"Karlsson fliegt wieder" - читать интересную книгу автора (Линдгрен Астрид)
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„Wo soll ich anfangen?" fragte Lillebror.
„Du Dummer, du mußt natürlich mit den Nußschalen anfangen", sagte Karlsson. „Es ist nicht nötig, daß du so gründlich putzt, ich putze ja gewissermaßen ständig und lasse es nie ganz zuwachsen. Du brauchst nur noch so das Feinere zu machen."
Die Nußschalen lagen auf dem Fußboden neben einem Berg von Apfelsinenschalen und Kirschkernen und Wurstpellen und Papierfetzen und abgebrannten Streichhölzern und lauter anderen Dingen. Vom Fußboden selber war nichts zu sehen.
„Hast du einen Staubsauger?" fragte Lillebror, nachdem er ein Weilchen überlegt hatte.
Diese Frage kam Karlsson sehr ungelegen, das merkte man. Er sah Lillebror verdrießlich an.
„Es gibt schon Faulpelze, das kann man wohl sagen! Ich habe den besten Handfeger der Welt und die beste Müllschaufel der Welt, das genügt aber gewissen Faultieren nicht, nee, nee, ein Staubsauger muß es sein, damit man nichts selber zu machen braucht."
Karlsson schnaubte.
„Ich könnte tausend Staubsauger haben, wenn ich wollte. Aber ich bin nicht so träge von Natur wie gewisse andere Leute. Ich ziehe es vor, mich zu rühren."
„Ich aber auch", sagte Lillebror zur Entschuldigung. „Nur -ach ja, du hast ja auch gar keinen elektrischen Strom für einen Staubsauger."
Ihm fiel ein, daß Karlssons Haus ganz unmodern war. Hier gab es weder elektrischen Strom noch eine Wasserleitung. Karlsson hatte eine Petroleumlampe, die abends leuchtete, und Wasser bekam er aus den Regentonnen, die draußen an der Hausecke standen.
„Einen Müllschacht hast du auch nicht", sagte Lillebror. „Den brauchst du aber wirklich."
„Ich und keinen Müllschacht", sagte Karlsson. „Was weißt du davon? Kehre zuerst mal den Müll zusammen, dann zeige ich dir den besten Müllschacht der Welt."
Lillebror seufzte. Dann nahm er den Handfeger und machte sich an die Arbeit. Karlsson hatte die Arme hinter dem Nacken verschränkt und schaute sehr befriedigt zu. Und er sang Lillebror etwas vor, wie er versprochen hatte:
„Ganz recht, so ist es", sagte Karlsson und wühlte sich in das Kissen hinein, damit er noch besser läge. Dann sang er abermals, und Lillebror fegte und fegte. Als er jedoch beim besten Fegen war, sagte Karlsson:
„Da du sowieso beim Arbeiten bist, kannst du mir gleich ein bißchen Kaffee kochen."
„Ich?" fragte Lillebror.
„Ja bitte", sagte Karlsson. „Ich möchte allerdings nicht, daß du meinetwegen besondere Mühe hast. Du brauchst nur den Herd anzumachen und ein bißchen Wasser zu holen und den Kaffee-satz aufzubrühen. Den Kaffee werde ich schon allein trinken."
Lillebror blickte mißmutig auf den Fußboden, der noch lange nicht sauber war.
„Kannst du nicht den Kaffee machen, während ich ausfege?"
schlug er vor.
Karlsson seufzte schwer.
„Wie um Himmels willen macht man es bloß, so faul zu werden wie du?" fragte er. „Wenn du doch gerade dabei bist — ist es dann so schwierig, gleich ein bißchen Kaffee zu kochen?"
„Nein, natürlich nicht", sagte Lillebror. „Wenn ich allerdings meine Meinung sagen soll. . ."
„Das
Lillebror legte den Handfeger hin. Er nahm einen Eimer und lief hinaus, um Wasser zu holen. Er zerrte Holz aus dem Holzstapel und steckte es in den Herd, und er tat sein Bestes, um das Feuer anzuzünden, aber es wollte nicht gelingen.
„Ich habe keine Übung", sagte er, um sich zu entschuldigen.
„Könntest du nicht lieber - ich meine, nur anzünden?"
„Das möchtest du wohl", sagte Karlsson. „Ja, wenn ich auf den Beinen wäre, das wäre eine andere Sache, dann könnte ich dir vielleicht zeigen, wie man es macht, aber jetzt liege ich nun zufällig, da kannst du nicht verlangen, daß ich auch noch alles für dich machen soll."
Das verstand Lillebror. Er versuchte es noch einmal, und nun begann es plötzlich im Herd zu prasseln und zu zischen.
„Es kommt", sagte Lillebror zufrieden.
„Na siehst du! Man braucht nur ein bißchen Energie", sagte Karlsson. „Setz jetzt ruhig den Kaffee auf und mach ein hübsches kleines Tablett zurecht und such ein paar Zimtwecken hervor. Dann kannst du fertigkehren, während das Kaffeewasser heiß wird."
„Und der Kaffee — bist du sicher, daß du den allein trinken kannst?" fragte Lillebror. Wahrlich, er konnte mitunter ganz schön spöttisch sein.
„Aber gewiß doch, den Kaffee trinke ich allein", sagte Karlsson.
„Du kannst aber auch ein bißchen bekommen, denn ich bin ja so unerhört gastfrei."
Und als Lillebror fertig gefegt und alle Nußschalen und Kirschkerne und Papierschnitzel in Karlssons großen Mülleimer ge-schaufelt hatte, tranken sie auf Karlssons Sofakante Kaffee. Sie aßen viele Wecken dazu. Und Lillebror saß hier bei Karlsson und fühlte sich wohl, wenn es auch anstrengend war, bei ihm etwas gründlicher zu putzen.
„Wo hast du denn nun diesen Müllschacht?" fragte Lillebror, nachdem er den letzten Wecken verzehrt hatte.
„Ich zeige ihn dir", sagte Karlsson. „Nimm den Mülleimer und komm mit!"
Er ging vor Lillebror auf den Treppenabsatz vor der Tür hinaus.
„Da", sagte er und zeigte auf die Regenrinne.
„Wieso - was meinst du?" fragte Lillebror.
„Da geh rüber", sagte Karlsson. „Da hast du den besten Müllschacht der Welt."
„Soll ich den Müll auf die Straße werfen?" fragte Lillebror.
„Das kann man doch nicht tun."
Karlsson riß ihm den Mülleimer aus der Hand.
„Das wirst du ja sehen. Komm her!"
Den Eimer in der Hand, rannte er über das Dach dahin. Lillebror erschrak - wenn Karlsson nun nicht rechtzeitig anhalten konnte, bevor er an die Dachrinne kam!
„Bremse!" rief Lillebror. „Bremse!"
Und Karlsson bremste. Jedoch nicht eher, als bis er am äußer-sten Rand angelangt war.
„Worauf wartest du noch?" schrie Karlsson. „Komm her!"
Lillebror setzte sich auf sein Hinterteil und rutschte vorsichtig bis an die Dachrinne.
„Der beste Müllschacht der Welt - Fallhöhe zwanzig Meter", sagte Karlsson und kippte frischweg den Mülleimer aus. Durch den besten Müllschacht der Welt stürzten Kirschkerne, Nußschalen und Papierschnitzel in einem dicken Schwall auf die Straße hinunter und fielen einem feinen Herrn, der auf dem Bürgersteig daherkam und ein Zigarre rauchte, auf den Kopf.
„Ui", sagte Lillebror, „ui, ui, ui, guck mal, der hat es auf den Kopf gekriegt."
Karlsson zuckte mit den Schultern.
„Wer hat ihn gebeten, genau unter meinem Müllschacht vorbei-zugehen? Mitten im Großreinmachen!"
Lillebror machte ein bedenkliches Gesicht.
„Ja, aber der hat nun Nußschalen ins Hemd gekriegt und Kirschkerne ins Haar, das ist nicht gerade angenehm."
„Das stört keinen großen Geist", sagte Karlsson. „Hat man weiter keine Sorgen hier im Leben als ein paar Nußschalen im Hemd, dann kann man froh sein."
Es machte jedoch nicht den Eindruck, als ob der Herr mit der Zigarre besonders froh wäre. Man konnte sehen, wie er sich schüttelte, und dann hörte man, wie er nach der Polizei rief.
„Wie manche Leute sich doch wegen Kleinigkeiten aufregen", sagte Karlsson. „Er sollte lieber dankbar sein. Wenn nun die Kirschkerne in seinem Haar Wurzel schlagen, dann wächst da vielleicht ein hübscher kleiner Kirschbaum, und dann kann er den ganzen Tag Kirschen pflücken und Kerne spucken."
Dort unten auf der Straße ließ sich kein Polizist blicken. Der Herr mit der Zigarre mußte mit seinen Nußschalen und seinen Kirschkernen nach Hause gehen.
Karlsson und Lillebror kletterten wieder über das Dach zu Karlssons Haus zurück.
„Übrigens möchte ich auch Kirschkerne spucken", sagte Karlsson. „Da du sowieso bei der Arbeit bist, hol doch mal den Beutel mit den Kirschen, der hängt drinnen unter der Decke."
„Glaubst du, daß ich da herankomme?" fragte Lillebror.
„Steig auf die Hobelbank", sagte Karlsson.
Das tat Lillebror, und hinterher saßen Karlsson und Lillebror auf der Treppe und aßen getrocknete Kirschen und spuckten die Kerne in alle Richtungen. Sie kullerten mit leisem Prasseln über das Dach nach unten. Es klang so lustig.
Jetzt fing es an, dämmerig zu werden. Eine weiche, warme Herbstdämmerung senkte sich auf alle Dächer und alle Häuser.
Lillebror rückte näher an Karlsson heran. Es war gemütlich, dort auf der Treppe zu sitzen und mit Kirschkernen um sich zu spucken, während es immer dunkler wurde. Die Häuser sahen jetzt so anders aus, dunkel und geheimnisvoll und zuletzt ganz schwarz. Es war, als hätte jemand sie mit einer großen Schere aus schwarzem Papier ausgeschnitten und nur einige goldene Vierecke als Fenster daraufgesetzt. Es tauchten immer mehr leuchtende Vierecke in all dem Schwarz auf, denn nun zündeten die Menschen in ihren Häusern nach und nach das Licht an.
Lillebror versuchte, die Vierecke zu zählen. Zuerst waren es nur drei, dann waren es zehn, schließlich waren es viele, viele.
Durch die Fenster konnte man sehen, wie Menschen in den Stuben umhergingen und dieses oder jenes taten, und man konnte sich fragen, was sie machten und wer sie waren und weshalb sie gerade dort wohnten und nicht woanders.
Aber nur Lillebror fragte sich das, Karlsson nicht.
„Irgendwo müssen sie ja wohnen, die armen Menschen", sagte Karlsson. „Sie können ja nicht alle ein Haus auf dem Dach haben. Sie können ja nicht alle der beste Karlsson der Welt sein."
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