"Harry Potter und der Feuerkelch" - читать интересную книгу автора (Rowling Joanne K.)

Im Hogwarts-Express

Düstere Stimmung lag in der Luft, als Harry am nächsten Morgen erwachte, denn die Sommerferien waren nun endgültig vorbei. Der Regen klatschte noch immer schwer gegen die Scheiben, während er in Jeans und Sweatshirt schlüpfte – die Umhänge wollten sie erst im Hogwarts-Express anziehen. Er machte sich mit Ron, Fred und George auf den Weg nach unten zum Frühstück und hatte gerade den Treppenabsatz im ersten Stock erreicht, als Mrs Weasley mit gequälter Miene am Fuß der Treppe erschien.

»Arthur!«, rief sie durchs Treppenhaus.»Arthur! Dringende Nachricht vom Ministerium!«

Mr Weasley erschien, den Umhang verkehrt herum an, trippelte an Harry vorbei, der sich an die Wand drücken mußte, und verschwand unten in der Küche. Als sie kurz danach hinzukamen, fanden sie Mrs Weasley aufgeregt in den Schubladen des Geschirrschranks wühlen -»Hier hatte ich doch irgendwo 'ne Feder liegen!«-, während sich Mr Weasley über das Feuer gebeugt mit jemandem unterhielt -

Harry schloß die Augen und öffnete sie wieder, denn er war sich nicht sicher, ob er richtig sah.

Inmitten der Flammen saß ein großes bärtiges Ei, und dieses Ei war Amos Diggory. Das Ei redete hastig auf Mr Weasley ein, ohne sich von den umherstiebenden Funken und den um seine Ohren züngelnden Flammen auch nur im Geringsten stören zu lassen.

»… Muggelnachbarn haben Lärm und Schreie gehört und deshalb diese, wie heißen sie noch mal – Blitzisten gerufen. Arthur, du mußt da unbedingt hin!«

»Hier, bitte!«, keuchte Mrs Weasley und drückte ihrem Mann ein Blatt Pergament, ein Fläschchen Tinte und eine zerzauste Feder in die Hand.

»- wir können wirklich von Glück reden, daß ich davon gehört hab«, sagte Mr Diggorys Kopf.»Ich mußte heute recht früh ins Büro, um ein paar Eulen wegzuschicken, und da hab ich all diese Leute von Mißbrauch der Magie losfliegen sehen – wenn Rita Kimmkorn Wind davon kriegt, Arthur -«

»Was hat Mad-Eye denn nun genau gesehen?«, fragte Mr Weasley, schraubte das Tintenfläschchen auf und füllte seine Feder, um sich Notizen zu machen.

Mr Diggory rollte mit den Augen.»Jemand habe sich in seinem Hof rumgetrieben, sagte er. Er sei auf sein Haus zugeschlichen, doch seine Mülleimer hätten sich auf ihn gestürzt.«

»Was haben die Mülleimer gemacht?«, fragte Mr Weasley eifrig kritzelnd.

»Einen Höllenlärm und den ganzen Müll durch die Gegend gepfeffert, soviel ich weiß«, sagte Mr Diggory.»Als dann die Blitzisten auftauchten, ist offenbar immer noch einer umhergetorkelt -«

Mr Weasley stöhnte auf.»Und was ist mit dem Eindringling?«

»Arthur, du kennst doch Mad-Eye«, sagte Mr Diggorys Kopf unter erneutem Augenrollen.»Jemand, der sich mitten in der Nacht in seinen Hof schleicht? Wahrscheinlich läuft irgendwo eine zu Tode erschreckte Katze herum, dekoriert mit Kartoffelschalen. Aber sobald Mad-Eye den Leuten von der Mißbrauchsbekämpfung in die Hände fällt, ist er erledigt – denk mal an seine Vorstrafen – wir müssen ihm irgendeine Kleinigkeit anhängen, etwas aus deiner Abteilung – was kriegt man für explodierende Mülleimer?«

»Eine Verwarnung wär drin«, sagte Mr Weasley stirnrunzelnd und schrieb immer noch hastig.»Mad-Eye hat seinen Zauberstab nicht benutzt? Er selbst hat niemanden angegriffen?«

»Ich wette, er ist aus dem Bett gesprungen und hat angefangen, alles zu verhexen, was er vom Fenster aus erreichen konnte«, sagte Mr Diggory,»aber die werden Schwierigkeiten haben, das zu beweisen; Verletzte gibt es nämlich nicht.«

»Gut, ich muß los«, sagte Mr Weasley, stopfte das Pergament mit den Notizen in die Tasche und huschte aus der Küche.

Mr Diggorys Kopf wandte sich Mrs Weasley zu.

»Tut mir Leid, Molly«, sagte er etwas ruhiger,»daß ich euch heute so früh stören mußte… aber Arthur ist nun mal der Einzige, der Mad-Eye da raushauen kann, und Mad-Eye sollte heute eigentlich seine neue Stelle antreten. Warum er ausgerechnet letzte Nacht…«

»Schon gut, Amos«, sagte Mrs Weasley.»Magst du nicht ein wenig Toast mit Butter, bevor du gehst?«

»O danke, da sag ich nicht nein.«

Mrs Weasley nahm ein Stück gebutterten Toast von einem Stapel auf dem Küchentisch, steckte es in die Feuerzange und schob es Mr Diggory in den Mund.

»Manke«, schmatzte Mr Diggory und verschwand mit einem leisen Plopp.

Harry hörte, wie sich Mr Weasley hastig von Bill, Charlie, Percy und den Mädchen verabschiedete. Fünf Minuten später tauchte er wieder in der Küche auf, sich hastig kämmend, den Umhang jedoch richtig herum an.

»Ich muß mich beeilen – ein gutes Schuljahr wünsch ich euch, Jungs«, rief er Harry, Ron und den Zwillingen zu, warf sich einen weiteren Umhang über die Schulter und machte Anstalten zu disapparieren.»Molly, macht es dir was aus, die Kinder nach King's Cross zu bringen?«

»Ist schon gut«, sagte Mrs Weasley.»Kümmere du dich um Mad-Eye, wir kommen schon klar.«

Kaum war Mr Weasley verschwunden, traten Bill und Charlie in die Küche.»Hat hier jemand was von Mad-Eye gesagt?«, fragte Bill.»Was hat er jetzt schon wieder ausgefressen?«

»Er behauptet, jemand habe versucht, letzte Nacht in sein Haus einzubrechen«, sagte Mrs Weasley.

»Mad-Eye Moody?«, sagte George nachdenklich, während er seinen Toast mit Marmelade bestrich»Ist das nicht dieser durchgeknallte -«

»Dein Vater hält sehr viel von Mad-Eye Moody«, unterbrach ihn Mrs Weasley steif.

»Jaah, nun, Dad sammelt auch Stecker, oder?«, sagte Fred leise, als Mrs Weasley hinausging.»Seelenverwandtschaft…«

»Moody war zu seiner Zeit ein großer Zauberer«, sagte Bill.

»Er ist doch ein alter Freund von Dumbledore?«, meinte Charlie.

»Auch Dumbledore ist ja nicht gerade das, was man normal nennen würde«, sagte Fred.»Sicher, er ist ein Genie und alles…«

»Wer ist denn nun Mad-Eye?«, fragte Harry.

»Früher hat er fürs Ministerium gearbeitet, heute ist er im Ruhestand«, sagte Charlie.»Ich hab ihn mal getroffen, als Dad mich zur Arbeit mitnahm. Er war ein Auror – einer der besten… ein Jäger schwarzer Magier«, fügte er mit einem Blick auf den fragend dreinblickenden Harry hinzu.»Zu seiner Zeit hat er praktisch die Hälfte der Zellen in Askaban gefüllt. Hat sich dabei allerdings eine Menge Feinde gemacht… vor allem die Familien von Leuten, die er gefangen hat… und wie ich höre, hat ihn auf seine alten Tage noch der Verfolgungswahn gepackt. Traut keinem mehr über den Weg. Sieht an jeder Ecke schwarze Magier.«

Bill und Charlie kamen überein, die anderen nach King's Cross zu begleiten und sich dort zu verabschieden. Percy jedoch entschuldigte sich wortreich, weil er unbedingt zur Arbeit müsse.

»Ich kann es einfach nicht verantworten, noch länger freizunehmen«, verkündete er.»Mr Crouch verläßt sich inzwischen ganz und gar auf mich.«

»Ja, und weißt du was, Percy?«, sagte George mit ernster Miene.»Ich denke, bald wird er sogar deinen Namen kennen.«

Mrs Weasley hatte sich ans Telefon im Dorfpostamt gewagt und drei gewöhnliche Muggeltaxis bestellt, die sie nach London fahren sollten.

»Arthur hat versucht Wagen aus dem Ministerium zu besorgen«, flüsterte Mrs Weasley Harry zu, als sie auf dem regennassen Hof standen und zusahen, wie die Taxifahrer sechs schwere Hogwarts-Schrankkoffer in ihre Autos luden.»Aber sie konnten keinen erübrigen… meine Güte, die sehen nicht gerade fröhlich aus, oder?«

Harry mochte Mrs Weasley ungern sagen, daß Muggeltaxifahrer selten überdrehte Eulen transportierten, und Pigwidgeon machte einen trommelfellzerfetzenden Lärm. Auch war es nicht besonders hilfreich, daß Freds Koffer aufsprang und überraschend eine Anzahl Dr. Filibusters hitzefreier, naß zündender Feuerwerksknaller losging. Woraufhin der Fahrer, dem Krummbein in Panik auch noch die Krallen in die Waden schlug, vor Schreck und Schmerz laut aufschrie.

Mitsamt ihren Koffern auf die Rückbänke der Taxis gequetscht, hatten sie eine unbequeme Fahrt. Krummbein brauchte eine ganze Weile, um sich von den Knallern zu erholen, und als sie endlich London erreichten, waren Harry, Ron und Hermine furchtbar zerkratzt. Erleichtert aufatmend stiegen sie vor King's Cross aus, auch wenn es jetzt aus Kübeln goß und sie pitschnaß wurden, als sie ihre Koffer über die belebte Straße in den Bahnhof trugen.

Harry fand es inzwischen recht einfach, auf Gleis neundreiviertel zu gelangen. Man mußte nur ganz lässig durch die scheinbar solide Absperrung zwischen den Gleisen neun und zehn gehen. Das einzig Schwierige war, möglichst nicht aufzufallen, damit die Muggel nicht mißtrauisch wurden.

Heute gingen sie in Gruppen; Harry, Ron und Hermine (die Auffälligsten, da sie Pigwidgeon und Krummbein bei sich hatten) waren als Erste dran; kaum hatten sie sich ganz entspannt und munter schwatzend gegen die Absperrung gelehnt, als sie auch schon seitlich hindurchglitten… und Gleis neundreiviertel vor ihren Augen auftauchte.

Der Hogwarts-Express mit seiner scharlachrot leuchtenden Dampflok stand schon bereit, und im Nebel der Dampfschwaden, die aus dem Schornstein zischten, wirkten die vielen Hogwarts-Schüler und ihre Eltern auf dem Bahnsteig wie dahingleitende Schatten. Pigwidgeon erwiderte die vielstimmigen Eulenschreie, die durch den Nebel drangen, mit besonders lautem und schrillem Gelärme. Harry, Ron und Hermine machten sich auf die Suche nach Sitzplätzen und konnten ihr Gepäck auch bald in einem Abteil ungefähr in der Mitte des Zuges verstauen. Dann sprangen sie noch einmal auf den Bahnsteig, um Mrs Weasley, Bill und Charlie auf Wiedersehen zu sagen.

»Vielleicht seht ihr mich schneller wieder, als ihr denkt«, grinste Charlie, während er Ginny zum Abschied umarmte.

»Warum?«, fragte Fred neugierig.

»Ihr werdet ja sehen«, sagte Charlie.»Aber sagt bloß Percy nicht, daß ich was erwähnt hab… es ist ja ›eine geheime Information, bis das Ministerium beschließt, sie freizugeben‹.«

»Ja, ich wünschte, ich könnte dieses Jahr noch mal in Hogwarts sein«, sagte Bill, der mit den Händen in den Taschen dastand und beinahe neidisch den Zug betrachtete.

»Warum?«, fragte George ungeduldig.

»Ihr werdet jedenfalls ein spannendes Jahr erleben«, sagte Bill augenzwinkernd.»Vielleicht nehm ich mir sogar mal frei, um es mir selbst kurz anzuschauen…«

»Was denn?«, fragte Ron.

Doch in diesem Moment hörten sie einen gellenden Pfiff und Mrs Weasley schubste sie zur Waggontür.

Sie stiegen ein, schlössen die Tür und lehnten sich aus dem Fenster.»Danke, daß wir bei Ihnen wohnen durften«, sagte Hermine.

»Es war mir ein Vergnügen, meine Lieben«, entgegnete Mrs Weasley.»Ich würde euch ja gerne zu Weihnachten einladen, aber… nun, ich denke, ihr wollt sicher alle in Hogwarts bleiben, wo doch so viel los sein wird…«

»Mum!«, sagte Ron gereizt.»Nun sagt uns schon, worum es geht!«

»Das werdet ihr wohl heute Abend erfahren«, sagte Mrs Weasley lächelnd.»Es wird sicher ganz spannend – ihr wißt ja nicht, wie froh ich bin, daß sie die Regeln geändert haben -«

»Welche Regeln?«, kam es von Harry, Ron, Fred und George wie aus einem Munde.

Doch jetzt begannen die Kolben laut zu zischen und der Zug setzte sich in Bewegung.

»Sag uns, was in Hogwarts passieren soll!«, schrie Fred aus dem Fenster, doch Mrs Weasley, Bill und Charlie entfernten sich rasch.»Welche Regeln haben sie denn geändert?«

Aber Mrs Weasley lächelte nur und winkte. Noch bevor der Zug um die Kurve gebogen war, war sie mit Bill und Charlie disappariert.

Harry, Ron und Hermine gingen zurück in ihr Abteil. Dichter Regen klatschte gegen das Fenster und draußen war kaum etwas zu sehen. Ron öffnete seinen Koffer, zog seinen kastanienbraunen Festumhang hervor und warf ihn über Pigwidgeons Käfig, um sein Geschrei zu dämpfen.

»Bagman wollte uns verraten, was in Hogwarts passiert«, grummelte er und setzte sich neben Harry.»Bei der Weltmeisterschaft, weißt du noch? Aber meine Mutter, meine eigene Mutter will es mir nicht sagen. Ich frag mich, was -«

»Schhh!«, flüsterte Hermine plötzlich, drückte einen Finger auf die Lippen und deutete auf das Nachbarabteil. Harry und Ron lauschten und hörten durch die offene Tür eine vertraute schnarrende Stimme.

»… Vater hat tatsächlich überlegt, ob er mich nach Durmstrang schicken soll und nicht nach Hogwarts. Er kennt nämlich den Schulleiter dort. Tja, ihr wißt ja, was er über Dumbledore denkt – der Kerl ist ein unglaublicher Liebhaber von Schlammblütern – und Durmstrang nimmt solches Gesindel gar nicht erst auf. Aber Mutter wollte nicht, daß ich so weit weg in die Schule gehe. Vater sagt, in Durmstrang haben sie eine viel vernünftigere Einstellung zu den dunklen Künsten als in Hogwarts. Durmstrang-Schüler lernen sie sogar und uns bringen sie nur diesen Verteidigungskram bei…«

Hermine stand auf, ging auf Zehenspitzen zur Abteiltür und schob sie zu; Malfoy war jetzt nicht mehr zu hören.

»Also denkt er, Durmstrang hätte besser zu ihm gepaßt«, sagte sie wütend.»Ich wünschte, er wäre tatsächlich dorthin gegangen, dann müßten wir uns nicht mit ihm rumschlagen.«

»Durmstrang ist auch eine Zaubererschule?«, fragte Harry.

»Ja«, sagte Hermine naserümpfend,»und sie hat einen fürchterlichen Ruf. Dem Handbuch der europäischen Magierausbildung zufolge legen sie dort großen Wert auf die dunklen Künste.«

»Ich glaub, ich hab schon davon gehört«, sagte Ron verschwommen.»Wo ist sie? In welchem Land?«

»Tja, das weiß keiner, ist doch klar«, sagte Hermine und hob die Augenbrauen.

»Hmm – wieso?«, fragte Harry.

»Es gibt seit jeher viel Rivalität zwischen den Zaubererschulen. Durmstrang und Beauxbatons ziehen es vor, sich zu verbergen, damit niemand ihre Geheimnisse stehlen kann«, sagte Hermine, als sei dies das Natürlichste von der Welt.

»Hör auf«, sagte Ron und fing an zu lachen.»Durmstrang muß ungefähr so groß sein wie Hogwarts, und wie willst du denn so ein irre großes Schloß verstecken?«

»Aber Hogwarts ist auch versteckt«, entgegnete Hermine überrascht,»jeder weiß es… nun ja, jeder, der die Geschichte von Hogwarts gelesen hat.«

»Also nur du«, sagte Ron.»Dann erklär mir mal – wie versteckt man ein Schloß wie Hogwarts?«

»Es ist verhext«, sagte Hermine.»Wenn die Muggel es anschauen, dann sehen sie nur eine vermoderte alte Ruine mit einem Schild über dem Eingang, auf dem steht: ACHTUNG, REIN ZUTRITT, EINSTURZGEFAHR.«

»Und Durmstrang sieht dann für Außenstehende auch aus wie eine Ruine?«

»Vielleicht«, sagte Hermine achselzuckend,»oder es hat Muggelabwehr-Zauber an den Mauern, wie das Weltmeisterschaftsstadion. Und damit fremde Zauberer es nicht finden, haben sie es sicher unortbar gemacht -«

»Wie bitte?«

»Nun, man kann ein Gebäude so verzaubern, daß es auf einer Karte nicht zu orten ist, oder?«

»Ähm – wenn du meinst«, sagte Harry.

»Aber ich glaube, Durmstrang muß irgendwo im hohen Norden sein«, sagte Hermine nachdenklich.»Wo es ganz kalt ist – bei denen gehören nämlich Pelzmützen zur Schuluniform.«

»Aah, denkt doch mal an die Möglichkeiten«, sagte Ron träumerisch.»Es wäre so einfach gewesen, Malfoy von einem Gletscher zu stoßen und die Sache wie einen Unfall aussehen zu lassen… jammerschade, daß seine Mutter ihn mag…«

Weiter nach Norden fuhr der Zug und der Regen wurde immer stärker. Der Himmel war dunkel und die Fenster waren beschlagen und deshalb gingen bereits gegen Mittag die Lampen an. Der Karren mit Speisen und Getränken kam den Gang entlanggerattert und Harry kaufte einen großen Stapel Kesselkuchen für alle.

Einige ihrer Freunde schauten im Laufe des Nachmittags bei ihnen vorbei, darunter Seamus Finnigan, Dean Thomas und Neville Longbottom, ein rundgesichtiger Junge, der von seiner Großmutter, einer stattlichen Hexe, erzogen worden und für seine Vergeßlichkeit berüchtigt war. Seamus trug immer noch seine Irland-Rosette. Ihr Zauber schien nun ein wenig nachzulassen; zwar piepste sie noch»Troy! Mullet! Moran!«, doch es klang recht schwachbrüstig und erschöpft. Nach einer guten halben Stunde hatte Hermine das endlose Quidditch-Gerede satt, sie vergrub sich in das Lehrbuch der Zaubersprüche, Band 4, und versuchte sich einen Sammelzauber beizubringen.

Neville lauschte neiderfüllt, wie die anderen das Endspiel noch einmal Zug um Zug durchsprachen.

»Oma wollte nicht hingehen«, sagte er niedergeschlagen.»Und hat mir keine Karte gekauft. Klingt aber toll, was ihr erzählt.«

»War es auch«, sagte Ron.»Schau dir das an, Neville…«

Er stöberte in seinem Koffer auf der Gepäckablage und zog die kleine Nachbildung von Viktor Krum hervor.

»Wahnsinn«, sagte Neville neidisch, als Ron Krum einen kleinen Klaps auf den dicken Kopf gab.

»Wir haben ihn ganz aus der Nähe gesehen«, sagte Ron.»Wir waren in der Ehrenloge.«

»Zum ersten und letzten Mal in deinem Leben, Weasley.«

Draco Malfoy war in der Tür erschienen. Hinter ihm standen Crabbe und Goyle, seine fiesen bulligen Kumpels, die beide im Sommer offenbar um mehr als einen Kopf gewachsen waren. Wie es schien, hatten sie das Gespräch durch die Abteiltür, die Dean und Seamus offen gelassen hatten, belauscht.

»Ich erinnere mich nicht, dich eingeladen zu haben, Malfoy«, sagte Harry kühl.

»Hör mal, Weasley… was ist das denn?«, sagte Malfoy und deutete auf Pigwidgeons Käfig. Ein Ärmel von Rons Festumhang, der darüber hing, schwang im Fahrtrhythmus des Zuges hin und her, so daß der vergammelte Spitzenbesatz gut zur Geltung kam.

Ron wollte den Umhang rasch verschwinden lassen, doch Malfoy war schneller; er packte den Ärmel und zog ihn an sich.

»Seht euch das an!«, rief er ganz entzückt und hob Rons Festumhang hoch, damit Crabbe und Goyle ihn begutachten konnten.»Weasley, du hast doch nicht etwa die Absicht, den wirklich zu tragen? Immerhin – um 1890 herum war es sicher der letzte Schrei…«

»Friß Mist, Malfoy!«, sagte Ron, und sein Gesicht hatte, als er ihn Malfoy entriß, längst die Farbe des Umhangs angenommen. Malfoy wieherte hämisch und Crabbe und Goyle glotzten blöde.

»Aha… du willst dich also bewerben, Weasley? Willst den Namen deiner Familie mit ein wenig Ruhm bekleckern? Geld ist auch im Spiel, du weißt ja… könntest dir ein paar anständige Umhänge leisten, wenn du gewinnen würdest…«»Wovon redest du eigentlich?«, fuhr ihn Ron an.

»Machst du mit?«, wiederholte Malfoy.»Du, Potter, auf jeden Fall, schätze ich. Du läßt doch keine Gelegenheit aus, um den Angeber zu markieren, oder?«

»Entweder du erklärst, wovon du redest, oder du verschwindest, Malfoy«, sagte Hermine gereizt über den Rand ihres Lehrbuchs der Zaubersprüche hinweg.

Ein hämisches Grinsen breitete sich auf Malfoys Gesicht aus.

»Erzähl mir bloß nicht, daß du keine Ahnung hast, Weasley?«, höhnte er genüßlich.»Du hast einen Vater und einen Bruder im Ministerium und du weißt es nicht mal? Hör mal, mein Vater hat es mir schon vor einer Ewigkeit erzählt… hat es von Cornelius Fudge erfahren. So ist es eben, Vater hat immer mit den Topleuten im Ministerium zu tun… vielleicht ist deiner ein zu kleines Licht und darf es überhaupt nicht wissen, Weasley… tja… wenn er in der Nähe ist, reden sie wahrscheinlich nicht über wichtige Dinge…«

Malfoy lachte laut auf, nickte Crabbe und Goyle zu, und die drei verschwanden.

Ron erhob sich und knallte die Schiebetür des Abteils so wütend zu, daß die Scheibe zu Bruch ging.

»Ron!«, sagte Hermine vorwurfsvoll, zückte ihren Zauberstab und murmelte»Reparo!«; die Scherben flogen zu einer Scheibe zusammen, die sich wieder in die Tür einfügte.

»Das Aas… tut so, als ob er alles wüßte und wir nicht…«, knurrte Ron. ›Vater hat immer mit den Topleuten im Ministerium zu tun.‹… Mein Dad hätte sich jederzeit befördern lassen können… ihm gefällt eben die Arbeit, die er jetzt macht…«

»Natürlich, das wissen wir«, sagte Hermine beschwichtigend.»Laß dich doch nicht von Malfoy ärgern, Ron -«

»Er! Und mich ärgern! Schwachsinn!«, sagte Ron, packte einen der noch übrig gebliebenen Kesselkuchen und zerdrückte ihn zu Matsch.

Rons schlechte Laune hielt die restliche Fahrt über an. Er sprach nicht viel, als sie ihre Umhänge anzogen, und blickte immer noch finster, als der Hogwarts-Express endlich bremste und schließlich in pechschwarzer Dunkelheit am Bahnhof von Hogsmeade Halt machte.

Kaum waren die Waggontüren aufgegangen, hörten sie über sich ein Donnergrollen. Hermine wickelte Krummbein in ihren Umhang und Ron ließ seinen Festumhang über Pigwidgeons Käfig hängen. Mit gesenkten Köpfen, nur hin und wieder nach vorne blinzelnd, kämpften sie sich durch den Wolkenbruch. Es regnete so heftig, als würden Eimer um Eimer eiskalten Wassers über ihren Köpfen ausgeschüttet.

»Hallo, Hagrid!«, rief Harry; am Ende des Bahnsteigs hatte er eine hünenhafte Gestalt erspäht.

»Alles klar, Harry?«, brüllte Hagrid und winkte ihnen zu.»Sehn uns beim Festessen, falls wir vorher nicht absaufen!«

Wie es der Brauch war, fuhren die neuen Schüler mit Booten über den See hinüber nach Hogwarts.

»Uuuuuh, bei diesem Wetter hätt ich keine Lust, über den See zu fahren«, sagte Hermine und schüttelte sich ausgiebig. Inmitten der Schülerschar gelangten sie nur mühsam über den Bahnsteig und nach draußen vor den Bahnhof, wo bereits hundert pferdelose Kutschen auf sie warteten. Harry, Ron, Hermine und Neville stiegen erleichtert in einen der Wagen, die Tür schlug zu und wenige Augenblicke später setzte sich die lange Kutschenprozession mit einem kräftigen Ruck in Bewegung. Ratternd und Wasser zu allen Seiten verspritzend fuhren sie den Weg zum Schloß Hogwarts empor.