"Karlsson fliegt wieder" - читать интересную книгу автора (Линдгрен Астрид)
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Lillebror ging in sein Zimmer, wütend und hungrig. Bimbo lag in seinem Körbchen und schlief, fuhr aber hoch wie eine Rakete, als Lillebror kam. Es war wenigstens einer da, der sich freute, ihn zu sehen. Lillebror schlang die Arme um Bimbo.
„Ist sie dir auch dumm gekommen? Oh, ich kann sie nicht aus-stehen! ,Häng die Jacke auf, und wasch dir die Hände' - soll ich nicht auch die Sachen lüften und mir die Füße waschen, was?
„Ich hänge immer die Jacke auf, ohne daß mir's einer sagt, verstanden!"
Er schmiß die Jacke in Bimbos Korb, und Bimbo legte sich sofort darauf und knabberte ein bißchen an dem einen Ärmel.
Lillebror trat ans Fenster und schaute hinaus. Da stand er nun und spürte so richtig, wie traurig er war und wie sehr er sich nach Mama sehnte. Plötzlich sah er etwas, was ihn aufmunterte.
Über dem Hausdach jenseits der Straße machte Karlsson Flugübungen. Er kreiste zwischen den Schornsteinen umher und schlug ab und zu einen Purzelbaum in der Luft.
Lillebror winkte ihm eifrig zu, und Karlsson kam mit solcher Geschwindigkeit durch das Fenster gebraust, daß Lillebror beiseite springen mußte, wenn er ihn nicht an den Kopf kriegen wollte.
„Heißa hopsa, Lillebror", sagte Karlsson. „Hab' ich dir etwa was getan, oder weshalb machst du so ein saures Gesicht? Ist dir nicht wohl?"
„Nein, wahrhaftig nicht", sagte Lillebror. Und nun erzählte er Karlsson von seinem Kummer. Daß Mama verreist sei und daß sie statt dessen einen Hausbock bekommen hätten, so einen, der schimpfte und meckerte und so geizig war, daß man nicht mal einen Wecken kriegte, wenn man von der Schule nach Hause kam, obgleich eine ganze Platte mit frisch gebackenen Wecken am Fenster stand.
Karlssons Augen begannen zu funkeln.
„Du hast Glück", sagte er, „der beste Hausbockbändiger der Welt, rate, wer das ist!"
Lillebror erriet gleich, daß es Karlsson sein müsse. Wie Karlsson aber Fräulein Bock bändigen wollte, das konnte er sich nicht vorstellen.
„Ich fange damit an, daß ich sie tirritiere", sagte Karlsson.
„,Irritiere', meinst du", sagte Lillebror.
Solche dummen Bemerkungen mißfielen Karlsson.
„Hätte ich ,irritierenc gemeint, dann hätte ich es gesagt. ,Tirri-tieren' ist ungefähr dasselbe, nur noch teuflischer, das hörst du dem Wort schon an."
Lillebror probierte es und mußte Karlsson recht geben. „Tirri-tieren" klang teuflischer.
„Ich glaube, ich fange mit einem bißchen Wecken-Tirritierung an", sagte Karlsson. „Und du mußt helfen."
„Wie denn?" fragte Lillebror.
„Geh einfach nur in die Küche und unterhalte dich mit dem Hausbock."
„Ja, aber ...", sagte Lillebror.
„Kein Aber", sagte Karlsson. „Unterhalte dich mit ihr, so daß ihre Augen ein Weilchen von der Weckenplatte abgelenkt sind."
Karlsson gluckste vor Lachen. Dann drehte er am Startknopf, und der Motor begann zu brummen. Munter glucksend steuerte Karlsson zum Fenster hinaus.
Und Lillebror ging kühn in die Küche. Jetzt hatte er den besten Hausbockbändiger der Welt, und nun fürchtete er nichts mehr.
Diesmal war Fräulein Bock noch weniger erfreut, ihn zu sehen.
Sie war nämlich dabei, sich Kaffee zu kochen, und Lillebror merkte, sie wollte es sich jetzt ein Weilchen behaglich machen mit Kaffee und frischen Wecken. Es waren anscheinend nur Kinder, denen es schlecht bekam, wenn sie zwischen den Mahlzeiten etwas aßen.
Fräulein Bock sah Lillebror mißbilligend an.
„Was willst du?" fragte sie, und ihre Stimme klang genauso unwirsch, wie sie selbst aussah.
Lillebror überlegte. Jetzt kam es darauf an, eine Unterhaltung in Gang zu bringen. Was in aller Welt sollte er aber sagen?
„Raten Sie mal, was ich mache, wenn ich ebenso groß bin wie Sie, Fräulein Bock", sagte er schließlich.
Im selben Augenblick vernahm er ein Brummen draußen vor dem Fenster, und dieses Brummen kannte er. Sehen konnte er Karlsson aber nicht. Das einzige, was er sah, war eine kurze dicke Hand, die hinter dem Fenstersims hervorkam und einen Zimtwecken von der Platte nahm. Lillebror kicherte. Fräulein Bock hatte nichts gemerkt.
„Was willst du denn machen, wenn du groß bist?" fragte sie ungeduldig. Wirklich wissen wollte sie es keineswegs. Sie wollte nur Lillebror so schnell wie möglich loswerden.
„Ja, raten Sie mal", sagte Lillebror.
Da sah er von neuem die kurze dicke Hand vorbeihuschen und einen Wecken von der Platte nehmen. Und Lillebror kicherte von neuem. Er versuchte, es zu lassen, aber es ging nicht. Es kam so viel Gekicher in ihm hoch, daß es nur so aus ihm heraussprudelte. Fräulein Bock sah ihn empört an. Sie fand, er sei tatsächlich der lästigste Junge der Welt.
„Raten Sie, was ich mache, wenn ich so groß bin wie Sie, Fräulein Bock", sagte er, und dann kicherte er abermals. Denn jetzt sah er, wie zwei kleine Hände den Rest der Zimtwecken von der Platte grapschten.
„Ich habe keine Zeit, hier herumzustehen und mir deine Dummheiten anzuhören", sagte Fräulein Bock, „und es ist mir einerlei, was du machen willst, wenn du groß bist. Solange du aber klein bist, sollst du artig und gehorsam sein und deine Schulaufgaben machen und aus der Küche verschwinden."
„Ja, gewiß", sagte Lillebror und kicherte so sehr, daß er sich gegen die Tür lehnen mußte. „Wenn ich aber so groß bin wie Sie, Fräulein Bock, dann mache ich eine Abmagerungskur, das ist mal sicher."
Fräulein Bock sah aus, als wollte sie gleich auf ihn losgehen, da aber war vom Fenster ein Brüllen zu hören wie von einer Kuh.
Sie drehte sich schnell um, und nun sah sie, daß die Zimtwecken nicht mehr da waren.
Fräulein Bock stieß einen Schrei aus.
„Du guter Moses, wo sind meine Wecken?"
Sie stürzte ans Fenster. Vielleicht meinte sie, sie würde einen Dieb davonrennen sehen mit dem ganzen Arm voller Wecken.
Aber Svantesons wohnten ja im vierten Stock, und so langbeinige Diebe gibt es nicht, das mußte sie schließlich wissen.
Fräulein Bock sank völlig entsetzt auf einen Stuhl.
„Ob es Tauben gewesen sind?" murmelte sie.
„Es klang eher wie eine Kuh", sagte Lillebror. „Vielleicht fliegt heute draußen eine Kuh herum, eine, die gerne Wecken frißt."
„Red nicht so ein dummes Zeug", sagte Fräulein Bock.
Da hörte Lillebror von neuem, wie Karlsson draußen vor dem Fenster vorbeibrummte, und damit Fräulein Bock es nicht hören sollte, begann er zu singen, so laut wie er konnte:
„Eine Kuh schwebt vom Himmel, fliegt am Fenster vorbei, sieht die Wecken dort stehen, und sie maust ein, zwei, drei."
Lillebror machte hin und wieder mit Mama zusammen Verse, und diesen hier von der Kuh fand er selber gut. Fräulein Bock fand das aber nicht.
„Schweig mit deinen Dummheiten!" schrie sie.
In diesem Augenblick hörte man drüben vom Fenster einen leisen Knall, so daß sie beide vor Schreck zusammenzuckten.
Und dann sahen sie, was da geknallt hatte. Auf dem leeren Kuchenteller lag ein Fünförestück.
Lillebror begann von neuem zu kichern.
„Was für eine famose Kuh", sagte er. „Die bezahlt ihre Wek-ken."
Fräulein Bock wurde rot vor Zorn.
„Was sind das hier für dumme Scherze", schrie sie und sauste ans Fenster. „Es muß jemand von der Wohnung über uns sein, der sich einen Spaß daraus macht, Wecken zu stehlen und Fünf-
örestücke herunterzuwerfen."
„Über uns ist keine Wohnung mehr", sagte Lillebror. „Wir wohnen ganz oben, dann kommt nur das Dach."
Fräulein Bock geriet ganz außer sich.
„Dann begreife ich nichts mehr", rief sie. „Ich begreife nichts."
„Nöö, das habe ich allerdings gemerkt", sagte Lillebror. „Aber machen Sie sich nichts daraus, alle können nicht gescheit sein."
Da klatschte eine Ohrfeige auf Lillebrors Wange.
„Ich werde dich lehren, unverschämt zu sein", schrie Fräulein Bock.
„Nöö, tun Sie das bloß nicht", sagte Lillebror, „sonst erkennt Mama mich nicht wieder, wenn sie heimkommt."
Lillebror hatte ganz feuchte Augen bekommen. Er war nahe daran, zu weinen. Noch nie in seinem Leben hatte er eine Ohrfeige bekommen. Er musterte Fräulein Bock mit zornigem Blick. Da packte sie ihn am Arm und schob ihn in sein Zimmer hinüber.
„Jetzt setzt du dich hier hin und schämst dich", sagte sie. „Ich schließe die Tür zu und ziehe den Schlüssel ab, dann bleibst du vielleicht eine Weile aus der Küche weg."
Sie sah auf ihre Armbanduhr.
„Eine Stunde genügt wohl, damit du wieder artig wirst. Ich komme um drei Uhr und schließe wieder auf. Bis dahin kannst du darüber nachdenken, wie man sich entschuldigt."
Und dann ging Fräulein Bock. Lillebror hörte, wie sie den Schlüssel umdrehte. Jetzt war er eingeschlossen und konnte nicht hinauskommen. Es war ein scheußliches Gefühl. Er sprühte vor Zorn. Aber ein bißchen schlechtes Gewissen hatte er doch, denn er hatte sich auch nicht gerade fein betragen. Mama hätte bestimmt gesagt, er habe den Hausbock gereizt und sei frech gewesen.
Mama, ja - er überlegte, ob er nicht doch ein bißchen weinen sollte.
Aber da hörte er ein Brummen, und zum Fenster herein kam Karlsson.
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