"Harry Potter und die Heiligtümer des Todes" - читать интересную книгу автора (Роулинг Джоан)

Die Widmung dieses Buches ist siebengeteilt: für Neil, für Jessica, für David, für Kenzie, für Di, für Anne und für euch, wenn ihr zu Harry gehalten habt, bis ganz zum Schluss.

Erbteil des fluches,

hässlicher sünde

blutige wunde,

schmerzen, wer trüge sie?

quälen, wer stillte sie?

wehe weh!

Einzig der erbe

heilet des hauses

eiternde wunde,

einzig mit blut'gem schnitt.

götter der finsternis

rief mein lied.

Sel'ge geister drunten in der tiefe,

wenn ihr die beschwörungsrufe hörtet,

bringt den kindern hilfe, bringt den sieg.

Aischylos, Das Opfer am Grabe


Sterben ist nur ein Uebergang aus dieser Welt in die andere, als wenn Freunde über See gehen, welche dennoch in einander fortleben. Denn Diejenigen, die im Allgegenwärtigen lieben und leben, müssen nothwendig einander gegenwärtig seyn. In diesem göttlichen Spiegel sehen sie sich von Angesicht zu Angesicht, und ihr Umgang ist so wohl frey als rein. Und wenn sie auch durch den Tod getrennt werden, so haben sie doch den Trost, daß ihre Freundschaft und Gesellschaft ihnen, dem besten Gefühle nach, beständig gegenwärtig bleibt, weil diese unsterblich ist.

William Penn, Früchte der Einsamkeit. Zweyte Abtheilung


Die Heiligtümer des Todes

Harry fiel keuchend auf Gras und rappelte sich sofort wieder hoch.

Offenbar waren sie in der Abenddämmerung am Rand eines Feldes gelandet; Hermine lief bereits, ihren Zauberstab schwingend, im Kreis um sie herum.

»Protego totalum ... Salvio hexia ...«

»Dieser verräterische alte Dreckskerl!«, schnaufte Ron, kam unter dem Tarnumhang hervor und warf ihn Harry zu. »Du bist genial, Hermine, absolut genial, kaum zu glauben, dass wir da rausgekommen sind!«

»Cave inimkum ... hab ich nicht gesagt, dass es ein Erumpent-Horn war?

Hab ich ihn nicht gewarnt? Und jetzt ist sein Haus in die Luft geflogen!«

»Geschieht ihm recht!«, sagte Ron, der seine zerrissene Jeans und die Schnittwunden an seinen Beinen untersuchte. »Was glaubt ihr, was die mit ihm anstellen?«

»Oh, ich hoffe, sie bringen ihn nicht um!«, stöhnte Hermine. »Deshalb wollte ich, dass die Todesser Harry kurz sehen, ehe wir verschwinden, damit sie wissen, dass Xenophilius nicht gelogen hat!«

»Aber warum hast du mich getarnt?«, fragte Ron.

»Du liegst doch angeblich mit Griselkrätze im Bett, Ron! Sie haben Luna entführt, weil ihr Vater Harry unterstützt hat! "Was würde mit deiner Familie passieren, wenn sie wüssten, dass du bei ihm bist?«

»Und was ist mit deinen Eltern?«

»Die sind in Australien«, sagte Hermine. »Denen dürfte es gut gehen.

Sie wissen von gar nichts.«

»Du bist genial«, wiederholte Ron mit Ehrfurchtsmiene.

»Ja, das bist du, Hermine«, pflichtete ihm Harry eifrig bei. »Ich weiß nicht, was wir ohne dich machen würden.«

Sie strahlte, wurde aber sofort wieder ernst.

»Was ist mit Luna?«

»Also, wenn es stimmt, was die behaupten, und sie noch am Leben ist -

«, begann Ron.

»Sag so was nicht, sag so was nicht!«, stieß Hermine mit piepsender Stimme hervor. »Sie muss am Leben sein, sie muss!«

»Dann sitzt sie in Askaban, schätze ich«, sagte Ron. »Aber ob sie das überlebt ... viele schaffen es nicht ...«

»Sie wird es schaffen«, sagte Harry. Er mochte etwas anderes nicht einmal denken. »Luna, die ist zäh, viel zäher, als man glauben würde. Sie bringt den anderen Gefangenen wahrscheinlich alles über Schlickschlupfe und Nargel bei.«

»Hoffentlich hast du Recht«, sagte Hermine. Sie fuhr sich mit der Hand über die Augen. »Xenophilius würde mir so leidtun, wenn -«

»- wenn er nicht gerade versucht hätte, uns an die Todesser zu verkaufen, jaah«, sagte Ron.

Sie stellten das Zelt auf, schlüpften hinein, und Ron machte ihnen Tee.

Nach ihrer gerade noch geglückten Flucht kam ihnen das kalte und muffige alte Ding wie ein Zuhause vor, sicher, vertraut und freundlich.

»Meine Güte, was wollten wir dort eigentlich?«, stöhnte Hermine nach einigen Minuten der Stille. »Harry, du hattest Recht, es war noch mal wie in Godric's Hollow, eine komplette Zeitverschwendung! Die Heiligtümer des Todes ... was für ein Unsinn ... obwohl«, ihr war offenbar ein plötzlicher Gedanke gekommen, »vielleicht hat er das alles ja erfunden? Er glaubt wahrscheinlich gar nicht an die Heiligtümer des Todes, er wollte nur, dass wir weiterredeten, bis die Todesser kamen!«

»Das glaube ich nicht«, sagte Ron. »Es ist verdammt viel schwerer, als du dir vorstellst, irgendwas zu erfinden, wenn du im Stress bist. Das hab ich gemerkt, als die Greifer mich gefangen hatten. Es war viel leichter, so zu tun, als war ich Stan, als jemand ganz anderen zu erfinden, weil ich Stan ein wenig kannte. Der alte Lovegood stand schwer unter Druck, weil er dafür sorgen wollte, dass wir uns nicht vom Fleck rührten. Ich schätze, er hat uns die Wahrheit gesagt, oder was er für die "Wahrheit hält, nur damit wir uns weiter unterhielten.«

»Also, ich finde, dass das keine Rolle spielt«, seufzte Hermine. »Selbst wenn er ehrlich war, ich hab in meinem ganzen Leben noch nie so viel Blödsinn gehört.«

»Moment mal«, sagte Ron. »Die Kammer des Schreckens war doch angeblich auch eine erfundene Geschichte, oder?«

»Aber die Heiligtümer des Todes können nicht existieren, Ron!«

»Das behauptest du andauernd, aber eins von diesen Dingern könnte es schon geben«, sagte Ron. »Harrys Tarnumhang -«

»gt;Das Märchen von den drei Brüdernlt; ist eine Geschichte«, sagte Hermine bestimmt. »Eine Geschichte von Menschen, die Angst vor dem Tod haben. Wenn es so einfach wäre, zu überleben, indem man sich unter dem Tarnumhang versteckt, dann hätten wir schon alles, was wir brauchen!«

»Ich weiß nicht. Ein unbesiegbarer Zauberstab wär ziemlich nützlich für uns«, sagte Harry und drehte den Schwarzdornstab, den er so wenig mochte, in den Fingern.

»So etwas gibt es nicht, Harry!«

»Du hast gesagt, dass es viele Zauberstäbe gegeben hat – der Todesstab oder wie auch immer sie genannt wurden -«

»Von mir aus, red dir ruhig ein, dass es den Elderstab wirklich gibt, aber was ist mit dem Stein der Auferstehung?« Sie setzte den Begriff mit einem Fingerschnippen in Anführungszeichen und ihre Stimme triefte vor Sarkasmus. »Kein Zauber kann die Toten auferwecken, und damit basta!«

»Als sich mein Zauberstab mit dem von Du-weißt-schon-wem verband, ließ er meine Mum und meinen Dad erscheinen ... und Cedric ... «

»Aber sie waren nicht wirklich zurück von den Toten, oder?«, sagte Hermine. »Solche irgendwie – blassen Schattenwesen haben nichts damit zu tun, dass jemand tatsächlich ins Leben zurückgerufen wird.«

»Aber dieses Mädchen in dem Märchen, das ist ja auch nicht richtig zurückgekehrt, oder? In der Geschichte heißt es, dass die Menschen, sobald sie einmal tot sind, zu den Toten gehören. Aber der zweite Bruder bekam sie trotzdem zu sehen und konnte mit ihr reden, stimmt's? Er hat sogar eine Weile mit ihr gelebt ...«

Er sah Anteilnahme in Hermines Gesicht und noch etwas anderes, das nicht so einfach zu bestimmen war. Als sie Ron dann einen Blick zuwarf, erkannte Harry, dass es Angst war: Er hatte ihr mit seinem Gerede vom Leben mit toten Menschen Furcht eingejagt.

»Und dieser Peverell, der in Godric's Hollow begraben ist«, sagte er hastig und mit möglichst nüchterner Stimme, »über den weißt du also nichts?«

»Nein«, erwiderte sie, offensichtlich erleichtert über den Themawechsel.

»Ich hab nachgeschaut, nachdem ich das Zeichen auf seinem Grab gesehen hatte; wenn er jemand Berühmtes gewesen wäre oder etwas Wichtiges getan hätte, dann käme er sicher in einem unserer Bücher vor. Aber das einzige Buch, in dem ich den Namen gt;Peverelllt; finden konnte, ist Noblesse der Natur: Eine Genealogie der Zauberei. Ich hab es mir von Kreacher ausgeliehen«, erklärte sie, als Ron die Augenbrauen hochzog.

»Darin sind die reinblütigen Familien aufgeführt, die in der männlichen Linie inzwischen ausgestorben sind. Offenbar waren die Peverells eine der ersten Familien, die verschwanden.«

»gt;In der männlichen Linie ausgestorbenlt;?«, wiederholte Ron.

»Das heißt, dass der Name erloschen ist«, sagte Hermine, »im Falle der Peverells vor Jahrhunderten. Es könnte zwar immer noch Nachkommen geben, aber die würden einen anderen Namen tragen.«

Und dann kam Harry als leuchtendes Bild jene Erinnerung, die sich beim Namen Peverell geregt hatte: ein schmutziger alter Mann, der mit einem hässlichen Ring vor dem Gesicht eines Ministeriumsbeamten herumfuchtelte, und er schrie lauthals: »Vorlost Gaunt!«

»Was?«, sagten Ron und Hermine gleichzeitig.

»Vorlost Gaunt! Der Großvater von Du-weißt-schon-wem! Im Denkarium! Bei Dumbledore! Vorlost Gaunt hat behauptet, er würde von den Peverells abstammen!«

Ron und Hermine blickten verwirrt.

»Der Ring, der Ring, der zu dem Horkrux wurde, Vorlost Gaunt hat behauptet, darauf sei das Wappen der Peverells! Ich hab gesehen, wie er dem Typen vom Ministerium damit vor dem Gesicht rumgewedelt hat, er hat ihm den Ring fast in die Nase gedrückt!«

»Das Wappen der Peverells?«, sagte Hermine scharf. »Hast du mitbekommen, wie es aussah?«

»Nicht so richtig«, sagte Harry und versuchte sich zu erinnern. »Soweit ich erkennen konnte, war da nichts Großartiges drauf; vielleicht ein paar Kratzer. Ich hab ihn erst richtig aus der Nähe gesehen, als er schon aufgespalten war.«

Hermine riss plötzlich die Augen auf, und Harry wusste, dass sie begriffen hatte. Ron sah mit verblüffter Miene beide nacheinander an.

»Mensch ... du meinst, da war auch das Zeichen drauf? Das Zeichen der Heiligtümer?«

»Warum nicht?«, sagte Harry aufgeregt. »Vorlost Gaunt war ein ahnungsloser alter Widerling, der wie ein Schwein lebte, das einzig Wichtige für ihn waren seine Vorfahren. Wenn dieser Ring über die Jahrhunderte weitergegeben wurde, wusste er vielleicht gar nicht, was er in Wirklichkeit war. In diesem Haus gab es keine Bücher, und glaubt mir, der war nicht der Typ, der seinen Kindern Märchen vorliest. Er hat sicher liebend gern geglaubt, dass diese Kratzer auf dem Ring ein Wappen waren, denn reines Blut machte einen seiner Meinung nach geradezu königlich. «

»Ja ... und das ist alles sehr interessant«, sagte Hermine behutsam,

»aber, Harry, wenn du denkst, was ich denke, was du denkst -«

»Ja, warum denn nicht? Warum nicht?«, erwiderte Harry und ließ alle Vorsicht außer Acht. »Es war ein Stein, richtig?« Er wandte sich Hilfe suchend an Ron. »Was, wenn es der Stein der Auferstehung war?«

Ron klappte der Mund auf. »Ich fass es nicht – aber würde der immer noch funktionieren, wenn Dumbledore ihn zerbrochen -«

»Funktionieren? Funktionieren? Er hat nie funktioniert, Ron! So was wie einen Stein der Auferstehung gibt es nicht!« Hermine war aufgesprungen, entnervt und zornig. »Harry, du versuchst alles in diese Geschichte von den Heiligtümern hineinzuschustern -«

»Alles hineinzuschustern?«, erwiderte er. »Hermine, es passt von alleine! Ich weiß, dass das Symbol der Heiligtümer des Todes auf diesem Stein drauf war! Gaunt sagte, er würde von den Peverells abstammen!«

»Gerade hast du uns noch erzählt, dass du das Zeichen auf dem Stein gar nicht richtig erkennen konntest!«

»Wo, glaubst du, ist der Ring jetzt?«, fragte Ron Harry. »Was hat Dumbledore damit gemacht, nachdem er ihn aufgebrochen hat?«

Aber Harrys Phantasie eilte voraus, weit über die von Ron und Hermine hinaus ...

Drei Gegenstände, oder Heiligtümer, die, wenn sie vereint sind, ihren Besitzer zum Gebieter des Todes machen ... zum Gebieter ... Meister ...

Bezwinger ... der letzte Feind, der zerstört werden wird, ist der Tod...

Und er sah sich, im Besitz der Heiligtümer, Voldemort entgegentreten, dessen Horkruxe ihnen nicht gewachsen waren ... keiner kann leben, während der Andere überlebt ... war das die Antwort? Heiligtümer gegen Horkruxe? Gab es am Ende doch eine Möglichkeit, dafür zu sorgen, dass er derjenige war, der den Sieg davontrug? Wenn er der Gebieter der Heiligtümer des Todes wäre, wäre er dann gerettet?

»Harry?«

Doch er hörte Hermine kaum: Er hatte seinen Tarnumhang hervorgezogen und ließ ihn durch die Finger gleiten, diesen Stoff, der so geschmeidig war wie Wasser, so leicht wie Luft. Während seiner fast sieben Jahre in der Zaubererwelt hatte er nie etwas gesehen, das ihm gleichgekommen war. Der Tarnumhang war genau das, was Xenophilius beschrieben hatte: ein Umhang, der seinen Träger wirklich und wahrhaftig vollkommen unsichtbar macht und ewig haltbar ist, der dauerhaft und unaufspürbar verbirgt, welchen Zaubern er auch ausgesetzt sein mag ...

Und dann erinnerte er sich und der Atem stockte ihm.

»Dumbledore hatte meinen Tarnumhang in der Nacht, als meine Eltern starben!«

Seine Stimme bebte, und er spürte, wie ihm das Blut ins Gesicht schoss, doch es kümmerte ihn nicht. »Meine Mutter hat Sirius geschrieben, dass Dumbledore sich den Umhang ausgeliehen hat! Das war der Grund! Er wollte ihn untersuchen, weil er dachte, er sei das dritte Heiligtum! Ignotus Peverell liegt in Godric's Hollow begraben ...« Harry lief ziellos im Zelt umher mit dem Gefühl, als würden sich überall um ihn herum neue, großartige Ausblicke auf die Wahrheit auftun. »Er ist mein Vorfahr! Ich stamme von dem dritten Bruder ab! Das ist alles plausibel!«

Er fühlte sich mit Gewissheit gewappnet, mit seinem Glauben an die Heiligtümer, als ob die bloße Vorstellung, sie zu besitzen, ihn schützen würde, und wandte sich glücklich wieder den beiden andern zu.

»Harry«, sagte Hermine erneut, doch Harry war gerade dabei, mit heftig zitternden Fingern den Beutel um seinen Hals zu öffnen.

»Lies das«, verlangte er und drückte ihr den Brief seiner Mutter in die Hand. »Lies das! Dumbledore hatte den Tarnumhang, Hermine! Weshalb hätte er ihn denn sonst haben wollen? Er brauchte keinen Tarnumhang, er konnte einen so mächtigen Desillusionierungszauber hervorbringen, dass er sich auch ohne einen vollkommen unsichtbar machte!«

Etwas fiel zu Boden und kullerte glitzernd unter einen Stuhl: Er hatte zusammen mit dem Brief auch den Schnatz herausgezogen. Er bückte sich, um ihn aufzuheben, da trug ihm die neue Quelle, aus der er fabelhafte Entdeckungen schöpfte, ein weiteres Geschenk zu, und überwältigt von Schreck und Erstaunen schrie er auf.

»ER IST DADRIN! Er hat mir den Ring vermacht – er ist in dem Schnatz!«

»Meinst du – meinst du wirklich?«

Er konnte nicht verstehen, weshalb Ron so überrascht wirkte. Für Harry war es so offensichtlich, so klar: Alles passte, alles ... sein Tarnumhang war das dritte Heiligtum, und wenn er herausfand, wie der Schnatz zu öffnen war, würde er das zweite haben, und dann musste er nur noch das erste Heiligtum finden, den Elderstab, und dann -

Doch es war, als ob ein Vorhang vor einer beleuchteten Bühne fiel: All seine Begeisterung, all seine Hoffnung und sein Glück wurden mit einem Streich ausgelöscht, und er stand allein in der Dunkelheit, und der herrliche Zauber war gebrochen.

»Darauf hat er es abgesehen.«

Seine plötzlich veränderte Stimme ließ Ron und Hermine nur noch verängstigter blicken.

»Du-weißt-schon-wer hat es auf den Elderstab abgesehen.«

Er drehte ihren angespannten, ungläubigen Gesichtern den Rücken zu.

Er wusste, dass es die Wahrheit war. Es war alles schlüssig. Voldemort suchte keinen neuen Zauberstab; er suchte einen alten Zauberstab, einen sehr alten Zauberstab. Harry ging zum Eingang des Zeltes und vergaß, dass Ron und Hermine noch da waren, während er in die Nacht hinausblickte und nachdachte ...

Voldemort war in einem Waisenhaus der Muggel aufgewachsen.

Niemand hatte ihm die Märchen von Beedle dem Barden erzählen können, als er noch ein Kind war, wie auch Harry sie nie gehört hatte. Kaum ein Zauberer glaubte an die Heiligtümer des Todes. War es wahrscheinlich, dass Voldemort von ihnen wusste?

Harry starrte in die Dunkelheit... wenn Voldemort von den Heiligtümern des Todes gewusst hätte, dann hätte er sie mit Sicherheit gesucht, hätte alles getan, um sie zu bekommen: drei Gegenstände, die ihren Besitzer zum Gebieter des Todes machten? Wenn er von den Heiligtümern des Todes gewusst hätte, dann hätte er vielleicht gar keine Horkruxe gebraucht.

Bewies nicht die schlichte Tatsache, dass er eines von den Heiligtümern genommen und es zu einem Horkrux gemacht hatte, dass er dieses letzte große Geheimnis der Zauberer nicht kannte?

Was bedeutete, dass Voldemort den Elderstab suchte, ohne sich über dessen ganze Macht im Klaren zu sein, ohne zu verstehen, dass er eines von dreien war ... denn der Zauberstab war das Heiligtum, das nicht verborgen werden konnte, dessen Existenz am besten bekannt war ... die blutige Spur des Eiderstabs zieht sich durch die Annalen der Zaubereigeschichte ...

Harry betrachtete den wolkigen Himmel, rauchgraue und silbrige Schlieren glitten über das weiße Gesicht des Mondes. Das Erstaunen über seine Entdeckungen machte ihn ein wenig benommen.

Er ging wieder ins Zelt. Erschrocken sah er, dass Ron und Hermine noch genau da standen, wo er sie zurückgelassen hatte, Hermine immer noch mit Lilys Brief in der Hand, Ron an ihrer Seite mit leicht besorgter Miene. War ihnen nicht bewusst, welchen Weg sie in den letzten Minuten zurückgelegt hatten?

»Das ist es«, sagte Harry, bemüht, sie am Glanz seiner verblüffenden Gewissheit teilhaben zu lassen. »Das erklärt alles. Die Heiligtümer des Todes gibt es wirklich, und ich besitze eines davon – vielleicht zwei – «

Er hielt den Schnatz empor.

»- und Du-weißt-schon-wer jagt dem dritten hinterher, aber er weiß es nicht ... er glaubt, dass es nur ein mächtiger Zauberstab ist -«

»Harry«, sagte Hermine, kam auf ihn zu und gab ihm Lilys Brief zurück, »tut mir leid, aber ich glaube, du liegst da falsch, völlig falsch.«

»Aber begreifst du nicht? Es passt alles -«

»Nein, tut es nicht«, sagte sie. »Tut es nicht, Harry, du steigerst dich da nur in was rein. Bitte«, sagte sie, als er zu einer Erwiderung ansetzte, »bitte, beantworte mir nur diese Frage. Wenn es die Heiligtümer des Todes wirklich gäbe und Dumbledore von ihnen wusste, wenn er wusste, dass die Person, die sie alle drei besitzt, Gebieter des Todes wäre – Harry, warum hat er dir dann nicht davon erzählt? Warum?«

Er hatte die Antwort schon parat.

»Aber du hast es doch selbst gesagt, Hermine! Man muss es selber herausfinden! Es ist eine Suche!«

»Aber das habe ich nur gesagt, weil ich dich überreden wollte, mit zu den Lovegoods zu gehen!«, rief Hermine aufgebracht. »Ich hab nicht wirklich daran geglaubt!«

Harry nahm keine Notiz davon.

»Dumbledore hat mich immer gewisse Dinge selber herausfinden lassen. Ich sollte meine Stärken erproben, ich sollte Risiken eingehen. Das alles sieht ganz nach ihm aus.«

»Harry, das ist kein Spiel, das ist keine Übung! Das ist die Realität und Dumbledore hat dir ganz klare Anweisungen hinterlassen: Finde und zerstöre die Horkruxe! Dieses Symbol bedeutet nichts, vergiss die Heiligtümer des Todes, wir können es uns nicht erlauben, uns ablenken zu lassen -«

Harry hörte ihr kaum zu. Er drehte den Schnatz in den Händen, immer wieder, und hoffte fast, er würde aufbrechen und den Stein der Auferstehung offenbaren, um Hermine zu beweisen, dass er Recht hatte, dass die Heiligtümer des Todes tatsächlich existierten.

Sie wandte sich an Ron.

»Du glaubst nicht daran, oder?«

Harry blickte auf. Ron zögerte.

»Ich weiß nicht... ich meine ... teilweise passt es ja zusammen«, sagte Ron verlegen. »Aber wenn man es insgesamt betrachtet ...« Er holte tief Luft. »Ich glaube, wir sollen die Horkruxe erledigen, Harry. Das hat uns Dumbledore aufgetragen. Vielleicht... vielleicht sollten wir diese Sache mit den Heiligtümern vergessen.«

»Danke, Ron«, sagte Hermine. »Ich übernehme die erste Wache.«

Und indem sie an Harry vorbeimarschierte und sich im Zelteingang niederließ, bereitete sie dem Ganzen grimmig ein Ende.

Aber Harry schlief kaum in dieser Nacht. Die Idee von den Heiligtümern des Todes hatte Besitz von ihm ergriffen, und er fand keine Ruhe, während aufwühlende Gedanken ihm durch den Kopf wirbelten: der Zauberstab, der Stein und der Umhang, wenn er sie nur alle haben könnte

...

Ich öffne mich zum Schluss ... aber was war der Schluss? "Warum konnte er den Stein nicht jetzt haben? Wenn er ihn doch nur hätte, dann könnte er Dumbledore diese Fragen persönlich stellen ... und Harry murmelte dem Schnatz im Dunkeln Worte zu, versuchte alles, selbst Parsel, doch der goldene Ball wollte sich einfach nicht öffnen ...

Und der Zauberstab, der Elderstab, wo war der versteckt? Wo suchte Voldemort jetzt gerade? Harry wünschte, seine Narbe würde brennen und ihm Voldemorts Gedanken zeigen, denn zum ersten Mal überhaupt wollten Voldemort und er genau das Gleiche ... Hermine würde diese Vorstellung natürlich gar nicht behagen ... aber sie glaubte ja auch nicht ... Xenophilius hatte Recht gehabt, in gewisser Weise ... Engstirnig. Kleinmütig. Vernagelt.

In Wahrheit machte ihr der Gedanke an die Heiligtümer des Todes Angst, besonders der Stein der Auferstehung ... und Harry presste seinen Mund erneut auf den Schnatz, küsste ihn, verschluckte ihn fast, doch das kalte Metall gab nicht nach ...

Es war fast Morgen, als er sich an Luna erinnerte, die allein in einer Zelle in Askaban saß, umringt von Dementoren, und plötzlich schämte er sich. Er hatte sich fieberhaft mit den Heiligtümern beschäftigt und sie darüber ganz vergessen. Wenn sie Luna nur befreien könnten, aber Dementoren in solcher Vielzahl waren praktisch unangreifbar. Nun fiel ihm auch ein, dass er noch gar nicht versucht hatte, mit dem Schwarzdorn-Zauberstab einen Patronus hervorzubringen ... das musste er am Morgen nachholen ...

Wenn es nur eine Möglichkeit gäbe, einen besseren Zauberstab zu bekommen ...

Und wieder überkam ihn der Wunsch nach dem Elderstab, dem Todesstab, unbesiegbar, unschlagbar ...

Am nächsten Morgen packten sie das Zelt ein und zogen durch triste Regenschauer weiter. Der Regen begleitete sie bis an die Küste, wo sie in dieser Nacht das Zelt aufstellten, und weiter die ganze Woche, durch verschlammte Landschaften, die Harry trostlos und bedrückend fand. Er musste ständig an die Heiligtümer des Todes denken. Es war, als ob eine Flamme in ihm entfacht worden wäre, die durch nichts zu löschen war, weder durch Hermines schlichten Unglauben noch durch Rons beharrliche Zweifel. Und doch, je heftiger die Sehnsucht nach den Heiligtümern in ihm brannte, desto schlechter wurde seine Laune. Er gab Ron und Hermine die Schuld: Ihre entschiedene Gleichgültigkeit dämpfte seine Stimmung genauso wie der anhaltende Regen, doch nichts konnte seine Gewissheit untergraben, sie blieb unerschütterlich. Harrys Glaube an die Heiligtümer und sein Verlangen danach nahmen ihn derart in Anspruch, dass er sich von den beiden anderen und ihrer Besessenheit für die Horkruxe vollkommen isoliert fühlte.

»Besessenheit?«, sagte Hermine mit leiser, zorniger Stimme, als Harry eines Abends so unvorsichtig war, das Wort zu benutzen, nachdem Hermine ihm Vorwürfe gemacht hatte, weil er so wenig Interesse daran zeigte, weitere Horkruxe ausfindig zu machen. »Wir sind nicht diejenigen, die besessen sind, Harry! Wir versuchen das zu tun, was Dumbledore uns aufgetragen hat!«

Doch die unterschwellige Kritik prallte an ihm ab. Dumbledore hatte Hermine das Zeichen der Heiligtümer hinterlassen, damit sie es entschlüsselte, und Harry war nach wie vor überzeugt davon, dass er auch den Stein der Auferstehung hinterlassen hatte, im Goldenen Schnatz versteckt. Keiner kann leben, während der Andere überlebt ... Gebieter des Todes ... warum begriffen es Ron und Hermine nicht?

»Der letzte Feind, der zerstört werden wird, ist der Tod«, zitierte Harry ruhig.

»Ich dachte, wir sollten gegen Du-weißt-schon-wen kämpfen?«, entgegnete Hermine und Harry gab es auf.

Selbst das Geheimnis der silbernen Hirschkuh, über das die anderen beiden beharrlich reden wollten, kam Harry jetzt weniger wichtig vor, wie eine mäßig interessante Nebensache. Das Einzige, was ihn sonst noch stark beschäftigte, war seine Narbe, die wieder zu kribbeln begonnen hatte, was er allerdings möglichst vor den anderen zu verheimlichen suchte. Wann immer es passierte, zog er sich zurück, doch was er sah, enttäuschte ihn.

Die Bilder, die er mit Voldemort teilte, waren in ihrer Art nicht mehr wie vorher; sie waren auf einmal verwischt und veränderten sich, als würden sie ständig scharf gestellt und dann wieder unscharf. Harry konnte nur die undeutlichen Umrisse eines Gegenstands erkennen, der wie ein Totenschädel aussah, und etwas wie einen Berg, der eher ein Schatten war als feste Materie. Harry, der an gestochen scharfe Bilder gewöhnt war, beunruhigte diese Veränderung. Er machte sich Sorgen, dass die Verbindung zwischen ihm und Voldemort beschädigt worden sein könnte, eine Verbindung, die er gefürchtet und zugleich geschätzt hatte, was auch immer er Hermine gesagt haben mochte. Harry brachte diese unbefriedigenden, verschwommenen Bilder irgendwie mit der Zerstörung seines Zauberstabs in Zusammenhang, als ob es die Schuld des Schwarzdornstabs wäre, dass er nicht mehr so gut wie vorher in Voldemorts Geist hineinsehen konnte.

Während die Wochen dahinschlichen, konnte Harry, obwohl er so intensiv mit sich selbst beschäftigt war, nicht umhin zu bemerken, dass Ron nun offenbar die Dinge in die Hand nahm. Vielleicht weil er entschlossen war, wiedergutzumachen, dass er sie im Stich gelassen hatte, vielleicht weil Harrys Abgleiten in Teilnahmslosigkeit in ihm schlummernde Führungsqualitäten weckte, Ron war jedenfalls derjenige, der die andern beiden nun zum Handeln trieb und sie anfeuerte.

»Noch drei Horkruxe«, sagte er andauernd. »Wir brauchen einen Schlachtplan, kommt schon! Wo haben wir noch nicht gesucht? Gehen wir alles noch mal durch. Das Waisenhaus ...«

Die Winkelgasse, Hogwarts, das Haus der Riddles, Borgin und Burkes, Albanien, jeden Ort, von dem sie wussten, dass Tom Riddle einst dort gelebt oder gearbeitet hatte, dass er ihn besucht oder dort gemordet hatte, zogen Ron und Hermine noch einmal in Erwägung, und Harry machte nur mit, damit Hermine ihn in Ruhe ließ. Er hätte am liebsten stumm allein da gesessen und versucht, in Voldemorts Gedanken einzudringen, um mehr über den Elderstab herauszufinden, aber Ron bestand darauf, auch noch die Orte zu bereisen, die nur entfernt in Frage kamen, aus dem einzigen Grund, wie Harry wusste, dass er sie auf Trab halten wollte.

»Man weiß ja nie«, lautete Rons ständiger Spruch, »Upper Flagley ist ein Zaubererdorf, vielleicht hat er mal überlegt, dort zu leben. Gehen wir und schnüffeln ein bisschen rum.«

Bei diesen häufigen Vorstößen in Zauberergebiet bekamen sie gelegentlich auch Greifer zu Gesicht.

»Manche von denen sollen genauso übel sein wie Todesser«, sagte Ron.

»Die Bande, die mich gefasst hat, war ein bisschen lächerlich, aber Bill meint, dass einige wirklich gefährlich sind. Auf PotterWatch haben sie behauptet -«

»Auf was?«, fragte Harry.

»PotterWatch, hab ich dir den Namen noch nicht gesagt? Der Sender, den ich dauernd im Radio suche, der einzige, der die Wahrheit über das sagt, was gerade vor sich geht! Fast alle Sender halten sich an die Linie von Du-weißt-schon-wem, alle außer PotterWatch. War toll, wenn du ihn mal hören könntest, aber er ist total schwer reinzukriegen ...«

Abend für Abend trommelte Ron mit seinem Zauberstab unterschiedliche Rhythmen auf das Radio, während die Knöpfe sich schnell drehten. Gelegentlich erhaschten sie Bruchstücke einer Ratgebersendung über Drachenpocken, und einmal ein paar Takte von »Ein Kessel voller heißer, starker Liebe«. Während seines Getrommels versuchte Ron immer wieder, das richtige Passwort zu erwischen, indem er irgendwelche beliebigen Wortfolgen vor sich hin murmelte.

»Die haben meistens was mit dem Orden zu tun«, erklärte er ihnen.

»Bill hatte echt den Dreh raus, wie man sie errät. Irgendwann schaff ich's bestimmt auch mal ...«

Doch erst im März war das Schicksal Ron gewogen. Harry saß im Zelteingang auf Wache und starrte untätig auf ein Büschel Traubenhyazinthen, die sich durch den frostigen Erdboden gekämpft hatten, als Ron drinnen im Zelt begeistert aufschrie.

»Ich hab es, ich hab es! Das Passwort war gt;Albuslt;! Komm rein, Harry!«

Zum ersten Mal seit Tagen aus seinen Gedanken über die Heiligtümer des Todes gerissen, eilte Harry ins Zelt zurück und sah Ron und Hermine neben dem kleinen Radio auf dem Boden knien. Hermine, die gerade das Schwert von Gryffindor poliert hatte, nur um etwas zu tun zu haben, saß mit offenem Mund da und starrte auf den winzigen Lautsprecher, aus dem eine äußerst vertraute Stimme kam.

»... bitten wir zu entschuldigen, dass wir vorübergehend nicht über den Äther gingen, dies lag an einer Reihe von Hausbesuchen in unserer Gegend, die uns die reizenden Todesser abgestattet haben.«

»Das ist doch Lee Jordan!«, sagte Hermine.

»Ich weiß!«, strahlte Ron. »Cool, was?«

»... haben jetzt einen anderen sicheren Standort für uns gefunden«, sagte Lee Jordan gerade, »und ich freue mich, euch mitteilen zu können, dass zwei unserer ständigen Berichterstatter heute Abend bei mir sind, 'n Abend, Jungs.«

»Hallo.«

»'n Abend, Stromer.«

»gt;Stromerlt; ist Lee«, erklärte Ron. »Sie haben alle Decknamen, aber meistens weiß man -«

»Schh!«, machte Hermine.

»Doch bevor uns Royal und Romulus berichten«, fuhr Lee fort,

»nehmen wir uns einen Moment Zeit, um die Todesfälle zu melden, die die Nachrichten im Magischen Rundfunk und der Tagesprophet nicht für erwähnenswert halten. Mit großem Bedauern informieren wir unsere Hörer von den Morden an Ted Tonks und Dirk Cresswell.«

Harry hatte das Gefühl, als würde ihm etwas schwer auf den Magen schlagen. Er, Ron und Hermine starrten einander voll Entsetzen an.

»Ein Kobold namens Gornuk wurde ebenfalls getötet. Es wird vermutet, dass der muggelstämmige Dean Thomas und ein weiterer Kobold, die beide wohl mit Tonks, Cresswell und Gornuk unterwegs waren, entkommen konnten. Wenn Dean jetzt zuhört oder wenn jemand irgendetwas über seinen Aufenthaltsort weiß, seine Eltern und Schwestern warten verzweifelt auf Nachricht von ihm.

Unterdessen wurde in Gaddley eine fünfköpfige Muggelfamilie tot in ihrem Haus aufgefunden. Die Muggelbehörden führen diese Todesfälle auf eine defekte Gasleitung zurück, doch wie ich von Mitgliedern des Phönixordens erfahre, war es der Todesfluch. Ein weiterer Beweis dafür –als ob wir noch einen brauchten –, dass das Abschlachten von Muggeln unter dem neuen Regime allmählich zu einem gehobeneren Freizeitsport wird.

Zuletzt müssen wir unseren Hörerinnen und Hörern leider mitteilen, dass in Godric's Hollow die sterblichen Überreste von Bathilda Bagshot entdeckt wurden. Alles deutet darauf hin, dass sie schon vor einigen Monaten gestorben ist. Der Orden des Phönix teilt uns mit, dass ihre Leiche deutliche Spuren von Verletzungen aufwies, die durch schwarze Magie verursacht wurden.

Liebe Hörerinnen und Hörer, ich möchte Sie nun zu einer gemeinsamen Schweigeminute auffordern, zum Gedenken an Ted Tonks, Dirk Cresswell, Bathilda Bagshot, Gornuk und die namenlosen, doch nicht weniger zu betrauernden Muggel, die von den Todessern ermordet wurden.«

Stille trat ein, und Harry, Ron und Hermine sprachen kein Wort. Teils hatte Harry das Bedürfnis, mehr zu erfahren, teils hatte er Angst davor, was als Nächstes kommen mochte. Es war das erste Mal seit langem, dass er sich voll und ganz mit der Außenwelt verbunden fühlte.

»Danke«, sagte Lees Stimme. »Und nun zu unserem ständigen Berichterstatter Royal, der uns wieder einmal aktuell berichten wird, wie sich die neue Ordnung in der Zaubererwelt auf das Leben der Muggel auswirkt.«

»Danke, Stromer«, sagte eine unverkennbare Stimme, tief, gemessen und beruhigend.

»Kingsley!«, platzte Ron heraus.

»Wir wissen es!«, sagte Hermine und bedeutete ihm zu schweigen.

»Die Muggel wissen nach wie vor nicht, wer für ihr Leid verantwortlich ist, während sie weiterhin schwere Verluste zu beklagen haben«, sagte Kingsley. »Allerdings hören wir laufend wirklich inspirierende Geschichten von Zauberern und Hexen, die sich selbst in Gefahr bringen, um befreundete oder benachbarte Muggel zu schützen, häufig ohne dass die Muggel davon wissen. Ich möchte an all unsere Hörerinnen und Hörer appellieren, sich an ihnen ein Beispiel zu nehmen und vielleicht einen Schutzzauber über jedes Muggelhaus in ihrer Straße zu legen. Viele Leben könnten gerettet werden, wenn solche einfachen Maßnahmen ergriffen würden.«

»Und was würdest du den Hörern sagen, Royal, die darauf antworten, dass in diesen gefährlichen Zeiten gt;Zauberer zuerst gelten sollte?«, fragte Lee.

»Ich würde sagen, dass es nur ein kleiner Schritt von gt;Zauberer zuerstlt; bis zu gt;Reinblüter zuerstlt; und dann zu gt;Todesserlt; ist«, erwiderte Kingsley. »Wir sind alle Menschen, oder? Jedes Menschenleben ist gleich viel wert und schützenswert.«

»Hervorragend gesagt, Royal, und sollten wir aus diesem Schlamassel je wieder rauskommen, kriegst du meine Stimme, wenn du für den Posten des Zaubereiministers kandidierst«, sagte Lee. »Und nun zu Romulus und unserer beliebten Reportagereihe: Freunde von Potter.«

»Danke, Stromer«, sagte eine weitere, sehr vertraute Stimme; Ron wollte etwas sagen, doch Hermine kam ihm mit einem Flüstern zuvor.

»Wir wissen, dass es Lupin ist!«

»Romulus, behauptest du immer noch, wie jedes Mal, wenn du in unserer Sendung bist, dass Harry Potter nach wie vor am Leben ist?«

»Allerdings«, sagte Lupin bestimmt. »Ich habe keinerlei Zweifel daran, dass die Todesser die Nachricht von seinem Tod möglichst weit verbreiten würden, wenn er eingetreten wäre, denn das würde der Moral all derjenigen, die dem neuen Regime Widerstand leisten, einen tödlichen Schlag versetzen. Der Junge, der überlebt hatlt; bleibt eine Symbolfigur für alles, wofür wir kämpfen: den Triumph des Guten, die Macht der Unschuld, die Notwendigkeit, weiterhin Widerstand zu leisten.«

Eine Mischung aus Dankbarkeit und Scham stieg in Harry auf. Hatte Lupin ihm also die schrecklichen Dinge verziehen, die er ihm bei ihrem letzten Treffen vorgeworfen hatte?

»Und was würdest du Harry sagen, wenn du wüsstest, dass er jetzt zuhört, Romulus?«

»Ich würde ihm sagen, dass wir alle in Gedanken bei ihm sind«, antwortete Lupin, dann zögerte er kurz. »Und ich würde ihm sagen, er soll seinem Instinkt folgen, der sicher und fast immer richtig ist.«

Harry sah Hermine an, die Tränen in den Augen hatte.

»Fast immer richtig«, wiederholte sie.

»Ach, hab ich's euch nicht erzählt?«, sagte Ron überrascht. »Bill meinte, Lupin würde wieder mit Tonks zusammenleben! Und offenbar wird sie schon ziemlich rund.«

»... und wie immer deine Neuigkeiten über die Freunde von Harry Potter, die wegen ihrer Treue zu ihm leiden?«, sagte Lee gerade.

»Nun, wie Stammhörer sicher wissen, sind einige der freimütigsten Anhänger von Harry Potter inzwischen im Gefängnis, darunter Xenophilius Lovegood, der ehemalige Herausgeber des Klitterers -«, sagte Lupin.

»Wenigstens ist er noch am Leben!«, murmelte Ron.

»Wir haben in den letzten Stunden auch erfahren, dass Rubeus Hagrid -

«, sie keuchten alle drei und verpassten so beinahe den Rest des Satzes, »der bekannte Wildhüter der Hogwarts-Schule, knapp der Festnahme auf dem Gelände von Hogwarts entkommen ist, wo er Gerüchten zufolge eine

gt;Harry-Potter-Freundschaftspartylt; veranstaltet haben soll. Hagrid wurde jedoch nicht verhaftet und ist, soweit wir wissen, auf der Flucht.«

»Ich schätze mal, dass es auf der Flucht vor Todessern hilfreich ist, wenn man einen fünf Meter großen Halbbruder hat?«, fragte Lee.

»Das verschafft einem vermutlich einen Vorteil«, stimmte Lupin in ernstem Ton zu. »Darf ich nur noch hinzufügen, dass wir hier bei PotterWatch zwar Hagrids Mut loben, aber selbst den treuesten von Harrys Anhängern dringend davon abraten möchten, Hagrids Beispiel zu folgen.

gt;Harry-Potter-Freundschaftspartyslt; sind im gegenwärtigen Klima nicht sonderlich klug.«

»In der Tat, Romulus«, sagte Lee, »wir schlagen daher vor, dass ihr eure Treue zu dem Mann mit der Blitznarbe weiterhin zeigt, indem ihr PotterWatch hört! Und nun zum Neuesten über den Zauberer, der sich als genauso ungreifbar erweist wie Harry Potter. Wir bezeichnen ihn gerne als den Obersten Todesser, und ich möchte euch hiermit einen neuen Korrespondenten vorstellen, der uns seine Version von einigen besonders verrückten Gerüchten, die über den Obersten Todesser in Umlauf sind, erzählen wird: Hallo, Nager.«

»Nager?«, sagte eine weitere vertraute Stimme, und Harry, Ron und Hermine schrien gleichzeitig auf: »Fred!«

»Nein – ist es George?«

»Es ist Fred, glaube ich«, sagte Ron und neigte sich weiter vor, als welcher Zwilling auch immer sagte: »Ich bin nicht gt;Nagerlt;, vergiss es, ich hab dir doch gesagt, dass ich gt;Beißerlt; sein will!«

»Oh, also gut. gt;Beißerlt;, würdest du uns bitte die verschiedenen Geschichten aus deiner Sicht erläutern, die wir in letzter Zeit über den Obersten Todesser gehört haben?«

»Ja, Stromer, gern«, sagte Fred. »Wie unsere Hörer sicher wissen, es sei denn, sie haben Zuflucht am Boden eines Gartenteichs oder an einem ähnlichen Ort gesucht, erzeugt die Strategie von Du-weißt-schon-wem, im Verborgenen zu bleiben, ein hübsches bisschen Panik. Wohlgemerkt, wenn alle angeblichen Sichtungen von ihm echt sind, müssten gut neunzehn Du-weißt-schon-wers momentan in der Gegend rumlaufen.«

»Was ihm natürlich sehr gelegen kommt«, sagte Kingsley. »Das Geheimnisvolle schürt mehr Angst, als wenn er sich tatsächlich zeigen würde.«

»Richtig«, sagte Fred. »Also, Leute, bemühen wir uns und beruhigen uns ein wenig. Die Zeiten sind schlecht genug, auch ohne dass wir noch irgendwelche Geschichten dazuerfinden. Zum Beispiel heißt es neuerdings, dass Du-weißt-schon-wer mit einem einzigen Blick aus seinen Augen töten kann. Das kann ein Basilisk, liebe Hörer. Ein ganz einfacher Test: Schaut nach, ob das Ding, das euch böse anstarrt, Beine hat. Wenn ja, ist es ungefährlich, ihm in die Augen zu sehen, obwohl, wenn es wirklich Du-weißt-schon-wer ist, dann ist das wahrscheinlich trotzdem eure letzte Tat.«

Zum ersten Mal seit vielen Wochen lachte Harry: Er spürte, wie die Last der Anspannung von ihm abfiel.

»Und die Gerüchte, dass er ständig im Ausland gesichtet wird?«, fragte Lee.

»Nun, wer würde nicht gern einen netten kleinen Urlaub einlegen, nach all der harten Arbeit, die er leistet?«, fragte Fred. »Die Sache ist die, Leute, lasst euch nicht in einem falschen Gefühl der Sicherheit wiegen, und denkt bloß nicht, er wär außer Landes. Vielleicht ist er es, vielleicht auch nicht, aber Tatsache bleibt, wenn er will, kann er schneller sein als ein Severus Snape, dem man Haarshampoo vor die Nase hält, also setzt nicht darauf, dass er weit weg ist, wenn ihr vorhabt, irgendwelche Risiken einzugehen.

Ich hätte nie gedacht, dass ich mich das mal sagen höre, aber es gilt: Sicherheit geht über alles!«

»Vielen Dank für diese klugen Worte, Beißer«, sagte Lee. »Liebe Hörerinnen und Hörer, damit endet ein weiteres PotterWatch. Wir wissen nicht, wann es uns erneut möglich sein wird zu senden, aber ihr könnt sicher sein, wir kommen wieder. Dreht munter an den Knöpfen: Das nächste Passwort lautet gt;Mad-Eyelt;. Gebt auf euch Acht und lasst nicht locker. Gute Nacht.«

Der Knopf am Radio wirbelte herum und die Beleuchtung der Senderskala erlosch. Harry, Ron und Hermine strahlten immer noch.

Vertraute, freundliche Stimmen zu hören war eine besondere Stärkung; Harry hatte sich an ihre Abgeschiedenheit so gewöhnt, dass er fast vergessen hatte, dass auch andere Widerstand gegen Voldemort leisteten.

Es war, als würde er aus einem langen Schlaf erwachen.

»Gut, was?«, sagte Ron glücklich.

»Großartig«, sagte Harry.

»Wie viel Mut die haben«, seufzte Hermine voll Bewunderung. »Wenn man sie erwischen würde ...«

»Na ja, die sind dauernd auf Achse, oder?«, sagte Ron. »Wie wir.«

»Aber habt ihr gehört, was Fred gesagt hat?«, fragte Harry aufgeregt; nun, da die Sendung zu Ende war, kehrten seine Gedanken erneut zu der ihn völlig vereinnahmenden Besessenheit zurück. »Er ist im Ausland! Er sucht immer noch nach dem Zauberstab, ich wusste es!«

»Harry -«

»Komm schon, Hermine, warum willst du es partout nicht zugeben?

Vol-«

»NEIN, HARRY!«

»-demort ist hinter dem Elderstab her!«

»Der Name hat ein Tabu!«, brüllte Ron und sprang auf, als draußen vor dem Zelt ein lauter Knall ertönte. »Ich hab's dir doch gesagt, Harry, ich hab's dir doch gesagt, wir dürfen ihn nicht mehr aussprechen – wir müssen die Schutzzauber um uns wieder aufbauen – schnell – so finden die -«

Aber Ron verstummte und Harry wusste, warum. Das Spickoskop auf dem Tisch hatte aufgeleuchtet und begann sich zu drehen; sie konnten Stimmen hören, die immer näher kamen: raue, aufgeregte Stimmen. Ron zog den Deluminator aus seiner Tasche und ließ ihn klicken: Ihre Lampen erloschen.

»Kommt mit erhobenen Händen da raus!«, drang eine schnarrende Stimme durch die Dunkelheit. »Wir wissen, dass ihr dadrin seid! Ein halbes Dutzend Zauberstäbe ist auf euch gerichtet, und es ist uns egal, wen wir verfluchen!«