"16 Uhr 50 ab Paddington" - читать интересную книгу автора (Кристи Агата)

Drittes Kapitel

I

«Weit harmloser? Dummes Zeug!», sagte Mrs. McGillicuddy. «Es war Mord!» Sie sah Miss Marple trotzig an, und diese erwiderte ihren Blick.

«Nur zu, Jane», sagte Mrs. McGillicuddy. «Sag ruhig, dass das Ganze ein Irrtum war! Sag ruhig, dass ich mir alles nur eingebildet habe! Das denkst du doch jetzt, oder?»

«Jeder kann sich mal irren», beg#252;tigte Miss Marple. «Jeder, Elspeth – auch du. Ich glaube, das sollten wir nicht vergessen. Trotzdem glaube ich immer noch, dass du dich nicht geirrt hast… Du brauchst zwar zum Lesen eine Brille, aber deine Weitsichtigkeit ist hervorragend – und das Gesehene hat dich sehr mitgenommen. Als du hier ankamst, standest du ganz eindeutig unter Schock.»

«Ich werde es niemals vergessen», sagte Mrs. McGillicuddy und sch#252;ttelte sich. «Wenn ich doch blo#223; w#252;sste, was ich jetzt noch tun kann!»

Miss Marple sagte bed#228;chtig: «Ich glaube nicht, dass du jetzt noch irgendetwas unternehmen kannst.» (H#228;tte Mrs. McGillicuddy auf den Tonfall ihrer Freundin geachtet, w#228;re ihr vielleicht die leise Betonung des du aufgefallen.) «Du hast gemeldet, was du gesehen hast – dem Zugpersonal und der Polizei. Nein, du kannst nichts mehr tun.»

«Da bin ich aber erleichtert», sagte Mrs. McGillicuddy, «denn du wei#223;t ja, ich m#246;chte gleich nach Weihnachten nach Ceylon reisen – zu Roderick, und das ist ein Besuch, den ich auf keinen Fall verschieben m#246;chte – ich freue mich schon so lange darauf. Andererseits w#252;rde ich ihn nat#252;rlich verschieben, wenn es meine Pflicht w#228;re», f#252;gte sie gewissenhaft hinzu.

«Das w#252;rdest du bestimmt, Elspeth, aber wie gesagt, ich glaube, du hast dein M#246;glichstes getan.»

«Jetzt ist es Sache der Polizei», sagte Mrs. McGillicuddy. «Und wenn sich die Polizei dumm stellen will –»

Miss Marple sch#252;ttelte energisch den Kopf.

«O nein», sagte sie, «die Polizei stellt sich nicht dumm. Und das macht die Sache gerade so interessant, findest du nicht auch?»

Mrs. McGillicuddy sah sie leicht begriffsstutzig an, und Miss Marple sah sich wieder einmal in ihrer Auffassung best#228;tigt, dass ihre Freundin eine Frau mit strengen Grunds#228;tzen und ohne jede Phantasie war.

«Ich w#252;sste ja zu gern, was sich wirklich zugetragen hat», sagte Miss Marple.

«Sie ist ermordet worden.»

«Gewiss, aber wer hat sie ermordet und warum, und was ist mit der Leiche geschehen? Wo ist sie jetzt?»

«Das soll gef#228;lligst die Polizei herausfinden.»

«Ganz recht – und sie haben es nicht herausgefunden. Nicht wahr, das bedeutet doch, dass der Mann umsichtig vorgegangen ist – sehr umsichtig sogar. Wei#223;t du, ich kann mir einfach nicht vorstellen, wie er sie beseitigt hat», sagte Miss Marple und zog die Stirn in Falten. «Da bringt er in einem Anfall blinder Leidenschaft eine Frau um – es kann nicht vors#228;tzlich geschehen sein; niemand bringt eine Frau bewusst unter solchen Umst#228;nden um, wenige Minuten, bevor der Zug in einen gro#223;en Bahnhof einf#228;hrt. Nein, sie m#252;ssen sich gestritten haben – Eifersucht – etwas in der Art. Er erdrosselt sie – und dann steht er wie gesagt mit einer Leiche da und kommt kurz darauf an einem Bahnhof an. Was konnte er anderes machen als, wie ich schon sagte, die Leiche in eine Ecke lehnen, als schliefe sie, ihr Gesicht verbergen und so schnell wie m#246;glich aussteigen. Ich sehe keine andere M#246;glichkeit – und doch muss es eine gegeben haben…»

Miss Marple hing ihren Gedanken nach.

Mrs. McGillicuddy musste sie zweimal ansprechen, bevor sie reagierte.

«Du wirst langsam taub, Jane.»

«Ein bisschen, kann sein. Die Menschen artikulieren ihre Worte nicht mehr so deutlich wie fr#252;her. Aber ich habe dich nicht #252;berh#246;rt, sondern nur nicht zugeh#246;rt, f#252;rchte ich.»

«Ich wollte nur wissen, welche Zugverbindungen es morgen nach London gibt. W#228;re dir der Nachmittag recht? Ich m#246;chte zu Margaret, und sie erwartet mich erst zum Tee.»

«Elspeth, w#252;rde es dir wohl etwas ausmachen, mit dem Zug um 12.15 zu fahren? Wir k#246;nnten etwas fr#252;her zu Mittag essen.»

«Nat#252;rlich, und –» Aber Miss Marple lie#223; ihre Freundin nicht zu Wort kommen:

«Und ob es Margaret wohl etwas ausmachen w#252;rde, wenn du nicht zum Tee k#228;mest – sondern erst gegen sieben?»

Mrs. McGillicuddy sah ihre Freundin neugierig an.

«Was hast du vor, Jane?»

«Ich schlage vor, Elspeth, dass wir gemeinsam nach London reisen und dann in dem Zug, mit dem du neulich hergekommen bist, bis nach Brackhampton fahren. Du kannst dann aus Brackhampton nach London zur#252;ckfahren, und ich w#252;rde genau wie du neulich hierher zur#252;ckkehren. Die Fahrkarten gehen selbstverst#228;ndlich auf meine Kosten», betonte sie unmissverst#228;ndlich.

Mrs. McGillicuddy #252;berh#246;rte die finanzielle Seite.

«Um Himmels willen, was erwartest du denn, Jane?», fragte sie. «Doch nicht etwa noch einen Mord?»

«Nat#252;rlich nicht», sagte Miss Marple schockiert. «Aber ich muss gestehen, ich w#252;rde mir unter deiner F#252;hrung gern den – das – das richtige Wort ist in diesem Fall gar nicht so einfach – das Terrain des Verbrechens ansehen.»

Und so kam es, dass der 16.50 aus Paddington am Tag darauf mit Miss Marple und Mrs. McGillicuddy abfuhr, die sich auf zwei Eckpl#228;tzen erster Klasse gegen#252;bersa#223;en. Paddington war noch voller gewesen als am vergangenen Freitag – bis Weihnachten waren es ja jetzt auch nur noch zwei Tage –, aber im Zug war es vergleichsweise friedlich, zumindest in den hinteren Wagen.

Diesmal holten sie keinen anderen Zug ein und wurden auch ihrerseits nicht eingeholt. Ab und zu sauste ein Zug Richtung London an ihnen vorbei. Zweimal sausten Z#252;ge mit hoher Geschwindigkeit in die andere Richtung an ihnen vorbei. Ab und zu sah Mrs. McGillicuddy unsicher auf die Uhr.

«Schwer zu sagen, wann – wir waren gerade durch einen Bahnhof gekommen, das wei#223; ich noch…» Aber sie durchquerten immerzu Bahnh#246;fe.

«In f#252;nf Minuten m#252;ssten wir in Brackhampton ankommen», sagte Miss Marple.

In der T#252;r erschien ein Schaffner. Miss Marple sah ihre Freundin fragend an. Mrs. McGillicuddy sch#252;ttelte den Kopf. Es war ein anderer Schaffner. Er knipste ihre Fahrkarten, ging weiter und schwankte etwas, als sich der Zug in eine lang gezogene Kurve legte, wobei er an Geschwindigkeit verlor.

«Wir erreichen anscheinend Brackhampton», sagte Mrs. McGillicuddy.

«Ja, das ist wohl der Stadtrand», sagte Miss Marple.

Drau#223;en glitten Lichter vorbei, Geb#228;ude, und hin und wieder konnte man einen Blick auf Stra#223;en und Stra#223;enbahnen erhaschen. Sie wurden noch langsamer und fuhren #252;ber Weichen.

«Wir sind gleich da», sagte Mrs. McGillicuddy, «und ich finde nicht, dass diese Reise das Geringste gen#252;tzt hat. Oder ist dir etwas aufgefallen, Jane?»

«Leider nicht», sagte Miss Marple mit unsicherer Stimme.

«Eine traurige Geldverschwendung», sagte Mrs. McGillicuddy, wenn auch weniger missbilligend, als wenn sie ihre Fahrkarte aus eigener Tasche h#228;tte bezahlen m#252;ssen. In diesem Punkt war Miss Marple jedoch unnachgiebig geblieben.

«Nichtsdestoweniger sieht man doch gern mit eigenen Augen, wo etwas geschehen ist», sagte Miss Marple. «Dieser Zug hat ein paar Minuten Versp#228;tung. War deiner am Freitag p#252;nktlich?»

«Ich glaube ja. Ich habe nicht weiter darauf geachtet.»

Der Zug fuhr langsam in den belebten Bahnhof von Brackhampton ein. Der Lautsprecher erwachte heiser zum Leben, T#252;ren gingen auf und zu, Menschen stiegen ein und aus und wuselten #252;ber den Bahnsteig. Es war ein einziges gro#223;es Gewimmel.

«Kein Problem f#252;r einen M#246;rder», dachte Miss Marple, «hier im Gedr#228;nge zu verschwinden, den Bahnhof mitten in diesem Menschenauflauf zu verlassen oder sich sogar ein anderes Abteil zu suchen und mit demselben Zug bis an sein eigentliches Ziel zu fahren. Einfach ein Reisender unter anderen. Aber eine Leiche kann sich nicht in Luft aufl#246;sen. Die Leiche muss irgendwo sein.»

Mrs. McGillicuddy war ausgestiegen und sprach jetzt vom Bahnsteig aus durchs offene Fenster.

«Pass auf dich auf, Jane», sagte sie. «Hol dir blo#223; keine Erk#228;ltung. Das Wetter ist in dieser Jahreszeit t#252;ckisch, und du bist nicht mehr die J#252;ngste.»

«Ich wei#223;», sagte Miss Marple.

«Wir sollten uns wegen der Geschichte keine grauen Haare wachsen lassen. Wir haben getan, was wir konnten.»

Miss Marple nickte und sagte:

«Bleib nicht in der K#228;lte stehen, Elspeth. Sonst holst du dir die Erk#228;ltung. Trink lieber im Bahnhofsrestaurant einen sch#246;nen hei#223;en Tee. Du hast noch Zeit, dein Zug nach London zur#252;ck f#228;hrt erst in zw#246;lf Minuten.»

«Das ist eine gute Idee. Auf Wiedersehen, Jane.»

«Auf Wiedersehen, Elspeth. Ich w#252;nsche dir ein fr#246;hliches Weihnachtsfest. Hoffentlich ist Margaret wohlauf. Viel Spa#223; auf Ceylon; gr#252;#223; den lieben Roderick von mir – falls er sich #252;berhaupt an mich erinnern kann, was ich bezweifeln m#246;chte.»

«Nat#252;rlich erinnert er sich an dich – sehr gut sogar. Du musst ihm mal in der Schule geholfen haben – hatte das nicht irgendwie mit Geld zu tun, das aus einem Schlie#223;fach verschwunden war? Das hat er jedenfalls nicht vergessen.»

«Ach, das!», sagte Miss Marple.

Mrs. McGillicuddy wandte sich ab, ein Pfiff ert#246;nte, und der Zug setzte sich in Bewegung. Miss Marple sah zu, wie der st#228;mmige, gedrungene K#246;rper ihrer Freundin in der Ferne verschwand. Elspeth konnte guten Gewissens nach Ceylon reisen – sie hatte getan, was zu tun war, und war aller Verantwortung ledig.

Miss Marple lehnte sich nicht zur#252;ck, als der Zug Fahrt aufnahm. Sie blieb aufrecht sitzen und dachte angestrengt nach. Sie mochte beim Sprechen wirr und weitschweifig klingen, aber ihr Verstand arbeitete messerscharf. Sie musste ein Problem l#246;sen, das Problem ihres weiteren Vorgehens; und komischerweise appellierte dieses Problem an ihr Pflichtgef#252;hl wie zuvor an das von Mrs. McGillicuddy.

Mrs. McGillicuddy hatte gesagt, sie beide h#228;tten getan, was sie konnten. Auf Mrs. McGillicuddy mochte das zutreffen, aber bei sich selbst war Miss Marple nicht so sicher.

Manchmal musste man seine besonderen Gaben zum Einsatz bringen… Aber das war vielleicht #252;berheblich… Was konnte sie schlie#223;lich noch machen? Die Worte ihrer Freundin fielen ihr wieder ein: Du bist nicht mehr die J#252;ngste.

Sachlich wie ein General, der einen Feldzug plant, oder wie ein Wirtschaftspr#252;fer, der die B#252;cher einer Firma durchgeht, wog Miss Marple F#252;r und Wider ihres weiteren Vorgehens ab. Auf der Habenseite fand sich schlie#223;lich folgendes:

1.   Meine lange Lebenserfahrung und Menschenkenntnis.

2.   Sir Henry Clithering und sein Patensohn (heute bei Scotland Yard, glaube ich), der bei dem Fall in Little Paddocks so entgegenkommend war.

3.   David, der zweite Sohn meines Neffen Raymond, der meines Wissens f#252;r British Railways arbeitet.

4.   Griseldas Sohn Leonard, der in Sachen Landkarten so bewandert ist.

Miss Marple pr#252;fte diese Aktivposten und billigte sie. Sie alle waren n#246;tig, um die Posten der Sollseite auszugleichen – vor allen Dingen ihre k#246;rperliche Hinf#228;lligkeit.

«Es ist ja nicht so», dachte Miss Marple, «als k#246;nnte ich nach Lust und Laune umherstreifen, Erkundigungen einziehen und Dingen auf den Grund gehen.»

Ja, Alter und k#246;rperliche Schw#228;che waren ihre gr#246;#223;ten Hemmschuhe. F#252;r ihr Alter mochte ihre Gesundheit zwar ausgezeichnet sein, trotzdem war sie alt. Und wenn Dr. Haydock ihr schon die Gartenarbeit strikt untersagt hatte, w#252;rde er es kaum guthei#223;en, wenn sie sich vornahm, einen M#246;rder aufzusp#252;ren. Denn das hatte sie letztlich vor – und genau das war der wunde Punkt: W#228;hrend ihr die Aufkl#228;rung von Mordf#228;llen bisher gewisserma#223;en in den Scho#223; gefallen war, w#252;rde sie diesmal ganz bewusst die Initiative ergreifen. Und sie war nicht sicher, ob sie das wollte… Sie war alt – alt und m#252;de. Im Moment, am Ende eines anstrengenden Tages war ihr der Gedanke zuwider, #252;berhaupt ein Projekt in Angriff zu nehmen. Sie wollte blo#223; noch nach Hause fahren, sich mit einem leckeren Abendessen auf dem Tablett vor den Kamin setzen, ins Bett gehen, am Tag darauf im Garten werkeln und hier und da ein wenig herumschnippeln, einfach in aller Ruhe Ordnung schaffen, ohne sich zu b#252;cken und ohne sich zu #252;beranstrengen…

«Ich bin zu alt f#252;r solche Abenteuer», sagte sich Miss Marple, schaute gedankenverloren aus dem Fenster und betrachtete die geschwungene Linie eines Bahndamms…

Eine Kurve…

Eine schwache Erinnerung ging ihr durch den Kopf… kurz nachdem der Schaffner ihre Fahrkarten geknipst hatte…

Es war m#246;glich. Nur m#246;glich. Aber es erlaubte eine ganz neue Sicht der Dinge…

Miss Marples Wangen r#246;teten sich. Pl#246;tzlich fiel alle M#252;digkeit von ihr ab.

Gleich morgen fr#252;h schreibe ich an David, beschloss sie. Im selben Moment fiel ihr ein weiterer wertvoller Aktivposten ein.

«Nat#252;rlich. Meine treue Florence!»


II

Miss Marple machte sich methodisch an die Vorbereitung ihres Feldzuges und stellte die Weihnachtszeit in Rechnung, die definitiv ein Verz#246;gerungsfaktor war.

Sie schrieb ihrem Gro#223;neffen David West und kombinierte die weihnachtlichen Gl#252;ckw#252;nsche mit einer dringenden Bitte um Informationen.

Gl#252;cklicherweise wurde sie wie schon in fr#252;heren Jahren zum Weihnachtsessen ins Pfarrhaus eingeladen und konnte dort den jungen Leonard, der #252;ber die Feiertage seine Eltern besuchte, nach Landkarten ausfragen.

Leonards Leidenschaft waren Karten aller Art. Warum die alte Dame sich nach der Karte einer ganz bestimmten Gegend im Gro#223;ma#223;stab erkundigte, k#252;mmerte ihn nicht weiter. Er lie#223; sich gern des Langen und Breiten #252;ber Landkarten aus und schrieb ihr genau auf, was f#252;r ihre Zwecke am besten geeignet sei. Aber das war noch nicht alles. Er stellte fest, dass sich genau diese Karte in seiner Sammlung befand, und lieh sie ihr. Miss Marple versprach, sie sehr sorgf#228;ltig zu behandeln und so schnell wie m#246;glich zur#252;ckzugeben.


III

«Karten», sagte Leonards Mutter Griselda, die zwar einen nahezu erwachsenen Sohn hatte, aber immer noch zu jung und bl#252;hend f#252;r das bauf#228;llige alte Pfarrhaus aussah. «Was will sie denn mit Karten? Ich meine, wof#252;r braucht sie die?»

«Das wei#223; ich nicht», sagte der junge Leonard, «ich glaube, das hat sie gar nicht genau gesagt.»

«Da fragt man sich doch…», meinte Griselda. «Es kommt mir verd#228;chtig vor… In ihrem Alter sollte die gute Seele derlei Dinge langsam lassen.»

Leonard fragte, was f#252;r Dinge, und Griselda meinte ausweichend:

«Ach, ihre Nase #252;berall reinstecken. Warum Karten, frage ich mich.»

Schon bald darauf erhielt Miss Marple einen Brief ihres Gro#223;neffen David West. Er schrieb sehr herzlich:


Liebe Tante Jane,

was f#252;hrst du diesmal im Schilde? Hier hast du die erbetenen Angaben. Nur zwei Z#252;ge kommen #252;berhaupt in Frage – der um 16.33 und der um 17.00. Der erste ist ein Bummelzug und h#228;lt in Haling Broadway, Barwell Heath, Brackhampton und Market Basing. Der 17.00 ist der Wales-Express nach Cardiff, Newport und Swansea. Der erste k#246;nnte unterwegs von dem 16.50 #252;berholt werden, kommt jedoch laut Fahrplan f#252;nf Minuten fr#252;her in Brackhampton an. Der zweite #252;berholt den 16.50 kurz vor Brackhampton.

Darf ich hinter deiner Anfrage einen saftigen Dorfskandal wittern? Warst du zum Einkaufsbummel in London und hast auf der R#252;ckfahrt gesehen, wie sich die Frau des B#252;rgermeisters in einem vorbeifahrenden Zug dem Amtsarzt in die Arme warf? Aber warum spielt es dann eine Rolle, welcher Zug es war? Vielleicht ein Wochenende in Porthcawl? Vielen Dank f#252;r den Pullover. Genau so einen hatte ich mir gew#252;nscht. Was macht dein Garten? Liegt momentan im Winterschlaf, k#246;nnte ich mir denken.

Liebe Gr#252;#223;e,

David


Miss Marple l#228;chelte und befasste sich dann mit den erhaltenen Informationen. Mrs. McGillicuddy war sicher gewesen, dass es kein D-Zug-Wagen gewesen war. Also kam der Swansea-Express nicht in Frage. Alles wies auf den 16.33 hin.

Weitere Reisen waren wohl kaum zu vermeiden. Miss Marple machte sich seufzend ans Werk.

Sie fuhr wie gehabt mit dem 12.15 nach London, kehrte diesmal jedoch nicht mit dem 16.50 zur#252;ck, sondern nahm den 16.33 bis Brackhampton. Die Fahrt verlief ohne Zwischenf#228;lle, aber sie merkte sich bestimmte Einzelheiten. Der Zug war nur halb voll – der 16.33 fuhr vor dem abendlichen Sto#223;verkehr ab. Nur in einem Erste-Klasse-Abteil sa#223; ein Reisender – ein uralter Gentleman, der den New Statesman las. Miss Marple hatte ihr Abteil f#252;r sich und lehnte sich an den Bahnh#246;fen Haling Broadway und Barwell Heath aus dem Fenster, um sich die ein- und aussteigenden Reisenden anzusehen. In Haling Broadway stieg eine kleine Gruppe in die dritte Klasse ein. In Barwell Heath stiegen mehrere Reisende aus der dritten Klasse aus. In der ersten Klasse blieb alles, wie es war, bis auf den alten Gentleman, der mit dem New Statesman unter dem Arm ausstieg.

Als sich der Zug kurz vor Brackhampton in eine weit geschwungene Kurve legte, stand Miss Marple auf und stellte sich versuchsweise mit dem R#252;cken zum Fenster, vor dem sie das Rouleau herabgezogen hatte.

Ja, stellte sie fest, die pl#246;tzliche Neigung in der Kurve und die Verlangsamung konnten einen aus dem Gleichgewicht bringen, und wenn man das Fenster streifte, konnte das Rouleau leicht hochschnellen. Sie sp#228;hte in die Nacht hinaus. Es war heller als am Abend von Mrs. McGillicuddys Reise – es d#228;mmerte erst, aber es gab sowieso nicht viel zu sehen. Wenn sie die Gegend studieren wollte, musste sie tags#252;ber reisen.

Am Tag darauf nahm sie den Zug am fr#252;hen Morgen, erstand vier leinene Kissenbez#252;ge (wobei sie ob der Preise den Kopf sch#252;ttelte), um die Ermittlung mit n#252;tzlichen Anschaffungen f#252;r den Haushalt zu verbinden, und kehrte mit einem Zug zur#252;ck, der um 12.15 in Paddington abfuhr. Wieder sa#223; sie allein in ihrem Erste-Klasse-Abteil. «Es muss an den Steuern liegen», dachte Miss Marple, «au#223;er Gesch#228;ftsleuten im Berufsverkehr kann sich niemand mehr die erste Klasse leisten. Wahrscheinlich k#246;nnen sie es als Spesen abrechnen.»

Eine Viertelstunde vor der fahrplanm#228;#223;igen Ankunft des Zuges in Brackhampton faltete Miss Marple die Karte auseinander, die Leonard ihr zur Verf#252;gung gestellt hatte, und musterte die Landschaft. Sie hatte die Karte schon zu Hause sorgf#228;ltig studiert, und nachdem sie bei der Durchfahrt den Namen eines Bahnhofs entziffert hatte, fand sie sich auf der Karte genau in dem Moment zurecht, als der Zug vor einer Kurve verlangsamte. Es war eine weit geschwungene Kurve. Miss Marple dr#252;ckte sich die Nase an der Fensterscheibe platt und fasste das Gel#228;nde unter sich ins Auge (der Zug befand sich auf einem ziemlich hohen Bahndamm). Sie sah zwischen der Landschaft drau#223;en und der Landkarte drinnen hin und her, bis der Zug schlie#223;lich in Brackhampton einfuhr.

Am Abend dieses Tages schrieb sie einen Brief an Miss Florence Hill, 4 Madison Road, Brackhampton, und warf ihn ein… Am n#228;chsten Vormittag ging sie in die Grafschaftsb#252;cherei und stellte Nachforschungen im Telefonbuch von Brackhampton sowie in einem Ortslexikon und einer Geschichte der Grafschaft an.

Bisher war ihre noch sehr unausgereifte Hypothese unangefochten geblieben. Ihre Idee war denkbar. Weiter wollte sie einstweilen nicht gehen.

Aber der n#228;chste Schritt brachte Arbeit mit sich – viel Arbeit sogar – Arbeit, der sie k#246;rperlich nicht gewachsen war. Wenn sie ihre Hypothese belegen oder widerlegen wollte, brauchte sie Hilfe von au#223;en. Blo#223; – von wem? Miss Marple ging verschiedene Namen und M#246;glichkeiten durch, verwarf sie jedoch alle mit #228;rgerlichem Kopfsch#252;tteln. Die Menschen, auf deren Intelligenz sie sich verlassen konnte, hatten alle viel zu viel zu tun. Nicht nur hatten sie alle Berufe unterschiedlicher Bedeutung, ihre Freizeit wurde meist auch lange im Voraus verplant. Und die Unintelligenten, die genug Zeit mitbrachten, waren einfach keine Hilfe, fand Miss Marple.

Sie zermarterte sich zunehmend das Hirn.

Pl#246;tzlich gl#228;ttete sich ihre Stirn, und sie rief laut:

«Nat#252;rlich! Lucy Eyelesbarrow!»