"Harry Potter und die Heiligtümer des Todes" - читать интересную книгу автора (Роулинг Джоан)Erbteil des fluches, hässlicher sünde blutige wunde, schmerzen, wer trüge sie? quälen, wer stillte sie? wehe weh! Einzig der erbe heilet des hauses eiternde wunde, einzig mit blut'gem schnitt. götter der finsternis rief mein lied. Sel'ge geister drunten in der tiefe, wenn ihr die beschwörungsrufe hörtet, bringt den kindern hilfe, bringt den sieg. Aischylos, Sterben ist nur ein Uebergang aus dieser Welt in die andere, als wenn Freunde über See gehen, welche dennoch in einander fortleben. Denn Diejenigen, die im Allgegenwärtigen lieben und leben, müssen nothwendig einander gegenwärtig seyn. In diesem göttlichen Spiegel sehen sie sich von Angesicht zu Angesicht, und ihr Umgang ist so wohl frey als rein. Und wenn sie auch durch den Tod getrennt werden, so haben sie doch den Trost, daß ihre Freundschaft und Gesellschaft ihnen, dem besten Gefühle nach, beständig gegenwärtig bleibt, weil diese unsterblich ist. William Penn, Das verschollene Diadem»Neville – was zum – wie -?« Aber Neville hatte Ron und Hermine entdeckt und schloss nun auch sie unter Freudenschreien in die Arme. Je länger Harry Neville ansah, desto schlimmer erschien ihm sein Zustand: Eines seiner Augen war geschwollen, gelb und lila, auf seinem Gesicht waren Narben von Stichen, und so heruntergekommen, wie er insgesamt wirkte, lag der Schluss nahe, dass ihm in letzter Zeit übel mitgespielt worden war. Und doch leuchtete sein zerschundenes Gesicht vor Glück, als er Hermine losließ und noch einmal sagte: »Ich wusste, dass ihr kommen würdet! Ist nur eine Frage der Zeit, hab ich immer zu Seamus gesagt!« »Neville, was ist mit dir passiert?« »Was? Das?« Neville tat seine Verletzungen mit einem Kopfschütteln ab. »Das ist nichts. Seamus schaut übler aus. Du wirst sehen. Gehen wir dann? Oh«, er wandte sich an Aberforth, »Ab, es sind vielleicht noch ein paar Leute unterwegs.« »Noch ein paar?«, wiederholte Aberforth düster. »Was soll das heißen, noch ein paar, Longbottom? Es gibt eine Ausgangssperre und auf dem ganzen Dorf liegt ein Katzenjammer-Zauber!« »Ich weiß, deshalb werden sie direkt in die Bar apparieren«, sagte Neville. »Schick sie einfach den Gang runter, wenn sie da sind, ja? Vielen Dank.« Neville reichte Hermine die Hand und half ihr, auf den Kaminsims und in den Tunnel zu steigen; Ron folgte, dann Neville. Harry richtete das Wort an Aberforth. »Ich weiß nicht, wie ich Ihnen danken soll. Sie haben uns das Leben gerettet, zwei Mal.« »Dann passt darauf auf«, sagte Aberforth barsch. »Ein drittes Mal kann ich es vielleicht nicht retten.« Harry kletterte auf den Kaminsims und durch das Loch hinter Arianas Porträt. Auf der anderen Seite waren glatte steinerne Stufen: Es sah aus, als gäbe es den Tunnel schon seit Jahren. Messinglampen hingen an den Wänden, und der Erdboden war festgetreten und eben; während sie gingen, bewegten sich ihre Schatten wie Fächer über die Wände. »Wie lange gibt es den schon?«, fragte Ron, als sie aufbrachen. »Er ist nicht auf der Karte des Rumtreibers, oder, Harry? Ich dachte, es gäbe nur sieben Geheimgänge in die Schule?« »Die haben sie vor Beginn des Schuljahrs alle versiegelt«, sagte Neville. »Es gibt jetzt keine Möglichkeit mehr, durch einen davon hindurchzukommen, Flüche liegen auf den Eingängen, und Todesser und Dementoren warten an den Ausgängen.« Er ging nun rückwärts, strahlte und sah sie alle genau an. »Aber das ist jetzt egal ... stimmt es? Seid ihr in Gringotts eingebrochen? Seid ihr einem Drachen entkommen? Das geht überall rum, alle reden drüber, Terry Boot ist von Carrow zusammengeschlagen worden, weil er es in der Großen Halle beim Abendessen rumposaunt hat!« »Ja, es stimmt«, sagte Harry. Neville lachte übermütig. »Was habt ihr mit dem Drachen gemacht?« »Freigelassen«, sagte Ron. »Hermine wollte ihn unbedingt als Kuscheltier behalten -« »Übertreib nicht, Ron -« »Aber was habt ihr die ganze Zeit getrieben? Es hieß, ihr seid nur auf der Flucht gewesen, Harry, aber das glaube ich nicht. Ich glaube, dass ihr irgendwas vorhattet.« »Da hast du Recht«, sagte Harry, »aber erzähl uns von Hogwarts, Neville, wir haben überhaupt nichts gehört. « »Es war ... also, es ist eigentlich nicht mehr Hogwarts«, sagte Neville, und während er sprach, verschwand das Lächeln aus seinem Gesicht. »Kennt ihr die Carrows?« »Diese beiden Todesser, die hier unterrichten?« »Die unterrichten nicht nur«, sagte Neville. »Die sind für die ganze Disziplin verantwortlich. Die stehen auf Strafen, diese Carrows.« »Wie Umbridge?« »Nee, die ist zahm dagegen. Die anderen Lehrer sollen uns an die Carrows übergeben, wenn wir irgendetwas ausgefressen haben. Das tun sie aber nicht, wenn sie es vermeiden können. Man merkt, dass die alle sie genauso hassen wie wir. Amycus, der Bruder, unterrichtet, was früher mal Verteidigung gegen die dunklen Künste war, nur dass es jetzt einfach die dunklen Künste sind. Wir sollen den Cruciatus-Fluch an Leuten üben, die sich Nachsitzen eingehandelt haben -« Harrys, Rons und Hermines vereinte Stimmen hallten durch den Tunnel. »Jaah«, sagte Neville. »Dabei hab ich den hier abgekriegt«, und er deutete auf einen besonders tiefen Schnitt an seiner Wange. »Ich hab mich geweigert, es zu tun. Manche Leute stehen aber drauf; Crabbe und Goyle lieben es. Das allererste Mal, dass sie in irgendwas richtig gut sind, schätze ich. Alecto, die Schwester von Amycus, lehrt Muggelkunde, das ist Pflichtfach für alle. Wir müssen ihr zuhören, wenn sie erklärt, dass Muggel wie Tiere sind, dumm und schmutzig, und dass sie die Zauberer in den Untergrund getrieben hätten, weil sie fies zu ihnen waren, und dass nun die natürliche Ordnung wiederaufgebaut wird. Das hier hab ich gekriegt«, er zeigte auf eine weitere Schnittwunde in seinem Gesicht, »weil ich sie gefragt habe, wie viel Muggelblut sie und ihr Bruder in sich haben.« »Verdammt, Neville«, sagte Ron, »man kann nicht überall und jederzeit eine freche Lippe riskieren. « »Du hast sie nicht gehört«, erwiderte Neville. »Du hättest es auch nicht ertragen. Der Punkt ist, es hilft, wenn Leute sich gegen die wehren, es gibt allen Hoffnung. Das ist mir früher immer aufgefallen, wenn du es getan hast, Harry.« »Aber die haben dich als Messerschleifer benutzt«, sagte Ron und fuhr leicht zusammen, als sie an einer Lampe vorbeikamen und Nevilles Verletzungen noch deutlicher hervortraten. Neville zuckte die Achseln. »Ist egal. Die wollen nicht zu viel reines Blut vergießen, also foltern sie uns ein wenig, wenn wir frech sind, aber umbringen werden sie uns dann doch nicht.« Harry wusste nicht, was schlimmer war, die Dinge, die Neville berichtete, oder der nüchterne Ton, in dem er sie berichtete. »Die Einzigen, die wirklich in Gefahr sind, sind die, deren Freunde und Verwandte draußen Ärger machen. Die werden als Geiseln genommen. Der alte Xeno Lovegood wurde im »Neville, es geht ihr gut, wir haben sie gesehen -« »Jaah, ich weiß, sie hat es geschafft, mir eine Botschaft zu schicken.« Er zog eine goldene Münze aus seiner Tasche, und Harry erkannte darin eine der falschen Galleonen, die Dumbledores Armee benutzt hatte, um Nachrichten auszutauschen. »Die waren toll«, sagte Neville und strahlte Hermine an. »Die Carrows haben nie spitzgekriegt, wie wir in Verbindung stehen, es hat sie wahnsinnig gemacht. Wir sind nachts immer rausgeschlichen und haben Graffiti an die Wände gemalt: »Ihr das immer gemacht?«, sagte Harry, dem die Vergangenheitsform aufgefallen war. »Na ja, es wurde mit der Zeit schwieriger«, sagte Neville. »Weihnachten haben wir Luna verloren, und Ginny kam nach Ostern nicht mehr zurück, und wir drei waren sozusagen die Anführer. Die Carrows wussten anscheinend, dass ich hinter vielem steckte, daher haben sie angefangen, mir schwer zuzusetzen, und dann ist Michael Corner auch noch dabei erwischt worden, als er einen Erstklässler befreien wollte, den sie angekettet hatten, und sie haben ihn ziemlich übel gefoltert. Das hat die Leute verschreckt.« »Das glaub ich dir«, murmelte Ron, während der Gang anzusteigen begann. »Jaah, nun, ich konnte von den Leuten nicht verlangen, das Gleiche durchzumachen wie Michael, also haben wir solche Kunststückchen bleiben lassen. Aber wir haben weitergekämpft, haben Sachen im Untergrund gemacht, bis vor ein paar Wochen. Da sind sie wohl zu der Überzeugung gekommen, dass es nur einen Weg gibt, mich zu stoppen, und sind zu Oma gegangen.« »Sie sind »Jaah«, sagte Neville, der jetzt ein wenig schnaufte, weil der Gang so steil wurde, »also, ihr könnt verstehen, wie die ticken. Es hatte richtig gut funktioniert, Kinder zu entführen, um ihre Verwandten zu zwingen, sich zu benehmen, da war's wohl bloß eine Frage der Zeit, bis sie es andersrum machten. Die Sache war nur«, er drehte sich zu ihnen um, und Harry sah verblüfft, dass er grinste, »die haben sich an Oma ziemlich die Zähne ausgebissen. Kleine alte Hexe, die allein lebt, haben sie sich wahrscheinlich gedacht, da braucht man keinen zu schicken, der besonders viel draufhat. Jedenfalls«, Neville lachte, »ist Dawlish immer noch im St. Mungo und Oma auf der Flucht. Sie hat mir einen Brief geschickt«, er klatschte mit der Hand auf die Brusttasche seines Umhangs, »und schreibt, dass sie stolz auf mich ist und dass ich ganz nach meinen Eltern schlage, und ich soll nicht lockerlassen.« »Cool«, sagte Ron. »Jaah«, sagte Neville glücklich. »Das Einzige war, dass sie, sobald ihnen klar wurde, dass sie mich nicht in der Hand hatten, zu dem Schluss kamen, Hogwarts könne eigentlich auch ohne mich auskommen. Ich weiß nicht, ob sie vorhatten, mich umzubringen oder nach Askaban zu schicken, auf jeden Fall wusste ich, dass es Zeit war, zu verschwinden.« »Aber«, sagte Ron, der vollkommen verwirrt aussah, »gehen – gehen wir jetzt nicht geradewegs zurück nach Hogwarts?« »'türlich«, erwiderte Neville. »Du wirst schon sehen. Wir sind da.« Sie bogen um eine Ecke und nun lag das Ende des Durchgangs vor ihnen. Eine weitere kurze Treppe führte zu einer Tür genau wie die, die hinter Arianas Porträt versteckt war. Neville stieß sie auf und kletterte hindurch. Harry folgte ihm und hörte, wie Neville irgendwelchen Leuten, die er nicht sehen konnte, zurief: »Schaut mal, wer da kommt. Hab ich es euch nicht gesagt?« Als Harry den Raum jenseits des Tunnels betrat, ertönten etliche Schreie und Rufe - »HARRY!« »Es ist Potter, es ist POTTER!« »Ron!« Er hatte einen verworrenen Eindruck von farbigen Wandbehängen, von Lampen und vielen Gesichtern. Im nächsten Moment wurden er, Ron und Hermine von etwa zwei Dutzend Leuten bestürmt, die sie umarmten, ihnen auf die Schultern schlugen, ihnen die Haare zerstrubbelten, die Hände schüttelten, als ob sie gerade ein Quidditch-Endspiel gewonnen hätten. »Okay, okay, beruhigt euch!«, rief Neville, und als die Menge zurückwich, konnte Harry sich umsehen, wo sie gelandet waren. Er erkannte den Raum überhaupt nicht. Er war riesig und wirkte eher wie das Innere eines ungewöhnlich luxuriösen Baumhauses oder die Kajüte eines gigantischen Schiffes. Bunte Hängematten waren an der Decke und an einer Galerie befestigt, die an den dunklen, holzgetäfelten und fensterlosen Wänden entlanglief, die mit hellen Wandteppichen bedeckt waren: Harry sah den goldenen Gryffindor-Löwen auf scharlachrotem Hintergrund prangen; den schwarzen Dachs von Hufflepuff auf gelbem und den bronzenen Adler von Ravenclaw auf blauem Grund. Nur das Silber und Grün von Slytherin fehlte. Es gab vollgestopfte Bücherregale, ein paar Besen lehnten an den Wänden, und in der Ecke stand ein großes Radio mit hölzernem Gehäuse. »Wo sind wir?« »Raum der Wünsche natürlich!«, sagte Neville. »Besser geht's nicht, was? Die Carrows waren hinter mir her, und ich wusste, dass ich nur eine einzige Möglichkeit hatte, mich zu verstecken: Ich hab es geschafft, durch die Tür zu kommen, und das hier hab ich vorgefunden! Also, er sah nicht genauso aus wie jetzt, als ich ankam, er war viel kleiner, es gab nur eine Hängematte und nur Wandbehänge von Gryffindor. Aber er hat sich ausgedehnt, als immer mehr von der DA gekommen sind.« »Und die Carrows können nicht rein?«, fragte Harry und sah sich nach der Tür um. »Nein«, sagte Seamus Finnigan, den Harry erst jetzt erkannte, da er sprach: Seamus' Gesicht war geschwollen und voll blauer Flecken. »Es ist ein gutes Versteck; solange einer von uns hier drinbleibt, kommen sie nicht an uns ran, die Tür geht nicht auf. Das ist alles Neville zu verdanken. Er hat diesen Raum wirklich »Es ist im Grunde ziemlich einfach«, sagte Neville bescheiden. »Ich war etwa anderthalb Tage hier drin und wurde so richtig hungrig und wünschte, ich könnte was zu essen bekommen, da hat sich der Tunnel zum »Jaah, Essen ist eine der fünf Ausnahmen von Gamps Gesetz der Elementaren Transfiguration«, sagte Ron zum allgemeinen Erstaunen. »Jedenfalls verstecken wir uns schon seit fast zwei Wochen hier«, sagte Seamus, »und jedes Mal, wenn wir mehr Hängematten brauchen, macht der Raum einfach noch welche, und er hat sogar ein ziemlich gutes Bad sprießen lassen, sobald Mädchen aufgetaucht sind -« »- die dachten, sie würden sich ganz gern waschen, ja«, ergänzte Lavender Brown, die Harry bis dahin nicht bemerkt hatte. Nun, da er sich richtig umsah, erkannte er viele vertraute Gesichter. Beide Patil-Zwillinge waren da, wie auch Terry Boot, Ernie Macmillan, Anthony Goldstein und Michael Corner. »Aber erzählt uns, was ihr vorhattet«, sagte Ernie, »es gab so viele Gerüchte, wir haben versucht, auf Er wies auf das Radio. »Ihr seid doch nicht in Gringotts eingebrochen?« »Doch!«, sagte Neville. »Und das mit dem Drachen stimmt auch!« Es gab von verschiedenen Seiten Beifall und einiges Gejohle; Ron machte eine Verbeugung. »Auf was wart ihr aus?«, fragte Seamus begierig. Ehe einer von ihnen die Frage mit einer Gegenfrage abschmettern konnte, spürte Harry einen fürchterlichen, brennenden Schmerz in der Blitznarbe. Rasch kehrte er den neugierigen und freudestrahlenden Gesichtern den Rücken zu, der Raum der Wünsche verschwand, und er stand in einer verfallenen Steinhütte, die fauligen Dielen zu seinen Füßen waren auseinandergerissen, ein ausgegrabenes goldenes Kästchen lag offen und leer neben dem Loch, und Voldemorts zorniger Schrei erschütterte seinen Kopf. Mit gewaltiger Mühe zog er sich aus Voldemorts Geist heraus, zurück in den Raum der Wünsche, wo er schwankend und mit schweißüberströmtem Gesicht dastand und von Ron auf den Beinen gehalten wurde. »Alles in Ordnung mit dir, Harry?«, fragte Neville. »Möchtest du dich hinsetzen? Ich schätze, du bist müde, oder -?« »Nein«, sagte Harry. Er sah Ron und Hermine an und versuchte, ihnen wortlos zu verstehen zu geben, dass Voldemort gerade den Verlust eines der anderen Horkruxe entdeckt hatte. Die Zeit wurde nun knapp: Wenn Voldemort beschloss, als Nächstes nach Hogwarts zu kommen, dann hätten sie ihre Chance verpasst. »Wir müssen los«, sagte er und las in ihren Gesichtern, dass sie begriffen hatten. »Und was sollen wir tun, Harry?«, fragte Seamus. »Wie lautet der Plan?« »Plan?«, wiederholte Harry. Er bot all seine Willenskraft auf, um nicht wieder Voldemorts Zorn nachzugeben: Seine Narbe brannte immer noch. »Also, es gibt etwas, das wir – Ron, Hermine und ich – erledigen müssen, und dann verschwinden wir von hier.« Nun lachte oder johlte keiner mehr. Neville schien verwirrt. »Was soll das heißen, von hier verschwinden?« »Wir sind nicht zurückgekommen, um hierzubleiben«, sagte Harry, während er sich die Narbe rieb, um den Schmerz zu lindern. »Es gibt etwas Wichtiges, das wir tun müssen »Was denn?« »Das – das kann ich euch nicht sagen.« Darauf ging ein leises Murren durch die Runde: Nevilles Augenbrauen zogen sich zusammen. »Warum kannst du es uns nicht sagen? Es hat was mit dem Kampf gegen Du-weißt-schon-wen zu tun, stimmt's?« »Nun, jaah -« »Dann helfen wir dir.« Die anderen Mitglieder von Dumbledores Armee nickten, manche begeistert, andere ernst. Einige erhoben sich von ihren Stühlen, um ihre Bereitschaft zu bekunden, sofort loszulegen. »Ihr versteht nicht.« Harry kam es vor, als hätte er das in den letzten paar Stunden häufig gesagt. »Wir – wir können es euch nicht sagen. Wir müssen es – alleine tun.« »Warum?«, fragte Neville. »Weil ...« Harry war so erpicht darauf, die Suche nach dem fehlenden Horkrux zu beginnen oder zumindest mit Ron und Hermine allein darüber zu sprechen, wo sie damit anfangen sollten, dass es ihm schwerfiel, seine Gedanken zu sammeln. Seine Narbe brannte nach wie vor. »Dumbledore hat uns dreien eine Aufgabe hinterlassen«, sagte er vorsichtig, »und wir sollen nicht darüber reden – ich meine, er wollte, dass wir es tun, nur wir drei.« »Wir sind seine Armee«, sagte Neville. »Dumbledores Armee. Wir waren da alle gemeinsam drin, wir haben damit weitergemacht, während ihr drei ohne uns weg wart -« »Es war nicht gerade ein Picknick, Mann«, sagte Ron. »Das hab ich nicht behauptet, aber ich verstehe nicht, warum ihr uns nicht vertrauen könnt. Jeder in diesem Raum hat gekämpft, und alle mussten hier rein, weil die Carrows Jagd auf sie gemacht haben. Jeder hier drin hat bewiesen, dass er zu Dumbledore hält – zu euch hält.« »Sieh mal«, begann Harry, ohne zu wissen, was er sagen würde, doch es spielte keine Rolle: In diesem Moment hatte sich die Tür zum Tunnel hinter ihm geöffnet. »Wir haben deine Nachricht bekommen, Neville! Hallo, ihr drei, ich dachte mir schon, dass ihr hier sein müsst!« Es waren Luna und Dean. Seamus brüllte laut vor Freude und rannte los, um seinen besten Freund zu umarmen. »Hi, alle zusammen!«, rief Luna glücklich. »Oh, ist es toll, wieder hier zu sein!« »Luna«, sagte Harry irritiert, »was machst du denn hier? Wie bist du -?« »Ich hab sie gerufen«, sagte Neville und hielt die falsche Galleone hoch. »Ich hab ihr und Ginny versprochen, dass ich ihnen Bescheid geben würde, wenn ihr auftaucht. Wir dachten alle, dass es Revolution bedeutet, wenn ihr zurückkommt. Dass wir dann Snape und die Carrows stürzen.« »Natürlich bedeutet es das«, sagte Luna munter. »Stimmt doch, Harry, oder? Wir vertreiben sie aus Hogwarts?« »Hört zu«, sagte Harry mit wachsender Panik. »Es tut mir leid, aber deswegen sind wir nicht zurückgekommen. Wir müssen etwas erledigen, und dann -« »Wollt ihr uns in diesem Schlamassel zurücklassen?«, fragte Michael Corner. »Nein!«, sagte Ron. »Was wir tun, wird am Ende allen nützen, es geht einzig und allein darum, Du-weißt-schon-wen loszuwerden -« »Dann lasst uns helfen!«, erwiderte Neville wütend. »Wir wollen dabei sein!« Hinter ihnen waren erneut Geräusche zu hören und Harry wandte sich um. Das Herz schien ihm zu stocken: Ginny kletterte gerade durch das Loch in der Wand, dicht gefolgt von Fred, George und Lee Jordan. Sie schenkte Harry ein strahlendes Lächeln: Er hatte vergessen oder nie richtig wahrgenommen, wie hübsch sie war, aber er hatte sich noch nie so wenig gefreut, sie zu sehen. »Aberforth wird allmählich 'n bisschen fuchsig«, sagte Fred und hob die Hand, um einige Willkommensrufe zu quittieren. »Er will 'ne Runde pennen, aber seine Kneipe hat sich in einen Bahnhof verwandelt.« Harry klappte der Mund auf. Gleich hinter Lee Jordan kam Harrys Exfreundin Cho Chang zum Vorschein. Sie lächelte ihn an. »Ich hab die Nachricht bekommen«, sagte sie, hielt ihre falsche Galleone hoch und ging zu Michael Corner hinüber, um sich neben ihn zu setzen. »Also, wie lautet der Plan, Harry?«, fragte George. »Es gibt keinen«, sagte Harry, noch immer verwirrt über das plötzliche Erscheinen all dieser Leute und nicht in der Lage, all das zu bewältigen, während seine Narbe weiterhin so heftig brannte. »Dann lassen wir uns einfach unterwegs einen einfallen, oder? Solche Pläne mag ich am liebsten«, sagte Fred. »Du musst das hier stoppen!«, sagte Harry zu Neville. »Wozu hast du sie alle zurückgerufen? Das ist Irrsinn -« »Wir kämpfen, oder etwa nicht?«, fragte Dean und holte seine falsche Galleone hervor. »In der Nachricht hieß es, dass Harry zurück ist und dass wir kämpfen werden! Allerdings brauch ich noch einen Zauberstab -« »Du hast keinen Plötzlich drehte sich Ron zu Harry um. »Warum können sie denn nicht helfen?« »Was?« »Sie können helfen.« Er senkte die Stimme und sagte so leise, dass außer Hermine, die zwischen ihnen stand, niemand von den anderen ihn hören konnte: »Wir wissen nicht, wo er ist. Wir müssen ihn schnell finden. Wir müssen ihnen ja nicht sagen, dass es ein Horkrux ist.« Harry blickte von Ron zu Hermine, die jetzt murmelte: »Ich glaube, Ron hat Recht. Wir wissen nicht mal, wonach wir suchen, wir brauchen die anderen.« Und als Harry wenig überzeugt dreinsah, fuhr sie fort: »Du musst nicht alles alleine machen, Harry.« Harry überlegte rasch, seine Narbe kribbelte immer noch, sein Kopf drohte erneut zu zerspringen. Dumbledore hatte ihn davor gewarnt, außer Ron und Hermine sonst noch jemandem von den Horkruxen zu erzählen. »Na gut«, sagte er leise zu den beiden anderen. »Okay«, rief er in die Menge, und aller Lärm verebbte: Fred und George, die zur Erheiterung ihrer Nachbarn Witze gerissen hatten, verstummten, und alle sahen wachsam und aufgeregt aus. »Es gibt etwas, das wir finden müssen«, sagte Harry. »Etwas – etwas, das uns helfen wird, Du-weißt-schon-wen zu stürzen. Es ist hier in Hogwarts, aber wir wissen nicht wo. Es könnte Ravenclaw gehört haben. Hat irgendjemand schon mal von so einem Gegenstand gehört? Ist irgendjemand mal auf etwas gestoßen, auf dem zum Beispiel ihr Adler war?« Er blickte hoffnungsvoll zu dem Grüppchen der Ravenclaws, zu Padma, Michael, Terry und Cho, doch es war die auf der Armlehne von Ginnys Stuhl sitzende Luna, die antwortete. »Also, da wäre ihr verschollenes Diadem. Ich hab dir davon erzählt, weißt du noch, Harry? Das verschollene Diadem von Ravenclaw? Daddy versucht, es nachzubilden.« »Jaah, aber das verschollene Diadem«, sagte Michael Corner und verdrehte die Augen, »ist »Wann ging es verloren?«, fragte Harry. »Vor Jahrhunderten, heißt es«, sagte Cho und Harry sank der Mut. »Professor Flitwick meint, dass das Diadem mit Ravenclaw selbst verschwunden ist. Man hat danach gesucht, aber«, sie wandte sich mit fragendem Blick an die anderen Ravenclaws, »niemand hat je eine Spur davon gefunden, oder?« Sie alle schüttelten die Köpfe. »'tschuldigung, aber was »Es ist eine Art Krone«, sagte Terry Boot. »Das von Ravenclaw hatte angeblich magische Eigenschaften, es konnte dem Träger höhere Weisheit verleihen. « »Ja, die Schlickschlupf-Absauger von Daddy -« Aber Harry schnitt Luna das Wort ab. »Und niemand von euch hat jemals etwas gesehen, was so ausschaut?« Wiederum schüttelten alle die Köpfe. Harry blickte Ron und Hermine an und sah seine eigene Enttäuschung in ihren Gesichtern widergespiegelt. Ein Gegenstand, der schon so lange verschollen war, und offenbar spurlos, schien kein guter Kandidat für den Horkrux zu sein, der im Schloss verborgen war ... Ehe Harry jedoch eine weitere Frage formulieren konnte, ergriff Cho erneut das Wort. »Wenn du wissen möchtest, wie das Diadem ausgesehen haben soll, könnte ich mit dir in unseren Gemeinschaftsraum hochgehen und es dir zeigen, Harry. Ravenclaw trägt es auf ihrer Statue.« Harrys Narbe flammte abermals auf: Für einen Moment verschwamm der Raum der Wünsche vor seinen Augen, und stattdessen sah er die dunkle Erde unter sich dahingleiten und spürte die große Schlange, die sich um seine Schultern gelegt hatte. Voldemort flog wieder, ob nun zu dem unterirdischen See oder hierher zum Schloss, das wusste Harry nicht: Wie auch immer, es blieb wenig Zeit. »Er ist unterwegs«, sagte er leise zu Ron und Hermine. Er warf einen kurzen Blick auf Cho, dann wandte er sich erneut den beiden zu. »Hört zu, ich weiß, es wird nicht viel helfen, aber ich geh und schau mir diese Statue an, dann weiß ich wenigstens, wie das Diadem aussieht. Wartet hier auf mich und passt auf, dass – das andere – ihr wisst schon, sicher ist.« Cho war aufgestanden, aber Ginny sagte recht bissig: »Nein, Luna geht mit Harry, nicht wahr, Luna?« »Oooh, ja, gerne«, sagte Luna glücklich und Cho setzte sich mit enttäuschter Miene wieder hin. »Wie kommen wir hier raus?«, fragte Harry Neville. »Dort drüben. « Er ging mit Harry und Luna zu einer Ecke, wo sich ein kleiner Schrank zu einer steilen Treppe hin öffnete. »Sie führt jeden Tag irgendwo anders hin, deswegen haben sie sie nie gefunden«, sagte Neville. »Das Dumme ist nur, dass wir nie genau wissen, wo wir landen, wenn wir rausgehen. Sei vorsichtig, Harry, nachts patrouillieren sie immer in den Korridoren.« »Kein Problem«, sagte Harry. »Wir sehen uns später.« Er und Luna eilten die lange Treppe hoch, die von Fackeln erleuchtet war und an unerwarteten Stellen um Ecken bog. Schließlich gelangten sie zu einer scheinbar massiven Wand. »Komm hier drunter«, sagte Harry zu Luna, zog den Tarnumhang hervor und warf ihn über sie beide. Er gab der Wand einen kleinen Schubs. Bei seiner Berührung löste sie sich auf und sie schlüpften hinaus. Als Harry zurückschaute, stellte er fest, dass sie sich augenblicklich wieder geschlossen hatte. Sie standen in einem dunklen Korridor: Harry zog Luna zurück in die Schatten, tastete in dem Beutel herum, der um seinen Hals hing, und zog die Karte des Rumtreibers heraus. Er hielt sie sich dicht vor die Nase, suchte und fand endlich seinen und Lunas Punkt. »Wir sind oben im fünften Stock«, flüsterte er und sah zu, wie Filch sich, einen Korridor weiter, von ihnen entfernte. »Komm, hier lang.« Sie schlichen los. Harry war schon oft nachts durch das Schloss gestreift, doch noch nie hatte sein Herz so schnell gehämmert, noch nie hatte so viel davon abgehangen, dass er sicher durchkam. Über Mondlichtvierecke auf dem Boden, an Rüstungen vorbei, deren Helme beim Geräusch ihrer leisen Schritte quietschten, um Ecken herum, hinter denen wer weiß was lauerte, gingen Harry und Luna dahin, sie sahen auf der Karte des Rumtreibers nach, wann immer es hell genug dafür war, und hielten zweimal inne, um nicht von einem vorbeikommenden Gespenst bemerkt zu werden. Harry rechnete damit, jeden Moment auf ein Hindernis zu stoßen; seine größte Sorge war Peeves, und er spitzte bei jedem Schritt die Ohren, um die ersten verräterischen Zeichen des näher kommenden Poltergeists zu hören. »Hier lang, Harry«, hauchte Luna, zupfte an seinem Ärmel und zog ihn zu einer Wendeltreppe. In engen, Schwindel erregenden Kreisen stiegen sie hinauf; hier oben war Harry noch nie gewesen. Endlich gelangten sie zu einer Tür. Sie hatte keine Klinke und kein Schlüsselloch: Da war nichts als eine glatte Fläche aus altem Holz mit einem bronzenen Türklopfer in Form eines Adlers. Luna streckte eine blasse Hand aus, die schaurig in der Luft zu schweben schien, ohne einen zugehörigen Arm oder Körper. Sie klopfte ein Mal und in der Stille kam es Harry vor wie ein Kanonenschlag. Sofort öffnete sich der Schnabel des Adlers, doch statt eines Vogelschreis hörten sie eine leise, melodische Stimme: »Was war zuerst da, der Phönix oder die Flamme?« »Hmm ... was meinst du, Harry?«, sagte Luna mit nachdenklicher Miene. »Was? Gibt es nicht einfach ein Passwort?« »O nein, man muss eine Frage beantworten«, sagte Luna. »Und wenn man falsch antwortet?« »Tja, dann muss man auf jemand anderen warten, der es richtig macht«, sagte Luna. »Auf diese Weise lernt man was, verstehst du?« »Jaah ... das Problem ist nur, dass wir es uns eigentlich nicht leisten können, auf jemand anderen zu warten, Luna.« »Nein, ich verstehe, was du meinst«, sagte Luna ernst. »Also dann, ich glaube, die Antwort ist, dass ein Kreis keinen Anfang hat.« » Gut überlegt«, sagte die Stimme und die Tür schwang auf. Der verlassene Gemeinschaftsraum der Ravenclaws war groß und kreisförmig, luftiger als jeder andere Raum, den Harry je in Hogwarts gesehen hatte. Die Mauern, an denen blaue und bronzene Seidenbanner hingen, waren mit anmutigen Bogenfenstern versehen: Tagsüber hatten die Ravenclaws sicher eine überwältigende Aussicht auf die umliegenden Berge. Die Decke war kuppeiförmig und mit Sternen bemalt, die auf dem mitternachtsblauen Teppich wiederauftauchten. Es gab Tische, Sessel und Bücherschränke, und in einer Nische gegenüber der Tür stand eine große weiße Marmorstatue. Harry erkannte Rowena Ravenclaw von der Büste her, die er bei Luna zu Hause gesehen hatte. Die Statue stand neben einer Tür, die, wie er vermutete, nach oben zu den Schlafsälen führte. Er ging geradewegs auf die marmorne Frau zu, und sie schien seinen Blick mit einem angedeuteten spöttischen Lächeln im Gesicht zu erwidern, schön, doch ein wenig einschüchternd. Ein zerbrechlich wirkender Schmuckreif war in Marmor auf ihrem Kopf nachgebildet worden. Er war dem Diadem nicht unähnlich, das Fleur bei ihrer Hochzeit getragen hatte. Winzige Worte waren darin eingraviert. Harry trat unter dem Tarnumhang hervor, stieg auf Ravenclaws Sockel und las sie vor. »Was dich ziemlich alt aussehen lässt, du Witzloser«, sagte eine gackernde Stimme. Harry wirbelte herum, rutschte vom Sockel und landete auf dem Boden. Alecto Carrows Gestalt mit den hängenden Schultern stand vor ihm, und gerade als Harry seinen Zauberstab erhob, drückte sie einen stummeligen Zeigefinger auf den Schädel und die Schlange, die in ihren Unterarm eingebrannt waren. |
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