"Satan und Ischariot III" - читать интересную книгу автора (Май Карл)

Sechstes Kapitel. Gerettete Millionen.

Der Ritt, den wir vorhatten, hie#223; unsern Pferden sehr viel zumuten; aber sie konnten es nicht besser haben als die Herren. Sie hatten im Pueblo ausruhen k#246;nnen, w#228;hrend wir gezwungen gewesen waren, wach zu bleiben. Dann hatten wir unterwegs am Berge, wo wir von den Indianern der J#252;din #252;berfallen werden sollten, nur ganz wenig geschlafen, heute wieder gar nicht, und ob wir bei der Eile, welche notwendig war, in n#228;chster Nacht zur Ruhe kommen w#252;rden, das fragte sich auch noch. Der Regen hatte sein Unangenehmes, doch auch seinen Nutzen. Er durchn#228;#223;te uns, hielt aber die Pferde frisch; die Reiter f#252;hlten sich freilich etwas zu sehr erfrischt und befanden sich nicht so recht bei guter Stimmung. Wenn die Witterung schon auf den Stubenhocker einen solchen Einflu#223; aus#252;bt, da#223; er bei sch#246;nem Wetter sich in guter, bei schlechtem Wetter aber in weniger angenehmer Laune befindet, so kann man sich denken, da#223; Leute, die in der Wildnis direkt dem Sturme und Regen ausgesetzt sind, diesen Einflu#223; auch wohl kennen lernen. Darum ritten wir still und ziemlich verdrossen hinter dem Apatschen her, welcher trotz des Regens, bei dem man w#228;hrend der

Nacht nicht f#252;nf Schritte weit zu sehen vermochte, nicht ein einzigesmal anhielt, um sich zu orientieren. Um mich zu erinnern, da#223; er sich #252;berhaupt einmal verirrt habe, wenn er gesagt hatte, da#223; er die Gegend kenne, h#228;tte ich wohl sehr lange und doch vergeblich nachdenken k#246;nnen.

Als es Tag wurde, befanden wir uns auf einer weiten Prairie. Winnetou deutete nach links, nach Osten, und sagte:

»Dort dr#252;ben giebt es, doch eine halbe Stunde entfernt, den Weg, welchen wir gestern geritten sind, ehe wir unsern Bruder Dunker trafen. Nun ist es hell, und wir wollen schneller reiten.«

Wir thaten dies nicht #252;berm#228;#223;ig, n#228;mlich so, da#223; wir in einer Stunde eine gute deutsche Meile zur#252;cklegten. Zu unserer Genugthuung ging am Vormittage der Wind zur Ruhe; der Regen h#246;rte auf; die Wolken zerteilten sich und wurden von der Sonne dann ganz vertrieben. Die W#228;rme that uns wohl; der Regen hatte seine Schuldigkeit gethan, indem unsere Spuren von ihm ausgel#246;scht worden waren. Noch lange vor der Mittagzeit deutete Winnetou abermals nach Osten, wo wir nichts sahen, und sagte:

»Eine Stunde von hier liegt der Wald, an dessen Rande wir den H#228;uptling der Nijoras trafen. Meine Br#252;der werden zugeben, da#223; wir sehr gut geritten sind.«

Der #246;stlich von uns gelegene Wald schien sich nach S#252;den herumzuziehen, denn wir sahen ihn bald darauf in dieser Richtung vor uns liegen. Wir erreichten ihn, ritten wohl bis Mittag durch und hielten am jenseitigen Rande an, um die Pferde verschnaufen zu lassen. Nachdem sie fast zwei Stunden lang ausgeruht und gegrast hatten, setzten wir den Ritt fort, doch nicht mehr in der bisherigen Richtung, denn Winnetou wendete sich s#252;d#246;stlich. Ueber die Ursache befragt, antwortete er:

»Wir sind weit vorangekommen und haben nun nicht mehr zu bef#252;rchten, da#223; die Mogollons heute auf unsere Spur treffen werden; darum lenke ich jetzt nach dem Wege hin#252;ber ein, den sie einschlagen m#252;ssen, denn es kann von Nutzen sein, da#223; meine Br#252;der ihn kennen lernen.«

Wenn hier das Wort Weg gebraucht wird, so ist nat#252;rlich niemals ein gebahnter Pfad gemeint. Wir kamen jetzt #252;ber eine Hochsteppe, auf welcher es viel Sand und Gestein und nur wenig Gras gab. Zuweilen gelangten wir an eine H#246;he, welche wir umritten; wirkliche Berge waren nicht zu sehen, obgleich wir nordwestlich das Mogollongebirge und nord#246;stlich die Sierra Blanca im R#252;cken hatten. Wir bewegten uns eben, ohne da#223; wir es bemerkten, abw#228;rts, dem Gebiete des obern Gila zu, ohne aber einen Wasserlauf anzutreffen.

Erst gegen Abend deutete eine kleine Hochprairie an, da#223; wir in eine feuchtere Gegend gelangten. Bald sahen wir einzelnes Buschwerk; am Fu#223;e einer Anh#246;he rieselte Wasser aus der Erde, und es gab da einen Platz, welcher gar nicht geeigneter zum Lagern sein konnte.

»Halten wir hier?« fragte Emery.

»Nein,« antwortete Winnetou.

»Aber wir k#246;nnen doch die Pferde tr#228;nken!«

»Das wird Winnetou nicht verwehren; dann aber reiten wir weiter, um noch vor Einbruch der Dunkelheit durch den Wald zu kommen, welchen ihr dort im S#252;den liegen seht - uff! Schnell von den Pferden herab.«

Da er von dem s#252;dw#228;rts liegenden Walde sprach, hatte er, gerade so wie wir, seine Augen dorthin gerichtet; da sahen wir f#252;nf Reiter, welche auf die Stelle zukamen, an der wir uns befanden. Sie hatten uns jedenfalls noch nicht bemerkt, denn sie waren noch sehr entfernt von uns, und wir hielten im Geb#252;sch, welches die Quelle umgab. Wir sprangen von den Pferden und nahmen die Gewehre zur Hand, obgleich wir vor den wenigen Menschen keine Sorge zu haben brauchten. Hinter dem Gestr#228;uch versteckt, erwarteten wir sie.

Sie ritten sehr gute Pferde, hatten keine Gewehre, daf#252;r aber, wie es schien, volle Proviantbeutel hinter sich aufgeschnallt.

»Kundschafter,« sagte ich infolgedessen.

»Der Nijoras,« nickte Winnetou dazu. »Sie tragen keine Farben, doch k#246;nnen sie zu keinem andern Stamme geh#246;ren. Sie sind unsere Freunde, dennoch m#252;ssen wir ihnen eine Lehre geben.«

Er hatte recht. Kundschafter m#252;ssen zehnfach vorsichtig sein. Und diese? Selbst als sie nahe genug gekommen waren, bemerkten sie nicht, da#223; Leute sich an der Quelle befanden. Uns selbst zwar konnten sie nicht sehen, aber wir waren doch zuletzt #252;ber gr#252;nes Land gekommen, und f#252;r ein scharfes Auge war unsere F#228;hrte trotz der Niedrigkeit des Grases wie ein dunkler Strich zu sehen. Wenigstens das durfte ihnen nicht entgehen. Sie aber kamen in einer so sichern Haltung heran, als ob sie sich in der n#228;chsten und sichern Umgebung ihres Lagerdorfes bef#228;nden. Als sie noch ungef#228;hr zwanzig Schritte entfernt waren, steckten wir unsere Gewehre durch die B#252;sche, und Winnetou rief ihnen in dem Dialekte, welchen die Mogollons sprechen, entgegen:

»Halt! Keinen Schritt vorw#228;rts, und aber auch keinen zur#252;ck, sonst schie#223;en wir!« Sie parierten erschrocken ihre Pferde und starrten ratlos auf das Geb#252;sch.

»Wer von euch sein Pferd wendet, erh#228;lt die erste Kugel!« drohte Winnetou. »Steigt ab und werft eure Messer weg!« Sie sahen unsere L#228;ufe; ich hatte sogar alle beide Gewehre vorgestreckt. Da fragte der eine:

»Wer ist's, der hinter den Str#228;uchern verborgen steckt?«

»Wir sind zehn tapfere Krieger der Mogollons. Wir haben sehr gute Gewehre. Ihr seid verloren, wenn ihr nicht gehorcht! Ihr k#246;nnt weder vorw#228;rts noch zur#252;ck; unsere Kugeln treffen sicher!«

»Uff! Der gro#223;e Manitou hat uns verlassen. Er will, da#223; wir Gefangene der Mogollons werden sollen; aber unsere Br#252;der werden uns befreien!«

Der Sprecher stieg vom Pferde, zog sein Messer und warf es hinter sich; die andern folgten seinem Beispiele. Nun standen sie vor ihren Pferden und warteten ergeben auf das, was ihre Feinde thun w#252;rden, da trat Winnetou vor. Er hielt sein Gewehr, aber gesenkt, in den H#228;nden und sagte in strafendem Tone:

»Sind Leute, welche dem Tode so blind entgegenlaufen, Krieger zu nennen? Sind sie gar als Kundschafter zu gebrauchen?«

»Uff, Uff!« rief einer. »Winnetou, der H#228;uptling der Apatschen!«

»Ihr sollt erkunden, was die Mogollons thun und haltet die Augen verschlossen, und reitet so blind vorw#228;rts!«

»Wir wissen, da#223; die Mogollons erst in drei Tagen ausziehen wollen,« suchte er sich zu entschuldigen.

»Ist das ein Grund, blind zu sein? Wenn auch die Scharen der Mogollons noch nicht hier sein k#246;nnen, so m#252;#223;t ihr doch daran denken, da#223; sie auch Kundschafter aussenden. Ihr handelt wie Knaben, welche noch keine

Anleitung erhalten haben. Wenn wir wirklich Feinde w#228;ren, so w#252;rdet ihr nie zu den Eurigen zur#252;ckkehren; wir w#252;rden euch erschie#223;en, oder ihr m#252;#223;tet mit uns gehen, um an dem Marterpfahle zu sterben.«

»Unser gro#223;er Bruder mag uns augenblicklich t#246;ten! Das ist besser, als die Worte zu h#246;ren, welche er zu uns spricht!«

Das war nicht etwa eine Redensart, sondern sein voller Ernst. Von Winnetou, dem weltber#252;hmten Krieger, auf einer solchen Nachl#228;ssigkeit ertappt und zurechtgewiesen zu werden, noch dazu als Kundschafter, das war eine gro#223;e Schande! Die armen Teufel blickten au#223;erordentlich niedergeschlagen zu Boden. Das

erbarmte den Apatschen, und er antwortete in milderem Tone:

»Winnetou ist nicht euer H#228;uptling; er will euch nicht schelten, sondern euch nur darauf aufmerksam machen, da#223; man, auch im Frieden, selbst in der N#228;he des eigenen Zeltes stets die Augen offen zu halten hat. Wer hat euch auf Kundschaft gesandt?«

»Der schnelle Pfeil, unser H#228;uptling.«

»Hat er jemand mitgebracht?«

»Ein junges Bleichgesicht und einen wei#223;en Gefangenen, den unsere Krieger sehr streng bewachen m#252;ssen.«

»Wi#223;t ihr, wer ihm diese #252;bergeben hat?« »Ja,«

»So wi#223;t ihr auch wohl, wer sich hier bei mir, da hinter den B#252;schen befindet?« »Old Shatterhand und noch ein sehr tapferer wei#223;er Krieger.«

»Du hast richtig geraten. Es ist au#223;erdem noch ein Krieger bei uns, der es versteht, die verborgensten Pfade zu finden. Hebt eure Messer wieder auf, und kommt mit euern Pferden zu uns zum Wasser!«

Sie folgten der Aufforderung. Als sie uns drei andern sahen, gr#252;#223;ten sie mit ehrfurchtvollen Handbewegungen und standen mit gesenkten Blicken, erwartend, wie wir sie empfangen w#252;rden. Sie waren besch#228;mt; ich wollte sie aufrichten, reichte also einem nach dem andern die Hand und sagte:

»Meine Br#252;der sind uns willkommen; sie m#246;gen sich zu uns setzen und uns sagen, welche Weisungen sie von ihrem tapfern und klugen H#228;uptlinge erhalten haben!«

Mein freundlicher Ton und der Umstand, da#223; Emery und Dunker ihnen auch die H#228;nde gaben, wirkten ermunternd auf sie. Sie gaben ihre Pferde zum Grasen frei, und der Sprecher antwortete f#252;r sich und die #252;brigen:

»Unsere Augen erblicken die tapfersten J#228;ger und Krieger, deren Ruhm in dem Gebirge und auf der Savanne erschallt; wir d#252;rfen nicht an ihrer Seite lagern; sie m#246;gen uns gestatten, uns fern von ihnen an das Wasser zu setzen, um ihre Angesichter zu schauen und die Weisheit ihrer Stimmen zu h#246;ren!«

»Meine Br#252;der werden bald auch ber#252;hmte M#228;nner sein; sie m#246;gen immer nahe bei uns sitzen, sonst w#252;rden wir annehmen, da#223; sie uns als Feinde betrachten!«

Jetzt durften sie sich nicht l#228;nger weigern. Wir nahmen am Wasser Platz, und sie setzten sich in der ehrerbietigen Entfernung von mehreren Schritten uns gegen#252;ber. Winnetou wiederholte meine Frage nach dem Auftrage, den sie von ihrem H#228;uptlinge erhalten hatten. Derjenige, welcher bisher gesprochen hatte, erkl#228;rte:

»Der schnelle Pfeil hat uns keine besonderen Befehle gegeben. Wir sollen nach dem wei#223;en Felsen reiten oder, wenn die Mogollons schon aufgebrochen sein Sollten, sie zu finden suchen und ihm Nachricht #252;ber sie erteilen.«

»Sollt ihr beisammen bleiben?« erkundigte ich mich.

»Ja. Es soll nur immer einer von uns die Nachricht #252;berbringen, soda#223;, bis die Mogollons das dunkle Thal erreichen, nacheinander f#252;nf Botschaften dort angekommen sind.«

»Die Boten gehen nur bis zum dunklen Thale, und nicht bis in euer Lagerdorf?«

»Ja. Der H#228;uptling wartet dort.«

»Mit vielen Kriegern?«

»Jetzt noch mit wenigen; die andern sind noch zur#252;ck, um Fleisch zu machen und ihre Kriegsmedizinen herzustellen. Der schnelle Pfeil sagte, da#223; unsere ber#252;hmten Krieger vielleicht kommen und mit uns k#228;mpfen w#252;rden.«

Da er mich bei diesen Worten fragend ansah, antwortete ich:

»Wir sind allerdings unterwegs zu den S#246;hnen der Nijoras. Wir wollten euch Nachricht bringen, und euch unser Wissen und unser K#246;nnen leihen, denn wir haben mit dem schnellen Pfeile die Pfeife der Freundschaft geraucht. Nun wir aber euch getroffen haben, ist es vielleicht nicht n#246;tig, da#223; wir nach dem dunklen Thale gehen. Es kann einer von euch gleich jetzt zur#252;ckkehren, um dem H#228;uptlinge das zu melden, was wir ihm zu sagen haben; die andern vier aber werden bei uns bleiben, um uns sp#228;ter als Boten an ihn zu dienen. Wir wenden unsern Weg und reiten wieder nach Norden, um die Mogollons aufzusuchen und zu belauschen. Wieviel Krieger z#228;hlt ihr, wenn ihr alle beisammen seid?«

»Viermal hundert.«

»Wenn ich richtig beobachtet habe, erreichen die MogolIons nicht diese Zahl. Ich kenne das dunkle Thal, in welchem sie empfangen werden sollen, nicht, aber wenn der schnelle Pfeil diesen Ort als Platz des Kampfes gew#228;hlt hat, so mu#223; er sich wohl dazu eignen.«

»Er eignet sich sehr gut, aber nicht unter den gegenw#228;rtigen Umst#228;nden. Die Mogollons wollen sich dort auch festsetzen; sie werden also Kundschafter voraussenden, welche die Gegend ganz genau absuchen m#252;ssen; darum ist es besser, sie schon vorher anzugreifen, wenn sie noch nicht erwarten, auf den Feind sto#223;en zu k#246;nnen.«

»Kennst du einen solchen Ort?« fragte ich.

»Ja. Es ist eine Stelle, welche die "Platte des Canons" genannt wird und zwei Reitstunden vor dem dunklen Thale liegt. Die Platte ist ein Dreieck, dessen Boden aus hartem Felsen besteht. Die eine Seite bildet ein tiefer Canon, dessen W#228;nde so steil sind, da#223; niemand hinuntergelangen kann. Auf der andern Seite steigt der Felsen hochauf wie eine Mauer, #252;ber welche man zwar klettern kann, aber kein Reiter kommt hin#252;ber. Auf die Platte gelangt man durch einen rasch ansteigenden Hohlweg, der so schmal ist, da#223; nur zwei Reiter nebeneinander Platz haben. Ist man oben angekommen, so hat man den tiefen Canon rechts neben sich, die Felsenh#246;hen schr#228;g vor sich und zur linken Hand die dritte Seite des Dreiecks. Diese besteht aus einem Walde, dessen Saum sehr dicht mit B#252;schen bewachsen ist. Wer von der Platte hinab will, mu#223; am Canon hinreiten bis dahin, wo die Felsenmauer sich ihm zuneigt. Zwischen ihm und ihr m#252;ndet ein zweiter, ebenso schmaler Pfad, welcher jenseits hinab und dann nach dem dunklen Thale f#252;hrt. Mein Bruder Scharlieh wird zugeben, da#223; die Platte sich au#223;erordentlich gut zur Einschlie#223;ung und Bezwingung der Feinde eignet.«

»Ich stimme bei,« antwortete ich. »Ich kenne weder die Platte noch das dunkle Thal, wei#223; also nicht, welchem

von beiden Orten der Vorzug geb#252;hrt; aber wenn mein roter Bruder die erstere empfiehlt, so bin ich

Ueberzeugt, da#223; sie sich besser als das letztere eignet. Welchen Vorschlag in Beziehung auf unser Verhalten wird Winnetou uns nun machen?«

»Es geht einer von den Nijorakriegern, welche hier sitzen, zu seinem H#228;uptlinge zur#252;ck, um ihm zu sagen, da#223; die Mogollons nicht im dunklen Thale, sondern auf der Platte des Canons empfangen werden sollen. Er hat ihnen also bis dorthin entgegenzur#252;cken und die H#228;lfte seiner Krieger im Walde, die andere H#228;lfte aber hinter den hohen Felsen zu verstecken.«

»Dann d#252;rfen die Leute aber nicht beritten sein.«

»Nein; sie lassen die Pferde unter der Aufsicht einiger M#228;nner zur#252;ck. Die andern dreihundert ersteigen die Platte, wo sie sich teilen; hundertf#252;nfzig verstecken sich im Walde, und hundertf#252;nfzig verbergen sich hinter der Felsenmauer, welche sie ersteigen k#246;nnen, weil sie zu Fu#223;e sind. Dann haben die Mogollons, wenn sie auf die Platte gelangen, links Feinde neben sich, vor sich auch Feinde und rechts den tiefen Canon, in welchen sie nicht fliehen k#246;nnen.«

»Richtig! Wenn sie vorw#228;rts gehen, reiten sie in ihr Verderben; aber - k#246;nnen sie nicht etwa zur#252;ck, den Hohlweg hinab?«

»Nein, das k#246;nnen sie nicht.«

»Warum?«

»Das fragt mein Bruder? Sollte er den Grund nicht erraten?«

»Ich kann es mir allerdings denken, denn Winnetou hat von dreihundert Kriegern der Nijoras gesprochen, w#228;hrend doch, wie wir vorhin erfahren haben, vierhundert vorhanden sind. Das vierte Hundert soll also wahrscheinlich sich unten vor dem Hohlwege verstecken, um daf#252;r zu sorgen, da#223; die Mogollons, wenn sie einmal hinauf sind, nicht wieder zur#252;ck, also nicht wieder herunter k#246;nnen.«

»Mein Bruder hat mich verstanden; aber meint er, da#223; die hundert sich erst kurz vor der Ankunft der Feinde dort verstecken sollen?«

»Nein; sie k#246;nnten durch ihre Spuren verraten werden. Uebrigens denke ich, da#223; es von gro#223;em Vorteil sein w#252;rde, wenn wir sie bei uns haben k#246;nnten.«

»Das ist es, was ich meine. Wir reiten jetzt doch zur#252;ck, um die Mogollons zu beobachten. Da lassen wir dem schnellen Pfeile sagen, da#223; er uns die hundert Krieger nachsenden soll. Wir k#246;nnen sie vielleicht sehr gut brauchen.«

»Ich stimme bei. Aber sie d#252;rfen nicht etwa den Weg reiten, auf welchem die Mogollons kommen werden; denn sie k#228;men dabei in die Gefahr, unerwartet auf diese zu sto#223;en oder wenigstens sich ihnen durch die Spuren zu verraten.«

»Das ist auch sehr richtig. Sie m#252;ssen einen andern Weg einschlagen.« »Und wir haben ihnen einen Ort anzugeben, an welchem wir sie treffen wollen.«

»Daran habe ich auch schon gedacht.« Und zu den f#252;nf Nijoras gewendet, fragte er: »Ist meinen roten Br#252;dern der Pinun-Tota bekannt?«

»Ja,« antwortete derjenige, welcher bisher den Sprecher gemacht hatte. »Der Pinun-Tota ist eine H#246;he,

welche viele Windungen wie eine Schlange macht; daher wurde sie der Schlangenberg genannt.«

»Dorthin soll der schnelle Pfeil die hundert Krieger senden, und zwar gleich nachdem der Bote bei ihm angekommen ist. Habt ihr alles verstanden, was ich sagte?«

»Ja.«

»So mag einer von euch als Bote aufbrechen, um den H#228;uptling zu benachrichtigen!« Da Winnetou mit seinen Mitteilungen fertig zu sein schien, f#252;gte ich hinzu:

»Der Bote mag dem schnellen Pfeil sagen, da#223; die MogolIons schon unterwegs sind. Es ist also keine Zeit zu verlieren. Wir werden hinter ihnen herkommen, sobald wir auf eure hundert Krieger gesto#223;en sind, und ihnen, sobald sie die Platte des Canons erreicht haben, den R#252;ckweg verlegen. Wie hei#223;t der Ort, an welchem wir uns jetzt befinden?«

»Die Quelle des Schattens.«

»So mu#223; der H#228;uptling erfahren, da#223; ihr uns an der Quelle des Schattens getroffen habt, damit er die Zeit genau zu berechnen vermag. Auch mu#223; ich ihn daran erinnern, da#223; er den Gefangenen, den ich ihm #252;bergeben habe, ja sehr scharf bewachen lassen m#246;ge. Wenn er entk#228;me, w#252;rde es uns jedenfalls viele M#252;he machen, ihn wieder zu ergreifen. Wie weit ist es #252;brigens von hier aus nach dem Schlangenberge?«

»Mit unsern Pferden w#252;rden wir nur drei Stunden reiten,« antwortete Winnetou.

»In welcher Richtung?«

»Nord#246;stlich.«

»Und wir kommen aus Nordwesten. So liegt der Schlangenberg von hier aus also wohl in der Richtung nach dem Pueblo, in welchem wir gewesen sind?«

»Ja.«

»Und Jonathan Melton will mit f#252;nfzig Kriegern nach dieser Richtung reiten, um uns abzufangen. Hm! Da kommt mir ein Gedanke. Wie weit ist es nach dem dunklen Thale, wo sich der schnelle Pfeil befindet?«

»Man kann es in f#252;nf Stunden reiten.«

»So brechen wir sofort nach dem Schlangenberge auf. In f#252;nf Stunden ist der Bote bei seinem H#228;uptlinge; eine Stunde rechne ich auf die Vorbereitungen zum Aufbruche der hundert Nijoras; sie k#246;nnen also in elf Stunden hier an der Quelle des Schattens und in vierzehn Stunden bei uns am Schlangenberge sein.«

»Warum w#252;nscht mein Bruder eine solche Eile?« fragte Winnetou.

»Weil es dann m#246;glich ist, Jonathan Melton mit seinen f#252;nfzig Begleitern zu fangen.«

»Da m#252;#223;ten wir ihm bis an das Pueblo nachreiten,« bemerkte Emery.

»Wieso? Du meinst, da#223; er dorthin reitet?«

»Nat#252;rlich! Er will uns fangen; er reitet uns entgegen, und da er uns nicht trifft, wird er bis zum Pueblo reiten und dort freilich erfahren, da#223; wir l#228;ngst fort sind. Wenn er dann umkehrt, sind wir mit den Mogollons fertig und k#246;nnen ihn erwarten. Erst dann werden wir ihn fassen k#246;nnen, eher aber nicht.«

»Du hast die J#252;din vergessen.«

»Diese? Hm! Die ist h#246;chst wahrscheinlich nach dem Pueblo zur#252;ck.« »Das glaube ich nicht. Eher nehme ich an, da#223; sie nach dem wei#223;en Felsen ist.« »So denkst du also, da#223; ihre Begleiter sie gefunden haben?«

»Ganz gewi#223;. Sie hatte sich vorgenommen, Melton nachzureiten; sie war nicht nur schon unterwegs, sondern es gab auch zwei triftige Gr#252;nde f#252;r sie, nicht zur#252;ckzukehren. Erstens hatte sie einen so guten Teil des Weges bereits zur#252;ckgelegt, da#223; der R#252;ckweg ebenso weit gewesen w#228;re, wie der Weg nach dem wei#223;en Felsen.

Und zweitens wei#223; sie ganz genau, da#223; wir zu Melton wollen. Es ist ihr angst um ihn; sie wird ihn unbedingt warnen wollen. Darum nehme ich an, da#223; sie ihren Ritt fortgesetzt hat und nicht umgekehrt ist.«

»Nun, und weiter?«

»In diesem Falle trifft Melton unterwegs mit ihr zusammen. Er erf#228;hrt, da#223; wir nach dem wei#223;en Felsen Sind, und wird schleunigst umkehren, um den Mogollons das mitzuteilen. Giebst du mir da recht oder nicht?«

»Hm, ich m#246;chte dir da freilich nicht widersprechen. Weiter!«

»Wenn meine Ansicht richtig ist, so k#246;nnen wir Melton noch treffen, ehe er die Mogollons erreicht hat. Sind dann die hundert Krieger der Nijoras bei uns, so k#246;nnen wir ihn und seine f#252;nfzig Roten mit Leichtigkeit abfangen. In diesem Falle haben wir zwei Vorteile errungen: Die Mogollons sind um f#252;nfzig Mann geschw#228;cht, und Melton befindet sich in unserer Hand.«

»Das klingt ganz sch#246;n, und du magst auch, was dir ja meist passiert, vollst#228;ndig recht haben; ob aber das, was du Vorteile nennst, auch welche sind, das m#246;chte ich doch bezweifeln. Denn wenn wir die f#252;nfzig Mogollons fangen, so haben wir nicht etwa nur die Feinde, sondern auch uns selbst geschw#228;cht, weil wir eine t#252;chtige Anzahl von uns zur Bewachung der f#252;nfzig Gefangenen abgeben m#252;ssen.«

»Gut, zugestanden. Und was noch?«

»Und welchen Vorteil bringt es uns, wenn wir Jonathan Melton einen Tag fr#252;her bekommen? Wenn wir ihn morgen noch laufen lassen, wird er mit den Mogollons nach der Platte des Canons reiten und dort mit ihnen von uns eingeschlossen werden. Das ist doch viel besser, als wenn wir ihn und seine F#252;nfzig einen

Tag eher bekommen, uns aber wegen ihrer Bewachung schw#228;chen und abm#252;hen m#252;ssen.«

»Was du da vorbringst, das hat allerdings H#228;nde und F#252;#223;e; aber ob dieser Mensch wirklich mit nach der Platte reitet, wenn er seine J#252;din bei sich hat, das ist nicht so gewi#223;, wie du es annimmst. Er ist uns so oft entschl#252;pft, da#223; ich zugreife, je eher es m#246;glich ist.«

»Aber du hast selbst zugegeben, da#223; wir uns dadurch schw#228;chen!«

»Nicht so sehr, wie du denkst. Hundert Kriegsgefangene, die man entwaffnet hat, kann man recht gut mit drei#223;ig Mann bewachen. Da bleiben uns immer noch siebzig Krieger.«

»Und du denkst, da#223; dieselben ausreichen?«

»Mehr als genug. Unsere Aufgabe ist ja nur, die MogolIons, wenn sie auf der Platte angekommen sind, an der R#252;ckkehr zu hindern. Da ihnen die Flucht nur durch einen Hohlweg m#246;glich ist, welcher die Breite von zwei Reitern hat, k#246;nnten, wenn es Ernst w#252;rde, von uns h#246;chstens sechs Mann, nie aber siebzig zum Schusse kommen. Ich kenne die Oertlichkeit nicht, aber nach der Beschreibung, welche Winnetou uns von derselben gegeben hat, mache ich mich anheischig, den Hohlweg mit zehn oder zw#246;lf Mann gegen alle Mogollons zu verteidigen. Von der gro#223;en Schw#228;chung unserer Kr#228;fte kann also keine Rede sein.«

»Mein Bruder hat gut gesprochen,« stimmte mir Winnetou bei.«Wir werden sogleich nach dem Schlangenberge reiten, und die Krieger der Nijoras m#246;gen uns schleunigst dorthin nachkommen. Vielleicht werden wir dem schnellen Pfeile noch einen oder einige Boten senden; er mag dann genau das thun, was wir ihm sagen lassen.«

Die Worte des Apatschen waren entscheidend. Einer der Nijoras ritt fort, um seinem H#228;uptlinge die ihm anvertrauten Weisungen zu #252;bermitteln.

Es mag auff#228;llig erscheinen, da#223; ich noch nichts von der Tasche erw#228;hnt habe, welche ich aus Meltons Zelt geholt hatte. Ich war allerdings au#223;erordentlich neugierig, den Inhalt derselben zu sehen; aber es widersprach mir, sie zu #246;ffnen, ohne da#223; der rechtm#228;#223;ige Besitzer gegenw#228;rtig war. Meine Begleiter schienen ebenso zu denken, denn sie hatten bisher geschwiegen. Jetzt aber, als die Pferde tranken und wir unbesch#228;ftigt bei ihnen standen und auf sie warteten, sagte der lange Dunker: »Sir, wir denken an alles und haben f#252;r alles gesorgt. Eins aber haben wir vergessen, und das eine ist doch gerade die Hauptsache.«

»Was?« fragte ich.

»Die Brieftasche. Wir h#228;tten sie doch #246;ffnen sollen.« »Ihr Inhalt geht uns nichts an.«

»Das ist richtig; aber Ihr h#228;ttet doch wenigstens nachsehen sollen, ob Ihr nicht vielleicht eine falsche Tasche erwischt habt. Melton kann sein Geld an einen ganz andern Ort versteckt haben.«

»Hm! Diese M#246;glichkeit ist allerdings vorhanden.«

»Wenn Ihr das eingesteht, so ergiebt sich daraus die Notwendigkeit, wenigstens einmal nachzusehen, ob Ihr nicht vielleicht einen nutzlosen Fang gemacht habt.«

»Ich m#246;chte aber gern dem Besitzer sagen k#246;nnen, da#223; wir die Tasche nicht ge#246;ffnet haben.«

»Warum? Mister Vogel wird uns doch nicht etwa f#252;r Spitzbuben und Halunken halten? Seid doch gescheit, und guckt hinein! Wenn ich eine Nu#223; in der Tasche habe, so will ich doch auch wissen, ob sie taub ist oder einen gesunden Kern enth#228;lt. Ich setze den Fall, Ihr h#228;ttet die unrechte Tasche erwischt, welchen Schaden kann es da bringen, wenn Ihr sie nicht #246;ffnet! Ihr m#252;#223;t doch unbedingt wissen, woran Ihr seid, Sir! Ihr tragt vielleicht gar allerhand Firlefanzereien sorgf#228;ltig mit Euch herum, w#228;hrend Euch dann der richtige Schatz entgeht. H#228;ndigt Ihr darauf sp#228;ter Euerm Mister Vogel die wertlose Tasche aus, so wird er Euch wenig Dank wissen, da#223; Ihr Euch f#252;r ihn aufgeopfert und sogar Euer Leben gewagt habt.«

Er hatte vollst#228;ndig recht, und alle anderen waren derselben Ansicht. Ich zog die Tasche hervor und machte sie auf. Sie war nach Art der Banknotentaschen gefertigt und im Innern vollst#228;ndig trocken. Jedes einzelne

Fach enthielt ein ledernes Couvert, welches mit einem Riegel aus demselben Stoffe verschlossen war. Ich zog die Riegel aus den Einschnitten. Da fand ich, nach den verschiedenen L#228;ndern in die Couverts geordnet, amerikanische, englische, deutsche, franz#246;sische und andere Staats-und Bankpapiere mit au#223;erordentlich hohen Ziffern. Es war ein Verm#246;gen, wie es wohl selten ein Mensch voll in den H#228;nden gehabt hat, ausgenommen nat#252;rlich die Kr#246;susse der Banken; das sah ich, ohne da#223; ich die Pakete zu #246;ffnen brauchte.

»All devils!« rief Dunker, indem er ungeheuer gro#223;e Augen machte. »Das m#252;ssen allerdings Millionen sein! Was w#252;rde meines Vaters Sohn darum geben, wenn der alte Hunter mein Onkel oder Vetter gewesen w#228;re! La#223;t uns doch einmal z#228;hlen!«

»Nein,« antwortete ich. »Wir sehen, da#223; ich die richtige Tasche erwischt habe. Das ist genug. Der Eigent#252;mer soll der erste sein, welcher z#228;hlt.«

Ich brachte die Ledercouverts wieder in die F#228;cher zur#252;ck, machte das Portefeuille zu und steckte es wieder ein. Ich hatte in einem Fache au#223;er dem dahingeh#246;rigen Couverte auch einige Papiere bemerkt, dieselben aber nicht herausgenommen, sondern sie verheimlicht, weil ich der Neugierde Dunkers nicht recht traute. Er h#228;tte meine Gutm#252;tigkeit noch vielleicht dazu verleitet, sie zu #246;ffnen und den Inhalt zu erfahren.

Jetzt verlie#223;en wir die Quelle des Schattens, indem wir von derselben aus nach Nordost ritten. Winnetou machte den F#252;hrer. Ueber die Gegend, durch welche wir kamen, ist nichts zu sagen. Es wurde Nacht; der Apatsche aber war, wie gew#246;hnlich, seiner Sache so sicher, da#223; er keinen Schritt, weder nach rechts oder nach links, von der geraden Richtung abwich.

Heute war der Himmel sternenhell und die Luft so rein, da#223; man ziemlich weit zu sehen vermochte. Nach der angegebenen Zeit von drei Stunden, w#228;hrend welcher wir sehr scharf geritten waren, sahen wir eine hohe, dunkle Masse vor uns aufsteigen.

»Das ist der Schlangenberg,« sagte der Apatsche, indem er vorw#228;rts deutete.

Wir machten einen Bogen um den #246;stlichen, niedrigen Ausl#228;ufer des Berges herum, erreichten die n#246;rdliche Seite desselben und hatten nun den Berg und seine bewaldeten Lehnen zur linken Hand. Der Wald sandte verschiedene Ausl#228;uferzacken in die Ebene, welche wir umritten, um zu der Quelle zu gelangen, wo wir lagern wollten. Eben machte Winnetou die Bemerkung, da#223; wir derselben schon nahe seien, da hielt er pl#246;tzlich sein Pferd an.

»Still! Keinen Laut!« fl#252;sterte er.

Sofort bogen wir uns nach vorn und legten den Pferden die hohlen H#228;nde an die M#228;uler, um zu verh#252;ten, da#223; sie schnaubten.

»Was giebt's?« fragte ich leise. »Hast du etwas gesehen?« »Nein, gerochen.«

Er sog die Luft pr#252;fend ein und sagte: »Ich rieche Feuer.« »Welche Richtung?«

»Gerade vor uns. Es mu#223; an der Quelle sein. Meine Br#252;der m#246;gen auf mich warten.«

Er stieg ab und #252;bergab mir den Z#252;gel seines Pferdes.

»Ist die Quelle so nahe, da#223; man das Schnauben unserer Pferde dort h#246;ren w#252;rde?«

»Ein scharfes Ohr w#252;rde es vielleicht vernehmen. Reitet also lieber ein kleines St#252;ckchen zur#252;ck!«

Nach diesen Worten verschwand er im Geb#252;sch, welches wir soeben hatten umreiten wollen. Wir kehrten um und hielten an, als wir glaubten, uns weit genug entfernt zu haben. Es dauerte eine geraume Weile, ehe Winnetou zur#252;ckkehrte. Ich hatte wirklich nichts gerochen; er, der Naturmensch, aber besa#223; so scharfe und ge#252;bte Sinne, da#223; ich mich dar#252;ber oft gewundert hatte. Da kam er, und zwar in aufrechter Haltung, ein Zeichen, da#223; es eine Gefahr nicht zu bef#252;rchten gab.

»Meine Br#252;der werden sich freuen, zu erfahren, wen ich gesehen habe.« meldete er. »Nun, wen?« fragte Dunker, der neugierigste von uns allen. Die J#252;din, welche Judith hei#223;t.«

»Alle Wetter! Die m#246;chte ich auch gern sehen. Ihr habt mir so viel von der sonderbaren Lady erz#228;hlt, da#223; es mich au#223;erordentlich gel#252;stet, sie in Augenschein zu nehmen.«

»Das werdet Ihr, Master Dunker,« sagte Emery.

»Ihr werdet sie nicht nur sehen, sondern sogar mit ihr sprechen k#246;nnen.« Wieso sprechen?« erkundigte ich mich.

»Nun, wir nehmen dieses Weibsbild doch endlich einmal gefangen?« meinte er. »Wenn sie ihre Freiheit beh#228;lt, kann sie uns gro#223;en Schaden machen.«

»Schwerlich. Wir wollen doch wohl unsern lieben Jonathan endlich einmal fangen?« »Nat#252;rlich!«

»Soll ich dir denn wirklich wiederholen, was ich schon gesagt habe! Melton will uns entgegen. Wenn er unterwegs niemand trifft, denkt er, wir befinden uns noch im Pueblo und reitet dorthin. Wenn wir ihn so weit fortlassen, kann er uns leicht entgehen, ja da entkommt er uns sogar mit gr#246;#223;ter Wahrscheinlichkeit. Trifft er aber auf seine Judith, so erf#228;hrt er von ihr, da#223; wir hier sind, und reitet nicht nach dem Pueblo, sondern bleibt hier, um uns mit Hilfe der Mogollons gefangen zu nehmen. Siehst du das nicht ein?«

»Es k#246;nnte eingesehen werden, wenn deine Voraussetzung, da#223; er sie treffen wird, in Erf#252;llung geht. Ist das aber denn gewi#223;?«

»Freilich nicht.«

»Also ist es besser, wir nehmen das Frauenzimmer fest.«

»Nein,« entgegnete ihm Winnetou. »Wir d#252;rfen uns nicht an ihr vergreifen, denn sie wird mit Melton zusammentreffen.«

Er sagte das mit einer solchen Bestimmtheit, da#223; selbst ich mich dar#252;ber verwunderte und ihn deshalb

fragte:

»Mein Bruder scheint nicht daran zu zweifeln? Ich habe zugegeben, da#223; es unsicher ist.«

»Wenn Jonathan nicht blind ist oder wenn seine f#252;nfzig Mogollons Augen haben, m#252;ssen sie auf die wei#223;e Squaw treffen. Ich habe schon gesagt, da#223; der Weg nach dem Pueblo eine halbe Stunde von hier vor#252;berf#252;hrt. Die Gegend ist eben, und es steht auf der Ebene weder ein Fels noch ein Busch oder Baum. Die wei#223;e Squaw aber hat dort an der Quelle ein so gro#223;es Feuer brennen, da#223; man einen gro#223;en B#252;ffelstier daran braten k#246;nnte. Das Feuer ist so stark und lodert so hoch, da#223; man es viel weiter als eine halbe Stunde sehen mu#223;.«

»Ganz gut! Wenn Melton da vor#252;berkommt oder sich schon in der N#228;he befindet, wird er es also sehen. Wenn er aber noch nicht da oder schon vor#252;ber ist, was dann?«

»Vor#252;ber kann er noch nicht sein. Wir sind zwar weit gewesen, bis an die Quelle des Schattens und von dort zur#252;ck hierher; aber wir haben gute Pferde, und wir hatten Eile. Melton ist nicht so gut beritten, und seine Mogollons sind es auch nicht. Nichts treibt sie an, ihre Pferde anzustrengen. Wenn sie, wie ich vermute, den gew#246;hnlichen Indianerschritt geritten sind, so k#246;nnen sie nicht weiter gekommen sein, als bis in diese Gegend. Und weil die Quelle, an welcher die J#252;din mit ihren Roten lagert, das beste Wasser im Umkreise besitzt und die Mogollons gerade zur Lagerzeit in diese Gegend kommen, so ist es sogar wahrscheinlich, da#223; sie sich nach der Quelle wenden, um dort #252;ber Nacht zu bleiben.«

»Das w#228;re ein Gaudium!« meinte der Englishman. »Wir w#252;rden die ganze Sippschaft auf einmal gefangen nehmen, die Judith, den Jonathan, die Yuma- und auch die Mogollon-Indianer!«

»Still,« unterbrach ich ihn. »Zun#228;chst sind diejenigen, welche du fangen willst, noch nicht hier, und es ist auch immerhin sehr fraglich, ob sie #252;berhaupt kommen.«

»Ja, was soll denn aber geschehen? Was wollen wir thun?« fragte er.

»Es abwarten, sollt Ihr! Zun#228;chst will auch ich mich einmal nach dem Feuer schleichen. Winnetou war schon dort, kennt also den Ort und wird mich f#252;hren. Sind wir zur#252;ckgekehrt, so k#246;nnen wir die Frage, was geschehen soll, eher beantworten.«

»Wir bleiben einstweilen hier?«

»Nein; wir reiten zun#228;chst noch eine Strecke weiter zur#252;ck. Man wei#223; nie, was geschehen kann, und es ist also besser, wir w#228;hlen einen sichern Ort.«

Wir wendeten uns also r#252;ckw#228;rts, bis wir den #246;stlichen Vorsprung des Schlangenberges erreicht hatten. Er wurde umritten, und nun, als wir uns wieder auf der s#252;dlichen Seite des Berges befanden, hielt ich uns f#252;r sicher. Wir stiegen von den Pferden. Emery und Dunker hatten mit den vier Nijora-Kundschaftern hier zu bleiben, und wir beide, Winnetou und ich, wendeten uns wieder hin#252;ber nach der andern Seite.

Als wir den Punkt beinahe erreicht hatten, an welchem dem Apatschen der Brandgeruch aufgefallen war, folgte er der Richtung, welche er dann eingeschlagen hatte, nicht: er drang nicht geradeaus in die B#252;sche ein, sondern wendete sich links nach dem steilen Fu#223;e des Berges, wo B#228;ume standen. Als wir da angekommen waren, gab es keine leuchtenden Sterne mehr #252;ber uns, sondern nur dichte Finsternis um uns her. Wir tasteten uns weiter, indem der Apatsche voranschritt und ich ihm folgte. Das dauerte wohl eine Viertelstunde, denn wir mu#223;ten sehr vorsichtig sein und kamen nur Zoll um Zoll weiter.

Endlich sahen wir den Schein des Feuers uns zwischen den B#228;umen entgegendringen. Jetzt konnten wir besser sehen und uns also rascher bewegen. Aber wir konnten auch leichter bemerkt werden und mu#223;ten also noch vorsichtiger sein als bisher. Wir krochen am Boden hin und hielten uns dabei nur in dem Schatten, welchen die B#228;ume warfen. Dabei drehte, als ich mich einmal dem Apatschen ganz nahe befand, dieser den Kopf zu mir um und fl#252;sterte:

»Mein Bruder wird sich #252;ber die Stelle freuen, an welche ich ihn f#252;hre, weil er noch selten einen Ort gefunden haben wird, der so zum Lauschen geeignet ist wie dieser.«

Er hatte recht. Wir befanden uns, von dem Lagerplatze aus gerechnet, vielleicht vier Ellen hoch an der Lehne des Berges. Das Wasser flo#223; unten aus dem Felsen, und von dem Punkte aus, an welchem wir standen, schien es unm#246;glich zu sein, hinabzukommen; aber es schien eben auch nur so, denn da standen Fichtenb#228;ume, einer neben dem andern, bis hinab; sie breiteten ihre dichten Aeste weit #252;ber den Boden aus und bildeten f#252;r uns ein Versteck, wie es gar nicht besser sein konnte.

Winnetou verschwand unter den niedersten Zweigen, und ich folgte ihm. Indem wir uns unten an den St#228;mmen festhielten, lie#223;en wir uns, immer mit den F#252;#223;en voran und immer uns unter den dichten Fichtenzweigen befindend, langsam die B#246;schung hinab, bis wir die Tiefe erreicht hatten und ganz wohlgedeckt unter den letzten B#228;umen lagen.

Neben uns, zur linken Hand, kam die Quelle aus dem Felsen; rechts stieg das Gestein gleich hoch bergan. Der Ort, an welchem wir uns befanden, schien unm#246;glich einen Menschen oder nun gar zwei beherbergen und ver- verstecken zu k#246;nnen. Die Quelle bildete, bevor sie ihr Wasser weiter sendete, ein kleines Becken, welches h#246;chstens drei Ellen breit war. Jenseits desselben sa#223; - die sch#246;ne Judith vor einer Art H#252;tte, welche die Yuma-Indianer ihr aus schr#228;g zusammengestellten Aesten und dar#252;bergeflochtenen Zweigen errichtet hatten, ein Luxus, welchen sich zu bieten nur einer Dame, nicht aber einem Manne einfallen konnte.

Neben ihr kauerte ein Roter, mit welchem sie sich im Gespr#228;ch befand. Weiterhin brannte das Feuer so breit und so hoch, da#223; Winnetou vollst#228;ndig recht gehabt hatte: man konnte einen B#252;ffelochsen, ohne ihn zu zerlegen, dar#252;ber braten - eine Unvorsichtigkeit, welche nur den Yumas, die nicht mehr an ihren urspr#252;nglichen Gebr#228;uchen festhielten, zuzutrauen war. Sie sa#223;en rund um die hochlodernde Flamme, welche bis gen Himmel zu lecken schien. Die J#252;din sprach nicht etwa sehr laut mit dem Roten, doch konnten wir alles recht gut h#246;ren, weil wir uns nur in Mannesl#228;nge von ihr befanden. Der Kerl war unser fr#252;herer Wirt, in dessen unweit des Pueblo gelegenen Hause wir fr#252;her #252;berfallen worden waren.

»Ist der Ort nicht sch#246;n und gut?« fl#252;sterte Winnetou mir zu.

»Vortrefflich! Kanntest du ihn denn?«

»Nein. Ich lag vorhin jenseits des Feuers im Gestr#228;uch. Da sah ich die Fichten und sagte mir, da#223; sie ein sicheres Versteck abgeben w#252;rden. Die Quelle kannte ich wohl von fr#252;her her, doch als ich vor Jahren hier war, standen die B#228;ume noch nicht so hoch und #252;ppig.«

Ja, unser Platz war wie zum Lauschen k#252;nstlich angelegt; aber eine gro#223;e Gefahr brachte er uns doch:

Die Aeste, unter deren Schutz wir herabgekommen waren, wuchsen so niedrig am Stamme, da#223; es geradezu eine Kunst war, sich darunter herabzuschleichen, ohne sie zu bewegen und sich dadurch zu verraten. Der Meisterschaft Winnetous war eben alles m#246;glich.

Also in Beziehung auf unsern Lauscherposten hatten wir Gl#252;ck gehabt, und wir sollten auch in Beziehung auf das, was wir zu sehen und zu h#246;ren bekamen, noch mehr, noch weit mehr Gl#252;ck haben. Zun#228;chst bestand es darin, da#223; die J#252;din und der Rote gerade jetzt von uns sprachen. Wir h#246;rten den letzteren, das angefangene Gespr#228;ch fortsetzend, sagen: »Sennor Melton hatte es falsch gemacht. Die Hunde sollten nicht bei mir angegriffen werden. Das Haus gew#228;hrte ihnen Schutz; sie konnten sich verteidigen und wu#223;ten nun, da#223; sie sich zu h#252;ten hatten. Dadurch waren sie vorsichtig geworden.«

»Wir wollten sie eben lebendig fangen.«

»Das war falsch. Sie sollten doch get#246;tet werden! Warum da nicht lieber gleich?«

»Du hast recht. Ich habe es nachher auch bereut. Durch die gro#223;e Vorsicht, zu welcher wir sie verleiteten, sind sie uns entkommen. K#228;men sie mir noch einmal so nahe, so sollte es mir nicht wieder passieren!«

»Es w#252;rde doch wieder geschehen, wie es schon wieder geschehen ist, vorgestern abend, dort am Felsen. Wie sch#246;n pa#223;te es, sie wegzuschie#223;en! Aber die andern wollten warten, bis sie schliefen. Das war ein gro#223;er Fehler. Es war vollst#228;ndig dunkel, und der Sturm heulte so laut, da#223; man unsere Ann#228;herung h#228;tte weder sehen noch h#246;ren k#246;nnen. Wir konnten uns ganz gut bis auf wenige Schritte heranschleichen, und dann w#228;re keine von unsern Kugeln fehlgegangen. Das aber unterlie#223;en wir aus unn#252;tzer Vorsicht. Dann waren die Hunde kl#252;ger als wir; sie entdeckten uns.«

»Thaten euch aber nichts; sie h#228;tten euch erschie#223;en k#246;nnen.«

»Dazu haben sie zu viel Angst; sie k#246;nnen kein Blut sehen.

»Ich hoffe, da#223; wir sie wiedersehen werden, denn sie sind sicher nach dem wei#223;en Felsen, und wir reiten auch dorthin. Dann m#246;gen die andern sagen, was sie wollen; ich kehre mich nicht daran und hole mir die Skalpe Winnetous und seiner Bleichgesichter!«

Er zog bei diesen Worten sein Messer und schwenkte es mit grimmiger Geb#228;rde durch die Luft. Es war ihm vollst#228;ndig ernst. Was hatten wir ihm denn gethan? Nichts. Die einzige Ursache seiner Feindschaft konnte nur darin zu suchen sein, da#223; wir damals dr#252;ben in der Sonora dem Haziendero und den deutschen Emigranten gegen die Yumas beigestanden hatten. Seitdem war aber eine lange Zeit vergangen; wir hatten die Yumas in mehr als zarter Weise geschont und dann sogar Frieden mit ihnen geschlossen. Dieser Mensch war selbst #252;ber den indianischen Durchschnitt roh, und als ich jetzt sein h#228;misches Gesicht vor mir sah, begriff ich es, da#223; seine Squaw nicht l#228;nger hatte bei ihm bleiben wollen.

»Die wirst du wohl schwerlich bekommen,« antwortete seine Herrin, welche in Beziehung auf Gewissenlosigkeit ihn beinahe erreichte.

»Warum nicht?« fragte er.

»Dazu sind andere da. Wenn wir nur erst nach dem wei#223;en Felsen kommen und ich Sennor Melton und den Mogollons gesagt habe, da#223; sie uns entkommen und nun zu ihnen geritten sind, so wird gewi#223; sofort eine gro#223;e und allgemeine Hetze entstehen, bei welcher die

Hunde sicher gefangen werden. Dann werden sich die Mogollons die Skalpe nehmen.«

»Mir auch recht, wenn ich nur die Besitzer der Skalpe am Marterpfahle sehe! Ich w#252;nsche, da#223; -«

Er kam in seiner Rede nicht weiter; er wurde unterbrochen, denn:

»Uff, uff, uff!« erklang es da vorn am Feuer. Die Yumas, welche daran lagerten, waren aufgesprungen und starrten, erst erschrocken, dann aber erfreut, einen Mann an, welcher aus den B#252;schen getreten war. Auch wir sahen ihn, es war -Melton.

»Jonathan!« rief die J#252;din, indem sie vom Boden aufsprang. »Judith!« antwortete er.

Sie flogen einander in die Arme. Dann ging ein schnelles Fragen und Antworten her#252;ber und hin#252;ber:

»Wo kommst du her?« fragte er.

»Vom Pueblo,« antwortete sie. »Und du?«

»Vorn wei#223;en Felsen. Wo willst du hin?«

»Zu den Mogollons. Und du?«

»Nach dem Pueblo, zu dir, wie du dir denken kannst.«

»Warum das? Warum willst du wieder zur#252;ck, da du so gl#252;cklich entkommen bist?«

»Weil ich eben die haben will, denen ich entkommen bin.«

»Die sind nicht mehr dort; sie sind nach dem wei#223;en Felsen.«

»Alle Wetter! Sind sie vor euch oder hinter euch?«

»Vor uns.«

»Also eher vom Pueblo fort als ihr?« »Ja.«

»Wie lange?«

»Wir sind sehr schnell hinter ihnen her gewesen, denn es wurde mir angst um dich.«

»Das ist gut, denn wenn sie keinen Vorsprung haben, k#246;nnen sie noch nicht beim wei#223;en Felsen angekommen sein.«

»Sie haben einen Vorsprung gewonnen, einen sehr gro#223;en. Sie ergriffen mich unterwegs und schleppten mich in die Wildnis, wo sie mich verlie#223;en. Ich kannte die Gegend nicht und irrte den ganzen Tag umher; dann lag ich eine ganze Nacht einsam im Freien - es war schrecklich - bis mich endlich gl#252;cklicherweise unsere Yumas fanden. Das mu#223; den Feinden einen Vorsprung von #252;ber einen Tag eingebracht haben.«

»Da k#246;nnen sie ja schon heute fr#252;h am wei#223;en Felsen angekommen sein! Wer hat das denken k#246;nnen! Wir haben keine Spur von ihnen gesehen. Du mu#223;t mir alles ausf#252;hrlich erz#228;hlen. Sage mir nur vorher: Vogel ist doch noch im Gange des Pueblo versteckt?«

»Nein; sie haben ihn gefunden und befreit.« Da stampfte er die Erde mit dem Fu#223;e und rief ergrimmt:

»Da mu#223; ihnen der Teufel den Weg gezeigt haben, oder du bist unvorsichtig gewesen!«

Ach habe es an keiner List fehlen lassen. Du glaubst nicht, wie ich, eine Lady, eine Dame, behandelt

worden bin! Sie entdeckten den Gang, der aus meiner K#252;che in die Tiefe f#252;hrt, und auch das Wasser.«

»So mu#223; ich sie fangen; ich mu#223;, ich mu#223;! Sie m#252;ssen mit diesem Geheimnisse sterben, sonst giebt es selbst an dem einzigen Orte, an welchem ich versteckt sein kann, keine Sicherheit f#252;r mich! Warum aber ist mein Vater nicht bei dir?«

»Der ist bei ihnen. Sie haben ihn in seiner

Wohnung #252;berrascht, gebunden und geknebelt und dann mit sich fortgeschleppt.«

»Das ist - ist - freilich ein - ein Ungl#252;ck, auf welches ich -ich nicht gefa#223;t gewesen bin!« knirschte er. »Ein Gl#252;ck ist aber noch dabei, da#223; der Vater auf den Gedanken kam, sein Geld in den Stiefeln zu verbergen.«

»Das haben sie auch gefunden,« gestand sie ihm.

»Dann - dann stehen die Schurken mit allen - allen b#246;sen Geistern im Bunde! Ich - ich mu#223; mich setzen!«

Da#223; das Geld entdeckt worden war, griff ihn sichtlich weit mehr an als der Umstand, da#223; wir seinen Vater festgenommen hatten. Judith f#252;hrte ihn zu der H#252;tte. Er setzte sich davor nieder, und sie nahm an seiner Seite Platz, ohne da#223; er darauf achtete. Er stemmte die Ellbogen auf die Kniee, und legte das Gesicht in die H#228;nde. Sie redete ihm zu, sich zu fassen; er antwortete nicht und bewegte sich nicht.

Da n#228;herte ich meinen Kopf demjenigen des Apatschen und fl#252;sterte ihm zu:

»Wollen wir ihn fassen? Es ist nicht schwer. Wir springen aus unserm Versteck hervor, nehmen ihn beim Kragen und verschwinden mit ihm im Walde, wo man uns nicht findet. Der Schreck wird ihn und alle starr machen.«

»Ja, es ist nicht schwer; es w#252;rde gelingen; aber wir d#252;rfen es dennoch nicht thun.« »Warum nicht?«

»Weil wir uns #252;berhaupt noch nicht zeigen d#252;rfen. Wenn die Mogollons erfahren, da#223; wir uns in ihrem R#252;cken befinden, werden sie vorsichtig, und unser Plan, sie einzuschlie#223;en, gelingt dann nicht.«

»Das ist leider wahr. Wir m#252;ssen also verzichten, und h#228;tten ihn doch so sch#246;n und sicher haben k#246;nnen.«

»Wir werden ihn sehr bald bekommen! Winnetou wei#223; schon, wie und wo. Wir werden dann nicht ihn allein, sondern seine f#252;nfzig Mogollons auch mit haben. Oder denkt mein Bruder, da#223; er sich ohne sie hier befindet?«

»Das denke ich freilich nicht. Es ist so gekommen, wie du vorher gesagt hast. Er kam mit ihnen in diese Gegend, hat das Feuer gesehen und - horch!«

Melton hatte sich w#228;hrend unserer leisen Wechselrede von seiner Niedergeschlagenheit erholt. Er lie#223; sich von Judith erz#228;hlen, was auf dem Pueblo geschehen war, nachdem er es verlassen hatte. Sie erging sich, wenn sie von uns sprach, in Ausdr#252;cken und Reden, welche unm#246;glich wiederzugeben sind. Er h#246;rte ihr zu, ohne ein Wort zu sagen, aber mit Augen, als ob er alles, was aus ihrem Munde kam, verschlingen wolle. Als sie geendet hatte, sagte er unter h#246;rbarem Z#228;hneknirschen:

»Du hast gethan, was du thun konntest; ich kann dich nicht tadeln. Die Halunken sind eben Menschen, mit denen man ganz anders rechnen mu#223;, als mit anderen Leuten. Wir, n#228;mlich der Vater, der Onkel und ich, haben falsch gehandelt, sonst k#246;nnten wir dies gro#223;e Verm#246;gen jetzt in aller Ruhe und Sicherheit verzehren. Konnten wir diesen Menschen in Tunis nicht beikommen, so mu#223;ten wir doch sp#228;ter alles aufbieten, mit ihnen quitt zu werden. Der Apatsche hat in England krank gelegen; wir wu#223;ten das. Konnten wir nicht hin#252;berfahren und -? Um die Kerls h#228;tte dort kein Hahn gekr#228;ht. Und selbst sp#228;ter, wenn wir in New Orleans geblieben w#228;ren und anders gehandelt h#228;tten! Die Hauptsache war, unter allen Umst#228;nden den Deutschen und den Apatschen auf die Seite zu schaffen. Den Engl#228;nder h#228;tten wir dann weniger, oder wohl gar nicht zu f#252;rchten. Da#223; wir das nicht gethan haben, r#228;cht sich jetzt!«

»Sag' das noch nicht!« ermutigte sie ihn. »Was ist denn eigentlich jetzt verloren? Noch nichts, noch gar nichts!«

»Wenn nicht schon mehr, so doch die Summe, welche mein Vater bei sich hatte!«

»Auch diese nicht. Fallen die Schelme in deine H#228;nde, so bekommst du auch das Geld wieder zur#252;ck, welches sie deinem Vater geraubt haben. Du mu#223;t ihn befreien, du mu#223;t!«

Da sah er sie mit einem ganz eigent#252;mlichen Blicke an, und fragte:

»Liegt er dir denn gar so am Herzen?«

»Er nicht, aber du und das Geld.«

»Das ist das Richtige! Mit ihm m#246;gen sie machen, was sie wollen; ich w#252;rde mich gar nicht gr#228;men. Meinst du, da#223; ich mich bei ihm sicher f#252;hle?«

»Nicht?« fragte sie im Tone der Verwunderung.

»Nein! Er hat es mir zwar nicht gestanden; er schiebt die That auf Shatterhand und Winnetou; aber ich wei#223; doch, da#223; er seinen Bruder ermordet hat, um sich zu retten und dessen Geld zu bekommen. Ein Bruderm#246;rder aber ist auch im stande, seinen Sohn umzubringen.«

»Himmel!« rief sie aus. »Das h#228;ltst du f#252;r m#246;glich?«

»Ja. Er ist im stande, mir das Geld abzunehmen und zu verschwinden. Das w#228;re freilich ein Diebstahl, ein Raub; darum bin ich mit dir gefahren, aber nicht mit ihm geritten; daher hat er im Pueblo nicht wissen d#252;rfen, wo das Geld versteckt lag; ich k#246;nnte, wenn ich mit ihm zusammenlebte, keine Stunde ruhig schlafen. Er aber w#252;rde nicht nur einen Raub, sondern, wenn es sich um sein Leben handelte, auch einen Mord begehen, ohne zu fragen, ob es sich dabei um seinen eigenen Sohn handelt. Ich werde ihn also befreien, weil dies so nebenbei geschieht, wenn ich unsere Gegner erwische; aber dann trenne ich mich von ihm. Er wird soviel bekommen, da#223; er davon leben kann, darf aber keine Gelegenheit finden, sich mehr zu nehmen. Doch davon jetzt genug! Die Hauptsache ist, da#223; unsere Verfolger nach dem wei#223;en Felsen sind. Wie gut ist es da, da#223; wir den Advokaten und die S#228;ngerin mitgenommen haben!«

»Welchen Advokaten? Welche S#228;ngerin?«

»Du fragst - ach ja, du kannst es doch nicht wissen! Denke dir, Murphy ist uns nachgekommen!« »Dieser? Ist er toll?«

»Er mu#223; es sein, sonst w#252;rde er sich nicht nach dem wilden Westen wagen. In Albuquerque hat er Vogels Schwester getroffen und sie mitgenommen.«

»Und sie ist mitgegangen? Hast du die beiden denn getroffen?«

»Ja. Sie sind den Mogollons in die H#228;nde gefallen. Nat#252;rlich werden sie nicht nach dem Osten zur#252;ckkehren. Sie sollten erst w#228;hrend des Kriegszuges bei dem wei#223;en Felsen zur#252;ck.«

»Kriegszug?« unterbrach sie ihn.

»Ja. Die Mogollons befinden sich auf einem Zuge gegen die Nijoras unterwegs; die Alten, Frauen und Kinder sind nat#252;rlich zur#252;ckgeblieben. Auch die beiden

Gefangenen, die S#228;ngerin und der Advokat sollten zur#252;ckbehalten werden; ich habe es aber soweit gebracht, da#223; sie doch noch mitgenommen worden sind. Sie k#246;nnen also nicht von Winnetou und seinen Kumpanen befreit werden, wenn diese nach dem wei#223;en Felsen kommen. Sie besa#223;en einen Wagen, als sie von den Mogollons ergriffen wurden. In diesen sind sie wieder gepackt worden. Der H#228;uptling willigte #228;u#223;erst ungern darein, that mir aber endlich doch noch den Gefallen. Der "starke Wind" mu#223; #252;berhaupt ein sehr guter Freund deines Mannes gewesen sein; das ersehe ich aus der vortrefflichen Aufnahme, die mir nur auf deine Empfehlung hin geworden ist. Er ist eigentlich nicht der Mann, der f#252;r mich und meine Pl#228;ne pa#223;t; er scheint vielmehr eine treue, ehrliche Rothaut zu sein, und ich konnte ihn gegen Winnetou und Shatterhand nur dadurch feindlich stimmen, da#223; ich sie als Freunde und Helfer der Nijoras, seiner Gegner, hinstellte.«

»So wird er sie also nicht besch#252;tzen, wenn sie in seine H#228;nde fallen?«

»Nein. Es hat mich freilich viel Phantasie und Erfindung gekostet, ihn zum Hasse gegen sie zu bringen. Wei#223; der Teufel, diese beiden Kerls sind selbst bei feindlichen St#228;mmen so hochangesehen, da#223; sie viel mehr wagen k#246;nnen, als andere Leute. Ich fand bei dem H#228;uptlinge allerdings eine gewisse Unzufriedenheit vor, welche mir aber nicht gen#252;gen konnte; darum habe ich mir einige h#252;bsche Geschichten ausgesonnen und ihm erz#228;hlt; sie haben, wie ich #252;berzeugt sein kann, die beabsichtigte Wirkung gethan. Ob sie mir nachkommen w#252;rden, das wu#223;te ich nat#252;rlich nicht gewi#223;; aber wie man wei#223;, sind die Kerls so ungemein gl#252;cklich im Auffinden von F#228;hrten, da#223; ich doch annahm, sie k#246;nnten wohl auch auf die meinige geraten und nach dem wei#223;en Felsen reiten. Ich mu#223;te folglich daf#252;r sorgen, da#223; sie dort nicht als Freunde aufgenommen w#252;rden, und das habe ich auch nach Kr#228;ften gethan.«

»Wie ich dir erz#228;hlt habe, wissen sie, da#223; du dort bist. Was werden sie thun, wenn sie dich nicht dort finden?«

»Mir nachreiten.«

»Sie wissen doch nicht, wohin du bist!«

»Nicht? Wenn du das denkst, befindest du dich in einem gewaltigen Irrtume. Es giebt keine Spione und Kundschafter wie diese beiden.«

»Du meinst, da#223; sie sich bei den Mogollons im Lager erkundigen?«

»F#228;llt ihnen gar nicht ein, denn in diesem Falle w#252;rde sich sofort einer der letzteren, und wenn er auch nur ein Knabe w#228;re, aufmachen, um dem H#228;uptlinge nachzueilen und zu benachrichtigen, wer im Lager gewesen ist. Die Kerls brauchen keinen Menschen zu fragen. Ein Grashalm, ein Steinchen, ein abgebrochener Zweig oder eine ausgetretene Wasserlache sagt ihnen alles, was sie wissen wollen; darauf kannst du dich verlassen; das hat man mehr als hundertmal geh#246;rt. Und dazu kommt, da#223; der lange Dunker vielleicht gar auf sie gesto#223;en ist.«

»Der lange Dunker? Wer ist das?«

»Ein bekannter Scout oder Pfadfinder, den Murphy bei sich hatte. Er wurde auch mit gefangen, aber so schlecht beaufsichtigt, da#223; es ihm gelungen ist, am hellen Tage das beste und schnellste Pferd des ganzen Lagers zu erwischen und darauf zu fliehen. Die Verfolger waren zwar schnell hinter ihm her, kamen aber gegen Mitternacht unverrichteter Sache zur#252;ck. Wenn dieser

Mensch mit ihnen zusammengetroffen ist, hat er ihnen sicher alles erz#228;hlt. In diesem Falle sind sie wohl gar nicht nach dem wei#223;en Felsen gegangen, sondern werden sich nach S#252;den gewendet haben.«

»Um die Mogollons zu verfolgen?«

»Nein, denn gegen eine solche Uebermacht k#246;nnten sie doch nichts machen, obgleich sie Kerls sind, von denen man wei#223;, da#223; sie sich vor niemand f#252;rchten. Sie sind, immer vorausgesetzt n#228;mlich, da#223; sie Dunker getroffen haben, zu den Nijoras geritten, um sie zu benachrichtigen, da#223; die MogolIons im Anzuge sind.«

»Du meinst, da#223; sie damit etwas erreichen?«

»Etwas nur? Ich sage dir, da#223; es ihnen dadurch m#246;glich w#252;rde, vieles und sogar alles zu erreichen, n#228;mlich wenn ich so dumm w#228;re, mich nicht in acht zu nehmen und nun meinerseits nicht die Mogollons zu warnen. Sie wollen mich fangen, und den Advokaten und die S#228;ngerin befreien. Bei der Zahl der Mogollons k#246;nnen sie das aber nicht ohne zahlreiche fremde Hilfe thun. Die werden sie bei den Nijoras finden. Gl#252;cklicherweise k#246;nnen sie sich nicht schnell bewegen, weil sie meinen Vater als Gefangenen bei sich haben, der ihnen selbstverst#228;ndlich so viele Hindernisse wie m#246;glich bereiten wird. Oder meinst du, da#223; sie sich seiner vielleicht entledigt haben? Du mu#223;t ja wissen, wie er von ihnen im Pueblo behandelt worden ist.«

»Sehr streng; aber da sie selbst im Kampfe ungern einen Feind t#246;ten, so glaube ich nicht, da#223; sie ihn ermordet haben.«

»Lieber w#228;re es mir, wenn sie es gethan h#228;tten; da w#228;re ich ihn los und bek#228;me sein Geld f#252;r mich, wenn sie dann in meine H#228;nde fallen. Auch Old Shatterhands Gewehre mu#223; ich haben. Man sagt, da#223; sie, wenigstens f#252;r den Westmann, ein Verm#246;gen bedeuten. Mag aber mein Vater noch leben oder nicht, ich mu#223; gleich mit dem Morgengrauen von hier fort, um die Mogollons zu warnen. Ihr reitet nat#252;rlich mit, sonst mu#223; ich gew#228;rtig sein, da#223; ihr den Feinden in die H#228;nde fallt. Dann w#252;rde wohl nicht blo#223; ein F#252;hren in die Irre deine Strafe sein.«

»Kennst du den Weg, den die Mogollons eingeschlagen haben?«

»Ja. Sie sind nach dem "tiefen Wasser", und werden morgen abend bei der "Quelle des Schattens" lagern. Dort hole ich sie ein.«

»Aber du wei#223;t nicht, wo die Quelle liegt. Du bist noch niemals in dieser Gegend gewesen.«

»Meine Mogollons wissen es; da brauche ich es nicht zu wissen. Der H#228;uptling hat mir f#252;nfzig Krieger mitgegeben, um Winnetou und seine Gef#228;hrten zu fangen, falls ich sie sehen sollte. Sie befinden sich nicht weit von hier. Wir wollten an der Quelle #252;bernachten, und sahen euer Feuer. Da hielten wir an und schickten einen Sp#228;her her. Als er zur#252;ckkehrte, sagte er, er habe eine wei#223;e Squaw mit wenigen roten Kriegern gesehen. Ich dachte nat#252;rlich gleich an dich und ging allein nach hier, um nachzusehen, ob meine Vermutung richtig sei. Nun werde ich zu den Mogollons zur#252;ckkehren, um sie herzubringen.«

Er stand auf; sie that dasselbe und sagte dabei:

»Hole sie! Also du wirst von ihnen wirklich als Freund behandelt?«

»So ist bei ihnen auch dein Eigentum sicher.« »Nat#252;rlich.«

»Das viele Geld! Es kann selbst Indianer verf#252;hren!«

Da schlug er mit der Hand an die Ledertasche, welche er umh#228;ngen hatte - es war dieselbe, welcher ich das Portefeuille entnommen hatte - und sagte getrosten Tones:

»Hier stecken die Millionen! Das wei#223; nat#252;rlich keiner der Mogollons, denn ich habe mich geh#252;tet, es zu sagen; ich habe vorsichtigerweise einige hineinblicken und sie nur einige alte Sachen sehen lassen, die ihnen nicht von Nutzen sind. Also ich gehe jetzt, und bin in zehn Minuten wieder hier.«

Er entfernte sich. Die beiden hatten englisch gesprochen und sich, obgleich viel Geheimes verhandelt worden war, vor den Yumas nicht geniert. Sie mu#223;ten wissen, da#223; diese des Englischen nicht so m#228;chtig seien, um das Gesprochene zu verstehen. ich stie#223; Winnetou an und fragte ihn:

»Wollen wir fort?«

»Nein,« fl#252;sterte er zur#252;ck. »Wir warten, bis die f#252;nfzig Mogollons kommen. Dann giebt es L#228;rm, und niemand sieht hierher.«

Er hatte recht. Der unvergleichliche Mann dachte an alles und verstand es wie kein zweiter, sich jeden Gegenstand, jede Lage und jedes Verh#228;ltnis nutzbar zu machen. Bald darauf h#246;rten wir Pferdegetrappel; die Mogollons erschienen, und da gab es solches Leben am Feuer, da#223; wir uns unter den Fichten emporziehen konnten, ohne bef#252;rchten zu m#252;ssen, da#223; ein scharfes Auge ein Zeichen davon sehen werde.

Wir gingen den Weg unter den B#228;umen zur#252;ck, den wir gekommen waren. Als wir den Wald und die B#252;sche hinter uns hatten und im Freien l#228;ngs des Berges hinschritten, fragte ich Winnetou:

»Hat mein Bruder alles verstanden?«

»Alles« nickte er.

»Die beiden waren offener gegeneinander, als ich es f#252;r m#246;glich hielt.«

»Ja. Jonathan hat der wei#223;en Squaw sogar alles erz#228;hlt, was in Tunis geschehen ist. Er gleicht der Klapper eines Kindes, welche immerfort spricht, ohne eine Seele zu haben.«

»Und sie ist ebenso schlecht, wie er!«

»Noch schlechter, denn wenn eine Squaw B#246;ses thut, so sieht das B#246;se viel h#228;#223;licher aus, als wenn ein Mann es thut. Es ist aber gut f#252;r uns, da#223; sie sich heut und hier getroffen haben.«

»Ja, es ist ganz genau nach der Voraussagung meines Bruders Winnetou geschehen. Die Mogollons haben hier lagern wollen, und das Feuer gesehen. Du sagtest, da#223; wir sie alle fangen w#252;rden. Denkst du auch jetzt noch, da#223; dies geschehen wird?«

»Ja, am tiefen Wasser.« »Wo ist das?«

»Du wirst es sehen. Wir m#252;ssen dort sein, ehe sie dort ankommen.«

»Aber wir m#252;ssen doch hier auf unsere Nijoras warten! Da vers#228;umen wir viel Zeit, und Jonathan Melton will schon mit dem Tagesgrauen reiten.«

»Das thun wir auch. Wir werden sogar noch eher aufbrechen, und den Nijoras entgegenreiten. Wenn ihr H#228;uptling unsere Weisungen befolgt, werden wir zur rechten Zeit auf sie treffen und noch vor Melton am "tiefen Wasser" ankommen.«

»Dieses Wasser scheint ein See zu sein?«

»Es hat ein Berg dort gestanden, welcher Feuer gespieen hat; es giebt in Neu-Mexiko und Arizona ja heut noch viele solche Berge. Er ist versunken, wohl bei einem Erdbeben, und hat ein Loch zur#252;ckgelassen, in welchem sich das Wasser sammelt.«

»Liegt der See so in der Richtung nach der Quelle des Schattens, da#223; die Mogollons an ihm vor#252;ber m#252;ssen?«

»Er liegt so; dennoch k#246;nnten sie rechts oder links abweichen, werden es aber nicht thun, denn sie finden auf ihrem Wege bis zur Quelle des Schattens kein Wasser, an dem sie ihre Pferde tr#228;nken k#246;nnen; sie werden ganz gewi#223; hinreiten.«

»K#246;nnen wir uns dort so verbergen, da#223; sie uns nicht vorzeitig bemerken?« »Ja. Mein Bruder wird das sehen, wenn wir hinkommen.«

Wir waren an die Spitze des #246;stlichen Ausl#228;ufers des Schlangenberges gekommen und wollten eben um sie biegen, als uns zwei M#228;nner entgegen kamen. Es war hell genug, zu erkennen, wer sie waren - Emery und Dunker. Auch sie erkannten uns, und der erstere rief, allerdings in ged#228;mpftem Tone.

»Gott sei Dank, da#223; ihr da seid! Wir bekamen Angst um euch.«

»Und wolltet wohl gar kommen?« fragte ich ihn. »Ihr werdet alles erfahren. Kommt mit zum Lagerplatze!«

Die Nijora-Kundschafter waren bei den Pferden geblieben. Als wir dort angelangt waren, setzte ich mich nieder und wollte erz#228;hlen; da aber meinte der Apatsche, welcher an alles dachte und h#246;chst selten etwas vers#228;umte:

»Mein Bruder mag noch warten. N#246;tiger als sein Bericht ist das, was ich diesem jungen Krieger zu sagen habe.«

Er wendete sich an einen der Kundschafter:

»Mein junger Bruder kennt den Weg, auf dem seine hundert Krieger, die wir erwarten, hierherkommen werden?«

»Ja,« antwortete der Gefragte.

»Er mag ihnen augenblicklich entgegenreiten. Es ist so hell, da#223; er sie trotz der Nacht sehen kann. Sobald er ihnen begegnet, mag er ihnen sagen, da#223; sie so schnell wie m#246;glich reiten sollen, denn wir brauchen sie, um f#252;nfzig Mogollons zu fangen. Wir werden noch vor Tagesanbruch den Berg verlassen, und ihnen entgegenreiten; sie m#246;gen also wissen, da#223; sie unterwegs auf uns treffen werden. Wenn mein junger Bruder mit ihnen gesprochen hat, mag er schnell weiter zu seinem H#228;uptlinge reiten und ihm melden, da#223; die Krieger der Mogollons morgen abend an der Quelle des Schattens lagern werden. Sie werden also #252;bermorgen am Vormittage auf der "Platte des Canons" ankommen. Der "schnelle Pfeil" mu#223; sich also schon vorher mit seinen dreihundert Leuten dort heimlich aufgestellt haben. Das ist die Botschaft, welche wir ihm senden. Howgh!«

Der Kundschafter wendete sich still um, trat zu seinem Pferde und ritt davon, in die sternenhelle Nacht hinein und zwar nach S#252;dwest, woher wir gekommen waren.

Nun erz#228;hlte ich den beiden Gef#228;hrten, was wir gesehen und erfahren hatten. Sie waren sehr erfreut dar#252;ber, da#223; Winnetou die ganz bestimmte und feste Zuversicht hegte, morgen Jonathan Melton in die H#228;nde zu bekommen.

Heute war uns der Schlaf au#223;erordentlich notwendig. Die Kundschafter hatten nicht wie wir mehrere N#228;chte die Ruhe zu entbehren gehabt; wir #252;bergaben also ihnen den Sicherheitsdienst und legten uns schlafen. Vorher deutete Winnetou demjenigen von ihnen, der gegen Morgen die Wache hatte, nach dem Stande der Sterne die Zeit an, an welcher er uns ganz sicher wecken sollte.

Ich schlief so fest, wie selten vorher; der Nijora, welcher mich weckte, sagte mir sp#228;ter, da#223; er mich habe einigemal r#252;tteln m#252;ssen. Wir hatten noch lange nicht ausgeschlafen, denn es war fast zwei Stunden vor Tage, als wir aufstanden. Nach einem kurzen Imbi#223; stiegen wir auf, um den Weg, auf welchem wir hergekommen waren, zur#252;ckzuverfolgen.

Als es Morgen wurde, hatten wir gewi#223; gegen drei deutsche Meilen zur#252;ckgelegt; nun lie#223; Winnetou sein Pferd langsamer gehen. Nach einer Stunde hielt er an und sagte, indem er nach rechts deutete:

»Dort dr#252;ben liegt das "tiefe Wasser". Wir d#252;rfen nicht weiter reiten und m#252;ssen die Nijoras hier erwarten.«

»Und wenn sie zu sp#228;t kommen?« fragte Emery.

»So entgehen uns die Mogollons doch nicht, denn wir fallen zwischen dem tiefen Wasser und der Quelle des Schattens #252;ber sie her. Aber Winnetou ist #252;berzeugt, da#223; sie kommen werden.«

Und er hatte wieder recht; sie kamen. Wir hatten ungef#228;hr eine halbe Stunde gewartet, so tauchte im S#252;dwesten von uns eine Reiterschar auf, welche uns galoppierend n#228;her kam. Das waren die Erwarteten. Wir kannten sie zwar nicht, aber die Kundschafter sagten es uns. Sie spornten ihre Pferde noch mehr an, kamen wie im Sturmwinde auf uns zu und hielten dann wenige Schritte vor uns, eine gerade Linie bildend, mitten in der Carriere an. Einer von ihnen lenkte sein Pferd n#228;her heran und sagte:

»Ich bin "scharfes Auge", der j#252;ngere Bruder des "schnellen Pfeiles". Der H#228;uptling sendet Winnetou und

Old Shatterhand die hundert Krieger, welche meine ber#252;hmten Br#252;der von ihm verlangt haben.«

»Scharfes Auge ist ein tapferer Krieger,« antwortete Winnetou w#252;rdevoll. »Wir w#252;rden sehr gern die Pfeife des Willkommens mit unsern Br#252;dern rauchen, haben aber keine Zeit dazu, weil wir f#252;nfzig Mogollons fangen wollen. Haben meine Br#252;der das erfahren?«

»Ja. Der Kundschafter hat uns getroffen und es uns gesagt. Die Hunde der Mogollons werden uns bereit finden.« »Ja, wir werden sie ergreifen, und dann ist es auch noch Zeit, das Kalumet zu rauchen. Kennen meine Br#252;der den See, welcher "tiefes Wasser" hei#223;t?«

»Ja. Er liegt da dr#252;ben, gerade gegen Sonnenuntergang von hier.«

»Sie m#246;gen uns dorthin folgen, und "scharfes Auge" mag an meiner Seite bleiben!«

Das war eine Auszeichnung f#252;r den Unterh#228;uptling der Nijoras, welche dieser wohl zu sch#228;tzen wu#223;te, denn er ritt zwar neben Winnetou, hielt sich aber um die L#228;nge eines Pferdekopfes zur#252;ck. Seine Leute sahen ungemein kriegerisch und unternehmend aus, und als ich sie mit einem pr#252;fenden Blicke #252;berflog, bemerkte ich, da#223; sie gar nicht #252;bel bewaffnet waren. Die meisten von ihnen kannten Winnetou, hatten uns jedoch noch nicht gesehen; daher die verstohlenen Blicke, mit denen sie uns beobachteten. Als wir uns in Bewegung gesetzt hatten, lenkten sie hinter uns ein, um uns im G#228;nsemarsche zu folgen. Das geschieht auf Kriegsz#252;gen stets, weil da eine nur schmale F#228;hrte gebildet wird und ein Feind, wenn er auf die Spur trifft, nicht genau zu sagen vermag, wieviel Reiter er vor sich hat. Je tiefer die F#228;hrte ausgetreten ist, von desto mehr Pferden wurde sie verursacht. Doch auch bei Beurteilung solcher Spuren habe ich oft Gelegenheit gehabt, den scharfen Blick Winnetous zu bewundern. Selbst in solchen F#228;llen irrte er sich selten um einige Pferde.

Ich ritt ihm jetzt zur rechten Seite; das »scharfe Auge« hielt sich zu seiner linken Hand. Der Apatsche sprach nicht; es war nicht seine schwache Seite, so kurz nach einer solchen Begegnung viele Worte zu machen. Wenn das Sprechen notwendig war, so #252;berlie#223; er es lieber mir; ich als Wei#223;er war nicht zu der ernsten, w#252;rdevollen Schweigsamkeit der roten Krieger verpflichtet. Da es auch jetzt so manches gab, was wir erfahren mu#223;ten, so unterbrach ich nach einiger Zeit die Stille, indem ich mich an den Unterh#228;uptling der Nijoras wendete:

»Mein Bruder Winnetou hat das "scharfe Auge" vorhin einen tapferen Krieger genannt. Ich wei#223;, da#223; alle Nijoras tapfer sind; darum ist es gewi#223;, da#223; sie die Mogollons besiegen werden. Sind sie noch immer damit besch#228;ftigt, ihre Medizinen herzustellen?«

»Nein,« antwortete er. »Die Feierlichkeiten wurden sofort beendet, als der Bote erschien, welchen meine ber#252;hmten Br#252;der zu uns sandten.«

»Das ist recht. Die Herstellung der Medizinen erfordert lange Zeit, und die Zeit, welche uns zugemessen ist, ist kurz und wertvoll, denn die Mogollons werden heute abend schon an der Quelle des Schattens sein. Kennt "scharfes Auge" die Botschaft, welche wir seinem Bruder, dem H#228;uptlinge, gesandt haben?«

»Ja.«

»Wird der H#228;uptling darnach handeln?«

»Er wei#223;, da#223; Winnetou und Shatterhand gro#223;e und kluge Krieger sind; darum wird er thun, was sie ihm vorgeschlagen haben.«

»Wann wird er auf der Platte des Canons eintreffen?«

»Morgen fr#252;h, sobald es Tag geworden ist.«

»Wenn er das thut, werden alle Feinde in seine Hand fallen.«

»Wir wissen es. Der Hund von Mogollon, welcher sich nicht ergiebt, wird erschossen.« »Und was geschieht mit denen, welche sich ergeben?« »Sie kommen an den Marterpfahl.«

»Wieviel Pf#228;hle werden meine Br#252;der da brauchen? Es sind mehr als dreihundert Mogollons, mit denen wir es zu thun haben. Will der "schnelle Pfeil" wirklich ein so gro#223;es Morden #252;ber diesen Stamm ergehen lassen?«

Der Unterh#228;uptling blickte finster vor sich hin. Er h#228;tte lieber gar nicht geantwortet; aber da das eine Beleidigung f#252;r mich gewesen w#228;re, sagte er:

»Die Mogollons sind unsere Feinde! Haben sie etwas anderes verdient? Wir standen in Frieden mit ihnen; wir ritten zu ihnen, und sie kamen zu uns. Da pl#246;tzlich gruben sie die Beile des Krieges aus, ohne da#223; wir sie beleidigt oder ihnen sonst etwas gethan hatten.«

»Wenn das geschieht, was mein Bruder sagt, wird man die Platte "Platte des Mordens" nennen k#246;nnen. Hat mein Bruder jemals geh#246;rt, da#223; Winnetou und Old Shatterhand Freunde vom Blutvergie#223;en sind?«

»Das wei#223; jeder rote und jeder wei#223;e Mann, der einmal von diesen beiden gro#223;en Kriegern geh#246;rt hat.«

»So wird man dir auch gesagt haben, da#223; wir niemals unsern Arm und unsere Hilfe einem Stamme leihen, welcher die Absicht hat, grausam mit den gefangenen Feinden umzugehen. Was den Kampf auf der "Platte des Canon" betrifft, so werde ich dar#252;ber mit deinem Bruder, dem "schnellen Pfeile" sprechen; mit dir aber mu#223; ich jetzt reden von dem Ueberfalle, welchen wir gegenw#228;rtigbeabsichtigen. Es werden f#252;nfzig Mogollons nach dem "tiefen Wasser" kommen; bei diesen befinden sich ein wei#223;er Mann, eine wei#223;e Frau und einige Yuma-Indianer, welche nicht eure Feinde sind. Willst du mir helfen, diese Leute festzunehmen?«

»Old Shatterhand w#252;nscht es, und so mag es geschehen. Aber die Mogollons werden unser sein?«

»Unter der Bedingung, da#223; ihr sie nicht t#246;tet, wenn es nicht notwendig ist. Ich will heute der Anf#252;hrer sein; denn ich habe mit euerm H#228;uptling die Pfeife des Friedens geraucht; ich bin sein Bruder; ich habe euch von ihm erbeten, und er hat euch mir gesandt; darum fordere ich, da#223; ihr thut, was ich f#252;r richtig halte. Nur unter dieser Bedingung werde ich euch die f#252;nfzig Mogollons, welche wir erwarten, #252;berlassen.«

Er zog die Stirne in Falten, hielt den Blick gesenkt und antwortete nicht. Meine Forderung war weder nach seinem Willen, noch nach seiner Ansicht #252;ber das, was recht und billig ist.

»Warum schweigt mein Bruder? Warum sagt er nichts?« dr#228;ngte ich ihn.

Da machte er eine Bewegung, als ob er etwas von sich verscheuchen wolle, und fragte:

»Da Old Shatterhand es ehrlich mit den Kriegern der Nijoras meint, so will auch ich ehrlich sein und dir sagen, da#223; mein Bruder, der H#228;uptling, mir geraten hat, dir und Winnetou, dem gro#223;en Apatschen, zu gehorchen.«

»So werdet ihr heute und morgen zwei gro#223;e Siege gewinnen, ohne da#223; ihr eure Krieger dabei opfert. Die Klugheit ist st#228;rker als die Gewalt, und die Milde m#228;chtiger als der Mord.«

»Ist aber Winnetou damit einverstanden? Ich soll nicht blo#223; dir, sondern auch ihm gehorchen.«

Da antwortete der Apatsche:

»Was mein Bruder Shatterhand sagt oder thut, das ist ganz so, als ob ich es gesagt oder gethan h#228;tte. Meine Br#252;der m#246;gen einig sein und nicht eher #252;ber die Sache weitersprechen, als bis Old Shatterhand das "tiefe Wasser" gesehen hat.«

Er hatte jedenfalls einen guten Grund, dies Verlangen an uns zu stellen; darum war ich nun still. Ich hatte #252;brigens meine Absicht erreicht, zu erfahren, was von der Grausamkeit oder Humanit#228;t der Nijoras zu halten war, nat#252;rlich soweit das Wort Humanit#228;t auf Indianer in Anwendung gebracht werden kann.

Die lange Schlange unseres Zuges bewegte sich schnell und ohne Windungen #252;ber nackten Felsenboden hin. Es war ringsum kein Halm zu sehen. Darum erstaunte ich, als ich pl#246;tzlich einen Wald oder richtiger gesagt, ein W#228;ldchen vor uns auftauchen sah, dessen Form ein l#228;nglicher Kreis zu sein schien.

»Das ist das tiefe Wasser,« sagte Winnetou, indem er nach dem Walde deutete.

»Es liegt inmitten des W#228;ldchens?« fragte ich.

»Ja.«

»So ist die Stelle, wie es scheint, allerdings der Ueberrest eines fr#252;heren Kraters.«

Wir kamen von Osten her. Da machte Winnetou einen Bogen, in der Absicht, von S#252;den her an das W#228;ldchen zu kommen.

»Weshalb diesen Umweg?« fragte ich ihn.

»Weil die Mogollons von Norden kommen werden, und nicht gleich unsere Spuren sehen sollen.«

Es war ganz eigent#252;mlich, da#223; die #228;u#223;eren B#228;ume des W#228;ldchens ohne allen Uebergang vom Grase zur Staude, zum Strauche und Baume, gleich hoch aufgestiegen waren. Es gab eine so scharfe Vegetationsgrenze, wie ich sie noch nicht gesehen hatte. Da, wo wir den Wald erreichten, gab es eine L#252;cke in demselben. Winnetou stieg vom Pferde und sagte:

»Diese L#252;cke f#252;hrt nach dem "tiefen Wasser". Unsere Pferde d#252;rfen nicht mit hinein, aber auch nicht hier bei den B#228;umen bleiben, weil sie uns verraten w#252;rden. Zehn von den Kriegern der Nijoras m#246;gen mit ihnen soweit nach S#252;den reiten, bis sie von hier aus nicht mehr gesehen werden k#246;nnen. Dort m#252;ssen sie warten, bis wir sie herbeirufen lassen.«

»Scharfes Auge« bestimmte zehn M#228;nner, welche der Weisung zu folgen hatten; die #252;brigen drangen durch die L#252;cke ein. Das Innere des Platzes verwunderte mich noch mehr, als das Aeu#223;ere.

Ich sah einen kleinen, kreisrunden See von ungef#228;hr f#252;nfzig Ellen Durchmesser. Das Wasser war hell und durchsichtig wie Kristall. Sein Spiegel lag nicht zu unsern F#252;#223;en, sondern tiefer unten; die Tiefe mochte wohl zehn bis zw#246;lf Ellen betragen. Dort gab es rund um das Wasser einen breiten, mit dichtem Grase bewachsenen Rand, von welchem eine sanft ansteigende B#246;schung, die ebenso grasig war, herauf zu uns f#252;hrte. Rundum gab es hier oben wieder einen breiten, gr#252;nen Rand, welchen das W#228;ldchen ums#228;umte. Das Ganze hatte eine Aehnlichkeit mit einer doppeltger#228;nderten Sch#252;ssel, welche nur bis zum untern Rande mit Wasser gef#252;llt ist. Alles Gras, oben und unten, war niedergetreten. Winnetou machte mich darauf aufmerksam und fragte:

»Wei#223; mein Bruder, wer hier gewesen ist und das Gras so zerstampft hat?« »Der "starke Wind" nat#252;rlich mit seinen Mogollons.«

»Seit wann kann er fort sein?« ich untersuchte das Gras und antwortete:

»Seit wenig #252;ber eine Stunde.«

»Das ist richtig. Wir sind nicht zu sp#228;t, aber auch nicht zu fr#252;h gekommen. Wir haben vor uns Mogollons, und hinter uns Mogollons. Die letzteren m#252;ssen hier unser werden. Mein Bruder Shatterhand mag bestimmen, in welcher Weise das geschehen soll!«

Die Aufgabe war so leicht, da#223; ein Kind sie l#246;sen konnte. Es verstand sich von selbst, da#223; die Mogollons, wenn sie mit Jonathan Melton kamen, ihre Pferde tr#228;nken w#252;rden; sie mu#223;ten also mit ihnen hinab zum Wasser, auf den untern Rand der Vertiefung. Wenn sie sich da unten befanden, konnten sie nicht #252;ber den zehn Ellen h#246;heren oberen Rand blicken. Wenn wir uns in dem W#228;ldchen versteckten, bis sie kamen, und dann warteten, bis sie ihre Pferde hinunter zum Wasser gef#252;hrt hatten, so brauchten wir nur hervorzutreten und unsere Gewehre #252;ber den oberen Rand hinabzuhalten, um ihrer vollst#228;ndig Herr zu sein. Widerstand von ihrer Seite konnte nur ein Bl#246;dsinniger f#252;r ratsam halten. Sie waren wenig #252;ber f#252;nfzig und wir beinahe hundert; es kamen also auf jeden von ihnen zwei Sch#252;sse von uns. Und dazu standen sie frei und schutzlos da unten vor unsern L#228;ufen, w#228;hrend sie, wenn wir uns niederlegten, von uns nur die Gewehre zu sehen bekamen. Die Sache war, wie gesagt, reines Kinderspiel, und ihnen unsere Kugeln hinabzusenden, w#228;re, wenn sie nicht so wahnsinnig waren, auf uns zu schie#223;en, mehr als nur Mord gewesen. Darum sagte ich zu dem Unterh#228;uptlinge, welcher bei mir und Winnetou stand:

»Mein Bruder ist ein mutiger Krieger; aber seine

Tapferkeit wird hier nicht auf die Probe gestellt werden. Ich bitte dich, deine Leute einen Kreis um den See bilden zu lassen. Wenn das geschehen ist, mag jeder von seinem Orte aus sich r#252;ckw#228;rts in den Wald verbergen und da stecken bleiben, bis die Mogollons kommen. Diese werden ihre Pferde hinab zu dem Wasser f#252;hren. Da trete ich wahrscheinlich unter den B#228;umen hervor; unsere Krieger aber m#252;ssen noch stecken bleiben; sie sehen mich. Sobald ich den Arm erhebe, kommen auch sie heraus, legen sich auf den obern Rand des Sees, soda#223; sie einen Kreis bilden, und zielen mit ihren Gewehren auf die unten befindlichen Feinde. Aber schie#223;en d#252;rfen sie nicht, auch dann noch nicht, wenn ich oder Winnetou schie#223;en sollte. Erst wenn ich ihnen den lauten Befehl dazu zurufe, d#252;rfen sie es thun, und dann sollen sie nur auf die Feinde schie#223;en, welche herauf nach ihnen zielen. Es darf kein Mogollon, der sich nicht wehrt, verletzt werden. Wer gegen diesen Befehl handelt, den kann ich zwar nicht bestrafen, aber wir werden daf#252;r sorgen, da#223; er bei seinem Stamme als ein Feigling gilt. Ist dir das recht?«

»Mein Bruder hat es gesagt, also ist es recht,« antwortete er.

»Das Leben der Mogollons soll euch heilig sein; aber alles, was sie bei sich haben, auch ihre Medizinen, soll euch als Beute geh#246;ren.«

»Und ihr? Was nehmt ihr f#252;r euch?«

»Nichts. Wir ziehen nicht aus, um Krieg zu f#252;hren und Beute zu machen.«

Da leuchteten seine Augen auf. Ein Indianer verliert lieber sein Leben, seinen Skalp als seine Medizin, welche das gr#246;#223;te Heiligtum ist, welches er besitzt. Ich setze da voraus, da#223; man wei#223;, was unter der Medizin eines Indianers zu verstehen ist, n#228;mlich nicht etwa das, was dieses Wort bei uns bedeutet, ein Heilmittel, sondern einen Gegenstand, den er nach langen Pr#252;fungen und K#228;mpfen als Panier erw#228;hlt und mit seinem letzten Blutstropfen verteidigt. Wer seine Medizin verliert, wird solange f#252;r ehrlos gehalten und aus dem Stamme geschieden, bis er sich daf#252;r die Medizin irgend eines ber#252;hmten Feindes erobert hat.

Daher die Freude des »scharfen Auges«, als ich ihm sagte, da#223; ihm und seinen Kriegern die Medizinen der Mogollons geh#246;ren sollten. Das war ihm lieber, als wenn ich ihm ihr Leben und ihre Kopfh#228;ute

zugesprochen h#228;tte.

»Ich sehe, da#223; mein Bruder es ehrlich mit uns meint,« rief er entz#252;ckt aus. »Die Hunde der Mogollons sind ausgezogen, uns zu zerrei#223;en; sie werden heulen vor Scham und Entsetzen, wenn sie ohne ihre Medizinen in die L#246;cher zur#252;ckkehren m#252;ssen, aus denen sie hervorgekrochen sind! Was haben wir noch zu thun?«

»Nichts, was ich jetzt schon bestimmen k#246;nnte; der Augenblick mu#223; es ergeben. Sage aber deinen Kriegern, da#223; sie auf mich achten und jedes laute Wort, welches ich ihnen zurufe, befolgen sollen! Du selbst wirst in meiner N#228;he bleiben.«

Er rief seine Leute zusammen und teilte ihnen meine Anordnungen mit, welche sofort befolgt wurden. Bald hatten sie sich so in dem W#228;ldchen versteckt, da#223; keiner von ihnen zu sehen war. Wie nach S#252;den, so gab es auch nach Norden eine L#252;cke zwischen den B#228;umen, durch welche man herein zum Wasser kommen konnte. Von dieser Seite waren die MogolIons zu erwarten. Sonst gab es keine Stelle, an welcher ein Reiter herein konnte. Damit an diesen beiden Eing#228;ngen sichere Leute zu stehen kamen, besetzte Winnetou mit Emery den s#252;dlichen, ich mit Dunker und dem »scharfen Auge« den n#246;rdlichen, Da#223; unsere Spuren uns verraten w#252;rden, war nicht zu bef#252;rchten, denn wir hatten das Gras nicht noch mehr niedergetreten, als es schon vorher zu Boden gestampft gewesen war.

Wenn vorhin Winnetou gesagt hatte, wir seien weder zu sp#228;t noch zu fr#252;h gekommen, so hatte er recht gehabt, denn jetzt, da unsere Vorbereitungen getroffen waren, sah ich, als ich am n#246;rdlichen Eingange durch die B#228;ume lugte, eine Reiterschar #252;ber die Ebene auf das W#228;ldchen zukommen. Sie war noch so weit entfernt, da#223; man die einzelnen Reiter nicht zu unterscheiden vermochte, doch konnten es nicht viel mehr und auch nicht viel weniger als f#252;nfzig sein; es waren also die, welche wir erwarteten. Darauf rief ich so laut, da#223; jeder es h#246;ren konnte:

»Sie kommen. Da#223; ja kein Nijora sich vor der Zeit sehen l#228;#223;t!«

Winnetou und Emery, welche bis jetzt noch au#223;erhalb der B#228;ume gestanden hatten, verschwanden darunter. Dunker, der neben mir durch den Ausgang blickte, sagte zu mir:

»Sie kommen sehr schnell n#228;her. Man kann sie schon deutlich erkennen. Die Lady reitet mit Melton voran. Nun werden sie halten bleiben, um einen Kundschafter herzusenden.«

»Pshaw! Dazu sind sie zu unvorsichtig. Auch w#228;re es zu sp#228;t, da sie, wenn sich Feinde hier bef#228;nden, nun doch von diesen schon bemerkt sein w#252;rden.«

»Well! Meint Ihr, da#223; wir etwa keine Feinde von ihnen sind? Ich denke doch, und zwar was f#252;r welche!«

»Sie werden es sehr bald erfahren. Doch kommt; wir m#252;ssen uns nun auch verstecken!«

Wir krochen mit dem "scharfen Auge" unter die B#228;ume und zogen uns da so weit zur#252;ck, da#223; wir von drau#223;en nicht gesehen werden, aber doch alles sehen konnten.

Jetzt h#246;rten wir schon das Getrappel der Pferdehufe. Sie kamen; sie waren da. Sie hielten drau#223;en, weil der Eingang zu schmal war, alle schnell hereinzulassen. Wir sahen sie hereinkommen, die Mogollons und Yumas, einen nach dem andern. Sie stiegen ab und f#252;hrten, wie wir vermutet hatten, die Pferde hinunter an das Wasser, von wo wir ihre Stimmen laut heraufklingen h#246;rten.

Zuletzt kam Melton mit der J#252;din. Sie waren zuvor vorangeritten, dann aber drau#223;en halten geblieben, um die andern erst hereinzulassen. Er stieg von seinem Pferde und half ihr von dem ihrigen herab.

»Bist du m#252;de?« h#246;rte ich ihn fragen.

»Nein, ich habe mit meinem H#228;uptling tagelang zu Pferde gesessen.«

»Als er noch dein "lieber" Roter war; sp#228;ter dann aber wohl nicht mehr!« lachte er. »Bleib oben; ich will dein Pferd mit hinunternehmen. Die Tiere m#252;ssen hier trinken, weil wir nicht lange hier bleiben und bis zur Quelle des Schattens kein Wasser wieder finden.«

Er stieg mit den Pferden die sanfte B#246;schung hinab; sie blieb stehen; sie war die einzige Person, welche sich noch oben befand. Das Wasser lag so tief, da#223; sie von dort aus nicht gesehen werden konnte. Jetzt war es Zeit f#252;r mich. Ich kroch unter den B#228;umen hervor und stand, den Henrystutzen in der Linken, hinter ihr.

»Guten Morgen, Sennora!« sagte ich.

Sie fuhr herum. Als sie mich erblickte, sah ich, da#223; sie einen Schrei des Schreckens aussto#223;en wollte; er blieb aber in ihrem Munde zur#252;ck. Ihre Augen waren vor Entsetzen weit ge#246;ffnet.

»Sie staunen mich an wie einen Fremden? Hoffentlich haben Sie die G#252;te, sich meiner noch zu erinnern. Es ist doch noch gar nicht so lange her, da#223; wir uns zum letztenmal gesehen haben.«

»Old - Old - Shatter - hand!« stammelte sie.

»Ja, so hei#223;e ich. Es freut mich, da#223; Sie meinen Namen noch nicht vergessen haben.«

»Was - was wollen - Sie - Sie hier?«

»Sie will ich, Sie und Ihren geliebten Jonathan.«

»Das - das ist ja Wahnsinn! Sie sind unser Feind. Wissen Sie, da#223; wir f#252;nfzig und noch mehr Indianer bei uns haben!«

Sie stie#223; das sehr schnell und drohend hervor, aber doch nicht laut, weil der Schreck noch jetzt nachwirkte. »Freilich wei#223; ich das!« sagte ich. »Sie sind verloren, passen Sie auf!«

Sie ergriff meinen Arm, um mich festzuhalten, damit ich nicht entfliehen k#246;nne, wendete sich nach dem Wasser um und wollte einen Ruf aussto#223;en; aber ehe derselbe #252;ber ihre Lippen kam, hielt ich ihr die M#252;ndung des Stutzens vor den Kopf und drohte:

»Kein Wort, Sennora, sonst bekommen Sie augenblicklich eine Kugel! Mister Dunker!« Der Gerufene kam hervorgekrochen und fragte: »Was soll ich, Sir?«

»Auf die Lady Achtung geben, damit sie uns nicht spazieren geht. Behandelt sie mit liebevoller Teilnahme, Mister!«

»Well, soll mir eine Freude sein! Seht Ihr dies

Messer, Mylady? Sobald Ihr den kleinsten Schritt von der Stelle thut, schneide ich Euch beide Ohren ab.

Ich nenne mich Will Dunker und halte Wort!«

Er hielt ihr sein Messer vor das Gesicht. Ich wendete mich ab und hob den Arm in die H#246;he. Da kamen rundum die Nijoras unter den B#228;umen hervorgekrochen und thaten, was ihnen befohlen worden war. Sich am Rande der B#246;schung niederstreckend, legten sie ihre Gewehre auf die Untenstehenden an. Da h#246;rte ich Meltons laute Stimme:

»Tausend Wetter! Was ist das! Gewehre rundum! Wer ist da oben?«

Er hatte heraufsteigen wollen und die auf ihn gerichteten L#228;ufe bemerkt. Ich trat so weit vor, da#223; er mich sehen konnte, und antwortete:

»Hundert geladene Flintenl#228;ufe, Sir! Das ist ein Morgengru#223;, den ich Euch bringe.« »Old Shatterhand! Old - -«

Er sprach den Namen zum zweitenmal nicht ganz aus, ri#223; sein Gewehr, welches er #252;ber die Schulter h#228;ngen hatte, los, legte es auf mich an und dr#252;ckte ab. Ich hatte aber Zeit, mich niederzuwerfen; die Kugel machte ein Loch in die Atmosph#228;re. Dann war ich schnell wieder auf, richtete den Stutzen auf ihn und rief:

»Wirf das Gewehr weg, Canaille, sonst schie#223;e ich!«

Er behielt es in den H#228;nden und starrte mich an.

»Weg damit, sonst gebe ich dir die Kugel! Eins - zwei - -«

Er lie#223; es fallen. Der Schu#223; war f#252;r alle seine Roten wie ein Signal gewesen, nach oben zu blicken. Sie sahen mich und sahen auch die Gewehre. Die Mogollons kannten mich nicht; aber einige Yumas riefen meinen Namen. Er wurde #252;berall geh#246;rt.

»Ja, ich bin Old Shatterhand,« rief ich. »Dort steht Winnetou, der H#228;uptling der Apatschen« - Winnetou hatte, wie die andern, im Grase gelegen; jetzt stand er auf, um sich den Feinden zu zeigen - »und rundum stehen die Krieger der Nijoras. Erhebt euch aus dem Grase!«

Sie standen auf und bildeten rundum eine ununterbrochene Kette von M#228;nnern, welche die L#228;ufe ihrer Gewehre nach unten gerichtet hielten. Da ert#246;nte dr#252;ben neben Winnetou eine Stimme:

»Soll ich denn allein im Grase hocken bleiben! Hier steht Emery Bothwell, der Englishman. Ich werde euch zeigen, wie man es zu machen hat!«

Er stieg langsam und gem#228;chlich hinab zu den Mogollons, ergriff die Flinte des ihm N#228;chststehenden, hielt sie einem Nijora empor, damit dieser sie nehmen solle und befahl mit lautt#246;nender Stimme:

»Die Mogollons m#246;gen ihre Gewehre hinaufgeben und ihre Messer hinaufwerfen, wenn sie nicht augenblicklich erschossen sein wollen!«

Und sich einem andern zuwendend, der ihn wie eine Geistererscheinung anstierte, schnauzte er denselben an:

»Na, wird es bald! Hinauf mit der Flinte, sonst -«

Er zog den Revolver und hielt ihn dem Roten vor die Brust. Sofort gab dieser sein Gewehr hinauf. War es das Beispiel des letzteren oder das k#252;hne Auftreten des Englishman, waren es die vielen, drohend nach unten gerichteten Gewehre, that es die Ueberraschung oder wirkte das alles zusammen, kurz und gut, die Mogollons wagten es nicht, zu widerstehen; noch weniger aber wagte einer von ihnen einen Schu#223;. Sie reichten ihre Gewehre herauf und warfen dann auch ihre Messer nach oben; sie schienen keinen Willen zu haben als nur den, zu gehorchen. Es war eine Panik #252;ber sie gekommen. Desto wilder geb#228;rdete sich Melton. Er rief ihnen zu, nicht zu gehorchen; er befahl ihnen, zu schie#223;en; er zeterte und schimpfte; er nannte sie Feiglinge; aber seine Flinte aufzuheben, selbst Widerstand zu leisten, das wagte auch er nicht. Emery, welcher sich noch unten befand, ging hin zu ihm, hob das Gewehr auf, hielt ihm den Revolver vor das Gesicht und drohte:

»Schweig, dummer Junge, sonst bringe ich deine Zunge zur Ruhe! Noch ein Wort, so ist es aus mit aller Rede, die du halten willst! Gieb her das Zeug, welches du nicht wieder brauchen wirst!«

Er nahm ihm die andern Waffen aus dem G#252;rtel und kam dann herauf zu mir gestiegen.

»Alles in Ordnung, Charley,« sagte er. »Entwaffnet ist die Bande. Was soll nun geschehen?«

Fesseln. Sie d#252;rfen einzeln, nacheinander herauf, um gebunden zu werden.«

»Well! Wer nicht kommt, erh#228;lt eine Kugel.«

Er stieg wieder hinab. Winnetou und Dunker folgten ihm, nachdem der letztere die J#252;din einem Nijora #252;bergeben hatte. Auch "scharfes Auge" ging hinab, um die Zaudernden durch Drohungen zu veranlassen, Gehorsam zu leisten. Uebrigens handelten die meisten Mogollons klug; sie sahen ein, da#223; Widerstand aussichtslos war, und ergaben sich in die Gefangenschaft. Die weniger Verst#228;ndigen mu#223;ten schlie#223;lich diesem Beispiele folgen. Das Binden ging au#223;erordentlich schnell. Jeder bekam seinen eigenen Lasso um die Arme und Beine geschn#252;rt und wurde dann ins Gras gelegt.

Der letzte, den wir uns aufgehoben hatten, war Jonathan Melton. Er hatte erst wilde, unternehmende Blicke um sich geworfen und ganz das Gebaren eines

Mannes gezeigt, der nach einem Auswege zur Flucht sucht; er w#228;re aber blind gewesen, wenn er nicht bemerkt h#228;tte, da#223; jeder Versuch nur sein Leben in Gefahr bringen mu#223;te. Ein einzigesmal machte er drei, vier rasche Schritte an der B#246;schung herauf; da aber rief ihm Judith voller Angst zu:

»Bleib unten; bleib unten; sie schie#223;en sonst auf dich! Ergieb dich drein! Ich sehe es hier oben besser als du, da#223; keine Rettung ist. Diese Menschen sind schrecklich!«

Da machte er die wenigen Schritte zur#252;ck, setzte sich nieder und sah dumpf vor sich hin in das Wasser. Nach einer Weile stand er auf, holte einen Stein, welcher in der N#228;he lag, und setzte sich wieder nieder. Was wollte er mit dem Steine? Das fragte ich mich, ohne aber eine Antwort zu finden. Ihn als Gegenwaffe, als Wurfgescho#223; zu gebrauchen? L#228;cherlich!

So hatte er gesessen, bis der letzte Yuma und der letzte Mogollon gebunden war. Da trat Emery zu ihm und fragte zu mir herauf:

»Der Halunke soll doch auch gefesselt werden?« »Nat#252;rlich.«

»Und wenn er sich wehrt?« »Schl#228;gst du ihn mit dem Gewehrkolben nieder; dann wird er schon gehorchen!«

Da fuhr Melton schnell in die H#246;he, sprang einige Schritte von Emery zur#252;ck und rief mir zu:

»Binden soll ich mich lassen?«

»Ja, Master. Ich habe es befohlen, und da wird es wohl nicht anders werden. Ergebt Ihr euch nicht drein, so machen wir Euch ein wenig besinnungslos; ein guter Hieb bringt das schnell fertig. Wenn Ihr dann erwacht, seid Ihr gefesselt!«

»Die Mogollons werden mich befreien!«

»Bildet Euch das nicht ein! Es stehen schon vierhundert Nijoras bereit, sie zu empfangen. Ihr seht ja hier bei mir hundert Gegner in ihrem R#252;cken.«

»Das ist dein Werk, du Satan!« zischte er. »Was habt Ihr mit mir vor?«

»Wir bringen Euch zur Polizei, die so gro#223;e Sehnsucht nach Euch hat.«

»Wo ist mein Vater?«

»Auch bereits unterwegs zu ihr.«

»Und sein Geld?«

»Hat Mister Vogel, dem es geh#246;rt.«

»Tausendmal die Verdammnis #252;ber Euch!«

Das schrie er mit einer #252;berschnappenden Stimme, wie so w#252;tend ich noch keine geh#246;rt hatte. Dann machte er zwei Schritte nach dem Wasser zu, als ob er sich hineinst#252;rzen wolle, um sich zu ers#228;ufen, fuhr aber wieder zur#252;ck, wohl weil er keinen Mut dazu hatte, ri#223; die Tasche, welche er am Riemen um die Schulter trug, herab, machte sie auf, ehe es Emery verhindern konnte, that den Stein hinein, schlo#223; sie zu und schleuderte sie, ein Gel#228;chter verzweiflungsvollen Hohnes aussto#223;end, weit hinaus in das Wasser, wo sie sofort unterging. Als dies geschah, stie#223; Judith einen durchdringenden Schrei aus, schlug die H#228;nde vor das Gesicht und st#246;hnte:

»Fort, fort, verloren! F#252;r immer und ewig verloren!«

Dann rannte sie wie eine W#252;tende zu ihm hinab und br#252;llte ihn an:

»Feigling! Verr#228;ter! Betr#252;ger! Das geh#246;rte auch mit mir! Das war auch mit mein! Nun ist es fort, unwiederbringlich fort!«

»Ja, fort - fort!« wiederholte er wie geistesabwesend.

»Und es war mein Eigentum geradeso wie das deinige! Du hattest es mir versprochen! Er war der Preis, der Kaufpreis meines Herzens! Meinst du denn, da#223; ich dich geliebt h#228;tte ohne das Geld? Und du wirfst es fort, du Wicht, du elender Schw#228;chling, du - -!«

Sie fa#223;te ihn bei den Armen und sch#252;ttelte ihn hin und her. Da stie#223; er sie von sich fort und rief:

»Weg von mir, Schlange! Nur du hast mich in das Verderben getrieben! W#228;re ich dir nicht nach deinem Pueblo gefolgt, so h#228;tte ich jetzt alles, wonach mein Herz geschmachtet und getrachtet hat, auch die Freiheit, die ich nun verloren habe. Ich bin gefangen - gefangen - gefangen!«

»Recht so, recht so!« rief sie, ihn wieder fassend und sch#252;ttelnd. »Nun du mich um das Geld betrogen hast, hasse ich dich. Ich freue mich deiner Gefangenschaft und werde entz#252;ckt sein, wenn ich h#246;re, da#223; der Scharfrichter, h#246;rst du, der Scharf - -«

Sie konnte nicht weiter; er schn#252;rte ihr mit der Hand die Kehle zu und schrie in h#246;chster Wut.

»Vorn Scharfrichter redest du, von meinem Tode! Da sollst du doch, ehe mir die H#228;nde gefesselt werden, mir vorangehen! Fahre hin, du Satansweib; fahre hin in die H#246;lle, aus welcher du gekommen bist!«

Er schleuderte sie mit Anspannung aller seiner Kr#228;fte von sich und hinein in das Wasser des grundlosen Sees, beugte sich weit #252;ber das Ufer hinaus und rief ihr im Tone eines Wahnsinnigen nach:

»Da unten, unten ist die Tasche! Suche sie! Ich habe sie dir versprochen; nun hast du sie. Gratuliere, gratuliere!«

Ich rannte hinab, um dem Weibe nachzuspringen; da aber st#252;rzte sich schon Winnetou hinein. Nach einigen Sekunden kam er mit ihr empor, und die H#228;nde mehrerer Indianer streckten sich aus, sie ihm abzunehmen. Melton blickte gar nicht hin; er hatte mich beim Arme gefa#223;t und zischte mich an:

»Ihr seid mir nach, um mein Geld, mein Geld, das viele Geld zu bekommen! Ist es nicht so, Sir?«

»Ja,« antwortete ich ruhig.

»So springt hier hinein, und holt es Euch aus dem See. Ich habe es hineingeworfen!« »Das ist nicht wahr!«

»Nicht wahr? Nicht wahr? Sir, ich hatte es in der Tasche, in der Tasche, welche vorhin im Wasser verschwunden ist. Verschwunden - verschwunden! Wi#223;t ihr, was das hei#223;t? Man giebt seine Ehre, sein Gewissen, seine Ruhe, seine Seligkeit daf#252;r hin; man tritt die Gesetze mit F#252;#223;en; man - man -man thut alles, um es zu gewinnen. Und wenn man es erlangt hat, mu#223; man sich in der Wildnis verbergen, wo man es nicht genie#223;en kann, rennt hinter einem verruchten Weibe her, welches das Geld, aber nicht die Qualen des Gewissens mit einem teilen will, und wirft es, um es nicht hergeben zu m#252;ssen, in das Wasser - ins Wasser - ins Wasser! Wi#223;t Ihr, Sir, was das hei#223;en will?«

Es war eine Scene von solcher H#228;#223;lichkeit, da#223; sich die Feder str#228;ubt, sie zu beschreiben. Ich sch#252;ttelte den Kerl von mir ab, bat Emery, ihn doch nun binden zu lassen, und ging nach der Stelle, an welcher die J#252;din lag. Es war nur eine Ohnmacht, welche sie umfangen hielt; tot konnte sie nicht sein; dazu war sie viel zu kurze Zeit im Wasser gewesen. Ich nahm ihre Hand, um den Puls zu f#252;hlen; er ging langsam und schwach, aber doch bemerkbar. Sie lebte, und ich brauchte also um sie keine Sorge zu haben; ja, ich war so hartherzig, mir zu sagen, da#223; das Wasserbad ihr gar nichts schaden k#246;nne. Ich lie#223; sie also liegen, um mich um Dinge zu bek#252;mmern, welche notwendiger waren.

Zun#228;chst galt es, die Nijoras zu benachrichtigen, da#223; wir jetzt die Mogollons gefangen hatten. Ich schickte also einen der Kundschafter ab, welcher seinem H#228;uptlinge die Botschaft #252;berbringen sollte. Dabei sch#228;rfte ich ihm ein, sich ja nicht von den Mogollons sehen zu lassen. Diese waren nach der Quelle des Schattens unterwegs, und er mu#223;te also nicht nur sie und die Quelle umreiten, sondern auch daf#252;r sorgen, da#223; dahinter seine Spuren unsichtbar blieben, denn, wenn sie von den Feinden gesehen wurden, stand zu bef#252;rchten, da#223; sie Verdacht sch#246;pften.

Nun wollte ich gerne erfahren, ob die Mogollons ihre beiden Gefangenen mitgenommen oder am wei#223;en Felsen zur#252;ckgelassen hatten; das mu#223;te mir die F#228;hrte sagen. Am tiefen Wasser konnten wir dieselbe nicht ansprechen, da der Boden ganz zertreten war; ich ging also mit Winnetou fort, um das Geb#252;sch zu umkreisen. Richtig! Auf der westlichen Seite desselben - wir waren von der #246;stlichen gekommen -entdeckten wir die Spur des Wagens; dort hatte er gestanden. Aus den Stapfen ersahen wir, da#223; die Pferde ausgespannt worden waren, um getr#228;nkt zu werden. Dann f#252;hrte die Spur um den Platz herum, wo sie sich wieder mit der breiten F#228;hrte der fortgezogenen Mogollons vereinigte.

Da#223; diese die S#228;ngerin und den Advokaten mitgenommen hatten, deutete auf ihre Ueberzeugung, die Nijoras vollst#228;ndig #252;berrumpeln und besiegen zu k#246;nnen. Darauf wies Winnetou hin, als er kopfsch#252;ttelnd sagte:

»Der "starke Wind" mu#223; seines Sieges ganz sicher sein, sonst h#228;tte er die beiden Bleichgesichter nicht mitgenommen. Aber warum er sie #252;berhaupt mitgenommen hat? Sie k#246;nnen ihm nur hinderlich sein. Aber vielleicht hat er keinen Nutzen, sondern nur die Verh#252;tung eines Schadens beabsichtigt.«

»Du meinst ihre Flucht?«

»Ja. Er hat alle zuverl#228;ssigen Krieger mitgenommen und nur die Alten, Weiber, Knaben und M#228;dchen im Lager zur#252;ckgelassen. Diese Leute aber taugen nichts zur Bewachung von Gefangenen. Wie leicht konnten sie also fliehen!«

»Dies ist allerdings der einzige Grund, den ich aufzufinden vermag, kann aber selbst ihn nicht als vollwichtige Ursache gelten lassen, weil das Mitschleppen des Wagens und seiner Insassen Beschwerden und St#246;rungen bereiten mu#223;. Auch wenn er sie bei sich hat, mu#223; er sie Tag und Nacht beobachten lassen. W#228;ren sie aber, und einige Krieger mit ihnen, im Lager beim wei#223;en Felsen zur#252;ckgeblieben, so befanden sie sich unter guter Obhut, und er konnte sich auf dem Kriegszuge, den er angetreten hat, frei bewegen.«

»Mein Bruder hat sehr richtig gesprochen; aber dieser Grund ist der einzige, den man sich denken kann, obgleich es nicht klug ist, danach zu handeln.«

»Dazu kommt das Terrain, auf welchem die Mogollons sich bewegen m#252;ssen. Denke doch an den Hohlweg, welcher auf die Platte des Canons hinauf- und jenseits wieder hinabf#252;hrt! Wie k#246;nnen sie da mit dem Wagen fortkommen!«

»Vielleicht kennen sie den Weg nicht genau und haben geglaubt, da#223; man da auch mit einem Wagen fahren kann.«

»Dann sind sie au#223;erordentlich unvorsichtige Leute. Wenn man einen feindlichen Stamm #252;berfallen will, bek#252;mmert man sich doch um die Wege, welche dahin f#252;hren. Wie du mir die Gegend beschrieben hast, k#246;nnen sie mit dem Wagen gar nicht viel weiter als bis zu der Quelle des Schattens kommen. Dort werden sie diese Nacht lagern. Meinst du nicht, da#223; es notwendig ist, sie da zu beobachten?«

»Es ist notwendig.«

»Kann aber nur in der Dunkelheit des Abends geschehen?«

»Nahe an sie herankommen kann man freilich nur des Nachts; besser aber ist es, wenn ich ihnen schon am Tage nachreite. Mein Bruder Scharlieh mag mir sp#228;ter folgen und es so einrichten, da#223; er in der Dunkelheit dort ankommt.«

»Sch#246;n. Wie und wo treffen wir uns?«

»Du warst schon mit an der Quelle und kennst sie also. Ich werde dir soweit entgegenreiten, bis ich mich zehn B#252;chsensch#252;sse von der Quelle entfernt habe; da warte ich auf dich. Wenn du soweit herangekommen bist, l#228;ssest du deinen B#228;rent#246;ter einmal sprechen, und ich antworte mit meiner Silberb#252;chse. Wir kennen die Stimmen unserer Gewehre genau und werden uns leicht zusammenfinden.«

»Gut! Jedenfalls kehren wir dann nicht wieder nach hier zur#252;ck?«

»Nein. Die Unsrigen m#252;ssen nachkommen. Sie m#246;gen noch w#228;hrend der Nacht mit den Gefangenen aufbrechen und es so einrichten, da#223; sie eine Stunde nach Anbruch des Tages zu uns sto#223;en. Dann werden die Mogollons schon von der Quelle aufgebrochen sein. Ich tr#228;nke jetzt mein Pferd, und dann reite ich fort.«

»So sag den Nijoras, da#223; sie auch die andern Pferde bringen m#246;gen.«

Er entfernte sich s#252;dw#228;rts, wohin wir unsere Pferde geschickt hatten, und diese wurden gebracht. Als er das seinige getr#228;nkt hatte, ritt er davon. Er war der beste Kundschafter, welchen ich den Mogollons nachsenden konnte.

Da wir nun so lange am tiefen Wasser lagern mu#223;ten, machten wir es uns daran so bequem wie m#246;glich. Weniger bequem hatten es die Gefangenen, weil sie alle gefesselt waren. Auch Judith wurde gebunden, als sie aus ihrer Ohnmacht erwachte. Das besorgte der lange Dunker, welcher mit ihr nicht viel Federlesens machte. Er war so maliti#246;s, sie neben ihren gefesselten Jonathan ins Gras zu legen. Als ich ihn dar#252;ber zur Rede setzte, fragte er mich:

»Meint Ihr etwa, da#223; uns das schaden k#246;nnte, Sir?«

»Ja. L#228;#223;t man solche Gefangene gern miteinander sprechen? Sie k#246;nnen doch einen Plan zur Flucht miteinander bereden oder sich #252;ber Ausreden und sonstige falsche Aussagen einigen.«

»M#246;gen sie! Wir brauchen ihre Aussagen nicht; wir haben ja Beweise genug. Seht Ihr denn nicht ein, weshalb ich sie zu einander gebracht habe?«

»Aus Bosheit, aus reiner Bosheit, Master Dunker. Oder nicht?«

»Nein, nicht aus Bosheit. H#246;chstens k#246;nnte man es eine kleine Schalkhaftigkeit nennen. Nach dem, was geschehen ist, nehme ich an, da#223; sie nicht sehr z#228;rtlich miteinander sprechen werden. Ich m#246;chte, da#223; sie einander #228;rgern. Seht doch einmal hin! Die Blicke, welche sie sich gegenseitig zuwerfen! Die giftigen Mienen, die sie ziehen! Well, ich mu#223; hin zu ihnen, um einmal zuzuh#246;ren.«

Er n#228;herte sich ihnen und setzte sich dann zu ihren H#228;upten nieder, soda#223; sie ihn nicht sehen konnten. Das Gesicht, welches der alte Schabernack dann schnitt, sagte mir sehr deutlich, da#223; er sich #252;ber die Reden, welche sie sich zuwarfen, k#246;stlich am#252;sierte. Ich aber legte mich in den Schatten unter die B#228;ume und schlief ein, denn es stand zu erwarten, da#223; die n#228;chste Nacht mir nicht viel Schlaf bieten werde.

Man war so verst#228;ndig, mich ungest#246;rt schlafen zu lassen. Als man mich endlich weckte, f#252;hlte ich mich genugsam gest#228;rkt, denn es war zwei Stunden vor Untergang der Sonne. Vielleicht h#228;tte man mich gar noch l#228;nger schlafen lassen, wenn nicht Jonathan Melton und die J#252;din eifrig nach mir verlangt h#228;tten. Als ich zu ihnen kam, rief mir die letztere zornig zu:

»Herr, warum bringt man mich hier mit diesem Menschen zusammen? Dieser M#246;rder, dieser Halunke, welcher aus Furcht das viele Geld in das Wasser geworfen und mich darum betrogen hat, mu#223; weg, mu#223; fort von hier, wenn ich nicht aus lauter Wut ersticken soll.«

»Sonderbar! Gestern sprachen Sie noch ganz anders erst von ihm und dann auch mit ihm.« »Was wissen Sie davon!« »O, ich wei#223; alles.«

»Alles? Nichts, gar nichts wissen Sie! Wo bin ich denn gestern abend gewesen?« Sie fragte das in h#246;hnischem Tone; ich antwortete l#228;chelnd.

»An der Quelle des Schlangenberges. Man hatte Ihnen hart an der Quelle eine H#252;tte gebaut. Vor derselben sa#223;en Sie erst mit dem braven Yuma, welcher uns als Wirt so liebensw#252;rdig behandelt hat. Ich wei#223; sogar, da#223; Sie von mir und von anderen gesprochen haben, was zu wiederholen ich keine Lust habe. Dann kam Ihr lieber Sennor Jonathan.«

»Der? - Woher?«

»Vom wei#223;en Felsen. Er war mit den Mogollons ausgeritten, uns zu fangen; da er aber kein Geschick dazu hat, ist das Gegenteil erfolgt: wir haben ihn erwischt. Wollen Sie das, was ich jetzt erz#228;hle, leugnen?«

»Ja. Sie raten nur; Sie schlagen auf den Busch.«

»Gar nicht. Sennor Jonathan hatte mit den Mogollons an der Quelle lagern wollen und Ihr Feuer gesehen, welches f#246;rmlich haushoch brannte. Da lie#223; er die Roten zur#252;ck und kam zun#228;chst allein, um zu erkunden, wer an der Quelle lagerte. Sie werden nicht wieder in eine solche Lage kommen, sonst w#252;rde ich Sie darauf aufmerksam machen, da#223; es eine unverzeihliche Unvorsichtigkeit ist, so gro#223;e Feuer lodern zu lassen. Man wird dadurch entdeckt. Sie erinnern sich jedenfalls, wie au#223;erordentlich freundlich Sie ihn empfingen, als er kam.«

»Da - da - da haben Sie uns wohl belauscht?« gestand sie endlich ein, wenn auch nur indirekterweise. »Wo steckten Sie denn?«

»Unter den B#228;umen jenseits des Wassers, gerade Ihnen gegen#252;ber. Ich h#246;rte jedes Wort, welches gesprochen wurde, und nahm mir nat#252;rlich vor, Ihnen heute hier einen freundlichen guten Morgen zu sagen.«

Da b#228;umte sie sich halb empor und sandte mir einen w#252;tenden Blick zu. Melton war erbost, da#223; Judith sich hatte #252;bert#246;lpeln lassen und machte ihr heftige Vorw#252;rfe. Dann sagte er zu mir:

»Mir kommt kein Lauscher so weit zu nahe, da#223; er h#246;ren kann, was ich spreche.«

»Da irrt Ihr Euch sehr, Mister Melton. Ich k#246;nnte Euch das Gegenteil beweisen.«

»Thut es doch!«

»Habe keine Zeit dazu. Nur auf einen Fall will ich Euch aufmerksam machen. Damals auf dem Schiffe nach Tunis hat Winnetou in Eurer Gegenwart Euern Koffer ge#246;ffnet, um uns Eure heimlichen Papiere zu bringen, die wir in unserer Koje gelesen haben. Er hat Euch zu diesem Zwecke den Schl#252;ssel aus der Tasche genommen, aus einem Kleidungsst#252;cke, welches Ihr auf dem Leibe trugt.«

»Nicht m#246;glich!«

»Nein, nicht m#246;glich, sondern wirklich! Er hat die Papiere dann wieder in den Koffer gethan und Euch den Schl#252;ssel in die Tasche gesteckt. Ist das nicht schwerer als blo#223;es Lauschen? Ich k#246;nnte Euch, wie gesagt, noch mehr erz#228;hlen, will es aber unterlassen. Ihr kennt uns noch lange nicht so, wie Ihr uns eigentlich kennen solltet.«

»O, ich kenne Euch mehr als genug. Ihr seid Teufel in Menschengestalt, die weder Gnade noch Erbarmen haben; es ist Euch bisher alles gegl#252;ckt; aber werdet nur nicht etwa #252;berm#252;tig, denn Ihr werdet gewi#223; auch noch Euern Meister finden.«

»Etwa Euch?«

»Nein. Mit mir ist's aus; das sehe ich jetzt ein.« »Wirklich? Seht Ihr das ein?« fragte ich.

Er sah allerdings ungemein niedergeschlagen aus, ganz so wie ein Mensch, welcher alle Hoffnung aufgegeben hat. War dies Wahrheit oder T#228;uschung? Wollte er mich vielleicht nur sicher machen?

»Ja.« antwortete er. »Ich wei#223;, da#223; mein Spiel nun zu Ende ist. Ich bin Euch einigemal gl#252;cklich ententgangen, immer je sp#228;ter desto schwerer. Aus dem Pueblo da unten entkam ich nur mit M#252;he und Not, und ich sagte mir, da#223; ich verloren sei, wenn es Euch gelingen sollte, mich noch einmal zu ergreifen. Das ist jetzt geschehen.«

»Warum k#246;nnt Ihr nicht auch diesmal entkommen? Es ist alles m#246;glich!«

»Nun nicht mehr! Ich sehe den langen Dunker bei Euch. Er ist uns entflohen und zu Euch gekommen. Er wird Euch gesagt haben, wen die Mogollons mit ihm gefangen genommen haben. Nicht?«

»Allerdings.«

»Auch da#223; die Mogollons gegen die Nijoras ziehen wollen?« »Ja. Und wir haben diese gewarnt.«

»Den Erfolg sehen wir schon jetzt hier vor uns. Ihr habt hundert Nijoras bei Euch. Ihr werdet die Mogollons #252;berfallen und die S#228;ngerin und auch den Advokaten befreien?«

»Nat#252;rlich!«

»Wie k#246;nnt Ihr da von der M#246;glichkeit sprechen, da#223; ich Euch entkommen kann! Ich wei#223;, da#223; ich nichts mehr zu hoffen habe.«

»Memme!« zischte sie ihn an.

»Schweig!« gebot er ihr. »Du bist mir zum Ungl#252;ck in den Weg gelaufen! H#228;tte ich dich nicht kennen gelernt, so st#228;nde es jetzt anders um mich! Nun bin ich verloren! Aber einen Trost habe ich, einen Trost und eine Freude. Ich habe meiner Beute entsagen m#252;ssen; aber es giebt keinen Menschen, dem sie in die H#228;nde fallen wird.«

»Irrt Ihr Euch nicht?« fragte ich.

»Irren? Pshaw! Habt Ihr nicht gesehen, da#223; ich die Millionen in den See geworfen habe!« »W#228;ren sie nicht herauszuholen?«

»Aus diesem Wasser, dessen Grund noch kein Mensch gefunden hat?« »Unsinn! Jedes Wasser hat einen Grund.«

»So taucht doch einmal da hinab! Ich wei#223; nicht, wie tief der Mensch zu tauchen vermag; aber wenn Ihr wirklich bis hinunter k#228;mt, wenn Ihr auch so oft tauchen k#246;nntet, bis Ihr die Tasche findet, dann sind die Papiere verdorben, sie sind wertlos geworden.«

»Das glaube ich nicht.«

»Nicht? Ihr denkt, das Wasser kann nicht in die Tasche dringen?«

»Es dringt hinein, nicht nur in die Tragtasche, sondern auch in die Brieftasche, welche in der ersteren steckt und in der sich die Papiere befinden.«

»Brieft - Briefta - Brieftasche? Was wi#223;t Ihr von einer Brieftasche?« fragte er betroffen.

»Ich habe Euch schon gesagt, da#223; ich alles wei#223;. Ich habe alles erfahren, obgleich Ihr sagtet, es sei unm#246;glich, Euch zu belauschen. Master Melton, Ihr seid ein unvorsichtiger, ein au#223;erordentlich unvorsichtiger Mensch! ihr wu#223;tet nicht, was Ihr in Eurer Tasche hattet oder vielmehr, Ihr wu#223;tet nicht, was Ihr nicht in der Tasche hattet.«

»Ich verstehe Euch nicht.«

Ach kenne jeden einzelnen Cent, den ich einstecken habe. Ihr hattet Millionen bei Euch und habt Euch nicht so um dieses Geld bek#252;mmert, wie ich mich um meine wenigen Dollars und Cents bek#252;mmere.«

»Wo wollt Ihr mit diesen Worten hinaus?«

»Befand sich das geraubte Geld wirklich in der schwarzen Ledertasche, welche Ihr umh#228;ngen hattet?« »Ja. Ich kann es jetzt getrost sagen, denn es ist nun weg, und niemand wird es bekommen.« »Das ist nicht wahr! Das Geld liegt nicht da unten im See.« »Wo denn?«

»Hier in meiner Tasche.«

Ich klopfte bei diesen Worten auf die Brust.

»Oho! La#223;t Euch nicht auslachen! Ihr wollt mich #228;rgern; denkt aber ja nicht, da#223; Euch das gelingen wird!« Es wird mir gelingen. Ich habe das Geld!« »So zeigt es doch einmal her!« »Gut! Kennt Ihr dieses Portefeuille?«

Ich zog die Brieftasche hervor und hielt sie ihm nahe. Als sein Auge auf dieselbe fiel, rief er aus:

Alle Wetter! Das ist - das ist - ja, das ist meine -« »Eure Brieftasche,« erg#228;nzte ich seine Rede.

»Nein, nein! Das kann nicht sein; das darf nicht sein!« schrie er auf. »Es ist eine Brieftasche, welche der meinigen #228;hnlich sieht. Ich lasse mich nicht t#228;uschen!«

»Ich will es Euch beweisen, da#223; ich die Wahrheit rede.«

Ich #246;ffnete die Brieftasche und zeigte ihm den Inhalt jedes einzelnen Faches. Er sah, da#223; es wirklich die Millionentasche war. Man hatte ihn an H#228;nden und F#252;#223;en gebunden; dennoch fuhr er mit einem einzigen Rucke auf, fiel aber sofort wieder nieder. Dabei schrie er wie ein Wahnsinniger:

»Sie ist's, sie ist's! Es ist meine Tasche! Es sind meine Millionen! 0 du Teufel, du tausendfacher Teufel! Wie ist das Geld in deine H#228;nde gekommen?«

Ich konnte ihm nicht antworten, wenn ich auch gewollt h#228;tte, denn die J#252;din stimmte in sein Geschrei ein. Das viele Geld gerettet und in meinen H#228;nden zu sehen, schien die beiden dem Wahnsinne nahe zu bringen. Sie schrieen nicht mehr; sie br#252;llten f#246;rmlich; sie w#228;lzten sich zu mir her, fa#223;ten mich mit den Fingern ihrer gefesselten H#228;nde bei den F#252;#223;en. Das Weib kreischte:

»Heraus mit dem Gelde, heraus! Gieb es her, du Dieb, du R#228;uber, du Gauner, gieb es heraus!«

Es war ein widerlicher Anblick. Sie geb#228;rdeten sich nicht wie Menschen. Ich stie#223; sie mit den F#252;#223;en von mir; sie rollten sich aber immer wieder heran, und ich war gezwungen, sie so binden zu lassen, da#223; sie sich nicht von der Stelle bewegen konnten. Sie str#228;ubten sich wie Irrsinnige dagegen. Das Gesicht Meltons war gar nicht zu beschreiben. Seine Augen traten weit hervor und waren mit Blut unterlaufen; er schrie und br#252;llte nicht mehr, sondern er heulte geradezu wie ein wildes Tier. Ich mochte es nicht l#228;nger ansehen und ging fort, um mein Pferd f#252;r den Ritt, den ich vorhatte, fertig zu machen. Doch als ich in den Sattel stieg und er dies sah, rief er mir zu, noch einmal zu ihm zu kommen.

Ich that es. Er sah mit dem Ausdrucke des grimmigsten Hasses zu mir auf und fragte, indem er sich zu einem ruhigen Tone zwang:

»Sir, wo habt Ihr die Tasche her? Wann ist sie in Eure Hand gekommen?«

»In der Nacht vor Eurem Aufbruche vom wei#223;en Felsen.«

»Durch wen?«

»Durch mich selbst.«

»Das ist nicht wahr!«

»Pah! W#228;hrend Ihr alle um den H#228;uptling sa#223;et, um den Zug gegen die Nijoras zu beraten, h#246;rte ich Euch zu.«

»Das ist unm#246;glich! Wie w#228;ret Ihr mitten in das

Lager gekommen? Wie h#228;ttet Ihr zuh#246;ren k#246;nnen, ohne bemerkt zu werden?«

»Es ist eben sehr dumm von Euch, zu glauben, da#223; ich Euch nicht belauschen kann. Ich habe sogar mit der S#228;ngerin gesprochen.«

»Das w#228;re nur dann m#246;glich, wenn Ihr Euch unsichtbar machen k#246;nntet!«

»La#223;t Euch nicht auslachen! Ich steckte im Wasser. Ich bin den Flu#223; hinabgeschwommen, bis ich mich in der Mitte des Lagers befand. Ein guter Westmann wei#223;, wie er so etwas anzufangen hat. Eure Unvorsichtigkeit kam mir dabei zu statten.«

»Aber Ihr m#252;#223;t doch in meinem Zelte gewesen sein!«

»Nat#252;rlich habe ich Eure Tasche genau untersucht und das Portefeuille herausgenommen.« »O Teufel, Teufel! K#246;nnte ich, wie ich wollte, ich zerrisse Euch in tausend St#252;cke!« Er zerrte bei diesen Worten mit Gewalt an seinen Fesseln.

»Bem#252;ht Euch nicht, Master! Die Riemen halten fest. Uebrigens erkennt Ihr nun wohl, da#223; unsereiner nicht auf den Kopf gefallen ist. H#228;tte ich mich nicht in das Lager der MogolIons geschlichen und mir das Geld geholt, so - -«

»So l#228;ge es jetzt unten im See!« unterbrach er mich w#252;tend.

»O nein, das wollte ich nicht sagen. In diesem Falle w#228;re es Euch wahrlich nicht gelungen, die Tasche in das Wasser zu werfen. Ich stand ja ganz in der N#228;he, als ihr das thatet. H#228;tte ich das Geld noch nicht gehabt, so w#228;re ich augenblicklich hinzugesprungen, um Euch daran zu verhindern. So aber konnte ich mit heimlichem Vergn#252;gen der vermutlichen Vernichtung der

Millionen zusehen. Ihr sagtet vorhin, da#223; niemand sie bekommen werde; es bekommt sie doch jemand, und das sind die rechtlichen Erben.«

»Der Satan vernichte Euch! Ich war des Portefeuilles so sicher, da#223; ich in den letzten Tagen gar nicht nach demselben gesehen habe. Sind - sind - sind au#223;er dem Gelde auch noch andere Gegenst#228;nde drin?«

»Ja, Briefe, wie es scheint.«

»Habt Ihr sie schon gelesen?«

»Nein, sie geh#246;ren den Erben; diese sollen sie zuerst lesen.«

»Tod und Verdammnis! Sir, h#246;rt, was ich Euch sage! Das Geld ist noch da, und ich bin auch noch da! Denkt ja nicht, da#223; ihr es so sicher habt! Nun ich die Brieftasche gesehen habe, gebe ich das Spiel noch nicht auf. Es handelt sich um Millionen, versteht Ihr, um Millionen, und darum werde ich k#228;mpfen, bis zum letzten Atemzuge!«

»So k#228;mpft, Mister Melton, k#228;mpft mit wem Ihr wollt! Zun#228;chst wird Euch das nicht sehr leicht werden, und wir werden daf#252;r sorgen, da#223; Ihr Euer Heldentum nicht weiter mehr entwickeln k#246;nnt. Ihr habt rechtes handelt sich um Millionen; die habe ich endlich in meinen H#228;nden, und auch Euch habe ich erwischt; ich gebe Euch mein Wort, da#223; ich weder das Geld noch Euch wieder loslassen werde!«

Ich ritt zu Emery und Dunker und sch#228;rfte ihnen die gr#246;#223;te Aufmerksamkeit auf die Gefangenen ein.

»Habt keine Sorge, Sir,« sagte der letztere. »Ich selbst werde die ganze Nacht mit dem Messer in der Hand bei ihnen wachen.«

»Darauf verlasse ich mich. Melton hat mir soeben gesagt, da#223; er alles daran setzen will, das Geld wieder zu bekommen; dabei ist nat#252;rlich die Flucht vorausgesetzt. Ich mu#223; leider jetzt fort, denke aber, da#223; ich ihn in sichern H#228;nden zur#252;cklasse.«

»Sir, nur der Tod kann ihn uns nehmen. Ihr k#246;nnt ruhig gehen.«

Da Emery mir dieselbe Versicherung gab, brauchte ich wirklich keine Sorge zu haben. Ich rief noch den Unterh#228;uptling herbei, um ihm die Zeit des Aufbruches anzudeuten, und ritt dann von dem Orte fort, der dem falschen Erben so verh#228;ngnisvoll geworden war.

Wenn ich zu der von Winnetou bestimmten Zeit an das Stelldichein gelangen wollte, so mu#223;te ich mich sputen. Doch hatte ich ein gutes und jetzt ausgeruhtes Pferd und kannte, wenn auch nicht den Weg, so doch die Richtung genau, in der ich den Apatschen zu suchen hatte. Bemerken mu#223; ich noch, da#223; ich einen Nijora mitgenommen hatte, welcher auch gut beritten war; er sollte mir als Bote dienen, um seinem H#228;uptlinge zu melden, wie wir die Mogollons treffen w#252;rden. - - -