdrucksweise. Jonathan Melton, der falsche Small Hunter, wurde zu vielj#228;hriger Einzelhaft verurteilt, ist aber bald in seiner engen Zelle zu Grunde gegangen, hoffentlich nicht auch in Beziehung auf seine Seele. Judith hat nie wieder von sich h#246;ren lassen.

Und die Familie Vogel?

Bei dieser Frage geht mir, ich mag wollen oder nicht, das Herz auf. Nicht in gro#223;en Welt-, sondern in Provinzialbl#228;ttern kleinen und kleinsten Formates liest man zuweilen eine Annonce ungef#228;hr folgenden Wortlautes: »Begabte Kinder armer, braver Eltern werden unentgeltlich in Pension genommen und gratis ausgebildet. N#228;heres wolle man usw.« Auf die darauf erfolgende Meldung erscheint dann gew#246;hnlich ein sehr feiner und lieb dreinschauender Herr, um das Kind zu pr#252;fen oder pr#252;fen zu lassen. Besteht es die Pr#252;fung, so nimmt er es mit in ein gro#223;es, sehr freundlich eingerichtetes Haus, an dessen Thor auf einem kleinen Messingschilde der einfache Name »Franz Vogel« angebracht ist. Das Kind des darbenden Arbeiters, der hungernden Witwe, welches dieses Haus betritt, verl#228;#223;t es sp#228;ter nur mit Thr#228;nen, innerlich und #228;u#223;erlich aber wohl ausger#252;stet f#252;r die K#228;mpfe, welche es im Leben zu bestehen hat. Wird dieser wohlth#228;tige Herr gefragt, warum er seine Freude gerade daran finde, Kinder auszubilden, welche ohne ihn nichts sein und nichts werden k#246;nnten, so pflegt er nur still vor sich hinzul#228;cheln. Hat ihn die Frage aber in einer besonders mitteilsamen Stunde getroffen, so antwortet er wohl:

»Ich selbst bin ein solcher armer Junge gewesen; ich fand zwar keine Annonce, welche mir emporhalf, aber

ich wurde gefunden, und es ist nun mein gr#246;#223;tes Gl#252;ck, wiederzufinden.«

Und droben in einem Gebirgsd#246;rfchen ragt ein hohes, mit einem T#252;rmchen gekr#246;ntes Geb#228;ude empor, welches von einem wohlgepflegten Garten umgeben ist. Als ich es zum erstenmal erblickte, war ich von der Besitzerin eingeladen worden, mir dieses Haus, seine Einrichtung und seine Bewohner anzusehen. Ich wu#223;te nichts von demselben, denn ich war lange in der Fremde gewesen, und die nachgesandten Briefen hatten mich nicht getroffen.

Wie staunte ich, als ich das pr#228;chtige Geb#228;ude sah! Ueber dem hohen, breiten Thore war in gro#223;en, goldenen Lettern zu lesen: »Heimat f#252;r Verlassene.« Im Flur klingelte ich. Ein altes, reinlich gekleidetes M#252;tterchen erschien, fragte, ob ich Frau Werner sprechen wolle, und bat um meinen Namen. Als ich denselben nannte, schlug sie die H#228;nde zusammen und rief:

»Da sind Sie doch wohl gar der gute Herr Shatterhand, von dem uns die liebe Frau Werner so oft vorliest und auch viel erz#228;hlt! O, Sie m#252;ssen unsere Heimat kennen lernen; ich bin selbst auch so eine Verlassene gewesen!«

Sie f#252;hrte mich in ein einfach eingerichtetes Zimmer, in welchem eine ebenso einfach gekleidete Dame stand. Das war sie, die fr#252;here S#228;ngerin, jetzige Million#228;rin und zugleich Engel der Witwen und Waisen und aller Art von Verlassenen.

»Endlich, endlich kommen Sie einmal!« sagte sie, unter schnell ausbrechenden Freudenthr#228;nen l#228;chelnd und mir die beiden H#228;nde zum Gru#223;e entgegenstreckend. »Vor allen Ihnen wollte und mu#223;te ich einmal mein selbstgeschaffenes, kleines Reich zeigen!«

»Ich bin mit Freuden gekommen, denn ich werde den Erl#246;ser sehen,« antwortete ich ger#252;hrt. »Den Erl#246;ser? - Wieso!«

»Sagt nicht Christus: "Wer jemand aufnimmt in meinem Namen, der nimmt mich auf!" Hier ist eine heilige St#228;tte, Frau Werner. Ich m#246;chte meine Schuhe ausziehen wie Moses, als er im Feuer den Herrn erblickte. Sie haben nach langem Irren die rechte Heimat gefunden und teilen dieselbe mit den Verlassenen. Ich habe Sie darob lieb, Martha! Bitte, zeigen Sie mir Ihr Haus!«

Sie that es. Die Barmherzigkeit f#252;hrte mich, die Barmherzigkeit, welche die tragende und pflegende Schwester der Liebe ist. Wie sauber, wie bequem waren die Wohnungen; wie behaglich l#228;chelten mich die vielen alten M#252;tterchen an; wie tollten sich die Kinder unten im Garten, und wie ergebungsfroh blickten die Kranken aus ihren wei#223;en Kissen zu mir auf! Und wie richteten sich alle nach dem leisesten Winke der Herrin, welche zugleich die freudigste Dienerin aller war!

»Heimat f#252;r Verlassene!« Welch ein sch#246;nes und beruhigendes Wort! Lieber Leser, auch ich werde und du wirst einst zu den Verlassenen geh#246;ren, wenn alles, was wir unser nennen, vor unserm sterbenden Auge verschwindet; dann #246;ffnet sich uns jene Heimat, von welcher der Erl#246;ser sagt: »Im Hause meines Vaters sind viele Wohnungen, und ich gehe hin, sie f#252;r euch zu bereiten!« - - -