"Das Glasperlenspiel" - читать интересную книгу автора (Hesse Hermann)Im AmteWenn die Übernahme des Magisteramtes zunächst mehr Verlust als Gewinn gebracht zu haben schien, wenn sie die Kräfte und das persönliche Leben beinahe aufgezehrt, allen Gewohnheiten und Liebhabereien den Garaus gemacht, im Herzen eine kühle Stille und im Kopf etwas wie das Schwindelgefühl bei seiner Überanstrengung zurückgelassen hatte, so brachte die nun folgende Zeit der Erholung, Besinnung und Eingewöhnung doch auch neue Beobachtungen und Erlebnisse. Das größte war, nach geschlagener Schlacht, die vertrauensvolle und freundschaftliche Zusammenarbeit mit der Elite. In den Besprechungen mit seinem »Schatten,« in der Arbeit mit Fritz Tegularius, den er probeweise als Gehilfen bei der Korrespondenz gebrauchte, im allmählichen Studieren, Nachprüfen und Ergänzen der Zeugnisse und andern Notizen über Schüler und Mitarbeiter, die sein Vorgänger hinterlassen hatte, lebte er sich mit rasch wachsender Liebe in diese Elite ein, die er so genau zu kennen geglaubt hatte, deren Wesen aber, ebenso wie die ganze Eigenart des Spielerdorfes und seiner Rolle im kastalischen Leben, sich ihm erst jetzt in aller Wirklichkeit erschloß. Zwar hatte er dieser Elite und Repetentenschaft, diesem ebenso musischen wie ehrgeizigen Spielerdorf in Waldzell, manche Jahre angehört und hatte sich durchaus als ein Teil davon empfunden. Jetzt aber war er nicht mehr nur irgendein Teil, lebte nicht nur mit dieser Gemeinschaft innig mit, sondern er empfand sich nun wie das Gehirn, wie das Bewußtsein und auch wie das Gewissen dieser Gemeinschaft, deren Regungen und Schicksale nicht nur miterlebend, sondern sie leitend und für sie verantwortlich. In einer gehobenen Stunde, am Schluß eines Kurses zur Ausbildung von Spiellehrern für Anfänger, hat er es einmal so ausgesprochen: »Kastalien ist ein kleiner Staat für sich, und unser Vicus Lusorum ein Stätchen innerhalb des Staates, eine kleine, aber alte und stolze Republik, ihren Schwestern gleichgeordnet und gleichberechtigt, aber in ihrem Selbstbewußtsein bestärkt und gehoben durch die besondere musische und gewissermaßen sakrale Art ihrer Funktion. Denn wir sind ja durch die Aufgabe ausgezeichnet, das eigentliche Heiligtum Kastaliens, sein einzigartiges Geheimnis und Symbol, zu hüten, das Glasperlenspiel. Kastalien erzieht vorzügliche Musiker und Kunsthistoriker, Philologen, Mathematiker und andre Gelehrte. Jedes kastalische Institut und jeder Kastalier sollte nur zwei Ziele und Ideale kennen: in seinem Fache das möglichst Vollkommene zu leisten und sein Fach und sich selbst dadurch lebendig und elastisch zu erhalten, daß er es beständig mit allen andern Disziplinen verbunden und allen innig befreundet weiß. Dieses zweite Ideal, der Gedanke der inneren Einheit aller geistigen Bemühungen des Menschen, der Gedanke der Universalität, hat in unsrem erlauchten Spiel seinen vollkommenen Ausdruck gefunden. Mag vielleicht für den Physiker oder Musikhistoriker oder irgendeinen anderen Gelehrten ein strenges und asketisches Beharren bei seinem Fache zuzeiten geboten und ein Verzicht auf den Gedanken der Universalbildung der momentanen, speziellen Höchstleistung förderlich sein – wir jedenfalls, wir Glasperlenspieler, dürfen diese Beschränkung und Selbstgenügsamkeit niemals gutheißen und üben, denn gerade unsere Aufgabe ist es ja, den Gedanken der Universitas Litterarum und seinen höchsten Ausdruck, das edle Spiel, zu hüten und immer wieder vor der Neigung der Einzeldisziplinen zur Selbstgenügsamkeit zu retten. Aber wie können wir etwas retten, was nicht selber den Wunsch hätte, gerettet zu werden? Und wie können wir den Archäologen, den Pädagogen, den Astronomen und so weiter zwingen, auf ein selbstgenügsames Fachgelehrtentum zu verzichten und immer wieder ihre Fenster gegen alle andern Disziplinen zu öffnen? Wir können es nicht durch Zwangsvorschriften, indem wir etwa das Glasperlenspiel schon in den Schulen zum offiziellen Lehrfach machen, und wir können es auch nicht durch die bloße Erinnerung an das, was unsre Vorgänger mit diesem Spiel gemeint haben. Wir können unser Spiel und uns selbst nur dadurch als unentbehrlich ausweisen, daß wir es stets auf der Höhe des gesamten geistigen Lebens halten, daß wir jede neue Errungenschaft, jede neue Blickrichtung und Fragestellung der Wissenschaften uns wachsam aneignen und daß wir unsre Universalität, unser edles und auch gefährliches Spiel mit dem Gedanken der Einheit immer neu und immer wieder so hold, so überzeugend, so verlockend und reizvoll gestalten und betreiben, daß auch der ernsteste Forscher und fleißigste Fachmann immer wieder seinen Mahnruf, seine Verführung und Lockung empfinden muß. Stellen wir uns einmal vor, wir Spieler würden einige Zeit mit geringerem Eifer arbeiten, die Spielkurse für Anfänger würden langweiliger und oberflächlicher, in den Spielen für Fortgeschrittene würden die Fachgelehrten das lebendig pulsierende Leben, die geistige Aktualität und Interessantheit vermissen, unser großes Jahresziel würde zwei-, dreimal nacheinander von den Gästen als leere Zeremonie, als unlebendig, als altmodisch, als zopfisches Relikt der Vergangenheit empfunden – wie rasch wäre es da mit dem Spiel und mit uns zu Ende! Wir sind ja schon jetzt nicht mehr auf der glänzenden Höhe, auf der das Glasperlenspiel vor einem Menschenalter stand, wo das Jahresspiel nicht eine oder zwei, sondern drei und vier Wochen dauerte und nicht nur für Kastalien, sondern für das ganze Land der Höhepunkt des Jahres war. Heute wohnt diesem Jahresspiel noch ein Vertreter der Regierung bei, oft genug als ein eher gelangweilter Gast, und einige Städte und Stände schicken noch Abgesandte; gegen Ende der Spieltage belieben diese Vertreter der weltlichen Mächte gelegentlich in höflicher Form durchblicken zu lassen, daß die lange Dauer des Festes manche Stadt davon abhalte, auch ihrerseits Repräsentanten zu senden, und daß es vielleicht zeitgemäß wäre, entweder das Fest erheblich zu kürzen oder aber es inskünftig nur noch jedes zweite oder dritte Jahr abzuhalten. Nun, diese Entwicklung oder diesen Verfall können wir nicht aufhalten. Es ist wohl möglich, daß unser Spiel draußen in der Welt bald gar kein Verständnis mehr finden, daß das Fest nur noch alle fünf, alle zehn Jahre oder gar nicht mehr gefeiert werden kann. Was wir aber verhindern müssen und können, das ist die Mißkreditierung und Entwertung des Spieles in seiner eigenen Heimat, in unsrer Provinz. Hier ist unser Kampf hoffnungsvoll und führt immer wieder zum Sieg. Wir erleben es jeden Tag, daß junge Eliteschüler, die sich zu ihrem Spielkurs ohne allzu großen Eifer gemeldet hatten und ihn artig, aber ohne Begeisterung absolvierten, plötzlich von den Geistern des Spieles, von seinen intellektuellen Möglichkeiten, seiner ehrwürdigen Tradition, seinen seelenrührenden Kräften ergriffen und zu unsern leidenschaftlichen Anhängern und Parteigängern werden. Und wir können jedes Jahr beim Ludus sollemnis Gelehrte von Rang und Namen sehen, von denen wir wissen, daß sie ihr arbeitsreiches Jahr hindurch uns Glasperlenspieler eher von oben herab betrachten und unserm Institut nicht immer das Beste wünschen, und die nun, im Laufe des großen Spiels, von den Zaubern unsrer Kunst mehr und mehr gelöst und gewonnen, entspannt und erhoben werden, sich verjüngen und beschwingen und schließlich im Herzen gestärkt und ergriffen mit Worten beinah beschämter Dankbarkeit sich verabschieden. Betrachten wir einen Augenblick die Mittel, die uns zu Gebote stehen, um unsre Aufgabe zu erfüllen, so sehen wir einen reichen, schönen und wohlgeordneten Apparat, dessen Herz und Mittelpunkt das Spielarchiv ist, den wir alle allstündlich dankbar benutzen und dem wir alle, vom Magister und Archivar bis zum letzten Gehilfen, dienen. Das Beste und Lebendigste an unsrem Institut ist das alte kastalische Prinzip der Auswahl der Besten, der Elite. Die Schulen Kastaliens sammeln die besten Schüler aus dem ganzen Lande und bilden sie aus. Ebenso suchen wir im Spielerdorf die Besten unter den mit Liebe zum Spiel Begabten auszuwählen, sie festzuhalten und immer vollkommener auszubilden, unsre Kurse und Seminare nehmen Hunderte auf und lassen sie wieder ziehen, die Besten aber bilden wir als echte Spieler, als Künstler des Spiels weiter und weiter, und jeder von euch weiß, daß es in unserer Kunst, wie in jeder, keinen Endpunkt der Entwicklung gibt, daß jeder von uns, wenn wir erst einmal der Elite angehören, zeitlebens an der Weiterentwicklung, Verfeinerung, Vertiefung seiner selbst und unsrer Kunst arbeiten wird, einerlei, ob er unsrer Beamtenschaft angehöre oder nicht. Man hat das Vorhandensein unsrer Elite gelegentlich einen Luxus gescholten und gemeint, wir sollten nicht mehr Elitespieler heranbilden als nötig seien, um unsre Beamtenstellen stets gut besetzen zu können. Aber einmal ist die Beamtenschaft ja keine sich selbst genügende Institution, und dann ist längst nicht jeder zum Beamten geeignet, so wenig wie etwa jeder gute Philologe auch zum Lehrer geeignet ist. Wir Beamte jedenfalls wissen und fühlen es genau, daß die Repetentenschaft nicht bloß das Reservoir begabter und im Spiel erfahrener Leute ist, aus welchem wir unsre Lücken ergänzen und das unsre Nachfolger liefern wird. Beinahe möchte ich sagen, dies sei nur eine Nebenfunktion der Spielerelite, wenn wir sie auch den Ahnungslosen gegenüber sehr betonen, sobald vom Sinn und von der Lebensberechtigung unsrer Anstalt die Rede ist. Nein, die Repetenten sind nicht in erster Linie künftige Magister, Kursleiter, Archivbeamte, sie sind Selbstzweck, ihre kleine Schar ist die eigentliche Heimat und Zukunft des Glasperlenspiels; hier in diesen paar Dutzend Herzen und Gehirnen spielen sich die Entwicklungen, Anpassungen, Aufschwünge, die Auseinandersetzungen unseres Spieles mit dem Zeitgeist und den Einzelwissenschaften ab. Eigentlich und richtig, vollwertig und mit ganzem Einsatz wird nur hier unser Spiel gespielt, nur hier in unserer Elite ist es Selbstzweck und heiliger Dienst, hat nichts mehr mit Liebhaberei oder Bildungseitelkeit zu tun, nichts mit Wichtigtuerei, noch auch mit Aberglauben. Bei euch Waldzeller Repetenten liegt die Zukunft des Spiels. Da es das Herz und Innerste von Kastalien ist, ihr aber das Innerste und Lebendigste unsrer Siedlung, seid ihr recht eigentlich das Salz der Provinz, ihr Geist, ihre Unruhe. Es besteht keine Gefahr, daß eure Zahl zu groß, euer Eifer zu heftig, eure Leidenschaft für das herrliche Spiel zu heiß werden könnte; steigert sie, steigert sie! Es besteht für euch, wie für alle Kastalier, im Grunde nur eine einzige Gefahr, vor der wir alle und jeden Tag auf der Hut sein müssen. Der Geist unsrer Provinz und unsres Ordens ist auf zwei Prinzipien gegründet: auf die Objektivität und Wahrheitsliebe im Studium, und auf die Pflege der meditativen Weisheit und Harmonie. Die beiden Prinzipien im Gleichgewicht halten, heißt für uns: weise und unsres Ordens würdig sein. Wir lieben die Wissenschaften, ein jeder die seine, und wissen doch, daß die Hingabe an eine Wissenschaft einen Mann nicht unbedingt vor Eigennutz, Laster und Lächerlichkeit zu schützen vermag, die Geschichte ist voll von Beispielen, die Figur des Doktor Faust ist die literarische Popularisierung dieser Gefahr. Andere Jahrhunderte suchten Zuflucht bei der Vereinigung von Geist und Religion, von Forschung und Askese, in ihrer Universitas Litterarum regierte die Theologie. Bei uns ist es die Meditation, die vielfach gestufte Yoga-Praxis, mit der wir das Tier in uns und den in jeder Wissenschaft hausenden Diabolus zu bannen suchen. Nun, ihr wisset so gut wie ich, daß auch das Glasperlenspiel seinen Diabolus in sich stecken hat, daß es zur leeren Virtuosität, zum Selbstgenuß künstlerhafter Eitelkeit, zur Streberei, zum Erwerb von Macht über andere und damit zum Mißbrauch dieser Macht führen kann. Darum bedürfen wir noch einer andern Erziehung als der intellektuellen und haben uns der Moral des Ordens unterstellt, nicht um unser geistigaktives Leben in ein seelischvegetatives Traumleben umzubiegen, sondern im Gegenteil um geistiger Höchstleistungen fähig zu sein. Wir sollen nicht aus der Vita activa in die Vita contemplativa fliehen, noch umgekehrt, sondern zwischen beiden wechselnd unterwegs sein, in beiden zu Hause sein, an beiden teilhaben.« Wir haben Knechts Worte, deren viele ähnliche von Schülern aufgezeichnet und erhalten sind, wiedergegeben, weil sie seine Auffassung vom Amt, wenigstens in den ersten Jahren seines Magistrats, so klar beleuchten. Daß er ein hervorragender Lehrer war (anfänglich übrigens zu seiner eigenen Verwunderung), zeigt uns schon die auffallend große Zahl der auf uns gekommenen Nachschriften seiner Vorträge. Es gehörte zu den Entdeckungen und Überraschungen, die sein hohes Amt ihm schon von Anfang an brachte, daß das Lehren ihm so viel Freude machte und so leicht gelang. Er hätte es nicht gedacht, denn bisher hatte er nach einer Lehrtätigkeit sich eigentlich nie gesehnt. Wohl hatte er, wie jeder aus der Elite, schon als älterer Student je und je Lehraufträge für kurze Dauer erhalten, hatte vertretungsweise in den Glasperlenspielkursen verschiedener Stufen unterrichtet, noch häufiger den Teilnehmern solcher Kurse als Korrepetitor gedient, doch waren ihm damals die Freiheit des Studierens und die einsame Konzentration auf seine jeweiligen Studiengebiete so lieb und wichtig gewesen, daß er, obwohl schon damals als Lehrer geschickt und beliebt, diese Aufträge eher als unerwünschte Störungen betrachtet hatte. Schließlich hatte er ja auch im Benediktinerstift Kurse gehalten, aber die waren freilich von geringer Bedeutung an sich und von ebenso geringer für ihn gewesen; an jenem Orte hatte für ihn das Lernen bei Pater Jakobus und der Umgang mit ihm alle andere Arbeit zur Nebensache werden lassen. Ein guter Schüler zu sein, zu lernen, aufzunehmen und sich zu bilden, war damals sein oberstes Streben gewesen. Nun war aus dem Schüler ein Lehrer geworden, und als Lehrer vor allem hatte er die große Aufgabe seiner ersten Amtszeit bewältigt, den Kampf um die Autorität und um die genaue Identifizierung von Person und Amt. Es waren zwei Entdeckungen, die er dabei machte: die Freude, welche es bereitet, geistig Erworbenes in andere Geister zu verpflanzen und es dabei zu ganz neuen Erscheinungsformen und Ausstrahlungen sich wandeln zu sehen, also die Freude am Lehren, und dann das Kämpfen mit den Persönlichkeiten der Studenten und Schüler, das Erwerben und Ausüben der Autorität und Führerschaft, also die Freude am Erziehen. Er hat beides nie getrennt, und während seines Magistrates hat er nicht nur eine große Zahl guter und bester Glasperlenspieler herangebildet, sondern auch einen großen Teil seiner Schüler durch Beispiel und Vorbild, durch Mahnung, durch seine strenge Art von Geduld, durch die Kraft seines Wesens als Menschen und Charakter zum Besten entwickelt, dessen sie fähig waren. Dabei hat er, wenn uns hier ein Vorwegnehmen erlaubt ist, eine charakteristische Erfahrung gemacht. Im Anfang seiner Amtstätigkeit hatte er es ausschließlich mit der Elite zu tun, mit der obersten Schicht seiner Schülerschaft, mit Studenten und Repetenten, deren manche ihm an Alter gleich und deren jeder schon ein durchgebildeter Spieler war. Erst allmählich, als er der Elite sicher war, begann er ihr langsam und vorsichtig von Jahr zu Jahr etwas mehr an Kraft und an Zeit zu entziehen, bis er am Ende sie zeitweilig beinahe ganz seinen Vertrauensmännern und Mitarbeitern überlassen konnte. Der Vorgang dauerte Jahre, und von einem Jahr zum andern drang Knecht in den Vorträgen, Kursen und Übungen, die er leitete, zu immer ferneren, jüngeren Schichten der Schülerschaft zurück, zuletzt hat er sogar, was selten ein Magister Ludi tat, mehrere Male persönlich die Anfängerkurse für die Jüngsten, für Schüler also und noch nicht Studenten, abgehalten. Und dabei fand er, je jünger und unwissender seine Schüler waren, desto mehr Freude am Lehren. Manchmal bereitete es ihm im Laufe dieser Jahre geradezu Unbehagen und kostete ihn eine spürbare Anstrengung, von diesen Jungen und Jüngsten zu den Studenten oder gar zur Elite zurückzukehren. Ja zuweilen empfand er den Wunsch, noch weiter zurückzugehen und sich an noch jüngeren Schülern zu versuchen, an solchen, für die es noch keine Kurse und kein Glasperlenspiel gab; er konnte sich etwa wünschen, eine Weile in Eschholz oder an einer der andern Vorbereitungsschulen kleine Knaben im Latein, im Singen oder in der Algebra zu unterrichten, wo es weit weniger geistvoll zuging als selbst im allerersten Anfängerkurs des Glasperlenspiels, wo er es aber mit noch offeneren, bildsameren, erziehbareren Schülern zu tun haben würde, wo Unterrichten und Erziehen noch mehr und inniger eins waren. In den letzten beiden Jahren seines Magisteramtes hat er sich zweimal in Briefen als »Schulmeister« bezeichnet, daran erinnernd, daß der Ausdruck Magister Ludi, der seit Generationen in Kastalien nur noch »Meister des Spieles« bedeutete, ursprünglich einfach das Prädikat des Schulmeisters war. Es war nun allerdings von einer Erfüllung solcher Schulmeisterwünsche nicht die Rede, sie waren Träume, so wie jemand am graukalten Wintertag sich einen Hochsommerhimmel träumen mag. Für Knecht war kein Weg mehr offen, seine Pflichten waren durch das Amt bestimmt, aber da das Amt die Art, wie er diese Pflichten erfüllen wollte, sehr weitgehend seiner eigenen Verantwortung überließ, hat er im Lauf der Jahre, anfangs wohl ganz unbewußt, allmählich sein Hauptinteresse mehr und mehr dem Erziehen und den frühesten ihm erreichbaren Altersstufen zugewandt. Je älter er wurde, desto mehr zog die Jugend ihn an. So dürfen wir heute wenigstens sagen. Damals hätte ein Kritiker Mühe gehabt, irgendwo in seiner Amtsführung etwas wie Liebhaberei und Willkür aufzuspüren. Auch zwang ihn ja das Amt, immer und immer wieder zur Elite zurückzukehren, und auch in Zeiten, da er Seminare und Archive beinahe ganz seinen Helfern und seinem »Schatten« überließ, hielten langdauernde Arbeiten wie zum Beispiel die jährlichen Spielwettbewerbe oder das Vorbereiten des öffentlichen Jahresspiels ihn in lebendiger und täglicher Fühlung mit der Elite. Zu seinem Freunde Fritz hat er einmal scherzend gesagt: »Es hat Fürsten gegeben, die sich zeitlebens mit einer unglücklichen Liebe zu ihren Untertanen geplagt haben. Ihr Herz zog sie zu den Bauern, den Schäfern, den Handwerkern, den Schullehrern und Schulkindern, aber selten bekamen sie etwas von ihnen zu sehen, sie waren immer von ihren Ministern und Offizieren umgeben, sie standen wie eine Mauer zwischen ihnen und dem Volk. So geht es einem Magister auch. Er möchte zu den Menschen und sieht nur Kollegen, er möchte zu den Schülern und Kindern und sieht nur Studierte und Leute der Elite.« Aber wir haben weit vorgegriffen und kehren in die Zeit von Knechts ersten Amtsjahren zurück. Nach der Gewinnung des wünschenswerten Verhältnisses zur Elite war es vor allem die Beamtenschaft des Archivs, deren er sich als freundlicher, aber wachsamer Herr zu versichern hatte, auch die Kanzlei war in der Struktur ihres Amtsganges zu studieren und einzuordnen, und immer wieder kam eine Menge Briefpost, und immer wieder riefen Sitzungen oder Rundschreiben der Gesamtbehörde ihn zu Pflichten und Aufgaben, deren Verständnis und richtige Einordnung zu finden dem Neuling nicht leicht fiel. Es handelte sich dabei nicht selten um Fragen, in welchen die Fakultäten der Provinz interessiert und gegeneinander zur Eifersucht geneigt waren, Kompetenzfragen etwa, und nur allmählich, aber mit wachsender Bewunderung, lernte er die ebenso geheime wie mächtige Funktion des Ordens kennen, der lebendigen Seele des kastalischen Staates und des wachsamen Hüters ihrer Verfassung. So waren strenge und überfüllte Monate hingegangen, ohne daß in Josef Knechts Gedanken Raum für Tegularius gewesen wäre, außer daß er, es geschah halb instinktiv, dem Freunde mancherlei Arbeit auftrug, um ihn vor zu viel Muße zu bewahren. Fritz hatte seinen Kameraden verloren, es war über Nacht ein Herr und höchster Vorgesetzter aus ihm geworden, zu dem er keinen privaten Zutritt mehr hatte, dem er gehorchen und den er mit »Ihr« und »Ehrwürdiger« anreden mußte. Doch nahm er, was der Magister über ihn verfügte, als Fürsorge und Zeichen persönlichen Gedenkens auf, sah sich auch, der etwas launische Einzelgänger, teils durch die Erhöhung des Freundes und die höchst angeregte Stimmung der ganzen Elite mit in Aufregung versetzt, teils durch jene ihm aufgetragenen Arbeiten in einer ihm zuträglichen Weise aktiviert; jedenfalls ertrug er die völlig geänderte Lage besser, als er selbst seit jenem Augenblick gedacht hätte, in dem ihn Knecht auf die Nachricht hin, daß er zum Glasperlenspielmeister bestimmt sei, von sich geschickt hatte. Auch war er sowohl klug wie mitfühlend genug, die ungeheure Anstrengung und Kraftprobe teils zu sehen, teils wenigstens zu ahnen, welche sein Freund in dieser Zeit zu bestehen hatte; er sah ihn im Feuer stehen und ausgeglüht werden, und was etwa Empfindsames dabei zu erleben war, erlebte er vermutlich lebhafter als der Geprüfte selbst. Tegularius gab sich bei den Aufträgen, die er vom Magister zugewiesen bekam, die größte Mühe, und wenn er seine eigene Schwäche und seine Nichteignung zu Amt und Verantwortung je ernstlich bedauert und als Mangel empfunden hat, so war es damals, wo er sich sehr gewünscht hat, als Gehilfe, als Beamter, als »Schatten« dem Bewunderten zur Seite zu stehen und Hilfe zu leisten. Die Buchenwälder über Waldzell begannen sich schon zu bräunen, da nahm Knecht eines Tages ein kleines Buch mit sich in den Magistergarten neben seiner Wohnung, diesen kleinen hübschen Garten, den der verstorbene Meister Thomas so sehr geschätzt und mit horazischer Liebhaberhand oft selbst gepflegt hatte, den Garten, welchen Knecht, wie alle Schüler und Studenten, einst als eine ehrwürdige Stätte, als den geheiligten Erholungs- und Sammlungsort des Meisters sich wie ein zauberhaftes Museneiland und Tuskulum vorgestellt und den er, seit er selbst Magister und Herr des Gartens war, so selten betreten und noch kaum je in Muße genossen hatte. Auch jetzt kam er nur für eine Viertelstunde, nach Tisch, und gönnte sich nur ein paar Schritte sorglosen Auf- und Abwandeins zwischen den hohen Sträuchern und Stauden, unter denen sein Vorgänger manche immergrüne Pflanzen des Südens angesiedelt hatte. Dann trug er, denn es war im Schatten schon kühl, einen leichten Rohrstuhl auf einen sonnenbeschienenen Platz, setzte sich und schlug das mitgebrachte Büchlein auf. Es war der »Taschenkalender für den Magister Ludi,« den vor etwa siebzig oder achtzig Jahren der damalige Glasperlenspieler Ludwig Wassermaler verfaßt hatte und der seither von jedem seiner Nachfolger mit einigen zeitgemäßen Korrekturen, Streichungen oder Ergänzungen, versehen worden war. Der Kalender war als ein Vademecum für die Magister, namentlich die noch unerfahrenen in ihren ersten Amtsjahren, gedacht und führte denselben durch das ganze Arbeits- und Amtsjahr hindurch von Woche zu Woche die wichtigsten ihrer Pflichten vor Augen, manchmal nur mit Stichworten, manchmal ausführlicher beschreibend und mit persönlichen Ratschlägen versehen. Knecht suchte das Blatt für die laufende Woche und las es aufmerksam durch. Er fand nichts Überraschendes oder besonders Dringliches, am Schluß des Abschnittes aber standen die Zeilen: »Beginne deine Gedanken allmählich auf das künftige Jahresspiel zu lenken. Es scheint früh, ja es könnte dir verfrüht scheinen. Dennoch rate ich: Falls du nicht schon einen Plan für das Spiel im Kopfe hast, so laß von jetzt an keine Woche, mindestens aber keinen Monat vergehen, ohne deine Gedanken dem künftigen Spiele zuzuwenden. Notiere deine Einfälle, nimm dir für eine freie halbe Stunde je und je das Schema eines klassischen Spieles mit, auch auf etwaige Amtsreisen. Bereite dich vor, nicht durch Erzwingenwollen von guten Einfällen, sondern dadurch, daß du von jetzt an des öfteren daran denkst, daß in den kommenden Monaten eine schöne und festliche Aufgabe deiner wartet, zu der du dich immer wieder stärken, sammeln, stimmen sollst.« Diese Worte waren vor etwa drei Generationen von einem weisen alten Manne und Meister seiner Kunst geschrieben worden, zu einer Zeit übrigens, als das Glasperlenspiel formal vielleicht seine höchste Kultur erreicht hatte, es war damals in den Spielen eine Zierlichkeit und reiche Ornamentik der Ausführung erreicht worden, wie etwa in der Spätgotik oder im Rokoko die Bau- und Dekorationskunst sie erreicht hatte, es war etwa zwei Jahrzehnte lang ein Spielen wirklich wie mit Glasperlen gewesen, ein scheinbar gläsernes und inhaltarmes, scheinbar kokettes, scheinbar übermütiges Spielen voll zarter Schmuckformen, ein tänzerisches, ja manchmal ein seiltänzerisches Schweben in differenziertester Rhythmik; es gab Spieler, welche vom damaligen Stil wie von einem verlorengegangenen Zauberschlüssel sprachen, und andre, die ihn als äußerlich mit Schmuck überladen, dekadent und unmännlich empfanden. Einer der Meister und Mitschöpfer des damaligen Stiles war es gewesen, der die wohlüberlegten, freundlichen Ratschläge und Mahnungen des Magisterkalenders verfaßt hatte, und indem Josef Knecht seine Worte ein zweites und drittes Mal prüfend las, spürte er eine heitere, wohlige Bewegung im Herzen, eine Stimmung, die er, wie ihm schien, erst ein einziges Mal und seither nicht wieder empfunden hatte, und als er nachdachte, war es in jener Meditation vor seiner Investitur gewesen, und war die Stimmung, die ihn damals bei der Vorstellung jenes wunderlichen Reigens erfüllt hatte, des Reigens zwischen Musikmeister und Josef, zwischen Meister und Anfänger, zwischen Alter und Jugend. Es war ein alter, ein schon greiser Mann gewesen, der einst die Worte geschrieben und gedacht hatte; »Laß keine Woche vergehen…« und »nicht durch Erzwingenwollen von guten Einfällen.« Es war ein Mann gewesen, der mindestens zwanzig Jahre, vielleicht viel länger, das hohe Amt des Spielmeisters bekleidet, der es in der Zeit jenes spielfrohen Rokoko ohne Zweifel mit einer höchst verwöhnten und selbstsicheren Elite zu tun gehabt, der mehr als zwanzig der damals noch vier Wochen dauernden, glänzenden Jahresspiele erfunden und zelebriert hatte, ein alter Mann, dem die jährlich wiederkehrende Aufgabe, ein großes solennes Spiel zu komponieren, längst nicht mehr nur eine hohe Ehre und Freude, sondern weit mehr eine Last und große Mühe bedeutete, eine Aufgabe, zu der man sich selber stimmen, gut zureden und ein wenig stimulieren muß. Diesem weisen Alten und erfahrenen Ratgeber gegenüber nun fühlte Knecht nicht nur dankbare Ehrfurcht, denn sein Kalender war ihm schon oft ein wertvoller Führer gewesen, sondern er fühlte auch eine freudige, ja lustige und übermütige Überlegenheit, die Überlegenheit der Jugend. Denn unter den vielen Sorgen eines Glasperlenspielmeisters, die er schon hatte kennenlernen, kam doch diese eine Sorge nicht vor: man könnte etwa nicht rechtzeitig genug an das Jahresspiel denken, man könnte dieser Aufgabe nicht freudig und gesammelt genug begegnen, es könnte einem für ein solches Spiel an Unternehmungslust oder gar an Einfällen fehlen. Nein, Knecht, der sich in diesen Monaten zuweilen recht alt erschienen war, fühlte sich zur Stunde jung und stark. Er konnte sich diesem schönen Gefühl nicht lange hingeben, es nicht auskosten, seine kurze Ruhezeit war schon nahezu vorbei. Aber das schöne, frohe Gefühl saß in ihm, er nahm es mit, und so hatten die kurze Rast im Magistergarten und das Lesen im Kalender doch etwas gebracht und geboren. Nämlich nicht nur eine Entspannung und einen Augenblick freudig gesteigerten Lebensgefühls, sondern auch zwei Einfälle, welche beide im selben Augenblick auch schon die Qualität von Entschlüssen annahmen. Erstens: er wollte, wenn einst auch er alt und müde wäre, sein Amt in der Stunde niederlegen, wo er zum erstenmal die Komposition des Jahresspiels als lästige Pflicht empfinden und um Einfälle dazu verlegen sein würde. Zweitens: er wollte mit den Arbeiten für sein erstes Jahresspiel schon bald beginnen, und als Kameraden und ersten Gehilfen bei dieser Arbeit wollte er Tegularius zu sich rufen, das wäre eine Genugtuung und Freude für den Freund, und für ihn selbst wäre es ein erster Anlauf, es mit einer neuen Lebensform dieser zur Zeit lahmgelegten Freundschaft zu versuchen. Denn dazu konnte nicht jener den Anlaß und Anstoß geben; sie mußten von ihm, dem Magister, ausgehen. Für den Freund würde es dabei sogar reichlich zu tun geben. Denn schon seit Mariafels trug Knecht den Einfall zu einem Glasperlenspiele mit sich herum, den er für sein erstes feierliches Spiel als Magister benutzen wollte. Es sollte diesem Spiel, dies war der hübsche Einfall, für Struktur und Dimensionen das alte, konfuzianisch rituelle Schema des chinesischen Hausbaues zugrunde liegen, die Orientierung nach den Himmelsrichtungen, die Tore, die Geistermauer, die Verhältnisse und Bestimmungen der Bauten und Höfe, ihre Zuordnung zu den Gestirnen, dem Kalender, dem Familienleben, dazu die Symbolik und Stilregeln des Gartens. Es war ihm einst, beim Studium eines Kommentares zum I Ging, die mythische Ordnung und Bedeutsamkeit dieser Regeln als ein besonders ansprechendes und liebenswürdiges Gleichnis des Kosmos und der Einordnung des Menschen in die Welt erschienen, auch fand er uralt mythischen Volksgeist in dieser Tradition des Hausbaues wunderbar innig mit spekulativgelehrtem Mandarinen- und Magistergeist vereinigt. Er hatte sich, ohne freilich je Notizen zu machen, mit dem Gedanken an den Plan dieses Spieles oft und liebevoll genug beschäftigt, um es eigentlich als Ganzes schon fertig vorgebildet in sich zu tragen; erst seit seinem Amtsantritt war er dazu nicht mehr gekommen. Jetzt stand im Augenblick sein Entschluß fest, auf dieser chinesischen Idee sein Festspiel aufzubauen, und Fritz sollte schon jetzt, falls er sich dem Geist dieses Einfalls zu öffnen vermochte, mit den Studien für den Ausbau und mit den Vorbereitungen für die Übertragung in die Spielsprache beginnen. Nur war da ein Hindernis: Tegularius konnte kein Chinesisch. Es noch zu lernen, dazu war es viel zu spät. Aber nach Hinweisen, die ihm teils Knecht selbst, teils das ostasiatische Studienhaus geben würde, konnte Tegularius in die magische Symbolik des Chinesenhauses mit Hilfe der Literatur recht wohl eindringen, es ging ja hier nicht um Philologie. Immerhin brauchte es Zeit, zumal bei einem verwöhnten und nicht jeden Tag arbeitslustigen Menschen, wie sein Freund einer war, und so war es gut, die Sache gleich anzugehen; es hatte also, so sah er lächelnd und angenehm überrascht, der vorsichtige alte Herr im Taschenkalender vollkommen recht behalten. Schon andern Tages, da die Sprechstunde gerade sehr früh zu Ende ging, ließ er Tegularius zu sich rufen. Er kam, vollzog die Verneigung mit dem etwas betont ergebenen und demütigen Ausdruck, den er sich Knecht gegenüber angewöhnt hatte, und war recht erstaunt, als der sonst so knapp und mit den Worten sparsam Gewordene ihm mit einer gewissen Schelmerei zunickte und ihn fragte: »Erinnerst du dich noch daran, wie wir einmal in unseren Studentenjahren etwas wie einen Streit miteinander hatten, bei dem es mir nicht gelang, dich zu meiner Auffassung zu bekehren? Es ging um die Frage nach dem Wert und der Wichtigkeit der ostasiatischen Studien, namentlich der chinesischen, und ich wollte dich dazu bringen, daß auch du dich eine Weile ins Studienhaus setzest und Chinesisch lernest. – Ja, du erinnerst dich? Nun, heute bedaure ich es einmal wieder, daß ich dich damals nicht umzustimmen vermochte. Wie gut wäre es jetzt, wenn du Chinesisch verstündest! Wir könnten die wunderbarste Arbeit miteinander tun.« Und so neckte er den Freund noch ein wenig und spannte seine Erwartung, bis er mit seinem Vorschlag herausrückte: er wolle bald mit der Ausarbeitung des großen Spiels beginnen, und wenn es ihm Freude mache, solle Fritz einen großen Teil dieser Arbeit ausführen, so wie er damals Knechts Konkurrenzspiel für die Solennität habe ausführen helfen, während Knecht bei den Benediktinern war. Beinahe ungläubig blickte der andre ihn an, tief überrascht und auf eine köstliche Art beunruhigt schon durch den munteren Ton und das lächelnde Gesicht des Freundes, den er nur noch als Herrn und Magister gekannt hatte. Gerührt und freudig empfand er nicht bloß die Ehre und das Vertrauen, welche in diesem Vorschlag sich ausdrückten, sondern begriff und ergriff vor allem die Bedeutung dieser schönen Gebärde; sie war ein Versuch zur Heilung, ein Wiederaufschließen der zugefallenen Tür zwischen dem Freunde und ihm. Knechts Bedenken wegen des Chinesischen nahm er leicht und erklärte sich ohne weiteres bereit, sich dem Ehrwürdigen und der Ausarbeitung seines Spieles ganz und gar zur Verfügung zu stellen. »Gut,« sagte der Magister, »ich nehme dein Versprechen an. So werden wir also zu gewissen Stunden wieder Arbeits- und Studiengenossen sein wie einst in jenen so merkwürdig fern scheinenden Zeiten, wo wir manches Spiel gemeinsam durchgearbeitet und durchgekämpft haben. Es freut mich, Tegularius. Und nun mußt du dir vor allem das Verständnis für die Idee erwerben, auf die ich das Spiel aufbauen will. Du mußt verstehen lernen, was ein chinesisches Haus ist und was die Regeln bedeuten, die für seinen Bau vorgeschrieben sind. Ich gebe dir eine Empfehlung an das ostasiatische Studienhaus mit, dort wird man dir helfen. Oder – es fällt mir noch etwas anderes, Hübscheres ein – wir könnten es mit dem Älteren Bruder versuchen, dem Mann im Bambusgehölz, von dem ich dir damals so viel erzählt habe. Vielleicht ist es unter seiner Würde oder eine zu große Störung für ihn, sich mit jemand einzulassen, der kein Chinesisch versteht, aber versuchen sollten wir es doch. Wenn er will, so ist dieser Mann imstande, einen Chinesen aus dir zu machen.« Es erging eine Botschaft an den Älteren Bruder, die ihn herzlich einlud, für eine Weile als Gast des Glasperlenspielmeisters nach Waldzell zu kommen, da diesem sein Amt zu einem Besuch keine Zeit lasse, und ihn über den Dienst, den man von ihm begehrte, unterrichtete. Der Chinese jedoch verließ das Bambusgehölz nicht, der Bote brachte statt seiner ein Briefchen mit, mit Tusche in chinesischen Zeichen gemalt, darin stand: »Ehrenvoll wäre es, den großen Mann zu sehen. Aber Gehen führt in Hemmnisse. Zwei Schüsselchen benutze man zum Opfer. Den Erhabenen grüßt der Jüngere.« Daraufhin brachte Knecht seinen Freund nicht ohne Mühe zu dem Entschluß, selbst nach dem Bambusgehölz zu reisen und um Aufnahme und Belehrung zu bitten. Doch blieb die kleine Reise ohne Erfolg. Der Einsiedler im Gehölz empfing Tegularius mit einer beinahe unterwürfigen Höflichkeit, ohne aber eine einzige von dessen Fragen anders als mit freundlichen Sentenzen in chinesischer Sprache zu beantworten und ohne ihn zum Bleiben einzuladen, trotz dem auf schönes Papier gemalten prachtvollen Empfehlungsschreiben von der Hand des Magister Ludi. Unverrichteter Dinge und eher verstimmt kehrte Fritz nach Waldzell heim, brachte als Geschenk für den Magister ein Blättchen zurück, auf das ein alter Vers über einen Goldfisch gepinselt war, und mußte nun also doch im Haus der ostasiatischen Studien sein Heil versuchen. Hier waren die Empfehlungen Knechts wirksamer, man war dem Bittsteller, dem Abgesandten eines Magisters, auf das gefälligste behilflich, und bald hatte er sich über sein Thema so vollkommen unterrichtet, wie es ohne Chinesisch irgend möglich war, und fand dabei an Knechts Einfall, diese Haus-Symbolik seinem Plan zugrunde zu legen, eine solche Freude, daß er seinen Mißerfolg im Bambusgehölze darüber verschmerzte und vergaß. Als Knecht den Bericht des Abgewiesenen über seinen Besuch beim Älteren Bruder anhörte, und als er dann für sich allein den Goldfischvers las, berührten ihn die Atmosphäre dieses Menschen und die Erinnerung an seinen einstigen Aufenthalt in dessen Hütte beim wehenden Bambus und bei den Schafgarbenstengeln mit eindringlicher Stärke, Erinnerung zugleich an Freiheit, Muße, Studentenzeit und buntes Paradies der Jugendträume. Wie hatte dieser tapfre schrullige Einsiedler es verstanden, sich zurückzuziehen und freizuhalten, wie hielt sein stilles Bambusgehölz ihn vor der Welt verborgen, wie innig und stark lebte er in seinem zur zweiten Natur gewordenen, reinlichen, pedantischen und weisen Chinesentum, wie geschlossen, konzentriert und dicht hielt der Zauber seines Lebenstraumes ihn Jahr um Jahr und Jahrzehnt um Jahrzehnt umfangen, machte seinen Garten zu China, seine Hütte zum Tempel, seine Fische zu Gottheiten und ihn selbst zum Weisen! Mit einem Seufzer machte Knecht sich von dieser Vorstellung los. Er war einen anderen Weg gegangen, vielmehr geführt worden, und es kam nur darauf an, diesen ihm nun zugewiesenen Weg gerade und treu zu gehen, nicht ihn mit den Wegen anderer zu vergleichen. Mit Tegularius gemeinsam entwarf und komponierte er in ausgesparten Stunden sein Spiel und überließ die ganze Auslesearbeit im Archiv sowie die erste und zweite Aufzeichnung dem Freunde. Mit dem neuen Inhalt gewann die Freundschaft wieder Leben und Form, eine andere als früher, und auch das Spiel, an dem sie arbeiteten, erfuhr durch die Eigenart und spitzfindige Phantasie des Sonderlings manche Veränderung und Bereicherung. Fritz gehörte zu den nie zufriedenen und dennoch genügsamen Leuten, welche über einem gepflückten Blumenstrauß, einem gedeckten Eßtisch, der für jeden andern fertig und vollendet ist, Stunde um Stunde mit unruhigem Behagen und rastlosen, liebevollen Handgriffen weiter sich zu betätigen und aus der kleinsten Arbeit ein emsig und innig betreutes Tagewerk zu machen wissen. Es blieb nun auch in den kommenden Jahren dabei: das große solenne Spiel war jedesmal eine Leistung von zweien, und für Tegularius war es eine doppelte Genugtuung, sich dem Freund und Meister in einer so wichtigen Sache brauchbar, ja unentbehrlich zu zeigen und die öffentliche Begehung des Spieles als ungenannter, der Elite aber wohlbekannter Mitschöpfer mitzuerleben. Im Spätherbst jenes ersten Amtsjahres nun, während sein Freund noch bei seinen ersten Chinastudien war, stieß der Magister eines Tages beim raschen Durchsehen der Einträge im Tagebuch seiner Kanzlei auf eine Notiz: »Student Petrus aus Monteport kommt an, empfohlen vom Magister Musicae, bringt spezielle Grüße vom Alt-Musikmeister, bittet um Unterkunft und Zulaß ins Archiv. Wurde im Studentengasthaus untergebracht.« Nun, den Studenten und sein Gesuch konnte er ruhig den Leuten vom Archiv überlassen, es war etwas Alltägliches. Aber »spezielle Grüße vom Alt-Musikmeister,« das konnte nur ihn selber angehen. Er ließ sich den Studenten kommen; es war ein zugleich grüblerisch und feurig aussehender, doch schweigsamer junger Mann und gehörte offenbar zur Elite von Monteport, wenigstens schien die Audienz bei einem Magister ihm etwas Gewohntes zu sein. Knecht fragte, was der Alt-Musikmeister ihm aufgetragen habe. »Grüße,« sagte der Student, »sehr herzliche und respektvolle Grüße für Euch, Ehrwürdiger, und auch eine Einladung.« Knecht forderte den Gast auf, sich zu setzen. Sorgfältig die Worte wählend, fuhr der Jüngling fort: »Der verehrte Alt-Magister hat mir, wie gesagt, angelegentlich aufgetragen, Euch von ihm zu grüßen. Dabei hat er den Wunsch angedeutet, Euch nächstens, und zwar möglichst bald, einmal bei sich zu sehen. Er lädt Euch ein oder legt Euch nahe, ihn in nächster Zeit aufzusuchen, vorausgesetzt natürlich, daß der Besuch sich in eine Dienstreise einbeziehen lasse und Euch nicht allzusehr versäume. So etwa lautet der Auftrag.« Knecht blickte den jungen Mann prüfend an; gewiß gehörte er zu den Schützlingen des Alten. Vorsichtig stellte er die Frage: »Wie lang gedenkst du dich bei uns im Archiv aufzuhalten, Studiose?« und bekam die Antwort: »Genau so lange, ehrwürdiger Herr, bis ich sehe, daß Ihr die Reise nach Monteport antretet.« Knecht überlegte. »Gut,« sagte er dann. »Und warum hast du mir das, was der Altmeister dir für mich auftrug, nicht im Wortlaut übermittelt, wie es eigentlich zu erwarten wäre?« Petrus erwiderte Knechts Blick beharrlich und gab langsam Bescheid, immer behutsam nach den Worten suchend, als müsse er sich in einer fremden Sprache ausdrücken. »Es gibt keinen Auftrag, Ehrwürdiger,« sagte er, »und es gibt keinen Wortlaut. Ihr kennet meinen verehrten Meister und wisset, er war immer ein außerordentlich bescheidener Mann; in Monteport erzählt man, in seiner Jugend, als er noch Repetent war, aber schon bei der ganzen Elite für den prädestinierten Musikmeister galt, habe diese ihm den Spottnamen gegeben »der große Gerneklein.« Nun, diese Bescheidenheit, und nicht minder seine Pietät, seine Dienstbereitschaft, Rücksichtnahme und Duldung hat sich, seit er alt wurde, und vollends, seit er sein Amt niedergelegt hat, noch vermehrt, Ihr wisset das ohne Zweifel besser als ich. Diese Bescheidenheit würde es ihm verbieten, etwa Eure Ehrwürden um einen Besuch zu bitten, auch wenn er ihn sich noch so sehr wünschen würde. So kam es, Domine, daß ich mit einem Auftrag dieser Art nicht beehrt worden bin und dennoch gehandelt habe, als sei er mir erteilt worden. Wenn es ein Fehler war, so liegt es bei Euch, den nicht vorhandenen Auftrag wirklich als nicht vorhanden zu betrachten.« Knecht lächelte ein wenig. »Und deine Beschäftigung im Spielarchiv, Bester? War sie bloß Vorwand?« »O nein. Ich habe dort eine Anzahl Schlüssel zu exzerpieren, hätte in nächster Zeit also ohnehin Eure Gastfreundschaft ansprechen müssen. Es schien mir aber geraten, die kleine Reise lieber etwas zu beschleunigen.« »Sehr gut,« nickte der Magister, wieder ganz ernst geworden. »Ist die Frage nach der Ursache dieser Beschleunigung erlaubt?« Der Jüngling schloß einen Moment die Augen, die Stirn tief gerunzelt, als quäle die Frage ihn sehr. Dann richtete er den forschenden und jugendlich-kritischen Blick wieder fest auf des Magisters Gesicht. »Die Frage kann nicht beantwortet werden, außer Ihr würdet Euch entschließen, sie noch genauer zu fassen.« »Gut denn,« rief Knecht. »Ist also das Befinden des Altmeisters schlecht, ist es besorgniserregend?« Der Student merkte, obwohl der Magister mit der größten Ruhe gesprochen hatte, dessen liebende Sorge um den alten Mann; zum erstenmal seit dem Beginn dieser Unterhaltung kam ein Strahl von Wohlwollen in seinen etwas finstern Blick, und seine Stimme klang um ein weniges freundlicher und unmittelbarer, als er sich endlich anschickte, sich offen seines Anliegens zu entledigen. »Herr Magister,« sagte er, »seid beruhigt, das Befinden des Hochverehrten ist keineswegs schlecht, er ist immer ein vorbildlich gesunder Mann gewesen und ist es noch immer, wenn auch das hohe Alter ihn natürlich sehr geschwächt hat. Es ist nicht etwa so, daß sein Aussehen sich merklich verändert oder seine Kräfte plötzlich rascher abgenommen hätten, er macht kleine Spaziergänge, musiziert jeden Tag ein wenig und hat bis vor kurzem noch zwei Schülern Unterricht an der Orgel gegeben, Anfängern noch, denn er hat immer die Jüngsten am liebsten um sich gehabt. Aber daß er auch diese beiden letzten Schüler seit einigen Wochen abgegeben hat, ist immerhin ein Symptom, das mir auffiel, und seither habe ich den ehrwürdigen Herrn etwas mehr beobachtet und mir Gedanken über ihn gemacht – diese sind die Ursache meines Hierseins. Wenn etwas mich zu solchen Gedanken und Schritten berechtigt, so ist es der Umstand, daß ich früher selbst ein Schüler des Alt-Musikmeisters war, eine Art Vorzugsschüler, wenn ich so sagen darf, und daß sein Nachfolger mich schon seit einem Jahr als eine Art von Famulus und Gesellschafter dem alten Herrn zugewiesen und mit der Sorge um sein Ergehen beauftragt hat. Es war mir ein sehr angenehmer Auftrag, denn es gibt keinen Menschen, für den ich eine solche Verehrung und Anhänglichkeit hege wie für meinen alten Lehrer und Gönner. Er war es, der mir das Geheimnis der Musik erschlossen und mich zum Dienst an ihr fähig gemacht hat, und was ich darüber hinaus an Gedanken, an Sinn für den Orden, an Reife und innerer Ordnung etwa noch gewonnen habe, das kam alles auch von ihm und ist sein Werk. So lebe ich also seit wohl einem Jahre ganz bei ihm, zwar mit einigen Studien und Kursen beschäftigt, aber immer zu seiner Verfügung, sein Gesellschafter bei Tisch, sein Begleiter beim Promenieren, etwa auch beim Musizieren, und nachts sein Wandnachbar. Bei diesem nahen Zusammenleben nun kann ich die Stadien seines – nun ja, seines Alterns muß ich wohl sagen, seines körperlichen Alterns recht genau beobachten, und einige meiner Kameraden machen je und je mitleidige oder spöttische Glossen über das wunderliche Amt, das einen so jungen Menschen wie mich zum Diener und Lebensbegleiter eines uralten Mannes macht. Aber sie wissen nicht, und außer mir allein weiß es wohl niemand so recht, was für ein Altern diesem Meister beschieden ist, wie er am Körper allmählich schwächer und hinfälliger wird, immer weniger Nahrung nimmt und immer ermüdeter von seinen kleinen Gängen heimkehrt, ohne doch je krank zu sein, und wie er zugleich in der Stille seines Greisenalters immer mehr Geist, Andacht, Würde und Einfalt wird. Wenn mein Amt als Famulus oder Wärter einige Schwierigkeiten hat, so liegen sie einzig darin, daß der Ehrwürdige so gar nicht bedient und gepflegt sein, daß er immer nur geben und nie nehmen möchte.« »Ich danke dir,« sagte Knecht, »es ist mir lieb, einen so ergebenen und dankbaren Schüler bei dem Ehrwürdigen zu wissen. Aber nun sage mir, da du ja nicht im Auftrag deines Herrn sprichst, endlich deutlich, warum dir mein Besuch in Monteport so am Herzen liegt.« »Ihr fragtet vorher mit Besorgnis nach der Gesundheit des Herrn Alt-Musikmeisters,« gab der Junge Antwort, »denn offenbar hatte mein Anliegen Euch den Gedanken nahegelegt, er möchte krank und es könnte am Ende hohe Zeit sein, ihn noch einmal aufzusuchen. Nun, ich glaube in der Tat, es sei hohe Zeit. Zwar scheint der Ehrwürdige mir nicht dem Ende nah, aber seine Art des Abschiednehmens von der Welt ist nun einmal eine besondere. So hat er seit einigen Monaten sich beinahe ganz des Sprechens entwöhnt, und wenn er schon immer die kurze Rede der langen vorgezogen hat, so ist er jetzt zu einer Kürze und Stille gelangt, die mich ein wenig beängstigt. Als es immer häufiger vorkam, daß er mich auf eine Anrede oder Frage ohne Antwort ließ, dachte ich anfangs, sein Gehör beginne schwach zu werden, aber er hört so gut wie immer, ich habe viele Proben angestellt. Nun mußte ich also annehmen, er sei eben zerstreut und vermöge seine Aufmerksamkeit nicht recht mehr zu sammeln. Aber es ist auch dies keine genügende Erklärung. Vielmehr ist er schon lang gewissermaßen unterwegs und lebt nicht mehr ganz unter uns, sondern mehr und mehr in seiner eigenen Welt; so hat er auch immer seltener jemand aufgesucht oder zu sich kommen lassen, außer mir sieht er jetzt tagelang niemanden mehr. Und seit dies begonnen hat, diese Abseitigkeit, dieses Nichtmehrhiersein, seither war ich bemüht, ihm die paar Freunde noch einmal zuzuführen, von denen ich weiß, daß er sie am meisten liebte. Wenn Ihr ihn aufsuchen wolltet, Domine, würdet Ihr ohne Zweifel Eurem alten Freunde eine Freude bereiten, dessen bin ich gewiß, und Ihr würdet auch noch einigermaßen denselben Mann antreffen, den Ihr verehrt und geliebt habt. In einigen Monaten, vielleicht auch schon in einigen Wochen, würde seine Freude an Euch und seine Teilnahme für Euch schon viel geringer sein, ja es ist wohl möglich, daß er Euch gar nicht mehr kennen oder doch nicht mehr beachten würde.« Knecht stand auf, trat ans Fenster und stand eine kleine Weile, hinausblickend und Luft schöpfend. Als er sich dem Studenten wieder zuwandte, war dieser vom Stuhl aufgestanden, als halte er die Audienz für beendet. Der Magister reichte ihm die Hand. »Ich danke nochmals, Petrus,« sagte er. »Es wird dir bekannt sein, daß ein Magister allerlei Pflichten hat. Ich kann nicht den Hut aufsetzen und abreisen, es muß erst eingeteilt und ermöglicht werden. Hoffentlich bin ich bis übermorgen so weit. Würde dir das genügen, und wärest du bis dahin mit deiner Arbeit im Archiv fertig? – Ja? Dann werde ich dich also rufen lassen, wenn es Zeit ist.« Wirklich reiste Knecht wenige Tage später, von Petrus begleitet, nach Monteport. Als sie dort den Pavillon betraten, den der Alt-Magister in den Gärten bewohnte, eine anmutige und überaus ruhige Klause, hörten sie Musik aus dem hinteren Zimmer her, eine zarte, dünne, aber taktfeste und köstlich heitere Musik; dort saß der Alte und spielte mit zwei Fingern eine zweistimmige Melodie – Knecht riet sofort, es müsse aus einem der Bicinien-Bücher vom Ende des sechzehnten Jahrhunderts sein. Sie blieben stehen, bis es still wurde, dann rief Petrus seinen Meister an und meldete, er sei zurück und habe einen Besuch mitgebracht. Der Greis erschien in der Tür und blickte sie begrüßend an. Dies Begrüßungslächeln des Musikmeisters, das alle liebten, war stets von einer kindlich offenen, strahlend sich darbietenden Herzlichkeit und Freundlichkeit gewesen; vor bald dreißig Jahren hatte Josef Knecht es zum erstenmal gesehen und sein Herz diesem freundlichen Manne geöffnet und geschenkt in jener beklommenseligen Morgenstunde im Musikzimmer, er hatte dies Lächeln seither oft und jedesmal mit tiefer Freude und einer wunderlichen Rührung wiedergesehen, und während des freundlichen Meisters grauliches Haar allmählich vollends grau und allmählich weiß geworden, während seine Stimme leiser, sein Händedruck schwächer, sein Gang mühsamer geworden war, hatte das Lächeln nichts an Helligkeit und Anmut, an Reinheit und Innigkeit verloren. Und diesmal, sah der Freund und Schüler, war es unzweifelhaft: die strahlende, werbende Botschaft des lächelnden Greisengesichtes, dessen blaue Augen und zarte Wangenröte mit den Jahren immer lichter geworden waren, war nicht nur die alte und oft gesehene, sie war vielmehr inniger, geheimnisvoller und intensiver geworden. Erst jetzt, bei der Begrüßung, begann Knecht wirklich zu verstehen, worin eigentlich des Studenten Petrus Anliegen bestand und wie sehr er selbst, indem er diesem Anliegen ein Opfer zu bringen meinte, der Beschenkte sei. Sein Freund Carlo Ferromonte, den er einige Stunden später aufsuchte – er war damals Bibliothekar an der berühmten Monteporter Musikbibliothek –, war der erste, dem er davon sprach. Er hat das Gespräch jener Stunde in einem Briefe festgehalten. »Unser Alt-Musikmeister,« sagte Knecht, »ist ja dein Lehrer gewesen, und du hast ihn sehr geliebt; siehst du ihn eigentlich noch häufig?« »Nein,« meinte Carlo, »das heißt, ich sehe ihn natürlich nicht selten, etwa wenn er seine Promenade macht und ich gerade von der Bibliothek komme, aber gesprochen habe ich seit Monaten nicht mit ihm. Er zieht sich mehr und mehr zurück und scheint Geselligkeit nicht mehr wohl zu vertragen. Früher hatte er einen Abend für Leute meinesgleichen, für seine früheren Repetenten, soweit sie jetzt Beamte in Monteport sind; aber das hat schon seit einem Jahr etwa aufgehört, und daß er damals zu Eurer Investitur nach Waldzell gefahren ist, war für uns alle höchst erstaunlich.« »Ja,« sagte Knecht, »aber wenn du ihn also doch zuweilen siehst, ist dir da keine Veränderung an ihm aufgefallen?« »O ja, Ihr meinet sein gutes Aussehen, seine Heiterkeit, sein merkwürdiges Strahlen. Natürlich haben wir das bemerkt. Während seine Kräfte hinschwinden, nimmt diese Heiterkeit beständig zu. Wir haben uns daran gewöhnt, Euch aber mußte es auffallen.« »Sein Famulus Petrus,« rief Knecht, »sieht ihn noch viel öfter als du, aber er hat sich nicht, wie du sagst, daran gewöhnt. Er kam, mit plausibler Begründung natürlich, eigens nach Waldzell gereist, um mich zu diesem Besuch zu veranlassen. Was hältst du von ihm?« »Von Petrus? Er ist ein ganz guter Musikkenner, mehr von der pedantischen Art übrigens als von der genialischen, ein etwas schwerfälliger oder schwerblütiger Mensch. Dem Alt-Musikmeister ist er unbedingt ergeben und würde sein Leben für ihn lassen. Ich glaube, sein Dienst bei diesem seinem angebeteten Herrn und Götzen füllt ihn ganz und gar aus, er ist von ihm besessen. Hattet Ihr nicht auch diesen Eindruck?« »Besessen? Ja, aber dieser junge Mensch ist, glaube ich, nicht einfach von einer Vorliebe und Leidenschaft besessen, er ist nicht einfach in seinen alten Lehrer verliebt und macht seinen Abgott aus ihm, sondern er ist besessen und bezaubert von einem wirklichen und echten Phänomen, das er besser sieht oder mit dem Gefühl besser versteht als ihr andern. Ich will dir erzählen, wie es mir erschienen ist. Also ich kam heut zum Alt-Magister, den ich ein halbes Jahr nicht mehr gesehen hatte, und nach den Andeutungen seines Famulus erwartete ich für mich wenig oder nichts von diesem Besuch; ich hatte einfach Angst bekommen, der verehrte alte Herr könne uns nächstens plötzlich verlassen, und eilte her, um ihn mindestens noch einmal zu sehen. Als er mich erkannte und begrüßte, leuchtete sein Gesicht auf, doch sagte er nichts als meinen Namen und gab mir die Hand, und auch diese Bewegung und die Hand schienen mir zu leuchten, der ganze Mann schien, oder doch seine Augen, sein weißes Haar und seine hell rosige Haut, eine leise kühle Strahlung von sich zu geben. Ich setzte mich zu ihm, er schickte den Studenten fort, nur mit einem Blick, und jetzt begann das merkwürdigste Gespräch, das ich je erlebt habe. Anfangs freilich war es für mich sehr befremdend und bedrückend, auch beschämend, denn ich redete den Alten immer wieder an oder stellte Fragen, und auf nichts gab er anders als durch einen Blick Antwort; ich konnte nicht erkennen, ob meine Fragen und Mitteilungen ihn anders denn als ein lästiges Geräusch erreichten. Es verwirrte, enttäuschte und ermüdete mich, ich kam mir so überflüssig und aufdringlich vor; was immer ich dem Meister sagte, darauf bekam ich nur ein Lächeln und einen kurzen Blick zurück. Ja, wären diese Blicke nicht so voll von Wohlwollen und Herzlichkeit gewesen, so hätte ich denken müssen, der Greis mache sich unverhohlen lustig über mich, über meine Erzählungen und Fragen, über den ganzen unnützen Aufwand meiner Reise hierher und meines Besuches bei ihm. Nun, und etwas dergleichen war schließlich mit seinem Schweigen und Lächeln ja auch gemeint, sie waren tatsächlich eine Abwehr und eine Zurechtweisung, nur waren sie es auf andre Weise, auf einer andern Ebene und Sinnstufe, als etwa spöttische Worte es hätten sein können. Ich mußte erst erlahmen und mit meinen, wie mir schien, geduldig-höflichen Versuchen zur Einleitung eines Gespräches vollkommen Schiffbruch erleiden, ehe ich zu begreifen anfing, daß der alte Mann auch einer hundertmal größeren Geduld, Beharrlichkeit und Höflichkeit, als meine es war, leicht gewachsen sein würde. Möglich, daß es eine viertel oder eine halbe Stunde gedauert hat, mir kam es wie ein halber Tag vor, ich fing an, traurig, müde und unwillig zu werden und meine Reise zu bereuen, der Mund wurde mir trocken. Da saß der ehrwürdige Mann, mein Gönner, mein Freund, der, seit ich denken konnte, mein Herz und Vertrauen besaß und nie ein Wort von mir ohne Antwort gelassen hatte, da saß er und hörte mich reden, oder hörte mich auch nicht, saß und hatte sich völlig hinter sein Strahlen und Lächeln, hinter seine goldene Maske verborgen und verschanzt, unerreichbar, einer anderen Welt mit anderen Gesetzen angehörig, und alles, was von mir zu ihm, aus unserer Welt in die seine hinüber sprechen wollte, lief an ihm ab wie Regen an einem Stein. Endlich – ich hatte schon keine Hoffnung mehr – durchbrach er die Zaubermauer, endlich half er mir, endlich sagte er ein Wort! Es war das einzige Wort, das ich ihn heut habe sprechen hören. ,Du ermüdest dich, Josef,« sagte er leise und mit einer Stimme voll jener rührenden Freundlichkeit und Fürsorge, die du an ihm kennst. Dies war alles. »Du ermüdest dich, Josef.« Als habe er mir lange Zeit bei einer allzu angestrengten Arbeit zugesehen und wolle mich jetzt mahnen. Er sprach die Worte ein wenig mühsam, als habe er schon recht lange Zeit die Lippen nicht mehr zum Sprechen gebraucht. Zugleich legte er seine Hand auf meinen Arm, sie war leicht wie ein Schmetterling, sah mir eindringlich in die Augen und lächelte. In diesem Augenblick war ich besiegt. Etwas von seiner heiteren Stille, etwas von seiner Geduld und Ruhe ging in mich über, und plötzlich überkam mich das Verständnis für den Alten und für die Wendung, die sein Wesen genommen hatte, weg von den Menschen und hin zur Stille, weg von den Worten und hin zur Musik, weg von den Gedanken und hin zur Einheit. Ich begriff, was mir hier anzuschauen vergönnt war, und begriff nun auch erst dieses Lächeln, dieses Strahlen; es war ein Heiliger und Vollendeter, der mir hier für eine Stunde in seinem Glanz mitzuwohnen erlaubte und den ich Stümper hatte unterhalten, ausfragen und zu einer Konversation verführen wollen. Gott sei Dank war mir das Licht nicht zu spät aufgegangen. Er hätte mich auch wegschicken und damit für immer ablehnen können. Ich wäre damit um das Merkwürdigste und Herrlichste gekommen, was ich je erlebt habe.« »Ich sehe,« sagte Ferromonte nachdenklich, »daß Ihr in unserem Alt-Musikmeister so etwas wie einen Heiligen gefunden habet, und es ist gut, daß gerade Ihr es seid, der es mir berichtet hat. Ich gestehe, daß ich von jedem andern Erzähler den Bericht nur mit dem größten Mißtrauen entgegengenommen hätte. Ich bin, alles in allem, gar kein Liebhaber des Mystischen, und namentlich bin ich, als Musiker und als Historiker, ein Freund und Pedant der reinlichen Kategorien. Da wir in Kastalien weder eine christliche Kongregation sind noch ein indisches oder taoistisches Kloster, scheint mir die Einreihung unter die Heiligen, unter eine rein religiöse Kategorie also, für einen von uns eigentlich nicht zulässig, und einem andern als dir – verzeihet, als Euch, Domine – würde ich diese Einreihung als eine Entgleisung vorhalten. Aber ich denke mir, Ihr werdet kaum die Absicht haben, zugunsten des verehrten Alt-Magisters ein Kanonisierungsverfahren einzuleiten, es würde dafür in unsrem Orden sich ja auch die zuständige Behörde nicht finden. Nein, unterbrechet mich nicht, ich spreche im Ernst; es ist keineswegs spaßhaft gemeint. Ihr habt mir ein Erlebnis erzählt, und ich muß gestehen, daß es mich ein wenig beschämt hat, denn das von Euch geschilderte Phänomen ist zwar mir und meinen Monteporter Kollegen nicht völlig entgangen, aber wir haben es doch nur eben zur Kenntnis genommen und ihm wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Ich besinne mich über die Ursache meines Versagens und meiner Gleichgültigkeit. Daß die Verwandlung des Altmeisters Euch so sehr auffiel und zur Sensation wurde, während ich sie kaum bemerkte, erklärt sich natürlich dadurch, daß diese Verwandlung Euch unerwartet und als fertiges Resultat entgegentrat, während ich Zeuge ihrer langsamen Entwicklung war. Der Alt-Magister, den Ihr vor Monaten und den Ihr heute gesehen habet, sind sehr voneinander verschieden, während wir Nachbarn vom einen zum andern Mal des Wiederbegegnens kaum merkliche Veränderungen antrafen. Aber ich gestehe, die Erklärung genügt mir nicht. Wenn sich vor unsern Augen so etwas wie ein Wunder vollzieht, sei es auch noch so leise und langsam, so müßten wir, wenn wir unvoreingenommen wären, davon stärker berührt werden, als es mir geschehen ist. Und hier stoße ich auf die Ursache meiner Verschlossenheit: ich war eben keineswegs unvoreingenommen. Daß ich das Phänomen nicht bemerkte, geschah, weil ich es nicht bemerken wollte. Bemerkt habe ich, wie jeder, die zunehmende Zurückgezogenheit und Schweigsamkeit unseres Verehrten, und die gleichzeitige Steigerung seiner Freundlichkeit, das immer heller und unsinnlicher werdende Glänzen seines Gesichts, wenn er beim Begegnen meinen Gruß stumm erwiderte. Das habe ich und jeder hat es natürlich wohl bemerkt. Aber ich wehrte mich dagegen, mehr darin zu sehen, und ich wehrte mich nicht aus Mangel an Ehrfurcht gegen den alten Magister, sondern zum Teil aus einer Abneigung gegen Personenkult und Schwärmerei im allgemeinen, zum Teil aus Abneigung gegen eben diese Schwärmerei im speziellen Falle, gegen die Art von Kultus nämlich, die der Studiosus Petrus mit seinem Meister und Abgott treibt. Dies ist mir während Eurer Erzählung vollends klargeworden.« »Das war,« lachte Knecht, »immerhin ein Umweg, um dir selber deine Abneigung gegen den armen Petrus zu entdecken. Aber wie steht es nun? Bin auch ich ein Mystiker und Schwärmer? Treibe auch ich verbotenen Personen- und Heiligenkult? Oder gestehst du mir zu, was du dem Studenten nicht zugestandest, nämlich, daß wir etwas gesehen und erlebt haben, nicht Träume und Phantasien, sondern etwas Reales und Gegenständliches?« »Natürlich gestehe ich es Euch zu,« sagte Carlo langsam und überlegend, »niemand wird an Eurem Erlebnis und an der Schönheit oder Heiterkeit des Alt-Magisters zweifeln, der einem so unglaublich zulächeln kann. Die Frage ist nur: wohin tun wir das Phänomen, wie benennen wir es, wie erklären wir es? Es klingt schulmeisterlich, aber wir Kastalier sind nun einmal Schulmeister, und wenn ich Euer und unser Erlebnis einzuordnen und zu benennen wünsche, so wünsche ich das nicht, weil ich seine Wirklichkeit und Schönheit durch Abstraktion und Verallgemeinerung auflösen, sondern weil ich sie möglichst bestimmt und deutlich aufzeichnen und festhalten möchte. Wenn ich auf einer Reise irgendwo einen Bauern oder ein Kind eine Melodie summen höre, die ich nicht kannte, so ist mir das ebenfalls ein Erlebnis, und wenn ich dann diese Melodie sofort und so genau wie möglich in Noten aufzuschreiben versuche, so ist das kein Abtun und Weglegen, sondern eine Ehrung und Verewigung meines Erlebnisses.« Knecht nickte ihm freundschaftlich zu. »Carlo,« sagte er, »es ist ein Jammer, daß wir uns so selten mehr sehen können. Nicht alle Jugendfreunde bewähren sich bei jedem Wiedersehen. Ich bin mit meiner Erzählung vom alten Magister zu dir gekommen, weil du hier am Ort der einzige bist, an dessen Mitwissen und Teilnahme mir gelegen ist. Ich muß es nun dir überlassen, was du mit meiner Erzählung anfangen und wie du den verklärten Zustand unsres Meisters benennen willst. Ich würde mich freuen, wenn du ihn einmal aufsuchen und eine kleine Weile in seiner Aura weilen wolltest. Sein Zustand von Gnade, Vollendung, Altersweisheit, Seligkeit, oder wie immer wir ihn nennen wollen, mag dem religiösen Leben angehören; wenn wir Kastalier auch keine Konfession und keine Kirche haben, so ist Frömmigkeit uns doch nichts Unbekanntes; gerade unser Alt-Musikmeister ist stets ein durch und durch frommer Mensch gewesen. Und da es Berichte von Begnadeten, Vollendeten, Strahlenden, Verklärten in vielen Religionen gibt, warum sollte nicht auch unsre kastalische Frömmigkeit einmal zu dieser Blüte kommen? – Es ist spät geworden, ich sollte schlafen gehen, morgen muß ich in aller Frühe reisen. Ich hoffe bald wiederzukommen. Laß mich dir nur noch ganz kurz meine Geschichte zu Ende erzählen! Also nachdem er zu mir gesagt hatte: »Du ermüdest dich,« gelang es mir endlich, von meinen Bemühungen um die Einleitung eines Gespräches abzustehen und nicht nur still zu sein, sondern auch meinen Willen von dem falschen Ziel abzurufen, diesen Schweiger mit Hilfe von Wort und Unterredung erforschen und von ihm profitieren zu wollen. Und vom Augenblick an, in dem ich verzichtete und alles dem andern überließ, ging es wie von selbst. Du magst nachher meine Ausdrücke beliebig durch andre ersetzen, jetzt aber höre mich an, auch wenn ich ungenau scheine oder Kategorien verwechsle. Ich war etwa eine Stunde oder anderthalbe bei dem Alten, und ich kann dir nicht mitteilen, was zwischen ihm und mir vorgegangen oder ausgetauscht worden ist, Worte sind dabei nicht gesprochen worden. Ich fühlte nur, nachdem mein Widerstand gebrochen war, daß er mich in seinen Frieden und seine Helligkeit mit aufnahm, es umschloß ihn und mich Heiterkeit und wunderbare Ruhe. Ohne daß ich mit Willen und Wissen meditiert hätte, glich es einigermaßen einer besonders geglückten und beglückenden Meditation, deren Thema das Leben des Alt-Magisters gewesen wäre. Ich sah ihn oder fühlte ihn und den Gang seines Werdens von damals an, wo er mir, einem Knaben, zum erstenmal begegnete, bis zur jetzigen Stunde. Es war ein Leben der Hingabe und Arbeit, aber frei von Zwang, frei von Ehrgeiz und voll von Musik. Und es entwickelte sich so, als habe er, indem er Musiker und Musikmeister wurde, die Musik als einen der Wege zum höchsten Ziel des Menschen, zur Innern Freiheit, zur Reinheit, zur Vollkommenheit erwählt, und als habe er seitdem nichts anderes getan, als sich von der Musik immer mehr durchdringen, verwandeln, läutern zu lassen, von den gewandten, klugen Cembalistenhänden und dem reichen riesigen Musikergedächtnis bis in alle Teile und Organe des Leibes und der Seele, bis in die Pulse und Atemzüge, bis in den Schlaf und Traum, und sei jetzt nur noch ein Symbol, vielmehr eine Erscheinungsform, eine Personifikation der Musik. Wenigstens habe ich das, was von ihm ausstrahlte oder was zwischen ihm und mir wie rhythmisches Atmen hin und her wogte, durchaus als Musik empfunden, als eine völlig unmateriell gewordene, esoterische Musik, welche jeden in den Zauberkreis Eintretenden mit aufnimmt wie ein mehrstimmiges Lied eine neu einfallende Stimme. Einem Nichtmusiker wäre die Gnade vielleicht in anderen Bildern wahrnehmbar geworden, ein Astronom hätte vielleicht sich als Mond um einen Planeten kreisen sehen, oder ein Philologe sich in einer allbedeutsamen, magischen Ursprache angeredet gehört. Genug nun, ich verabschiede mich. Es war mir eine Freude, Carlo.« Wir haben diese Episode etwas ausführlich mitgeteilt, da der Musikmeister in Knechts Leben und Herzen einen so wichtigen Platz einnahm; mit dazu bewogen oder verführt hat uns der Umstand, daß Knechts Unterhaltung mit Ferromonte in des letzteren eigener Niederschrift, in einem Briefe, auf uns gekommen ist. Über die »Verklärung« des Alt-Musikmeisters ist dieser Bericht gewiß der früheste und zuverlässigste, später gab es ja über dies Thema Legenden und Deutungen übergenug. |
||
|