"16 Uhr 50 ab Paddington" - читать интересную книгу автора (Кристи Агата)F#252;nftes Kapitel«Haben Sie etwas dagegen, wenn ich im Park meinen Golfschwung #252;be?», fragte Lucy. «Aber nat#252;rlich nicht. Spielen Sie gern Golf?» «Ich spiele nicht besonders gut, aber ich bleibe gern in #220;bung. Es ist eine angenehmere Bewegungsform als das blo#223;e Spazierengehen.» «Au#223;erhalb unseres Anwesens kann man nirgends spazieren gehen», knurrte Mr. Crackenthorpe. «Nur Gehwege und erb#228;rmliche kleine Hutschachteln von H#228;usern. Alle wollen blo#223; mein Land in die Finger kriegen und noch mehr H#228;user draufstellen. Aber nur #252;ber meine Leiche. Und ich werde nicht so bald sterben, blo#223; um irgendwem einen Gefallen zu tun. Das kann ich Ihnen sagen! Ich tue Emma Crackenthorpe legte sich ins Mittel: «Nun lass doch, Vater.» «Ich «Jeder bekommt mal eine Magenverstimmung, Vater.» «Schon gut, schon gut, sag doch ruhig, dass ich zu viel gegessen hatte! Darauf willst du doch hinaus. Und «Sie war nicht verschwendet, Mr. Crackenthorpe. Ich wollte sie heute Abend f#252;r eine spanische Omelette verwenden.» «Pfui Deibel!» Als Lucy mit dem Kaffeetablett das Zimmer verlie#223;, h#246;rte sie ihn noch sagen: «Patente junge Frau, das, nie um eine Antwort verlegen. Kocht gut – und h#252;bsch ist das M#228;dchen auch.» Lucy Eyelesbarrow nahm ein leichtes Eisen aus dem Golfschl#228;gersatz, den sie in weiser Voraussicht mitgebracht hatte, ging in den Park hinaus und schwang sich #252;ber den Zaun. Sie schlug eine Reihe von B#228;llen. Nach etwa f#252;nf Minuten landete ein augenscheinlich angeschnittener Ball am Bahndamm. Lucy ging hinterher und suchte ihn. Sie sah zum Haus zur#252;ck. Es war weit weg, und niemanden k#252;mmerte ihr Tun. Sie suchte weiter ihren Golfball. Ab und zu schlug sie B#228;lle vom Bahndamm ins Gras hinunter. Im Lauf des Nachmittags suchte sie etwa ein Drittel des Bahndamms ab. Nichts. Sie spielte ihren Ball zum Haus zur#252;ck. Am Tag darauf fand sie etwas. Ein auf halber H#246;he des Bahndamms wachsender Dornbusch war abgeknickt. Einzelne Zweige lagen verstreut am Boden. Lucy untersuchte den Strauch. An einem Dorn hatte sich ein Pelzfetzen verfangen. Er hatte fast dieselbe Farbe wie das Holz, ein blasses Braun. Lucy begutachtete ihn kurz, dann holte sie eine Schere aus der Tasche und schnitt ihn vorsichtig durch. Die abgeschnittene H#228;lfte schob sie in einen Briefumschlag und steckte ihn in die Tasche. Dann stieg sie den steilen Hang hinab und hielt Ausschau nach weiteren Anhaltspunkten. Sorgf#228;ltig suchte sie die unebene Wiese ab. Sie glaubte, eine Art Trampelpfad auszumachen, der durch das hohe Gras f#252;hrte. Aber er war kaum zu erkennen – weit weniger deutlich als ihre eigenen Fu#223;spuren. Er musste schon vor einiger Zeit entstanden sein und war nur so schwach zu erkennen, dass sie ihn sich vielleicht blo#223; einbildete. Gewissenhaft pirschte sie direkt unterhalb des Dornbuschs durch das hohe Gras am Fu#223; des Bahndamms. Endlich hatte ihre Suche Erfolg. Sie fand eine Puderdose, ein kleines billiges Ding aus Email. Sie wickelte sie in ihr Taschentuch und steckte es in die Tasche. Sie suchte weiter, fand aber sonst nichts. Am folgenden Nachmittag stieg sie in ihren Wagen und besuchte ihre gebrechliche Tante. Emma Crackenthorpe sagte netterweise: «Lassen Sie sich ruhig Zeit. Bis zum Abendessen k#246;nnen wir Sie entbehren.» «Das ist sehr freundlich von Ihnen, aber um sechs bin ich sp#228;testens zur#252;ck.» Nr. 4 Madison Road war ein kleines graues Haus in einer kleinen grauen Stra#223;e. Es hatte blitzsaubere Vorh#228;nge aus Nottinghamer Spitze, eine gl#228;nzende wei#223;e Eingangsstufe und einen blank polierten T#252;rknauf aus Messing. Die T#252;r wurde von einer hoch gewachsenen, sauert#246;pfischen Frau ge#246;ffnet, die Schwarz trug und das Haar zu einem gro#223;en stahlgrauen Knoten geschlungen hatte. Sie be#228;ugte Lucy misstrauisch und absch#228;tzig, als sie sie zu Miss Marple f#252;hrte. Miss Marple bewohnte das Hinterzimmer mit Blick auf ein kleines, gepflegtes Gartenrechteck. Das Zimmer war penibel aufger#228;umt, mit Untersetzern und Zierdeckchen versehen, einer Unmenge von Chinoiserien, einem gro#223;en Lehnsessel aus der Zeit Jakobs I. und zwei Topffarnen. Miss Marple sa#223; in einem Ohrensessel am Kamin und h#228;kelte emsig. Lucy trat ein, zog die T#252;r zu und setzte sich Miss Marple gegen#252;ber in einen Sessel. «Tja», sagte sie. «Es sieht so aus, als h#228;tten Sie Recht gehabt.» Sie packte ihre Funde aus und schilderte, wie sie dazu gekommen war. Miss Marples Wangen r#246;teten sich vor Genugtuung. «Es mag ein unschickliches Gef#252;hl sein», sagte sie, «aber es ist erfreulich, eine Hypothese aufzustellen, die sich dann bewahrheitet!» Sie betastete das kleine Pelzb#252;schel. «Elspeth sagte, die Frau habe einen hellen Pelzmantel getragen. Ich nehme an, die Puderdose steckte in der Manteltasche und fiel heraus, als die Leiche die B#246;schung hinabrollte. Sie sieht unbedeutend aus, aber vielleicht hilft sie uns weiter. Sie haben nicht den ganzen Pelz mitgenommen?» «Nein, die H#228;lfte habe ich am Dornbusch gelassen.» Miss Marple nickte anerkennend. «Gut so. Sie sind sehr intelligent, Liebes. Die Polizei wird Ihre Angaben #252;berpr#252;fen wollen.» «Sie wollen zur Polizei – mit diesen Dingen?» «Also – noch nicht…» Miss Marple #252;berlegte: «Ich halte es f#252;r besser, wenn wir zuerst die Leiche finden. Glauben Sie nicht auch?» «Doch, aber ist das nicht ziemlich viel verlangt? Ich meine, angenommen, Ihre Annahme stimmt. Der M#246;rder hat die Leiche aus dem Zug gesto#223;en, ist in Brackhampton ausgestiegen und sp#228;ter – wahrscheinlich noch am selben Abend – vorbeigekommen, um die Leiche fortzuschaffen. Aber was ist danach geschehen? Er kann sie doch «Nicht «Nennen Sie mich doch Lucy. Warum nicht #252;berallhin?» «Weil es in dem Fall viel leichter gewesen w#228;re, das M#228;dchen an einem einsamen Fleckchen umzubringen und die Leiche dann in aller Ruhe wegzuschaffen. Sie haben nicht daran gedacht –» Lucy unterbrach. «Wollen Sie damit sagen – hei#223;t das – dieses Verbrechen wurde vors#228;tzlich begangen?» «Zun#228;chst hatte ich das ausgeschlossen», sagte Miss Marple. «Von so etwas geht man ja nicht direkt aus. Es sah wie ein Streit aus, bei dem der Mann die Nerven verliert, das M#228;dchen erdrosselt und pl#246;tzlich vor dem Problem steht, das Opfer wegbringen zu m#252;ssen, einem Problem, das er binnen weniger Minuten l#246;sen muss. Aber es w#228;re ein zu gro#223;er Zufall, wenn er das M#228;dchen in einer Gef#252;hlsaufwallung ermordet, aus dem Fenster gesehen und eine Kurve genau an der Stelle vorgefunden h#228;tte, wo er die Leiche hinausschubsen Sie schwieg. Lucy starrte sie an. «Wissen Sie», sagte Miss Marple nachdenklich, «ich glaube, wir haben es hier mit einem von langer Hand vorbereiteten Verbrechen zu tun – der T#228;ter muss ein ganz geriebener Bursche sein. Ein Zug hat so etwas Anonymes. H#228;tte er die Frau dort umgebracht, wo sie wohnte oder abgestiegen war, dann h#228;tte sein Kommen oder Gehen auffallen k#246;nnen. H#228;tte er sie aufs Land gefahren, dann h#228;tten der Wagen, sein Kennzeichen und Fabrikat auffallen k#246;nnen. Aber in einem Zug herrscht sowieso ein st#228;ndiges Kommen und Gehen von Fremden. Wenn er in einem Wagen ohne Gang mit ihr allein war, konnte er sie problemlos beseitigen – zumal er seinen n#228;chsten Schritt bereits genau kannte. Er wusste alles #252;ber Rutherford Hall – er «Genau das ist es», sagte Lucy. «Rutherford Hall ist ein Anachronismus. Das gesch#228;ftige Treiben der Stadt umsp#252;lt das Anwesen, #252;berflutet es aber nie. Morgens bringen die Lieferanten ihre Waren, das ist alles.» «Wir k#246;nnen also davon ausgehen, wie Sie eben sagten, dass der M#246;rder am Abend nach Rutherford Hall gekommen ist. Als der Leichnam hinabst#252;rzte, war es schon dunkel, und es war nicht anzunehmen, dass er vor Tagesanbruch entdeckt w#252;rde.» «Allerdings nicht.» «Wie kam der M#246;rder wohl hin? Im Auto? Auf welchem Weg?» Lucy #252;berlegte. «Es gibt einen Feldweg, der an einer Fabrikmauer entlangf#252;hrt. Wahrscheinlich ist er aus dieser Richtung gekommen, in die Unterf#252;hrung eingebogen und zur Lieferantenzufahrt weitergefahren. Dann konnte er #252;ber den Zaun steigen, unten am Bahndamm entlang bis zur Leiche gehen und sie zum Auto zur#252;cktragen.» «Und dann hat er sie an einen Ort gebracht, den er sich bereits ausgesucht hatte», spann Miss Marple den Gedanken weiter. «Das Ganze war wohl #252;berlegt. Und ich glaube, wie gesagt, nicht, dass er sie von Rutherford Hall entfernt hat, oder wenn, dann nicht sehr weit. Das Einfachste w#228;re doch wohl, sie irgendwo zu vergraben, oder?» Sie sah Lucy forschend an. «Ja, wahrscheinlich», sagte Lucy nachdenklich. «Aber das ist schwieriger, als es sich anh#246;rt.» Miss Marple pflichtete ihr bei. «Im Park konnte er sie nicht begraben. Zu viel Arbeit und zu auff#228;llig. Irgendwo, wo die Erde bereits aufgew#252;hlt war?» «Vielleicht im K#252;chengarten, aber der liegt ganz in der N#228;he vom Cottage des G#228;rtners. Er ist zwar alt und schwerh#246;rig – aber riskant w#228;re es trotzdem.» «Gibt es einen Hund?» «Nein.» «Dann vielleicht in einer Remise oder einem Nebengeb#228;ude?» «Das w#228;re einfacher und ginge schneller… Es gibt eine ganze Reihe nicht mehr benutzter alter Geb#228;ude; eingefallene Schweinest#228;lle, Sattelkammern, Werkst#228;tten, die nie betreten werden. Er k#246;nnte sie auch einfach in eine Rhododendrongruppe oder ein Geb#252;sch geworfen haben.» Miss Marple nickte. «Ja, das halte ich f#252;r Es klopfte an der T#252;r, und die sauert#246;pfische Florence kam mit einem Tablett herein. «Sch#246;n, dass Sie Besuch haben», sagte sie zu Miss Marple. «Ich habe Ihnen meine Biskuits gebacken, die Sie immer so gemocht haben.» «Florence backt einfach k#246;stliches Teegeb#228;ck», sagte Miss Marple. Florences zerknitterte Gesichtsz#252;ge verzogen sich unerwartet zu einem L#228;cheln, und sie verlie#223; hocherfreut das Zimmer. «Liebes», sagte Miss Marple, «ich schlage vor, dass wir uns beim Tee nicht weiter #252;ber Mord unterhalten. Das ist doch ein arg unerfreuliches Thema.» Nach dem Tee erhob sich Lucy. «Ich muss zur#252;ck», sagte sie. «Wie ich Ihnen bereits sagte, lebt gegenw#228;rtig niemand in Rutherford Hall, der als M#246;rder in Betracht k#228;me. Es gibt nur einen alten Mann, eine Frau mittleren Alters und den tauben alten G#228;rtner.» «Ich habe auch nicht gesagt, dass er dort «Sie scheinen ganz selbstverst#228;ndlich davon auszugehen, «Ich bin #252;berzeugt, dass Sie Erfolg haben werden, meine liebe Lucy. Sie sind so ein t#252;chtiger Mensch.» «Das mag wohl sein, aber mit der Leichensuche habe ich keine Erfahrung.» «Ich bin sicher, dass man daf#252;r nur etwas gesunden Menschenverstand braucht», sagte Miss Marple aufmunternd. Lucy sah sie an und lachte. Miss Marple l#228;chelte zur#252;ck. Am n#228;chsten Nachmittag machte sich Lucy systematisch ans Werk. Sie durchst#246;berte Nebengeb#228;ude, stocherte in den Wildrosen, die an den alten Schweinest#228;llen emporrankten, und sp#228;hte gerade in den Kesselraum unter dem Gew#228;chshaus, als sich hinter ihr jemand r#228;usperte. Sie fuhr herum und fand sich Hillman gegen#252;ber, dem alten G#228;rtner, der sie missbilligend ansah. «Passen Sie blo#223; auf, dass Sie nicht hinfallen und sich was brechen, Miss», warnte er sie. «Der Treppe da ist nicht zu trauen, und wo Sie da eben auf dem Heuboden waren, ist der Boden auch nicht sicher.» Lucy war bem#252;ht, sich ihre Verlegenheit nicht anmerken zu lassen. «Sie m#252;ssen mich f#252;r sehr neugierig halten», sagte sie munter, «dabei habe ich mich nur gefragt, ob man hieraus nicht mehr machen k#246;nnte – Pilze f#252;r den Markt anbauen oder #196;hnliches. Man hat das alles so schrecklich verkommen lassen.» «Das liegt am alten Herrn. R#252;ckt keinen Penny raus. Ich br#228;uchte hier mindestens zwei G#228;rtner und einen Gehilfen, um alles instand zu halten, aber davon will er nichts h#246;ren. Hab schon ewig gebraucht, bis er endlich einen elektrischen Rasenm#228;her angeschafft hat. Er wollte allen Ernstes, dass ich den ganzen Rasen vor dem Haus von Hand m#228;he.» «Aber w#252;rden sich Reparaturen nicht auszahlen?» «Hier zahlt sich nichts mehr aus – das Anwesen ist viel zu verfallen. Und ihn schert das auch nicht. Er wei#223; genau, was hier passieren wird, wenn er mal nicht mehr ist – die jungen Herren werden in Windeseile verkaufen. Warten blo#223; darauf, dass er ins Gras bei#223;t. Die kriegen nach seinem Tod ein h#252;bsches S#252;mmchen, hab ich mir sagen lassen.» «Dann ist er also ein reicher Mann?», fragte Lucy. Lucy mimte h#246;fliches Interesse und verarbeitete diese Neuigkeiten. Der alte Mann lehnte sich an eine Mauer und machte sich an die Fortsetzung seines Familienepos. F#252;r das Reden hatte er mehr #252;brig als f#252;r das Arbeiten. «Ist vor dem Krieg gestorben, der alte Herr. War f#252;rchterlich j#228;hzornig. War nicht ratsam, sich mit ihm anzulegen, das lie#223; er sich nicht bieten.» «Und nach dem Krieg ist dann der heutige Mr. Crackenthorpe hierher gezogen, ja?» «Mit seiner Familie, ja. Die Kinder waren da ja schon fast gro#223;.» «Aber wie… oh, jetzt verstehe ich, Sie meinen den Ersten Weltkrieg.» «Nein, den meine ich nicht. Er ist 1928 gestorben, so wahr ich hier stehe.» Lucy sah ein, dass 1928 in der Tat «vor dem Krieg» war, auch wenn sie es nicht so ausgedr#252;ckt h#228;tte. Sie sagte: «Tja, ich nehme an, Sie wollen sich wieder an Ihre Arbeit machen. Ich sollte Sie nicht l#228;nger aufhalten.» «Ach», sagte der alte Hillman lustlos, «so sp#228;t am Tag kann man nicht mehr viel machen. Das Licht ist zu schlecht.» Auf dem R#252;ckweg ins Haus blieb Lucy noch einmal stehen und untersuchte ein viel versprechendes Geb#252;sch aus jungen Birken und Azaleen. In der Halle stie#223; sie auf Emma Crackenthorpe, die einen Brief las. Die Nachmittagspost war soeben eingetroffen. «Mein Neffe kommt morgen her – mit einem Klassenkameraden. Alexanders Zimmer ist das #252;ber der Veranda. Das daneben k#246;nnen wir James Stoddart-West anbieten. Beide k#246;nnen das Badezimmer gegen#252;ber benutzen.» «Sehr wohl, Miss Crackenthorpe. Ich werde die Zimmer herrichten.» «Sie kommen morgen Vormittag.» Sie z#246;gerte. «Ich nehme an, sie bringen einen B#228;renhunger mit.» «Das m#246;chte ich meinen», sagte Lucy. «Was halten Sie von Roastbeef? Und vielleicht Sirupkuchen?» «Alexander ist ganz versessen auf Sirupkuchen.» Die Jungen trafen p#252;nktlich ein. Beide hatten gepflegte Haare, verd#228;chtig engelhafte Gesichter und ausgezeichnete Manieren. Alexander Eastley hatte blonde Haare und blaue Augen, Stoddart-West war dunkel und trug eine Brille. Beim Mittagessen er#246;rterten sie gravit#228;tisch Ereignisse aus der Welt des Sports und bezogen gelegentlich die neuesten Zukunftsromane ins Gespr#228;ch ein. Sie klangen wie alte Professoren bei einer Diskussion #252;ber pr#228;historische Faustkeile. Im Vergleich zu ihnen kam sich Lucy richtig jung vor. Das Lendenfilet verschwand im Handumdrehen, und der Sirupkuchen wurde bis zum letzten Kr#252;mel aufgegessen. Mr. Crackenthorpe grummelte: «Ihr beiden esst mir noch die Haare vom Kopf.» Alexander warf ihm aus seinen blauen Augen einen tadelnden Blick zu. «Wir k#246;nnen uns von K#228;se und Brot ern#228;hren, wenn du dir Fleisch nicht leisten kannst, Gro#223;vater.» «Leisten? Ich kann es mir leisten. Ich mag nur keine Verschwendung.» «Wir haben nichts verschwendet, Sir», sagte Stoddart-West mit einem Blick auf seinen Teller, der diese Aussage deutlich best#228;tigte. «Ihr Jungen esst doppelt so viel wie ich.» «Wir sind in der Wachstumsphase», erkl#228;rte Alexander. «Unsere K#246;rper brauchen sehr viele Proteine.» Der alte Mann knurrte. Als sich die beiden Jungen von der Tafel erhoben, h#246;rte Lucy, wie Alexander seinem Freund entschuldigend zuraunte: «Beachte meinen Gro#223;vater lieber gar nicht. Er macht eine Di#228;t oder so, und deswegen reagiert er manchmal etwas seltsam. Und er ist f#252;rchterlich geizig. Ich glaube, das muss eine Art Komplex sein.» Stoddart-West sagte verst#228;ndnisvoll: «Ich hatte eine Tante, die immer glaubte, sie w#252;rde bankrott gehen, dabei hatte sie Geld wie Heu. Krankhaft, hat der Arzt gesagt. Hast du den Fu#223;ball mitgenommen, Alex?» Nachdem Lucy das Mittagsgeschirr abger#228;umt und gesp#252;lt hatte, ging sie nach drau#223;en. In der Ferne h#246;rte sie die Rufe der Jungen auf dem Rasen. Sie ging in die entgegengesetzte Richtung, die Auffahrt hinunter, und schlug sich dann in ein Rhododendrongeb#252;sch. Sie suchte sorgf#228;ltig, bog die Bl#228;tter beiseite und sp#228;hte ins Dunkel. Sie ging systematisch von Busch zu Busch und harkte mit einem Golfschl#228;ger in ihnen herum, als Alexander Eastleys Stimme sie pl#246;tzlich auffahren lie#223;. «Suchen Sie etwas Bestimmtes, Miss Eyelesbarrow?» «Einen Golfball», sagte Lucy geistesgegenw#228;rtig. «Mehrere Golfb#228;lle, um genau zu sein. Ich habe ein paar Nachmittage lang meinen Golfschwung ge#252;bt und dabei etliche B#228;lle verloren. Heute habe ich mir gesagt, dass ich sie endlich mal suchen muss.» «Wir suchen mit», sagte Alexander hilfsbereit. «Das ist sehr lieb von dir, aber ich dachte, ihr spielt Fu#223;ball.» «Man kann nicht immerzu herumbolzen», erkl#228;rte Stoddart-West. «Davon wird einem zu hei#223;. Spielen Sie viel Golf?» «Ich spiele sehr gern, aber ich habe nicht oft die Gelegenheit.» «Das kann ich mir denken. Sie sind hier die K#246;chin, nicht wahr?» «Ja.» «Haben Sie heute das Mittagessen gekocht?» «Ja. Hat es euch geschmeckt?» «Das war astrein», sagte Alexander. «In der Penne bekommen wir nur gr#228;ssliches Fleisch, v#246;llig z#228;h. Ich mag Rindfleisch, das innen noch rosa und saftig ist. Auch der Sirupkuchen war einfach prima.» «Ihr solltet mir eure Leibgerichte verraten.» «K#246;nnen wir mal Apfelbaisers haben? Die esse ich am allerliebsten.» «Nat#252;rlich.» Alexander seufzte gl#252;cklich. «Unter der Treppe liegt ein Uhrengolfspiel», sagte er. «Das k#246;nnten wir hier auf dem Rasen aufbauen und etwas putten. Was meinst du, Stodders?» «Pfundig!», sagte Stoddart-West. «Er ist kein echter Australier», erkl#228;rte Alexander h#246;flich. «Aber er #252;bt ihre Redeweise, falls seine Familie ihn n#228;chstes Jahr zum Vergleichsspiel im Cricket mitnimmt.» Lucy fand, Uhrengolf sei eine gute Idee, und die beiden zogen los, um das Spiel zu holen. Als Lucy sp#228;ter zum Haus zur#252;ckkam, bauten sie es auf dem Rasen auf und debattierten, welche Nummer wo hingeh#246;rte. «Wir haben keine Lust, es wie ein Zifferblatt aufzubauen», sagte Stoddart-West. «Das ist doch Kinderkram. Wir wollen eine Bahn haben. F#252;r lange und kurze Schl#228;ge. Schade, dass die Zahlen so verrostet sind. Man kann sie kaum erkennen.» «Sie m#252;ssten wei#223; gestrichen werden», sagte Lucy. «Besorgt euch doch morgen etwas Farbe und malt sie an.» «Prima Idee.» Alexanders Miene hellte sich auf. «Mensch, ich glaube, in der Gro#223;en Scheune stehen noch ein paar alte Farbt#246;pfe – die haben die Maler in den letzten Ferien dagelassen. Wollen wir mal nachschauen?» «Was ist die Gro#223;e Scheune?», fragte Lucy. Alexander deutete auf einen lang gestreckten Steinbau, der in einiger Entfernung vom Haupthaus nahe der Lieferantenzufahrt lag. «Das ist ziemlich alt», sagte er. «Gro#223;vater nennt es einen Silo und behauptet, er stamme noch aus elisabethanischer Zeit, aber damit gibt er blo#223; an. Das war eine Scheune von dem Bauernhof, der hier mal gestanden hat. Den hat mein Urgro#223;vater abgerissen und daf#252;r dieses scheu#223;liche Haus gebaut.» Nach einer Pause fuhr er fort: «Das meiste von Gro#223;vaters Sammlung steht in der Scheune. Der ganze Kram, den er als junger Mann nach Hause geschickt hat. Auch davon ist das meiste ziemlich scheu#223;lich. Heute wird die Gro#223;e Scheune eigentlich nur noch f#252;r Whistturniere und so benutzt. Veranstaltungen vom Women’s Institute. Und Basare der Konservativen. Schauen Sie sie sich doch mal an.» Lucy kam gerne mit. Die Scheune hatte eine wuchtige n#228;gelbeschlagene Eichent#252;r. Alexander nahm einen Schl#252;ssel von einem Nagel, der rechts neben der T#252;r unter Efeu verborgen war. Er drehte ihn im Schloss herum, stie#223; die T#252;r auf, und sie betraten die Scheune. Auf den ersten Blick f#252;hlte sich Lucy wie in einem umwerfend schlechten Museum. Die Marmorh#228;upter zweier r#246;mischer Imperatoren funkelten sie aus Glotzaugen an, es gab einen gro#223;en Sarkophag aus einer gr#228;koromanischen Verfallsepoche, und eine geziert l#228;chelnde Venus stand auf einem Piedestal und raffte ihre Gew#228;nder. Neben diesen Kunstwerken standen ein paar Tapeziertische, #252;bereinander gestapelte St#252;hle und allerlei Ger#252;mpel: ein rostiger Handm#228;her, zwei Eimer, mottenzerfressene Autositze und ein gr#252;ner Gartenstuhl aus Eisen, dem ein Bein fehlte. «Ich glaube, die Farbe habe ich dort dr#252;ben gesehen», sagte Alexander vage. Er ging in eine Ecke und zog einen verrotteten Vorhang beiseite. Sie fanden ein paar Farbt#246;pfe und Pinsel, die letzteren trocken und hart. «Dann braucht ihr noch Terpentin», sagte Lucy. Terpentin war jedoch nicht zu finden. Die Jungen schlugen vor, mit dem Fahrrad welches zu besorgen, und Lucy best#228;rkte sie darin. Sie sagte sich, dass das Streichen der Uhrengolfzahlen die beiden eine Weile besch#228;ftigt halten w#252;rde. Die Jungen gingen, und sie blieb allein in der Scheune zur#252;ck. «Hier m#252;sste dringend mal aufger#228;umt werden», hatte sie gemurmelt. «Das w#252;rde ich mir sparen», riet Alexander ihr. «Hier wird sauber gemacht, wenn die Scheune f#252;r Veranstaltungen gebraucht wird, aber das ist in dieser Jahreszeit praktisch nie der Fall.» «Soll ich den Schl#252;ssel dann wieder an den Nagel h#228;ngen? Wird er immer dort aufbewahrt?» «Ja. Hier gibt es nichts zu stibitzen, wie Sie sehen. Diese scheu#223;lichen Marmordinger will niemand haben, und au#223;erdem wiegen sie Tonnen.» Lucy stimmte ihm zu. Sie konnte den Kunstgeschmack des alten Mr. Crackenthorpe nicht gerade bewundern. Er musste ein unfehlbares Gesp#252;r daf#252;r gehabt haben, aus jeder Periode das h#228;sslichste Exemplar auszuw#228;hlen. Nachdem die Jungen verschwunden waren, sah sie sich ein wenig um. Ihr Blick schweifte zum Sarkophag und blieb an ihm h#228;ngen. Dieser Sarkophag… Die Luft in der Scheune war etwas modrig, als w#228;re lange nicht gel#252;ftet worden. Lucy ging zum Sarkophag hin#252;ber. Er hatte einen schweren, dicht schlie#223;enden Deckel. Lucy sah ihn gr#252;belnd an. Sie verlie#223; die Scheune, ging in die K#252;che, holte ein schweres Brecheisen und kehrte zur#252;ck. Es war Knochenarbeit, aber Lucy gab nicht auf. Langsam hob sich der Deckel, vom Brecheisen hochgestemmt. Er hob sich weit genug, dass Lucy sehen konnte, was sich in dem Sarkophag befand… |
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