"Harry Potter und die Heiligtümer des Todes" - читать интересную книгу автора (Роулинг Джоан)

Die Widmung dieses Buches ist siebengeteilt: für Neil, für Jessica, für David, für Kenzie, für Di, für Anne und für euch, wenn ihr zu Harry gehalten habt, bis ganz zum Schluss.

Erbteil des fluches,

hässlicher sünde

blutige wunde,

schmerzen, wer trüge sie?

quälen, wer stillte sie?

wehe weh!

Einzig der erbe

heilet des hauses

eiternde wunde,

einzig mit blut'gem schnitt.

götter der finsternis

rief mein lied.

Sel'ge geister drunten in der tiefe,

wenn ihr die beschwörungsrufe hörtet,

bringt den kindern hilfe, bringt den sieg.

Aischylos, Das Opfer am Grabe


Sterben ist nur ein Uebergang aus dieser Welt in die andere, als wenn Freunde über See gehen, welche dennoch in einander fortleben. Denn Diejenigen, die im Allgegenwärtigen lieben und leben, müssen nothwendig einander gegenwärtig seyn. In diesem göttlichen Spiegel sehen sie sich von Angesicht zu Angesicht, und ihr Umgang ist so wohl frey als rein. Und wenn sie auch durch den Tod getrennt werden, so haben sie doch den Trost, daß ihre Freundschaft und Gesellschaft ihnen, dem besten Gefühle nach, beständig gegenwärtig bleibt, weil diese unsterblich ist.

William Penn, Früchte der Einsamkeit. Zweyte Abtheilung


Die Registrierungskommission für Muggelstämmige

»Ah, Mafalda!«, sagte Umbridge mit Blick auf Hermine. »Travers hat Sie geschickt, nicht wahr?«

»J-ja«, piepste Hermine.

»Gut, Sie sind genau die Richtige.« Umbridge sprach zu dem Zauberer in Schwarz und Gold. »Damit wäre dieses Problem gelöst, Minister, wenn Mafalda die Aktenführung übernehmen kann, dann können wir gleich anfangen.« Sie zog ihr Klemmbrett zu Rate. »Zehn Personen heute, und eine davon die Frau eines Ministeriumsangestellten! Na, na ... selbst hier, im Herzen des Ministeriums!« Sie trat in den Aufzug und stellte sich neben Hermine, wie auch die beiden Zauberer, die Umbridges Gespräch mit dem Minister verfolgt hatten. »Wir gehen gleich runter, Mafalda, Sie werden alles, was Sie benötigen, im Gerichtsraum vorfinden. Guten Morgen, Albert, steigen Sie nicht aus?«

»Doch, natürlich«, sagte Harry mit Runcorns tiefer Stimme.

Harry verließ den Fahrstuhl. Hinter ihm ratterten die goldenen Gitter zu.

Er blickte über die Schulter und sah Hermine, flankiert von zwei großen Zauberern, mit bangem Gesicht nach unten verschwinden, Umbridges samtene Haarschleife auf der Höhe ihrer Schulter.

»Was führt Sie nach hier oben, Runcorn?«, fragte der neue Zaubereiminister. Silberne Strähnen durchzogen sein langes schwarzes Haar und seinen Bart, und seine große vorspringende Stirn überschattete die glänzenden Augen, was Harry an eine Krabbe erinnerte, die unter einem Felsen hervorlugt.

»Muss kurz mit...«, Harry zögerte einen kleinen Moment, »... Arthur Weasley sprechen. Jemand meinte, er wäre oben im ersten Stock.«

»Ah«, sagte Pius Thicknesse. »Hat man ihn dabei erwischt, wie er Kontakt mit einem Unerwünschten hatte?«

»Nein«, erwiderte Harry mit trockener Kehle. »Nein, nichts dergleichen.«

»Nun ja. Das ist nur eine Frage der Zeit«, sagte Thicknesse. »Wenn Sie mich fragen, sind die Blutsverräter genauso schlimm wie die Schlammblüter. Guten Tag, Runcorn.«

»Guten Tag, Minister.«

Harry sah zu, wie Thicknesse den mit einem dicken Teppich ausgelegten Korridor entlangging. Sobald der Minister außer Sicht war, zerrte Harry den Tarnumhang unter seinem schweren schwarzen Umhang hervor, warf ihn sich über und machte sich auf den Weg, in der anderen Richtung den Korridor entlang. Runcorn war so groß, dass Harry gebückt gehen musste, um auch seine großen Füße zu verbergen.

In seiner Magengrube pochte es vor Panik. Während er an einer glänzenden Holztür nach der anderen vorbeikam, die alle ein kleines Schild mit dem Namen und der Tätigkeit des Büroinsassen trugen, schien ihn die Macht des Ministeriums zu übermannen, das so vielschichtig, so undurchdringlich war, dass ihm der Plan, den er während der letzten vier Wochen mit Ron und Hermine sorgfältig ausgetüftelt hatte, lächerlich kindisch vorkam. Sie hatten all ihre Bemühungen darauf konzentriert, hineinzukommen, ohne erwischt zu werden, aber sie hatten sich keine Sekunde lang überlegt, was sie tun würden, wenn sie gezwungen waren sich zu trennen. Jetzt steckte Hermine in einem Gerichtsverfahren, das zweifellos Stunden dauern würde. Ron schlug sich mit Zauberei herum, die seine Fähigkeiten gewiss überstieg, wobei von seinem Erfolg möglicherweise abhing, ob eine Frau die Freiheit erlangte, und er, Harry, streifte durch den obersten Stock, obwohl er ganz genau wusste, dass seine Beute soeben mit dem Lift nach unten gefahren war.

Er blieb stehen, lehnte sich an eine Wand und versuchte einen Entschluss zu fassen. Die Stille war drückend: Hier gab es kein geschäftiges Treiben, keine Gespräche oder eilige Schritte; in den Korridoren mit ihren purpurroten Teppichen war es so ruhig, als läge der Muffliato-Zauber darüber.

Ihr Büro muss hier oben sein, dachte Harry.

Es war ziemlich unwahrscheinlich, dass Umbridge ihren Schmuck im Büro aufbewahrte, doch auf der anderen Seite erschien es ihm töricht, es nicht zu durchsuchen, nur um sicher zu sein. Also ging er weiter den Korridor entlang und begegnete niemandem außer einem stirnrunzelnden Zauberer, der murmelnd einer Feder diktierte, die vor ihm herschwebte und auf eine Pergamentrolle kritzelte.

Harry achtete jetzt auf die Namen an den Türen und bog um eine Ecke.

Auf halbem Weg durch den nächsten Korridor gelangte er in einen weitläufigen offenen Raum, wo ein Dutzend Hexen und Zauberer in Reihen an kleinen Schreibtischen saßen, die Schulpulten ähnlich waren, wenn auch viel stärker poliert und ohne Kritzeleien. Harry hielt inne und sah ihnen zu, denn das Ganze hatte eine geradezu hypnotisierende Wirkung. Alle wedelten und schlenkerten gleichzeitig mit ihren Zauberstäben, während bunte Papierquadrate wie kleine rosa Drachen wild durcheinanderflogen.

Es dauerte einige Sekunden, bis Harry klar wurde, dass diese Prozedur einen Rhythmus hatte, dass die Papiere alle nach dem gleichen Schema angeordnet waren, und nach ein paar weiteren Sekunden wurde ihm klar, dass er gerade dabei zusah, wie Broschüren hergestellt wurden, dass die Papierquadrate Seiten waren, die sich aufeinanderlegten, falteten und auf magische Weise zusammenfügten, um sich dann neben jeder Hexe oder jedem Zauberer fein säuberlich aufzustapeln.

Harry schlich näher heran, obwohl die Angestellten hier so konzentriert ihrer Arbeit nachgingen, dass sie seine vom Teppich gedämpften Schritte wohl kaum bemerken würden, und ließ eine fertige Broschüre von dem Stapel neben einer jungen Hexe gleiten. Unter dem Tarnumhang betrachtete er sie näher. Auf ihrem rosa Deckblatt prangte ein goldener Titel:

SCHLAMMBLÜTER

und die Gefahren, die sie für eine friedliche reinblütige Gesellschaft darstellen

Darunter war ein Bild von einer roten Rose zu sehen, mit einem unsicher lächelnden Gesicht inmitten ihrer Blütenblätter, die von den Schlingen eines grünen Unkrauts mit finsterer Miene stranguliert wurde.

Auf der Broschüre stand kein Verfassername, doch während er sie betrachtete, schienen die Narben auf seinem rechten Handrücken wieder zu brennen. Dann bestätigte die junge Hexe neben ihm seinen Verdacht, als sie, immer noch mit ihrem Zauberstab wedelnd und schlenkernd, sagte:

»Weiß jemand, ob die alte Sabberhexe den ganzen Tag Schlammblüter verhören wird?«

»Vorsicht«, sagte der Zauberer neben ihr und blickte nervös umher; eine seiner Seiten rutschte weg und fiel zu Boden.

»Was denn, hat sie jetzt außer einem magischen Auge auch noch magische Ohren?«

Die Hexe warf einen Blick auf die glänzende Mahagonitür an der Stirnseite des Raums mit den Broschürenmachern; auch Harry sah dorthin und Zorn bäumte sich wie eine Schlange in ihm auf. Wo bei einer Muggeltür vielleicht ein Guckloch gewesen wäre, war hier ein großes rundes Auge mit einer leuchtend blauen Iris in das Holz eingelassen; ein Auge, das jedem, der Alastor Moody gekannt hatte, entsetzlich vertraut war.

Für den Bruchteil einer Sekunde vergaß Harry, wo er war und was er hier machte. Er vergaß sogar, dass er unsichtbar war. Mit großen Schritten ging er geradewegs zur Tür hinüber und besah sich das Auge näher. Es bewegte sich nicht: Es glotzte blind nach oben, erstarrt. Auf dem Schild unter dem Auge stand:

Dolores Umbridge

Erste Untersekretärin des Ministers

Darunter war ein neues, noch ein wenig glänzenderes Schild, auf dem stand:

Vorsitzende der Registrierungskommission für Muggelstämmige Harry blickte zurück auf das Dutzend Broschürenmacher: Obwohl sie alle in ihre Arbeit vertieft waren, konnte er wohl kaum davon ausgehen, dass sie es nicht bemerken würden, wenn sich die Tür eines unbesetzten Büros vor ihnen öffnete. Daher holte er aus einer Innentasche einen seltsamen Gegenstand mit kleinen Zappelbeinen und einer knollenförmigen Gummihupe als Körper hervor. Er kauerte sich unter dem Tarnumhang nieder und stellte den Bluffknaller auf den Boden.

Sofort trippelte der Knaller vor seinen Augen zwischen den Beinen der Hexen und Zauberer davon. Harry wartete bereits mit der Hand auf dem Türgriff, als es wenige Augenblicke später einen lauten Knall gab und aus einer Ecke jede Menge beißender schwarzer Qualm drang. Die junge Hexe in der vorderen Reihe begann zu kreischen: Rosa Seiten flogen durcheinander, als sie und ihre Kollegen aufsprangen und sich umsahen, woher das Getöse kam. Harry drückte die Klinke herunter, betrat Umbridges Büro und schloss die Tür hinter sich.

Er hatte das Gefühl, in einer vergangenen Zeit gelandet zu sein. Das Zimmer glich haargenau Umbridges Büro in Hogwarts: Spitzendeckchen, Untersetzer und Trockenblumen bedeckten jede verfügbare Fläche. An den Wänden hingen dieselben Zierteller mit den quietschbunten Kätzchen, die Bänder umhatten und ekelhaft süß umhertollten und spielten. Über dem Schreibtisch lag ein geblümtes, mit Volants besetztes Tuch. Hinter Mad-Eyes Auge war ein teleskopartiger Aufsatz befestigt, mit dem die Angestellten auf der anderen Seite der Tür ausspioniert werden konnten.

Harry warf einen Blick hindurch und sah, dass sie immer noch alle um den Bluffknaller versammelt waren. Er riss das Teleskop aus der Tür, was ein Loch zurückließ, zog den magischen Augapfel heraus und steckte ihn in seine Tasche. Dann drehte er sich wieder zu dem Zimmer um, hob seinen Zauberstab und murmelte: »Accio Medaillon.«

Nichts geschah, doch er hatte es auch nicht erwartet; zweifellos wusste Umbridge alles über schützende Zauber und Banne. Er trat daher rasch hinter ihren Schreibtisch und begann die Schubladen herauszuziehen.

Federn und Notizbücher und Zauberklebeband kamen zum Vorschein; magische Büroklammern, die sich wie Schlangen aus ihrer Schublade ringelten und zurückgetrieben werden mussten; eine reich verzierte kleine Schnürschachtel voller Reservehaarschleifen und -klammern; aber keine Spur von einem Medaillon.

Hinter dem Schreibtisch stand ein Aktenschrank; Harry machte sich daran, ihn zu durchsuchen. Wie Filchs Aktenschränke in Hogwarts war er voller Mappen, jede mit einem Namensschild versehen. Harry war schon bei der untersten Schublade angelangt, als er etwas sah, das ihn von seiner Suche ablenkte: Mr Weasleys Akte. Er zog sie heraus und öffnete sie.

ARTHUR WEASLEY

Blutstatus:

Reinblüter, jedoch mit unerwünschten

muggelfreundlichen Neigungen

Bekannt als Mitglied des Phönixordens

Familie:

Ehefrau (reinblütig), sieben Kinder, die beiden jüngsten auf Hogwarts

NB: Jüngster Sohn gegenwärtig zu Hause, schwer krank, von Inspektoren des Ministeriums bestätigt

Kontrollstatus: ÜBERWACHT.

Alle Aktivitäten werden beobachtet.

Große Wahrscheinlichkeit, dass Unerwünschter No. 1

Kontakt aufnimmt (war bereits früher bei Familie Weasley)

»Unerwünschter Nummer eins«, murmelte Harry vor sich hin, als er Mr Weasleys Aktenmappe zurücklegte und die Schublade schloss. Er hatte eine dumpfe Ahnung, wer das sein konnte, und tatsächlich, als er sich aufrichtete und im Büro nach anderen Verstecken Ausschau hielt, sah er ein Plakat von sich selbst an der Wand, und quer über seiner Brust prangten die Worte UNERWÜNSCHTER No. 1. Ein kleiner rosa Notizzettel klebte daran, mit einem Kätzchenbild in der Ecke. Harry ging hinüber, um ihn zu lesen, und sah, was Umbridge daraufgeschrieben hatte: »Muss bestraft werden.«

Wütender denn je suchte er weiter und tastete jetzt auf den Böden der Vasen und in den Körben voller Trockenblumen herum, doch es überraschte ihn nicht im Geringsten, dass er das Medaillon hier nicht finden konnte. Er ließ den Blick ein letztes Mal durch das Büro schweifen, als sein Herz einen Augenblick aussetzte. Dumbledore starrte ihn aus einem kleinen rechteckigen Spiegel an, der auf einem Bücherregal neben dem Schreibtisch aufgestellt war.

Harry durchquerte im Laufschritt das Zimmer und riss den Spiegel hoch, doch er hatte ihn kaum berührt, als ihm klar wurde, dass es gar kein Spiegel war. Dumbledore lächelte versonnen vom Hochglanzumschlag eines Buches. Harry hatte die verschnörkelte grüne Schrift quer über seinem Hut zuerst nicht bemerkt: Leben und Lügen des Albus Dumbledore, und auch nicht die etwas kleinere Schrift über seiner Brust: von Rita Kimmkorn, Autorin des Bestsellers »Armando Dippet: Könner oder Knallkopf?«

Harry schlug das Buch wahllos auf und stieß auf ein ganzseitiges Foto von zwei Jungen im Teenageralter, die einander die Arme um die Schultern gelegt hatten und heftig lachten. Dumbledore, nun mit langem Haar bis zum Ellbogen, hatte sich einen kleinen, büscheligen Bart wachsen lassen, ähnlich dem an Krums Kinn, über den Ron sich so aufgeregt hatte. Der Junge, der sich neben Dumbledore lautlos brüllend amüsierte, hatte etwas Fröhliches und Wildes an sich. Sein goldenes Haar fiel ihm in Locken auf die Schultern. Harry überlegte, ob es der junge Doge war, doch ehe er die Bildunterschrift lesen konnte, ging die Bürotür auf.

Wenn Thicknesse beim Hereinkommen nicht über die Schulter geblickt hätte, wäre Harry keine Zeit geblieben, den Tarnumhang über sich zu ziehen. Dennoch hatte er den Eindruck, dass Thicknesse vielleicht eine Bewegung wahrgenommen hatte, denn er blieb ein paar Sekunden lang völlig reglos stehen und starrte neugierig auf die Stelle, wo Harry gerade verschwunden war. Vielleicht war Thicknesse zu dem Schluss gekommen, dass er lediglich Dumbledore gesehen hatte, der sich auf dem Umschlag des Buches die Nase kratzte, das Harry hastig wieder auf das Regal gelegt hatte, jedenfalls ging er schließlich doch zum Schreibtisch und richtete seinen Zauberstab auf die Feder, die in dem Tintenfass bereitstand. Sie sprang heraus und begann eine Notiz an Umbridge zu kritzeln. Ganz langsam, er wagte dabei kaum zu atmen, stahl Harry sich rückwärts aus dem Büro hinaus in den offenen Bereich davor.

Die Broschürenmacher waren immer noch um die Überreste des Bluffknallers geschart, der nach wie vor schwächlich trötete und qualmte.

Harry eilte den Korridor entlang, als die junge Hexe sagte: »Ich wette, das hat sich aus der Experimentellen Zauberei hier hochgeschlichen, die sind ja so leichtsinnig, erinnert ihr euch noch an diese giftige Ente?«

Während Harry zum Lift zurückhastete, überlegte er, welche Optionen er jetzt noch hatte. Es war nie wahrscheinlich gewesen, dass das Medaillon hier im Ministerium war, und es wäre ein aussichtsloser Versuch, mit magischen Mitteln aus Umbridge herauszulocken, wo es steckte, während sie in einem vollen Gerichtsraum saß. Sie mussten jetzt dringend das Ministerium verlassen, ehe sie entdeckt wurden, und es an einem anderen Tag erneut versuchen. Als Erstes musste er Ron finden, dann konnten sie sich überlegen, wie sie Hermine aus dem Gerichtssaal herausbekamen.

Der Fahrstuhl war leer, als er hielt. Harry sprang hinein und zog den Tarnumhang herunter, während der Lift sich nach unten in Bewegung setzte. Als er im zweiten Stock ruckelnd stehen blieb, stieg zu Harrys gewaltiger Erleichterung Ron ein, pitschnass und mit gehetztem Blick.

»M-Morgen«, stammelte er Harry entgegen, als der Lift wieder anfuhr.

»Ron, ich bin's, Harry!«

»Harry! Zum Teufel, ich hab ganz vergessen, wie du aussiehst – warum ist Hermine nicht bei dir?«

»Sie musste mit Umbridge runter in die Gerichtsräume, sie konnte es nicht ablehnen, und -«

Doch ehe Harry den Satz beenden konnte, hatte der Lift wieder angehalten: Die Türen öffneten sich, und Mr Weasley kam herein, im Gespräch mit einer älteren Hexe, die ihr blondes Haar zu einer Art Ameisenhügel hochtoupiert hatte.

»... ich verstehe vollkommen, was du meinst, Wakanda, aber ich fürchte, ich kann nicht mitmachen bei -«

Mr Weasley unterbrach sich; er hatte Harry bemerkt. Es war ein äußerst eigenartiges Gefühl, von Mr Weasley mit solchem Abscheu angefunkelt zu werden. Die Fahrstuhltüren schlossen sich und die vier zockelten weiter nach unten.

» Oh, hallo, Reg«, sagte Mr Weasley, der sich bei dem steten Tröpfeln von Rons Umhang umgedreht hatte. »Ist Ihre Frau heute nicht zum Verhör vorgeladen? Ähm – was ist mit Ihnen passiert? Warum sind Sie so nass?«

»Yaxleys Büro regnet«, sagte Ron. Er sah dabei Mr Weasleys Schulter an, und Harry war sicher, dass er Angst hatte, sein Vater könnte ihn erkennen, wenn sie sich direkt in die Augen blickten. »Ich hab es nicht in den Griff gekriegt, deshalb haben sie mich losgeschickt, um Bernie zu holen – Bernie Pillsworth, haben sie, glaube ich, gesagt -«

»Ja, viele Büros haben in letzter Zeit geregnet«, sagte Mr Weasley.

»Haben Sie meteolohex recanto probiert? Bei Bletchley hat das funktioniert. «

»Meteolohex recanto?«, flüsterte Ron. »Nein, hab ich nicht. Danke, Dich meine, danke, Arthur.«

Die Fahrstuhltüren öffneten sich; die alte Hexe mit dem Ameisenhügelhaar ging hinaus, und Ron schoss an ihr vorbei und verschwand. Harry wollte ihm gerade folgen, doch da kam ihm Percy Weasley in die Quere, der in den Lift marschierte, die Nase in irgendwelche Papiere gesteckt, die er gerade las.

Erst als die Türen wieder zugerattert waren, erkannte Percy, dass er mit seinem Vater im Aufzug war. Er blickte auf, sah Mr Weasley, wurde radieschenrot und verließ den Fahrstuhl, kaum dass sich die Türen wieder geöffnet hatten. Harry versuchte zum zweiten Mal auszusteigen, doch nun versperrte ihm Mr Weasleys Arm den Weg.

»Einen Moment, Runcorn.«

Die Aufzugtüren schlossen sich, und während sie wieder einen Stock tiefer rumpelten, sagte Mr Weasley: »Wie ich höre, haben Sie Informationen über Dirk Cresswell vorgelegt.«

Harry hatte den Eindruck, dass die kurze Begegnung mit Percy Mr Weasley nur noch wütender gemacht hatte. Er beschloss, dass es das Beste war, wenn er sich dumm stellte.

»Wie bitte?«, sagte er.

»Tun Sie nicht so, Runcorn«, sagte Mr Weasley zornig. »Sie haben den Zauberer aufgespürt, der seinen Familienstammbaum gefälscht hat, richtig?«

»Ich – und wenn ich's getan hätte?«, sagte Harry.

»Nun, Dirk Cresswell ist Ihnen als Zauberer zehnmal überlegen«, sagte Mr Weasley leise, während der Fahrstuhl in die Tiefe sank. »Und wenn er Askaban überlebt, werden Sie ihm Rechenschaft ablegen müssen, ganz abgesehen von seiner Frau, seinen Söhnen und seinen Freunden -«

»Arthur«, unterbrach ihn Harry, »Sie wissen, dass Sie verfolgt werden, oder nicht?«

»Soll das eine Drohung sein, Runcorn?«, sagte Mr Weasley laut.

»Nein«, sagte Harry, »es ist eine Tatsache! Jeder Ihrer Schritte wird beobachtet -«

Die Aufzugtüren öffneten sich. Sie hatten das Atrium erreicht. Mr Weasley warf Harry einen verächtlichen Blick zu und rauschte aus dem Lift. Harry blieb erschüttert zurück. Er wünschte, er würde jemand anderen als Runcorn verkörpern ... die Lifttüren ratterten zu.

Harry zog den Tarnumhang hervor und warf ihn sich wieder über. Er wollte nun allein versuchen, Hermine zu befreien, während Ron sich um das regnende Büro kümmerte. Als die Türen aufgingen, trat er in einen fackelbeleuchteten steinernen Gang hinaus, der sich deutlich von den holzgetäfelten und mit Teppichen ausgelegten Korridoren in den oberen Stockwerken unterschied. Als der Lift hinter ihm wieder hinaufrumpelte, blickte Harry leicht schaudernd auf die ferne schwarze Tür, die den Eingang zur Mysteriumsabteilung markierte.

Er ging weiter, denn sein Ziel war nicht die schwarze Tür, sondern ein Durchgang, der sich seiner Erinnerung nach links befand und in die Treppe mündete, die hinunter zu den Gerichtsräumen führte. Während er die Treppe hinunterschlich, spielte er hektisch die verschiedenen Möglichkeiten durch, die ihm blieben: Er hatte noch einige Bluffknaller, doch vielleicht war es besser, einfach an die Tür des Gerichtsraums zu klopfen, als Runcorn einzutreten und eine kurze Unterredung mit Mafalda zu verlangen? Natürlich wusste er nicht, ob Runcorn wichtig genug war, um sich das erlauben zu können, und selbst wenn er es schaffte, würde, wenn Hermine nicht wiederauftauchte, wahrscheinlich eine Suche nach ihr ausgelöst, noch ehe sie das Ministerium verlassen hatten ...

Tief in Gedanken versunken, bemerkte er die unnatürliche Kälte zunächst gar nicht, die über ihn kroch, als würde er in einen Nebel hinabsteigen. Mit jedem seiner Schritte wurde es kälter: Es war eine Kälte, die ihm tief in die Kehle drang und an seinen Lungen zerrte. Und dann spürte er jenes schleichende Gefühl der Verzweiflung, der Hoffnungslosigkeit, das ihn erfüllte, sich in ihm ausbreitete ...

Dementoren, dachte er.

Und als er den Fuß der Treppe erreichte und sich nach rechts wandte, sah er eine schreckliche Szene. Der dunkle Gang vor den Gerichtsräumen war voller großer Gestalten mit schwarzen Kapuzen, deren Gesichter vollkommen verhüllt waren und deren rasselnder Atem das einzige Geräusch an diesem Ort war. Die vor Angst wie versteinerten Muggelstämmigen, die man zum Verhör hergebracht hatte, saßen zusammengekauert und zitternd auf harten Holzbänken. Die meisten von ihnen hielten das Gesicht in den Händen verborgen, vielleicht in einem instinktiven Versuch, sich vor den gierigen Mündern der Dementoren abzuschirmen. Manche waren in Begleitung ihrer Familien hier, andere saßen allein. Die Dementoren schwebten vor ihnen auf und ab, und die Kälte und die Hoffnungslosigkeit und die Verzweiflung, die hier herrschten, legten sich wie ein Fluch auf Harry ...

Kämpf dagegen, sagte er sich, doch er wusste, dass er hier keinen Patronus heraufbeschwören konnte, ohne sich augenblicklich zu verraten.

Deshalb ging er, so leise er konnte, weiter, und mit jedem Schritt, den er machte, schien sich Benommenheit in seinem Kopf auszubreiten, doch er zwang sich, an Hermine und Ron zu denken, die ihn brauchten.

Zwischen den hoch aufragenden schwarzen Gestalten hindurchzugehen war Grauen erregend: Die augenlosen Gesichter, die unter ihren Kapuzen verborgen waren, wandten sich ihm zu, während er vorüberkam, und er war sicher, dass sie ihn spürten, vielleicht die Anwesenheit eines Menschen spürten, der noch ein wenig Hoffnung, ein wenig Widerstandskraft besaß ...

Und dann jäh und erschreckend inmitten der eisigen Stille, wurde eine der Kerkertüren auf der linken Seite des Korridors aufgerissen, und Schreie drangen heraus.

»Nein, nein, ich bin Halbblüter, ich bin Halbblüter, das versichere ich Ihnen! Mein Vater war ein Zauberer, wirklich, schauen Sie nach, Arkie Alderton, er ist ein bekannter Besenkonstrukteur, schauen Sie nach, ich versichere es Ihnen – lassen Sie mich los, lassen Sie mich -«

»Dies ist Ihre letzte Verwarnung«, sagte Umbridges leise Stimme, magisch verstärkt, so dass sie über die verzweifelten Schreie des Mannes hinweg deutlich zu hören war. »Wenn Sie sich wehren, werden Sie den Kuss des Dementors zu spüren bekommen.«

Die Schreie des Mannes erstarben, doch trockenes Schluchzen hallte durch den Korridor.

»Bringt ihn weg«, sagte Umbridge.

Zwei Dementoren erschienen in der Tür des Gerichtsraums, ihre modrigen, verschorften Hände umklammerten die Oberarme des Zauberers, der offenbar ohnmächtig wurde. Sie glitten mit ihm den Korridor entlang, und die Dunkelheit, die sie hinter sich herzogen, verschluckte ihn.

»Der Nächste – Mary Cattermole«, rief Umbridge.

Eine kleine Frau erhob sich; sie zitterte am ganzen Leib. Ihr dunkles Haar war straff zu einem Knoten nach hinten gebunden und sie trug einen langen schlichten Umhang. Ihr Gesicht war vollkommen blutleer. Als sie an den Dementoren vorbeiging, sah Harry sie erschaudern.

Er tat es instinktiv, ohne irgendeinen Plan, weil er nicht mit ansehen konnte, wie sie da allein in den Kerker ging: In dem Moment, als die Tür zuschwang, schlüpfte er hinter ihr in den Gerichtsraum.

Es war nicht der Raum, in dem er einst wegen unzulässigen Gebrauchs von Magie verhört worden war. Dieser hier war viel kleiner, doch die Decke war genauso hoch; sie vermittelte einem das klaustrophobische Gefühl, auf dem Boden eines tiefen Brunnens festzusitzen.

Hier drinnen waren weitere Dementoren, die ihre eiskalte Aura überall verströmten; sie standen wie gesichtslose Wächter in den Ecken, die am weitesten von dem hoch aufragenden Podium entfernt waren. Dort, hinter einer Balustrade, saß Umbridge, mit Yaxley auf der einen und Hermine, genauso bleich wie Mrs Cattermole, auf der anderen Seite. Am Fuß des Podiums schlich eine silbrig leuchtende, langhaarige Katze unentwegt auf und ab, und Harry begriff, dass sie die Ankläger vor der Verzweiflung schützen sollte, die von den Dementoren ausging: Die war für die Angeklagten bestimmt, nicht für die Kläger.

»Setzen Sie sich«, sagte Umbridge mit ihrer zarten, weichen Stimme.

Mrs Cattermole wankte zu dem einzelnen Stuhl mitten unter dem erhöhten Podium. Kaum hatte sie sich gesetzt, rasselten Ketten aus den Armlehnen des Stuhls und fesselten sie daran.

»Sie sind Mary Elizabeth Cattermole?«, fragte Umbridge.

Mrs Cattermole nickte einmal zitternd mit dem Kopf.

»Verheiratet mit Reginald Cattermole von der Abteilung Zauberei-Zentralverwaltung?«

Mrs Cattermole brach in Tränen aus.

»Ich weiß nicht, wo er ist, wir wollten uns hier treffen!«

Umbridge ignorierte sie.

»Mutter von Maisie, Ellie und Alfred Cattermole?«

Mrs Cattermole schluchzte noch mehr.

»Sie haben Angst, sie glauben, ich würde vielleicht nicht wieder nach Hause kommen -«

»Verschonen Sie uns«, zischte Yaxley. »Die Bälger von Schlammblütern erregen nicht unser Mitgefühl.«

Mrs Cattermoles Schluchzen übertönte Harrys Schritte, während er vorsichtig zu der Treppe ging, die zum Podium hinaufführte. In dem Moment, als er über die Linie getreten war, auf der die Patronus-Katze patrouillierte, spürte er, dass die Temperatur sich änderte: Hier war es warm und behaglich. Der Patronus, dessen war er sicher, gehörte zu Umbridge, und er leuchtete hell, weil sie so glücklich hier war, in ihrem Element, eine Hüterin der verdrehten Gesetze, die sie mitverfasst hatte.

Langsam und äußerst vorsichtig schob er sich hinter Umbridge, Yaxley und Hermine das Podium entlang und nahm hinter Hermine Platz. Er war besorgt, dass er sie erschrecken könnte. Er überlegte, ob er Umbridge und Yaxley mit dem Muffliato-Zauber belegen sollte, doch selbst wenn er das Wort nur murmelte, würde er Hermine womöglich in helle Aufregung versetzen. Dann erhob Umbridge ihre Stimme und wandte sich an Mrs Cattermole, und Harry nutzte die Gelegenheit.

»Ich bin hinter dir«, flüsterte er Hermine ins Ohr.

Wie erwartet, fuhr sie so heftig zusammen, dass sie beinahe das Fass voller Tinte umwarf, mit der sie die Befragung protokollieren sollte, doch sowohl Umbridge als auch Yaxley hatten sich auf Mrs Cattermole konzentriert und bemerkten es nicht.

»Bei Ihrer Ankunft heute im Ministerium wurde Ihnen ein Zauberstab abgenommen, Mrs Cattermole«, sagte Umbridge gerade. »Achtdreiviertel Zoll, Kirsche, Kern Einhornhaar. Sagt Ihnen diese Beschreibung etwas?«

Mrs Cattermole nickte und wischte sich mit dem Ärmel über die Augen.

»Würden Sie uns bitte mitteilen, welcher Hexe oder welchem Zauberer Sie diesen Zauberstab entwendet haben?«

»E-entwendet?«, schluchzte Mrs Cattermole. »Ich hab ihn – niemandem entwendet. Ich hab ihn ge-gekauft, als ich elf Jahre alt war. Er – er – er hat mich ausgesucht.«

Sie weinte noch heftiger.

Umbridge lachte ein leises, mädchenhaftes Lachen, bei dem Harry ihr am liebsten an die Gurgel gefahren wäre. Sie beugte sich über die Balustrade, um ihr Opfer besser beobachten zu können, und dabei schwang auch etwas Goldenes nach vorn und baumelte in die Tiefe: das Medaillon.

Hermine hatte es gesehen und stieß ein leises Piepsen aus, doch Umbridge und Yaxley fixierten nach wie vor ihr Opfer und waren taub für alles andere.

»Nein«, sagte Umbridge, »nein, das glaube ich nicht, Mrs Cattermole.

Zauberstäbe suchen sich nur Hexen oder Zauberer. Sie sind keine Hexe. Ich habe hier Ihre Antworten auf dem Fragebogen vorliegen, den wir Ihnen zugesandt haben – Mafalda, geben Sie ihn mir.«

Umbridge streckte ihre kleine Hand aus: In diesem Moment wirkte sie so krötenhaft, dass Harry ganz überrascht war, dass sie keine Schwimmhäute zwischen ihren Stummelfingern hatte. Hermines Hände zitterten vor Schreck. Sie wühlte in einem Stapel von Dokumenten auf dem Stuhl neben sich und zog schließlich einen Stoß Pergamente hervor, auf denen Mrs Cattermoles Name stand.

»Das – das ist hübsch, Dolores«, sagte sie und deutete auf den Anhänger, der in den knittrigen Falten von Umbridges Bluse schimmerte.

»Was?«, schnappte Umbridge und blickte hinunter. »O ja -ein altes Familienerbstück«, sagte sie und tätschelte das Medaillon, das auf ihrem großen Busen lag. »Das gt;Slt; steht für Selwyn ... ich bin mit den Selwyns verwandt... tatsächlich gibt es wenige reinblütige Familien, mit denen ich nicht verwandt bin ... schade nur«, fuhr sie mit erhobener Stimme fort und blätterte durch Mrs Cattermoles Fragebogen, »dass man das nicht von Ihnen sagen kann. Beruf der Eltern: Gemüsehändler.«

Yaxley lachte höhnisch. Unten patrouillierte die flaumige silberne Katze auf und ab, und die Dementoren standen wartend in den Ecken.

Es war Umbridges Lüge, die Harry in Rage brachte und ihn alle Vorsicht in den Wind schlagen ließ: dass sie das Medaillon, das sie als Bestechungsgeschenk von einem Kleinkriminellen angenommen hatte, dazu benutzte, ihre Herkunft als Reinblütige zu belegen. Er hob den Zauberstab, bemühte sich gar nicht erst, ihn unter dem Tarnumhang zu verbergen, und sagte: »Stupor!«

Ein roter Lichtblitz zuckte auf; Umbridge brach zusammen und schlug mit der Stirn gegen den Rand der Balustrade; Mrs Cattermoles Papiere rutschten ihr vom Schoß und fielen zu Boden, und die umherstreifende silberne Katze unter ihr verschwand. Eiskalte Luft wie von einem aufkommenden Sturm schlug ihnen entgegen: Yaxley sah sich völlig verwirrt nach dem Ursprung der Unruhe um und erblickte Harrys frei schwebende Hand, die mit dem Zauberstab auf ihn zielte. Er wollte seinen eigenen Zauberstab zücken, doch es war zu spät.

»Stupor!«

Yaxley glitt zu Boden und blieb zusammengerollt liegen.

»Harry!«

»Hermine, wenn du gedacht hast, ich würde hier sitzen bleiben, während die so tut, als ob -«

»Harry, Mrs Cattermole!«

Harry wirbelte herum und warf den Tarnumhang ab; unten waren die Dementoren aus ihren Ecken gekommen; sie glitten auf die Frau zu, die an den Stuhl gekettet war: Sei es, weil der Patronus verschwunden war oder weil sie spürten, dass ihre Herren nicht mehr die Oberhand hatten, sie hielten sich jedenfalls nicht mehr zurück. Mrs Cattermole stieß einen schrecklichen Angstschrei aus, als eine schleimige, verschorfte Hand sie am Kinn packte und ihr den Kopf in den Nacken drückte.

»EXPECTO PATRONUM!«

Der silberne Hirsch schnellte aus der Spitze von Harrys Zauberstab hervor und stürzte auf die Dementoren zu, die zurückwichen und wieder mit den dunklen Schatten verschmolzen. Das Licht des Hirsches, der beharrlich im Raum umhersprang, war mächtiger und wärmender als der Schutz der Katze und erfüllte den ganzen Kerker.

»Nimm den Horkrux«, sagte Harry zu Hermine.

Er rannte die Treppe hinunter, stopfte den Tarnumhang wieder in seine Tasche und näherte sich Mrs Cattermole.

»Sie?«, flüsterte sie und starrte ihm ins Gesicht. »Aber -aber Reg sagte, dass Sie es waren, der beantragt hat, dass man mich verhört! «

»Habe ich das?«, murmelte Harry und riss an den Ketten, die ihre Arme fesselten. »Also, ich hab es mir anders überlegt. Diffindo!« Nichts geschah.

»Hermine, wie krieg ich diese Ketten runter?«

»Warte, ich bin gerade hier oben beschäftigt -«

»Hermine, wir sind von Dementoren umzingelt!«

»Ich weiß, Harry, aber wenn sie aufwacht und das Medaillon verschwunden ist – ich muss ein Duplikat herstellen ... Geminio! Na also ...

das müsste sie täuschen ...«

Hermine kam die Stufen herabgerannt.

»Warte mal ... Relaschio!«

Die Ketten zogen sich klirrend in die Armlehnen des Stuhls zurück. Mrs Cattermole wirkte nach wie vor verängstigt.

»Das verstehe ich nicht«, flüsterte sie.

»Sie werden mit uns zusammen hier rausgehen«, sagte Harry und zog sie auf die Beine. »Gehen Sie nach Hause, nehmen Sie Ihre Kinder und verschwinden Sie, verlassen Sie das Land, wenn es sein muss. Maskieren Sie sich und fliehen Sie. Sie haben gesehen, wie es ist, so etwas wie eine faire Anhörung bekommen Sie hier nicht.«

»Harry«, sagte Hermine, »wie kommen wir hier raus mit all diesen Dementoren draußen vor der Tür?«

»Patroni«, sagte Harry und deutete mit dem Zauberstab auf seinen eigenen: Der Hirsch wurde langsamer und wandte sich, immer noch hell leuchtend, zur Tür. »So viele wir aufbieten können; hol du deinen, Hermine.«

»Expec-expecto patronum«, sagte Hermine. Nichts passierte.

»Das ist der einzige Zauber, mit dem sie immer Schwierigkeiten hat«, erklärte Harry der völlig verdatterten Mrs Cattermole. »Bisschen schade eigentlich ... nun mach schon, Hermine.«

»Expecto patronum!«

Ein silberner Otter brach aus der Spitze von Hermines Zauberstab hervor und schwamm elegant durch die Luft hinüber zu dem Hirsch.

»Nun los«, sagte Harry und führte Hermine und Mrs Cattermole zur Tür.

Als die Patroni aus dem Kerker schwebten, waren entsetzte Schreie der Leute zu hören, die draußen warteten. Harry sah sich um; die Dementoren wichen auf beiden Seiten zurück, verschmolzen mit der Dunkelheit, stoben vor den silbernen Geschöpfen davon.

»Es wurde angeordnet, dass Sie alle nach Hause gehen und sich mit Ihren Familien verstecken sollen«, verkündete Harry den wartenden Muggelstämmigen, die vom Licht der Patroni geblendet waren und sich nach wie vor ein wenig duckten. »Gehen Sie wenn möglich ins Ausland.

Nur ganz weit weg vom Ministerium. Das ist die – ähm – neue offizielle Position. Wenn Sie jetzt einfach den Patroni folgen, können Sie vom Atrium aus nach draußen gelangen.«

Sie schafften es die steinerne Treppe hinauf, ohne dass sie abgefangen wurden, doch als sie sich den Fahrstühlen näherten, kamen Harry allmählich Bedenken. Er wurde das Gefühl nicht los, dass sie unerwünschte Aufmerksamkeit erregen würden, wenn sie mit einem silbernen Hirsch, einem neben ihm dahingleitenden Otter und etwa zwanzig Leuten im Atrium auftauchen würden, von denen die Hälfte angeklagte Muggelstämmige waren. Er war gerade zu diesem unangenehmen Schluss gekommen, als der Lift ratternd vor ihnen zum Stillstand kam.

»Reg!«, schrie Mrs Cattermole und warf sich in Rons Arme. »Runcorn hat mich freigelassen, er hat Umbridge und Yaxley angegriffen und uns allen befohlen, das Land zu verlassen, ich glaube, das sollten wir tun, Reg, wirklich. Lass uns schnell nach Hause gehen und die Kinder holen und –warum bist du so nass?«

»Wasser«, murmelte Ron, während er sich von ihr losmachte. »Harry, die wissen, dass Eindringlinge im Ministerium sind, wegen irgendeinem Loch in der Bürotür von Umbridge, ich schätze, wir haben noch fünf Minuten, wenn das – «

Hermines Patronus verschwand mit einem Plopp, als sie sich mit entsetztem Gesicht Harry zuwandte.

»Harry, wenn wir hier in der Falle sitzen -!«

»Nicht, wenn wir uns beeilen«, sagte Harry. Er drehte sich zu den stummen Leuten hinter ihm um, die ihn alle mit großen Augen anstarrten.

»Wer hat einen Zauberstab?«

Etwa die Hälfte von ihnen hob die Hand.

»Okay, alle, die keinen Zauberstab haben, müssen sich jemandem anschließen, der einen hat. Wir müssen schnell sein – bevor sie uns aufhalten. Kommt mit.«

Sie schafften es, sich in zwei Aufzüge zu zwängen. Harrys Patronus stand vor den goldenen Gittern Wache, während sie sich schlossen, und die Lifte begannen hochzufahren.

»Achter Stock«, sagte die kühle Stimme der Hexe. »Atrium.«

Harry wusste sofort, dass sie in Schwierigkeiten waren. Das Atrium war voller Leute, die von Kamin zu Kamin gingen und sie versiegelten.

»Harry!«, kreischte Hermine. »Was sollen wir -?«

»STOPP!«, donnerte Harry und die mächtige Stimme Runcorns hallte durch das Atrium: Die Zauberer, die gerade die Kamine versiegelten, erstarrten. »Folgt mir«, flüsterte er der Gruppe verängstigter Muggelstämmiger zu, die sich nun dicht aneinandergedrängt und geführt von Ron und Hermine vorwärtsbewegten.

»Was gibt's, Albert?«, fragte der Zauberer mit dem schütteren Haar, der anfangs hinter Harry aus dem Kamin gekommen war. Er sah nervös aus.

»Diese Leute hier müssen raus, bevor Sie die Ausgänge versiegeln«, sagte Harry mit aller Autorität, die er aufbieten konnte.

Die Zauberer vor ihm blickten einander an.

»Wir haben Anweisung, alle Ausgänge zu versiegeln und niemanden –

«

»Wollen Sie mir etwa widersprechen?«, polterte Harry. »Soll ich vielleicht Ihren Familienstammbaum überprüfen lassen, wie den von Dirk Cresswell?«

»Verzeihung!«, japste der Zauberer mit dem schütteren Haar und wich zurück. »So hab ich's nicht gemeint, Albert, aber ich dachte ... ich dachte, die wären zum Verhör da und ...«

»Ihr Blut ist rein«, sagte Harry und seine tiefe Stimme dröhnte eindrucksvoll durch die Halle. »Reiner als das vieler von euch, vermute ich.

Los geht's«, sagte er mit donnernder Stimme zu den Muggelstämmigen, die hastig in die Kamine stürzten und paarweise zu verschwinden begannen.

Die Ministeriumszauberer zögerten, einige mit verwirrter Miene, andere eingeschüchtert und ärgerlich. Dann -

»Mary!«

Mrs Cattermole blickte über die Schulter. Der echte Reg Cattermole, der sich von seinem Brechanfall erholt hatte, aber immer noch blass und matt aussah, war gerade aus einem Lift herausgerannt.

»R-Reg?«

Sie blickte von ihrem Gatten zu Ron, der laut fluchte.

Der Zauberer mit dem schütteren Haar riss den Mund auf, und es wirkte lächerlich, wie er den Kopf von dem einen Reg Cattermole zum anderen wandte.

»Hey – was geht hier vor? Was soll das?«

»Versiegelt den Ausgang! VERSIEGELN!«

Yaxley war aus einem anderen Fahrstuhl gestürmt und rannte auf die Gruppe neben den Kaminen zu, in denen inzwischen alle Muggelstämmigen außer Mrs Cattermole verschwunden waren. Als der Zauberer mit dem schütteren Haar seinen Zauberstab hob, riss Harry seine gewaltige Faust hoch und versetzte ihm einen Schlag, der ihn durch die Luft schleuderte.

»Er hat Muggelstämmigen zur Flucht verholfen, Yaxley!«, schrie Harry.

Unter den Kollegen des Mannes mit dem schütteren Haar brach ein Tumult aus, und Ron nutzte die Gelegenheit, packte Mrs Cattermole, zog sie in den noch offenen Kamin und verschwand mit ihr. Verwirrt blickte Yaxley von Harry zu dem zusammengeschlagenen Zauberer, während der echte Reg Cattermole schrie: »Meine Frau! "Wer war das mit meiner Frau?

Was geht hier vor?«

Harry sah, wie Yaxley den Kopf drehte und wie in diesem ungeschlachten Gesicht allmählich ein Licht aufging.

»Komm!«, rief Harry Hermine zu; er nahm sie bei der Hand, und sie sprangen zusammen in den Kamin, während Yaxleys Fluch über Harrys Kopf hinwegjagte. Sie wirbelten einige Sekunden umher, dann schossen sie aus einer Toilettenschüssel heraus und landeten in einer Kabine. Harry stieß die Tür auf; Ron stand an den Waschbecken und rang immer noch mit Mrs Cattermole.

»Reg, ich verstehe nicht -«

»Lassen Sie mich los, ich bin nicht Ihr Mann, Sie müssen nach Hause gehen!«

Aus der Kabine hinter ihnen war ein Geräusch zu hören; Harry schaute sich um: Yaxley war gerade aufgetaucht.

»NICHTS WIE WEG!«, schrie Harry. Er packte Hermine bei der Hand und Ron am Arm und drehte sich auf der Stelle.

Dunkelheit verschlang sie, und es war, als würden Bänder sie zusammenschnüren, doch irgendetwas stimmte nicht ... Hermines Hand schien ihm zu entgleiten ...

Er dachte schon, er würde vielleicht ersticken, er bekam keine Luft und konnte nichts sehen, das einzig Feste auf der Welt waren Rons Arm und Hermines Finger, die langsam wegrutschten ...

Und dann sah er die Tür von Grimmauldplatz Nummer zwölf mit ihrem schlangenförmigen Türklopfer, doch ehe er Atem holen konnte, ertönte ein Schrei, und ein violetter Lichtblitz flammte auf; Hermines Hand schloss sich plötzlich wie ein Schraubstock um seine und alles wurde wieder dunkel.