"Schwarzer Valentinstag" - читать интересную книгу автора (Bentele Günther)ALLEINDer Schmerz war so groß gewesen, dass Christoph zuerst zu einem Stein geworden war. Es war wie in Stuttgart, als das Todesurteil verkündet wurde und der Henker die Hand auf sie gelegt hatte. Lukas und Melchior waren weitergegangen. Hatte er ihnen überhaupt gedankt? Er erinnerte sich kaum mehr an die Tage nach dem Tod des Vaters, wie sie zum Pfarrer nach Griesbach gegangen waren und der dem Vater als verurteiltem Verbrecher die christliche Beerdigung verweigert hatte. Der Trost der Gaukler. Die Hand der dicken Regine auf seinem Kopf, das hatte gut getan, er hatte nach einem Tag endlich weinen können. Dann hatte ihm Philo den Arm um die Schultern gelegt, alles ohne Scheu, als hätte es den Henker nie gegeben. Balthas sprach ihm Mut zu und bot ihm an bei ihnen zu bleiben. Bei ihnen bleiben? Gaukler werden? Er konnte ja gar nichts! »Alles kann man lernen«, hatte Balthas gesagt. »Sogar als Kind eines reichen Kaufmanns kann man lernen. Wir finden schon etwas.« Aber dann nach drei, vier Tagen, in denen er sich besonders jämmerlich verlassen vorkam, war der Gedanke immer stärker geworden: Ich bringe das zu Ende, was mein Vater angefangen hat! Christoph Schimmelfeldt wusste die Namen der Straßburger Kaufleute nicht, die seinen Vater in den Tod getrieben und ihn selbst zum Bettler gemacht hatten. Zwei der Stuttgarter Kaufleute kannte er, er hatte sie zumindest bei der Gerichtsverhandlung gesehen. Einer war dem Vater nachgelaufen. Aber das nützte nichts. Wichtiger waren die Namen der Straßburger Kaufleute. Der Vater hatte sie gewusst. Er musste nach Straßburg. War er auch allein gefährdet? Kannten sie ihn? Wie sollten sie ihn finden? »Ich bleibe gerne bei euch, wenn ich darf. Aber nur bis zum Frühjahr. Dann will ich nach Straßburg und meinen Vater rächen. Wenn er mir nur den Namen der Straßburger Kaufleute gesagt hätte, die er im Verdacht hatte.« »Wir gehen auch nach Straßburg, du kannst ruhig bei uns bleiben«, meinte Philo. »Und Namen finden wir.« »Aber nicht als Gaukler.« »Was denn sonst, ein besseres Versteck kann es nicht geben«, sagte Balthas bestimmt. »Nicht erwischt! Noch immer nicht erwischt!« Der Straßburger Kaufmann, ein breiter Mann, zerrte an seinem kostbaren Pelz. Der Schnee am Ufer der Ill knirschte unter den Füßen. »Aber es ist sicher, dass der alte Schimmelfeldt tot ist.« Ein anderer Straßburger Kaufmann legte ihm begütigend die Hand auf den Arm. »Hätte man auf mich gehört; so hätte man ihn einfach mitmachen lassen, als der Schmied ihm alles gesagt hat«, antwortete der Zweite leise, »es ist noch nicht einmal sicher, dass er ihm alles gesagt hat.« »Er wusste die Zahlen, das genügt!« Jetzt mischte sich der Dritte ein: »Er hätte nie mitgemacht. Ich habe es immer gesagt. Er ist zu ehrlich und zu altmodisch; er begreift nichts von der neuen Zeit. Er hätte alles auffliegen lassen.« »Ja, so sieht es in der Tat aus, deshalb war es wohl richtig; was wir gemacht haben«, gab der Zweite klein bei. »Es geht jetzt nicht um die Frage, was richtig oder falsch war«, sagte der Erste mit Nachdruck; »sondern allein darum, ob er tot ist oder nicht.« Drüben über der Eisfläche der Ill, auf deren Ufer Fischer ihre Boote hinaufgezogen hatten, erhob sich der Riesenbau des Münsters. Ein kalter messerdünner Wind kam herüber und trieb den drei Herren das Wasser in die Augen. »Meine Spitzel sind vorgestern mit der Meldung gekommen, er sei tot«, sagte der Dritte, »der Alte und der Junge samt diesen verdammten Köhlern, die sie über die Grinde geführt haben, fanden wohl Zuflucht bei einer Gauklertruppe. Einer der Köhler hatte sich abgesetzt und wollte sich die Belohnung verdienen, aber leider kam der Sturm dazwischen, der auch hier diese Kälte gebracht hat. Bei den Gauklern in der Sturmnacht muss der Alte gestorben sein.« »Muss gestorben sein. Ich höre wohl schlecht! Und der Beweis?« »Der Pfarrer von Griesbach ist der Beweis. Die Gaukler sind mit dem Jungen zu ihm gekommen, um den Kerl in geweihter Erde begraben zu lassen. Die Köhler sind wohl wieder nach Hause gegangen.« »Einen Mann, der dem Henker verfallen ist – er wird doch nicht…?« »Nein, als er erfahren hat, dass der Mann an den Folgen einer Folterung gestorben ist, hat er es abgelehnt, wie es recht ist.« »Ihr habt die Männer doch nicht ausbezahlt.« »Keinen Heller!« »Gut.« »Bleibt der Junge.« »Was kann der schon schaden?«, fragte der Zweite. »Was kann der schon schaden! Was kann der schon schaden! Der Alte hat es ihm erzählt. Kannst du Gift darauf nehmen – der weiß alles, unsere Namen, alles!« Ein Schwarm Krähen flog über die Ill. »Dazu kommt, dass er jetzt den Tod des Vaters rächen will. Ich bitte Euch! Es ist alles auf Überraschung aufgebaut, ein falsches Wörtlein kann alles gefährden. Wenn der in Straßburg auftaucht, dann ist höchste Gefahr. Er muss weg. Ich nehme die Sache selbst in die Hand. Ihr könnt ja eine Kapelle stiften, wenn Ihr ein schlechtes Gewissen habt!« Die Gaukler packten im Schnee das Zelt zusammen und zogen in eine leer stehende Hütte. Christoph musste sich erst daran gewöhnen, mit Gauklern zusammenzuleben. Der Vater hatte gesagt, dass man bei Gauklern und Bettlern in Straßburg am meisten erfahren könne. Aber Christoph hatte noch nie mit Gauklern geredet. Er hatte ihnen gelegentlich auf dem Marktplatz in Stuttgart zugeschaut. Es war ihm aber nie eingefallen, ein Wort mit ihnen zu wechseln. Wer sich mit ihnen einließ, wurde von den anderen Bürgern gemieden. Jetzt stemmte Balthas seine Hände in die Hüften: »Wer hätte das gedacht, wie unbegabt Kaufleute in unserem Handwerk sind! Du kannst weder jonglieren noch auf den Händen gehen oder ein brauchbares Rad schlagen. Du kannst nicht Feuer schlucken und du kannst nicht seiltanzen. Vom Zaubern ganz zu schweigen.« »Da schau mich an«, sagte Philo gönnerhaft. »Ich kann das alles: Ich kann sogar auf den Händen seiltanzen und dabei Feuer schlucken – « »Und wenn man dir einen Löffel in den Hintern steckt, kannst du noch essen dabei, du Angeber!« »Aber ich kann es lernen. Du hast es gesagt. Das ist schon viel.« Das musste Balthas zugeben. Von Anfang an hatte es Christoph das Zaubern angetan: »Kannst du wirklich Zaubern? Das möchte ich lernen. Ich will ein Zauberer werden, kannst du mir das beibringen?« Balthas wehrte ab: »Weißt du, mit dem Zaubern – du verstehst das falsch.« Dann griff er blitzschnell Christoph an das Ohr, das unter seinem dick verfilzten Haarschopf kaum zu finden war, und hatte einen Heller in der Hand. »Was der Bursche alles in den Ohren hat!«, lachte Philo. »Kein Wunder, hat er nichts im Kopf.« »Du bist hier derjenige, der nichts im Kopf hat als Blödsinn.« »Aua! Du musst mich doch deshalb nicht gleich an den Haaren ziehen.« Christoph war fasziniert. Wie war der Heller in sein Ohr gekommen? Er hatte nichts gespürt. Wenn die zaubern konnten – dann konnten sie doch – in Straßburg – Balthas öffnete seinen weiten Ärmel und holte verschiedenste Dinge heraus: kleine Geldstücke, Glasperlen, Spielkarten, einen kleinen Holzlöffel und anderen Krimskrams. »Leider haben wir keine Juwelen bei uns«, jammerte Philo. »Ach, ist das schade! Aua!« »Solche Kleinigkeiten kann man immer brauchen, um die Leute zu verblüffen auf den Jahrmärkten und Marktplätzen.« Und Philo sagte: »Will der Herr den Inhalt meines Gewandes wissen? – Hereinspaziert! Hereinspaziert! Eintritt gegen Bezahlung, ganz billig, nur einen Dukaten pro Nase. Bedenken Sie, meine verkehrten, äh, verehrten Bürger und Bürgerinnen, hier erleben Sie noch echte Schwarzwaldkunst, äh, Schwarzkunst!« »Halt jetzt dein Maul!«, sagte Balthas lachend. Aber Christoph war still. Das also war Zaubern! »Es ist alles nur Täuschung. Ich werde dir einige Dinge zeigen, da wird jeder Bürger schwören, dass es sich um wirkliches Zaubern handelt – « Täuschung war alles. Regine kochte. Regine sorgte dafür, dass genügend Holz da war. Regine tröstete Balthas, wenn er sich über Philo aufregte. Regine tröstete Philo, wenn er sich schlecht behandelt fühlte von Balthas. Das alles war schnell wieder vergessen. Aber Regine tröstete auch Christoph, und das war oft notwendig. Niemand wusste, wer ihr Vater war. Zuerst hatte sie mit der Mutter in einem kleinen Häuschen gewohnt, einer Hütte am Rande des Dorfs. Die Mutter hatte als Magd bei einem Bauern gearbeitet und auch bei ihm gewohnt, aber als Regine gekommen war, hatte er sie hinausgeworfen. Sie richtete die baufällige Hütte her, zog Regine dort auf und arbeitete bei den Bauern im Tagelohn. Die Leute sagten, der Bauer sei ihr Vater. Aber die Mutter hatte das nie bestätigt: »Kind, es ist sicher, dass du einen Vater hast, weil jeder einen hat, aber genauso sicher ist es, dass du nicht wissen musst, wer das ist. Niemand ist geholfen, wenn du das weißt. Ich weiß, wer dein Vater ist. Aber habe ich etwas davon?« Die anderen Kinder freilich dachten nicht so. Wer keinen Vater hatte, war in ihren Augen kein richtiger Mensch, denn man wusste im Dorf von jedem Kalb, wer sein Vater war! »Du bist aber kein Kalb«, hatte die Mutter geantwortet. »Du bist noch weniger als ein Kalb«, hatten die Kinder gerufen. Manche Leute meinten, der Ritter sei ihr Vater, die Mutter sei in ihrer Jugend eine Schönheit gewesen, wenn auch bettelarm. Der Bauer habe sie aus Eifersucht hinausgeworfen. Der Ritter aber war in einer Fehde umgekommen. Regine hatte ihn oft gesehen, wie er von seiner Burg zur Jagd ritt und seine Knechte herumscheuchte. Sie musste sich selbst sagen, wenn der ihr Vater war, so hätte sie wirklich nichts davon gehabt. Als Regine ein sehr schönes Mädchen wurde, hatte sie am ersten Tag im Mai, nach der Walpurgisnacht, oft einen Strohbuschen an die Türe des Häuschens angenagelt gefunden und keine Brezel auf das Scheunentor gemalt wie andere Mädchen, die einen Bräutigam in Aussicht hatten. Sie hatte weder einen Bräutigam in Aussicht noch besaß sie eine Scheune mit einem Tor, auf das ein künftiger Bräutigam eine Brezel hätte malen können. Und die Strohbuschen bedeuteten ganz andere Angebote, die ein Mädchen besser ausschlug. Niemand wollte das arme Mädchen heiraten, das nicht einmal einen Vater hatte. Schließlich, als Regine siebzehn Jahre alt war, starb die Mutter. Sie war froh, als sie mit der ersten Gauklertruppe, die durch das Dorf gezogen war, mitgehen konnte. Sie war viel herumgekommen und nun war sie alt und grau und fett und lebte zufrieden, wie sie immer sagte. Balthas war der Sohn eines Gauklers und dessen Vater war auch ein Gaukler gewesen. Wer Philo war, wusste niemand. Er selbst meinte: »Ich bin einfach vom Himmel gefallen wie der Tau am Morgen«, und spielte mit seinen bunten Bällen. »Oder der Esel hat dich im Galopp verloren«, vermutete Balthas. Er sei ein Findelkind, etwa sechzehn Jahre alt, und sie hätten ihn seit etwa zwölf Jahren bei sich, da sie keine Kinder bekamen. »Er ist unglaublich begabt im Gauklerhandwerk, aber du musst es ihm nicht sagen«, sagte Balthas einmal zu Christoph. Sie gingen zu dritt auf die Jahrmärkte und konnten alles: seiltanzen, mit bunten Bällen jonglieren, Feuer schlucken, zaubern, wahrsagen, Karten legen. Balthas war schon als Bärenführer und als Bänkelsänger aufgetreten. Aber Bären seien zu teuer und der Gesang – da reiche seine Stimme heute nicht mehr. Zum Seiltanzen war er jetzt zu fett, wie er sagte. »Du kannst vor die Leute nur mit erstklassigen Darbietungen hintreten.« »Man verdient gut in unserem Gewerbe, wenn man wirklich gut ist«, sagte Balthas und legte den Arm um die fette Regine, »und man ist frei wie ein Vogel.« »Ja«, lachte Regine, »vogelfrei! Niemand beschützt uns!« Balthas sprach von seinem Beruf immer nur als Handwerk. Als wäre er ein richtiger Bürger, dachte Christoph. Aber er selbst war ja auch kein Bürger mehr und er konnte nicht einmal irgendetwas vom Handwerk des alten Balthas. Dafür konnte Balthas lesen und schreiben und hatte es Regine und Philo beigebracht. Am besten ging noch das Seiltanzen. Sie hatten von den Obstwiesen an den Abhängen des Schwarzwalds eine lange Stange geholt und sie auf Pflöcken befestigt, die im Schnee steckten. »Es ist zwar kein Seil, das wackelt ganz anders«, meinte Philo, »aber zum Lernen ist es sehr gut. Ich habe auch so angefangen.« Schritt für Schritt ging Christoph über die Stange, begleitet von den Beifallrufen Regines und von Philos Flötenspiel. Oft musste er herunterspringen in den Schnee, aber er machte Fortschritte. Philo rüttelte an der Stange und versetzte sie in Schwingungen und immer seltener musste Christoph abspringen. »Wart nur, bis wir dir das Seil über die Schlucht binden und du mit der Balancierstange üben musst.« Philo konnte es kaum erwarten, aber dafür lag zu viel Schnee. Christoph war froh, denn Balthas ließ niemand mit Schuhen auf das Seil. Da würde ich schön frieren, dachte er, und schaute voll Schrecken nach den bloßen Füßen von Balthas und Philo, denen der Schnee nichts ausmachte, wie sie sagten. »Wir sollten die Schlucht auch meiden. Denn sie suchen dich bestimmt immer noch.« Balthas legte den Arm um Christoph. »Nach meiner Flöte solltest du deine Schritte richten«, sagte Philo und Balthas nickte. »Dann werden sie ruhiger und regelmäßiger.« Aber wenn Christoph das versuchte, musste er sofort abspringen. Philo konnte es, wenn Balthas oder Regine spielten. Vor – zurück – vor – zurück – Drehung, als wäre die Stange ein Tanzboden. »Das ist Seiltanzen«, sagte er, »was du machst, ist höchstens Seilgehen, zurzeit Stangengehen!« Philo konnte sogar auf der Stange tanzen und dabei selbst auf der Flöte spielen: vor – zurück – Drehung. Balthas ließ es ihn aber nicht auf dem Seil machen, weil er dabei keine Balancierstange halten konnte. Mit Mühe und riesigem Zeitaufwand schaffte Christoph es, auf der Stange niederzuknien und wieder aufzustehen, aber einen Purzelbaum, der einfach dazugehörte, wie alle sagten, brachte er nicht zustande. An Radschlagen war nicht zu denken, und auf dem Seil sollte alles noch viel schwerer sein. Was soll es auch, dachte er, im Sommer bin ich sowieso kein Gaukler mehr. Es war ja ganz nett, Gaukler zu sein. Aber er war in Wirklichkeit keiner. Das merkten sie doch! Er wusste aber, dass sie das, was er vorhatte, für zu gefährlich hielten. Aus dem Süden kam eine Krankheit, schrecklich, wie man noch keine kannte. Regine brachte die Nachricht mit. Es wurde auf den Höfen erzählt und die Bauern wussten es aus den Städten. Mit den Kaufleuten sei die Nachricht über die Alpen gekommen. Sie heiße das große Sterben oder der schwarze Tod oder einfach Pest. Es sei eine Seuche ansteckender als die schwarzen Pocken. Beulen seien es, Beulen an den Armen und in den Leisten. Fieber bekämen die Menschen. Man sterbe unter grausigen Qualen. Ganze Landstriche seien bereits menschenleer. Das sei der Weltuntergang. Ein schwarzweißer Mönch habe es in Freiburg auf dem Münsterplatz verkündet. Einige Wochen später kam Philo in die Hütte gerannt: »Sie suchen nach Christoph!« Er schaute sich um, Christoph war nicht da. Dennoch flüsterte er und nahm die beiden Alten zur Seite. »Ich war heute ganz unten in der Herberge bei Offenburg, um meine neuesten Zaubertricks auszuprobieren.« »Das solltest du nicht tun. Du weißt, wie gefährlich es ist. Es ist schon gefährlich genug, dass wir auf die Bauernhöfe müssen, aber in Gasthäuser und Herbergen laufen!« »Da war ein Mann in der Herberge, ein unsympathischer Wicht – klein, dicklich, mit tückischen Knopfaugen wie ein Frosch, und die Lüge stand ihm ins Gesicht geschrieben. Wie ich das mache, fragte der Frosch. Welcher Gaukler verrät schon seine Tricks? Ich kann euch sagen, die Leute tobten vor Begeisterung. Einer Frau zog ich, als ob es nichts wäre, einen Goldring aus ihrem Schlüsselbund – es war ihr eigener – « »Das sollst du nicht machen – wenn sie dich erwischen, bevor du den Ring zurückgegeben hast, hängen sie dich auf!« »Ich lasse mich nicht so schnell aufhängen. Hat mir nicht Regine einmal aus der Hand gelesen, dass ich nicht aufgehängt werde, sondern in einem Bett sterbe? Woher ich wohl einmal ein Bett zum Sterben nehme? Das Beste ist, ich lege mich nie in eines hinein.« Philo warf drei Bälle in die Luft und ließ sie dort kreisen. »Weiter!« »Also, dieser giftige Mensch fragt mich nach meinen Tricks und zieht mich dabei auf die Seite, dass es niemand hören kann. Das ist doch sehr mühsam, auf diese Weise Geld zu verdienen, sagt er. Er mache es ganz anders und habe immer Geld genug. Er zieht eine Hand voll Heller aus der Tasche und hält sie mir unter die Nase. Da sei mein Glück im Nu gemacht, meint er, und das sei noch gar nichts: Gold könne man damit verdienen, ehe man auf drei gezählt habe. Ich stelle mich neugierig. Wo es so viel Geld zu verdienen gibt, bin ich dabei, sage ich. Was er denn macht, frage ich. Mörder, Diebe und Betrüger fangen!, antwortet dieser Frosch. Ja, da bin ich auch dabei, sage ich, Halunken muss man einfangen und dann muss man sie aufhängen. Und wo gibt es das viele Geld? Kopfgeld, sagt er. Man muss nur wissen, auf wessen Kopf die Obrigkeit Geld ausgesetzt hat. Und dann muss man den finden: Schwuppdich, hängt der am Galgen und du bist ein reicher Mann. Ja, sage ich, dazu muss man aber auch wissen, wo der Gesuchte ist! Er schaut mich seltsam an, stellt sich auf die Zehenspitzen und bringt seine Knopfaugen ganz nah an mein Gesicht: Ich glaube, du weißt es. Seine Augen fallen ihm beinahe aus dem Kopf – es war beängstigend.« Regine und Balthas wurden unruhig. Christoph kam zurück: »Was habt ihr denn da so heimlich zu flüstern?« »Er muss es ja doch erfahren!« Christoph war es, als würde ihm der Boden unter den Füßen weggezogen. Alles war wieder da, woran er fast gewaltsam nicht mehr gedacht hatte, und war nun Gewissheit: Sie suchten ihn, auf seinem Kopf stand ein Preis, sie hetzten ihn wie den Vater. Er biss die Zähne zusammen und presste die Lippen aufeinander. »Wenn ich es wirklich weiß, will ich mir das Geld schon verdienen, sage ich zu ihm. Er lauert und schaut mich von der Seite an. Du gehörst doch zum alten Balthas und der dicken Regine! Wer einen Verbrecher versteckt, wird auch aufgehängt. Der Frosch ist sich sicher, dass ich das nicht will. Jetzt hättet ihr mich sehen sollen, eine wirklich große Leistung, wie ich in Angst gerate.« Er spielte wieder mit den Bällen. »Ich werde bleich wie ein Mehlsack, ich zittere wie eine Pappel, ich fange an zu schwitzen wie ein Schweinebraten. Ich umklammere seinen Arm und beiße mir in die Finger. Ja, ich habe da so einen Verdacht, sage ich mit wackeliger Stimme. Da ist ein Junge zu uns gekommen schon vor Wochen, der ist so eigenartig. Wenn er den meint, den kann er gerne haben, der frisst sowieso so viel, dass einem selbst nichts mehr bleibt. Ich weiß nicht, sage ich, was die beiden Alten für einen Narren an ihm gefressen haben.« Christoph sprang auf – Balthas hielt ihn mit festem Griff: »Ruhig, hör gut zu.« »Es hat großen Spaß gemacht«, fuhr Philo fort. »Ist er allein gekommen, will er wissen, oder war da nicht noch ein Alter dabei, der krank war? Ich überlege gar nicht: So war es. Aber wer hätte denken können, dass das Verbrecher sind? Der Alte ist dann gleich gestorben. Die sahen gar nicht aus wie Verbrecher! Das kann ich jederzeit beschwören. Ich heule, die Tränen laufen mir die Backen hinunter. Das kann ich, wann ich will.« Er grinste. »Wir können doch nichts dafür, jammere ich. Wir sind doch nur ehrliche Gaukler! Er darf uns nicht anzeigen! Das will er ja auch nicht, sagt der Frosch, er will ja nur mein Bestes. Du wirst natürlich nicht angezeigt, im Gegenteil, wenn du alles sagst, bekommst du viel Geld, so wie ich es dir versprochen habe. Der Mann war nicht ungeschickt.« »Aber du warst schlauer«, sagte Balthas lächelnd und Regine tätschelte ihm den Rücken. »Eben. Er will mir zwei Dukaten geben, wenn der Mörder, wie er sagt, ausgeliefert und gefangen ist. Ich will keinen Vorschuss von ihm annehmen, weil ich froh bin, dass alles so gut ausgeht. Er drängt mir den Vorschuss geradezu auf.« Er griff in die Tasche und holte drei Schillinge heraus. »Das sind Straßburger Silberlinge, drei, statt dreißig.« Balthas rieb sich die Hände und reichte sie Christoph: »Die bekommt Christoph.« »Ja«, sagte Philo und hüpfte im Kreis herum, »man erlebt sicher nur selten, dass einer das Kopfgeld bekommt, das auf seinen eigenen Kopf ausgesetzt ist.« »Und wie ging es weiter?« »Na ja, der Rest ist klar. Ich habe ihm unser Versteck so genau beschrieben, dass er jedes Wort glauben muss. Wir sind nach meiner Beschreibung mindestens zehn Meilen von hier entfernt in einem hoch gelegenen Tal, wohin sie sich erst einen Weg durch den Schnee bahnen müssen.« Er jonglierte jetzt mit sechs Bällen und hatte die Zunge zwischen den Zähnen. »Bist du sicher, dass er dir nicht gefolgt ist?« Balthas beugte sich vor. »Ganz sicher. Nämlich – ich bin ihm gefolgt. Er war auf einmal sehr ungeduldig und wollte Hilfe holen, um das Nest auszuheben, wie er sich ausgedrückt hat. Schon morgen Nacht will er uns auffliegen lassen. Er ist Richtung Achern abgezogen.« »Er wird uns anderen doch nichts tun?«, spielte Regine die Besorgte und lachte. »Ich habe für euch, den Meister und die Meisterin freien Abzug zugesichert bekommen, weil ich sonst kein Wort verraten hätte.« »Es wird dennoch gut sein, wenn wir von hier verschwinden. Ich weiß noch mehr Schlupflöcher.« Balthas legte Philo die Hand auf die Schulter: »Gut gemacht. Ich hätte es nicht besser machen können.« Philo strahlte über das ganze Gesicht: »Und habt ihr gesehen, wie ich zum Schluss mit acht Bällen jongliert habe? Einfach so nebenbei!« Dann wurde Balthas ernst: »Christoph, das heißt für dich, du musst gehen. Sie wissen, dass du bei uns bist. Über kurz oder lang finden sie uns, da können wir uns so gut verstecken, wie wir wollen. Wir selbst können uns herausreden, du hast es ja gesehen.« Und Regine ergänzte: »Das Alleinsein, so schwer es auch fällt, ist für dich jetzt das beste Versteck.« Seit Tagen regnete es. Der Regen trommelte auf die alte Pferdedecke, die sich Christoph über sein kurz geschorenes Haar gezogen hatte. Es war schon über eine Woche her, seit er die Gaukler hatte verlassen müssen. Die Haare hatte ihm Regine noch geschoren: »Sonst haben sie dich gleich mit deinem auffälligen schwarzen Haarbusch auf dem Kopf und deinen blauen Augen.« Kaum hatte er die Gaukler verlassen, als Tauwetter einsetzte. Und jetzt dieser Regen! Braune Bäche schossen die Hänge hinunter, überall gurgelte und gluckste das Wasser. Der Rhein stieg und stieg und stand schon brusthoch in den Auwäldern. Gut, dass Hetz damals Christophs Schuhe übersehen hatte. Sie hielten dicht und warm. Und unter dem speckigen Lederhut, den er aufhatte, und dem Lederumhang, der zwar schon schwer war vor Nässe, konnte er es aushalten. Würde er die Gaukler wieder sehen? Sie hatten fest versprochen im Frühjahr nach Straßburg zu kommen, um ihm zu helfen. Es schien wirklich unmöglich, was er vorhatte: Ein Junge von fünfzehn Jahren sollte die angesehensten Kaufleute der mächtigen Stadt Straßburg eines Verbrechens überführen, und er wusste nicht, wer diese Kaufleute waren unter den Hunderten, die es in Straßburg geben musste. Ja, er kannte nicht einmal das Verbrechen selbst. Um ihn dehnten sich die endlosen Ackerflächen, die das Wasser nicht mehr aufnahmen. Der Rhein sei unpassierbar, hatte er schon gestern in der Herberge gehört. Ja, er hatte Geld und konnte in Herbergen übernachten. Das sei für ihn erst einmal das Beste, hatte der alte Balthas gesagt und ihm alles Geld gegeben, das sie hatten! »Sie suchen nach einem Betteljungen, also werden sie dich nicht in Herbergen vermuten.« »Wir werden schon wieder Geld bekommen. Wir sparen eine Unmenge Essen jeden Tag«, hatte Philo gesagt, und Balthas hatte ihn am Ohr gezogen. Das Geld wurde bereits knapp, er würde bald betteln müssen. Aber das Hochwasser ließ niemand passieren. »Halte dich an die Bettler in Straßburg«, hatte Regine gesagt, »es sind oft recht umgängliche Leute. Schau, dass du noch ein wenig Geld hast, wenn du nach Straßburg kommst, dann kannst du leichter an sie herankommen.« Und nun ging das Geld aus und er kam nicht über den Rhein. Der Mann war klein, dicklich, mit Knopfaugen und einem zerschlissenen Lederrock. Es war sinnlos, in die Herbergen zu gehen, um einen Betteljungen ausfindig zu machen. Aber es war jedenfalls trocken und er hatte genug von diesem ständigen Regen. Wie viele Meilen war er nicht abgelaufen, erst in Schnee, Kälte und Wind, dann bei diesem Matsch und diesem Regen, der nicht aufhören wollte. Wenigstens war es nicht mehr so kalt wie damals, als sie im Schwarzwald die Schluchten durchkämmt hatten. Zwei Personen sollten sie finden – einen Mann, der halb tot sein musste nach der Folter, und einen Jungen mit auffälligem dickem schwarzem Haarbusch und blauen Augen darunter. Der Alte sollte in der Zwischenzeit verreckt sein. Diese Kaufleute hatten ihn in Straßburg aus dem Turm geholt: Wegelagerei! Es war ein Glücksfall gewesen, dass sie ihn brauchten, sonst hätten ihn schon längst die Krähen gefressen am Galgen oder auf dem Rad. Stattdessen konnte er viel Geld verdienen und vielleicht sogar einen kleinen Handel aufmachen und ehrlich leben, er hatte ja nichts lernen können. Er musste diesen Christoph Schimmelfeldt finden. Es wurde früh dunkel. Einige Fackeln qualmten im Regen. Ein milchiges, rötliches Licht füllte den engen Hof der Herberge mit seinen umlaufenden Holzgalerien. In Bächen und dicken Rinnsalen schoss das Wasser von den Dächern herab. Klappern drang aus der Wirtsstube, daneben stampften und schnaubten in den Stallungen die Pferde. Es roch nach Rauch, Essen und Mist. Die steilen Stiegen, die vom Hof aus zu der Galerie führten, lagen in undurchdringlicher Schwärze. Von dieser Galerie aus gingen Türen in die Kammern, in denen die Gäste schliefen. Oft über zwanzig Gäste lagen immer zu viert oder zu fünft unter einer groben Pferdedecke auf langen Strohschütten. Meist behielt man über Nacht die Kleider an, nur die Schuhe wurden in Griffweite vor den Strohschütten auf Brettern aufgereiht. Christophs Mahlzeit in der Wirtsstube war bescheiden wie das schwarz verkrustete Holzgeschirr, das ihm der Wirt vorsetzte. Er war spät angekommen, es war schon fast dunkel, als er vom Innenhof aus zu der Schlafkammer hinaufstieg, die ihm der Wirt bezeichnet hatte. Auf der Stiege stieß er auf einen dicken kleineren Mann, den er nur umrissartig wahrnahm und der ihm schwer schnaufend entgegenkam. Im selben Augenblick spürte Christoph im Gesicht den Schein von einer der Fackeln unten im Hof. Er achtete nicht sonderlich darauf; er war müde, aber es fiel ihm auf, dass der Mann stehen blieb und ihm nachschaute. In der Kammer war schon lautes Schnarchen und der muffige Geruch nach Schlaf. Er suchte in dem Raum, in den kaum etwas Licht vom Hof drang, seine Lücke zwischen den Schläfern. Das ging nur mit Tasten, wobei er mehrmals böses Knurren auslöste. Endlich hatte er seinen Platz gefunden, den ihm der Wirt beschrieben hatte, und versuchte noch etwas von der Decke zu bekommen, denn von den offenen Fensterlöchern her zog es schlimm herein, dennoch war der Geruch der vielen Schläfer fast unerträglich. Die beiden Männer rechts und links von ihm schliefen offenbar fest, denn es war nur ein Brummen zu hören, als er sich zwischen sie zwängte. Er schreckte schon bald wieder hoch – ein weiterer Gast suchte mit einem Talglicht seinen Platz zum Schlafen. Das war offenbar nicht leicht. Christoph nahm im Halbschlaf war, wie er überall herumtappte auf dem unangenehm quietschenden Bretterboden und wie er den Leuten ins Gesicht leuchtete. Ins Gesicht leuchtete! Mit einem Schlag war Christoph hellwach. Der Mann auf der Stiege, der ihn so genau gemustert hatte – war er wieder heraufgekommen? Hatte er den Wirt unten nach ihm gefragt? Christoph vergrub das Gesicht, so gut es ging, unter der Decke und stellte sich schlafend. »Hat der Kerl endlich seinen Platz gefunden!«, hörte man eine tiefe Stimme knurren. »Sonst helf ich ihm in den Schlaf, dass er nicht mehr so schnell aufsteht!« Die Haare, er wird mich an den Haaren erkennen! Die Haare konnte er nicht auch noch zudecken, sonst wäre er erstickt. Sie waren ja vor nicht langer Zeit geschoren worden. Wie lang waren sie seither gewachsen? Verstohlen blinzelte er unter der Decke hervor. Der Lichtschein wanderte im Raum herum, Schatten glitten an den Wänden auf und ab. Es war keine Frage: Der Mann suchte etwas. Da kam das Licht auf ihn zu – er grub sich tief in die Decke ein, wobei er den Schläfer neben sich aufdeckte. Der brummte und zog mit einem Ruck die Decke wieder fort. Auch der Mann auf der anderen Seite zog an der Decke. Der Schein des Lichtes auf den Augenlidern war so hell, dass Christoph unwillkürlich blinzelte: Vor seinen Augen schwebte groß ein rundes Gesicht mit breitem Mund und fast unnatürlich hervorquellenden Augen, die etwas nach den Seiten gerichtet zu sein schienen. Der Mann murmelte etwas, dann verschwand das Gesicht. Christoph konnte schemenhaft die kurzbeinige massive Gestalt vor der Strohschütte stehen sehen. Er schien etwas zu überlegen. Christoph rührte kein Glied und wagte nicht zu atmen, obwohl ihm das Herz bis zum Hals schlug. An seinem Gürtel hing ein Dolch! Da! Der Mann beugte sich herab. Er zog seine Stiefel aus und stellte sie in die Reihe. Er brauchte endlos lange dazu – was musterte er die Schuhe so genau? – Dann löschte er das Licht – die plötzliche Dunkelheit war entsetzlich – und kroch, wie Christoph deutlich hören und spüren konnte, auf allen vieren zu ihm hin und versuchte sich zwischen ihn und den linken Schläfer hineinzuzwängen, obwohl hier kein Fingerbreit Platz war. Wollte der ihn im Schlaf erstechen? Oder jetzt gleich? Er lag hilflos eingeklemmt. Er wich dem plumpen Gewicht, das sich da hereindrängte, aus, so gut es ging, und stieß den Schläfer auf der anderen Seite an. Gleichzeitig zog er beide Beine an den Leib. Vielleicht konnte er den Frosch wegstoßen. Da wurde es neben ihm laut: »Was für ein unverschämter Kerl drückt sich denn da noch herein?« Der Frosch lag mit seinem ganzen Gewicht auf ihm, Christoph war völlig eingeklemmt. Er spürte, wie eine Hand nach ihm tastete. Er fühlte, wie er steif wurde, wie das Herz raste. Das Gewicht auf ihm verlagerte sich nach links. Er hielt den Atem an – der Stich – der Stich – Plötzlich konnte er sich wieder rühren, er stieß mit den Beinen nach vorne, traf aber nichts. Dann fühlte er schnell zur Seite nach den Haaren des Schläfers rechts von ihm und zog daran aus Leibeskräften. Ein Gebrüll war die Antwort. Christoph wurde zur Seite gestoßen und der andere schrie nun ebenfalls. Es wurde laut im Raum. Stimmen riefen durcheinander. Christoph tastete nach seinen Schuhen. Nichts wie weg! Da wurde es hell. Der Wirt stand unter der Türe und leuchtete mit einem Kienspan: »Muss man die Scharwache rufen?« Sofort war der Frosch aufgestanden und entschuldigte sich höflich, es sei alles seine Schuld, er habe in der Dunkelheit seinen Platz nicht gefunden, weil er sein Talglicht zu früh gelöscht habe. Seine Stimme klang seifig. Christoph steckte verstohlen seine Schuhe zu sich unter die Decke. Der Frosch hielt den Dolch in der Hand! Der Wirt wies ihm einen Platz am anderen Ende des Raumes. Dann war wieder Nacht. So weit war alles gut. Noch einen Angriff konnte der Frosch in dieser Nacht nicht wagen. Aber Christoph musste vor dem Frosch aus der Herberge sein, am besten noch in der Dunkelheit. Warten, warten! Todmüde liegen mit klopfendem Herzen und angehaltenem Atem. Undurchdringliche Schwärze vor den Augen. Je länger er wartete, desto sicherer war der Frosch eingeschlafen. Wie viel Zeit war vergangen? Lag er schon lange wach? Er versuchte zu zählen, aber dabei fielen ihm die Augen zu. Einer redete im Schlaf, aber man verstand kein Wort, es klang, als hätte er Wolle im Mund. Schnarchen ringsum, Schnaufen, Aufstöhnen der Träumer. Üble Luft. Draußen plätscherte der Regen immer gleich. War es nicht besser zu bleiben – in der Wärme und im Trockenen? Morgen früh wäre er ja nicht allein mit dem Frosch. Was konnte ihm geschehen unter den vielen Menschen der Herberge? Aber der Frosch würde ihm folgen! Er sah ihn, er ließ ihn nicht aus den Augen. Stand Christoph jetzt auf und ging, konnte er den Frosch vielleicht abschütteln. Das Schlimmste war, wenn er jetzt aufstand, und der andere war wach – Langsam, langsam schälte er sich aus der Decke, die Schuhe hatte er schon angezogen – der Mann links von ihm wälzte sich herum. Schlief der Frosch? Oder lauerte er irgendwo, wach wie er, und würde ihm nachschleichen und ihn mit seinem Dolch unten im Hof anfallen? Behutsam das linke Bein herausziehen, jetzt das rechte. Beide Beine anziehen. Vorsichtig aufrichten, niemand anstoßen, niemand aufwecken. Jemand redete im Schlaf und schluckte dann sehr schnell mehrfach hintereinander. Dort drüben drehte sich einer um, was eigentlich verboten war und auch sofort halblaut das übliche Geschimpfe auslöste. Um Himmels willen niemand berühren! Schnell jetzt hinaus auf den Gang zwischen den Strohschütten. Der knarrende Bretterboden! Wenn der Frosch keinen festen Schlaf hatte! Er hätte die Schuhe auf der Galerie oder auf der Stiege anziehen sollen. In welcher Richtung war die Stiege? Ja, dort drüben das helle Viereck. Er konnte die Holzständer der Galerie nur schemenhaft wahrnehmen, die Fackeln waren längst erloschen. Der Regen und das von den Dächern rinnende Wasser schienen alle Geräusche zu verdecken. Christoph tastete sich die Stiege hinunter und durch den glitschigen Hof. Es war viel kälter als am Abend. Oder fror er, weil er Angst hatte? Das große Hoftor war verschlossen. Aber die Türen zu den Ställen waren offen. Wie warm es hier war! Er bezwang die Versuchung, hier im Stroh zu schlafen, und ging durch die Vordertüre des Stalls aufatmend in die Nacht hinaus. So nah, so nah! Er hatte schon den Dolch aus dem Gürtel gezogen. Der Junge war weg am Morgen, fortgeschlichen, und mit ihm das Kopfgeld. Nur weil er schließlich doch eingeschlafen war. Aber das war kein Wunder nach der Lauferei der letzten Tage. Jetzt würde die leidige Sucherei wieder angehen. Wer konnte damit rechnen, dass der plötzlich in einer Herberge auftauchte? Und die Schuhe! Die besten Schuhe von allen, die in der Schlafkammer aufgereiht standen! Davon verstand er etwas. Und sie hätten ihm gepasst! Er hatte einen Blick für gute Kleidung. Würde mir zukommen! Bessere Kleider, feines Leder, Samt, Seide, schöne Farben! Ich verstehe mehr davon als so ein reicher Fettkloß, der sie sich von seinem Diener anziehen lässt. Das Leben war ungerecht! Die ganze Nacht hindurch war Christoph gewandert. Zuerst hatte er gezittert und sich beinahe übergeben. Der Regen hatte aufgehört. Die Sonne schien, aber es war kalt. Wo sollte er hin? Der Rhein war nicht passierbar, auf seiner Spur war der Verfolger. Er zog die nasse Pferdedecke fester um sich: Ein Wind kam in der Ebene auf. Der Schwarzwald stand hinter ihm wie eine dunkle Mauer. Ganz oben waren lang gestreckte weiße Flecken. Um ihn waren niederes Gestrüpp und weite Senken, die alle unter Wasser standen. An den Rändern lagen noch Streifen von schmutzigem Schnee. Hinter dem Wall aus Bäumen, der den Blick nach Westen versperrte, musste der Rhein sein mit seinen vielen Armen, von denen es hieß, dass es jetzt ein einziger sei. Hü! und hott!, hört er hinter sich. Mehrere große Planwagen schwankten auf ihn zu, als er sich umdrehte. Zwei Soldaten, fürstliches Geleit, ritten voraus. Er betrachtete die Planwagen mit Kennerblicken. Das mussten sehr reiche Kaufleute sein, die mit so aufwändigem Gespann und Geleit reisten. Die Jahreszeit war ungewöhnlich. Bis Ostern waren es noch einige Wochen und Kaufleute begannen so große Unternehmungen eigentlich zu den Messezeiten. Es geht mich nichts an. Christoph trat traurig zur Seite. Im Hof einer Herberge vor Kehl sah er die Wagen wieder. Die Gespanne wurden abgeschirrt, Knechte führten die Pferde in die Ställe. Die Reiter standen dabei, man hörte ihr Gelächter. Kinder, Neugierige und Bettler standen und hatten die Münder offen. Aus der Herberge trat ein vornehmer Herr, offenbar einer der Kaufleute. Seine Kleidung war kostbar, aber nicht auffällig. Er war noch nicht sehr alt, kaum dreißig. Sofort war er von den Bettlern umringt, man hörte sie jammern und bitten. Christoph gab es einen Ruck. Eigentlich müsste ich mich zu den Bettlern stellen. Der Herr hatte ein Ledersäckchen in der Hand und gab jedem Bettler offenbar eine kleine Münze. Christoph fiel auf, wie sorgsam er darauf achtete, dass alle dasselbe erhielten. Drei Bettler, die sich zum zweiten Mal anstellen wollten, wies er zurück. Einem, der offenbar betrunken war, gab er kein Geld, sondern wies einen der Knechte an, ihm Brot zu geben. Dann fiel sein Blick auf Christoph: »He du, warum kommst du nicht her?« Seine Sprache klang etwas gebrochen. Christoph wurde es heiß. »Ich bin kein Bettler«, sagte er und wunderte sich über sich selbst. War es der vertraute Anblick des Kaufmannszuges und die Erinnerung an den Vater? – Er spürte, wie er rot wurde. Der Herr hielt seinen Blick auf ihn gerichtet: »Du hast Hunger, das sehe ich. Aber wenn du zu gut zum Betteln bist – « »Herr«, sagte Christoph und seine Stimme zitterte und die Tränen stiegen ihm auf, ohne dass er es merkte. »Ich brauche Hilfe!« Die Stimme überschlug sich. »Ich brauche Hilfe, dringend!« Als sich die Bettler verlaufen hatten, stand der Herr groß und aufrecht vor ihm und betrachtete ihn langsam von Kopf bis Fuß. »Du siehst verhungert aus wie ein Bettler, deine Kleidung ist die eines Betteljungen, aber du trägst Stiefel wie ein Herr! Was ist los mit dir?« »Mein Vater war ein Kaufmann wie Ihr«, begann Christoph ungeschickt. Dann konnte er nicht mehr weiterreden. »Komm mit mir in die Herberge, dann werden wir weitersehen.« Der Herr hatte ihm die Hand auf die Schulter gelegt. Es brach aus Christoph nur so heraus: die falschen Gewichte, die Folter und das Todesurteil, die Hand des Henkers, die auf ihm und seinem Vater geruht hatte. Hier schaute er Herrn Elieser, wie der Herr hieß, besorgt an. Aber der verzog keine Miene. Von dem Stadt- und Landverweis aus Gnade erzählte er, von ihrer Verfolgung und dem Preis, der auf ihren Kopf ausgesetzt war, auch von den drei Zahlen. Er erzählte mit brüchiger Stimme vom Tod seines Vaters und der Aufgabe, die er, Christoph Schimmelfeldt, vom Vater übernommen habe. Die Nacht in der Herberge saß ihm noch im Genick. Zuerst durfte er sich satt essen. Später führte ihn Herr Elieser in eine Kammer zu einem sehr alten Mann mit einem schlohweißen Bart und einem sehr ehrwürdigen Gesicht, das ihn seltsamerweise an Balthas erinnerte, obwohl der doch so fett und dieser Herr eher hager und viel älter war. Der Herr trug eine weite Kleidung aus dunklem Samt. Sie nannten ihn Abraham. Herr Elieser, der ihn aufgenommen hatte, trug jetzt ein weites rotes Unterkleid aus sehr kostbarem Stoff und ein Oberkleid aus blauem Samt, das rot gefüttert war. Beide trugen mit Gold bestickte Käppchen aus Samt. Christoph wusste schon, dass es keine Kaufleute unterwegs zu einer Messe waren. Es waren Juden aus Spanien, der zu Verwandten nach Straßburg wollten. »Wir können nicht weiter. Nicht nur wegen des Hochwassers, sondern weil wir uns erst einen Pass für Straßburg ausstellen lassen müssen. Das braucht seine Zeit«, erklärte Elieser. Dann stützte sich der alte Abraham auf: »Ich habe deine Geschichte gehört und möchte dir glauben, Christoph. Viel helfen werden wir dir nicht können; wir wissen aber besser als andere, was Verfolgung ist, denn wir wurden selbst verfolgt und sind Vertriebene.« Elieser fuhr fort: »Du hast Glück gehabt: Heute ist das Purimfest, ein Freudenfest für uns Juden. Und weil wir selbst als Vertriebene wenig Anlass zur Freude haben, sind wir uns einig gewesen, anderen eine Freude zu machen. So haben wir besonders viele Bettler beschenkt und dich getroffen. Wir können dir ein wenig helfen, aber es kann nicht viel sein, auch wir sind hier Fremde.« »Wir werden dir helfen, dass du sicher über den Rhein kommst«, bestimmte der alte Abraham. Zunächst war das sehr viel. Es gab auch zwei Frauen. Christoph lernte sie gegen Abend kennen. Die eine war Esther, die Frau des alten Abraham, eine Dame mir weißen Haaren und einem stillen Gesicht, die andere war ihre Schwiegertochter Hannah, also die Frau des Herrn Elieser. Sie hatte ein bräunliches Gesicht und schwarze Haare. Sie war kleiner und rundlicher. Als sie am Abend in einer Kammer beim Essen saßen, fasste Christoph Mut: »Ihr gebt mir Rätsel auf.« Herr Elieser lachte: »Das will ich gerne glauben, dass wir dir Rätsel aufgeben, aber sag.« »Ihr kommt aus Spanien«, fuhr Christoph fort, »aber Ihr sprecht deutsch, dass man kaum einen Unterschied hört. Ihr wollt zu Verwandten nach Straßburg und habt Wagen dabei wie für eine Messe.« »Das erste Rätsel ist gleich gelöst. Wir sind Kaufleute auf allen Märkten Europas, da müssen wir auch alle Sprachen kennen. Dazu kommt, dass die Mutter von Esther aus Deutschland, eben aus Straßburg war. Deshalb spricht die ganze Familie Deutsch besonders gut. Wir können auch andere Sprachen, Portugiesisch, Französisch, Englisch, Italienisch, Arabisch, wenn auch nicht so gut wie Deutsch.« Der alte Abraham sagte lächelnd: »Lachen und Weinen sind in allen Sprachen gleich.« Christoph konnte Latein und sein Vater hatte ihm schon eine Menge Französisch beigebracht. Er konnte auch ein paar Brocken Italienisch. Der Vater hatte immer gesagt: Sprachen sind das wichtigste Kapital für Kaufleute. Du wirst sie am besten lernen, wenn ich dich nach und nach in alle Länder Europas schicke. Wie lange war das her! »Auch das zweite Rätsel«, redete Elieser weiter, »ist gleich gelöst: Wir wollen unsere Verwandten nicht besuchen. Wir kommen als vertriebene Flüchtlinge hierher. Straßburg soll unsere neue Heimat werden, wir wollen dort unseren Handel weiterführen. Dazu brauchen wir einen Schutzbrief des Kaisers, den wir in Basel und Freiburg bezahlt haben. Ich werde wohl auch nach Prag reisen müssen.« »Warum hat man Euch vertrieben?« »Uns geht es wie dir. Man hat uns falsch beschuldigt und so mussten wir die Heimat verlassen wie du.« »Was haben sie Euch denn vorgeworfen?« Christoph ließ seinen Blick über die Menschen gehen, die vor ihm saßen. In welchen Verdacht konnten die gekommen sein? »Wir sollen Massenmörder sein, Tausende von Menschen sollen wir umgebracht haben!«, begann Elieser. »Und nicht nur wir, sondern alle unsere Glaubensbrüder und Schwestern! Sie beschuldigen im Königreich Aragon die Juden, dass sie die Brunnen vergiftet haben.« »Die Brunnen vergiftet?« »Ja, es gibt in Spanien und im ganzen Süden seit dem letzten Jahr eine entsetzliche Krankheit, den schwarzen Tod oder die Pest, wie die Gelehrten sie nennen«, fuhr Elieser fort. »Ich habe davon gehört«, sagte Christoph beklommen. »Dann weißt du auch, dass fast jeder, der die Krankheit bekommt, in wenigen Tagen stirbt.« »Niemand weiß, wie die Krankheit entsteht«, fuhr der alte Abraham fort, »der eine sagt dies, der andere das. Aber das Sterben wird immer gewaltiger und die Menschen meinen, dass es erst aufhört, wenn sie einen Schuldigen bestrafen.« »Und da haben sie uns Juden dafür verantwortlich gemacht«, setzte Elieser hinzu, »wir hätten die Brunnen vergiftet, um die Christenheit auszurotten. Aber es sterben Juden wie Christen. Ich kenne einige jüdische Familien, die ganz ausgestorben sind.« »So haben sie viele Juden ermordet, unsere Häuser verbrannt«, sagte Esther leise, »die Ärmeren waren ihnen fast hilflos ausgeliefert. Wir haben Schreckliches gesehen. Aber wir selbst konnten mit viel Geld vom König von Aragon einen Schutzbrief für die ganze Familie lösen, mussten aber das Land, unsere Heimat, verlassen. So sind wir hier. Wir hoffen natürlich auch, dass die Pest nicht hierher kommt.« Im Raum war langes bedrücktes Schweigen. Christoph blieb bei den Juden und machte sich nützlich. Er half die Pferde zu versorgen, die Ladung neu zu ordnen und festzubinden. Er half die Kammern sauber zu machen, auszukehren und die Böden zu schrubben. Ein Außenstehender hätte ihn für einen Knecht gehalten. Er stellte sich vor, wie der Frosch sich wunderte, wo er geblieben war. Die Sonne zeigte sich wieder, ein lauer Wind strich rheinabwärts. Die Auwälder zeigten ein zartes Grün, die ersten Blüten standen auf den Wiesen und die Vögel begannen zu singen. Es hieß, der Rhein sei wieder passierbar. Gegen Abend ertönte ein eigenartiger Singsang von der Straße her. Es war ein Zug von vielleicht dreißig Menschen, die unter Singen einem Kreuz folgten. Mönche in braunen Kutten gingen voraus. Weihrauchfässer wurden geschwungen. Sie betraten den Hof der Herberge und stellten sich um das Kreuz. Dann richtete sich einer der Mönche auf und lud alle Leute in der Herberge ein zu beten gegen die Pest! Den Hof füllten immer mehr Menschen, die sich auf die Knie warfen, an den Fenstern der Herberge standen viele, auch auf der Holzgalerie knieten Menschen mit gefalteten Händen. Die Mönche begannen eine Litanei zu singen, das Volk antwortete. Der Gesang ging hin und her. Da richtete sich ein Junge aus der knienden Haltung auf, den Blick starr auf die andere Seite des Hofes gerichtet. Auch dort war ein Mann aufgestanden, ein dicklicher, untersetzter Mann in einer auffälligen Kleidung, der sich durch die kniende Menge auf ihn zuarbeitete. Dann war Christoph, den die Juden bis zum Rhein beschützen wollten, verschwunden. Christoph rannte und keuchte – nasse Wiesen, Wasser, ein Wäldchen. Zweige schlugen ihm ins Gesicht. Gegen das Abendlicht stand hell der Rhein. Zwei Fähren brauchte man, um über seine beiden Arme auf die Straßburger Seite zu kommen. Auf welcher Seite waren sie gerade? Er hatte Glück, die erste Fähre war auf seiner Seite. Aber er war der Einzige, der jetzt am Abend noch hinüberwollte. So war das Übersetzen teuer, es verschlang fast sein ganzes Geld, der Rest würde gerade für die zweite Fähre reichen. Er würde als Bettler ohne einen Heller in Straßburg ankommen. Nachdenklich schaute er in das ziehende strudelnde Wasser, über das die Fähre gleichmäßig und fast geräuschlos glitt. Juden. In Stuttgart gab es Juden. Sie hatten aber keinen guten Ruf. Sie hatten Jesus Christus ans Kreuz geschlagen und hassten die Christen, wie es hieß. Sie konnten kein Handwerk, waren auch keine Bauern, sondern verliehen Geld gegen Zinsen, was Christen nicht durften. Wucherer, sagten viele. Ihr Ziel war es, die Christen zu verderben. Andererseits hatte er seinen Vater einmal sagen hören: Ich habe nichts gegen Juden. Das sind rechtliche Leute, wenn auch nicht jedermanns Sache. Aber mit ihnen mache ich gerne Geschäfte. Sie bezahlen pünktlich und zuverlässig. Sie sind als Geschäftsleute hart und auf ihren Vorteil bedacht, aber das bin ich auch, jeder christliche Kaufmann ist es und muss es zugeben, wenn er ehrlich ist. Diese Juden hatten ihm helfen wollen, obwohl er ein Christ war. Gerade weil sie in derselben Lage waren wie er, hatten sie gesagt. Als er ausgestiegen war, fuhr die Fähre wieder zurück. Christoph sah es ungern, aber der Fährmann hatte seine Hütte auf der anderen Seite des Rheins. Der Fährmann der zweiten Fähre weigerte sich, so spät am Abend wegen eines einzigen Gastes noch überzusetzen. Christoph bat und beschwor ihn. »Etwas ausgefressen?«, fragte der Fährmann, ein langer Kerl mit einem schiefen Gesicht, das aussah, als lache er, wenn er sprach. »Bürschlein, ich könnte dir viel erzählen von Leuten, die dringend noch hinübermussten, spät am Abend, ja, mitten in der Nacht. Aber ich mache das nicht.« Christoph überlegte – die Wahrheit erzählen? »Du brauchst nichts zu sagen. Weißt du, alle haben eine Geschichte, warum sie gerade heute noch hinübermüssen.« Ein Schwarm Vögel flog über sie hinweg über den Rhein. »Du kannst die Leute immer in zwei Gruppen einteilen. Diejenigen, die nichts zu verbergen haben, und diejenigen, die etwas verbergen müssen. Wer nichts verbergen muss, hat es meist auch nicht sehr eilig.« Christoph nahm allen Mut zusammen. Der Frosch war jetzt vielleicht schon auf der anderen Seite des ersten Rheinarms und redete mit dem Fährmann wie er. »Ich kann es dir erzählen. Ich werde – « Stieß da drüben nicht ein Boot ab? Ja, ein Mann war eingestiegen. Christoph krallte die Finger ineinander. »Zweiter Fall: Du wirst verfolgt. Deshalb schaust du auch immer zum anderen Ufer. Aber wer verfolgt dich? Weiß ich es? – Wer ist der Gute, wer ist der Böse? Ich lehne jede Verantwortung ab: Ich bin kein Richter, sondern ein Fährmann. Im Übrigen kann ich dich beruhigen: Das Boot, das dort drüben gerade ablegt, kommt nicht hierher. Es ist nur ein Fischer, der nach seinen Reusen sehen will. Für heute wünsche ich angenehme Ruhe. Hier ist eine Pferdedecke, die hält warm. Du kannst auch in meine Hütte kommen, wenn du willst.« Christoph beschloss draußen im Boot zu bleiben. Wenn der Frosch früh am Morgen zu sehen war, konnte er in den Auwäldern verschwinden, bevor der ihn hatte. Und wenn der Frosch am Abend doch irgendwie über den Fluss gekommen war und ihn am Landeplatz erwartete? |
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