"Mini Shopaholic" - читать интересную книгу автора (Kinsella Sophie)




Click Clock Kinderladen

The Old Barn

4 Spence Hill

Oxshott

Surrey



Mrs. Rebecca Brandon                                     1. September 2005

The Pines

43 Elton Road

Oxshott

Surrey



Liebe Mrs. Brandon,

es war uns ein Vergn#252;gen, Sie und Minnie gestern kennengelernt zu haben. Ganz bestimmt wird sie sich in unserem fr#246;hlichen Kinderladen sehr wohl f#252;hlen, und wir freuen uns schon darauf, sie n#228;chste Woche wiederzusehen.

Mit freundlichen Gr#252;#223;en

Teri Ashley Kinderladenleitung

PS. Machen Sie sich bitte keine Gedanken wegen des kleinen Zwischenfalls mit den Farbspritzern. Wir sind an Kinder gew#246;hnt und k#246;nnen die Wand jederzeit neu streichen.




Tick Tock Kinderladen

The Old Barn

4 Spence Hill

Oxshott

Surrey



Mrs. Rebecca Brandon                                                                      4. Oktober 2005

The Pines

43 Elton Road

Oxshott

Surrey


Liebe Mrs. Brandon,

nur ein kleiner, f#252;rsorglicher Hinweis, was Minnie angeht. Sie ist ein s#252;#223;es, lebhaftes Kind.

Allerdings muss sie lernen, dass sie nicht jeden Tag alle Sachen aus der Verkleidekiste anziehen kann und die "Prinzessinnen«-Schuhe zum Spielen im Freien nicht geeignet sind. Vielleicht k#246;nnten wir das bei unserem bevorstehenden Eltern-Kind-Vormittag besprechen.

Mit freundlichen Gr#252;#223;en

Teri Ashley

Kinderladenleitung

PS. Machen Sie sich bitte keine Gedanken wegen des kleinen Zwischenfalls mit dem Klebstoff. Wir sind an Kinder gew#246;hnt und k#246;nnen den Tisch jederzeit neu lackieren.




Tick Tock Kinderladen

The Old Barn

4 Spence Hill

Oxshott

Surrey


Mrs. Rebecca Brandon                                                            9. November 2005

The Pines

43 Elton Road

Oxshott

Surrey


Liebe Mrs. Brandon,

vielen Dank f#252;r Ihren Brief. Wie sch#246;n, dass Sie sich auf den Eltern-Kind-Vormittag freuen. Leider wird es keine Verkleidekiste f#252;r Erwachsene geben und auch keine "Tauschb#246;rse f#252;r Designerklamotten f#252;r die anderen Eltern«, wie von Ihnen vorgeschlagen.

Erfreulicherweise hat Minnie ihre Aktivit#228;ten in der Spielgruppe zwischenzeitlich erweitert und verbringt nun viel Zeit in unserem neuen »Kaufmannsladen«.

Mit freundlichen Gr#252;#223;en

Teri Ashley

Kinderladenleitung

PS. Machen Sie sich bitte keine Gedanken wegen des kleinen Zwischenfalls mit der Tinte. Wir sind an Kinder gew#246;hnt, und Mrs. Soper kann sich ihre Haare jederzeit neu f#228;rben.


2

Nie im Leben ist Minnie verw#246;hnt. Im Leben nicht.

Okay, manchmal hat sie so ihre Momente. Wie wir alle. Aber verw#246;hnt ist sie nicht. Ich m#252;sste es doch wissen, wenn sie verw#246;hnt w#228;re. Schlie#223;lich bin ich ihre Mutter.

Trotzdem merke ich auf dem Weg zur Weihnachtsmannwerkstatt, dass ich leicht aus der Fassung bin. Wie kann man sich so danebenbenehmen? Noch dazu an Heiligabend.

»Zeig jetzt einfach, wie wohlerzogen du bist, S#252;#223;e«, raune ich Minnie zu, als wir Hand in Hand gehen. »Sei einfach ein kleiner Engel, wenn du vor dem Weihnachtsmann stehst, okay?«

Jingle Bells bimmelt aus den Lautsprechern, und unwillk#252;rlich bessert sich meine Laune, als wir n#228;her kommen. Als kleines M#228;dchen bin ich zu genau derselben Weihnachtsmannwerkstatt gegangen.

»Guck mal, Minnie!« Aufgeregt zeige ich mit dem Finger. »Sieh dir die Rentiere an! Die vielen Geschenke!«

Da steht ein Schlitten mit zwei lebensgro#223;en Rentieren, und alles ist voll mit Kunstschnee und M#228;dchen in gr#252;nen Kost#252;men, als Elfen verkleidet. Das ist neu. Am Eingang blinzle ich #252;berrascht die Elfe an, die uns mit sonnenstudiogegerbtem Dekollet#233; begr#252;#223;t. Sucht sich der Weihnachtsmann seine Elfen heutzutage bei Modelagenturen? Und sollten Elfen violette Acryln#228;gel tragen?

»Fr#246;hliche Weihnachten!«, begr#252;#223;t sie uns und stempelt mein Ticket ab. »Besuchen Sie auch unseren Wunschbrunnen, und geben Sie dort Ihren Weihnachtswunsch ab. Der Weihnachtsmann wird sp#228;ter alle W#252;nsche lesen!«

»Hast du das geh#246;rt, Minnie? Wir d#252;rfen uns was w#252;nschen!« Ich sehe zu Minnie hinunter, die wortlos staunend die Elfe betrachtet.

Seht ihr? Sie benimmt sich musterg#252;ltig.

»Becky! Hier dr#252;ben!«, Ich drehe meinen Kopf und sehe, dass Mum schon in der Schlange steht, mit festlich glitzerndem Schal. Sie h#228;lt die Griffe von Minnies Buggy fest, der mit T#252;ten und Paketen beladen ist. »Der Weihnachtsmann macht gerade seine Teepause«, f#252;gt sie hinzu, als wir uns zu ihr gesellen. »Es wird bestimmt noch mindestens eine halbe Stunde dauern. Dad hat sich auf die Suche nach Camcorder-Disks gemacht, und Janice kauft ihre Weihnachtskarten.«

Janice ist Mums Nachbarin von nebenan. Sie kauft ihre Weihnachtskarten jedes Jahr Heiligabend zum halben Preis, schreibt sie am 1. Januar und legt sie f#252;r den Rest des Jahres in die Schublade. Sie nennt es gt;sich selbst #252;berholenlt;.

»Sch#228;tzchen, w#252;rdest du dir mal ansehen, was ich f#252;r Jess gekauft habe?« , Mum w#252;hlt in einer T#252;te herum und holt vorsichtig ein h#246;lzernes K#228;stchen hervor. »Ist das okay?«

Jess ist meine Schwester. Meine Halbschwester, um genau zu sein. Sie kommt in ein paar Tagen aus Chile zur#252;ck, weshalb wir f#252;r sie und Tom ein zweites Weihnachten inszenieren, mit Truthahn und Geschenken und allem, was dazugeh#246;rt! Tom ist Jess' Freund. Er ist der einzige Sohn von Janice und Martin, und ich kenne ihn schon mein Leben lang, und er ist wirklich ...

Nun. Er ist wirklich ...

Egal ... entscheidend ist, die beiden lieben sich. Und schwitzige H#228;nde sind in Chile wahrscheinlich nicht so schlimm, oder?

Ich finde es toll, dass sie kommen, besonders da es bedeutet, dass wir Minnie endlich taufen k#246;nnen. (Jess wird ihre Patentante.) Aber ich begreife, wieso Mum gestresst ist. Jess ein Geschenk zu kaufen ist problematisch. Sie mag nichts, was neu oder teuer ist oder Plastik oder Parabene enth#228;lt oder in einer Tasche steckt, die nicht aus Hanf ist.

»Ich habe ihr das hier gekauft.« Mum klappt den Deckel des K#228;stchens auf und legt eine ganze Reihe ausgefallener Glasfl#228;schchen frei, die sich dort ins Stroh kuscheln. ,»Es ist Duschgel«,  f#252;gt sie eilig hinzu. »Nicht f#252;r die Badewanne. Wir wollen nicht schon wieder schuld am DrittenWeltkrieg sein!«

Es gab da diesen kleinen, peinlichen Zwischenfall, als Jess letztes Mal hier war. Wir feierten ihren Geburtstag, und Janice schenkte ihr ein Schaumbad, woraufhin uns Jess eine zehnmin#252;tige Standpauke hielt, wie viel Wasser ein Wannenbad verbraucht und dass die Leute in den westlichen Wohlstandsl#228;ndern von Reinlichkeit besessen sind und jeder nur einmal die Woche f#252;nf Minuten duschen sollte -so wie Jess und Tom es machen.

Janice und Martin hatten sich vor Kurzem erst einen Whirlpool einbauen lassen, deshalb kam Jess' Bemerkung bei ihnen nicht sonderlich gut an.

»Was meinst du?«, sagt Mum.

»Wei#223; nicht.« Sorgf#228;ltig lese ich den Aufkleber am K#228;stchen. »Sind da irgendwelche k#252;nstlichen Zus#228;tze drin? Werden bei der Herstellung Menschen ausgebeutet?«

»Ach, Liebes, ich wei#223; es nicht.« Z#246;gerlich betrachtet Mum das K#228;stchen, als w#228;re es eine Nuklearwaffe. ,»Da steht rein nat#252;rlich«, meint sie schlie#223;lich. »Das ist gut, oder?«

»Ich denke, das m#252;sste gehen.« Ich nicke. »Aber erz#228;hl ihr nicht, dass du es aus einem Einkaufszentrum hast. Sag, du hast es in einem kleinen #214;koladen gekauft.«

»Gute Idee.« Mum strahlt. »Und ich wickle es in Zeitungspapier. Was hast du f#252;r sie?«

»Ich habe ihr eine Yogamatte gekauft, handgefertigt von B#228;uerinnen in Guatemala« sage ich ein wenig selbstzufrieden. »Damit werden d#246;rfliche Farmprojekte finanziert, und sie verwenden recycelte Plastikkomponenten von Computern.«

»Becky!«, sagt Mum voller Bewunderung. »Wie bist du denn darauf gekommen?«

»Ach ... Recherche.« Ich zucke leichthin mit den Schultern.

Ich werde nicht zugeben, dass ich „gr#252;n moralisch vertretbar Geschenk recycelt Umwelt Geschenkpapier gegoogelt habe“.

»Weih-machen! WEIH-MACHEN!« Minnie zerrt so fest an meiner Hand, dass sie mir noch den Arm abrei#223;en wird. »Geh mit Minnie zum Wunschbrunnen, Liebes«, schl#228;gt Mum vor. »Ich halte dir den Platz frei.«

Ich lege die Ponys in den Buggy und f#252;hre Minnie zum Wunschbrunnen. Er ist von k#252;nstlichen Wei#223;birken umgeben, an deren #196;sten Feen baumeln, und wenn nicht alles voll kreischender Kinder w#228;re, h#228;tte es bestimmt was Magisches.

Die Wunschzettel liegen auf einem k#252;nstlichen Baumstumpf bereit. Ich nehme mir so einen Zettel mit der verschn#246;rkelten gr#252;nen Aufschrift »Weihnachtswunsch« und reiche einen der Filzstifte an Minnie weiter.

Gott, ich wei#223; noch, wie ich als kleines M#228;dchen Briefe an den Weihnachtsmann geschrieben habe. Meist wurden sie ziemlich lang und ausf#252;hrlich, mit Illustrationen und Bildern, die ich aus Katalogen ausgeschnitten hatte, damit er mich blo#223; nicht falsch verstand.

Zwei etwa zehnj#228;hrige M#228;dchen mit rosigen Wangen geben ihre W#252;nsche ab, fl#252;sternd und kichernd, und bei ihrem blo#223;en Anblick werde ich ganz wehm#252;tig. Ich muss hier mitmachen, sonst verderbe ich vielleicht noch alles.

Lieber Weihnachtsmann, sehe ich mich auf den Zettel schreiben. Hier ist Becky wieder. Ich stutze, #252;berlege einen Moment, dann schreibe ich hastig ein paar Sachen auf.

Ich meine, nur drei ungef#228;hr. Ich will ja nicht gierig r#252;berkommen oder so. Minnie kritzelt ihren ganzen Zettel voll und hat Filzer an den H#228;nden und der Nase.

»Der Weihnachtsmann versteht bestimmt, was du meinst«, sage ich sanft, als ich ihr den Zettel abnehme. »Werfen wir sie in den Brunnen!«

Einen Zettel nach dem anderen werfe ich hinein. Winzig kleine Kunstschneeflocken driften von unten herauf, und aus einem Lautsprecher in der N#228;he fl#246;tet gt;Winter Wonderlandlt;, und pl#246;tzlich ist mir derma#223;en weihnachtlich zumute, dass ich die Augen schlie#223;e, nach Minnies Hand greife und mir etwas w#252;nsche. Man wei#223; ja nie ...

»Becky?« Eine tiefe Stimme dringt in meine Gedanken, und meine Augen klappen auf. Vor mir steht Luke, sein dunkles Haar und der blaue Mantel sind mit Kunstschnee #252;bers#228;t. Die Augen glitzern am#252;siert. Zu sp#228;t merke ich, dass ich mit zusammengekniffenen Augen inbr#252;nstig  »Bittebitte ... « vor mich hin gefl#252;stert habe.

»Oh!«, sage ich etwas nerv#246;s. »Hi. Ich hab gerade ... «

»Mit dem Weihnachtsmann gesprochen?«

»Red keinen Quatsch.« Ich finde meine Haltung wieder. »Wo warst du #252;berhaupt?« Luke antwortet mir nicht, sondern geht weg und winkt mir, ihm zu folgen. »Lass Minnie mal einen Moment bei deiner Mutter, sagt er. »Ich muss dir was zeigen.«

Dreieinhalb Jahre bin ich jetzt mit Luke verheiratet, aber ich wei#223; manchmal immer noch nicht, was in ihm vorgeht. W#228;hrend wir gehen, kneift er den Mund zusammen, und ich werde fast nerv#246;s. Was k#246;nnte es sein?

»Hier.« In einer einsamen Ecke des Einkaufszentrums bleibt er stehen und z#252;ckt seinen BlackBerry. Auf dem Bildschirm sehe ich eine E-Mail von seinem Anwalt. Sie besteht aus einem einzigen Wort. »Angenommen.« »Angenommen?« F#252;r den Bruchteil einer Sekunde begreife ich nicht. Dann habe ich pl#246;tzlich einen Geistesblitz.

»Doch nicht ... Arcodas? Sie haben angenommen?«

»Jep.« Und jetzt sehe ich ein winzig kleines L#228;cheln glimmen.

»Aber ... du hast nie was gesagt ... ich hatte keine Ahnung ... «

»Ich wollte keine falschen Hoffnungen sch#252;ren. Wir verhandeln schon seit drei Wochen. Es ist nicht der tollste Deal f#252;r uns ... aber er ist okay. Entscheidend ist: Es ist vorbei.« Meine Beine f#252;hlen sich etwas zittrig an. Es ist vorbei. Einfach so. Die Sache mit Arcodas h#228;ngt schon so lange drohend #252;ber uns, dass sie schon fast zur Familie geh#246;rt, wie eine Verwandte. (Selbstverst#228;ndlich keine liebe, nette Verwandte. Eher die b#246;se, alte Hexentante mit der Warze auf der Nase und dem fiesen Gackern.)

Es ist zwei Jahre her, dass Luke sich in die Schlacht gegen Arcodas gest#252;rzt hat. Ich sage »Schlacht«. Es war nicht so, als h#228;tte er einen Brandanschlag oder irgendwas ver#252;bt. Er weigerte sich nur, f#252;r sie zu arbeiten, und zwar aus Prinzip. Und das Prinzip war, dass er keine Bande von R#252;peln repr#228;sentieren wollte, die ihr Personal schlecht behandelt. Luke geh#246;rt eine PR-Firma, Brandon Communications, und die meisten seiner Angestellten sind schon seit Jahren bei ihm. Nie habe ich ihn so w#252;tend erlebt wie in dem Moment, als er herausfand, wie Arcodas sich seinen Leuten gegen#252;ber benahm.

Also hat er Arcodas gek#252;ndigt, und sie haben ihn wegen Vertragsbruchs vor Gericht gezerrt. (Was nur beweist, wie #252;bel und anma#223;end sie sind.) Woraufhin Luke sie wiederum vor Gericht gezerrt hat, weil sie nicht f#252;r die bereits geleisteten Dienste bezahlen wollten.

Man h#228;tte meinen sollen, der Richter h#228;tte sofort gemerkt, wer der Gute ist, und zu Lukes Gunsten entschieden. Ich meine: Hallo?, haben Richter denn keine Augen im Kopf? Aber stattdessen gab es unsinnige Anh#246;rungen und zahllose Unterbrechungen, und die ganze Sache zog sich hin und wurde total stressig. Ich muss sagen, dass ich danach eine erheblich schlechtere Meinung von Anw#228;lten, Richtern, sogenannten »Vermittlern« und dem gesamten Rechtssystem hatte. Was ich ihnen gern pers#246;nlich gesagt h#228;tte, wenn sie mich nur h#228;tten zu Wort kommen lassen.

Ich wollte unbedingt, dass Luke mich als Zeugin benennt. Ich hatte meine Outfit und alles schon bereit. (Dunkelblauer, enger Rock, wei#223;e R#252;schenbluse, Lackpumps.) Und ich hatte diese grandiose Rede geschrieben, die ich immer noch auswendig kann. Sie f#228;ngt an: »Meine sehr verehrten Damen und Herren Geschworenen. Ich bitte Sie, einen Blick in Ihre Herzen zu werfen. Und dann bitte ich Sie, sich die beiden M#228;nner anzusehen, die dort vor Ihnen stehen. Ein ehrenhafter, aufrechter Held, dem das Wohlergehen seiner Mitarbeiter mehr bedeutet als Geld ... « (woraufhin ich auf Luke zeigen w#252;rde) ) ... und ein widerw#228;rtiger, sexistischer Kerl, der alle Welt schikaniert und weder Integrit#228;t besitzt noch sich zu kleiden wei#223;.« (Woraufhin ich auf Iain Wheeler von Arcodas deute.) Das h#228;tte Schwung in den Laden gebracht, und der Richter h#228;tte seinen Hammer schlagen und rufen m#252;ssen: »Ruhe! Ruhe im Gericht!« Und dann h#228;tte ich die Geschworenen taxiert, wie in John Grishams Romanen, und diejenigen aussondiert, die auf unserer Seite w#228;ren.

Jedenfalls hatte Luke meine Pl#228;ne vollst#228;ndig zunichtegemacht, als er meinte, es g#228;be da gar keine Geschworenen, so ein Gericht sei das nicht. Und dann hat er gesagt, das Ganze sei sowieso ein Sumpf und er wollte nicht, dass ich da mit reingezogen werde, und ich sollte zu Hause bei Minnie bleiben. Was ich dann auch getan habe, obwohl ich vor lauter Frust fast gestorben bin.

Jetzt seufzt Luke schwer und fahrt mit beiden H#228;nden durch sein Haar.

»Vorbei«, sagt er wie zu sich selbst. »Endlich.«

»Gott sei Dank.«

Als ich ihn umarmen will, sehe ich die Ersch#246;pfung in seinem Gesicht. Die ganze Sache h#228;tte Luke fast geschafft. Er musste seine Firma leiten, mit dem Verfahren klarkommen, seine eigenen Leute motivieren und neue Kunden gewinnen.

»Also ... « Er legt seine H#228;nde auf meine Schultern und sieht mir in die Augen. »Zeit f#252;r einen Tapetenwechsel.«

Es dauert einen Moment, bis ich begreife, was er meint.

»Wir k#246;nnen das Haus kaufen!« Mir stockt der Atem.

»Ich habe das Angebot gleich abgegeben.«Er nickt. »Sie meinten, bis heute Abend h#228;tten wir eine Antwort.«

»Oh, mein Gott!« Vor lauter Aufregung kann ich mir einen kleinen H#252;pfer nicht verkneifen. Ich kann es nicht fassen, dass es endlich so weit sein soll! Der Prozess ist vorbei! Endlich k#246;nnen wir bei Mum und Dad ausziehen und kriegen unser eigenes Zuhause!

Wir haben schon fr#252;her versucht auszuziehen. Offen gesagt: schon #246;fter. Wir hatten bereits Vertr#228;ge f#252;r vier H#228;user aufgesetzt, aber irgendwie war es wie verhext. Entweder wollte der Verk#228;ufer gar nicht wirklich verkaufen (Haus drei), oder pl#246;tzlich wollte er viel mehr Geld (Haus eins), oder das Haus geh#246;rte ihm gar nicht, sondern seinem Onkel in Spanien, und das Ganze war der reine Betrug (Haus vier), oder es ist abgebrannt (Haus zwei). Ich dachte schon, wir w#252;rden das Pech nie absch#252;tteln, und deshalb meinte Luke, wir sollten vielleicht lieber warten, bis die Sache mit Arcodas ausgestanden w#228;re.

»Ob die F#252;nf unsere Gl#252;ckszahl wird?« Hoffnungsvoll sehe ich Luke mit hochgezogenen Augenbrauen an. Er dr#252;ckt nur die Daumen und grinst.

Alles spricht f#252;r dieses Haus. Es liegt in einer h#252;bschen Stra#223;e in Maida Vale, es hat einen zauberhaften Garten mit einer Schaukel am Baum, und drinnen ist es geradezu erstaunlich ger#228;umig. Und es geh#246;rt so gut wie uns! Pl#246;tzlich ergreift mich ein Hochgef#252;hl. Ich muss mir unbedingt die neue Living Etc. kaufen, so schnell wie m#246;glich. Und die Elle Deco und Hause amp; Garden und Wallpaper ...

»Wollen wir zur#252;ckgehen?«, sage ich beil#228;ufig. »Vielleicht guck ich unterwegs kurz bei W. H. Smith rein und hol mir ein paar Zeitschriften ...«

Ich sollte mir auf alle F#228;lle auch noch Grand Designs und World Interiors und 25 Beautiful Homes besorgen ...

»Moment noch.« Irgendetwas an Lukes Stimme macht mich stutzig, und als ich aufblicke, sehe ich, dass er zwei Schritte zur#252;ckgetreten ist. Er hat sich abgewandt und bei#223;t die Z#228;hne zusammen. Irgendwas ist mit ihm los.

»Hey, alles okay bei dir?«, sage ich vorsichtig. »Du hast doch nicht noch eine schlechte Nachricht, oder?«  »Nein. Aber da ist noch etwas, was ich dir kurz ... erz#228;hlen wollte.« Er macht eine Pause, faltet die H#228;nde im Nacken, blickt  ins Leere, als k#246;nnte er sich nicht dazu bewegen, mich anzusehen. »Mir ist gerade was Merkw#252;rdiges passiert. Ich war bei Waterstones und habe auf den Anruf von Arcodas gewartet. Bin einfach so herumspaziert ... « Wieder macht er eine Pause, diesmal l#228;nger. »Und dann habe ich Annabel ein Buch gekauft. Das neue von Ruth Rendell. Es h#228;tte ihr gefallen.«

Einen Moment schweigen wir beide. Ich wei#223; nicht, wie ich reagieren soll.

»Luke«, beginne ich z#246;gerlich.

»Ich habe ihr allen Ernstes ein Weihnachtsgeschenk gekauft.« Er presst die F#228;uste an seine Schl#228;fen. »Verliere ich jetzt langsam den Verstand?«

»Nat#252;rlich verlierst du nicht den Verstand! Du bist nur ... « Hilflos stocke ich und w#252;nschte, ich h#228;tte etwas Kluges und Profundes zu sagen. Verzweifelt versuche ich, mich an irgendwas aus diesem Buch #252;ber die Kunst des Trauerns zu erinnern, das ich extra gekauft habe.

Denn das ist das andere Schlimme, was in diesem Jahr passiert ist. Lukes Stiefmutter ist im Mai gestorben. Sie war nur einen Monat krank, dann war sie pl#246;tzlich nicht mehr da, und Luke war sechs Monate am Boden zerst#246;rt.

Ich wei#223;, dass Annabel nicht seine leibliche Mutter war, aber sie war seine wahre Mum. Sie hat ihn aufgezogen, und sie verstand ihn wie niemand sonst, und das Schlimmste ist, dass er sie vor ihrem Tod kaum besuchen konnte. Auch als sie schon richtig krank war, konnte er nicht alles stehen und liegen lassen und nach Devon hetzen, weil er diese Anh#246;rungen in London hatte, die schon so oft vertagt worden waren, dass man sie unm#246;glich noch mal verschieben konnte.

Er darf deswegen kein schlechtes Gewissen haben. Das habe ich ihm schon hunderttausend Mal gesagt. Es h#228;tte nichts ge#228;ndert. Aber ich wei#223;, dass er sich trotzdem schuldig f#252;hlt. Und jetzt ist sein Dad bei seiner Schwester in Australien. Was hei#223;t, dass Luke nicht mit ihm zusammen sein und alles wiedergutmachen kann.

Was seine richtige Mutter angeht ... die wird bei uns nicht mehr erw#228;hnt.

Niemals.

Lukes Beziehung zu EIinor war schon immer eher eine Hassliebe. Was leicht nachvollziehbar ist, da sie ihn und seinen Dad verlassen hat, als Luke noch ganz klein war. Aber die beiden gingen eigentlich ganz zivilisiert miteinander um, bis sie es vergeigt hat, und zwar richtig.

Es muss irgendwann kurz nach der Beerdigung gewesen sein, als er sie wegen irgendeiner famili#228;ren Angelegenheit besucht hat. Ich wei#223; bis heute nicht genau, was sie eigentlich zu ihm gesagt hat. Irgendwas #252;ber Annabel. Irgendetwas Unsensibles und -wie ich vermute -wahrscheinlich bodenlos Taktloses. Er hat es mir weder im Detail erz#228;hlt, noch ist er je wieder auf den Zwischenfall zu sprechen gekommen -ich wei#223; nur, dass ich ihn noch nie so kreidebleich gesehen habe, so starr vor Zorn. Und seitdem wird Elinors Name nicht mehr erw#228;hnt. Ich glaube kaum, dass er sich je wieder mit ihr vers#246;hnt, in seinem ganzen Leben nicht. Was mir nur recht ist.

Als ich zu Luke aufblicke, sp#252;re ich, wie sich mir das Herz zusammenkrampft. Der Stress des letzten Jahres hat ihm zugesetzt. Zwischen seinen Augen hat er zwei kleine Falten, die nicht mal verschwinden, wenn er l#228;chelt oder lacht. Es ist, als k#246;nnte er nie mehr hundertprozentig gl#252;cklich aussehen.

»Komm schon!« Ich schlinge meinen Arm durch seinen und dr#252;cke ihn an mich.« Sehen wir uns den Weihnachtsmann an!«

W#228;hrend wir so gehen, lenke ich Luke unauff#228;llig auf die andere Seite des Einkaufszentrums. Ohne bestimmten Grund eigentlich. Nur weil die L#228;den h#252;bscher sind. Wie zum Beispiel der Goldschmied ... und dieser Laden mit den Seidenblumen und Enfant Cocotte, wo es handgefertigte Schaukelpferde und Designer-Bettchen aus Palisander gibt.

Meine Schritte sind immer langsamer geworden, und ich gehe auf das hell erleuchtete Schaufenster zu, getrieben von einem unbestimmten Verlangen. Sieh sich einer diese entz#252;ckenden Sachen an! Die winzigen Strampler und die kleinen Deckchen!

Wenn wir noch ein Baby h#228;tten, k#246;nnten wir uns nagelneue Deckchen kaufen. Und es w#228;re voll schnuckelig und niedlich, und Minnie k#246;nnte helfen, ihr Geschwisterchen im Kinderwagen herumzuschieben, und wir w#228;ren eine richtige Familie ...

Ich blicke zu Luke auf, um nachzusehen, ob er vielleicht dasselbe denkt wie ich und mir mit sanftem, liebevollem Blick in die Augen sieht. Stattdessen starrt er stirnrunzelnd auf seinen BlackBerry. Also, ehrlich. Wieso geht er nicht mehr auf meine Gedanken ein? Wir sind doch verheiratet, oder nicht? Er sollte mich verstehen. Er sollte merken, wieso ich ihn zu einem Babyladen f#252;hre.

»Das ist doch echt s#252;#223;, oder?«  Ich zeige auf ein Teddyb#228;r Mobile.

»Mmmhmm.«  Luke nickt, ohne aufzublicken.

»Wow! Guck dir mal den Kinderwagen an!« Begehrlich deute ich auf ein atemberaubendes Hi-Tech-Vehikel mit dicken R#228;dern, die aussehen, als stammten sie von einem Hummer. »Ist der nicht toll?« 

Wenn wir noch ein Baby bek#228;men, k#246;nnten wir auch einen neuen Kinderwagen kaufen. Ich meine, wir m#252;ssten sogar einen neuen haben. Die klapprige, alte Kiste, die Minnie hatte, ist total im Eimer. (Nicht, dass ich noch ein Baby m#246;chte, nur um eine coole Karre zu kaufen. Aber es w#228;re so was wie ein Bonus.)

»Luke.« Ich r#228;uspere mich.»Ich dachte gerade ... so ... #252;ber uns. Ich meine ... uns alle. Unsere Familie. Einschlie#223;lich Minnie. Und da habe ich mich gefragt ... «

Er hebt eine Hand und h#228;lt seinen BlackBerry ans Ohr.

»Ja, hi«

Gott im Himmel, ich hasse diese Stummschaltung. Man wird kein bisschen vorgewarnt, wenn er einen Anruf bekommt.

»Bin gleich wieder bei dir», sagt sein Mund lautlos zu mir, dann wendet er sich wieder seinem BlackBerry zu. »Jo, Gary, ich hab deine E-Mail bekommen.«

Okay, jetzt ist also nicht der richtige Moment, den Kauf eines Kinderwagens f#252;r ein noch zu zeugendes, zweites Baby zu besprechen.

Na gut. Dann verschiebe ich es eben auf sp#228;ter.

W#228;hrend ich zur Werkstatt des Weihnachtsmanns laufe, wird mir pl#246;tzlich bewusst, dass ich Minnies Auftritt unter Umst#228;nden gerade verpasse, und ich fange an zu rennen. Als ich jedoch keuchend um die Ecke schliddere, sitzt der Weihnachtsmann noch nicht mal wieder auf seinem Thron.

»Becky!« Mum winkt ganz vorn in der Schlange.»Wir sind die N#228;chsten! Ich hab den Camcorder schon bereit ... oh, guck mal!«

Eine Elfe mit breitem, leerem L#228;cheln hat die B#252;hne erklommen. Sie strahlt in die Runde und tippt ans Mikrofon, um sich Aufmerksamkeit zu verschaffen .

»Hallo, liebe Kinder!«, ruft sie. »Ruhe bitte! Der Moment f#252;r eure Weihnachtsw#252;nsche ist gekommen! Wir ziehen den Wunsch eines Gl#252;ckskindes, den der Weihnachtsmann dann ganz bestimmt erf#252;llen wird! Einen Teddy vielleicht? Oder ein Puppenhaus? Oder einen Scooter?«

Das Mikrofon funktioniert nicht richtig, und genervt tippt sie noch mal dagegen. Dennoch geht eine Woge der Aufregung durchs Publikum, und alles dr#228;ngt nach vorn. Camcorder werden geschwenkt, und kleine Kinder dr#228;ngen mit leuchtenden Augen zwischen den Beinen der Leute hindurch, um etwas sehen zu k#246;nnen.

»Minnie!«, sagt Mum aufgew#252;hlt. »Was hast du dir gew#252;nscht, Liebes? Vielleicht w#228;hlen sie dich aus!«

»Und gewonnen hat ... Becky! Bravo, Becky!« Die pl#246;tzlich verst#228;rkte Stimme der Elfe l#228;sst mich zusammenzucken.

Nein. Das kann nicht sein ...

Es muss eine andere Becky sein. Bestimmt gibt es haufenweise kleine M#228;dchen, die Becky hei#223;en ...

»Und die kleine Becky hat sich gew#252;nscht. .. « Blinzelnd betrachtet sie den Wunschzettel. »Ein Zac-Posen-Top in Aquamarin, das eine mit der Schleife, Gr#246;#223;e 36.« 

»Mist.«

»Ist Zac Posen eine Figur aus einer neuen Fernsehserie?« Ratlos wendet sich die Elfe einer Kollegin zu. »Ist das so was wie ein Brummkreisel?« ,

Ehrlich, wie kann man in einem Kaufhaus arbeiten und noch nie von Zac Posen geh#246;rt haben?

»Wie alt ist Becky?« Die Elfe l#228;chelt in die Runde. »Becky, M#228;uschen, bist du hier? Wir f#252;hren keine Brummkreisel, aber vielleicht m#246;chtest du dir ein anderes Spielzeug vom Schlitten des Weihnachtsmanns aussuchen?« 

Vor lauter Verlegenheit ziehe ich den Kopf ein. Ich bringe es nicht fertig, meine Hand zu heben. Die haben vorher nicht gesagt, dass sie die bescheuerten Weihnachtsw#252;nsche laut vorlesen wollen. Man h#228;tte mich warnen sollen.

»Ist Beckys Mami da?«  »Hier bin ich!«  ruft Mum und schwenkt selig ihren Camcorder.

»Schscht, Mum!«, zische ich. »Tschuldigung!«, rufe ich mit gl#252;henden Wangen. »Das bin ... #228;h, ich. Ich wusste nicht, dass Sie ... nehmen Sie einen anderen Zettel. Einen Kinderwunsch. Bitte. Werfen Sie meinen Zettel weg!«

Aber die Elfe kann mich in dem Tumult nicht h#246;ren.

»Au#223;erdem diese Marni-Schuhe, die ich bei Suze gesehen habe, nicht die mit den hohen Abs#228;tzen, die anderen.«, Sie liest noch immer vor, und ihre Stimme kr#228;ht aus den Lautsprechern. »Kommt das jemandem bekannt vor?« »Und ... «( Sie sieht sich den Zettel genauer an. »Steht da: »Ein Geschwisterchen f#252;r Minnie«? Ist Minnie deine Puppe, M#228;uschen? Ooooh, ist das nicht s#252;#223;?«

»Aufh#246;ren!«, schreie ich entsetzt und schiebe mich durch die Menge der kleinen Kinder. »Das ist vertraulich! Das sollte niemand lesen!«

»Aber vor allem, lieber Weihnachtsmann, w#252;nsche ich mir, dass Luke ...«

»Halt die KLAPPE!« Verzweifelt st#252;rze ich mich f#246;rmlich in die Werkstatt. »Das ist privat! Das geht nur den Weihnachtsmann und mich was an!« Ich greife nach der Elfe und rei#223;e ihr den Zettel aus der Hand.

»Autsch!«, schreit sie.

»Verzeihung«, keuche ich. »Aber ich bin Becky.«

»Sie sind Becky?« Ihre geschminkten Augen werden schmal, dann wirft sie noch einen Blick auf den Zettel, und ich sehe, dass es ihr d#228;mmert. Einen Moment sp#228;ter wird ihre Miene sanfter. Sie faltet den Zettel zusammen und gibt ihn mir zur#252;ck.

»Ich hoffe, Ihr Weihnachtswunsch geht in Erf#252;llung«, sagt sie leise, vom Mikro abgewandt. »Danke.« Ich z#246;gere, dann sage ich: »Gleichfalls. Frohe Weihnachten.«

Ich drehe mich um und will zur#252;ck zu Mum -und im Dickicht der K#246;pfe erkenne ich Lukes dunkle Augen. Er steht da, ganz hinten.

Mein Magen steht kopf. Was hat er mit angeh#246;rt? Da kommt er auf mich zu, bahnt sich einen Weg durch die Familien, mit undurchschaubarer Miene.

»Oh, hi.« Ich versuche, entspannt zu klingen. »Tja ... da haben sie doch glatt meinen Weihnachtswunsch vorgelesen. Ist das nicht komisch?«

»Mh-hm.« Er gibt nichts preis.

Betretenes Schweigen macht sich breit.

Er hat seinen Namen geh#246;rt. Ich sehe es ihm an. Eine Ehefrau hat einen unfehlbaren Instinkt, was solche Dinge angeht. Er hat seinen Namen geh#246;rt und fragt sich jetzt, was ich mir von ihm gew#252;nscht habe.

Es sei denn, er denkt nur an seine E-Mails.

»Mami!« Eine schrille, unverkennbare Stimme schneidet durch meinen Kopf, und ich vergesse alles, was mit Luke zu tun hat.

»Minnie!«  Ich drehe mich um und kann sie einen panischen Moment lang nicht sehen. »War das nicht Minnie?« Auch Luke ist alarmiert. »WO ist sie?« »Sie war bei Mum ... Schei#223;e!« Ich packe Lukes Arm und deute voller Entsetzen auf die B#252;hne.

Minnie sitzt oben auf einem der Rentiere vom Weihnachtsmann und h#228;lt sich an den Ohren fest. Wie zum Teufel ist sie da raufgekommen?

»Verzeihung ... «  Ich dr#228;nge mich zwischen Eltern und Kindern hindurch. »Minnie, komm da runter!« »Pferdchen!« Minnie tritt fr#246;hlich auf das Rentier ein, was eine h#228;ssliche Beule im Pappmache hinterl#228;sst.

»K#246;nnte bitte jemand dieses Kind von hier wegschaffen?«, sagt eine Elfe ins Mikrofon. « »K#246;nnten bitte die Eltern dieses Kindes umgehend auf die B#252;hne kommen?«

»Ich hab sie nur eine Sekunde losgelassen!«, verteidigt sich Mum, w#228;hrend Luke und ich Richtung Rentier hechten. »Sie ist mir entwischt!« 

»Okay, Minnie«, sagt Luke entschlossen, als er die B#252;hne betritt. »Schluss mit lustig.«

»Schlitten!« Sie klettert darauf. »Mein Schlitten!« 

»Das ist kein richtiger Schlitten, und du kommst jetzt da runter!« Er fasst Minnie um die Taille und zieht, aber sie hat ihre Beine hinterm Sitz verhakt und h#228;lt sich mit Superheldenkr#228;ften fest.

»W#252;rden Sie sie bitte herunternehmen?«, sagt die Elfe mit einem Mindestma#223; an H#246;flichkeit.

Ich nehme Minnie bei den Schultern.

« Okay«, raune ich Luke zu. »Du nimmst die Beine. Wir rei#223;en sie los. Bei drei. Eins-zwei-drei ... (, Oh, nein. Oh ... Schei#223;e. Ich wei#223; nicht, wie es passiert ist. Ich wei#223; nicht, was wir gemacht haben. Aber der ganze verfluchte Schlitten kollabiert. Alle Geschenke fallen herunter, mitten in den Kunstschnee. Bevor ich zwinkern kann, st#252;rzt sich die ganze Kinderhorde darauf, um sich die Gaben zu schnappen, w#228;hrend ihre Eltern schreien, sie sollen zur#252;ckkommen, aber sofort, Daniel, sonst gibt es nichts zu Weihnachten!

Es ist das reinste Tohuwabohu. »Schenk!«, heult Minnie, streckt die Arme aus und trampelt gegen Lukes Brust.« ,Schenk!«

»Schaffen Sie das verdammte Kind hier weg!«, bricht es zornig aus der Elfe hervor. Ihr Blick schweift b#246;se #252;ber mich und Mum, und selbst #252;ber Janice und Martin, die aus heiterem Himmel aufgetaucht sind, beide in festlichen Pullis mit Rentieren darauf und voll bepackt mit T#252;ten vom WeihnachtsDiscountshop. »Ich m#246;chte, dass Sie und Ihre Familie auf der Stelle den Laden verlassen!«

»Aber wir sind als N#228;chstes dran«, erwidere ich kleinlaut. »Es tut mir wirklich schrecklich leid wegen des Rentiers, und wir bezahlen den Schaden ... «

»Absolut«, stimmt Luke mit ein.« Und meine Tochter w#252;nscht sich doch so sehr, den Weihnachtsmann zu treffen ...«

»Ich f#252;rchte, wir haben da eine kleine Regel«, sagt die Elfe sarkastisch. »Kinder, die den Schlitten des Weihnachtsmanns kaputt machen, haben das Recht auf einen Besuch verwirkt. Ihre Tochter ist hiermit vom Besuch der Weihnachtsmannwerkstatt ausgeschlossen.«

»Ausgeschlossen?« Best#252;rzt starre ich sie an. »Sie meinen ... «  »Besser gesagt: Das gilt f#252;r Sie alle!« Mit dunkelrot lackiertem Fingernagel deutet sie zur T#252;r.

»Na, das ist ja eine tolle Weihnachtsstimmung!«, wirft Mum ein. »Wir sind hier treue Kunden, und Ihr Schlitten war offensichtlich St#252;mperwerk. Am liebsten w#252;rde ich Sie der Gewerbeaufsicht melden!«

»Hinaus!« Die Elfe steht noch immer da, mit ausgestrecktem Arm.

Tief besch#228;mt nehme ich die Griffe des Buggys. Schweigend traben wir hinaus und sehen, wie uns Dad in seiner wasserdichten Jacke entgegeneilt, das ergrauende Haar ein wenig zerzaust. »Hab ich es verpasst? Hast du den Weihnachtsmann gesehen, Minnie, Liebchen?«

»Nein.« Ich bringe es kaum fertig, es zuzugeben. »Wir wurden aus der Weihnachtsmannwerkstatt verbannt.« Dads Miene sackt in sich zusammen.

»Ach, du je. Oh, Liebes.«  Er seufzt schwer. »Nicht schon wieder!«

»Mh-hm.«

»Wie oft jetzt schon?« , fragt Janice und verzieht das Gesicht.

»Vier Mal.«  Ich sehe zu Minnie hinunter, die jetzt brav dasteht, Lukes Hand h#228;lt und wie ein kleiner Engel aussieht. »Was ist diesmal passiert?«, fragt Dad. »Sie hat den Weihnachtsmann doch nicht gebissen, oder?« 

»Nein«, sage ich trotzig. »Nat#252;rlich nicht!« 

Die ganze Sache mit dem Bei#223;en vom Weihnachtsmann bei Harrods war ein totales Missverst#228;ndnis. Und deren Weihnachtsmann war auch ein echter Waschlappen. Er h#228;tte nicht gleich in die Notaufnahme gehen m#252;ssen.

»Luke und ich waren schuld. Wir haben den Schlitten demoliert, als wir sie vom Rentier holen wollten.«  »Ah.«  Dad nickt wissend, und wir wenden uns tr#252;bsinnig dem Ausgang zu. »Minnie ist ein echter kleiner Wildfang, was?«, sagt Janice nach einer Weile vorsichtig. »Du kleiner Racken«, sagt Martin und kitzelt Minnie unterm Kinn. »Du h#228;ltst einen ordentlich auf Trab.«

Vielleicht bin ich #252;berempfindlich. Aber irgendwie trifft mich dieses ganze Gerede vom »in Trab halten« und »Rackern«  und »Energieb#252;ndeln«  an einem wunden Punkt.

»Du willst doch wohl nicht behaupten, dass Minnie verw#246;hnt ist, oder?«, sage ich pl#246;tzlich und komme auf dem Marmorboden abrupt zum Stehen. »Mal ehrlich.« 

Janice holt tief Luft. »Na ja«, sagt sie und wirft Martin einen Blick zu, als br#228;uchte sie Unterst#252;tzung. »Ich wollte ja eigentlich nichts sagen, aber ...«

»Verw#246;hnt?« Mum schneidet ihr mit einem kleinen Lachen das Wort ab.« Unsinn! Mit Minnie ist alles in Ordnung, oder, Sch#228;tzchen? Sie wei#223; nur, was sie will!« Liebevoll streichelt sie Minnies Haar, dann blickt sie wieder auf. »Becky, Liebes, du warst in ihrem Alter genauso. Ganz genauso. «

Augenblicklich entspanne ich mich. Mum sagt immer das Richtige. Ich sehe zu Luke hin#252;ber, doch zu meiner #220;berraschung erwidert er mein erleichtertes L#228;cheln nicht. Er sieht aus, als plage ihn ein neuer, beunruhigender Gedanke.

»Danke, Mum.« Ich umarme sie liebevoll. »Du machst immer alles wieder gut. Komm, lass uns nach Hause gehen!«

Bis Minnie im Bett liegt, hat sich meine Laune gebessert. Tats#228;chlich ist mir richtig festlich zumute. Darum geht es doch beim Weihnachtsfest. Gl#252;hwein und Pastetchen und White Christmas im Fernsehen. Wir haben Minnies Strumpf aufgeh#228;ngt (traumhafter roter Gingharn aus dem Conran Shop) und dem Weihnachtsmann ein Glas Sherry hingestellt, und jetzt sind Luke und ich im Schlafzimmer und packen ihre Geschenke ein.

Mum und Dad sind wirklich gro#223;z#252;gig. Sie haben uns das ganze Obergeschoss des Hauses #252;berlassen, sodass wir doch einiges an Privatsph#228;re genie#223;en. Der einzige Nachteil ist der kleine Kleiderschrank. Aber das macht nichts, denn ich habe auch den Schrank im G#228;stezimmer #252;bernommen und au#223;erdem alle meine Schuhe in den B#252;cherborden auf dem Treppenabsatz einsortiert. (Die B#252;cher habe ich in Kisten gepackt. Die liest doch sowieso keiner mehr.)

Au#223;erdem habe ich eine Kleiderstange in Dads Arbeitszimmer aufgeh#228;ngt und ein paar Hutschachteln in der Waschk#252;che gestapelt. Und mein versammeltes Make-up steht auf dem Esstisch, der genau die richtige Gr#246;#223;e hat. Im Grunde ist er wie daf#252;r gemacht. Meine Wimperntusche passt in die Messerschublade, meine Gl#228;tteisen passen perfekt auf das Beistellw#228;gelchen, und meine Zeitschriften stapeln sich auf den St#252;hlen.

Au#223;erdem habe ich ein paar winzige Kleinigkeiten in der Garage verstaut, etwa meine alten Stiefel und diese beiden wundersch#246;nen alten Truhen, die ich aus einem Antiquit#228;tenladen habe, au#223;erdem eine Power-Plate (die ich bei eBay gekauft habe und unbedingt endlich mal benutzen muss). Ich f#252;rchte, da drinnen wird es langsam etwas eng, aber Dad stellt sein Auto ja sowieso nie in die Garage, oder?

Nachdem Luke ein Puzzle eingepackt hat, nimmt er eine Zaubertafel in die Hand. Stirnrunzelnd sieht er sich im Zimmer um.

»Wie viele Geschenke kriegt Minnie eigentlich?« 

»Nur das #220;bliche« , sage ich eher defensiv.

Obwohl ich ehrlicherweise zugeben muss, dass ich selbst etwas perplex war. Ich hatte ganz vergessen, wie viel ich im Laufe des Jahres in Katalogen und auf Handwerksm#228;rkten gefunden und dann gebunkert hatte.

»Die hier ist p#228;dagogisch wertvoll.« Hastig rei#223;e ich das Preisschild von der Zaubertafel. »Und sie war echt billig. Nimm noch etwas Gl#252;hwein!« Ich schenke ihm ein Glas ein, dann greife ich mir einen roten Hut mit zwei glitzernden Bommeln. Er ist einfach zu s#252;#223;, und es gab ihn auch in Babygr#246;#223;en.

Wenn wir noch ein Baby h#228;tten, k#246;nnte es einen Bommelhut tragen, der zu Minnies passt. Die Leute w#252;rden sie »Die Kinder mit den Bommelh#252;ten« nennen.

Pl#246;tzlich habe ich ein faszinierendes Bild vor Augen, wie ich mit Minnie die Stra#223;e hinunterlaufe. Sie schiebt ihren Puppenwagen und ich einen Kinderwagen, in dem ein echtes Baby liegt. Sie h#228;tte einen Freund f#252;rs Leben. Es w#228;re einfach perfekt ...

»Becky? Tesa? Becky?« 

Pl#246;tzlich merke ich, dass Luke meinen Namen schon ungef#228;hr viermal gesagt hat. »Oh! Entschuldige! Hier, bitte. Ist das nicht zauberhaft?« Ich lasse die Bommel vor Lukes Nase baumeln. »Die gab es auch f#252;r Babys.« 

Ich mache eine vielsagende Pause, lasse das Wort »Babys« in der Luft h#228;ngen und setze s#228;mtliche telepathischen Kr#228;fte ein, die ich als Ehefrau aufbieten kann.

»Dieses Tesa ist schei#223;e. Das taugt nichts.« Ungeduldig wirft er es weg.

Hm. So viel zur ehelichen Telepathie. Vielleicht sollte ich etwas raffinierter vorgehen. Suze hat ihren Mann Tarkie einmal derma#223;en geschickt zu einer Pauschalreise nach Disneyland #252;berredet, dass er erst im Flugzeug gemerkt hat, wohin die Reise ging. Allerdings ist Tarkie eben Tarkie (liebenswert, gutgl#228;ubig, denkt normalerweise an Wagner oder Schafe). Und Luke ist Luke (immer am Ball und denkt st#228;ndig, ich f#252;hre was im Schilde. Was ich absolut NICHT tue.)

»Das mit Arcodas ist ja eine fantastische Neuigkeit!«, sage ich so nebenher. »Und das mit dem Haus auch.« »Ja, toll, nicht?« Kurz macht sich auf Lukes Gesicht ein L#228;cheln breit.

»Es ist, als f#252;gten sich alle Puzzleteilchen ineinander. Zumindest fast alle Puzzleteilchen.« Wieder lasse ich eine bedeutungsschwangere Pause, aber Luke merkt nichts davon.

Welchen Sinn hat es, die Konversation mit bedeutungsschwangeren Pausen zu spicken, wenn der Betreffende nichts davon merkt? Ich habe genug von Heimlichkeiten. Die sind total #252;berbewertet.

»Luke, lass uns noch ein Baby machen!«, sage ich prompt. »Heute Abend!«

Was folgt, ist Schweigen. Einen Moment frage ich mich, ob Luke es #252;berhaupt geh#246;rt hat. Dann hebt er den Kopf und sieht total entgeistert aus.

»Bist du verr#252;ckt?«

Ich starre ihn an, sprachlos.

»Selbstverst#228;ndlich bin ich nicht verr#252;ckt! Ich finde, Minnie sollte einen kleinen Bruder oder eine Schwester haben. Du nicht?« »Mein Bl#252;mchen ... « Luke hockt sich hin. »Wir sind schon einem Kind nicht gewachsen. Wie um alles in der Welt sollen wir mit zwei Kindern zurechtkommen? Du wei#223;t doch, wie sie sich heute benommen hat.« 

Nicht er auch noch. »Was sagst du da?«  Unwillk#252;rlich klinge ich verletzt. »Findest du etwa auch, dass Minnie verw#246;hnt ist?« »Das meine ich damit nicht«, sagt Luke ganz vorsichtig. »Aber du musst zugeben, dass sie nicht zu b#228;ndigen ist.«

»Doch, ist sie wohl!« 

»Sieh doch mal die Fakten! Sie wurde aus vier Weihnachtsmannwerkst#228;tten verbannt.«  Er z#228;hlt es an den Fingern ab. »Und aus der St. Paul's Cathedral. Ganz zu schweigen von dem Zwischenfall bei Harvey Nichols und dem Fiasko in meinem B#252;ro.« 

Will er ihr das bis an ihr Lebensende vorhalten? Ich finde eher, sie sollten nicht so teure Kunstwerke an die W#228;nde h#228;ngen. Sie sollten lieber arbeiten und nicht den ganzen Tag rumstehen und sich moderne Kunst angucken.

»Sie ist nur lebhaft« ,sage ich trotzig. »Vielleicht w#252;rde ihr ein kleines Geschwisterchen gunun.« 

»Und uns w#252;rde es in den Wahnsinn treiben.« Luke sch#252;ttelt den Kopf. »Becky, lass es uns bei dem einen Kind belassen, okay?« 

Ich bin am Boden zerst#246;rt. Ich will es nicht dabei belassen. Ich will zwei Kinder mit Bommelh#252;ten.

»Luke, ich habe es mir wirklich gut #252;berlegt. Ich m#246;chte nicht, dass Minnie als Einzelkind aufw#228;chst. Und ich m#246;chte, dass unsere Kinder alters m#228;#223;ig nah beieinander sind, nicht Jahre auseinander. Und ich habe Gutscheine im Wert von mehreren hundert Pfund f#252;r Baby World, die ich nie ausgegeben habe!« f#252;ge ich hinzu, weil es mir pl#246;tzlich einf#228;llt. »Die laufen bald ab.« 

»Becky.« Luke rollt mit den Augen. »Wir werden nicht noch ein Kind bekommen, weil wir ein paar Gutscheine f#252;r Baby World haben.« 

»Das ist ja nicht der einzige Grund!«, sage ich beleidigt. »Das w#228;re nur ein weiterer Grund.« War klar, dass er sich darauf st#252;rzt. Er will nur dem eigentlichen Thema ausweichen. »Also, was willst du mir damit sagen? Dass du #252;berhaupt kein Baby mehr m#246;chtest?« 

Trotz blitzt in Lukes Miene auf. Er antwortet nicht, sondern packt das Geschenk zu Ende ein, knickt alle Ecken um und streicht das Tesa glatt. Er sieht aus wie jemand, der einem Gespr#228;ch ausweichen m#246;chte, das ihn an seinem wunden Punkt erwischt hat.

Mit wachsender Best#252;rzung sehe ich ihn mir an. Seit wann ist denn ein zweites Baby bei Luke ein wunder Punkt? »Vielleicht h#228;tte ich gern noch ein Kind«, sagt er schlie#223;lich. »Theoretisch. Eines Tages.« 

Tja, er k#246;nnte nicht weniger begeistert klingen.

»Gut.« Ich schlucke. »Verstehe.« 

»Becky, versteh mich nicht falsch. Minnie zu bekommen war ... unbeschreiblich. Ich liebe sie von ganzem Herzen, das wei#223;t du.« Er sieht mir offen in die Augen, und ich bin zu ehrlich, als dass ich irgendetwas anderes tun k#246;nnte, als zu nicken.

»Aber wir sind nicht bereit f#252;r noch ein Kind. Sieh den Tatsachen ins Gesicht, Becky. Es war ein m#246;rderisches Jahr, wir haben noch nicht mal ein eigenes Zuhause, Minnie ist ein echter Wildfang, wir haben auch so schon genug um die Ohren ... Lass es uns f#252;rs Erste vergessen. Freuen wir uns #252;ber Weihnachten, #252;ber uns drei. Lass uns sp#228;ter noch mal dr#252;ber reden, in einem Jahr vielleicht.« 

In einem Jahr?

»Aber das ist ja eine Ewigkeit.« Zu meinem Entsetzen bebt meine Stimme leicht. »Ich hatte gehofft, wir k#246;nnten n#228;chstes Weihnachten schon ein neues Baby haben! Ich habe sogar schon die perfekten Namen gefunden, falls es heute klappt. Nikolaus oder Schneefl#246;ckchen.«

»Ach, Becky.« Luke nimmt meine H#228;nde und seufzt. »Wenn wir doch nur einen Tag ohne gr#246;#223;eren Zwischenfall hinter uns bringen k#246;nnten, w#228;re mir vielleicht anders zumute.« 

»SO schlimm ist sie auch wieder nicht!« Er richtet sich auf. »Gab es denn einen einzigen Tag, an dem Minnie nicht irgendwie Chaos angerichtet hat?« 

»Okay« , sage ich etwas widerborstig. »Wart's ab. Ich werde ein kleines Buch anlegen, in dem ich etwaige Zwischenf#228;lle notiere, und ich wette, es wird keinen einzigen Eintrag geben. Ich wette, Minnie ist ab jetzt ein Engel.« 

Schweigend mache ich mich wieder daran, Geschenke einzupacken, und rei#223;e das Klebeband mit Gewalt ab, um zu zeigen, wie verletzt ich bin. Wahrscheinlich wollte er von vornherein gar keine Kinder. Wahrscheinlich verachtet er mich und Minnie. Wahrscheinlich w#252;nscht er sich, er w#228;re nach wie vor Junggeselle und k#246;nnte den ganzen Tag mit seinem Sportwagen durch die Gegend geigen. Ich wusste es.

»Sind das jetzt alle Geschenke?«, sage ich schlie#223;lich und klebe dabei eine gro#223;e, gepunktete Schleife auf das letzte P#228;ckchen.

»Ehrlich gesagt ... eins habe ich noch.« Luke sieht etwas verlegen aus. »Ich konnte nicht widerstehen.« 

Er geht zum Wandschrank und w#252;hlt darin herum, hinter seinen Schuhen. Als er sich umdreht, h#228;lt er einen vergammelten Pappkarton in der Hand. Er stellt ihn auf den Teppich und holt vorsichtig ein altes Puppentheater hervor. Es ist aus Holz, die Farbe leicht verblasst, mit echten kleinen Samtvorh#228;ngen und sogar winzigen B#252;hnenscheinwerfern.

»WOW«, hauche ich. »Das ist ja entz#252;ckend! Wo hast du das denn her?« »Hab ich bei eBay gefunden. So eins hatte ich auch als kleiner Junge, genau so eins. Dieselben B#252;hnenbilder, Figuren, alles.« 

Gespannt sehe ich zu, wie er an den winzigen Schn#252;ren zieht und sich die Vorh#228;nge quietschend #246;ffnen. Die B#252;hne ist mit B#252;hnenbildern f#252;r Shakespeares Sommernachtstraum ausgestattet, erstaunlich detailliert gemalt. Eines zeigt eine Innenszene mit S#228;ulen, ein anderes ein W#228;ldchen mit einem kleinen Bach mit moosigem Ufer, wieder ein anderes einen gro#223;en Wald mit den fernen T#252;rmen einer Burg im Hintergrund. Es gibt kleine Holzfiguren in Kost#252;men und sogar eine mit einem Eselskopf. Das muss ... Puck sein.

Nein, nicht Puck. Der andere. Oberon. Okay, sobald Luke unten ist, werde ich schnell mal Ein Sommernachtstraum googeln.

»Das habe ich immer mit Annabel gespielt.« Wie in Trance starrt Luke das kleine Theater an. »Wie alt mag ich da gewesen sein? Sechs? Es war, als w#228;re ich in einer anderen Welt. Guck mal, die B#252;hnenbilder laufen auf kleinen R#228;dern. Das ist feinste Handwerkskunst.«

Als ich sehe, wie er die Figuren hin und her schiebt, sticht mich das schlechte Gewissen. Ich wusste gar nicht, dass Luke eine nostalgische Ader hat. #220;berhaupt nicht.

»Pass gut auf, dass Minnie es nicht kaputt macht«, sage ich sanft. »Keine Sorge.« Er l#228;chelt. »Weihnachten gibt es sogar eine kleine Vater-Tochter-Auff#252;hrung.«

Jetzt sch#228;me ich mich ein bisschen. Ich nehme alles zur#252;ck. Vielleicht verachtet Luke mich und Minnie doch nicht. Er hatte ein schweres Jahr. Das ist alles.

Ich muss mal ein kleines Mama-Minnie-Pl#228;uschchen halten. Ihr die Lage erkl#228;ren. Dann wird sie sich schon bessern, und Luke #252;berlegt es sich noch mal, und alles wird gut.