"Harry Potter und der Gefangene von Askaban" - читать интересную книгу автора (Rowling Joanne K.)Das Finale »Er – er hat mir das geschickt«, sagte Hermine und hielt einen Brief in die Höhe. Harry nahm das feuchte Pergament. Riesige Tränen hatten die Tinte an manchen Stellen so sehr verschwimmen lassen, daß der Brief schwer zu lesen war. Liebe Hermine, wir haben verloren. Ich darf ihn nach Hogwarts zurückbringen. Der Tag der Hinrichtung steht noch nicht fest. London hat Schnäbelchen gefallen. All deine Hilfe für uns werde ich nie vergessen. Hagrid »Das können sie nicht machen«, sagte Harry.»Das dürfen sie nicht. Seidenschnabel ist nicht gefährlich.« »Malfoys Vater hat den Ausschuß eingeschüchtert«, sagte Hermine und wischte sich die Augen.»Ihr wißt doch, wie er ist. Das ist eine Bande tattriger alter Dummköpfe und sie hatten Angst. Allerdings gibt es wie immer eine Berufungsverhandlung. Aber ich mache mir keine Hoffnungen… ändern wird sich nichts.« »O doch«, sagte Ron grimmig.»Diesmal bist du nicht alleine, Hermine, ich werde dir helfen.« »O Ron!«Sie warf ihre Arme um seinen Hals und schluchzte verzweifelt. Ron, vollkommen ratlos, tätschelte scheu ihren Kopf Schließlich ließ sie ihn los. »Ron, es tut mir wirklich ganz furchtbar Leid wegen Krätze…«, schluchzte sie. »Ach – ähm – es war schon eine alte Ratte«, sagte Ron, offenbar ausgesprochen erleichtert, daß sie wieder auf eigenen Beinen stand.»Und nicht besonders nützlich. Wer weiß, vielleicht kaufen mir Mum und Dad jetzt eine Eule.« Seit Blacks zweitem Einbruch waren scharfe Sicherheitsvorkehrungen getroffen worden und die drei konnten Hagrid abends nicht mehr besuchen. Die einzige Gelegenheit, mit ihm zu reden, ergab sich in Pflege magischer Geschöpfe. Der Schock des Urteils schien ihm immer noch in den Knochen zu stecken. »'s ist alles meine Schuld. Hab einfach das Maul nicht aufgebracht. Die sitzen alle vor mir in ihren schwarzen Umhängen und ich laß ständig meine Zettel fallen und vergeß alles, was du für mich aufgeschrieben hast, Hermine. Und dann steht auch noch Lucius Malfoy auf und sagt seinen Teil und der Ausschuß hat genau das gemacht, was er wollte…« »Du hast immer noch die Berufung!«, sagte Ron grimmig.»Gib ja nicht auf, wir lassen uns was einfallen!« Nach dem Unterricht gingen sie zusammen zurück zum Schloß. In einiger Entfernung auf dem ansteigenden Weg sahen sie Malfoy mit Crabbe und Goyle, der sich immer wieder unter hämischem Gelächter zu ihnen umdrehte. »Nützt doch alles nichts, Ron«, sagte Hagrid traurig, als sie die Schloßtreppe erreicht hatten.»Lucius Malfoy hat diesen Ausschuß in der Tasche. Ich kann nur noch dafür sorgen, daß es Seidenschnäbelchen für den Rest seiner Tage richtig gut geht. Das schulde ich ihm…« Hagrid drehte sich um, vergrub das Gesicht in sein Taschentuch und kehrte rasch zu seiner Hütte zurück. »Guckt mal, wie der flennt!« Malfoy, Crabbe und Goyle hatten hinter dem Schloßportal gestanden und gelauscht. »Hast du jemals so was Erbärmliches erlebt?«, sagte Malfoy.»Und der soll unser Lehrer sein!« Harry und Ron gingen zornig ein paar Schritte auf Malfoy zu, doch Hermine war schneller – klatsch. Mit aller Kraft, die sie aufbringen konnte, gab sie Malfoy ein paar gepfefferte Ohrfeigen. Malfoy zitterten die Beine. Harry, Ron, Crabbe und Goyle standen mit aufgerissenen Mündern da und wieder hob Hermine die Hand. »Wag es nicht noch einmal, Hagrid erbärmlich zu nennen, du Mistkerl – du Schuft -« »Hermine!«, sagte Ron zaghaft und versuchte ihre Hand die noch einmal ausholte, festzuhalten. »Laß mich los, Ron!« Hermine zückte ihren Zauberstab. Malfoy wich zurück Crabbe und Goyle suchten in heilloser Verwirrung seinen Blick. »Kommt«, murmelte Malfoy, und im Nu waren alle drei im Eingang zu den Kerkern verschwunden. »Hermine!«, sagte Ron noch einmal, verdutzt und beeindruckt zugleich. »Harry, sieh bloß zu, daß du ihn im Quidditch-Finale schlägst«, sagte Hermine schrill.»Du mußt einfach, ich kann es einfach nicht ertragen, wenn Slytherin gewinnt!« »Zauberkunst hat schon angefangen«, sagte Ron, der Hermine immer noch glubschäugig anstarrte.»Wir müssen uns beeilen.« Sie rannten die Marmortreppe zu Professor Flitwicks Klassenzimmer hoch und traten ein. »Ihr kommt zu spät Jungs!«, tadelte sie Professor Flitwick.»Schnell die Zauberstäbe raus, wir üben heute Aufmunterungszaubern, tut euch bitte paarweise zusammen -«Harry und Ron eilten zu einem Tisch ganz hinten und öffneten die Mappen. Ron blickte über die Schulter. »Wo ist Hermine abgeblieben?« Auch Harry sah sich um. Hermine war nicht mit ins Klassenzimmer gekommen, doch Harry wußte genau, daß sie neben ihm gewesen war, als er die Tür geöffnet hatte. »Ist ja seltsam«, sagte Harry und starrte Ron an.»Vielleicht – vielleicht ist sie aufs Klo gegangen?« Doch Hermine tauchte in dieser Stunde nicht mehr auf »Einen Aufmunterungszauber hätte sie auch gut brauchen können«, sagte Ron, während sie über das ganze Gesicht grinsend zum Mittagessen gingen – der Zauber hatte ihnen ein Gefühl tiefer Zufriedenheit verschafft. Auch beim Essen fehlte Hermine. Als sie ihren Apfelkuchen verspeist hatten, ließ die Wirkung des Aufmunterungszaubers langsam nach und Harry und Ron beschlich allmählich Unruhe. »Glaubst du, Malfoy hat ihr was getan?«, sagte Ron besorgt, während sie zum Gryffindor-Turm hinaufrannten. Sie kamen an den Sicherheitstrollen vorbei, sagten der fetten Dame das Paßwort (»Aniontillado«) und kletterten durch das Porträtloch in den Gemeinschaftsraum. Hermine saß an einem Tisch, den Kopf auf ein aufgeschlagenes Arithmantikbuch gelegt, und schlief wie ein Murmeltier. Sie setzten sich neben sie. Harry stupste sie an. Hermine schreckte hoch und sah sich um.»W… was ist?«, sagte sie verwirrt.»Müssen wir gehen? W… was haben wir jetzt?« »Wahrsagen, aber erst in zwanzig Minuten«, sagte Harry.»Hermine, warum warst du nicht in Zauberkunst?« »Was? O nein!«, kreischte Hermine,»ich hab Zauberkunst ganz vergessen!« »Und wie konnte dir das passieren?«, fragte Harry.»Du warst doch noch bei uns, als wir vor dem Klassenzimmer standen!« »Ich kann's nicht fassen!«, klagte Hermine.»War Professor Flitwick sauer? Ach, es war Malfoy, an den hab ich gedacht und völlig den Faden verloren!« »Weißt du was, Hermine?«, sagte Ron und sah auf den riesigen Arithmantikband, den sie als Kissen benutzt hatte.»Ich glaube, du drehst langsam durch. Du hast dir einfach zu viel vorgenommen.« »Nein, tu ich nicht!«, sagte Hermine, strich sich die Haare aus den Augen und suchte mit verzweifeltem Blick nach ihrer Mappe.»Ich hab nur einen Fehler gemacht, das ist alles! Ich sollte am besten zu Professor Flitwick gehen und mich entschuldigen… Bis später in Wahrsagen!« Sie trafen Hermine zwanzig Minuten später am Fuß der Leiter zu Professor Trelawneys Turmzimmer wieder. Sie sah äußerst mitgenommen aus. »Ich kann einfach nicht fassen, daß ich die Aufmunterungszauber verpaßt habe! Und ich wette, die kommen in der Prüfung dran, Professor Flitwick hat so was angedeutet!« Nacheinander kletterten sie die Leiter zum dämmrigen, stickigen Turmzimmer hoch. Auf jedem der kleinen Tische stand eine Kristallkugel voll perlweißem Nebel. Harry, Ron und Hermine setzten sich zusammen an einen wackligen Tisch. »Ich dachte, Kristallkugeln kommen erst im nächsten Vierteljahr dran«, murmelte Ron und vergewisserte sich mit mißtrauischem Blick, daß Professor Trelawney nicht in der Nähe stand. »Beklag dich lieber nicht, das heißt immerhin, daß wir mit Handlesen fertig sind«, zischelte ihm Harry zu.»Das hat mich ganz krank gemacht, wenn die bei jedem Blick auf meine Hände fast in Ohnmacht gefallen ist.« »Einen schönen Tag wünsche ich euch!«, sagte die vertraute rauchige Stimme, und mit gewohnt dramatischer Geste trat Professor Trelawney aus den Schatten heraus. Parvati und Lavender, die Gesichter vom milchigen Glimmen ihrer Kristallkugel erleuchtet, zitterten vor Begeisterung. »Ich habe beschlossen, ein wenig früher als geplant mit der Kristallkugel zu beginnen«, sagte Professor Trelawney, setzte sich mit dem Rücken zum Feuer und blickte in die Runde.»Die Schicksalsgöttin teilt mir mit, daß die Prüfung im Juni sich ganz um die Kugel drehen wird, und ich will mich bemühen, euch genug Erfahrung zu vermitteln.« Hermine schnaubte. »Hört euch das an, gt;die Schicksalsgöttin teilt mir mitlt;! Wer bestimmt denn die Prüfungsaufgaben? Sie selbst! Eine wahrhaft erstaunliche Weissagung!«Hermine mühte sich nicht einmal, die Stimme zu dämpfen. Harry und Ron antworteten mit glucksendem Lachen. Sie konnten nicht erkennen, ob Professor Trelawney sie gehört hatte, denn ihr Gesicht war im Dunkeln verborgen. jedenfalls fuhr sie fort, als wäre nichts gewesen. »Das Lesen in Kristallkugeln ist eine besonders raffinierte Kunst«, sagte sie träumerisch.»Ich erwarte nicht, daß ihr schon beim ersten Mal Sehen könnt, wenn ihr in die unendlichen Tiefen der Kugel schaut. Wir üben zunächst einmal, wie wir unser bewußtes Denken und die äußeren Augen entspannen.«Ron begann jetzt haltlos zu kichern und mußte sich die Faust in den Mund stecken, um seinen Lachanfall zu ersticken.»Damit reinigen wir das Innere Auge und das Überbewußtsein. Wenn wir Glück haben, werden ein paar von euch vielleicht am Ende der Stunde Sehen können.« Und so ging es los. Harry zumindest kam sich ziemlich dämlich vor, während er in die Kugel stierte und angestrengt versuchte nichts zu denken, wo ihm doch ständig»das ist Blödsinn«durch den Kopf ging. Daß Ron immer wieder in ersticktes Glucksen ausbrach und Hermine genervt aufseufzte, war auch nicht hilfreich. »Schon was gesehen?«, fragte Harry nach einer halben Stunde stummen Kristallkugelstarrens die beiden andern. »Ja, da auf dem Tisch ist ein Brandfleck«, sagte Ron und deutete darauf.»Jemand hat seine Kerze umgestoßen.« »Das ist doch komplette Zeitverschwendung«, fauchte Hermine.»Ich könnte inzwischen was Nützliches üben Zum Beispiel Aufmunterungszaubern nachholen -« Professor Trelawney raschelte vorbei. »Möchte jemand, daß ich ihm helfe, die Schattengestalten in seiner Kugel zu deuten?«, murmelte sie unter dem Klimpern ihrer Armreife. »Ich brauch keine Hilfe«, flüsterte Ron.»Ist doch klar, was das bedeutet. Heute Nacht wird's ziemlich neblig.« Harry und Hermine wieherten los. »Ich möchte doch bitten!«, sagte Professor Trelawney und alle Köpfe wandten sich zu ihnen um. Parvati und Lavender waren schockiert.»Ihr stört die Reinheit der Schwingungen!«Sie trat an ihren Tisch und spähte in die Kristallkugel. Harry sank das Herz in die Hose. Er war sich sicher, was kommen würde - »Hier ist etwas!«, flüsterte Professor Trelawney und berührte mit der Nasenspitze fast die Kugel, so daß sich ihr Gesicht in beiden riesigen Brillengläsern spiegelte.»Etwas bewegt sich… aber was ist es?« Harry hätte alles, was er besaß, mitsamt dem Feuerblitz, darauf gewettet, daß dieses Etwas nichts Gutes verhieß. Und tatsächlich - »Mein Lieber…«, raunte Professor Trelawney und blickte zu Harry auf»Es ist hier, deutlicher als je zuvor… meine Güte, es schleicht auf dich zu und kommt immer näher… der Gr…« »Ach zum Teufel damit!«, sagte Hermine laut.»Nicht schon wieder dieser lächerliche Grimm!« Professor Trelawneys riesige Augen richteten sich auf Hermines Gesicht. Parvati flüsterte Lavender etwas ins Ohr und sie starrten Hermine empört an. Professor Trelawney richtete sich auf und musterte Hermine mit unverhohlenem Zorn. »Ich muß leider sagen, meine Liebe, bei Ihnen war mir auf den ersten Blick klar, daß Sie nicht die Begabung besitzen, welche die noble Kunst des Wahrsagens verlangt. Tatsächlich kann ich mich an keine einzige Schülerin erinnern, deren Geist so hoffnungslos irdischen Dingen zugewandt war.« Für einen Moment trat Schweigen ein. Dann - »Schön!«, sagte Hermine plötzlich, stand auf und stopfte Entnebelung der Zukunft in die Schulmappe.»Schön!«, sagte sie noch einmal und warf sich die Mappe über die Schulter, wobei sie fast Ron vom Stuhl fegte.»Ich geb's auf! Ich gehe!« Und zur Verblüffung der ganzen Klasse stapfte Hermine hinüber zur Falltür, öffnete sie mit einem Fußtritt, kletterte die Leiter hinunter und verschwand. Die andern brauchten ein paar Minuten, um zu begreifen, was vorgefallen war. Professor Trelawney schien den Grimm völlig vergessen zu haben. Sie wandte sich abrupt von Harry und Ron ab und zog schwer atmend den hauchdünnen Schal fester um den Hals. »Ooooooh!«, sagte Lavender plötzlich und alle schreckten auf.»Oooooh, Professor Trelawney, mir ist was eingefallen! Sie haben sie gehen sehen, nicht wahr? Wissen Sie noch, Professor?»Um Ostern wird einer von uns für immer von uns gehen!lt; Das haben Sie schon vor einer Ewigkeit gesagt, Professor!« Professor Trelawney schenkte ihr ein munteres Lächeln. »Ja, meine Liebe, ich wußte in der Tat, daß Miss Granger uns verlassen würde. Aber man hofft doch immer, die Zeichen falsch gedeutet zu haben… das Innere Auge kann eine Last sein, weißt du…« Lavender und Parvati schienen tief beeindruckt und rückten zusammen, damit sich Professor Trelawney an ihren Tisch setzen konnte. »Hermine schafft sie heute alle«, murmelte Ron mit ehrfurchtsvoller Miene Harry zu. »Jaah…« Harry starrte in die Kristallkugel, sah jedoch nichts als Wirbel aus weißem Nebel. Hatte Professor Trelawney wirklich schon wieder den Grimm gesehen? Würde er ihn sehen? Was er jetzt gar nicht brauchen konnte, war noch ein lebensgefährlicher Unfall, jetzt, wo das Quidditch-Finale immer näher rückte. Die Osterferien waren nicht gerade erholsam. Noch nie hatten die Drittkläßler so viele Hausaufgaben zu erledigen gehabt. Neville Longbottom schien einem Nervenzusammenbruch nahe und er war nicht der Einzige. »Und das nennen sie Ferien!«, polterte Seamus Finnigan eines Nachmittags im Gemeinschaftsraum.»Bis zu den Prüfungen ist doch noch ewig Zeit, also was wollen sie eigentlich?« Doch so viel wie Hermine hatte keiner zu tun. Selbst ohne Wahrsagen hatte sie mehr Fächer als alle andern. Meist war sie abends die Letzte, die den Gemeinschaftsraum verließ, und am nächsten Morgen die Erste, die in der Bibliothek saß; sie hatte dunkle Ringe unter den Augen wie Lupin und schien ständig den Tränen nahe. Ron hatte die Verantwortung für Seidenschnabels Berufungsverhandlung übernommen. Wenn er nicht für sich arbeitete, brütete er über mächtigen Wälzern wie Handbuch der Hippogreif-Psychologie und Tollheit oder Tollwut? Die Übergriffe von Hippogreifen. Er war so sehr in das Problem vertieft, daß er sogar vergaß, gemein zu Krummbein zu sein. Harry unterdessen mußte seine Hausaufgaben neben dem täglichen Quidditch-Training erledigen, ganz zu schweigen von den endlosen Gesprächen mit Wood über die Spieltaktik. Die Begegnung Gryffindor gegen Slytherin war für den ersten Samstag nach den Osterferien angesetzt. Slytherin führte im Turnier mit genau zweihundert Punkten. Das bedeutete, wie Wood den Spielern unablässig einschärfte, daß ihr Sieg noch höher ausfallen mußte, wenn sie den Pokal gewinnen wollten. Und es hieß auch, daß die Last dieser Aufgabe weitgehend auf Harry ruhte, denn der Schnatz brachte hundertfünfzig Punkte. »Also darfst du ihn erst fangen, wenn wir mit mehr als fünfzig Punkten führen«, erklärte ihm Wood tagein, tagaus.»Nur wenn wir mit über fünfzig Punkten vorn liegen, Harry, oder wir gewinnen zwar das Spiel, verlieren aber den Pokal. Das hast du doch begriffen? Du darfst den Schnatz erst fangen, wenn wir -« »Ich weiß, Oliver!«, fauchte Harry. Sämtliche Gryffindors hatten nichts anderes mehr im Kopf als das kommende Spiel. Ihr Haus hatte den Quidditch-Pokal nicht mehr gewonnen, seit der legendäre Charlie Weasley (Rons zweitältester Bruder) als Sucher gespielt hatte. Doch Harry fragte sich, ob auch nur einer von ihnen, Wood eingeschlossen, sich so nach dem Sieg sehnte wie er. Die Feindschaft zwischen Harry und Malfoy hatte ihren Höhepunkt erreicht. Malfoy rauchte immer noch vor Zorn wegen der einseitigen Schlammschlacht in Hogsmeade und war noch zorniger darüber, daß Harry der Strafe irgendwie entgangen war. Harry hatte Malfoys Versuch nicht vergessen, ihm bei der Partie gegen Ravenclaw ganz übel mitzuspielen, doch es war die Sache mit Seidenschnabel, die ihn so wild entschlossen machte, Malfoy vor den Augen der ganzen Schule zu demütigen. Keiner konnte sich erinnern, jemals in so geladener Atmosphäre einem Spiel entgegengefiebert zu haben. Am Ende der Ferien erreichte die Spannung zwischen den beiden Teams und ihren Häusern ihren knisternden Höhepunkt. In den Korridoren brachen kleinere Rangeleien aus, und es kam schließlich zu einem häßlichen Zwischenfall, in dessen Folge ein Viertkläßler der Gryffindors und ein Sechstkläßler der Slytherins im Krankenflügel landeten, weil ihnen kräftige Lauchpflanzen aus den Ohren wucherten. Harry hatte es in dieser Zeit besonders schwer. Er konnte nicht in den Unterricht gehen, ohne daß ihm ein Slytherin irgendwo auf den Gängen ein Bein stellte; wo er auch war, Crabbe und Goyle tauchten überall auf und trollten sich mit enttäuschten Mienen, wenn sie sahen, daß er von Schülern umringt war. Wood hatte die Gryffindors gebeten, Harry überallhin zu begleiten, falls die Slytherins versuchen sollten, ihn schon im Vorfeld lahm zu legen. Begeistert widmete sich das ganze Haus dieser Aufgabe, und Harry war es von nun an unmöglich, rechtzeitig zum Unterricht zu kommen, da er ständig von einer dicken, schnatternden Menschentraube umgeben war. Harry sorgte sich weniger um seine Sicherheit als um die des Feuerblitzes. Wenn er ihn nicht flog, schloß er ihn in seinen Koffer ein, und häufig flitzte er in den Pausen nach oben in den Turm, um nachzusehen, ob er noch da war. Am Vorabend des Spiels ging im Gemeinschaftsraum nichts mehr seinen gewohnten Gang. Selbst Hermine hatte ihre Bücher beiseite gelegt. »Ich kann nicht arbeiten, ich kann mich einfach nicht konzentrieren«, sagte sie nervös. Es herrschte ziemlicher Lärm. Fred und George Weasley linderten die Anspannung auf ihre Weise und gebärdeten sich lauter und ausgelassener als sonst. Oliver Wood hatte sich über ein Modell des Quidditch-Feldes in der Ecke gebeugt, schob kleine Figuren hin und her und murmelte vor sich hin. Angelina, Alicia und Katie lachten über die Witzeleien von Fred und George. Harry saß mit Ron und Hermine etwas abseits vom Geschehen und versuchte nicht an den nächsten Tag zu denken, denn immer wenn er es tat, bekam er das fürchterliche Gefühl, etwas sehr Großes wolle unbedingt aus seinem Magen heraus. »Du schaffst das«, sagte Hermine, sah dabei jedoch ausgesprochen besorgt aus. »Du hast einen Feuerblitz!«, sagte Ron. »Jaah…«, sagte Harry und sein Magen verkrampfte sich. Zu seiner Erleichterung richtete sich Wood plötzlich auf und rief: »Leute! Ins Bett!« Harry schlief schlecht. Erst träumte ihm, er habe verschlafen und Wood rufe»Wo steckst du? Statt deiner mußten wir Neville nehmen!«. Dann träumte er, Malfoy und das ganze Slytherin-Team würden mit fliegenden Drachen zum Spiel kommen. Er flog mit halsbrecherischer Geschwindigkeit und versuchte den Flammenstößen zu entgehen, die Malfoys Streitdrache ausspie, und dann fiel ihm ein, daß er seinen Feuerblitz vergessen hatte. Er stürzte in die Tiefe und fuhr erschrocken aus dem Schlaf. Es dauerte ein paar Minuten, bis Harry einfiel, daß das Spiel noch gar nicht angefangen hatte, daß er wohlbehalten im Bett lag und daß es den Slytherins sicher verboten würde, auf Drachen zu spielen. Er hatte schrecklichen Durst. So leise er konnte, stieg er aus dem Himmelbett und goß sich aus der silbernen Kanne am Fenster ein wenig Wasser ein. Still und ruhig lag das Schloßgelände im Mondlicht. Kein Windhauch kräuselte die Baumspitzen des Verbotenen Waldes; so reglos, wie die Peitschende Weide dastand, wirkte sie ganz unschuldig. Für das Spiel morgen herrschten die besten Bedingungen. Harry stellte den Becher ab und wollte gerade zurück ins Bett, als ihm etwas ins Auge fiel. Ein Tier schlich über den silbern glitzernden Rasen. Harry huschte zum Nachttisch, setzte sich die Brille auf und rannte zurück zum Fenster. Bloß nicht wieder der Grimm – nicht jetzt – nicht kurz vor dem Spiel Er starrte hinaus auf das Gelände und suchte es hektisch mit den Augen ab. Und da war es wieder. Es schlich sich jetzt am Waldrand entlang… der Grimm war es jedenfalls nicht… es war eine Katze… Harry erkannte jetzt den buschigen Schwanz und umklammerte erleichtert den Fenstersims. Es war doch bloß Krummbein… Aber war es nur Krummbein? Harry preßte die Nase gegen das Fensterglas und spähte mit zusammengekniffenen Augen hinunter. Krummbein war offenbar stehen geblieben. Im Schatten der Bäume bewegte sich noch etwas anderes, da war sich Harry sicher. Und schon tauchte es auf – ein riesiger, zottiger schwarzer Hund trottete über den Rasen, Krummbein an seiner Seite. Harry riß den Mund auf. Was sollte das bedeuten? Wenn selbst Krummbein den Hund sehen konnte, wie konnte er dann ein Vorbote des Todes für Harry sein? »Ron!«, zischte Harry.»Ron! Wach auf!« »Was'n los?« »Ich will wissen, was du da unten siehst!« »'s' doch völlig dunkel, Harry«, murmelte Ron dumpf.»was ist los mit dir?« »Dort unten -« Rasch blickte Harry wieder aus dem Fenster. Krummbein und der Hund waren verschwunden. Harry kletterte auf den Fenstersims, um steil hinab in den Schatten des Schlosses sehen zu können, doch vergeblich. Wo waren sie abgeblieben? Ein lauter Schnarcher sagte ihm, daß Ron wieder eingeschlafen war. Tosender Beifall empfing Harry und die anderen Gryffindor-Spieler am nächsten Morgen in der Halle. Harry konnte ein Grinsen nicht unterdrücken, als er sah, daß sie auch an den Tischen der Ravenclaws und Hufflepuffs klatschten. Die Slytherins zischten laut, als sie vorbeigingen. Harrys Augen entging nicht, daß Malfoy noch blasser war als sonst. Wood war beim Frühstück damit beschäftigt, sein Team zum Essen zu ermuntern, während er selbst keinen Bissen anrührte. Dann, bevor die andern fertig waren, scheuchte er sie hinaus aufs Spielfeld, damit sie sich schon ein wenig umsehen konnten. Als sie die Große Halle verließen, gab es wieder Beifall von fast allen Seiten. »Viel Glück, Harry!«, rief Cho Chang. Harry spürte, wie er rot anlief. »Okay – praktisch kein Wind – die Sonne ist ein bißchen hell, das könnte deine Sicht stören, also paß auf – der Boden ist recht hart, gut, dann können wir uns schnell abstoßen Wood schritt das Feld ab und warf seinen Leuten immer wieder aufmerksame Blicke zu. Schließlich sahen sie, wie in der Ferne das Schloßportal aufging, und bald ergoß sich die ganze Schülerschar über den Rasen. »Umkleidekabinen«, sagte Wood steif Keiner verlor ein Wort, während sie in ihre scharlachroten Umhänge schlüpften. Harry fragte sich, ob es ihnen auch so erging wie ihm; er hatte das Gefühl, als hätte er etwas fürchterlich Wuseliges zum Frühstück verspeist. Kaum eine Minute schien ihm vergangen, als Wood schon sagte: »Gut, es ist Zeit, gehen wir -« Sie marschierten hinaus aufs Spielfeld und eine Flutwelle aus Lärm brandete ihnen entgegen. Drei Viertel der Zuschauer trugen scharlachrote Bandschleifen, schwangen scharlachrote Fahnen mit dem Gryffindor-Löwen oder hielten Spruchbänder in die Höhe.»SIEG FÜR GRYFFINDOR«und»LÖWEN FÜR DEN CUP«, hieß es da. Hinter den Torstangen der Slytherins jedoch saßen zweihundert Zuschauer ganz in Grün; die silberne Schlange der Slytherins glitzerte auf ihren Fahnen, und Professor Snape, ebenfalls grün gewandet, saß in der ersten Reihe und lächelte grimmig. »Und hier kommen die Gryffindors!«, rief Lee Jordan, der wie immer das Spiel kommentierte.»Potter, Bell, Johnson, Spinnet, Weasley, Weasley und Wood. Weithin anerkannt als das beste Team, das Hogwarts seit einigen Jahren hervorgebracht hat -« Lees Bemerkung ging in einer Welle von Buhrufen der Slytherins unter. »Und hier ist das Team der Slytherins, geführt von Kapitän Flint. Er hat einige Änderungen in der Aufstellung vorgenommen und scheint jetzt weniger auf Können als auf Kraft zu setzen -« Wieder buhte die Kurve der Slytherins. Harry jedoch kam es so vor, als hätte Lee durchaus Recht. Malfoy war eindeutig der Kleinste im Team der Slytherins, die anderen waren riesig. »Begrüßt euch, Kapitäne!«, sagte Madam Hooch. Flint und Wood traten aufeinander zu und packten sich an den Händen, so fest, als wollten sie sich die Finger brechen. »Besteigt eure Besen!«, sagte Madam Hooch.»Drei… zwei… eins…« Der gellende Pfiff ging im Raunen der Menge unter und die vierzehn Besen stiegen in die Luft. Harry wehte das Haar aus der Stirn; jetzt, da er flog, begannen seine Nerven zu flirren; er blickte sich um und sah, daß Malfoy ihm folgte. Er beschleunigte scharf und machte sich auf die Suche nach dem Schnatz. »Und jetzt ist Gryffindor im Ballbesitz, Alicia Spinnet mit dem Quaffel, sie fliegt direkt auf die Torstangen der Slytherins zu, sieht gut aus, Alicia! Aaarh, nein – Quaffel abgefangen von Warrington, Warrington von den Slytherins rast jetzt in die Gegenrichtung – autsch! – George Weasley hat da schön mit dem Klatscher gearbeitet, Warrington läßt den Quaffel fallen, er wird gefangen von – Johnson, Gryffindor wieder in Ballbesitz, komm schon, Angelina – hübscher Schlenker um Montague – duck dich, Angelina, da kommt ein Klatscher! – Sie macht das Tor! Zehn zu null für Gryffindor!« Angelina stieß mit der Faust in die Luft und flog über die Tribünen hinweg; das scharlachrote Meer in der Tiefe tobte vor Begeisterung - »Autsch!« Marcus Flint stieß mit ihr zusammen und Angelina schleuderte es fast vom Besen. »'tschuldigung«, sagte Flint, als die Menge unten zu buhen anfing.»Tut mir Leid, hab sie nicht gesehen!« Doch schon hatte ihn Fred Weasley mit seinem Schläger auf den Hinterkopf gehauen – Flints Nase knallte gegen den Besenstiel und fing an zu bluten. »Das reicht jetzt!«, sagte Madam Hooch und rauschte dazwischen.»Strafstoß für Gryffindor wegen einer willkürlichen Attacke auf ihre Jägerin! Strafstoß für Slytherin wegen mutwilliger Verletzung ihres Jägers!« »Das ist doch Unsinn, Miss!«, heulte Fred, doch Madam Hooch blies in ihre Pfeife und Alicia flog nach vorne, um den Strafstoß auszuführen., »Alicia, du machst es!«, schrie Lee in die Stille hinein, die sich über die Menge gesenkt hatte.»Ja! Sie hat den Torhüter geschlagen! Zwanzig zu null für Gryffindor!« Harry riß den Feuerblitz scharf herum und sah Flint, der immer noch heftig aus der Nase blutete, nach vorne fliegen, um den Strafstoß für Slytherin auszuführen. Wood schwebte mit zusammengebissenen Zähnen vor den Torstangen der Gryffindors. »Natürlich ist Wood ein exzellenter Torhüter!«, verkündete Lee Jordan dem Publikum, während Flint auf Madam Hoochs Pfiff wartete.»Klasse! Sehr schwer den Ball vorbeizukriegen – wirklich ganz schwer – Jaaa! Ich kann's nicht glauben! Er hat ihn gehalten!« Erleichtert flog Harry davon und hielt wieder Ausschau nach dem Schnatz, lauschte dabei allerdings jedem Wort von Lee. Entscheidend war, daß er Malfoy vom Schnatz fernhielt, bis Gryffindor mit mehr als fünfzig Punkten führte - »Gryffindor wieder im Ballbesitz, nein, Slytherin – nein! – wieder Gryffindor und diesmal mit Katie Bell, Katie Bell für Gryffindor mit dem Quaffel, sie rauscht das Spielfeld hoch – das war Absicht!« Montague, ein Jäger der Slytherins, war Katie in die Quere geflogen, und statt den Quaffel zu schnappen hatte er sie am Kopf gepackt. Katie drehte ein paar Saltos und schaffte es, auf dem Besen zu bleiben, ließ jedoch den Quaffel fallen. Wieder ertönte Madam Hoochs Pfiff. Sie flog hinüber zu Montague und begann laut mit ihm zu schimpfen. Kurze Zeit später hatte Katie einen weiteren Strafstoß gegen den Hüter der Slytherins verwandelt. »Dreißig zu null! Was sagt ihr jetzt, ihr dreckigen, falsch spielenden -« »Jordan, wenn Sie das Spiel nicht unparteiisch kommentieren können, dann -!« »Ich sag nur die Wahrheit, Professor!« Harry überkam jetzt eine fiebrige Erregung. Er hatte den Schnatz gesehen – unten am Fuß eines Torpfostens der Gryffindors schimmerte er – doch er durfte ihn noch nicht fangen – und wenn Malfoy ihn sah - Harry tat so, als wäre er plötzlich auf etwas aufmerksam geworden, riß seinen Feuerblitz herum und raste auf das Tor der Slytherins zu – und es klappte. Malfoy jagte ihm nach und glaubte offensichtlich, Harry hätte den Schnatz dort gesehen… Wuuuusch. Einer der Klatscher, geschlagen von Derrick, dem riesenhaften Treiber der Slytherins, rauschte an Harrys rechtem Ohr vorbei. Und im nächsten Moment - Wuuuusch. Der zweite Klatscher hatte Harrys Ellbogen gestreift. Der andere Treiber, Bole, hatte auf ihn angelegt. Harry sah sie kurz aus den Augenwinkeln: Bole und Derrick kamen zangengleich mit erhobenen Schlägern auf ihn zugerast - In letzter Sekunde riß er den Feuerblitz in die Höhe und Bole und Derrick krachten zusammen, mit einem Geräusch, daß Harry sich am liebsten übergeben hätte. »Hahaaaa!«, tobte Lee Jordan, während sich die beiden Treiber der Slytherins, die Hände an den Köpfen, aus ihrer Verknäuelung lösten,»so ein Pech, Jungs! Da müßt ihr früher aufstehen, wenn ihr einen Feuerblitz schlagen wollt! Und wieder Gryffindor mit Johnson in Quaffelbesitz – Flint neben ihr – stich ihm ins Auge, Angelina! – war nur 'n Scherz, Professor, war nur'n Scherz – o nein – Flint ist jetzt dran, Flint rast auf die Torstangen der Gryffindors zu – komm schon, Wood, halt -!« Doch Flint hatte getroffen; in der Slytherin-Kurve brach Jubel aus und Lee begann so übel zu fluchen, daß Professor McGonagall Anstalten machte, ihm das magische Megaphon zu entreißen. »Tut mir Leid, Professor, Entschuldigung! Wird nicht wieder vorkommen! Also, Gryffindor in Führung, dreißig zu zehn, und Gryffindor in Ballbesitz -« Das wurde allmählich die schmutzigste Partie, die Harry je erlebt hatte. Wütend, weil Gryffindor so früh in Führung gegangen war, war den Slytherins rasch jedes Mittel recht, um sich den Quaffel zu sichern. Bole versetzte Alicia einen Hieb mit dem Schläger und versuchte sich damit rauszureden, er habe geglaubt, sie wäre ein Klatscher. George Weasley stieß Bole zur Vergeltung mit dem Ellbogen ins Gesicht. Madam Hooch sprach beiden Teams Strafstöße zu und Wood schaffte noch einmal eine Glanzparade – schließlich stand es vierzig zu zehn für Gryffindor. Der Schnatz war längst wieder verschwunden. Malfoy hielt sich weiterhin an Harry, der flog über den andern dahin und hielt Ausschau nach dem kleinen Ball – denn sobald Gryffindor fünfzig Punkte vorne lag - Jetzt hatte Katie getroffen. Fünfzig zu zehn. Fred und George Weasley surrten mit erhobenen Schlägern um sie herum, damit kein Slytherin auf den Gedanken kam, sich zu rächen. Bole und Derrick nutzten das aus, um beide Klatscher gegen Wood zu schmettern; sie trafen ihn kurz nacheinander in die Magengegend, und Wood, vollkommen groggy, kippte zur Seite weg und konnte sich gerade noch an seinen Besen klammern. Madam Hooch war außer sich. »Ihr sollt den Torhüter nicht angreifen, außer wenn der Quaffel im Torraum ist!«, schrie sie Bole und Derrick an.»Strafstoß für Gryffindor!« Und Angelina verwandelte. Sechzig zu zehn. Sekunden später schmetterte Fred Weasley einen Klatscher gegen Warrington und schlug ihm den Quaffel aus den Händen; Alicia packte ihn und trieb ihn ins Tor der Slytherins – siebzig zu zehn. Die Gryffindor-Fans unten auf den Rängen schrien sich heiser – Gryffindor lag mit sechzig Punkten vorne und wenn Harry den Schnatz jetzt fing, hatten sie den Pokal gewonnen. Harry spürte fast körperlich, wie Hunderte von Augen ihm folgten, während er um das Feld herumsauste, hoch über den andern Spielern, nur mit Malfoy auf den Fersen. Und dann sah er ihn. Sieben Meter über ihm glitzerte der Schnatz. Harry verlangte jetzt alles von seinem Feuerblitz; der Wind rauschte ihm in den Ohren; er streckte die Hand aus, doch plötzlich erlahmte der Besen - Entsetzt drehte er sich um. Malfoy hatte sich nach vorne geworfen, den Schweif des Feuerblitzes gepackt, und zerrte ihn zurück. »Du -« Harry war so zornig, daß er Malfoy geschlagen hätte, wenn er nur an ihn herangekommen wäre – Malfoy keuchte vor Anstrengung und hielt sich verbissen fest, doch seine Augen funkelten bösartig. Er hatte geschafft, was er wollte – der Schnatz war erneut verschwunden. »Strafstoß! Strafstoß für Gryffindor! Ein so übles Foulspiel hab ich noch nie erlebt!«, kreischte Madam Hooch und schoß in die Höhe, während sich Malfoy auf seinen Nimbus Zweitausendeins zurückgleiten ließ. »Du betrügerisches Schwein!«, heulte Lee Jordan ins Megaphon und huschte vorsorglich außer Reichweite von Professor McGonagall,»du dreckiges, fieses A-« Doch Professor McGonagall scherte sich nicht darum, Lee einen Rüffel zu erteilen. Wütend schüttelte sie die Fäuste in Richtung Malfoy, der Hut fiel ihr vom Kopf und jetzt schrie sie vor Zorn. Alicia übernahm den Strafstoß, doch sie war so zornig, daß sie ein paar Meter danebenschoß. Die Gryffindors wurden zunehmend nervös und die Slytherins, entzückt über Malfoys Foul an Harry, schwangen sich zu Glanzleistungen auf »Slytherin im Spiel, Slytherin auf dem Weg zum Tor – Montague trifft«. Lee stöhnte auf.»Siebzig zu zwanzig für Gryffindor…« Harry flog jetzt so dicht neben Malfoy, daß sich ihre Knie berührten. Er würde ihn nicht noch einmal in die Nähe des Schnatzes lassen… »Laß das, Potter!«, rief Malfoy gereizt, als er einen Wendeversuch unternahm und Harry ihn abblockte. »Angelina Johnson holt den Quaffel für Gryffindor, mach schon, Angelina, mach schon!« Harry drehte sich um. Alle Slytherin-Spieler außer Malfoy flogen auf Angelina zu, selbst der Torhüter – sie wollten sie abblocken - Harry riß den Feuerblitz herum, bückte sich so tief, daß er flach auf dem Besenstiel lag, und legte los. Wie eine Kugel schoß er auf die Slytherins zu. »Aaaaarrh!« Sie stoben auseinander, als sie den Feuerblitz auf sich zurasen sahen; Angelina hatte freie Bahn - »Sie trifft! Toor! Toor! Gryffindor führt jetzt achtzig zu zwanzig -« Harry, der fast kopfüber in die Ränge getrudelt wäre, bremste mitten in der Luft ab, machte kehrt und schoß zurück in die Mitte des Feldes. Und dann sah er etwas, das ihm das Herz stillstehen ließ. Malfoy im Sturzflug, und Siegesgewißheit auf dem Gesicht – dort unten, wenige Meter über dem Gras, ein kleiner, golden schimmernder Fleck - Harry peitschte den Feuerblitz in die Tiefe, doch Malfoy hatte einen gewaltigen Vorsprung - »Los! Los! Los!«, drängte Harry seinen Besen – sie kamen Malfoy jetzt näher – Harry legte sich flach auf den Besenstiel und entkam damit einem Klatscher von Bole – jetzt war er an Malfoys Fersen – er war gleichauf - Harry warf sich nach vorn, nahm beide Hände vom Besen – stieß Malfoys Arm beiseite und - »Ja!« Harry riß den Besen aus dem Sturzflug, die Hand mit dem Schnatz in der Luft, und das Stadion explodierte. Er zischte über die Menge hinweg, ein merkwürdiges Klingen in den Ohren, und hielt den goldenen Ball fest umklammert, der mit seinen Flügelchen hoffnungslos gegen seine Finger schlug. Dann raste Wood auf ihn zu, halb geblendet von Tränen; er packte Harry am Arm und ließ sich hemmungslos schluchzend gegen seine Schulter sinken. Fred und George klopften ihm auf den Rücken, daß es richtig wehtat; dann hörte er Angelina, Alicia und Katie rufen:»Wir haben den Pokal! Wir haben den Pokal!«Die vielen Arme zu einem einzigen Knäuel verschlungen, sank das Gryffindor-Team unter heiseren Schreien zurück zur Erde. Welle um Welle scharlachroter Anhänger ergoß sich über die Absperrungen aufs Feld. Hände regneten auf ihre Rücken herunter. Harry nahm verschwommen wahr, wie der Lärm anschwoll und die Körper auf ihn eindrangen. Dann waren er und die anderen Spieler auf den Schultern der Menge. jetzt, da er wieder etwas sehen konnte, erkannte er Hagrid, bepflastert mit scharlachroten Bandschleifen -»Du hast sie geschlagen, Harry, du hast sie geschlagen! Wart nur, bis ich es Seidenschnabel erzählt hab!«Percy sprang wie verrückt in die Luft und hatte jede würdevolle Zurückhaltung abgelegt. Professor McGonagall schluchzte noch herzergreifender als selbst Wood und wischte sich mit einer bettuchgroßen Gryffindor-Fahne die Augen. Und dort kämpften sich Ron und Hermine zu ihm durch. Sie brachten kein Wort heraus. Sie strahlten nur, während Harry zu den Rängen getragen wurde, wo Dumbledore mit dem mächtigen Quidditch-Pokal auf sie wartete. Wäre doch nur ein Dementor unterwegs gewesen… Als der schluchzende Wood den Pokal an Harry weiterreichte, hatte er das Gefühl, jetzt könnte er den besten Patronus der Welt hervorbringen. Mindestens eine Woche lang schwelgte Harry im Glück. Selbst der Himmel schien ihren Pokalsieg zu feiern. Der Juni brach an, die Wolken verzogen sich und es wurde schwül, und alle hatten nur noch Lust, über die Wiesen zu schlendern und sich mit ein paar Krügen eiskalten Kürbissafts ins Gras zu fläzen. Hin und wieder konnte man vielleicht eine Partie Koboldstein spielen oder dem Riesenkraken zusehen, wie er traumverloren durch den See kraulte. Doch es ging nicht – die Prüfungen standen bevor und anstatt draußen zu faulenzen mußten die Schüler im Schloß bleiben und sich die Hirne zermartern, während durch die offenen Fenster verlockend die sommerlichen Lüfte hereinwehten. Selbst Fred und George Weasley hatte man arbeiten sehen; bald würden sie den ersten ZAG (Zauberergrad) schaffen. Percy bereitete sich auf den UTZ (Unheimlich Toller Zauberer) vor, den höchsten Abschluß, den Hogwarts zu bieten hatte. Da Percy sich beim Zaubereiministerium bewerben wollte, brauchte er die besten Noten. Er wurde zusehends fuchsiger und brummte jedem schwere Strafen auf, der die abendliche Ruhe im Gemeinschaftsraum störte. Nur eine Schülerin hatte noch mehr Bammel vor den Prüfungen, und das war Hermine. Harry und Ron hatten es längst aufgegeben, sie zu fragen, wie sie es schaffte, mehrere Fächer gleichzeitig zu belegen, doch als sie ihre Liste mit den Prüfungsterminen sahen, konnten sie sich nicht mehr zurückhalten. In der ersten Spalte hieß es: Montag 9 Uhr Arithmantik 9 Uhr Verwandlung Mittagessen 13 Uhr Zauberkunst 13 Uhr Alte Runen »Hermine?«, sagte Ron behutsam, weil sie in den vergangenen Tagen gern explodierte, wenn man sie unterbrach»Ähm – bist du sicher, daß du diese Prüfungszeiten richtig abgeschrieben hast?« »Was?«, fauchte Hermine, nahm ihren Plan zur Hand und warf einen Blick darauf»Ja, stimmt doch alles.« »Hat es irgendeinen Sinn dich zu fragen, wie du in zwei Prüfungen zugleich sitzen willst?«, fragte Harry. »Nein«, sagte Hermine knapp.»Hat einer von euch mein Numerologie und Grammatica rumliegen sehen?« »Ach ja, ich wollte im Bett noch ein wenig lesen und hab's mir ausgeliehen«, sagte Ron, wenn auch recht leise Hermine kramte unter ihren vielen Pergamentstapeln nach dem Buch. In diesem Moment raschelte es am Fenster und Hedwig flatterte mit einer Nachricht im Schnabel herein. »Von Hagrid«, sagte Harry und riß den Umschlag auf.»Die Berufungsverhandlung von Seidenschnabel – findet am achten Juni statt.« »Das ist doch unser letzter Prüfungstag«, sagte Hermine, während sie immer noch nach ihrem Arithmantikbuch stöberte. »Sie kommen dafür eigens hierher«, sagte Harry und las weiter aus dem Brief vor,» jemand vom Zaubereiministerium und… und ein Henker.« Hermine blickte verdutzt auf »Sie bringen den Henker mit zur Berufung! Das klingt doch, als hätten sie schon alles entschieden!« »Ja, allerdings«, sagte Harry langsam. »Das können sie nicht machen!«, heulte Ron,»ich hab Ewigkeiten gebraucht, um für Hagrid diese Wälzer durchzuarbeiten, das können sie nicht einfach abtun!« Doch Harry hatte das schreckliche Gefühl, daß der Ausschuß für die Beseitigung gefährlicher Geschöpfe die Sache bereits entschieden hatte, ganz so, wie Mr Malfoy es wollte. Draco, seit dem Triumph der Gryffindors im Quidditch auffallend kleinlaut, schien in den folgenden Tagen wieder ganz das alte Großmaul zu werden. Nach hämischen Bemerkungen zu schließen, die Harry mithörte, war sich Malfoy sicher, daß Seidenschnabel hingerichtet würde, und er war offenbar höchst zufrieden mit sich, weil er selbst alles angezettelt hatte. Bei solchen Gelegenheiten konnte sich Harry nur mit Mühe davon abhalten, es Hermine nachzutun und Malfoy ein paar Ohrfeigen zu verpassen. Und das Schlimmste war, daß sie weder Zeit noch Gelegenheit hatten, Hagrid zu besuchen, denn die strengen neuen Sicherheitsregeln waren nicht aufgehoben worden, und Harry traute sich nicht, seinen Tarnumhang aus dem Geheimgang unter der einäugigen Hexe zu holen. Die Prüfungswoche begann, und eine unnatürliche Stille breitete sich im Schloß aus. Montag um die Mittagszeit kamen die Drittkläßler aus Verwandlung. Ausgelaugt und mit bleichen Gesichtern verglichen sie ihre Ergebnisse und klagten, wie schwer die Aufgaben diesmal gewesen seien. Zum Beispiel mußten sie eine Teekanne in eine Schildkröte verwandeln. Hermine ärgerte sie alle, weil sie sich darüber aufregte, daß ihre Schildkröte eher wie eine Kröte ausgesehen habe, worüber die andern mehr als froh gewesen wären. »Meine hatte den Schnabel der Teekanne als Schwanz, ein Alptraum war das…« »Sollten die Schildkröten eigentlich Dampf auspusten?« »Meine hatte diese chinesische Porzellanmalerei auf dem Schild, glaubt ihr, sie ziehen mir dafür Punkte ab?« Dann, nach einem hastigen Mittagessen, ging es gleich wieder nach oben zur Prüfung in Zauberkunst. Hermine hatte Recht gehabt; Professor Flitwick prüfte sie tatsächlich in Aufmunterungszaubern. Harry, nervös wie er war, trieb es ein wenig zu weit. Ron, sein Partner, fing aufgedreht an zu lachen und konnte sich nicht mehr einkriegen, so daß man ihn schließlich zum Abkühlen in ein ruhiges Zimmer bringen mußte, bevor er selbst die Prüfung ablegen konnte. Nach dem Abendessen kehrten sie rasch zurück in ihren Gemeinschaftsraum, nicht etwa, um sich zu entspannen, sondern um für Pflege magischer Geschöpfe, Zaubertränke und Astronomie zu büffeln. Hagrid nahm die Prüfung am nächsten Morgen mit ausgesprochen besorgter Miene ab; mit dem Herzen schien er ganz woanders zu sein. Er hatte für die Klasse einen großen Zuber frischer Flubberwürmer vorbereitet und erklärte ihnen, wenn sie die Prüfung bestehen wollten, müßten die Würmer nach einer Stunde immer noch am Leben sein. Da Flubberwürmer am besten gediehen, wenn man sie vollkommen in Ruhe ließ, war das die leichteste Prüfung ihres Lebens, und zudem hatten Harry, Ron und Hermine genug Zeit, um mit Hagrid zu sprechen. »Schnäbelchen ist ein wenig trübselig«, berichtete Hagrid, der sich tief gebückt hatte und so tat, als schaue er nach, ob Harrys Flubberwurm noch lebte.»Ist jetzt schon so lange eingesperrt. Aber was soll man machen… übermorgen wissen wir's – so oder so -« Am selben Nachmittag hatten sie Zaubertränke, und das war schlichtweg eine Katastrophe. Harry konnte tun, was er wollte, er schaffte es einfach nicht, sein Verwirrungs-Elixier einzudicken. Snape beobachtete ihn mit heimtückischem Vergnügen, und bevor er weiterging, machte er einen Kringel auf sein Blatt, der verdächtig wie eine Sechs aussah. Um Mitternacht war Astronomie dran, oben auf dem höchsten Turm; Geschichte der Zauberei war Mittwochmorgen, und Harry kritzelte alles hin, was Florean Fortescue ihm je über die mittelalterliche Hexenverfolgung erzählt hatte, während er sich in diesem stickigen Klassenzimmer nichts sehnlicher wünschte, als einen Becher von Fortescues Kokosnußeis vor sich stehen zu haben. Mittwochnachmittag war die Prüfung in Kräuterkunde, in den Gewächshäusern unter der glühend heißen Sonne; dann ging es mit sonnenverbrannten Nacken sofort zurück in den Gemeinschaftsraum, wo sie sehnsüchtig schon an Freitagnachmittag dachten, wenn alles vorbei sein würde. Die vorletzte Prüfung am Donnerstagmorgen war Verteidigung gegen die dunklen Künste. Professor Lupin hatte die ungewöhnlichste Aufgabe von allen vorbereitet, eine Art Hindernisrennen draußen in der Sonne. Sie mußten durch einen tiefen Tümpel stapfen, in dem ein Grindeloh lauerte, eine Reihe von Erdlöchern voller Rotkappen überqueren, durch ein sumpfiges Feld waten und dabei die irreführenden Wegangaben eines Hinkepanks mißachten, und schließlich in einen alten Schrankkoffer klettern und sich mit einem neuen Irrwicht herumschlagen. »Hervorragend, Harry«, murmelte Lupin, als Harry grinsend aus dem Koffer stieg.»Volle Punktzahl.« Mit freudig geröteten Wangen blieb Harry noch eine Weile, um Ron und Hermine zuzusehen. Ron kam gut voran, bis er auf den Hinkepank traf, der es schaffte, ihn so zu verwirren, daß er hüfthoch im Morast versank. Hermine gelang alles tadellos, bis sie zum Koffer mit dem Irrwicht kam. Nach einer Minute im Innern platzte sie schreiend heraus. »Hermine!«, sagte Lupin verblüfft,»was ist denn los?« »P… Professor McGonagall!«, stammelte Hermine und deutete auf den Koffer.»S-sie sagt, ich sei überall durchgerasselt!« Es dauerte eine Welle, bis Hermine sich wieder gefangen hatte. Unterwegs zurück zum Schloß kicherte Ron immer noch ein wenig über ihren Irrwicht, doch angesichts dessen, was sie oben am Portal erwartete, kam es nicht zum Streit. Dort stand Cornelius Fudge, leicht schwitzend in seinem Nadelstreifenumhang, und spähte über das Land. Er stutzte, als er Harry erkannte. »Hallo, Harry!«, sagte er.»Du kommst von einer Prüfung, nicht wahr? Hast es bald geschafft?« »Ja«, sagte Harry. Hermine und Ron, die noch nie mit dem Zaubereiminister gesprochen hatten, hielten sich verlegen im Hintergrund. »Schöner Tag«, sagte Fudge und ließ die Augen über den See wandern.»Ein Jammer, wirklich ein Jammer…« Er seufzte tief und sah zu Harry hinunter. »Ich bin wegen einer unangenehmen Aufgabe hier, Harry. Der Ausschuß für die Beseitigung gefährlicher Geschöpfe braucht einen Zeugen für die Hinrichtung eines verrückten Hippogreifs. Da ich ohnehin in Hogwarts vorbeischauen mußte, um mich in Sachen Black umzutun, wurde ich gebeten einzuspringen.« »Soll das heißen, die Berufungsverhandlung ist schon vorbei?«, warf Ron ein und trat einen Schritt vor. »Nein, nein, sie ist für heute Nachmittag angesetzt«, sagte Fudge und sah Ron neugierig an. »Dann werden Sie ja vielleicht gar keine Hinrichtung bezeugen müssen!«, sagte Ron beherzt.»Der Hippogreif könnte ja freigesprochen werden!« Bevor Fudge antworten konnte, traten hinter ihm zwei Zauberer durch das Schloßportal. Der eine war so steinalt, daß er vor ihren Augen zu verwittern schien, der andere war groß und rüstig und hatte einen dünnen schwarzen Schnurrbart. Harry vermutete, daß sie zum Ausschuß für die Beseitigung gefährlicher Geschöpfe gehörten, denn der steinalte Zauberer spähte hinüber zu Hagrids Hütte und sagte mit dünner Stimme: »Meine Güte, ich werd langsam zu alt für diese Geschichten… es ist doch schon zwei, nicht wahr, Fudge?« Der Mann mit dem schwarzen Schnurrbart nestelte an seinem Gürtel; Harry sah näher hin und erkannte jetzt, daß er mit seinem breiten Daumen an der schimmernden Klinge eines Beils entlang fuhr. Ron öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch Hermine stieß ihm heftig in die Rippen und nickte mit dem Kopf zum Eingang. »Warum hast du mich aufgehalten?«, sagte Ron wütend, als sie zum Mittagessen in die Große Halle traten.»Hast du die beiden gesehen? Die haben ja schon das Beil bereit! Das ist doch nicht fair!« »Ron, dein Dad arbeitet im Ministerium, da kannst du doch nicht so mit seinem Chef reden!«, sagte Hermine, doch auch sie schien ganz aufgebracht.»Wenn Hagrid diesmal die Nerven behält und seine Sache richtig vertritt, können sie Seidenschnabel auf keinen Fall töten…« Doch Harry war klar, daß Hermine nicht wirklich an ihre eigenen Worte glaubte. Die andern Schüler um sie herum schwatzten und lachten und freuten sich auf den Nachmittag, wenn alles vorbei sein würde, doch Harry, Ron und Hermine waren sehr besorgt wegen Hagrid und Seidenschnabel und hatten keine Lust sich dem Getümmel anzuschließen. Harry und Ron hatten ihre letzte Prüfung in Wahrsagen, Hermine in Muggelkunde. Sie gingen zusammen die Marmortreppe hoch, oben verabschiedete sie sich und Harry und Ron stiegen weiter bis in den siebten Stock, wo schon einige aus ihrer Klasse auf der Wendeltreppe zu Professor Trelawneys Zimmer saßen und sich in letzter Minute noch abfragten. Die beiden setzten sich zu Neville.»Sie will uns alle einzeln drannehmen«, erklärte er. Auf seinem Schoß lag Entnebelung der Zukunft, das Kapitel über Kristallkugeln aufgeschlagen.»Hat einer von euch jemals irgendwas in einer Kristallkugel gesehen?«, fragte er bekümmert. »Null«, sagte Ron beiläufig. Immer wieder sah er auf die Uhr; Harry wußte, daß er die Minuten bis zum Beginn von Seidenschnabels Verhandlung zählte. Die Warteschlange vor dem Klassenzimmer wurde nur mählich kürzer. Jeden, der die silberne Leiter herabstieg, löcherten sie mit gezischelten Fragen: »Was wollte sie wissen? War es schwer?« Doch keiner mochte etwas sagen. »Sie meint, sie wisse aus der Kristallkugel, daß mir was Furchtbares passieren wird, wenn ich es verrate!«, quiekte Neville, als er die Leiter zu Harry und Ron herunterkletterte, die unten warteten. »Das macht sie geschickt«, schnaubte Ron.»Weißt du, allmählich glaube ich, daß Hermine Recht hatte«(er wies mit dem Daumen nach unten),»sie ist nichts weiter als 'ne olle Schwindlerin.« »Stimmt«, sagte Harry und sah jetzt selbst auf die Uhr. Inzwischen war es zwei.»Wenn sie sich nur beeilen würde…« Parvati kam glühend vor Stolz die Leiter herunter. »Sie sagt, ich hätte alles, was eine wahre Seherin braucht«, verkündete sie Harry und Ron.»Ich hab ja so viel gesehen… also, viel Glück!« Und sie kletterte die Wendeltreppe hinunter, wo Lavender auf sie wartete. »Ronald Weasley«, sagte die vertraute rauchige Stimme über ihren Köpfen. Ron zog eine Grimasse, kletterte die silberne Leiter hoch und verschwand. Jetzt war nur noch Harry übrig. Er setzte sich mit dem Rücken an der Wand auf den Boden und lauschte dem Summen einer Fliege am sonnendurchfluteten Fenster. In Gedanken war er drüben am Waldrand bei Hagrid. Endlich, nach zwanzig Minuten, erschienen Rons große Füße auf der Leiter. »Wie ist es gelaufen?«, fragte Harry und stand auf »Bescheuert«, sagte Ron.»Hab überhaupt nichts gesehen, also hab ich was erfunden. Glaub aber nicht, daß sie richtig überzeugt war…« »Wir treffen uns im Gemeinschaftsraum«, murmelte Harry, und schon rief Professor Trelawney»Harry Potter!«. Im Turmzimmer war es stickiger denn je; die Vorhänge waren zugezogen, das Feuer loderte und die süßlichen Dünste ließen Harry husten. Er stolperte durch das Gewirr von Stühlen und Tischen hinüber zu Professor Trelawney, die vor einer großen Kristallkugel saß. »Guten Tag, mein Lieber«, sagte sie sanft.»Wenn Sie so nett wären, in die Kugel zu schauen… lassen Sie sich ruhig Zeit… und dann sagen Sie mir, was Sie sehen…« Harry beugte sich über die Kristallkugel und starrte hinein, mit aller Kraft suchte er nach etwas anderem als dem weißen Nebelgewaber, doch nichts geschah. »Nun?«, hakte Professor Trelawney sachte nach.»Was sehen Sie?« Die Hitze überwältigte ihn und der parfümierte Rauch, der vom Feuer herüberwaberte, stach ihm in die Nase. Er dachte an Ron und beschloß, es ihm gleichzutun. »Ähm -«, sagte Harry,»eine dunkle Gestalt… äh…« »Wem ähnelt sie?«, flüsterte Professor Trelawney.»Denken Sie mal nach…« Harry ließ die Gedanken schweifen und sie landeten bei Seidenschnabel. »Einem Hippogreif«, sagte er entschieden. »Tatsächlich!«, flüsterte Professor Trelawney und kritzelte eifrig Notizen auf das Blatt Pergament auf ihren Knien. »Mein Lieber, gewiß sehen Sie, wie dieser Streit des armen Hagrid mit dem Zaubereiministerium ausgeht! Sehen Sie genauer hin… hat der Hippogreif denn noch… seinen Kopf?« »Ja«, sagte Harry nachdrücklich. »Sind Sie sicher?«, drängte ihn Professor Trelawney.»Sind Sie ganz sicher, mein Lieber? Sehen Sie nicht vielleicht doch, wie er sich auf der Erde windet und eine dunkle Gestalt über ihm die Axt erhebt?« »Nein!«, sagte Harry und allmählich wurde ihm schlecht. »Kein Blut? Kein weinender Hagrid?« »Nein!«, sagte Harry noch einmal und wünschte sich nichts sehnlicher als endlich aus diesem stickigen Zimmer zu entkommen.»Er sieht gut aus, er – fliegt davon…« Professor Trelawney seufzte. »Nun, mein Lieber, ich denke, wir belassen es dabei… ein wenig enttäuschend… aber sicher haben Sie Ihr Bestes getan.« Erleichtert stand Harry auf, griff nach seiner Tasche und wandte sich zum Gehen, doch plötzlich ertönte eine laute, rüde Stimme hinter ihm. »Es wird heute Nacht geschehen.« Harry wirbelte herum. Professor Trelawney war in ihrem Lehnstuhl erstarrt, mit schielendem Blick und offenem Mund. »W-wie bitte?«, sagte Harry. Doch Professor Trelawney schien ihn nicht zu hören. Ihre Augen fingen an zu kullern. Harry packte die Angst. Sie sah aus, als würde sie gleich einen Anfall kriegen. Er überlegte, ob er in den Krankenflügel laufen sollte, zögerte – und dann sprach Professor Trelawney erneut, mit derselben rüden Stimme, ganz ungewohnt aus ihrem Mund: »Der Schwarze Lord ist einsam, von Freunden und Anhängern verlassen. Sein Knecht lag zwölf Jahre in Ketten. Heute Nacht, vor der zwölften Stunde, wird der Knecht die Ketten abwerfen und sich auf den Weg zu seinem Meister machen. Mit seiner Hilfe wird der Schwarze Lord erneut die Macht ergreifen und schrecklicher herrschen denn je. Heute Nacht… vor der zwölften Stunde… wird der Knecht sich auf den Weg machen… zurück zu seinem Meister…« Professor Trelawneys Kopf sackte auf die Brust. Sie machte ein grunzendes Geräusch. Harry stand da und starrte sie an. Dann, ganz plötzlich, zuckte ihr Kopf in die Höhe. »Tut mir ja so Leid, mein Junge«, sagte sie traumverloren,»die Hitze, Sie wissen… ich muß kurz eingedöst sein…« Harry starrte sie unverwandt an. »Stimmt irgendwas nicht, mein Lieber?« »Sie – Sie haben mir eben gesagt, daß – der Schwarze Lord wiederkommen wird… daß sein Knecht zu ihm zurückkehrt…« Professor Trelawney schien aufrichtig perplex. »Der Schwarze Lord? Er, dessen Name nicht genannt werden darf? Mein lieber Junge, darüber macht man keine Witze… wiederkommen, also hören Sie mal -« »Aber Sie haben es eben gesagt! Sie sagten, der Schwarze Lord -« »Ich glaube, auch Sie sind kurz weggedöst, mein Lieber!«, sagte Professor Trelawney.»Ich würde mir natürlich nie anmaßen, etwas so Unsinniges vorauszusagen!« Gedankenversunken stieg Harry die Leiter und die Wendeltreppe hinunter… Hatte er eine echte Vorhersage von Professor Trelawney gehört? Oder wollte sie die Prüfung nur nach ihrem Geschmack beschließen, mit etwas, das mächtig Eindruck hinterließ? Fünf Minuten später, als er an den Sicherheitstrollen vor dem Gryffindor-Turm vorbeihastete, klangen ihm ihre Worte noch immer in den Ohren. Viele kamen ihm entgegen, lachend und scherzend und befreit, auf dem Weg hinaus vors schloß, um sich ein wenig in die Sonne zu legen; als er durch das Porträtloch in den Gemeinschaftsraum stieg, war fast keiner mehr da. Drüben in einer Ecke allerdings hockten Ron und Hermine. »Professor Trelawney«, keuchte Harry,»hat mir eben gesagt -« Doch beim Anblick ihrer Gesichter stockte ihm die Stimme. »Seidenschnabel hat verloren«, sagte Ron erschöpft.»Das hier kam gerade von Hagrid.« Diesmal war Hagrids Nachricht trocken, keine Träne hatte das Blatt benetzt, doch seine Hand hatte offenbar dermaßen gezittert, daß die Notiz kaum leserlich war. Berufung verloren. Sie richten ihn bei Sonnenuntergang hin. Ihr könnt nichts mehr tun. Kommt nicht runter. Ich will nicht, daß ihr es mit anseht. Hagrid »Wir müssen hin«, sagte Harry sofort.»Wir können ihn nicht alleine rumhocken und auf den Henker warten lassen!« »Sonnenuntergang«, sagte Ron und starrte mit glasigem Blick aus dem Fenster.»Das erlauben sie uns nie… und dir schon gar nicht, Harry…« Harry ließ den Kopf in die Hände sinken und überlegte. »Wenn ich nur den Tarnumhang hätte…« »Wo ist er?«, fragte Hermine. Harry erklärte ihr, daß er ihn im Geheimgang unter der einäugigen Hexe versteckt hatte. »… wenn Snape mich noch mal in dieser Ecke trifft, sitz ich wirklich in der Patsche«, schloß er. »Das stimmt«, sagte Hermine und stand auf»Wenn er dich sieht… wie geht dieser Hexenbuckel noch mal auf?.« »Du – tippst dagegen und sagst gt;Dissendiumlt;«, erklärte ihr Harry,»aber -« Hermine wartete nicht, bis er ausgeredet hatte; mit großen Schritten durchquerte sie das Zimmer, klappte das Bild der fetten Dame zur Seite und verschwand. »Sie geht doch nicht etwa hin und holt den Umhang?«, sagte Ron und starrte ihr mit offenem Mund nach. Genau das tat Hermine. Eine halbe Stunde später kam sie zurück, mit dem sorgfältig gefalteten silbrigen Tarnumhang unter ihrem eigenen Umhang verborgen. »Hermine, ich weiß nicht, was seit neuestem in dich gefahren ist!«, sagte Ron verdutzt.»Erst vermöbelst du Malfoy, dann marschierst du bei Professor Trelawney einfach aus dem Unterricht -« Offensichtlich fühlte Hermine sich geschmeichelt. Wie alle andern gingen sie zum Abendessen, doch sie kehrten danach nicht in den Turm zurück. Harry hatte den Umhang unter seinem eigenen versteckt; er mußte die Arme verschränkt halten, um das Bündel zu verbergen. Sie huschten in eine leere Kammer neben der Eingangshalle und lauschten, bis sie sicher waren, daß keiner mehr draußen war. Ein letztes Pärchen eilte durch die Halle und eine Tür knallte zu. Hermine steckte den Kopf durch den Türspalt. »Gut«, flüsterte sie,»keiner mehr da – unter den Umhang -« Eng aneinander geschmiegt, damit sie alle unter den Tarnumhang paßten, durchquerten sie auf Zehenspitzen die Große Halle und stiegen die steinernen Stufen zum Schloßgelände hinunter. Schon versank die Sonne hinter dem Verbotenen Wald und tauchte die Baumspitzen in Gold. Vor Hagrids Hütte angelangt, klopften sie. Er brauchte eine Welle, um sich zu rühren, dann trat er vor die Tür und schaute sich fahlgesichtig und zitternd nach seinem Besucher um. »Wir sind's«, zischte Harry.»Wir tragen den Tarnumhang. Laß uns rein, dann können wir ihn ablegen.« »Ihr hättet nicht kommen sollen!«, flüsterte Hagrid, trat aber zurück und sie gingen hinein. Rasch schloß Hagrid die Tür und Harry zog den Umhang herunter. Hagrid weinte nicht und er warf sich auch keinem von ihnen um den Hals. Er sah aus wie jemand, der nicht weiß, wo er ist oder was er tut. Diese Hilflosigkeit war noch schlimmer mit anzusehen als Tränen. »Wollt ihr 'n Tee?«, sagte er. Mit zitternden Pranken langte er nach dem Kessel. »Wo ist Seidenschnabel, Hagrid?«, fragte Hermine zögernd. »Ich – ich hab ihn rausgebracht«, sagte Hagrid und bekleckerte beim Auffüllen des Milchkrugs den ganzen Tisch.»Er ist hinter meinem Kürbisbeet an der Leine. Dachte, er sollte noch mal die Bäume sehen und – und ein wenig frische Luft schnappen – bevor -« Hagrids Hand zitterte so heftig, daß ihm der Milchkrug entglitt und auf dem Boden zerschellte. »Ich mach das schon, Hagrid«, sagte Hermine rasch und beeilte sich, den Milchsee aufzuwischen. »Da ist noch einer im Schrank«, sagte Hagrid. Er setzte sich und wischte sich mit dem Ärmel die Stirn. Harry warf Ron einen Blick zu, den dieser mit hoffnungsleeren Augen erwiderte. »Kann man denn gar nichts mehr machen, Hagrid?«, fragte Harry jetzt wild entschlossen und setzte sich neben ihn.»Dumbledore -« »Er hat's doch versucht«, sagte Hagrid.»Aber er hat nicht die Macht, das Urteil zu ändern. Er hat den Leuten vom Ausschuß erklärt, daß Seidenschnabel in Ordnung ist, aber die haben doch Angst… ihr kennt Lucius Malfoy… der hat sie bedroht, vermut ich mal… und der Henker, Macnair, ist ein alter Kumpel von Malfoy… aber es wird schnell und sauber gehen… und ich werd bei ihm sein…« Hagrid schluckte. Sein Blick huschte durch die Hütte, als suchte er verzweifelt nach einem Fetzen Hoffnung oder Trost. »Dumbledore will auch dabei sein, wenn es… wenn es passiert. Hat mir heute Morgen geschrieben. Er will… will bei mir sein. Großartiger Mensch, Dumbledore…« Hermine, die in Hagrids Schrank nach einem anderen Milchkrug gesucht hatte, ließ einen leisen, rasch erstickten Schluchzer hören. Mit dem Krug in der Hand richtete sie sich auf, »Wir bleiben bei dir, Hagrid«, begann sie und kämpfte mit den Tränen, doch Hagrid schüttelte seinen zottigen Kopf. »Ihr müßt zurück ins Schloß. Ich hab euch doch gesagt, ich will nicht, daß ihr zuseht. Und ihr solltet ohnehin nicht hier unten sein… wenn Fudge und Dumbledore euch hier finden, Harry, dann kriegt ihr gewaltigen Ärger.« Stumme Tränen rannen nun an Hermines Wangen hinunter, doch sie werkelte am Teekessel herum, um sie vor Hagrid zu verbergen. Dann langte sie nach der Milchflasche um die Kanne zu füllen – und stieß einen spitzen Schrei aus. »Ron! Ich – das gibt's doch nicht – es ist Krätze!« Ron starrte sie mit aufgerissenem Mund an. »Was redest du da?« Hermine trug die Milchkanne hinüber zum Tisch und stellte sie auf den Kopf. Mit einem panischen Quieken und verzweifelt mit den Beinchen krabbelnd, um wieder in die Kanne zu kommen, kam Krätze auf den Tisch gekullert. »Krätze!«, sagte Ron entgeistert.»Krätze, was machst du denn hier?« Er packte die widerspenstige Ratte und hielt sie ins Licht. Krätze sah schrecklich aus. Er war dünner als je, dicke Haarbüschel waren ihm ausgefallen und hatten große kahle Stellen hinterlassen. Er wand sich in Rons Hand, als ob er verzweifelt das Weite suchte. »Ist schon gut, Krätze!«, sagte Ron.»Keine Katzen! Keiner hier will dir was antun!« Plötzlich stand Hagrid auf und spähte durch das Fenster. Sein wettergegerbtes Gesicht hatte die Farbe von Pergament angenommen. »Sie kommen…« Harry, Ron und Hermine wirbelten herum. In der Ferne sahen sie ein paar Männer die Schloßtreppe herunterkommen. Voran ging Albus Dumbledore, dessen silberner Bart in der untergehenden Sonne schimmerte. Ihm nach trottete Cornelius Fudge. Dann folgten das tattrige alte Ausschußmitglied und Macnair, der Henker. »Ihr müßt gehen«, sagte Hagrid. Er zitterte am ganzen Leib.»Sie dürfen euch hier nicht finden… verschwindet jetzt, schnell…« Ron stopfte Krätze in seine Tasche und Hermine nahm den Umhang hoch. »Ich laß euch hinten raus«, sagte Hagrid. Sie folgten ihm durch die Tür in seinen Garten. Harry kam alles seltsam unwirklich vor, und das um so mehr, als er ein paar Meter entfernt Seidenschnabel sah, den Hagrid an den Zaun um sein Kürbisbeet gebunden hatte. Seidenschnabel schien zu wissen, daß etwas geschehen würde. Er warf den Kopf hin und her und scharrte nervös auf der Erde. »Ist schon gut, Schnäbelchen«, sagte Hagrid leise.»Es ist alles gut…«Er wandte sich den dreien zu.»Geht jetzt«, sagte er,»sputet euch.« Doch sie rührten sich nicht. »Hagrid, wir können nicht einfach -« »Wir sagen ihnen, was wirklich passiert ist -« »Sie dürfen ihn nicht umbringen -« »Geht«, sagte Hagrid grimmig.»Ist alles schon schlimm genug, da müßt ihr nicht auch noch Ärger kriegen!« Sie hatten keine Wahl. Als Hermine den Umhang über Harry und Ron warf, hörten sie Stimmen vor der Hütte. Hagrid sah auf die Stelle, wo sie eben verschwunden waren. »Geht schnell«, sagte er heiser,»und lauscht nicht…« Jemand klopfte an seine Tür und er ging rasch in die Hütte. Langsam, wie in grauenerfüllter Trance, schlichen sich Harry, Ron und Hermine leise um Hagrids Hütte herum. Als sie auf der anderen Seite waren, fiel die Vordertür mit einem scharfen Knall ins Schloß. »Beeilen wir uns, bitte«, flüsterte Hermine.»Ich kann das nicht sehen, ich kann es nicht ertragen…« Sie gingen den Rasenhang zum Schloß hoch. Die Sonne versank jetzt schnell am Horizont; der Himmel hatte ein klares, mit purpurnen Schleiern durchzogenes Grau angenommen, doch im Westen glühte es rubinrot. Ron blieb wie angewurzelt stehen. »O bitte, Ron«, sagte Hermine. »Es ist Krätze – gibt einfach keine Ruhe -« Ron hatte sich gebückt und versuchte Krätze in der Tasche zu halten, doch die Ratte hatte rasende Angst gepackt; mit irrem Quieken, sich windend und kratzend, versuchte sie die Zähne in Rons Hand zu versenken. »Krätze, ich bin's, Ron, du Dummkopf!«, zischte Ron. Hinter ihnen ging eine Tür auf und sie hörten Männerstimmen. »O Ron, bitte, gehn wir weiter, sie tun's jetzt!«, keuchte Hermine. »Gut – Krätze, bleib hier -« Sie gingen weiter; Harry und Hermine versuchten, nicht auf die Stimmen hinter ihnen zu hören. Wieder erstarrte Ron. »Ich kann sie nicht mehr festhalten – Krätze, halt's Maul, die hören uns doch -« Die Ratte quiekte spitz, doch nicht laut genug, um die Geräusche zu überdecken, die von Hagrids Garten herüberwehten. Zunächst gab es ein Gewirr undeutlicher Männerstimmen, dann trat Stille ein, und dann, ohne Warnung, hörten sie das unmißverständliche Surren und den dumpfen Aufschlag einer Axt. Hermine wankte. »Sie haben es wirklich getan!«, flüsterte sie Harry zu.»Ich k… kann's nicht fassen – sie haben's getan!« |
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